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Siedlungsgeschichte und Varietätenkontakt: Zur Entstehung des Namdeutschen

Authors:
Preprints and early-stage research may not have been peer reviewed yet.

Abstract

This paper examines the role of dialect contact in the emergence of Namdeutsch (i.e. a variety of German spoken by about 20,000 Namibians today). In order to show that German speakers of different regional origins interacted with each other in the former colony of German South West Africa, a concrete setting is reconstructed on the basis of historical sources and information on geographic distributions of surnames. Subsequently, it is shown that phenomena can be found which are usually regarded as the result of dialect contact and thus contribute to the emergence of new varieties: levelling, interdialect developments, reallocation and focusing. It is argued that dialect contact is a third cause of language change which is central to German in Namibia along with borrowings from the main contact languages English and Afrikaans and the elaboration of internal tendencies of German.
1
Christian Zimmer
Freie Universität Berlin
Siedlungsgeschichte und Varietätenkontakt: Zur Entstehung des Namdeutschen
Settlement history and dialect contact: On the emergence of Namdeutsch*
Kurzfassung: Dieser Beitrag widmet sich der Frage, welche Rolle der Varietätenkontakt bei
der Entstehung des Namdeutschen gespielt hat, also der Varietät, die heute von etwa 20.000
deutschsprachigen NamibierInnen gesprochen wird. Dazu wird zunächst ein konkretes Setting
anhand von historischen Quellen und familiennamengeographischen Erkenntnissen im Detail
rekonstruiert, um Aufschluss darüber zu geben, inwiefern Deutschsprachige unterschiedlicher
regionaler Herkunft in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika miteinander
interagierten. Daran anknüpfend wird gezeigt, dass im Namdeutschen Phänomene zu finden
sind, die klassischerweise als Prozess im bzw. Resultat von Varietätenkontakt angesehen
werden und somit zur Entstehung neuer Varietäten beitragen: Levelling, Interdialect
Developments, Reallocation und Focusing. Dabei wird dafür argumentiert, dass es sich beim
Varietätenkontakt um eine dritte für das Deutsche in Namibia zentrale Sprachwandelursache
handelt, die ebenso wie Interferenzen aus den Hauptkontaktsprachen Englisch und Afrikaans
und dem Ausbau binnenstrukturell angelegter Tendenzen prägend für das Namdeutsche war
und ist.
Schlagwörter: Varietätenkontakt, Siedlungsgeschichte, Familiennamengeographie, Levelling,
Focusing, Namdeutsch
Abstract: This paper examines the role of dialect contact in the emergence of Namdeutsch (i.e.
a variety of German spoken by about 20,000 Namibians today). In order to show that German
speakers of different regional origins interacted with each other in the former colony of German
South West Africa, a concrete setting is reconstructed on the basis of historical sources and
information on geographic distributions of surnames. Subsequently, it is shown that phenomena
can be found which are usually regarded as the result of dialect contact and thus contribute to
the emergence of new varieties: levelling, interdialect developments, reallocation and focusing.
It is argued that dialect contact is a third cause of language change which is central to German
in Namibia along with borrowings from the main contact languages English and Afrikaans and
the elaboration of internal tendencies of German.
Keywords: dialect contact, settlement history, surname geography, levelling, focusing,
Namdeutsch
* Meine Arbeit wurde gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) WI 2155/9-1; SI
750/4-1. Ich danke außerdem den namibischen Gewährspersonen für deren große Kooperationsbereitschaft sowie
Anika Kroll-Tjingaete und Britta Stuhl für die Unterstützung bei der Datenerhebung und -aufbereitung. Dank
gebührt außerdem der Redaktion und den Herausgebern der ZDL sowie den anonymen GutachterInnen für ihre
nützlichen Hinweise.
Der Aufsatz ist zur Publikation angenommen. Er erscheint demnächst in
der Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik.
2
1. Einleitung
In Namibia gibt es eine deutschsprachige Minderheit, die derzeit etwa 20.000 Mitglieder
umfasst. Diese Minderheit geht im Wesentlichen auf Immigration im Zuge der Kolonialisierung
des Gebiets unter dem Namen Deutsch-Südwestafrika (1884‒1915) zurück.
1
Aber auch daran
anschließend gab es und gibt es bis heute Zuwanderung aus dem deutschsprachigen Raum in
Europa. Innerhalb dieser Community hat sich eine Varietät entwickelt, die sich in vielerlei
Hinsicht von Varietäten innerhalb des geschlossenen deutschen Sprachraums in Europa
unterscheidet. Als Bezeichnung für diese Varietät hat sich inzwischen Namdeutsch etabliert.
2
Sprachliche Spezifika finden sich auf allen linguistischen Beschreibungsebenen von der
Phonetik bis hin zur Pragmatik (einige Phänomenbereiche werden in den folgenden Kapiteln
erörtert; s. darüber hinaus z.B. auch SHAH 2007 und WIESE et al. 2014). Die Entstehung dieser
Merkmale wurde bislang vor allem mit dem intensiven Sprachkontakt erklärt, den das Deutsche
in Namibia erfährt. So sind beinahe alle deutschsprachigen NamibierInnen mindestens
dreisprachig und beherrschen neben dem Deutschen auch die Amtssprache Englisch sowie
Afrikaans, das in vielen Bereichen als Lingua franca fungiert. Hinzu kommen unterschiedlich
stark ausgeprägte, meist jedoch geringe Kenntnisse von Bantusprachen (z.B. Oshiwambo,
Otjiherero) und/oder Khoisansprachen (z.B. Khoekhoegowab). Namdeutsche Besonderheiten
auf dieses multilinguale Setting zurückzuführen, ist naheliegend und entsprechende
Erklärungsansätze dominieren in der Forschungsliteratur zum Deutschen in Namibia: So
wurden phonetische (vgl. z.B. RIEHL 2014: 114), morphologische (vgl. z.B. SHAH 2007: 28
30) und syntaktische Eigenschaften (vgl. z.B. ZIMMER 2019: 1186) auf diese Weise erklärt. Seit
einigen Jahren wird darüber hinaus vermehrt ein weiterer Erklärungsansatz für namdeutsche
Innovationen verfolgt, indem die Relevanz binnenstrukturell angelegter Tendenzen des
Deutschen hervorgehoben wird, die im multilingualen Setting verstärkt ausgebaut werden (vgl.
hierzu WIESE et al. 2014, 2017; WIESE / BRACKE, i. Ersch.; ZIMMER, i. Ersch.).
Im Folgenden möchte ich eine andere Perspektive auf das Deutsche in Namibia
einnehmen. Dazu fokussiere ich auf den innerdeutschen Varietätenkontakt als potentielle
Sprachwandelursache. Dieser Aspekt wurde bislang so gut wie gar nicht berücksichtigt,
3
hat
sich bei der Analyse anderer extraterritorialer Varietäten aber als bedeutsam herausgestellt, vgl.
1
Einen Überblick über soziolinguistische, historische und sprachpolitische Informationen zum Deutschen
in Namibia gibt ZIMMER (2019); s. auch PÜTZ (1991, 1995), GRETSCHEL (1995), SCHMIDT-LAUBER (1998), BÖHM
(2003), DEUMERT (2009, 2018), AMMON (2014), DÜCK (2018), SHAH / ZAPPEN-THOMSON (2018), KROLL-
TJINGAETE (2018) und ZAPPEN-THOMSON (2019).
2
Daneben ist auch die Bezeichnung Südwesterdeutsch geläufig, die aber allmählich außer Gebrauch zu
geraten scheint. Außerdem werden mit zum Teil leicht abweichender Bedeutung auch Namsläng und Namlish
verwendet (für terminologische Überlegungen s. ZIMMER 2019: 11851186).
3
Einige Bemerkungen zu diesem Thema finden sich bei NÖCKLER (1963). Die regionale Herkunft der
ImmigrantInnen wird bei ihm allerdings nicht weiter berücksichtigt, da er davon ausgeht, dass im Rahmen des
Schulunterrichts eine sehr schnelle „Angleichung an die hochdeutsche Aussprache“ (NÖCKLER 1963: 97) stattfand.
Es ist unbestreitbar, dass der Schulunterricht einen großen Einfluss auf den deutschen Sprachgebrauch in
Südwestafrika/Namibia hatte und hat. Allerdings sollten sowohl die Homogenität des (intendierten) Standards im
späten 19. und frühen 20. Jahrhundert als auch die Standardnähe des heutigen Namdeutschen nicht überschätzt
werden, was im Folgenden dargelegt wird.
