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REVIEW
/
SPECIAL
ISSUE
Verletzungsmuster
im
Pferdesport
Patrick
Daniel
Dißmann
Horn-Bad
Meinberg,
Germany
Stellenwert
des
Pferdesports
Die
Rolle
des
Pferdes
in
der
Gesell-
schaft
hat
sich
im
Laufe
der
Zeit
sehr
vera¨ndert.
Fru¨her
diente
das
Pferd
hauptsa¨chlich
als
Arbeitstier
und
Fortbewegungsmittel,
heutzutage
dient
das
Reiten
in
der
westlichen
Welt
hauptsa¨chlich
als
Sport
und
Freizeitbescha¨ftigung
[1],
bei
der
die
Popularita¨t
weltweit
stetig
steigt
[2].
So
wird
gescha¨tzt,
dass
ca.
30
Millionen
Menschen
jedes
Jahr
in
den
USA
reiten
[3].
Auch
deutsch-
landweit
reiten
3,89
Millionen
Men-
schen
der
u¨ber
14-ja¨hrigen
Frauen
und
Ma¨nner
und
1,25
Millionen
Men-
schen
betreiben
den
Sport
sogar
in
einem
u¨berdurchschnittlichen
Maße
[4].
Die
Deutsche
Reiterliche
Verei-
nigung
(F
ed
eration
E´questre
Natio-
nale,
FN)
registrierte
im
Jahre
2017
690.995
Mitglieder
[4].
Etwa
900.000
Menschen
in
Deutschland
sind
Pferdebesitzer.
Nach
Hochrech-
nungen
der
FN
auf
Grundlage
ver-
schiedener
Studien
und
Zahlen
wie
zum
Beispiel
der
IPSOS-Studie,
der
Tierseuchenkassen
und
der
Allensba-
cher
Markt-
und
Werbetra¨geranalyse
leben
rund
1,3
Millionen
Pferde
in
Deutschland
[5].
In
der
Schweiz
rei-
ten
ca.
140.000
Personen
im
Alter
von
10
bis
74
Jahren
zumindest
ab
und
zu.
Rund
85-95%
davon
sind
Frauen
[6].
Der
Reitsport
ist
sehr
vielfa¨ltig
und
es
za¨hlen
neben
den
drei
olympi-
schen
und
paralympischen
Diszipli-
nen
Dressur,
Springreiten
und
Viel-
seitigkeitsreiten
auch
der
Fahrsport,
das
Reining,
Voltigieren
und
Dis-
tanzreiten
zu
einer
der
acht
Diszipli-
nen
der
Weltreiterspiele
[7].
Der
hohe
Stellenwert
des
Reitens
im
Spitzensport
wird
dadurch
belegt,
dass
Deutschland
im
olympischen
Medaillenspiegel
der
Jahre
1912
bis
2016
auf
Platz
eins
lag
[7].
Des-
weiteren
kommt
dem
Pferd
eine
be-
sondere
Rolle
im
Rahmen
des
thera-
peutischen
Reitens
zu,
um
die
Ent-
wicklung
bei
Kindern
mit
einem
psychologischen
Beschwerdebild
oder
einer
Behinderung
zu
fo¨rdern
[8].
Gef€
ahrdungspotenzial
Ein
Pferd
ist
ein
autonom
denkendes
und
agierendes
Lebewesen,
das
bis
zu
500
kg
wiegen
kann,
bis
zu
65
km/h
schnell
rennen
und
mit
dem
1,8-fachen
seines
Ko¨rperge-
wichtes
austreten
kann
[9,10].
Durch
den
genetisch
bedingten
Fluchtinstinkt
des
Tieres
la¨sst
sich
das
Pferd
als
ein
schreckhaftes
We-
sen
charakterisieren
[3].
