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Ins Museum surfen – Das virtuelle Museum von der Webseite bis zur digitalen Transformation

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Abstract

In the spring of 2020, cultural institutions were suddenly faced with a challenge: establishments where art and culture reached its audience were suddenly closed down due to quarantine measures. The question of how to keep pro viding the cultural programme to the audience was raised – and digital platforms were the answer in the 21st century. During this time, the Tyrolean State Museums were able to further expand their digital offerings, which were already regularly used, and to develop new formats. This article discusses how successful these measures proved to be, what digital traces the Tyrolean State Museums have left behind since the 1990s, and where the path towards a comprehensive digital transformation that links the most diverse museum areas in an inter-disciplinary manner can lead.
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umfassenden digitalen Transformation, die interdisziplinär
die unterschiedlichsten Museumsbereiche verknüpft,
führen kann, wird in diesem Beitrag diskutiert.
Die Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 hat die Aufmerk-
samkeit auf den digitalen Auftritt vieler Museen schlag-
artig erhöht und deren Nutzung intensiviert. Mit großer
Selbstverständlichkeit beantworteten Museen ihre
vorüber gehenden Schließungen mit der Bereitstellungen
ihrer Sammlungen, Ausstellungen und Dienstleistungen
im digitalen Raum. Auch die Tiroler Landesmuseen haben
zügig reagiert und unmittelbar mit Schließung der Häuser
ab 16. März neu produzierte Inhalte auf ihren digitalen
Kanälen veröffentlicht. Zwei Monate lang waren die Tiroler
Landesmuseen auf ihre digitale Präsenz angewiesen, um
als Kulturanbieter in einer brachliegenden Öffentlichkeit
aktiv und sichtbar zu bleiben. In dieser Krise hat sich die
Relevanz digitaler Museumsarbeit erwiesen. Die hohe Auf-
merksamkeit, die die Tiroler Landesmuseen während ihrer
Schließung erhalten und ausbauen konnten, geht aus einer
Evaluation hervor, die den zweiten Teil dieses Beitrags
ausmacht. Die digitale Museumsarbeit ist ein Aufgaben-
bereich, dessen Stellenwert in Zukunft wachsen wird,
dessen spezifische Kompetenzen, Methoden und Ziele, aber
auch dessen Ressourcen und Position im institutionellen
Gefüge noch nicht standardisiert sind.
Während die klassische Digitalisierung der letzten zwei
Jahrzehnte ein Nebenprojekt der Museen ausmachte,
erweist sich die anstehende digitale Transformation
als eine die Institution in ihrer Gesamtheit berührende
Aufgabe. Im Zusammenklang von innovativer Technik,
inhaltlicher Qualität und zeitgemäßer Vermittlung liegt das
INS MUSEUM SURFEN –
DAS VIRTUELLE MUSEUM VON DER WEBSEITE
BIS ZUR DIGITALEN TRANSFORMATION
Clara Maier, Andre Rompf, Michael Zechmann-Khreis
ABSTRACT
In the spring of 2020, cultural institutions were suddenly
faced with a challenge: establishments where art and
culture reached its audience were suddenly closed down
due to quarantine measures. The question of how to keep
pro viding the cultural programme to the audience was
raised – and digital platforms were the answer in the
21st century. During this time, the Tyrolean State Museums
were able to further expand their digital offerings, which
were already regularly used, and to develop new formats.
This article discusses how successful these measures
proved to be, what digital traces the Tyrolean State
Museums have left behind since the 1990s, and where
the path towards a comprehensive digital transformation
that links the most diverse museum areas in an inter-
disciplinary manner can lead.
ZUSAMMENFASSUNG
Im Frühjahr 2020 standen die Kulturbetriebe plötzlich
vor einer Herausforderung: Die Betriebe, in denen Kunst
und Kultur sein Publikum erreichte, wurden quarantäne-
bedingt schlagartig geschlossen. Die Frage, wie das
Kultur programm weiterhin an das Publikum gebracht
werden kann, stand im Raum – und digitale Plattformen
boten sich im 21. Jahrhundert an. Die Tiroler Landes-
museen konnten in dieser Zeit ihre bereits regelmäßig
bespielten digitalen Angebote weiter ausbauen und neue
Formate entwickeln.
Wie erfolgreich sich diese Maßnahmen zeigten, welche
digitalen Spuren die Landesmuseen seit den 1990er-Jahren
hinterlassen haben und wohin der Weg in Richtung einer
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1 URL: web.archive.org/web/19981212033451/http://www.tiroler-landesmuseum.at (Zugriff: 28.7.2020).
2 URL: www.riesenrundgemaelde.at (Zugriff: 28.7.2020).
3 Während Facebook und YouTube unregelmäßig, aber durchgehend bespielt wurden, brach Twitter nach zwei aktiven Jahren im Oktober 2011
abrupt ab und wurde erst im Juli 2018 wieder aufgenommen: „Wir hatten ein bisschen Twitterpause, jetzt sind wir wieder da :-)“, vgl. Tweet
vom 18. Juli 2018, URL: twitter.com/TirLandesmuseen (Zugriff: 28.7.2020).
4 Bereits zuvor wurden vereinzelte Videos auf YouTube hochgeladen, so ein Jahresrückblick 2010 und Videos zu verschiedenen Ausstellungen.
Keines dieser frühen Videos ist dort heute noch abrufbar. Von einem gemeinsamen Kanal der TLM lässt sich erst ab 2012 sprechen.
5 Vgl. Museumsbund Österreich (Hg.): Das Museum im digitalen Raum. Zum Status quo in Österreich, S. 21; online abrufbar unter www.
museen-in-oesterreich.at/_docs/_statistiken/de/MOe_Museum_im_digitalen_Raum_2019.pdf (Zugriff: 23.7.2020).
von Instagram (mehr als 2.000 Abonnent*innen), Twitter
(mehr als 250 Follower*innen) und YouTube (mehr als
140 Abonnent*innen und monatlich mehr als 1.200 Aufrufen
und 30 Stunden Wiedergabezeit, alle Stand: 3.9.2020).
Die Beschickung dieser Kanäle mit content hat sich seit den
Anfangsjahren qualitativ und quantitativ gewandelt. Twitter
und Facebook dienten zu Beginn vorrangig zur lakonischen
Kommunikation von Veranstaltungsinformationen. YouTube
verlangt als Videoplattform die Produktion aufwändigerer
Beiträge. Das früheste heute noch greifbare YouTube-Video
bewarb die Sonderausstellung „TYROL GOES AUTRIA.