3
z.B. AUER (2005) zur deutschen Koiné in Rio Grande do Sul (Brasilien).
4
Im Folgenden werde
ich prüfen, inwiefern dieser Aspekt auch mit Blick auf das Namdeutsche relevant ist. Dazu
werde ich zunächst die Siedlungsgeschichte genauer in den Blick nehmen, um zu untersuchen,
ob und in welchem Ausmaß innerhalb der deutschsprachigen Gemeinschaft Varietätenkontakt
im Südwesten Afrikas stattgefunden hat (Abschnitt 2).
Dabei wird sich zeigen, dass die deutschsprachige Gemeinschaft im Südwesten Afrikas
sprachlich zunächst ausgesprochen heterogen war, da SprecherInnen aus vielen verschiedenen
Dialektgebieten miteinander interagierten. Ein solches Szenario wird in der Literatur
traditionell als Dialect Mixing bezeichnet (vgl. z.B. TRUDGILL 1986).
5
Inwiefern dieser
Umstand sich sprachlich auf die Entstehung des Namdeutschen ausgewirkt hat, ist Gegenstand
von Abschnitt 3.
2. Rekonstruktion der Siedlungsgeschichte
Um das Ausmaß des Varietätenkontakts einschätzen zu können, müssen zunächst einmal die
historischen Gegebenheiten rekonstruiert werden: Aus welchen Dialektgebieten stammten die
Deutschsprachigen, die seit dem späten 19. Jahrhundert immigrierten? Waren
Deutschsprachige verschiedener Provenienz miteinander in Kontakt oder bildeten sich
sprachlich homogene Subgruppen? Dominierte eine Gruppe aus einem bestimmten
Dialektgebiet zahlenmäßig?
Erste Erkenntnisse mit Blick auf diese Aspekte vermittelt Abbildung 1. Die
zugrundeliegenden Daten stammen aus einer Fragebogenstudie, die im Zuge mehrerer
Feldforschungsaufenthalte in den Jahren 2017 und 2018 durchgeführt wurde.
6
Abbildung 1
visualisiert die Antworten der Gewährspersonen auf die Frage: Hat deine Mutter [und daran
anschließend: dein Vater] Vorfahren aus Deutschland? Falls ja: Aus welcher Region? Diese
Frage konnte von den meisten TeilnehmerInnen sehr präzise beantwortet werden. In aller Regel
wurden ein konkreter Ort oder mehrere konkrete Orte (für verschiedene Vorfahren) genannt.
7
Auf diese Weise konnte für eine Stichprobe von 157 SprecherInnen (also knapp einem Prozent
der deutschsprachigen Gemeinschaft) die Herkunft der immigrierten Vorfahren ermittelt
werden.
8
4
Zu Interferenzen, dem Ausbau binnenstrukturell angelegter Tendenzen und Varietätenkontakt als Trias
der Wandelursachen im Sprachinsel-Setting s. z.B. auch ROSENBERG (2003).
5
Um Missverständnissen vorzubeugen, sei hier daran erinnert, dass der englische Terminus dialect wohl
am besten mit Varietät zu übersetzen ist und nicht exakt das bezeichnet, was in der deutschsprachigen
Forschungstradition unter Dialekt (im engeren Sinne) gefasst wird (vgl. z.B. TRUDGILL 1992: 23 für eine
Definition von dialect).
6
Während dieser Forschungsaufenthalte wurden auch die Audio-Aufnahmen gemacht, die in aufbereiteter
Form im Korpus Deutsch in Namibia (DNam; ZIMMER et al., i. Ersch.) zugänglich sind und die einen Teil der im
weiteren Verlauf analysierten Datenbasis darstellen (s. Abschnitt 3).
7
Die TeilnehmerInnen, die ein Gebiet statt eines konkreten Ortes angegeben haben, sind in Abbildung 1
nicht berücksichtigt. Vergleichsweise häufige Antworten waren z.B. Bayern, Pommern und Ostpreußen. Einige
Städte wurden darüber hinaus von mehreren TeilnehmerInnen genannt (z.B. Berlin, Stuttgart und Hamburg).
8
Die Karte wurde mit dem REDE SprachGIS erstellt (SCHMIDT / HERRGEN / KEHREIN 2008 ff. a). Projiziert
werden die Orte hier auf die Einteilung der deutschen Dialekte nach Wiesinger (SCHMIDT / HERRGEN / KEHREIN
4
Abbildung 1: Herkunft der immigrierten Vorfahren der Gewährspersonen
Abbildung 1 verdeutlicht, dass Deutschsprachige aus vielen verschiedenen Gebieten in das
Gebiet des heutigen Namibia emigrierten. Wertet man die Antworten quantitativ aus und ordnet
die Ortspunkte den dialektalen Großräumen des Deutschen zu, ergibt sich das in Tabelle 1
erkennbare Bild: Emigration fand aus allen dialektalen Großräumen statt. Am stärksten wenn
auch nicht deutlich war der niederdeutsche Sprachraum beteiligt.
Dialektaler Großraum
n
Anteil
Niederdeutsch
126
50%
Mitteldeutsch
83
33%
Oberdeutsch
43
17%
Tabelle 1: Herkunft der immigrierten Vorfahren der Gewährspersonen nach dialektalen Großräumen
Diese Erkenntnis deckt sich mit bisherigen, nicht auf quantitativen Auswertungen beruhenden,
Annahmen zur Siedlungsgeschichte, vgl. z.B. BÖHM (2003: 564):
Die Deutschsprachigen in Namibia stammen, anders als andere deutschsprachige
Emigrantengruppen in der Welt (z.B. die niederdeutschen Mennoniten oder die
2008 ff. b). Grau hervorgehoben wird außerdem der Umriss der heutigen Bundesrepublik Deutschland. Dieser ist
für die historischen Gegebenheiten natürlich nicht aussagekräftig, erleichtert aber die Orientierung.
5
Donauschwaben), nicht schwerpunktmäßig aus einem bestimmten deutschen
Dialektgebiet. Wenn man überhaupt einen regionalen Schwerpunkt ihrer Herkunft
ausmachen kann, so den norddeutschen Raum.
Diese Daten sind ein erster Anhaltspunkt dafür, dass innerhalb der deutschsprachigen
Gemeinschaft in Südwestafrika Varietätenkontakt stattgefunden hat. Allerdings liefern sie
keine Informationen dazu, inwiefern Deutschsprachige unterschiedlicher Herkunft tatsächlich
miteinander interagiert haben. Da der Zeitpunkt der Immigration mithilfe dieses Datentyps
nicht genau ermittelt werden kann, kann nicht ausgeschlossen werden, dass es verschiedene
Immigrationswellen aus bestimmten Gebieten gab, die zur Bildung vergleichsweise homogener
Subgruppen geführt haben. Darüber hinaus ist auch unklar, ob und inwiefern sich zu
unterschiedlichen Zeitpunkten immigrierte Deutschsprachige nachträglich zu sprachlich
homogenen Subgruppen zusammengefunden haben. Um Aufschluss über diese Aspekte geben
zu können, wird im Folgenden eine historische Quelle herangezogen: Das Deutsch-
Südwestafrikanische Adreßbuch von 1912 (SCHULZE 1912). Verzeichnet sind hier der Wohnort,
der Beruf und ggf. die zuständige Poststelle von Familienoberhäuptern und Alleinstehenden der
aus dem deutschsprachigen Gebiet in Europa stammenden SiedlerInnen im kolonialisierten
Gebiet. Mithilfe dieser Quelle können historische Siedlungszusammensetzungen im Detail
nachvollzogen werden. Exemplarisch wird dies im Folgenden anhand des Ortes Otavi, der in
der Region Otjozondjupa nördlich von Windhoek gelegen ist, vorgeführt. Das Ziel ist es dabei,
ein soziolinguistisches Setting für einen konkreten Zeitpunkt und einen konkreten Ort zu
rekonstruieren.
9
Tabelle 2 enthält alle Einträge für Otavi und alle nahegelegenen Orte, die der
Poststelle Otavi zugeordnet waren.
9
Die Wahl fiel auf Otavi, da hier bis heute Deutschsprachige leben, die Anzahl der deutschsprachigen
Familien aber gleichzeitig überschaubar war und ist. Somit kann die Zusammensetzung mit vertretbarem Aufwand
für die Gesamtheit der Deutschsprachigen in diesem Ort ermittelt werden.