Dadurch,
dass
beim
Reiten
der
Sport-
partner
ein
Tier
und
kein
Mensch
ist
[9,11],
ist
dieser
Sport
–
wie
kein
anderer
–
sehr
durch
die
unvorher-
sehbare
Interaktion
von
Mensch
und
Tier
charakterisiert
[10].
Die
ge-
scha¨tzten
Fa¨higkeiten
des
Pferdes
–
Athletik
und
Temperament
–
[9],
Zusammenfassung
Der
Pferdesport
erfreut
sich
weltweit
wachsender
Beliebtheit.
St€
urze
vom
Pferd
kommen
zwar
h€
aufig
vor,
f€
uhren
aber
eher
selten
zu
schweren
Verlet-
zungen.
Es
muss
grunds€
atzlich
zwi-
schen
Unf€
allen
w€
ahrend
der
Aus€
ubung
des
Pferdesports
und
dem
bloßen
Um-
gang
mit
dem
Pferd
differenziert
wer-
den,
da
hier
unterschiedliche
Verlet-
zungsmuster
zu
beachten
sind.
Im
Rah-
men
der
Unfallpr€
avention
kommen
der
Aufkl€
arung €
uber
potenzielle
Unfallrisi-
ken
sowie
der
fundierten
Ausbildung
von
Reiter
und
Pferd
besondere
Bedeu-
tung
zu.
Schl€
usselw€
orter
Pferdesport
-
Verletzungsmuster
-
Unfallursachen
-
Unfallpr€
avention
-
Risikoaufkl€
arung
P.D.Patrick
Daniel
Dißmann
Injury
Patterns
in
Equestrian
Sports
Summary
Equestrian
sports
enjoy
very
high
pop-
ularity
around
the
globe.
Although
the
incidence
of
falling
from
a
horse
is
quite
high,
there
seem
to
be
relatively
few
serious
injuries.
There
is
a
need
to
differentiate
between
accidents
occur-
ing
during
exercising
and
those
hap-
pening
whilst
grooming
a
horse.
Both
result
in
different
types
of
injury
pat-
terns.
Injury
prevention
is
of
utmost
importance
and
should
focus
on
risk
assessment,
staff
training
and
a
well-
founded
education
of
horse
and
rider.
Keywords
Euestrian
Sports
-
Injury
Pattern
-
Accident
Cause
-
Accident
Prevention
-
Risk
Education
1
Facharzt
fu¨r
Allgemeinmedizin,
Not-
fallmedizin,
Sportmedizin,
Manuelle
Medi-
zin/Chirotherapie,
Visiting
Professor
-
Euro-
pean
Medical
College.
Sports
Orthop.
Traumatol.
36,
335–341
(2020)
CElsevier
GmbH
www.SOTjournal.com
https://doi.org/10.1016/j.orthtr.2020.09.001
Orthopaedics
and
Traumatology
P.D.Patrick
Daniel
Dißmann Verletzungsmuster
im
Pferdesport
335
REVIEW
/
SPECIAL
ISSUE
ko¨nnen
somit
leider
auch
schwere
Verletzungen
zur
Folge
haben
[12].
Dabei
kann
es
nicht
nur
im
eigent-
lichen
Sport
zu
einer
Verletzung
kommen,
sondern
auch
im
bloßen
Umgang
mit
dem
Tier
[3].
Gema¨ß
einer
Erhebung
des
National
Safety
Council
rangierte
der
Pferdesport
in
den
USA
mit
knapp
49.000
Verlet-
zungen
im
Jahre
2017
auf
Rang
15
der
gefa¨hrlichsten
Sportarten
[13].
Dementsprechend
berichten
Thomas
et
al.
von
37.5
pferdesportbedingten
Verletzungen
pro
100.000
US-Ein-
wohner
[14].
Die
absolute
Verlet-
zungsrate
liegt
bei
circa
1
pro
1000
Pferdesportstunden
[15].
