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Sport und Zivilgesellschaft. Zur Einführung

Authors:
Volker
Schürmann
(Hrsg.)
Sport
und
Zivilgesellschaft
lehmannsL
Bibliografische
Informationen
der
Deutschen
Bibliothek:
Die
Deutsche
Bibliothek
verzeichnet
diese
Publikation
in
der
deutschen
National
bibliografie;
detaillierte
bibliografische
Informationen
sind
im
Internet
unter
<
http://dnb.ddb.de
>
abrufbar.
Volker
Schürmann
(Hrsg.)
Sport
und
Zivilgesellschaft
Reihe:
Sportwissenschaften
Band
9
©2012
Lehmanns
Media
Verlag
Hardenbergstraße
5
10623
Berlin
www.iehmanns.de
ISBN:
978-3-86541-509-7
Druck
und
Bindung:
docupoint
magdeburg
Barleben
Inhaltsverzeichnis
Sport
und
Zivilgesellschaft:
Zur
Einführung
Volker
Schürmann
.....................................................................
7
Öffentlichkeit
und
Zivilgesellschaft
Hans-Peter
Krüger.
..................................................................
19
Solidarität
mit
und
ohne
Ziel
-
Bedingungen
der
Verbundenheit
in
Sport
und
Gesellschaft
Thomas
Bedorf.
........................................................................
39
Leistungssport
und
Zivilgesellschaft
in
Deutschland.
Grundsätzliche
Fragen
und
aktuelle
Probleme
Robert
ProhL
.............................................................................
57
Fußball
und
Öffentlichkeit
im
21.
Jahrhundert.
Von
der
Kulturkritik
an
einer
Massenveranstaltung
zu
einem
neuen
bürgerlichen
Einverständnis
Martin
Gessmann
....................................................................
81
Der
Fußballplatz
als
Ort
der
Vergemeinschaftung
Rudolf
Oswald.
.......................................................................
101
Sport
als
Zivilreligion!?
Volker
Schürmann
.................................................................
117
Spielt
Deutschland
gegen
den
Abstieg?
Sportmetaphem
in
der
politischen
Sprache
Armin
Burkhardt.
...................................................................
141
Zivilgesellschaftlicher
Widerstand
gegen
Olympia
-
inhaltsanalytische
Befunde
zu
den
Positionen
und
der
Resonanz
der
»NOlympia
2018«-Bewegung
Ho/ger
Ihle
/
Jörg-Uwe
Nieland
..........................................
167
Sport
und
Protest:
Motive
und
Repertoires
von
Sportprotest
als
Ausdruck
zivilgesellschaftlichen
Engagements
Jürgen
Mittag
..........................................................................
191
Sport
und
Zivilgesellschaft:
Zur
Einfüh
rung
Volker
Schürmann
»So
wenig
die
Zivilgesellschaft
notwendigerweise
zivil
sein
muss,
auch
wenn
sie
sich
so
nennt,
so
wenig
steht
von
vornherein
ihre
demokratische
Legitimation
fest«
(Heidbrink
2006,
15)
Die
Rede
von
»Zivilgesellschaft«
hatte
und
hat
ihre
Moden.
Es
ist
nicht
ganz
klar,
ob
sie
gerade
noch,
oder
schon
nicht
mehr,
mo
disch
ist.
In
Mode
ist
ganz
sicher
die
Rede
vom
»bürgerschaftli-
chen
Engagement«.
Gelegentlich
werden
beide
Redeweisen
auch
synonym
gebraucht.
Doch
dies
ist
eine
Reduktion.
Die
Reduktion
von
>Zivilgesellschaft<
auf
>Bürgerengagement<
ist
nur
eines
von
mehreren
Beispielen,
in
denen
>Zivilgesellschaft<
mit
einem
Bereich
der
Gesellschaft
identifiziert
wird,
mlich
einem
Bereich
»zwischen«
Markt,
Staat
und
Familie.
Auch
dort,
wo
es
weniger
substantialisierend
zugeht
-
z.B.
in
der
Rede
von
einem
»intermediären
Institu
(Heidbrink
2006,
19)
-,
ist
und
bleibt
>Zivilgesellschaft<
eine
von
mehreren
Dimensionen
der
Gesell
schaft.