6
Nachname
Vorname
Beruf
Beer
Karl
Kaufmann
Behrendsen
Karl
Polizei-Sergeant
Braun
Alexander
Kaufmann
Brumme
Richard
Farmer
Czarnelzki
Wilhelm
Farmer
Ellinger
Sebastian
Streckenwärter
Gerull
Fritz
Gastwirt
Goltz
Richard
Stationsassistent
Haußmann
Ludwig
Farmgehilfe
Joachim
Karl
Farmer
Krause
Hermann
Farmer
Martinsen
Karl
Landwirt
Schneider
Reinhold
Farmer
Simon
Erich
Farmer
Stieren
Paul
Farmer
Vierkant
Johannes
Ansiedler
Weber
Franz
Schlosser
Wittrock
Clemens
Storebesitzer
Zawada
Oberleutnant
Tabelle 2: Deutschsprachige in Otavi (und Umgebung) im Jahr 1912
Um das Ausmaß des Varietätenkontakts ermitteln zu können, müssen die identifizierten
Personen in einem zweiten Schritt jeweils einem Herkunftsgebiet zugeordnet werden. Dies ist
im Falle der kolonialen SiedlerInnen in Südwestafrika keine triviale Aufgabe, unter anderem
weil zahlreiche aufschlussreiche Akten im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden (GRIGAT 2018).
Allerdings liefern die Familiennamen wertvolle Hinweise mit Blick auf die mutmaßliche
Herkunft der identifizierten Personen. Im Folgenden werden deshalb Methoden der
Familiennamengeographie angewendet, um das soziolinguistische Setting in Otavi zu
rekonstruieren. Dazu werden Daten aus dem Digitalen Familiennamenwörterbuch
Deutschlands (DFD) genutzt (<www.namenforschung.net/dfd/>, Zugriff am 29.11.2019).
Diese wissenschaftliche Ressource basiert auf einer Telekom-Datenbank, in der
Familiennamen über Postleitzahlen einem konkreten Ort zugeordnet sind. Damit lässt sich die
regionale Verteilung einer sehr großen Zahl an Familiennamen in Deutschland ermitteln (ca.
850.000 Types, vgl. <www.namenforschung.net/dfd/projektvorstellung/>, Zugriff am
29.11.2019). Die Daten stammen aus dem Jahr 2005. Diese sind insofern im hier besprochenen
Kontext relevant, als man eine bemerkenswerte Ortsfestigkeit von Personen und damit von
Familiennamen in Deutschland beobachten kann. Es wurde vielfach nachgewiesen, dass „die
7
geschichtlich gewachsenen Namenlandschaften in erstaunlicher Stabilität erhalten“ sind
(KUNZE / NÜBLING 2007: 125). Anhand der Familiennamen können Personen demnach zwar
nicht mit hundertprozentiger Sicherheit regional verortet werden Migration innerhalb
Deutschlands ist und war natürlich möglich , die Familiennamen liefern aber dennoch
verlässliche und nützliche Indizien zur Herkunft der NamenträgerInnen (was sich auch weiter
unten bestätigen wird).
10
Zu beachten ist außerdem, dass natürlich nicht jeder Familienname
gleichermaßen aufschlussreich ist. So lässt sich mit der hier verwendeten Methode kein Indiz
zur Herkunft von Hermann Krause (s. Tabelle 2) finden, da der Familienname zu frequent und
in Deutschland mehr oder weniger flächendeckend vertreten ist (vgl. Abbildung 2).
11
Abbildung 2: Regionale Verteilung des Familiennamens Krause (aus: DFD)
Sehr viel aufschlussreicher ist hingegen der Familienname von Karl Behrendsen, dessen
Vorkommen selbst in den Daten von 2005 noch sehr stark auf einen klar abgrenzbaren Raum
beschränkt ist (Abbildung 3).
12
Man kann also mit einer gewissen Sicherheit davon ausgehen,
dass dieser Bewohner von Otavi aus dem niederdeutschen Raum emigrierte. Das gilt ebenso
für Karl Martinsen, dessen Familienname sehr ähnlich verteilt ist wie Behrendsen (was auch
schon das onymische Wortbildungsmuster mit dem patronymischen Suffix -sen nahelegt, das
10
Vielen Dank an Mirjam Schmuck, Rita Heuser und Damaris Nübling für die Erstellung von Karten, den
Zugriff auf die DFD-Daten und nützliche Hinweise zur Familiennamengeographie!
11
Heuser, Rita, Krause: Digitales Familiennamenwörterbuch Deutschlands,
URL: <http://www.namenforschung.net/id/name/28/1>, Zugriff am 07.06.2019.
12
Dräger, Kathrin, Behrendsen, in: Digitales Familiennamenwörterbuch Deutschlands,
URL: <http://www.namenforschung.net/id/name/43936/1>, Zugriff am 04.06.2019
8
einen deutlichen regionalen Schwerpunkt im Norden Deutschlands aufweist, vgl. SCHMUCK /
HEUSER 2012).
Abbildung 3: Regionale Verteilung des Familiennamens Behrendsen (aus: DFD)
Eine andere regionale Herkunft muss hingegen für Ludwig Haußmann angenommen werden.
Dies verdeutlicht Abbildung 4.
13
13
Heuser, Rita, Haußmann, in: Digitales Familiennamenwörterbuch Deutschlands,
URL: <http://www.namenforschung.net/id/name/3147/1>, Zugriff am 04.06.2019
9
Abbildung 4: Regionale Verteilung des Familiennamens Haußmann (aus: DFD)
Abbildung 4 legt nahe, dass diese Person aus dem schwäbischen Sprachraum emigriert ist. Für
diese Annahme sprechen auch weitere Indizien. So sind über Ludwig Haußmann Informationen
im Bundesarchiv verfügbar, die belegen, dass er 1920 nach Ulm gereist ist (GRIGAT 2018). Das
legt einen persönlichen Bezug Haußmanns zu dieser Region nahe und stützt insofern die
Einordnung anhand des Familiennamens.
Darüber hinaus gab es in Otavi offenbar auch SprecherInnen aus weiteren
Dialektgebieten, z.B. aus dem bairischen oder dem ostmitteldeutschen Raum (s. Abbildung 5
zum Familiennamen Beer).
14
14
Kroiß, Daniel, Beer, in: Digitales Familiennamenwörterbuch Deutschlands,
URL: <http://www.namenforschung.net/id/name/383/1>, Zugriff am 04.06.2019
10
Abbildung 5: Regionale Verteilung des Familiennamens Beer (aus: DFD)
Abbildung 6 fasst alle Informationen zusammen, die mithilfe des DFD zu den Familiennamen,
die 1912 in Otavi vertreten waren, gesammelt werden können.
15
Familiennamen, die keine
regionale Zuordnung ermöglichen (z.B. Krause) wurden für diese Übersicht nicht
berücksichtigt. Auch wenn mit der gewählten Methode die Herkunftsgebiete der
Deutschsprachigen nicht flächendeckend rekonstruiert werden können, so zeigt die Grafik
dennoch recht eindeutig, dass die deutschsprachige Gemeinschaft in Otavi im Jahr 1912 mit
großer Wahrscheinlichkeit sprachlich sehr heterogen gewesen ist, da hier SprecherInnen aus
sehr unterschiedlichen Dialekträumen aufeinandertrafen und miteinander interagierten. Zu den
EmigrantInnen aus dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland, deren Herkunft
mithilfe des DFD relativ gut lokalisiert werden kann, kommen weitere deutschsprachige
EmigrantInnen aus anderen Gebieten. Das geht zum einen aus Archivmaterialien hervor
(GRIGAT 2018) und zum anderen sind hier einzelne Familiennamen aufschlussreich, deren
(ehemalige) Hauptverbreitungsgebiete mithilfe von Verlustlisten aus dem Ersten Weltkrieg
ermittelt werden können (vgl. hierzu <https://nvk.genealogy.net/map>, Zugriff am
29.11.2019).
16
So kann man davon ausgehen, dass Fritz Gerull, Johannes Vierkant und Richard
15
Jede Ellipse repräsentiert ein Individuum und kennzeichnet den Raum, aus dem die betroffene Person
wahrscheinlich emigrierte. Die unterschiedlichen Größen der Ellipsen ergeben sich aus der Verteilung des
Familiennamens. Die Karte wurde im gleichen System erstellt wie Abbildung 1 (s. oben).