650 Jahre Tirol bei Österreich“ (19. April bis 5. Oktober
2013 im Museum im Zeughaus) mit einem musikalisch
untermalten Kurzfilm. Bis März 2020 waren 48 Videos auf
YouTube hochgeladen worden; mehrheitlich eigenprodu-
zierte Kurzfilme zu den Dauer- und Sonderausstellungen
oder Infos zu neuen Vermittlungsangeboten. Abgesehen
von einer „Twitterpause“ zwischen Oktober 2011 und Juli
2018 wurden die übrigen Plattformen unregelmäßig, aber
durchgehend mit neuen Inhalten bespielt. Die Anzahl an
Interessierten stieg auf den jeweiligen Kanälen bis März
2020 stetig an. Während des Jahres 2019 konnte dank
der Implementierung einer Marketingstrategie ein starker
Zuwachs verbucht werden (Facebook +10 Prozent, Twitter
+30 Prozent, Instagram +25 Prozent). An diesem Erfolg
beweist sich die Wichtigkeit einer planvollen und strate-
gischen Ausrichtung digitaler Arbeit, deren Bündelung und
Entsendung aus einer Hand sowie deren selbstbewussten
Positionierung im Organi gramm der Institution.
Das post-digitale Zeitalter markiert nicht die Überwindung
des Digitalen, sondern dessen vollständige Integration in
alle Lebensbereiche. So ist digitale Arbeit längst Teil der
Museumsarbeit geworden. Im Jahr 2019 verfügten
75 Prozent aller österreichischen Museen über eigene
Websites; ebenso viele nutzten soziale Medien.5 Qualität,
Potenzial, die gesellschaftliche Relevanz der Tiroler Landes-
museen auch in Zukunft zu erhalten und deren Strahlkraft
und Leistungsfähigkeit zu erweitern.
RÜCKBLICK UND AUSBLICK
Seit 1998 betreiben die Häuser der heutigen Tiroler Lan-
desmuseen eigene Webseiten. Den Anfang machte das
Ferdinandeum, das anlässlich seines 175-jährigen Beste-
hens einen eigenen Internetauftritt erhielt.1 Dieser bestand
zunächst aus einer Seite in hellem Dottergelb und sieben
Fotos, dehnte sich in den Folgejahren zu einer die Kom-
plexität des Hauses, seiner Sammlungen und Abteilungen
repräsentierenden Webseite aus. Das Riesenrundgemälde
– damals noch am alten Standort – verfügte ebenfalls
ab 1998 über einen eigenen Webauftritt.2 Hofkirche und
Tiroler Volkskunstmuseum folgten 2002 als eigenständige
Häuser mit eigenen Websites, die bereits Informationen
zu Geschichte, Sammlungen und Ausstellungen sowie
aktuelle Veranstaltungshinweise anboten. Mit Gründung
der Betriebsgesellschaft im Jahr 2007 vereinten sich die
getrennten Webauftritte unter der bis heute gebräuchlichen
Domain www.tiroler-landesmuseen.at. Der Integration
des TIROL PANORAMA mit Kaiserjägermuseum in die
Landesmuseen im Jahr 2011 folgte deren Integration in die
gemeinsame Webseite. Der erste kollektive Internetauftritt
der Tiroler Landesmuseen wurde 2014 erneuert und nun
durch den vollständigen Relaunch im Juni 2020 abgelöst.
Seit 2010 werden eigene Kanäle auf den Plattformen
Facebook (seit 2010), Instagram (2016), Twitter (2010)3
und YouTube (2012) bespielt.4 Facebook ist mit mehr
als 5.800 Fans und durchschnittlich mehr als 20.000
monatlich erreichten Personen der am weitreichendste
Kommunikationskanal der Tiroler Landesmuseen, gefolgt
49
6 Googles „Arts & Culture“-Projekt bietet solche Rundgänge für über 2.000 Museen weltweit an; 16 der 17 österreichischen Museen sind in
Wien, siehe URL: artsandculture.google.com (Zugriff: 28.7.2020).
7 Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduktion (1935), in: Tiedermann, Rolf/Schweppenhäuser, Hermann
(Hg.): Walter Benjamin: Gesammelte Schriften. Bd. I, Werkausgabe Bd. 2, Frankfurt am Main 1980, S. 431–469.
modellen, die durch Abschreiten der Ausstellungsräume
einen Museums besuch imitieren, auf die Spitze getrieben.6
Hier ist das gesamte Museum nicht nur in seinen Leistun-
gen, sondern auch bildlich ins Digitale übersetzt. Wenn
man so will, hat sich die seit Mitte der 1990er-Jahre ange-
strebte Digitalisierung des Museums darin vollendet und
erschöpft.
Kritik daran reicht weiter zurück als jede online collection
und jedes virtuelle Museum, es ist die Kritik am technisch
reproduzierten Bild. Gerade das Museum unterscheidet
sich von anderen Kulturinstitutionen durch das Vorhan-
densein einer Sammlung, deren Objekte sich durch Alter,
Einzigartigkeit, historischer Zeugenschaft, materieller und
künstlerischer Hochwertigkeit als Kulturgüter qualifizieren.
Das analoge Objekt ist das Alleinstellungsmerkmal der
Institution Museum, das nicht ohne Weiteres ins Digitale
übersetzt werden kann.
So spintisiert die Frage nach der Aura des Kunstwerks
erscheinen mag, hat sie doch die weiträumigsten Köpfe
beschäftigt; sie berührt letzthin die Frage nach der Kunst
überhaupt. Jene Kritik am „technisch reproduzierten
Bild“,7 die Walter Benjamin 1935 gegenüber Fotografie
und Film übte, ist auf die heutige digitale Situation ohne
Abzüge anwendbar. So entbehrt das digitalisierte Abbild
eines Kunstwerks durchaus der dem Original inhärenten
materiellen Integrität, historischen Zeugenschaft und
solitären Würde. Nicht nur kulturkritische Essayisten, auch
alltägliche Erfahrungen lassen uns wissen, dass, so wie
eine Fotografie nicht das Angesicht, das Telefonat nicht
das persönliche Gespräch, die Aufnahme nicht das Konzert
ersetzen kann, eine online collection den Museumsbesuch
nicht ersetzen kann. Vor diesem Hintergrund erweisen sich
virtuelle Führungen als technische Exkurse, die das Leis-
tungsspektrum des Museums nicht nachhaltig erweitern
und das Potenzial des Digitalen für die Leistungsfähigkeit
der Institution nicht wirklich nutzen. Obschon der Wer-
beeffekt unbestreitbar ist. Das Argument der Werbung,
dass sich Sichtbarkeit in Bekanntheit und sich diese in
Häufigkeit und Anspruch an diese digitale Praxis ist von
verschiedenen Faktoren, vor allem den dafür zugemesse-
nen Ressourcen, abhängig. Die sozialen Plattformen bieten
mit ihren Möglichkeiten zu Dialog und Interaktion ein
hohes Potenzial, die aber wiederum ein hohes Maß an
Administra tion erfordern.
Insbesondere die Webseiten und Social Media-Kanäle
ehrenamtlich geführter Museen erfüllen daher die primär
informative Funktion über das Haus, die Sammlung und
Veranstaltungen. Vertiefende Informationen zu Ausstellun-
gen, ausgewählten Objekten oder Sammlungsgebieten und
Hinweise auf Forschungsbereiche können hinzukommen.
Wichtigstes Ziel dieser digitalen Repräsentanzen ist die
Streuung von Informationen – der persönliche Besuch des
Museums bleibt dabei stets vorausgesetzt.