Und
ufig
ist
sie
/w/rdies.
1
Offenkundig
aber
ist
dieser
Begriff
von
Zivilgesellschaft
ein
Ab
kömmling,
ein
Derivat.
Er
setzt
offenkundig
bereits
einen
Begriff
von
Gesellschaft
voraus,
dessen
Bereich
oder
Dimension
eine
so
verstandene
Zivilgesellschaft
wäre.
Dass
dies
keine
Spitzfindigkeit,
sondern
eine
logische
Banalität
ist,
die
tatsächlich
ein
begriffliches
und
praktisches
Problem
aufspannt,
zeigt
sich
spätestens
dort,
wo
nach
dem
Verhältnis
der
dort
unterschiedenen
Dimenstonen
der
Gesellschaft
gefragt
wird.
Beispielsweise
kann
eine
solche
Frage
schlicht
ins
Leere
zielen,
denn
nicht
jede
Gesellschaft
bildet
eine
1
Paradigmatisch
dafür
Habermas
(1992,
Kap.
VIII).
Habermas
konstatiert
lediglich
die
Bedeutungsverschiebung
von
Zivilgesellschaft,
was
jetzt
nicht
mehr,
wie
noch
bei
Hegel
und
Marx,
bürgerliche
Gesellschaft
meint,
und
daher
insbesondere
die
ökonomische
Dimension
aus
schließt.
Er
hat
offenkundig
kein
Problem
damit,
den
»institutionellen
Kern«
der
Zivilgesellschaft
in
den
»nicht-staatlichen
und
nicht-ökonomi
schen
Zusammenschlüsse[n]
und
Assoziationen
auf
freiwilliger
Basis«
zu
sehen
(ebd.
443).
Mit
Bezug
auf
Gramsci
ganz
anders
und
kritisch
gegen
Habermas
Demirovic
(2007,
27-29).
8
|
Zur
Einführung
solche
Dimension,
genannt
»Zivilgesellschaft«,
überhaupt
aus.
Eine
Gesellschaft
etwa,
die
keine
Gewaltsnteilung
kennt,
kennt
auch
keine
Öffentlichkeit,
jedenfalls
nicht
im
Sinne
von
Öffentlichkeit
als
einer
»vierten
Gewalt«.
>Zivilgesellschaft<
als
eine
eigen
bedeutsa
me
Dimension
von
Gesellschaft
ist
insofern
ein
modernes
Phäno
men.
Das
öffentliche
Palavern
freier
Polisbürger
auf
der
agora
im
antiken
Athen
ist
eine
andere
Öffentlichkeit,
denn
sie
ist
begrifflich
und
praktisch
an
einen
anderen
Begriff
von
Ä/z^e/-gebunden.
In
der
Antike
gerten
Frauen
erst
gar
nicht
zu
den
Freien
-
nach
1789
dagegen
sehr
wohl,
auch
wenn
ihnen
dieser,
auch
ihnen
zukommender,
Rechtsanspruch
bis
heute
vielfach
verwehrt
wird.
Aber
selbst
noch
innerhalb
der
westlichen
Moderne
ist
der
Begriff
des
rgers
nicht
bruchlos
einer.
Zwar
meint
er
hier
grundlegend
citoyen,
aber
zum
einen
schwankt
diese
Bedeutung
begrifflich
notwendig
zwischen
Staatsbürger
und
Weltrger;
und
zum
ande
ren
wird
dieses
Staats-Welt-Bürgertum
zwar
dominant
in
der
Weise
der
Bürgerlichen
Gesellschaft
realisiert,
bis
1989
aber
immerhin
gelegentlich
auch
als
Sozialistische
Republik.
-
Will
sagen:
Zivilge
sellschaft
ist
primär
die
Gesellschaft
der
Bürger,
und
weil
das,
was
dabei
Bürger
heißt,
historisch
und
kulturell
ganz
Unterschiedliches
meint,
ist
die
engere
Bedeutung
von
Zivilgesellschafta\s
einer
(von
mehreren)
Dimensionen
der
Gesellschaft
logisch
abngig
von
dieser
je
ltigen
primären
Bedeutung
von
Zivilgesellschaft
als
Gesellschaft
der
Bürger.