16
Hierbei handelt es sich um „offizielle personenbezogene Mitteilungen der preußischen Regierung aus
den Jahren 1914 bis 1919 über die Verluste der gesamten Streitkräfte des deutschen Kaiserreichs“ (<http://wiki-
de.genealogy.net/Verlustlisten_Erster_Weltkrieg>, Zugriff am 26.01.2020). Diese Mitteilungen enthielten unter
anderem auch Angaben zum Geburtsort der gefallenen Person.
11
Goltz den bereits dargelegten Varietätenmix um Niederpreußisch, Lausitzisch-Schlesisch und
Pommersch erweitert haben.
17
Abbildung 6: Vermutliche Herkunft der 1912 in Otavi lebenden Deutschsprachigen
Aufschlussreich ist schließlich auch die Information zu den Berufen der im Adreßbuch
aufgeführten Personen (s. Tabelle 1): Während Farmer nicht zwangsläufig regelmäßig mit
anderen Deutschsprachigen außerhalb der Familie kommunizieren müssen, ist es zumindest bei
Kaufmännern (z.B. Karl Beer), Polizisten (z.B. Karl Behrendsen), Gastwirten (z.B. Fritz
Gerull) und „Store-Besitzern“ (z.B. Clemens Wittrock) ausgesprochen naheliegend, dass
regelmäßige Kommunikation mit den anderen Mitgliedern der Gemeinschaft und somit auch
mit SprecherInnen aus anderen deutschen Dialekträumen stattfand. Hinzu kommt, dass
deutschsprachige Kinder und Jugendliche in Schulen und Internaten (sog. Schülerheimen)
aufeinander trafen (vgl. hierzu z.B. NÖCKLER 1963: 98).
All das spricht dafür, dass in Otavi Deutschsprachige unterschiedlicher Provenienz in
intensivem Kontakt zueinander standen. Daran waren SprecherInnen aus sehr unterschiedlichen
Dialektgebieten beteiligt, ohne dass eine Gruppe zahlenmäßig stark dominierte. Weitere
Stichproben mit der gleichen Methodik legen nahe, dass dies auch auf andere Orte in der
damaligen Kolonie zutrifft, sodass man davon ausgehen kann, dass Otavi hinsichtlich dieses
Aspekts als repräsentativ gelten kann.
17
Vielen Dank an Mirjam Schmuck für den Tipp, auch die Verlustlisten zu nutzen!
12
Die Vielfalt der Herkunftsorte schlug sich in sprachlichen Unterschieden innerhalb der
deutschsprachigen Community nieder. Das betraf die verschiedenen Dialekte, ging aber auch
darüber hinaus: Da die Standardisierung des Deutschen im ausgehenden 19. Jahrhundert bereits
weit vorangeschritten wenn auch (besonders die Phonetik/Phonologie betreffend) noch nicht
ganz abgeschlossen war, kann man davon ausgehen, dass die KolonialistInnen und ersten
SiedlerInnen neben ihren Dialekten auch standardnähere Varietäten verwendeten. Besondere
Relevanz hat in diesem Zeitraum eine Prestige-Varietät, die SCHMIDT & HERRGEN (2011: 63
68) als „landschaftliches Hochdeutsch“ bezeichnen. Hierbei handelt es sich um überregionale
Oralisierungsnormen der Schriftsprache, die als Wegbereiter der heutigen Regiolekte gelten
können (vgl. z.B. GANSWINDT 2017: 270) und im Zeitraum der Kolonialisierung
Südwestafrikas bereits weit verbreitet waren: Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts
kann […] davon ausgegangen werden, dass nahezu jeder Deutschsprechende eine
landschaftliche Hochdeutsch-Kompetenz hatte (GANSWINDT 2017: 25). Besonders im
Austausch mit Deutschsprachigen aus anderen Dialekträumen wird diese Kompetenz genutzt
worden sein, um die gegenseitige Verständlichkeit zu gewährleisten bzw. zu erleichtern.
Allerdings ist das landschaftliche Hochdeutsch keineswegs als homogen zu beschreiben. Wie
GANSWINDT (2017) ausführlich zeigt, handelt es sich beim landschaftlichen Hochdeutsch nicht
um eine einzige Varietät, sondern um zahlreiche Prestige-Varietäten, die sich zum Teil stark
voneinander unterscheiden und sehr deutlich dialektal geprägt sind.
18
So identifiziert sie
beispielweise nicht-palatalisiertes /s/ vor [p] und [t] als charakteristisches Merkmal der
landschaftlichen Prestige-Varietäten des niederdeutschen Raums im ausgehenden 19.
Jahrhundert. Dieses steht [ʃ] im hochdeutschen Raum gegenüber (GANSWINDT 2017: 77139).
Somit ist festzuhalten, dass in Deutsch-Südwestafrika eine große Vielfalt an deutschen
Varietäten zu verzeichnen war, zu der neben den Dialekten auch dialektal geprägte Prestige-
Varietäten beitrugen. Wie am Beispiel von Otavi gezeigt wurde, fanden sich die SiedlerInnen
keineswegs zu sprachlich homogene(re)n Subgruppen zusammen, sondern formten sprachlich
heterogene Gemeinschaften. Varietätenmischung kann demnach als eine charakteristische
Komponente in der Geschichte des Deutschen im Südwesten Afrikas betrachtet werden
wodurch sich das Namdeutsche von zahlreichen anderen extraterritorialen Varietäten
unterscheidet. So waren z.B. im Nachbarland Südafrika die deutschsprachigen Communities
von Beginn an sprachlich wesentlich homogener (vgl. z.B. FRANKE 2008: 64, 194198).
Mithilfe der Verknüpfung verschiedener Datentypen (das Adreßbuch als historische
Quelle in Kombination mit der Familiennamengeographie) konnte hier also das
soziolinguistische Setting innerhalb der deutschsprachigen Gemeinschaft in Namibia detailliert
rekonstruiert werden. Der Vorteil des gewählten Vorgehens liegt darin, dass Informationen zur
Herkunft der immigrierten Personen in Bezug zur Siedlungsstruktur in der damaligen Kolonie
18
Die Untersuchung von GANSWINDT (2017) bezieht sich auf phonetische/phonologische Aspekte. In
Anbetracht der starken dialektalen Färbung des landschaftlichen Hochdeutsch in diesem Bereich sollte aber auch
in anderen Bereichen (wie der Morphologie und der Syntax) eine gewisse Heterogenität der landschaftlichen
Prestige-Varietäten zu erwarten sein.
13
gesetzt werden können. Auf diese Weise kann also nachgezeichnet werden, inwiefern
Deutschsprachige aus unterschiedlichen Dialekträumen im Südwesten Afrikas miteinander
interagierten. Nur anhand der Informationen unserer Gewährspersonen (s. oben) wäre es nicht
möglich gewesen, soziolinguistische Settings für einen konkreten Ort und einen konkreten
Zeitpunkt zu rekonstruieren: Während der familiäre Herkunftsort den Nachfahren häufig
bekannt ist, können in der Regel keine genauen Angaben zu zeitlichen Zusammenhängen
gemacht werden. Dies gilt vor allem für die (vergleichsweise häufigen) Wohnortwechsel
innerhalb des Landes die deutschsprachige Community zeichnete und zeichnet sich insgesamt
durch eine vergleichsweise hohe Mobilität aus. Diese erschwert es darüber hinaus erheblich,
via Fragebogen für einen konkreten Ort möglichst flächendeckende Informationen zur
historischen Siedlungsstruktur zu gewinnen. Folglich ist eine systematische Rekonstruktion
konkreter Kontaktszenarien, die nur auf Befragungen beruht, kaum möglich. Ähnliches gilt für
die Auswertung von Passagierlisten, die häufig genutzt werden, um Migrationsbewegungen zu
analysieren. Diese enthalten zwar oft eine Information zur Herkunft der emigrierenden Person,
unklar bleibt aber das Ziel, sodass die Siedlungsstruktur innerhalb Südwestafrikas mit diesen
Quellen nicht ermittelt werden kann.
Gegenstand des folgenden Abschnitts ist nun die Frage, inwiefern sich das hier
beschriebene Setting sprachlich auf die Entstehung des Namdeutschen ausgewirkt hat. Die zur
Analyse verwendeten Daten und Beispiele entstammen dem Korpus Deutsch in Namibia
(ZIMMER et al., i. Ersch.). Herangezogen werden außerdem Akzeptabilitätsurteile (s. Abschnitte
3.3 und 3.4).
