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Helmuth Plessner

Authors:
386
HELMUTH
PLESSNER
Helmuth
Plessner
4.9.1892-
12.6.1985
P.
wuchs
in
Wiesbaden
auf
als
Sohn
eines
Arztes,
der
vom
jüdi
schen
zum
protestantischen
Glauben
übergetreteu
war.
Nach
zwei
Semestern
Medizinstudium
in
Freiburg
i.
Br.
wechselte
P.
zum
Zoologiestudium
nach
Heidelberg.
Die
dortigen
Erfahrun
gen
waren
geprägt
durch
H,
Driesch,
W.
Windelband,
Max
und
Marianne
Weber,
E.
Troeltsch,
G.
Lukäcs
und
E.
Bloch.
1914
wechselte
P.
nach
Göttingen
zu
E.
Husserl,
um
anschließend
1916
in
Erlangen
bei
P
Hensel
zu
promovieren
und
sich
1920
bei
Driesch
in
Köln
zu
habilitieren.
P
suchte
und
fand
zunehmend
einen
eigenen
Weg
zwischen
Naturwissenschaft
und
Philoso
phie,
zwischen
Kantscher
Philosophie
und
Phänomenologie
und
zwischen
Wissenschaft
und
Politik,
ohne
dass
je
philosophische
Fragen
naturwissenschaftlich
behandelt
würden.
1923
erschien
mit
der
Einheit
der
Sinne
der
Einstieg
in
seine
ihm
eigentümliche
Philosophische
Anthropologie,
deren
komplementäre
Dimensi
on
er
1928
mit
den
Stufen
des
Organischen
und
der
Mensch
vorlegte.
Mit
Macht
und
menschliche
Natur
(1931)
wurde
deutlich,
dass
seine
Anthropologie
sich
als
Politische
Anthropologie
versteht.
Wichti
ge
Vermittlungsglieder
dieses
Projekts
sind
Grenzen
der
Gemein
schaft
(1924)
und
die
gemeinsame
Arbeit
mit
F.
Buytendijk.
1933
wird
P.
zur
Emigration
zunächst
nach
Istanbul,
dann
nach
Gro
ningen
gezwungen.
Aus
dieser
Zeit
stammen
Die
verspätete
Nation
(1935)
und
Lachen
und
Weinen
(1941).
Nach
der
deutschen
Okku
pation
tauchte
er
1943
in
den
Niederlanden
unter.
1946
wurde
er
Professor
für
Philosophie
in
Groningen,
1952
Professor
für
So
ziologie
in
Göttingen.
Dort
trat
er
u.
a.
als
Mitautor
der
Studie
Untersuchungen
zur
Lage
der
deutschen
Hochschullehrer
auf.
Nach
sei
ner
Emeritierung
leinte
er
an
der
New
School
for
Social
Research
in
New
York
und
in
Zürich.
Werk
P
leistet
einen
doppelten
Beitrag
zur
Politischen
Theorie.
Zürn
einen
bemüht
er
sich
in
Die
verspätete
Nation,
ähnlich
wie
E.
->
Cassirer
in
The
Mylh
oftthe
State,
um
eine
geistesgeschichtliche
Analyse
der
Ursachen
des
deutschen
Faschismus.
Zum
anderen
HELMUTH
PLESSNER
387
sucht
er
das
Politische
selbst
zu
bestimmen,
was
bis
heute
weitge
hend
uneingeholt
ist.
Mit
P.s
Politischer
Anthropologie
liegt
ein
Gegenentwurf
zu
C.
Schmitt
vor,
der
jedoch
häufig,
im
An
schluss
an
Klamme,
als
Dezisionismus
im
Sinne
Schmitts
gelesen
wird.
STUFEN
DES
ORGANISCHEN
UND
DER
MENSCH,
hl
diesem
Buch
arbeitet
P.
die
zentrale
Kategorie
der
exzentrischen
Position
des
Menschen
heraus,
die
sich
mit
der
von
J.
König
in
Der
Begriff
der
Intuition
(1926)
bestimmten
Kategorie
der
Verschränkung
deckt.