Die
Reduktion
von
>Zivilgesellschaft<
auf
>Bürgerengagement<
ist
aber
nicht
nur
ein
logischer
Fehler,
sondern
vor
allem
in
prakti
scher
Hinsicht
problematisch.
Die
Nicht-Thematisierung
der
gesell
schaftstheoretischen
Formatiertheit
einschließlich
der
historischen
Situiertheit
des
Plädoyers
für
Borgerengagement
ist
keineswegs
unschuldig.
In
heutigen
Zeiten
kann
es,
gesellschaftstheoretisch
ungeschützt,
durchaus
auch
als
»Bürgerengagemen
durchgehen,
wenn
Eltern
am
Wochenende
die
Klassen
räume
ihrer
Kinder
auf
eigene
Kosten
renovieren
-
wenn
wir
also
aufgefordert
sind,
als
Privatbürger
Aufgaben
zu
übernehmen,
die
Sache
des
Staates
sind,
was
dann
selbstredend
nur
in
den
>
besserem
Vierteln
der
Städte
gelingt,
nicht
aber
bei
den
»Schmuddelkindem
in
der
Unterstadt«
(FJ.
Degenhardt).
In
diesem
Sinne
gibt
es
keinen
Grund,
mit
dem
Begriff
Zivilgesellschaft
zu
kuscheln.
Bevor
man
über
Zivilgesellschaft
als
Bürgerengagement
redet,
ist
also
eine
gesellschaftstheoretische
Anstrengung
nötig,
die
den
dabei
zugrunde
liegenden
Begriff
von
Gesellschaft
problematisiert
Volker
Schürmann
1
9
resp.
artikuliert.
Falls
man
dann
sagen
möchte,
dass
nur
moderne
»Zivilgesellschaften«
die
Dimension
Zivilgesellschaft
als
eigenbe
deutsame
herausbilden,
wäre
Zivilgesellschaft
notwendigerweise
doppeldeutig:
Der
Dimension
(oder
gar
dem
Bereich)
des
Zivilge-
sellschaftiichen
liegt
dann
Zivilgesellschaft
als
bestimmter
Modus
von
Gesellschaftlichkeit
zugrunde,
mlich
Gesellschaftlichkeit
im
Modus
der
Öffentlichkeit.
Zivilgesellschaft:
ist
dann
derjenige
Modus
von
Gesellschaftlichkeit,
in
der
Staat
und
Gesellschaft
begrifflich
und
organisatorisch
unterschieden
sind
(vgl.
Ottmann
1988,
ckenförde
1972).
Es
gibt
dann
Gesellschaften,
die
zwar
die
Dimension
der
Öffent
lichkeit
herausbilden,
die
aber
gleichwohl
keine
Zivilgesellschaften
sind
(etwa
die
antike
athenische
Polis);
und
es
mag
Gesellschaften
geben,
die
zwar
Staats-Weltbürger-Gesellschaften,
und
in
diesem
Sinne
Zivilgesellschaften,
sind,
die
aber
gleichwohl
die
Dimension
der
Öffentlichkeit
entweder
gar
nicht
oder
aber
in
einem
anderen
Sinne
als
in
rgerlichen
Gesellschaften
(»Räterepubliken«)
her
ausbilden.
Die
Betonung
liegt
selbstverständlich
darauf,
dass
dies
nicht
lediglich
eine
begriffliche
Spitzfindigkeit
ist,
sondern
dass
die
begriffliche
Einschränkung
von
Zivilgesellschaft
auf
moderne
Staats-Weitbürger-Gesellschaften
der
Index
eines
praktischen
Un
terschieds
ist;
Zivilgesellschaftals
Diskriminante
derjenigen
Gesell
schaften,
die
ihren
Bürgern
den
Rechtsanspruch
des
Citoyen
ver
fassungsmäßig
garantieren
(Rechtsstaatlichkeit),
und
als
Suchan
weisung,
ob
und
wie
sie
diesen
Rechtsanspruch
tatsächlich
reali
sieren.