3. New Dialect Formation
Im Folgenden wird geprüft, inwiefern Aspekte bei der Entstehung des Namdeutschen zu
identifizieren sind, die klassischerweise als Prozess im bzw. Resultat von Varietätenkontakt
angesehen werden und zur Entstehung neuer Varietäten beitragen (vgl. z.B. TRUDGILL 1986,
2004; KERSWILL / TRUDGILL 2005; HINSKENS / AUER / KERSWILL 2005). Bei der
Aufschlüsselung der verschiedenen Gesichtspunkte orientiere ich mich dabei an KERSWILL /
TRUDGILL (2005) und widme mich neben dem Dialect Mixing (s. oben) den
Phänomenbereichen Levelling, Interdialect formation, Reallocation und Focusing.
3.1 Levelling
Mit Levelling wird der Prozess bezeichnet, der dazu führt, dass ursprünglich sprachlich (bzw.
dialektal) sehr heterogene Gruppen homogener werden, indem eine Selektion bestimmter
Varianten stattfindet, während andere Merkmale sukzessive aufgegeben werden (vgl. z.B.
KERSWILL / TRUDGILL 2005: 197). Diese Selektion bestimmter Varianten hat im Gebiet des
heutigen Namibia offenkundig stattgefunden, da zahlreiche Merkmale, die im ursprünglichen
Mix vorhanden gewesen sein müssen, heute nicht mehr verwendet werden. Zu den
aufgegebenen Merkmalen zählt z.B. eine Variante, die für den niederdeutschen Raum (und
zwar sowohl die Dialekte als auch die landschaftlichen Prestige-Varietäten) charakteristisch
14
war: das bereits erwähnte nicht-palatalisierte [s] vor Plosiven (weitere Bemerkungen zu diesem
Merkmal folgen unten).
19
Andere norddeutsche Merkmale aus dem Bereich der Phonetik/Phonologie haben sich
hingegen behauptet, was dazu führte, dass für das Namdeutsche insgesamt eine „norddeutsche
Färbung“ konstatiert wurde (KELLERMEIER-REHBEIN 2015: 49; s. auch RIEHL 2014: 114).
Anhand einer detaillierten Korpus-Studie weist STUHL (i. Ersch.) nach, dass sich tatsächlich
einige für das Norddeutsche (bzw. Teile des Norddeutschen) charakteristische Merkmale im
Levelling durchgesetzt haben während andere abgebaut wurden.
20
Zu den Varianten, die sich
behauptet haben und die auf EmigrantInnen aus dem norddeutschen Raum zurückzugehen
scheinen, zählen z.B. der mit [ɛː] konkurrierende Langvokal [eː] bei Wörtern wie Käse [ˈkeːzə]
oder die Spirantisierung im Wortauslaut bei Wörtern wie Tag [tax].
21
Nicht bzw. kaum
nachweisbar sind hingegen z.B. intervokalische Lenisierungen, finale Plosive nach [ŋ] sowie
Assimilationen bei intervokalischem nd (vgl. zu diesen Merkmalen ELMENTALER / ROSENBERG
2005). Bei einzelnen Merkmalen (z.B. bei der oben bereits erwähnten Spirantisierung) zeigen
sich darüber hinaus interessante Unterschiede zwischen den untersuchten Generationen, was
als Indiz dafür gewertet werden kann, dass das Levelling in diesem Bereich noch nicht
abgeschlossen ist (STUHL, i. Ersch.). So spirantisieren junge SprecherInnen tendenziell weniger
als ältere, weshalb anzunehmen ist, dass dieses Charakteristikum des Namdeutschen künftig an
Frequenz verlieren könnte.
Darüber hinaus gibt es im heutigen Deutschen in Namibia auch Merkmale, die ihren
Ursprung wohl im süddeutschen Raum haben, so z.B. die Modalpartikel halt. Diese dominiert
zahlenmäßig gegenüber der norddeutschen Variante eben, die semantisch bzw. pragmatisch als
annähernd äquivalent gelten kann (vgl. (1); s. auch WIESE / BRACKE, i. Ersch.; zur älteren
Verteilung in Europa vgl. z.B. EICHHOFF 1978: 103). Im Korpus stehen 679 halt-Belegen 53
19
Während dieses Merkmal im Namdeutschen komplett aufgegeben wurde, ist es in deutschsprachigen
Communities in Südafrika durchaus noch präsent (vgl. z.B. DE KADT 1998: 7). Dieser Unterschied ist aller
Wahrscheinlichkeit nach darauf zurückzuführen, dass Varietätenmischung und Levelling in den wesentlich
homogeneren (und insgesamt sehr stark norddeutsch bzw. niederdeutsch geprägten) Communities in Südafrika
deutlich weniger bedeutsam waren.
20
Hier zeigt sich unter anderem, dass das namibische Deutsch entgegen mehrerer Aussagen in der
Literatur (s. z.B. NÖCKLER 1963: 9798, PÜTZ 1991: 464) keineswegs als mehr oder weniger deckungsgleich
mit dem Standard Deutschlands zu beschreiben ist.
21
Von Norddeutschland ausgehend hat sich die Variante [eː] in den vergangenen Jahren horizontal (aber
auch vertikal) im Kern des deutschsprachigen Gebiets ausgebreitet (vgl. z.B. HERRGEN 2015: 139). Folglich ist sie
heute mitunter auch in anderen Gebieten zu finden. Die Einstufung als norddeutsch erscheint mir dennoch
gerechtfertigt, da die Variante im Norden Deutschlands besonders dominant ist (vgl. ELMENTALER / ROSENBERG
2005: 104), während sie weiter südlich (mit Ausnahme Österreichs) deutlich weniger frequent ist (vgl. z.B. STIEL
2018 für eine empirische Studie und einen Literaturüberblick sowie die entsprechenden Karten im Atlas zur
Aussprache des deutschen Gebrauchsstandards [KLEINER 2011ff.]: <http://prowiki.ids-
mannheim.de/bin/view/AADG/LangAE>, Zugriff am 17.02.2020). Zur Spirantisierung s. ELMENTALER /
ROSENBERG (2005: 251) sowie die dort zitierte Literatur.
15
eben-Belege gegenüber. Die (ursprünglich) süddeutsche Variante wird also in über 90 % der
Fälle verwendet.
22
(1) mein vater musste son son wanderweg trackn da […] un da bin ich halt mitgegang un dann
ham wir son leopard so zehn meter vor uns gesehn (NAM015W1)
3.2 Interdialectal Developments
Das Deutsche in Namibia ist also durch eine individuelle Kombination an Merkmalen aus den
mitgebrachten Varietäten gekennzeichnet. Darüber hinaus hat die sprachliche Heterogenität der
interagierenden Deutschsprachigen aber auch zur Entstehung neuer Varianten geführt, „which
were not actually present in any of the dialects contributing to the mixture but which arise out
of interaction between them (KERSWILL / TRUDGILL 2005: 199). So hat das Namdeutsche ein
Merkmal, das weder aus den Kontaktsprachen entlehnt sein kann und wohl auch nicht auf eine
der mitgebrachten Varietäten zurückzuführen ist: die Palatalisierung von silbeninitialem [s] vor
Plosiven, die auch auf Lehnwörter übertragen wird, deren Entlehnung noch nicht lange
zurückliegt, beispielsweise bei bottle store [ˈbɔtl ʃtɔ
͡ɐ] und speed cop [ʃpɪt cɔp].
23
Auch in
anderen Varietäten fand (seit mittelhochdeutscher Zeit) oder findet (bei Entlehnungen wie
Steak) diese Palatalisierung statt. Die Palatalisierung in der Geschichte des Deutschen ging vom
alemannischen Raum aus (vgl. z.B. WEGERA & WALDENBERGER 2012: 134), wo sie in mehr
lautlichen Kontexten durchgeführt wurde als in anderen Varietäten. Daraus resultierte ein
Merkmal, das noch heute charakteristisch für den alemannischen Raum ist und dort nicht nur
in den Basisdialekten präsent ist (vgl. z.B. Kehrein 2012: 123−125, 205; STRECK 2019: 215).