Komplexere Websites hauptamtlich geführter Museen
gehen über die reine Information hinaus, indem sie
Sammlungen und Ausstellungen in Form von Galerien,
Daten banken oder umfassenden online collections in den
digitalen Raum verlängern. Zudem kann man von digi-
talen Dienstleistungen sprechen, wenn beispielsweise
Recherche möglichkeiten in Inventaren und Archiven,
redaktionelle Hintergrundinformationen oder Vermitt-
lungsformate (in Video und Audio) angeboten werden.
Mit dem Ziel, das Museum bestmöglich online abzubilden
und seine Leistungen digital und individuell abrufbar zu
machen, überschreiten diese Websites den reinen Infor-
mationscharakter, so, wie sie einen persönlichen Besuch
nicht länger zwingend voraussetzen. Im Gegenteil wird,
bewusst oder unbewusst, ein möglichst remoter Gebrauch
der Institution angestrebt. Die Vorzüge und Errungenschaft
dieser Form digitaler Repräsentanzen liegen auf der Hand.
Das Argument größtmöglicher Veröffentlichung entspricht
nicht zuletzt dem Gründungsideal vieler Museen seit dem
19. Jahrhundert, auch dem der Tiroler Landesmuseen.
Diese Form der Digitalisierung ist heute fast als über-
kommen zu bezeichnen. Das Prinzip des im Digitalen
nachgebauten Museums ist in den virtuellen Architektur-
50
8 Das Städel Museum in Frankfurt bietet multimediale Formate zur Vor- und Nachbereitung des Museumsbesuchs und Online-Kurse in kunst-
historische Bereiche an. Aufsehen hat das Museum mit einem fünfteiligen Podcast zur Van Gogh-Ausstellung 2019/2020 erregt. Darin wird
ein verlorenes Werk des Künstlers thematisiert – also ein Objekt, das gerade nicht in der Ausstellung zu sehen war. Als analoge Referenz hing
in den Ausstellungsräumen ein leerer Rahmen.
9 Die Einspielung von Hologrammen wird bereits zur Veranschaulichung von Ruinen oder Fragmenten, zur Animation von Objekten oder zur
Blickführung eingesetzt. Vgl. Nagele, Aleksandra: Augmented Reality für Museen. Zwischen virtueller Welt und Wirklichkeit, in: Neues
Museum 20 1–2, S. 112–115.
lungsangebote zu denken, die durch verstärkt partizipative,
interaktive und narrative Elemente den Wirkungsraum
des Museums erweitern und neue Formen der Wissens-
vermittlung anbieten.8 Multimediale Vor- und Nach-
bereitungen des Museumsbesuchs bieten sich ebenso an
wie narrative Einführungskurse in grundlegende oder the-
matische Aspekte. Die optische Erweiterung des Museums-
besuchs ist durch technisch anspruchsvolle augmented
reality-Formate möglich.9 Die Möglichkeit interaktiver und
partizipativer Benutzer*innenführung legt die Entwicklung
spielerischer Angebote für junge Besucher*innen nahe.
Die Erhebung und Analyse des Nutzer*innenverhaltens
erlaubt hier die Entwicklung zielorientierter, individueller
und diversifizierter Formate und deren fortlaufende Opti-
mierung.
Auch die Kernkompetenz des Sammelns wird in die digitale
Transformation einbezogen, wenn die Museumssamm-
lungen um digitale Objekte, sogenannte born-digitals,
erweitert werden. Dies setzt eine digitale Infrastruktur für
Sammlung und Präsentation voraus, die den Bedürfnissen
digitaler Objekte entsprechen.
Deutlich wird, dass diese Form digitaler Museumsarbeit
den Kernbereich der Werbung und Information, aber auch
der Vermittlung überschreitet. Im Unterschied zur reinen
Digitalisierung berührt und durchdringt die digitale Trans-
formation alle Arbeitsbereiche und Abteilungen. Dies setzt
eine breite Akzeptanz innerhalb der Institution und eine
klare Kommunikation voraus. Für eine langfristige und
erfolgreiche Implementierung des Digitalen in die Leistun-
gen und Aufgaben der Museen sollte die interne Organisa-
tionsstruktur digitales und analoges Wissen, Wollen und
Können stets miteinander und aufeinander aufbauend in
ihre Planungen einbeziehen. Um dem Ziel einer digitalen
Transformation auch in kleinen Schritten näher zu kommen,
haben sich Museen und andere Kulturinstitutionen Digitale
Strategien gegeben.
höheren Besucher*innenzahlen niederschlägt, ist ange-
sichts der Besucher*innenströme, die sich vor populären
und millionenfach reproduzierten Meisterwerken drängen,
schlicht unwiderlegbar. Die Ansiedlung digitaler Projekte
in Presse- und Marketingabteilungen ist vor diesem Hinter-
grund plausibel. Auch in den Tiroler Landesmuseen wird die
digitale Arbeit als Arbeitsgebiet der Öffentlichkeitsarbeit
verstanden.
Digitale Museumsarbeit als elaborierte Form von Kommu-
nikation und Werbung zu verstehen, wird deren Potenzial
aber in Zukunft nicht ausschöpfen. Solange digitale
Museums arbeit als Digitalisierung des Museums und sei-
ner Leistungen begriffen wird, bleibt es bei den Aufgaben
der Bewerbung und Information, wenn auch in zunehmend
tiefen Abstufungen. Die Grenze zwischen digitalem Raum
und analogem Objekt bildet zuletzt immer die Grenze der
reinen Digitalisierung.
DIGITALE TRANSFORMATION –
DIGITALE ERWEITERUNG
In den vergangenen 25 Jahren stand der Aufbau einer
digitalen Repräsentanz im Vordergrund, die das Museum,
seine Sammlungen und Leistungen möglichst umfangreich
abbilden sollte. Ein Blick auf globale Vorreiter im Bereich
digitaler Museumsarbeit zeigt, dass es in Zukunft nicht
mehr um Nachbau, sondern Erweiterungen und eine umfas-
sende digitale Transformation der Institution gehen wird.
Der digitale Raum bietet mit seiner unbegrenzten Reich-
weite, uneingeschränkten Zugänglichkeit und multiplen
Vernetzungen beste Voraussetzungen, die Leistungsfähig-
keit der Institution zu erhöhen.
Neben den Möglichkeiten, die dem Forschungsinteresse
der Museen durch globale Vernetzung von Wissen und
Ressourcen entgegenkommen, ist an digitale Vermitt-
51
10 Museumsbund Österreich (Hg.): Museum (wie Anm. 5).
11 Beispielsweise URL: www.cogapp.com/museum-digital-strategy-examples-resources (Zugriff: 28.7.2020).
mediengerechte Aufbereitung der Inhalte aus einer Hand.
Die neue Webseite der Tiroler Landesmuseen bietet mit
ihrer Blog-Funktion eine zusätzliche Plattform, auf der die
Abteilungen Inhalte in Eigenregie veröffentlichen können
und so einen direkten Einblick in die Arbeit des Museums
liefern.