Zivilgesellschaft
heißt
demnach
zunächst
und
in
allererster
Linie
Bürgergesellschaft,
also
civil
society,
societä
civile,
Gesellschaft
der
Citoyens,
Gesellschaft
der
Staats-
oder
Weltbürger.
Die
Herr
schaftsform
der
Citoyens
ist
die
Republik
-
die
Herrschaft
aller
über
alle
-,
das
notwendige
Medium
dieses
Selbstverhältnisses
ist
Öffentlichkeit
und
die
notwendige
Schutzform
dieses
Selbstverhält
nisses
ist
Rechtsstaatlichkeit.
2
Weil
und
insofern
hier
alle
Menschen
2
Weil
all
dies
der
Sache
nach
schon
von
Kant
im
Anschluss
an
Rousseau
zu
Protokoll
gegeben
wurde,
und
weil
Habermas
ein
guter
Kantianer
ist,
ist
ihm
all
dies
auch
(eigentlich)
klar:
Es
könne
nämlich
»nur
der
über
einstimmende
und
vereinigte
Wille
aller,
sofern
ein
jeder
über
alle
und
alle
über
einen
jeden
dasselbe
beschließen
...
gesetzgebend
sein«
(Kant,
zit.
bei
Habermas
1992,
637).
Habermas
zieht
nur
keine
Konse
quenzen
aus
dem
logischen
Sachverhalt
jener
konstitutiven
Doppeldeu
tigkeit
von
Zivilgesellschaft'm
modernen
Gesellschaften.
10
|
Zur
Einführung
als
Person
gleicher
Rechte
zu
gelten
haben,
ist
Zivilgesellschaft:
an
die
politische
Moderne,
an
die
Zeitrechnung
nach
den
Menschen
rechts-Erklärungen
gebunden.
Basis
und
Konsequenz
dieser
histo
rischen
Situierung
ist
die
Nicht-Naturalisierbarkeit
-
weder
von
Personalität
als
Frage,
wer
als
Einer
wie
Unsereins,
als
Bürger,
als
Person
gleicher
Rechte
gilt,
noch
von
Staatlichkeit
als
Frage,
wie
dieses
Selbstverhältnis
institutionalisiert
und
gesichert
ist,
noch
von
Menschenwürde
als
des
normativen
Maßstabes
einer
guten
Ent
wicklung
dieses
Selbstverhältnisses.
Zivilgesellschaften
können
in
keiner
Weise
als
ble
Ratifizierung
eines
vermeintlich
oder
tat
sächlich
naturalen
(dominant:
natur-
oder
vemunftrechtlichen)
Tatbestandes
legitimiert
werden,
sondern
jedes
Moment
jenes
republikanischen
Seibstverhältnisses
ist
in
politischer
Auseinander
setzung
konstituiert,
gestaltet
und
legitimiert
oder
nicht
legitimiert.
-
Mit
Böckenförde:
»Insofern
ist
Politik,
gerade
im
demokratischen
Zeitalter,
unser
aller
Schicksal.«
(Böckenförde
1986,
107)
Oder
mit
Balibar:
»Man
versteht
aber
auch,
daß
der
Gleichsetzung
Mensch
=
Bürger
weniger
als
Definition
eines
politischen
Rechts
Bedeutung
zu
kommt,
sondern
als
Bekräftigung
eines
universellen
Rechts
auf
Politik.«
(Balibar
1990,
111)
Anders
gesagt:
Für
moderne
Zivilgesellschaften
ist
die
perfor-
mative
Dimension
von
Öffentlichkeit
konstitutiv.
Dass
Gott
tot
sei,
heißt
eben
u.a.,
und
vielleicht
zuallererst,
dass
das,
was
als
Garant
für
Mitbürgertum
und
das,
was
als
das
Beste
für
das
Leben
der
Gesellschaft
gilt,
nicht
irgendwo
vorab
schon
festliegt
und
nur
end
lich
durchgesetzt
werden
müsste.
Vielmehr
muss
das
je
Beste
ein
schließlich
der
normativen
Maßstäbe
zur
Festlegung
dieses
Besten
in
aller
Öffentlichkeit
miteinander
ausgehandelt
werden
-
was
im
mer
zugleich
ein
»Kampf
um
Anerkennung«
(Hegel)
ist,
d.h.
ein
Kampf
darum,
wer
denn
überhaupt
dem
Rechtsanspruch
und
der
tatsächlichen
Realisierung
nach
»in
aller
Öffentlichkeit
miteinan
der«
aus
handeln
kann.