Die Palatalisierung von silbeninitialem [s] geht im Namdeutschen aber über die im
Alemannischen hinaus, da auch vor [k] palatalisiert wird: [ˈʃkɔpən] (ʻtretenʼ von Afrikaans
skop), score [ʃkɔ
͡ɐ] und pad scrapper [pat ˈʃkʁapɐ] (ʻPlanierschieber für die Präparierung
unbefestigter Landstraßenʼ).
24
(2) illustriert Äußerungen dieses Typs anhand eines
Korpusbelegs.
(2) jemand hat n fenster eingeskopt [ˈa
͡ɪngəʃkɔpt] (NAM120M1)
22
Berücksichtigt wurden hier nur Modalpartikeln. Temporaladverbiale (ich bin eben erst wiedergekommen)
sowie Imperative (halt deinen Mund!) wurden nicht gezählt ebenso wie die im Korpus nur fünfmal auftretenden
Kombinationen aus beiden Modalpartikeln (das war halt eben so).
23
Auch bei NÖCKLER (1963: 4344) finden sich entsprechende Beispiele.
24
Dass [s] vor [k] von SprecherInnen aus dem alemannischen Raum (anders als von SprecherInnen des
Namdeutschen) − überhaupt nicht oder zumindest deutlich seltener palatalisiert wird, kann hier nicht abschließend
datenbasiert nachgewiesen werden. Dies legt aber eine Korpus-Studie im Forschungs- und Lehrkorpus
Gesprochenes Deutsch nahe (FOLK, vgl. <http://agd.ids-mannheim.de/FOLK_extern.shtml>, Zugriff am
07.04.2020). Dafür wurden alle Äußerungen untersucht, deren Transkription <sk> oder <schk> enthält (z.B.
skizzieren, skurril usw. die Lautkombination tritt nur bei Fremdwörtern auf) und die von SprecherInnen
stammen, die in der schwäbischen oder alemannischen Sprachregion sprachlich sozialisiert wurden. In keinem
einzigen Fall war ein palatalisiertes [ʃ] festzustellen, während die untersuchten SprecherInnen vor [p] und [t]
frequent palatalisierten (z.B. silbeninitial bei special guest und konstant, aber auch in anderen Konstellationen wie
bei System).
16
jemand hat ein Fenster eingetretenʼ
Dieses Spezifikum des Namdeutschen kann als Resultat von Hyperadaptation betrachtet
werden.
25
So ist davon auszugehen, dass bei SprecherInnen aus dem niederdeutschen Raum bei
der Adaption an SprecherInnen aus dem hochdeutschen Raum (vgl. (3)) die in (4) dargestellte
Übergeneralisierung stattgefunden hat.
26
Das daraus resultierende Merkmal hat sich dann auf
die gesamte Sprachgemeinschaft ausgeweitet.
(3) Adaptation: Niederdeutsch: [s]tein Hochdeutsch: [ʃ]tein
(4) Hyperadaptation: Englisch: [s]core Namdeutsch: [ʃ]core
Auch wenn interdialectal developments nicht besonders häufig auftreten, können sie (dank
einer einigermaßen hohen Tokenfrequenz der entsprechenden Varianten) dennoch zu
charakteristischen Merkmalen einer neuen Varietät führen. Dies gilt auch für das hier
beschriebene Phänomen.
3.3 Reallocation
Levelling muss nicht zwangsläufig dazu führen, dass alle dispräferierten Varianten komplett
aufgegeben werden. Es kann vorkommen, dass Variation über mehrere Generationen
fortbesteht. In einem solchen Fall werden dispräferierte Varianten typischerweise
soziolinguistisch abgewertet: „variants originally from different regional dialects […] become
stylistic variants (KERSWILL / TRUDGILL 2005: 199). Auch dieses Phänomen scheint mit Blick
auf das Deutsche in Namibia eine Rolle zu spielen. So gibt es einige Varianten, die in der
Community durchaus häufig verwendet werden und auf vergleichbare Strukturen in den
mitgebrachten Varietäten zurückzuführen sein könnten, aber ein sehr geringes Prestige haben.
Zu nennen ist hier z.B. der Gebrauch des Perfektauxiliars haben, das im Namdeutschen mitunter
verwendet wird, wo im Standarddeutschen sein auftritt, z.B. in Kombination mit nicht transitiv
verwendeten Bewegungsverben (vgl. (5)).
(5) da war ne alte frau, die hat in der straße gelaufn (NAM066M1).
Ein niederdeutscher Ursprung dieser Konstruktionen ist wahrscheinlich (zur Auxiliarwahl im
Niederdeutschen s. LINDOW et al. 1998: 99). Zusätzlich ist ein Einfluss der Kontaktsprachen
naheliegend, da sowohl Englisch als auch Afrikaans ausschließlich über ein HAVE-Perfekt
verfügen. Ein wahrscheinliches Szenario ist demnach, dass das HAVE-Perfekt eine
25
Interessanterweise ist dieses Merkmal womöglich auch im Unserdeutschen zu finden (Siegwalt
Lindenfelser, persönliche Mitteilung, 12.06.2019). Auch hier könnte das Varietätenkontaktsetting
ausschlaggebend sein, an dem im Falle von Unserdeutsch ebenfalls Niederdeutsch/Norddeutsch-SprecherInnen
sowie HochdeutschsprecherInnen beteiligt waren (vgl. MAITZ / LINDENFELSER 2018).
26
Die aus Platzgründen gewählte Bezeichnung Niederdeutsch in (3) steht hier für verschiedene Varietäten
aus dem niederdeutschen Raum (und nicht nur für die entsprechenden Dialekte).
17
grammatische Variante ist, die NiederdeutschsprecherInnen in den Varietätenmix eingebracht
haben und die (auch dank kontaktsprachlicher Stützung durch Afrikaans und Englisch) das
Levelling überlebt hat. Daran anschließend scheinen diese Strukturen soziolinguistisch
refunktionalisiert und zu abgewerteten stilistischen Varianten geworden zu sein (vgl. zu diesem
Phänomen z.B. auch BRITAIN / TRUDGILL 1999).
Das geringe Prestige dieser Varianten zeigt sich in Akzeptabilitätsurteilen, die wir 2018
in Namibia erhoben haben. An diesen Studien nahmen insgesamt 234 deutschsprachige
NamibierInnen im Alter von 11 bis 67 Jahren teil (Mittelwert: 21; 91 m, 139 w, 4 ohne Angabe
zum Geschlecht). Die zu bewertenden Items basieren auf zuvor erhobenen Korpusdaten und
wurden auditiv präsentiert. Die TeilnehmerInnen bewerteten diese durch Ankreuzen einer
Sechser-Skala auf einem Fragebogen (vgl. Abbildung 7).
27
Abbildung 7: Beispiel-Item aus der Akzeptabilitätsstudie.
Alle Items wurden nacheinander präsentiert, wobei der Zeitraum zwischen den einzelnen Items
mithilfe zuvor definierter Pausen bewusst kurz gehalten wurde, sodass ein moderater Zeitdruck
für die TeilnehmerInnen entstand. Jede Datenerhebung begann mit einer Übungsphase, in der
sich die TeilnehmerInnen mit der Methode vertraut machen und Fragen stellen konnten. Bei
der Erläuterung der Vorgehensweise wurde besonderer Wert darauf gelegt, dass nicht die
Zugehörigkeit zum Standarddeutschen bewerten werden soll, sondern die individuelle
Vertrautheit mit der jeweiligen Struktur. Diese Erläuterungen scheinen gut gefruchtet zu haben,
da viele Non-Standard-Items als sehr gut bewertet wurden. So erhielt z.B. der in (6) dargestellte
Satz im Mittelwert 4,49 von 5 möglichen Punkten (Median: 5). Für die Auswertung wurden
dabei dem linken Pol der Skala (klingt ungewöhnlich) 0 Punkte zugewiesen, dem rechten Pol
(klingt gewöhnlich) 5 Punkte und den Abstufungen entsprechende Werte zwischen 1 und 4.
(6) Wir kaufen net bikkie Fleisch für unser Braai.
Wir kaufen nur ein bisschen Fleisch für unser Barbecue.ʼ
Im Gegensatz zu (6) wurden sämtliche Items mit HAVE-Perfekt, die nicht dem
Standarddeutschen entsprechen, als ungewöhnlich bewertet. Hier zeigen sich aufschlussreiche
Unterschiede zwischen den abgefragten Strukturen (z.B. zwischen dem aus Afrikaans
entlehnten gestappt und den nativen Vollverben usw.). Entscheidend mit Blick auf Reallocation
27
Pro Item wurde ein geeignetes Wort ausgewählt und auf dem Fragebogen über der jeweiligen Skala
notiert, um den TeilnehmerInnen die Orientierung zu erleichtern. Das zur Skala in Abbildung 7 gehörige Item ist
Mein Vaters Mutter kommt aus Namibia.