Zuletzt ist die digitale Transformation selbst als Zwischen-
ziel auf dem Weg zu verstehen, die gesellschaftliche Rele-
vanz der Museen zu behaupten und im 21. Jahrhundert wei-
ter auszubauen. Die nachfolgende Evaluation der digitalen
Museumsarbeit während der Corona-Pandemie zeigt, wie
wirksam, nützlich und reputationsfördernd ein zeit gemäßer
digitaler Auftritt für eine öffentliche Kulturinstitution wie
die Tiroler Landesmuseen ist.
EVALUATION DER ONLINE-ANGEBOTE
WÄHREND DER CORONA-SCHLIESSTAGE 2020
Können die Besucherinnen und Besucher nicht ins
Museum kommen, kommt das Museum eben zu ihnen
nach Hause – so lautete das Motto der Tiroler Landes-
museen, die im Rahmen der Quarantänemaßnahme von
Mitte März bis Mitte Mai 2020 an ihren fünf Standorten
geschlossen waren. Kunst und Kultur wurden über diverse
Online-Kanäle vermittelt. Das Angebot wurde anschließend
anhand der Zugriffs- und Interaktionszahlen in den
sozialen Medien sowie durch eine Befragung der Face-
book-, Instagram- und YouTube-User*innen sowie der
Website-Besucher*innen evaluiert. Die Ergebnisse zeigen
eine durchwegs positive Resonanz: Die Tiroler Landes-
museen konnten sich über beachtliche Zeiträume hinweg
vor einigen anderen namhaften österreichischen Museen
platzieren, die Zielgruppe konnte auf weitere Teile der
Tiroler Bevölkerung ausgebaut werden und der Aufruf, die
Museen nach der Wiedereröffnung wieder vor Ort zu besu-
chen, gelang. Im Folgenden werden die Ergebnisse kurz
diskutiert.
DIGITALE STRATEGIEN
Im Jahr 2019 verfügten 18 Prozent der hauptamtlich
geführten Museen in Österreich über eigene digitale Stra-
tegie.10 Die bereits seit einigen Jahren laufende Diskussion
zeigt bereits Tendenzen der Standardisierung. So bieten
etliche Quellen Strategie-Modelle an und suggerieren
Prozesse, die eigens auf Museen abgestimmt sind.11 In der
Praxis variieren die Strategien der Institutionen je nach
Ausgangslage, Ziel und Ressourcen, gleichen sich aber
in der Einsicht, dass die digitale Transformation einen die
gesamte Institution umfassenden Prozess darstellt. Ziel
ist gemeinhin die externe Leistungserweiterung, also die
Absicht, inhaltlich qualitätsvolle, technisch innovative und
methodisch zeitgemäße Formate der Wissensvermittlung
für Besucherinnen und Besucher anzubieten. Außerdem
einen Ausbau der online collections und – darauf aufbau-
end – eine Intensivierung inter-institutioneller Forschungs-
projekte.
Die Formulierung einer Strategie dient vorrangig dazu, lang-
und mittelfristige Ziele und Handlungsfelder abzustecken
und zu kommunizieren. Dies dient der internen Verge-
wisserung und – im Sinne der best practice – der Trans-
parenz. Wie explizit die Vorhaben formuliert sind, ist sehr
unterschiedlich. Von ersten Absichten und Maßnahmen,
wie dem Aufbau einer zeitgemäßen digitalen Infrastruktur
(bspw. lückenloses WiFi-Netz im gesamten Museum), der
Verbesserung der Datenqualität in bestehenden Angeboten
oder die gezielte Fortbildung von Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeitern, können strukturelle Fragen der Zuständigkeiten
und der Ressourcenverteilung thematisiert werden. Grund-
sätzlich sind derartige Strategien als living documents kon-
tinuierlich in Veränderung, Ziele können umformuliert und
Prozesse umgeleitet werden.
Ein erster praktischer Schritt ist die Beteiligung aller
Abteilungen und Bereiche bei gleichzeitiger Bündelung der
digitalen Kompetenzen. Die Bündelung in einer im Digitalen
erfahrenen Abteilung gewährleistet eine zielgruppen- und
52
12 Schweiger, Wolfgang: Theorien der Mediennutzung, Wiesbaden 2007, S. 60 ff.; sowie Rössler, P.: Motive der Mediennutzung, in: Ders.:
Skalen handbuch Kommunikationswissenschaft, Wiesbaden 2011.
13 Raab, Gerhard/Unger, Alexander/Unger, Fritz:Die Theorie kognitiver Dissonanz, in: Winter, Eggert (Hg.): Marktpsychologie. Gabler Wirt-
schaftslexikon, Wiesbaden 2010 S. 42 ff.
14 Schweiger: Theorien (wie Anm. 12), S. 60 ff.
berechtigte kritische Beleuchtung erfuhr, u. a. hinsichtlich
der Selbsteinschätzung, der sozialen Erwünschtheit und
weiterer sozialer Effekte – verstehen die Mediennutzung
als funktionalistisch bzw. als zielorientiert, differenzieren
die Motive und Grundideen jedoch weiter.12 Dazu zählen
selektions- und rezeptionsorientierte Ansätze, die auf indi-
viduelle Bedürfnisse, situative Einflüsse und unterschied-
liche Rahmenbedingungen sowie daraus entwickelte kogni-
tive, affektive und soziale Motive eingehen. Als spezifische
Beispiele sollen hier etwa die Mood-Management-Theorie
und die Theorie der kognitiven Dissonanz erwähnt werden,
die sich damit beschäftigen, wie die Stimmung der Rezi-
pientinnen und Rezipienten durch spezifische Botschaften
beeinflusst werden und wie widersprüchliche Spannungen,
die mitunter zur Medienvermeidung führen können, vermie-
den werden.13
Abschließend soll in diesen kurzen theoretischen Erläute-
rungen auf die spezifischen Bedürfnisse und Motive einge-
gangen werden, die für Online-Strategien wie jene der Tiro-
ler Landesmuseen besonders relevant erscheinen. Neben
sozialen Motiven sind kognitive und affektive zu gleichen
Maßen entscheidend. Die Bedeutung affektiver Motive
wurde lange Zeit verschmäht, erst in den 1970er-Jahren
fokussierte man darauf, inzwischen zählen sie zum Primär-
bedürfnis nach Information und Unterhaltung.14 Ein tradi-
tionelles Kommunikationsverhalten bei immer schneller
werdendem und verändertem Rezeptionsverhalten bliebe
ohne Beachtung dieser Motive chancenlos auf der Strecke,
was auch an der steigenden Relevanz in der politischen und
kulturellen Bildung erkennbar ist. Neue, methodisch viel-
schichtige Formate sind gefragter denn je.