Öffentlichkeit
ist
jenes
»Grenzregime«
(Lindemann
2009),
das
das
offene
Wir
einer
Gesellschaft
konstitu
iert
Als
Gott
noch
lebte,
war
ein
mehr
oder
weniger
hohes
Ausmaß
an
Einsicht
in
den
performativen
Charakter
der
Belange
in
der
je
weiligen
Gesellschaft
möglich,
aber
es
war
gleichsam
undenkbar,
die
Gesellschaftlichkeit
als
solche
anschließlich
ihres
Maßes
als
durch
uns
Menschen
gestaltbar
zu
konzipieren.
Insofern
bringt
es
tatsächlich
eine
revolutiore
Einsicht
auf
den
Punkt,
und
nicht
lediglich
eine
Banalität
dass
wir
Menschen
unsere
Geschichte
sei
Volker
Schürmann
|
11
ber
machen.
Wir
machen
nämlich,
und
hierin
liegt
der
revolutionä
re
Bruch,
auch
die
gesellschaftliche
Ordnung
selber,
in
der
wir
»Geschichte
machen«.
Und
auch
noch
die
dann
allllige
Abwehr
der
Interpretation
dieser
geschichtlichen
Freiheit
als
Willkür-
Freiheit
muss
auf
die
vorgegebenen
Bedingungen
dieser
Gestal
tung,
und
kann
nicht
mehr
auf
ttliche
oder
naturale
Schranken
des
Gestaltens
selber
verweisen.
3
Was
nun
hat
das
alles
mit
Sport
zu
tun?
-
Die
Antwort
ist
ganz
einfach:
Alles!
Falls
die
Diagnose
stimmt,
dass
moderne
Gesell
schaften
Zivilgesellschaften
sind,
dann
ist
es
auch
für
den
moder
nen
Sport
konstitutiv,
ein
Kind
der
Öffentlichkeit
zu
sein
-
und
zwar
nicht
nur
deshalb,
weil
er
sonst
nicht
verkauft
werden
könnte,
sondern
weil
er
sonst
nicht
das
re,
was
er
ist
bzw.
sein
könnte.
4
Und
falls
die
obige
Diagnose
stimmt,
würde
sich
das
auch,
und
in
gewisser
Fiinsicht:
in
erster
Linie,
auf
den
performativen
Charak
ter
des
Sports
beziehen.
Das
heißt;
Das,
was
moderner
Sport
ist
oder
sein
könnte,
seine
ihm
eigene
Ordnung
bzw.
Logik,
das
kommt
ihm
nicht
einfach
als
vorgegebene
Tatsache
zu,
sondern
das
ist
prekär,
also
öffentlich
umkämpft.
Zugespitzt:
Sport
ist
kei
neswegs
einfach
Sport,
sondern
Sport
ist
immer
nur
bedingterwei
se
Sport,
mlich
bedingt
durch
eine
öffentliche
Verständigung
oder
Nicht-Verständigung
darüber,
welchen
Sport
>wir<
wollen.
Insofern
hat
jede
Gesellschaft
gleichsam
den
Sport,
den
sie
ver
dient.
Exemplarisch
gesprochen:
Die
Güte
des
jeweiligen
Sport-
joumalismus
ist
ein
Markenzeichen
des
Sports,
den
eine
Gesell
schaft
wünscht.
Im
Hinblick
auf
diese
performative
Dimension
des
Sports
gilt
für
den
Sport
mithin
das
gleiche,
was
uns
für
andere
Bereiche
der
Kultur
sehr
viel
vertrauter
ist.
Beispielsweise
ist
die
moderne
Literatur
notwendigerweise
auf
eine
gut
funktionierende
Literaturkritik
angewiesen.
Wo
die
Grenzen
zwischen
Kitsch,
guter
3
»Die
Menschen
machen
ihre
eigene
Geschichte,
aber
sie
machen
sie
nicht
aus
freien
Stücken,
nicht
unter
selbstgewählten,
sondern
unter
unmittelbar
Vorgefundenen,
gegebenen
und
überlieferten
Umständen.