18
ist aber, dass kein Item mit im Schnitt mehr als 2 von 5 Punkten bewertet wurde; kein Median
liegt über 2.
Item
MW
Median
Die Frau hat sehr elegant gegangen.
0,55
0
Ich habe gestern zum Einkaufszentrum gegangen.
0,56
0
Meine Eltern haben letzte Woche in Swakopmund gewesen.
0,57
0
Ein junger Mann hat im Meer ertrunken.
0,76
0
Mein Vater hat abends um acht nach hause gekommen.
0,80
0
Die alte Katze hat gestern gestorben.
0,82
0
Meine Freundin hat noch nie nach Südafrika geflogen.
0,87
1
Wir haben nicht lang auf der Party geblieben.
0,89
1
Am Rand der Stadt haben neue Häuser entstanden.
0,97
0
Hier hat gestern ein Auto gegen eine alte Frau gefahren.
1,06
1
Der Junge hat dann sehr schnell zum Rand geschwommen.
1,11
1
Wir haben dem Nashorn nur knapp entkommen.
1,34
1
Die Touristen haben nach einem Tag schon wieder abgereist.
1,36
1
Nach dem Unfall hat der Fahrer einfach geflüchtet.
1,36
1
Hier hat gestern ein Auto sehr schnell gefahren.
1,47
1
Der Gemsbock hat nach dem Schuss einfach verblutet.
1,55
1
Das Mädchen hat dann sehr schnell geschwommen.
1,70
1
Beim Wandertag haben wir ganz gemütlich gestappt.
1,86
2
Tabelle 3: Bewertung von nicht-standardkonformem HAVE-Perfekt
Hier zeigt sich eine interessante Diskrepanz zwischen den Korpus-Daten, in denen solche
Strukturen mit einer beachtlichen Frequenz vorkommen, und der Bewertung durch die
TeilnehmerInnen. Dass solche Strukturen durchaus häufig verwendet werden, gleichzeitig im
Akzeptabilitätstest aber schlechte Bewertungen erhalten, ist ein Hinweis darauf, dass diese
Formen das Levelling überstanden, dann aber eine soziolinguistische Abwertung erfahren
haben und stigmatisiert wurden/werden. Darauf deuten auch zahlreiche mündliche
Kommentare der TeilnehmerInnen während der Datenerhebung hin, in denen eine deutliche
Ablehnung der Strukturen zutage trat.
3.4 Focusing
Ebenfalls in den Akzeptabilitätsurteilen zeigt sich, dass nur manche Merkmale, die nicht der
Standardsprache Deutschlands entsprechen, abgelehnt werden, während andere vollkommen
akzeptiert werden. Bei diesen Urteilen kann über verschiedene Generationen und auch über
unterschiedliche Regionen Namibias hinweg eine erstaunliche Homogenität in der Community
beobachtet werden. Offenbar hat das namibische Deutsche eigene Normen und eine gewisse
19
Stabilität entwickelt. Somit hat auch Focusing stattgefunden. Mit diesem Begriff bezeichnen
KERSWILL / TRUDGILL (2005: 199) „the sociolinguistic process by means of which the new
variety acquires norms and stability.
Zu den grammatischen Varianten, die nicht dem Standard (Deutschlands) entsprechen,
gehören Strukturen wie die in (7) dargestellte.
(7) meine Mutters Mutter meine Oma die ist in Deutschland geboren (NAM019M1)
Hierbei handelt es sich um Strukturen, bei denen keine Kongruenz zwischen Determinierer und
dem -s vorliegt. Das -s wird je nach Analyse als possessives -s oder auch s-Klitikon beschrieben
(vgl. z.B. F2011; SCOTT 2014; ACKERMANN 2018a, 2018b, 2019). Im Korpus sind derartige
Belege ausschließlich mit Verwandtschaftsbezeichnungen vertreten, denen ein Possessivartikel
(mein, dein usw.) vorausgeht. Diese Beobachtung spiegelt sich im Akzeptabilitätstest wider.
Hier zeigte sich zum einen, dass diese Struktur nur mit Possessivartikel als zweifelsfrei
gebräuchlich eingeschätzt wird. Tabelle 4 veranschaulicht diesen Befund anhand der
unterschiedlichen Bewertungen von Items mit unterschiedlichen Artikeltypen (Possessivartikel
vs. Definitartikel).
28
Item
Artikel
MW
Median
Der Fraus Mutter hat Geburtstag.
definit
0,67
0
Die Fraus Oma ist im Krankenhaus.
2,61
3
Meine Mutters Bruder wohnt in Swakopmund.
possessiv
3,97
5
Mein Vaters Mutter kommt aus Namibia.
4,15
5
Tabelle 4: Bewertung unterschiedlicher Artikeltypen mit possessivem -s
Zum anderen zeigte sich, dass auch der Possessor nicht beliebig austauschbar ist: Je belebter
(entsprechend der erweiterten Belebtheitshierarchie, vgl. z.B. CORBETT 2000: 56) das Nomen,
desto besser die Bewertung. Dies wird in Tabelle 5 veranschaulicht.
29
28
Tabelle 4 verdeutlicht darüber hinaus, dass es auch Unterschiede zwischen den beiden Items mit
Definitartikel gibt. Hierbei handelt es sich um signifikante Unterschiede, was ein two-tailed paired Wilcoxon-Test
offenbart (V = 558,5, p < 0,001***; alle inferenzstatistischen Werte wurden mit der Software R berechnet [R Core
Team 2019]). Hier könnte der Kasus des Artikels ausschlaggebend sein. Eventuell spielt auch die Formgleichheit
von die und dem afrikaansen Definitartikel (Beispiele folgen weiter unten) eine Rolle. Entscheidend ist hier aber,
dass auch zwischen dem am besten bewerteten Item mit Definitartikel (Die Fraus Oma …) und dem am
schlechtesten bewerteten Item mit Possessivartikel (Meine Mutters…) ein hochsignifikanter Unterschied zu
beobachten ist (two-tailed paired Wilcoxon-Test; V = 1475, p < 0,001***).
29
Zu beachten ist allerdings, dass der Unterschied zwischen den beiden am schlechtesten bewerteten Items
im Gegensatz zu allen anderen Unterschieden (two-tailed paired Wilcoxon-Test; jeweils p < 0,001***) − nicht
signifikant ist (two-tailed paired Wilcoxon-Test; p > 0,05).
20
Item
Possessor
MW
Median
Mein Autos Motor ist kaputt.
[- belebt]
3,11
3
Mein Katers Bein ist verletzt.
[+ belebt]
3,23
4
Mein Lehrers Auto steht auf dem Parkplatz.
[+ menschlich]
3,67
4
Mein Vaters Mutter kommt aus Namibia.
[+ verwandt]
4,15
5
Tabelle 5: Bewertung unterschiedlicher Artikeltypen mit possessivem -s
Verwandtschaftsbezeichnungen des Typs mein Vaters wurden in dieser Verwendungsweise im
Schnitt mit mehr als vier von fünf Punkten bewertet und befinden sich damit im Bereich der
zweifelsfrei akzeptierten Strukturen. Mit abnehmender Belebtheit nimmt auch die
Akzeptabilität sukzessive ab.
Im Namdeutschen hat sich demnach eine Konstruktion etabliert, die in (8) beschrieben
wird. Für den Possessor gilt dabei, dass hochbelebte Substantive (vor allem
Verwandtschaftsbezeichnungen) präferiert werden.
(8) [[[Possessivartikel] [Possessor]]-s [Possessum]]
In diesen Beschränkungen manifestiert sich ein offenkundiger Unterschied zu den
Hauptkontaktsprachen des Deutschen in Namibia, die über vergleichbare aber eben nicht
identische Strukturen verfügen. So sind im Englischen sowohl my father’s car als auch the
car’s colour voll grammatisch. Während die erste Struktur den Beschränkungen des
namibischen Deutschen entspricht, weicht die zweite davon ab, da sie einen Definitartikel und
einen unbelebten Possessor enthält. Gleiches gilt für analytische Strukturen mit se in Afrikaans,
deren Funktion häufig mit dem englischen possessiven -s verglichen wird (vgl. z.B.