Hier setzt die redaktionelle Konzeption der digitalen Ange-
bote der Tiroler Landesmuseen in den sozialen Medien an,
die auf die Bedürfnisse der dort aktiven Userinnen und User
eingehen. Die Userinnen und User des Online-Museums
werden als aktive Mitgestalterinnen und Mitgestalter aner-
kannt, denen Handlungs- und Selektionsmacht zugeschrie-
THEORIE UND KONZEPT DER ONLINE-STRATEGIE
Um den Kulturauftrag der Tiroler Landesmuseen auch
bei geschlossenen Türen weiterhin zu erfüllen und dem
Publikum den Alltag zuhause in der herausfordernden Zeit
zu erleichtern, wurde der Museumsbetrieb innerhalb von
drei Tagen auf einen reinen Online-Betrieb umgestellt. Am
16. März 2020 wurden die Türen aufgrund der COVID-19-
Vorgaben der Bundesregierung geschlossen, am 18. März
2020 eröffnete Direktor Mag. Dr. Peter Assmann bereits in
einem YouTube-Video das „Online-Museum“. Die sozialen
Medien Facebook, Instagram, YouTube und Twitter sowie
die Website – die alle bereits regelmäßig als Teil der
Marketingstrategie der Tiroler Landesmuseen bespielt wur-
den – sollten von da an das ausbleibende Präsenzangebot
bestmöglich kompensieren. Sie wurden von der Begleit- zur
Hauptplattform, um das Publikum zu erreichen. Durch ein
vielfältiges redaktionelles Konzept konnten die Besucherin-
nen und Besucher bereits in der ersten Woche täglich
Inhalte rezipieren, die sich teilweise aus den bewährten
Museumsformaten entwickelt haben und an die neuen
Medien angepasst wurden. Andere wurden für das digitale
Angebot neu entwickelt.
Unter Berücksichtigung unterschiedlicher Ansätze v. a.
der Kommunikationswissenschaft, der Medienwirkungs-,
der Motiv-, der Mediennutzungsforschung sowie der Wer-
bepsychologie wurden entsprechende Formate entwickelt.
Miteinbezogen wurden dabei Weiterentwicklungen der
Uses-and-Gratifications-Forschung, bei der das Publikum
– anders als das reine Stimulus-Response-Modell, das von
einer monokausalen Wirkung der Medienbotschaft ausgeht
– als aktive und freiwillige Mitgestalterinnen und Mitge-
stalter der medialen Kommunikation definiert wird. Das
Theoriemodell geht davon aus, dass Menschen die Medien
nutzen, um bestimmte Bedürfnisse zu befriedigen, was zu
Gratifikationen führt, die die Mediennutzung wiederum
beeinflussen. Weiterentwicklungen des Modells – das auch
53
15 Statistik Austria: Personen mit Internetnutzung für folgende private Zwecke 2019, URL: pic.statistik.at/web_de/statistiken/energie_umwelt_
innovation_mobilitaet/informationsgesellschaft/ikt-einsatz_in_haushalten/024571.html (Zugriff: 28.4.2020).
16 Pahrmann, Corina/Kupka, Katja: Social Media Marketing, Heidelberg 2020, S. 6.
FORMATE DER ONLINE-STRATEGIE
Zu den Formaten, die aus dem Pool der bestehenden Vermitt-
lungsformate weiterentwickelt wurden, zählen Online-Füh-
rungen durch die Sammlungen und aktuelle Sonderausstel-
lungen der Tiroler Landesmuseen in Form von Bildergalerien;
Live-Führungen durch die Museen; Videos der Leiterinnen
und Leiter der Sammlungen und anderer Expertinnen und
Experten zu einzelnen Meisterwerken und Objekten aus den
Sammlungen der Tiroler Landesmuseen; und ein Medita-
tions angebot. Teilweise weiterentwickelt, teilweise neu kon-
zipiert wurden Mitmach-Posts für Kreative und Familien. Als
völlig neue, online gehostete Kunst- und Kulturvermittlungs-
formate wurden Kunst- und Kultur-Quiz sowie Such bilder aus
Gemälden der Tiroler Landesmuseen konzipiert. Die einzel-
nen Formate werden im Folgenden besprochen.
Online-Führungen durch die Sammlungen
und aktuelle Sonderausstellungen der
Tiroler Landesmuseen in Form von Bildergalerien
Anhand von jeweils zehn Meisterwerken wurden auf Face-
book und Instagram gemeinsam mit den Leiterinnen und
Leitern der Sammlungen bzw. den Kuratorinnen und Kura-
toren und weiteren Expertinnen und Experten Online-Füh-
rungen durch die Sammlungen der Tiroler Landesmuseen
gestaltet. Die Besucherinnen und Besucher konnten sich
bei diesem Format durch die einzelnen Bilder klicken, aus-
führliche Beschreibungen bildeten das Online-Publikum kul-
turell weiter und erzeugten Interesse an den hochwertigen
Inhalten der Tiroler Landesmuseen – an Tiroler Kunst und
Kultur, die bisher für manche vielleicht hinter den Türen der
Museen verborgen geblieben waren.
Mit der geschaffenen Faszination an den Werken sowie
spannenden Fakten wurden sowohl die affektiven als auch
die kognitiven Nutzungsmotive befriedigt. Das führte einer-
seits zum unmittelbaren Wunsch und mitunter neu geschaf-
fenen Bedürfnis, die Museen nach der Wiedereröffnung
zu besuchen. Verstärkt wurde dieses Bedürfnis durch den
ben wird. Die auch in den sozialen Medien überwiegenden
Bedürfnisse nach einerseits Information und andererseits
Unterhaltung sollten durch die Mischung aus hochwertiger
Kulturinformation sowie unterhaltsamen Beiträgen mit
kunst- und kulturhistorischer Relevanz bedient werden.
Dieses Konzept zielte primär darauf ab, den treuen
Museums gast nun online zu begrüßen und weiterhin mit
kulturellen Inhalten zu bespielen. Obwohl es oft als unmög-
lich kolportiert wird, die Zielgruppe der über 65-Jährigen
durch digitale Medien zu erreichen, wissen wir, dass
27 Prozent der über 65-Jährigen in sozialen Medien surfen15
und diese Zielgruppe durchaus über digitale Angebote
bedient werden kann. 65 Prozent der über 65-Jährigen
besuchen mindestens einmal täglich ein soziales Netz-
werk.16 Zusätzlich sollten die konzipierten Online-Angebote
die klassische Zielgruppe der Tiroler Landesmuseen
ausbauen. Diese erweiterte Zielgruppe schloss auch jün-
geres Publikum und Familien mit ein und zielte vor allem
auf Personen ab, die bisher wenig Kontakt zu den Tiroler
Landesmuseen hatten bzw. bisher den Weg ins Museum
nicht gefunden haben. So ist aus einer 2019 im Auftrag
der Tiroler Landesmuseen durchgeführten Umfrage an
159 Studierenden der Universität Innsbruck bekannt, dass
das Hauptinformationsmedium dieser Zielgruppe Freunde
und Bekannte sowie soziale Medien sind. Viele Studierende
kannten die Landesmuseen zwar und gaben an, gerne ins
Museum zu gehen, allerdings hatten viele bisher keines
der Häuser besucht. Dazu fehlte ihnen, so ergab es die
Umfrage, der soziale Kontext bzw. das Lernerlebnis.