Die
Tradition
aller
toten
Geschlechter
lastet
wie
ein
Alp
auf
dem
Gehir
ne
der
Lebenden.«
(Marx
1852,
115;
vgl.
auch
Marx
&
Engels
1845/46,
38,
45)
Selbstverständlich
fällt
eine
solche
Einsicht
nicht
vom
modernen
Himmel,
sondern
hat
eine
Vorgeschichte
(vgl.
Kobusch
2011),
was
al
lerdings
nicht
als
Argument
dafür
taugt,
den
historischen
Epochenbruch
als
Ratifizierung
seiner
Ideen-Vorgeschichte
zu
konzipieren.
4
Viel
Material
dazu
bei
Werron
2010
und
im
kritischen
Co-Kommentar
von
Bette
2011.
12
|
Zur
Einführung
Literatur,
Propagandaschrift
verlaufen,
liegt
weder
vor
dem
Verfas
sen
eines
Romans
bereits
fest,
noch
ist
es
bloß
ins
Belieben
sub
jektiven
Meinens
gestellt.
Es
gibt
Kriterien
für
das,
was
Literatur
als
Literatur
ausmacht,
und
folglich
bedarf
es
in
Zweifelsfällen
der
Bewertung
von
Literatur
gemäß
dieser
Kriterien
und
der
Weiter
entwicklung
dieser
Kriterien.
Ob
die
Feuchtgebiets
geschmacklos
sind
oder
akzeptable
oder
gar
innovative
Literatur,
das
zu
ent
scheiden
liegt
weder
in
der
Macht
der
Absichten
der
Autorin
noch
ist
es
bloße
Geschmacksfrage.
Genau
das
in
öffentlicher
Auseinan
dersetzung
gleichsam
zu
entscheiden,
das
leistet
u.a.
und
vor
nehmlich
eine
Literaturkritik;
und
genau
das
leistet
Literaturkritik
nicht
mehr,
wenn
sie
auf
den
Hund
gekommen
wäre
und
nur
noch
die
Ankündigungen
in
den
Verlagsprospekten
verfassen
würde.
Die
hier
mit
ankiingende
Suchanweisung
nach
Orten
guter
Sportkritik
ist
beabsichtigt.
Aber
der
moderne
Sport
ist
nicht
nur
ein
Kind
der
Öffentlichkeit,
sondern
er
trägt
sein
Eigenes
zum
Bestehen
einer
lebendigen
Öf
fentlichkeit
bei.
Seine
spezifischen
Formen
der
Wir-Bildung
sind
sowohl
Produkt
als
auch
Gestaltungsorgane
von
Öffentlichkeit.
Das
wiederum
muss
-
wiederum;
falls
die
obige
Diagnose
stimmt
-
zwei
unterscheidbare
Aspekte
haben.
Zum
einen
ist
Sport
einfach
ein
mehr
oder
weniger
wichtiger
Belang
in
der
Gesellschaft.
Erwartbar
sind
insofern
spezifische
Vergemeinschaftungsformen
im
und
durch
Sport)
etwa
als
»Vereinsleben«,
als
»Sportskamerad
schaft«,
als
Form
oder
auch
nur
als
Thema
von
»Geselligkei
(Bette
1992).
Diese
Vergemeinschaftungsformen
wären
aber
zual
lererst
spezifische
und
auf
den
Bereich
des
Sports
beschränkt
-
es
sollte
Verdacht
erregen,
wenn
der
Vorgesetzte
seinen
Angestellten
auch
im
Betrieb
als
»Sportsfreund«
anspricht;
immerhin
mag
es
gute
Gründe
geben,
gelingenden
sportlichen
Vergemanschaftun-
gen
auch
AusstrahIungskraft
in
andere
Bereiche
der
Gesellschaft
hinein
zuzubilligen.
Etwas
anderes
aber,
und
von
allen
Vergemeinschaftungen
strikt
zu
unterscheiden,
wäre
eine
Rolle
des
Sports
nicht
nur
in,
sondern
der
Öffentlichkeit,
verstanden
als
Gestaltungsmedium
von
Gesell
schaftlichkeit
als
solcher.