Die
von
P.
konzipierten
Stufen
sind
Stufen
von
Reflexivi-
tät,
kulminierend
in
einer
nicht
nicht
realisiert
sein
könnenden
Abständigkeit
des
Menschen
zu
sich
selbst.
Deshalb
kann
und
muss
der
Mensch
sein
Leben
führen,
d.
h.
in
Freiheit
selbst
ge
stalten.
Das
ist
keine
Option
und
somit
kein
Gebot,
das
Leben
führen
zu
sollen,
sondern
die
Frage
danach,
wie
ein
exzentrisches
Wesen
sein
Leben
führt.
Insofern
muss
der
Mensch
»sich
zu
dem,
was
er
schon
ist,
erst
machen«,
von
P.
selbst
als
»absolute
Antino
mie«
bezeichnet.
Diese
logisch
sehr
besondere
Struktur
wird
sichtbar
und
hinsichtlich
Außenwelt,
Innenwelt
und
Mitwelt
konkretisiert
in
den
drei
Grundgesetzen
der
natürlichen
Künst
lichkeit,
der
vermittelten
Unmittelbarkeit
und
des
utopischen
Standorts.
Die
in
politiktheoretischer
Hinsicht
zentrale
Charak
teristik
ist
die
der
konstitutiven
Fleimatlosigkeit.
Der
jeweils
schon
miteinander
gelebte
Maßstab
der
eigenen
Lebensführung
ist
nirgends
als
Definitivum
gegeben;
er
kann
nur
anerkannt
wer
den.
Der
Mensch
ist
ein
politisches
Wesen,
insofern
er
sich
zu
ei
nem
solchen
Ethos
nicht
nicht
entschieden
haben
kann.
P,
kennt
zwei
Modi:
Religiosität
ist,
im
Gegensatz
zu
politischer
Kulturali-
tät,
jener
Modus
von
Lebensführung,
in
der
das
Individuum
meint,
die
Last
der
eigenen
Lebensführung
abgeben
zu
können.
Exzentrizität
ist,
so
P,
in
der
Natur
nicht
ihrerseits
reflektierbar:
natürlich
gibt
es
keine
Trans-Zentrizität.
Um
so
nachdrücklicher
konzipiert
P.
Anthropologie
als
Naturphilosophie,
um
die
aus
nehmend
besondere
Macht
des
Menschen
in
der
Natur
und
die
Gebrochenheit
dieser
Macht
durch
die
Natur
denken
zu
können.
Der
Sache
nach
sind
die
Stufen
das
Anschlussprojekt
von
Feuer
bachs
Wesen
der
Religion
von
1846.
MACHT
UND
MENSCHLICHE
NATUR.
Die
Stufen
lassen
offen,
von
welchem
Ort
aus
sie
geschrieben
sind.
Es
bleibt
schwankend,
el
LE
i
L
£
'
:iSX
'■il
388
HELMUTH
FLESSNER
ob
der
Maßstab
der
Exzentrizität
in
und
durch
die
Natur
gegeben
ist
oder
ob
and
wie
er
ein
anzuerkeunender
freier
Entwurf
ist,
mithin
selbst
aus
exzentrischer
Position
heraus
entsprungen
ist.
Kritische
Äußerungen
von
König
und
die
Verhältnisbestimmung
zu
Heideggers
These
vom
Primat
einer
Ontologie
des
Daseins
haben
wohl
u.
a.
als
Katalysator
gewirkt,
diese
Unklarheit
in
Macht
und
menschliche
Natur
positiv
zu
wenden.
Dort
ist
manches
prinzipiell
unentscheidbar
(u.
a.
ob
der
Naturphilosophie
oder
der
Anthropologie
ein
begründungstheoretischer
Primat
zu
kommt).
Unentscheidbarkeit
ist
kein
Mangel,
der
durch
gründli
chere
Analyse
dereinst
zu
beseitigen
sein
wird,
sondern
allein
die
se
(pyrrhonisch-skeptische)
Figur
der
Isosthenie
(Die
Frage
nach
dem
Wesen
der
Philosophie,
1934)
sichert
die
Verbindlichkeit
der
Unergründlichkeit
des
Menschseins.