Unterschiedliche Formate, die im Folgenden aufgeschlüs-
selt werden, zielen auf die primäre und erweiterte Ziel-
gruppe ab und dienen der Befriedigung von vielfältigen
Bedürfnissen der Zielgruppen. Je nachdem, ob Formate
sinnvoll digitalisiert werden konnten oder nicht, wurden
die bestehenden Museumsangebote an die digitale Welt
angepasst und, darüber hinaus, neue Angebote konzipiert.
Je nach Format wurden die Beiträge jeweils auf mehreren
Kanälen – Facebook, Instagram, YouTube, Twitter – gepos-
tet oder crossmedial angeteasert.
54
17 Felser, Georg: Werbe- und Konsumentenpsychologie, Berlin–Heidelberg, 42015, S. 192.
18 Galtung, Johan/Ruge, Mari Holmboe: The Structure of Foreign News, in: Journal of Peace Research, 2. Jg., 1965, S. 64 ff.
die Johan Galtung und Mari Holmboe Ruge18 in den 1960er-
Jahren definierten. Sind die auftretenden Personen zusätz-
lich Expertinnen oder Experten und/oder sogenannte Elite-
Personen, kann das zu stärkerem Vertrauen sowie erhöhter
Attraktivität der vermittelten Inhalte führen. Das fach kundige
Wissen der Tiroler Landesmuseen beruht auf jahrelanger
Forschung und ist neben den Kunst- und Kulturobjekten das
wohl bedeutsamste Gut. Die beiden Faktoren – Wissen
und vertrauenschaffende Personen mit Expertinnen- bzw.
Experten status – wurden in den personalisierten Videos ver-
eint, um einen weiteren Reiz zu schaffen, die Sammlungen
in ihrer ganzen Vielfalt nach Wiedereröffnung der Tiroler
Landesmuseen zu besuchen. Einzelne Werke anstatt von
generellen, allgemeinen Erzählungen fungierten als Teaser,
um den Wunsch nach mehr Inhalten zu ent fachen.
Meditationsangebot
Durch die rasche Kooperationszusage von Meditations-
lehrer und Coach Dr. Stephan Hofinger, der im März 2020
eine wöchentliche „Mittagsmeditation“ im Ferdinandeum
geplant hatte, sowie der zügigen technischen Umsetzung
konnte bereits am 16. März 2020 die erste Meditation für
YouTube aufgezeichnet und am 19. März 2020 veröffentlicht
werden. Jeden Donnerstag wurde von da an ein Angebot
geschaffen, das über das Museumsprogramm hinausgeht
und in der herausfordernden Zeit für persönlichen Ausgleich
sorgen sollte.
Dieses Zusatzangebot zielte auf eine rein affektive Bedürf-
nisbefriedigung und eine Steigerung der Sympathiewerte
des Social Media-Publikums gegenüber der Tiroler Landes-
museen ab. Außerdem konnte durch die verstärkte Verbrei-
tung der Videos gemeinsam mit dem Kooperationspartner
die Zielgruppe erweitert werden, einige Zuseherinnen und
Zuseher abonnierten den YouTube-Kanal oder wurden zu
Facebook-Follower*innen der Tiroler Landesmuseen. Um
die nachhaltige Bindung zu forcieren, wurde eine Regel-
mäßigkeit der Veröffentlichung eingeführt – um keine
Meditation zu verpassen, sollte man die Kanäle abonnieren.
Call-to-Action am Ende der Beiträge, der Besucherinnen
und Besucher direkt zu einem späteren Museumsbesuch
einlud. Andererseits wurde durch die affektive Verstärkung
der Reize die positive Verbindung mit der Marke „Tiroler
Landes museen“ nachhaltig verstärkt und langfristig schnel-
ler abrufbar. Dieser Markenbildungsprozess erhöht zudem
die Wahrscheinlichkeit einer späteren intuitiven Entschei-
dung, die Museen zu besuchen.17
Live-Führungen durch die Museen
In Live-Führungen wurden die Besucherinnen und Besucher
in maximal 15 Minuten live durch Häuser und Ausstellun-
gen geleitet. Dabei bekamen jene, die die Museen noch nie
besucht haben, einen ersten Eindruck und wurden ermutigt,
diese nach Wiedereröffnung zu besuchen. Alle treuen
Museumsgäste wurden mit informativen Details über-
rascht, die ihnen bisher vielleicht nicht aufgefallen waren.
Da die Leiterinnen und Leiter der Häuser, wie etwa des
Volkskunstmuseums und des Zeughauses, bzw. die Kurato-
rinnen und Kuratoren von Sonderausstellungen persönlich
durch die Häuser führten, konnte zudem fachkundiges Wis-
sen vermittelt werden.
Auch hier wurden unterschiedliche Bedürfnisse befriedigt,
die sich kurz- und langfristig auf die Tiroler Landesmuseen
auswirken. Durch Personalisierung und Expertise konnte
Vertrauen aufgebaut werden. Der Mehrwert dieser beiden
Faktoren wird im nächsten Format ausführlicher besprochen.
Videos von Expertinnen und Experten
zu einzelnen Meisterwerken aus den Sammlungen
der Tiroler Landesmuseen
In diesen Videos wurden einzelne Meisterwerke vorgestellt:
Der Museumsdirektor, Leiterinnen und Leiter der Sammlun-
gen und weitere Expertinnen und Experten traten persönlich
auf und lieferten eindrucksvolles Wissen zu den Objekten.
Der positive Effekt der Personalisierung ist in den Medien
seit Langem bekannt und zählt zu den Nachrichtenfaktoren,
55
Auge fallen und Lust auf den Museumsbetrieb machen.
Das Ziel dabei war, die Vielfalt der Tiroler Landesmuseen
auch bei jenen Interessierten sichtbarer zu machen, die bis-
her von inhaltlich zu anspruchsvollen Inhalten abgeschreckt
wurden. Es sollte betonen, wie Kunst und Kultur Spaß und
Freude bereiten können und zugleich kulturell weiterbilden.
Die Suchbilder, die einen genauen Blick auf die einzel-
nen Kunstwerke verlangten, sollten darüber hinaus dazu
an regen, nach Wiedereröffnung einen genauso akribischen
Blick auf die Originale im Museum zu werfen.
RESULTATE DER DIGITALEN CORONA-STRATEGIE
Die Resonanz des Online-Angebotes der Tiroler Landes-
museen war durchwegs positiv und konnte während der
Corona-Schließzeit und dem verstärkten Digitalangebot
gesteigert werden. Zur Analyse und Evaluation des Ange-
botes wurden die Zugriffszahlen der Tiroler Landesmuseen
und anderer österreichischer Museen (Vergleichswerte) von
Facebook, Instagram und YouTube sowie die Auswertung
der Besucher*innenbefragung (n=65), die in den sozialen
Netzwerken verbreitet wurde, herangezogen.