Eine
solche
Rolle
ist
auf
den
ersten
Blick
gar
nicht
erwartbar,
denn
die
Gestaltung
von
Gesellschaftlichkeit
als
solcher
ist
ein
politisches
Unterfangen,
und
mindestens
in
der
bürgerlichen
Variante
gilt
der
Sport
als
»unpolitisch«.
Selbst
wenn
man
hier
Mehrdeutigkeiten
von
Politik,
politisch,
unpolitisch,
das
Politische
in
Rechnung
stellt,
könnte
doch
viel
für
diesen
ersten
Volker
Schürmann
\
13
Blick
der
bürgerlichen
Variante
sprechen
-
gleichsam
ein
Beschei
denheitsgestus,
der
es
beim
Sport
als
einer
der
schönsten
Neben
sachen
belassen
will,
um
sich
nicht
aufzublasen
oder
aufblasen
zu
lassen
als
Mitspieler
im
Kampf
um
Anerkennung,
also
um
die
wahr
lich
hauptsächlichen
Fragen
der
Gesellschaftlichkeit.
Bevor
hier
noch
ein
zweiter
Blick
geworfen
werden
kann,
muss
denn
auch
zunächst
die
Zumutung
einer
Rolle
des
Sports
der
Öf
fentlichkeit
also
für
den
Modus
von
Gesellschaftlichkeit,
ex
negativo
behandelt
werden.
Denn
der
Sport
in
der
Moderne
pflegte
in
aller
Regel
gerade
nicht
jenen
Bescheidenheitsgestus
-
ganz
im
Gegenteil.
In
aller
Regel
mlich
empfahl
die
notorische
Begleit
musik
sportideologischer
Selbstlegitimierungen
und
sonstiger
Selbstkommentierungen
die
spezifischen
Vergemeinschaftungsfor
men
des
Sports
als
Vorbild
und
Motor
für
die
Gesellschaft
als
Gan
zer.
In
dieser
Regel
nahm
und
nimmt
Sportideologie
den
Ton
der
Kulturkritik
an,
der
die
menschliche
Kälte
von
vermeintlich
lediglich
formaler
moderner
Gesellschaftlichkeit
anprangert
und
gegen
die
Wärme,
sprich:
Schwüle
von
Gesinnungsgemeinschaften
ausspiett.
Um
Beispiele
kann
man
hier
nicht
verlegen
sein
-
die
Turn
Bewe
gung
schon
mit
und
bei
Jahn,
die
Arbeitersportbewegung,
die
Be
wegungskulturen
der
LebensreformBewegung,
zahllose
Program-
matiken
von
Sportvereinen
und
Sportorganisationen:
Überall
dröhnt
unüberhörbar
der
rm
der
Kulturkritik,
die
empfiehlt,
auch
und
vor
allem
die
Gesellschaft
als
große
Gemeinschaft
zu
traktie
ren
(vgl.
exemplarisch
Oswald
in
diesem
Band,
ausführlicher
Os
wald
2008;
oder,
ebenfalls
exemplarisch,
Wedemeyer-Kolwe
2004).
Konsequenterweise
bekommt
die
FIFA
in
diesem
Klima
»die
Blatter
(Jens
Weinreich):
Beschworen
wird
die
Organisation
als
»Familie«,
der
Lieblingsverweis
von
Sepp
Blatter,
um
konsequent
jedes
strukturelle
Problem
als
Abweichung
von
einzelnen
schwar
zen
Schafen
der
Familie
interpretieren
und
behandeln
zu
können
-
d.h.:
um
wie
»ein
Aal«
(Rummenigge)
einfach
weiter
machen
zu
können.
Und
noch
Rummenigge
bedient,
bei
aller
vordergründigen
Kritik,
dasselbe
Bild:
»Verbände
sind
mir
zu
politisch«,
wie
er
meint
also
nicht
etwa:
zu
wenig
politisch
bzw.
öffentlich
«
http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,803506,00.html»
.
Und
nicht
zuletzt
ist
die
Möglichkeit
der
Verwechselung
von
Ge
sellschaftlichkeit
und
Großer
Gemeinschaftlichkeit
in
den
modernen