Praktisch
ist
dann
jede
We-
sensbestimrnung
des
Menschseinseine
Entscheidung,
mithin
ein
Politikum.
Politik
ist
nicht
angewandte
Ethik;
sie
ratifiziert
nicht
bloß
ein
ablesbares
Humanum.
Dem
werden
Entfremdungs
theorien
und
Gemeinschaftsideologien
grundsätzlich
nicht
ge
recht.
Die
Nähe
zu
C.
Schmitt
ist
als
direktes
Gegenteil
unver
meidbar;
jene
Entscheidung
ist
keine
aus
dem
Nullpunkt
heraus,
weil
sie
geschichtlich
eingebunden
ist.
Die
Entscheidung
besteht
in
einem
»Festhalten
an
einer
schon
getroffenen
Festlegung
oder
cines
Revohierens
gegen
sie«.
P.
hat
seine
Philosophie
auf
sie
selbst
bezogen.
Macht
und
menschliche
Natur
ist
der
gleichsam
chelnde
Kommentar
zu
den
Stufen.
Rezeption
P.
ist
nur
unzureichend
rezipiert
worden.
Das
erzwungene
Exil,
die
Wirkmächtigkeit
Heideggers,
die
schwierigen
Texte,
Vorbe
halte
gegen
ohilosophische
Anthropologien
bieten
sich
als
Erklä
rungen
an.
Insbesondere
die
politische
Dimension
seiner
An
thropologie
wurde
häufig
entweder
ignoriert
oder
'als
bloße
Anwendung
oder
Variation
der
formelhaft
verstandenen
exzen
trischen
Positionalität
gedeutet.
U.
a.
G.
Arlt
undj.
Fischer
haben
die
Eigonbedeutsamkeit
des
Politischen
in
der
philosophischen
Konzeption
P.s
herausgestellt.
Das
eröffnet
insbesondere
die
Möglichkeil,
die
schon
länger
andauernde
und
notwendige
De
batte
um
die
Verhältnisbestimmung
von
P.
und
Schmitt
(Richter
2001)
nicht
politisch
zu
instrumentalisieren.
In
jüngster
Zeit
KARL
RAIMUND
POPPER
389
deutet
sich
eine
Renaissance
der
Rezeption
bis
hin
zur
Analyse
der
Intensivmedizin
mit
P.s
Kategorien
an
(G.
Lindemann).
Bibliographie
Werke:
Gesammelte
Schriften,
10
Bde.,
hg.
G.
DuXu.
a.,
Frankfurt
a.
M.
1980-1985.
-
Briefwechsel
mit
Josef
König
1923-1933,
hg.
H.-U
LES-
SING/A.
Mutzenbecher
,
Freiburg
i.
Br/München
1994.
-
Politik-An-
thropologie-Philosoplhc.
Aufsätze
und
Vorträge,
hg.
S.
GlAMUSSO/
H.
U.
LESSING,
München
2001.
Literatur:
C.
Graf
v.
KROCKOW:
Die
Entscheidung.
Eine
Untersuchung
über
Ernst
Jünger,
Carl
Schmitt,
Martin
Heidegger,
Stuttgart
1958.
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J.
FISCHER;
P.
und
die
politische
Philosophie
der
zwanziger
Jahre,
in:
Po
litisches
Denken.
Jahrbuch
1992
(1993),
S.
53-77.
-
G.
ARLT:
Anthropo
logie
und
Politik.
Ein
Schlüssel
zum
Werk
H.
P.s.
München
1996.
-
H.-P.
KRÜGER;
Angst
vor
der
Selbstentsicherung.
Zum
gegenwärtigen
Streit
um
FL
P.s
philosophische
Anthropologie,
in:
Deutsche
Zeitschrift
für
Philosophie
44
(1996),
S.
271
300.
V
SCHÜRMANN;
Unergründ-
lichkeit
und
Kritik-Begriff
Es
Politische
Anthropologie
als
Absage an
die
Schulphilosophie,
in:
Deutsche
Zeitschrift
für
Philosophie
45
(1997),
S.