Positive Resonanz
Bereits in der qualitativen Untersuchung der einzelnen Bei-
träge und Reaktionen in den sozialen Medien konnte eine
positive Resonanz auf das Online-Angebot der Tiroler Landes-
museen festgestellt werden. Das zeigten die Likes, die
geteilten Inhalte und die Kommentare. In der Umfrage wird
dasselbe deutlich: Insgesamt mehr als 80 Prozent gefiel das
Online-Angebot „sehr gut“ (32,8 Prozent), „gut“ (29,5 Pro-
zent) oder „befriedigend“ (19,7 Prozent). Nur 13,1 Prozent
der Befragten gefiel das Angebot nicht. Bezüglich der spezifi-
schen Inhalte zeigte sich eine noch stärker positive Tendenz.
Die Videos zu den Meisterwerken gefielen den meisten
(78 Prozent). Die Foto-Galerien waren 79,3 Prozent der
Befragten bekannt und 72,9 Prozent gefielen sie, also einem
Großteil. Ähnlich verhielt es sich bei den Mitmach-Posts
und bei den Quiz, diese Angebote waren jedoch weniger
Userinnen und Usern bekannt. Reichweitenstarke Posts
wurden vermehrt geteilt, erreichten damit eine höhere Ver-
Mitmach-Posts für Kreative und Familien
Mit den Online-Ateliers, die aus dem bestehenden Ver-
mittlungsprogramm „Offenes Atelier“ weiterentwickelt
wurden, sowie niederschwelligeren Basteltipps – die nicht
den Anspruch von Kulturvermittlung haben, sondern rein
zur Kreativität anregen sollen – wurden weitere Zielgrup-
pen bedient: Kreative und Familien, die in der Coronazeit
zuhause bleiben mussten.
Einerseits wurden Angebote wie etwa Mitmach-Posts mit
kunsthistorischem Schwerpunkt und ein digitaler Mandala-
Rundgang zu den Objekten des Volkskunstmuseums ange-
boten, andererseits auch schnell durchführbare Basteltipps,
die den Alltag erleichtern und ein Alternativprogramm für
Schule und Kindergarten schaffen sollten. Damit sollte
gezeigt werden, dass der Zugang zu Kunst und Kultur
allen offen steht – egal ob bereits künstlerisch aktiv oder
daran interessiert, sich neu inspirieren zu lassen. Auch die
Schwelle für jene Familien, die bisher den Schritt in die
Museen noch nicht gewagt haben, sollte gelockert werden.
Kunst- und Kultur-Quiz
Passend zu den unterschiedlichen Themen, die zum Beispiel
die aktuellen Sonderausstellungen wie „Tracht. Eine Neuer-
kundung“ im Volkskunstmuseum sowie „So fern – so nah.
Eine Kulturgeschichte der Telekommunikation“ im Zeughaus
in den Mittelpunkt rückten, lud ein Quiz eine breite Ziel-
gruppe zum Denken und Lernen an. Die Sonderausstellungen,
die durch die COVID-19-Quarantäne mitunter für einen kür-
zeren Zeitraum für das Publikum zugänglich waren, können
so auf unterhaltsame Weise erkundet werden. Der Aspekt
der Unterhaltung wurde hier mit den informativen Inhalten
gekoppelt und an ein schnelllebiges Social Media-Publikum
adaptiert. Damit konnten wieder affektive und kognitive
Motive befriedigt und eine breite Zielgruppe bedient werden.
Suchbilder aus Gemälden der Tiroler Landesmuseen
Um das vielfältige Publikum der sozialen Medien anzu-
sprechen, wurden nicht nur kulturell anspruchsvolle Inhalte
vermittelt, sondern es wurde auch ein Schwerpunkt auf
Angebote gelegt, die beim raschen Durchscrollen sofort ins
56
19 Facebook Insights (Zugriff: 28.4.2020).
Touristinnen und Touristen in naher Zukunft aufgrund
von Reisebeschränkungen nicht zum Zielpublikum zählen
konnten, und andererseits am Selbstverständnis der Tiroler
Landes museen, in der Krisenzeit den Kulturauftrag weiter-
hin zu erfüllen und darüber hinaus die regionale Bevölke-
rung auch generell so gut wie möglich dabei zu unterstüt-
zen, den heraus fordernden Alltag zu bewältigen.
Dieses Ziel konnte, wie die Befragung und auch die Reich-
weiten zeigen, erreicht werden. Vor den Schließtagen
konnte aus der Besucher*innenbefragung in den fünf Häu-
sern vor Ort erfragt werden, dass rund 20 Prozent der ein-
heimischen Gäste das erste Mal im jeweiligen Haus waren
und weitere rund 20 Prozent alle paar Jahre kommen.
Bei der Online-Befragung gaben bereits 86,7 Prozent der
Befragten – allesamt Nutzerinnen und Nutzer der Online-
Angebote – an, derzeit in Tirol zu wohnen. Das bestätigt
bereits die erfolgreiche Fokussierung und Erweiterung der
Zielgruppe auf die regionale Bevölkerung. Auch die detail-
lierte Auswertung, die für Facebook zur Verfügung steht,
zeigte (Stand: 28.4.2020), dass 3.684 der Facebook-Fans
aus Österreich, davon 2.007 aus Innsbruck, gefolgt von
Wien (397), Bozen (205), Meran (109), München (95) und
Bruneck (91) kommen. Danach folgen weitere Tiroler Orte
wie Kufstein (82), Imst (64), Schwaz (60) und Telfs (59). Die
Geschlechterverteilung ist sowohl bei der Befragung als
auch bei der Facebook-Statistik relativ ausgewogen.
Zielgruppe wurde erweitert: Jüngere und Familien
Das Alter lag, wie auch in der physischen Besucher*innen-
befragung, die in den Tiroler Landesmuseen aufliegt und
regelmäßig ausgefüllt wird, 2019 (n=80) im Durchschnitt
deutlich über 35 Jahren. 30- bis 39-Jährige machten mit
nur acht Prozent einen sehr geringen Anteil aus. Um die
Zielgruppe online zu stabilisieren sowie zu erweitern, galt
es einerseits, die treuen Museumsgäste zu erreichen, und
andererseits, die Zielgruppe 30- bis 39-Jährige zu erschlie-
ßen. Diese Ziele konnten, so zeigen es die Online-Zugriffs-
und Umfragezahlen, während der Schließtage erfolgreich
umgesetzt werden.
breitungsrate und mehr Bekanntheit. Die Suchbilder wurden
in der Umfrage nicht evaluiert, lassen aufgrund der hohen
„Gefällt mir“-Rate (bis zu 510) und die hohe Reichweite (bis
zu rund 27.000 erreichte Personen) jedoch auch auf eine
überaus positive Resonanz schließen.