DONALDSON 1993: 98100): Sowohl my pa se kar (das Auto meines Vatersʼ) als auch die kar
se kleur (die Farbe des Autosʼ) sind voll grammatisch.
Von formseitig durchaus ähnlichen Genitiven im Standard Deutschlands unterscheidet
sich die namdeutsche Konstruktion zum einen durch die fehlende Kongruenz zwischen Artikel
und -s. Zum anderen wäre die Serialisierung im Standard Deutschlands hochgradig markiert
und archaisch: Üblicher wäre die Mutter meines Vaters statt meines Vaters Mutter. Hinzu
kommt, dass die Genusbeschränkung für diese Konstruktion im Namdeutschen von
untergeordneter Bedeutung ist. Auch Feminina können den Possessor-Slot füllen, was einen
sehr markanten Unterschied zu standarddeutschen Genitiven darstellt. So wurde z.B. der Satz
in (9) im Schnitt mit 3,97 Punkten bewertet (Median: 5).
30
30
Interessanterweise zeigen sich diesbezüglich auffällige Parallelen zu anderen deutschen Nicht-
Standardvarietäten wie z.B. dem Kiezdeutschen, das eine vergleichbare Konstruktion entwickelt (hat) (vgl.
ZIMMER, i. Vorb.; zu nicht-standardsprachlichen Belegen im bundesrepublikanischen Deutschen s. auch SCOTT
2014: 284292 und ACKERMANN 2018a: 293297). Diese Belege fügen sich überaus gut in die deutsche
Sprachgeschichte ein, die durch einen Abbau an Selektionsbeschränkungen für pränominales -s gekennzeichnet
ist (so konnte dieser Slot anfangs z.B. nur durch maskuline Eigennamen bestimmter Deklinationsklassen gefüllt
werden; vgl. hierzu auch ACKERMANN 2019). Deshalb kann man davon ausgehen, dass hier auch der Ausbau
21
(9) Meine Mutters Bruder wohnt in Swakopmund.
All das verdeutlicht, dass das Namdeutsche eigene Normen entwickelt hat, die sich von den
Normen in den Kontaktsprachen und im Standard Deutschlands unterscheiden. Über diese
Normen herrscht Konsens in der Sprachgemeinschaft, was sich in der bemerkenswert großen
Übereinstimmung bei der Bewertung von grammatischen Varianten niederschlägt. Tabelle 6
dokumentiert die Bewertung zweier exemplarischer Items und verdeutlicht, dass das possessive
-s bei Einhaltung der oben dargelegten Anforderungen einhellig als gewöhnliches Namdeutsch
bewertet wird (Standardabweichung: 1,13), während Perfekt-Konstruktionen bei
Bewegungsverben ohne direktes Objekt generell zurückgewiesen werden
(Standardabweichung: 0,9). Dargestellt ist jeweils, wie häufig die verschiedenen Bewertungen
vergeben wurde.
Tabelle 6: Bewertungen zweier Akzeptabilitätstest-Items
Der hier zu beobachtende Konsens hinsichtlich der Bewertung von Varianten ist
charakteristisch für die deutschsprachige Gemeinschaft in Namibia und spricht dafür, dass
Focusing stattgefunden hat.
binnenstrukturell angelegter Tendenzen eine Rolle spielt und somit im Falle des Namdeutschen mehrere
Sprachwandelursachen ineinandergreifen (ZIMMER, i. Vorb.).
gewöhnlich
ungewöhnlich
Mein Vaters Mutter
kommt aus Namibia.
050 100 150
0
1
2
3
4
5
Ich habe gestern zum
Einkaufszentrum gegangen.
050 100 150
0
1
2
3
4
5
22
4. Fazit & Ausblick
In diesem Beitrag wurde zunächst die für das Deutsche in Namibia relevante
Siedlungsgeschichte rekonstruiert. Dabei konnte gezeigt werden, dass im damaligen Deutsch-
Südwestafrika Dialect Mixing stattgefunden haben muss. Die sich daran anschließende
Zusammenstellung von Beobachtungen zum Deutschen in Namibia hat verdeutlicht, dass dieser
Umstand sich auch sprachlich niedergeschlagen hat, da allem Anschein nach all das zu finden
ist, was klassischerweise als Prozess im bzw. Resultat von Varietätenkontakt angesehen wird
und zur Entstehung neuer Varietäten beiträgt. Es gibt somit starke Indizien dafür, dass
Varietätenkontakt die Beschaffenheit des namibischen Deutschen ganz wesentlich geprägt hat.
Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, neben Interferenzen aus Kontaktsprachen und
dem Ausbau binnenstrukturell angelegter Tendenzen den Varietätenkontakt als eine dritte für
das Deutsche in Namibia essentielle Sprachwandelursache in den Blick zu nehmen. Der
vorliegende Aufsatz stellt dabei nur eine erste Annäherung an diesen Themenkomplex dar, der
weiterer Forschung bedarf. So stellen sich zahlreiche allgemeine Fragen, die anhand des
Deutschen in Namibia bearbeitet werden können, die hier aber vorerst unbeantwortet bleiben
müssen: Welche Varianten setzen sich im Varietätenausgleich durch? Welche Rolle spielen
dabei demographische Faktoren, Typenfrequenz, Salienz, innersprachliche Merkmale,
typologische Trends, Prestige usw. (vgl. hierzu z.B. SCHIRMUNSKI 1930; TRUDGILL 1986;
ROSENBERG 2005)? Welche Rolle spielt das Standarddeutsche und wie verhalten sich Bereiche,
die typischerweise nicht (z.B. Modalpartikeln) oder weniger stark (z.B. Phonetik) Gegenstand
von Standardisierung sind? Handelt es sich beim Namdeutschen um eine Koiné und damit
zusammenhängend: Inwiefern sind Regularisierungsprozesse im Namdeutschen festzustellen
(zum Begriff Koiné s. z.B. SIEGEL 2001)? Den Varietätenkontakt als eine dritte essentielle
Sprachwandelursache zu fokussieren, ist somit nicht nur für das Verständnis des Deutschen in
Namibia unerlässlich, sondern bietet auch eine vielversprechende Möglichkeit, allgemeine
Erkenntnisse über Sprachwandelprozesse zu gewinnen.
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Article
Full-text available
This paper deals with the status of the s-marker with personal names in German from a diachronic perspective. On the basis of corpus data it is argued that the deflexion of personal names in genitive phrases is much more advanced than it has been claimed in the literature: only the invariant markers occurs frequently, namely in constructions of the type Hildes Wohnung 'Hilde's flat'. Thus, it becomes obvious that such constructions, which are less widely studied than their English or Swedish counterparts, play a special role. It will be argued that an interpretation of the-s in these adnominal possessive constructions as a kind of prenominal genitive use fails. Given this, a comparison with the development of possessive-s in the history of English reveals that there are striking similarities with the developments in German.
Article
In several Germanic languages, such as English and Swedish, the former genitive morpheme -s has developed into a possessive marker, which has been described as a special clitic by some scholars. Synchronic and diachronic corpus data as well as a comparison with English and Dutch show that German possessive -s is going through a similar, though less radical change as its Germanic counterparts, resulting in morphosyntactic variation. This high amount of synchronic and diachronic variation makes it hard to categorize -s in German. However, the marker can best be described as a bound element that gradually loses its paradigmaticity. This gradual rather than categorial change in progress on an affix-clitic-continuum challenges both synchronic as well as diachronic morpheme-based theoretical approaches.
Article
In this article I explore a particular set of contact varieties that emerged in Namibia, a former German colony. Historical evidence comes from the genre of autobiographic narratives that were written by German settler women. These texts provide – ideologically filtered – descriptions of domestic life in the colony and contain observations about everyday communication practices. In interpreting the data I draw on the idea of ‘jargon’ as developed within creolistics as well as on Chabani Manganyi’s (1970) comments on the ‘master-servant communication complex’, and Beatriz Lorente’s (2017) work on ‘scripts of servitude’. I suggest that to interpret the historical record is a complex hermeneutic endeavour: on the one hand, the examples given are likely to tell us ‘something’ about communication in the colony; on the other hand, the very description of communicative interactions is rooted in what I call a ‘script of supremacy’, which is quite unlike the ‘atonement politics’ (McIntosh 2014) of postcolonial language learning.