345-361.
-
K.
SCHÜSSLER:
H.
P.
Eine
intellektuelle
Biographie,
Ber
lin/Wien
2000.
-
N.
A.
RICHTER:
Unversöhnte
Verschränkung.
Thcoric-
beziehungen
zwischen
Carl
Schmitt
und
H.
P.,
in:
Deutsche
Zeitschrift
Rir
Philosophie
49
(2001),
S.
783-799.
-
W
ESSBACH
u.
a.
(Hg.):
P.s
iGrenzcn
der
Gemeinschaft.
Eine
Debatte,
Frankfurt
a.
M.
2002.
-
V
SCHÜRMANN:
Heitere
Gelassenheit.
Grundriss
einer
parteilichen
Skepsis,
Magdeburg
2002,
Volker
Schünnann
Karl
Raimund
Popper
18.7.1902-
17.9.1994
Der
österreichische
Philosoph,
der
als
Sohn
jüdischer,
zum
Pro
testantismus
konvertierter
Eltern
in
Wien
geboren
wurde,
ge
langte
erst
auf
Umwegen
zur
Philosophie.
E
experimentierte
zunächst
mit
mehreren
Lebensentwürfen,
bevor
er
die
Lehramts
befähigung
in
naturwissenschaftlichen
Fächern
eiwarb
und
zu
sätzlich
Psychologie
und
Philosophie
studierte.
In
der
1928
abge-
Politische
Theorie
der
Gegenwart
in
Einzeldarstellungen
Von
Adorno
bis
Young
lierausgegeben
von
Gisela
Riescher
Stuttgart:
Kröner2004
(Kröners
Taschenausgabe
Baud
343)
ISBN
3-520-34301-0
©
2004
by
Alfred
Kröner
Verlag
Stuttgart
Alle
Rechte
Vorbehalten
Printed
in
Gennany
Gcsamtherstelluhg:
Friedrich
Pustet,
Regensburg
Inhalt
Zur
Einführung
........................................................................
X
Abkürzungen
.......................................................................
XIX
A
dorno
von
Arno
Waschkuhn
...................................................
I
Almond
von
Thomas
Biebricher
...............................................
4
A
ltmussrr
von
Tobias
Bevc
........................................................
8
A
ndrrson
von
Thomas
Haury
..................................................
11
Al
EL
von
Dietrich
Böhler
und
Boris
Rahme
..............................
15
Arendt
von
Brigitte
Gess
.........................................................
19
A
ron
von
Alexander
Thumfart
...............................................
25
B
arber
von
Gisela
Riescher
.....................................................
28
Baudrillard
von
Wilhelm
Hofmann
......................................
32
B
auman
von
Thorsten
Bonacker
...............................................
35
B
eauvoir
von
Ingrid
Galster
.....................................................
39
B
eck
von
Gisela
Riescher
...........................................................
43
B
enhabib
von
Günter
Rieger
.....................................................
46
B
erlin
von
Karl-Heinz
Breier
..................................................
49
Bermbach
.
von
Dirkjörke
........................................................
53
B
jeymb
von
Gisela
Riescher
........................................................
56
B
obbio
von
Alexander
Thumfart
...............................................
59
BÖCKENFÖRDE
von
Heribert
Prantl
............................................
63
D
ourdieu
von
Ursula
Degener
..........................
66
B
uchanan
von
Michael
Wohlgemuth
......................................
72
B
ull
von
Antje
Wiener
..............................................................
75
B
utler
von
Hannelore
Bublitz
...............................................
79
C
assirer
von
Ingeborg
Villinger
...............................................
82
C
astells
von
Alexander
Thumfart
............................................
85
C
astoriadis
von
Alice
Pechriggl
...............................................
89
C
uodorow
von
Meike
Penkwitt.
.
.
.
.....................................
92
C
ornell
von
Dietmar
J.
Wetzei
...............................................
95
C
zemriel
von
Michael
Spieker
..................................................
99
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