Top-Museumsbetrieb im österreichweiten Vergleich
Die Inhalte, die die Tiroler Landesmuseen produzierten, führ-
ten zu Beginn der COVID-19-Schließtage zu weitaus mehr
Interaktionen pro Woche als die Beiträge anderer namhafter
österreichischer Museen. Lange Zeit lag auf Facebook nur
das Wiener Belvedere vor den Tiroler Landesmuseen, die im
Corona-Zeitraum durchschnittlich rund 4.500 Interaktionen
pro Woche erzielten und damit vor allem zu Beginn der
Schließtage deutlich vor der Wiener Albertina, der Wiener
Hofburg, der Ars Electronica in Linz sowie dem Natur- oder
Kunsthistorischen Museum Wien lagen. Zwischendurch hol-
ten andere Museen auf, gegen Ende der Schließtage konn-
ten sich die Tiroler Landesmuseen mit 3.800 wöchentlichen
Interaktionen wieder ganz vorne vor der Albertina (3.700),
Ars Electronica (2.600), dem Kunsthistorischen Museum
(2.500) und vielen anderen platzieren.
Diese herausragenden Vergleichswerte konnten erzielt wer-
den, obwohl die „Gefällt mir“-Angaben der Tiroler Landes-
museen ressourcen- und größenbedingt bei rund 5.400 lagen
(Tendenz steigend), während die Albertina bis zum Ende der
Schließtage rund 97.600 Personen aufweist. Das bedeutet,
dass mit viel geringeren Ressourcen und damit einem viel
geringeren Publikum eine stärkere wöchentliche Interaktion
erzeugt werden konnte. Andere Tiroler Kultur betriebe wie
Schloss Ambras, Swarovski Kristallwelten und Audioversum
blieben unter der 1.000er-Marke bis zum Ende der hier mit-
einbezogenen Messungen Ende April 2020 weit zurück.19
Tirolerinnen und Tiroler konnten erreicht werden
Das Ziel der Tiroler Landesmuseen während der COVID-19-
Schließtage war unter anderem, vorwiegend die regionale
Bevölkerung zu erreichen. Das liegt einerseits daran, dass
57
Reaktion auf die COVID-19-Maßnahmen von Seiten der
Tiroler Landesmuseen, die sich wiederum positiv auf die
Zahlen ausgewirkt hat. Andere namhafte Museen wie die
Albertina, das Naturhistorische Museum oder die Hofburg
in Wien konnten trotz größerem digitalen Publikum – und
damit mehr Interaktionspotential – über einen langen
Zeitraum hinweg sowie gegen Ende der Maßnahmen
hinsichtlich der wöchentlichen Interaktionen nicht mithal-
ten. Die Tirolerinnen und Tiroler wurden als Zielgruppe
optimal erfasst, zudem konnte die altersmäßige Zielgruppe
erweitert werden und schließt nun auch eine bisher eher
nachrangig behandelte, jüngere Zielgruppe mit ein. Das
Bedürfnis der Online-Userinnen und -User, die Museen
nach den Schließtagen (wieder) zu besuchen, zeigte sich
deutlich, außerdem konnte fast ein Viertel der Befragten
vom Online-Museum dazu inspiriert werden, die Museen in
nächster Zeit real zu besuchen.
Damit lässt sich sagen, dass die während der COVID-19-
Schließtage ausbleibende reale Präsenz des Museums-
betriebes für den limitierten Zeitraum von zwei Monaten
durch die verstärkte digitale Kommunikation bis zu einem
gewissen Grad kompensiert werden konnte. Der Museums-
betrieb kann durch eine Online-Präsenz nicht ersetzt
werden, dennoch stellte sich die Wahl dieser Form der
Überbrückung als durchaus positiv heraus. In den zwei
Monaten konnte der Kulturauftrag bis zu einem gewissen
Grad weiterhin erfüllt werden. Zudem konnte der Marken-
bildungsprozess, der nachhaltig darauf abzielt, die Ange-
bote und Inhalte der Tiroler Landesmuseen an ein breites
Publikum zu kommunizieren und den Kulturauftrag optimal
zu erfüllen, verstärkt werden. Die Entscheidung, sowohl auf
gefühlsbetonend-affektive und informativ-kognitive Inhalte
zu setzen, hat sich bewährt und erlaubt, einen nachhaltigen
Zuspruch zu prognostizieren. Nach der Wiedereröffnung
ist eine Rückkehr des während der Schließtage online
kulturell bespielten Stammpublikums sowie auch der ein
oder andere neue Museumsgast, der vom Online-Angebot
inspiriert wurde, zu erwarten.
Rund ein Drittel der Befragten der Online-Umfrage (n=65),
die alle sozialen Medien sowie die Webseite miteinbezog,
war über 50 Jahre alt. Damit konnte der treue Museums-
gast erreicht werden.
Außerdem erreichte das Online-Angebot rund 30 Prozent
der unter 35-Jährigen, auf Facebook machte die Zielgruppe
der 25- bis 44-Jährigen 32 Prozent aus. Damit konnte auch
die bisher wenig erreichte jüngere Zielgruppe erschlossen
werden. Diese Zielgruppe wurde mit Familienangeboten,
zusätzlich zum allgemeinen Online-Angebot, verstärkt ange-
sprochen. Insgesamt bedeutet die Verteilung eine erfolg-
reiche Umsetzung der zielgruppenspezifischen Konzeption.
Call-to-Action funktionierte
Erfreulich ist zu guter Letzt das Ergebnis, dass mehr
als 90 Prozent der befragten Nutzerinnen und Nutzer des
Digitalangebotes die Museen nach den Corona-Schließ-
tagen besuchen möchten. 68,9 Prozent hatten dies
ohnehin vor, 21,3 Prozent konnten vom Online-Museum
inspiriert werden. Nur fünf Prozent sprachen sich gegen
einen Besuch aus. Das bedeutet, dass der Call-to-Action
funktionierte und die Verknüpfung zwischen Online- und
Offline-Angebot erfolgreich umgesetzt werden konnte.
Die Besucher*innenzahlen nach der Wiedereröffnung
bestätigten dieses Ergebnis.
CONCLUSIO
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass durch das
verstärkt digitale Angebot der Tiroler Landesmuseen wäh-
rend der Corona-Schließtage eine positive Resonanz bei
den Userinnen und Usern hervorgerufen wurde. Die einzel-
nen Kommentare, Zugriffs- und Interaktionszahlen geben
eine positive Rückmeldung, die auch durch die Umfrage
(n=65) bestätigt werden konnte. Der österreichweite
Vergleich verdeutlicht eine überdurchschnittlich schnelle
ZOBODAT - www.zobodat.at
Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database
Digitale Literatur/Digital Literature
Zeitschrift/Journal: Wissenschaftliches Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen
Jahr/Year: 2020
Band/Volume: 13
Autor(en)/Author(s): Maier Clara, Rompf Andre, Zechmann-Khreis Michael
Artikel/Article: Ins Museum surfen – Das virtuelle Museum von der Website bis zur digitalen
Transformation 47-57
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Author(s): Maier Clara, Rompf Andre
  • Autor
Autor(en)/Author(s): Maier Clara, Rompf Andre, Zechmann-Khreis Michael