Es
wird
gescha¨tzt,
dass
in
den
USA
ei-
ner
von
fu¨nf
Reitern
wa¨hrend
seiner
Reitkarriere
einen
Unfall
erleiden
wird,
medizinische
Versorgung
be-
no¨tigt
und
eventuell
stationa¨r
auf-
genommen
werden
muss
[3].
Die
gleichen
Autoren
sprechen
von
einer
ja¨hrlichen
Verletzungsrate
bei
Kin-
dern
von
etwa
21%.
Mayberry
et
al.
fanden,
dass
sogar
81%
aller
Pferde-
sportler
wenigstens
einmal
in
ihrer
Reitkarriere
eine
a¨rztlich
behand-
lungsbedu¨rftige
Verletzung
erleiden
[16].
Laut
Einscha¨tzung
von
befrag-
ten
Pferdesportlern
waren
zwei
Drit-
tel
aller
erlittenen
Verletzungen
ver-
meidbar
[17].
Knapp
30%
der
Befragten
mussten
wegen
der
erlit-
tenen
Verletzungen
eine
Notaufnah-
me
aufsuchen,
26%
bedurften
eines
stationa¨ren
Aufenthaltes
und
17%
stellten
sich
bei
einem
niedergelas-
senen
Facharzt
vor.
Nur
etwas
u¨ber
27%
beno¨tigten
keine
weitere
a¨rzt-
liche
Behandlung
[17].
Verletzun-
gen
im
Reitsport
sind
fu¨r
bis
zu
10%
aller
sportbedingten
Patienten-
neuvorstellungen
in
britischen
Not-
fallambulanzen
verantwortlich
[18].
Seit
langem
gilt
der
Vielseitigkeits-
sport
mit
Gela¨ndepru¨fung
als
eine
der
gefa¨hrlichsten
aller
Pferdesport-
arten
[19,15].
Mehrere
Fallserien
[19,15,20]
sowie
der
FEI
Sicher-
heitsbericht
fu¨r
den
internationalen
Vielseitigkeitssport
[21]
berichten
Verletzungsquoten
zwischen
0,9
und
1,4%
aller
gestarteten
Vielsei-
tigkeitsreiter,
welche
durchaus
ver-
gleichbar
mit
bereits
bekannten
Da-
ten
fu¨r
Hindernisrennen
und
Ama-
teurpferderennen
in
Großbritannien,
Irland
und
Frank-
reich
sind
[22–24]
(Tabelle
1).
Der
Sicherheitsbericht
der
Weltreiter-
vereinigung
(F
ed
eration
E´questre
International,
FEI)
fu¨r
die
Jahre
2014-2019
verzeichnete
insgesamt
6.667
Stu¨rze
bei
121.917
Teilneh-
mern
im
Rahmen
von
4.147
interna-
tionalen
CCI/CIC-Turnieren
[21].
Der
Schwierigkeitsgrad
der
Veranstaltung
korrelierte
hierbei
direkt
mit
der
ab-
soluten
Sturzrate.
In
Großbritannien
sind
bei
Vielseitigkeitsturnieren
auf
nationalem
Niveau
hingegen
viel
ge-
ringere
Sturzraten
beschrieben
wor-
den
[20]
(Tabelle
1).
Der
FEI
Unfallstatistik
zufolge
kam
es
von
2014
bis
2019
durch
die
6.667
verzeichneten
Stu¨rze
zu
insgesamt
383
leichten
und
210
schweren
bzw.
to¨dlichen
Verletzungen
bei
121.917
Teilnehmern.
Immerhin
6.074
Reiter
blieben
nach
dem
Sturz
unverletzt.
Demnach
betrug
die
re-
lative
Unfallquote
fu¨r
geringgradige
Verletzungen
1:322
Teilnehmer
und
fu¨r
schwere/to¨dliche
Verletzungen
1:588
Teilnehmer
[21]
(Tabelle
2).
Unfallursachen
Bei
der
Betrachtung
von
mo¨glichen
Ursachen
muss
zuna¨chst
zwischen
solchen
Unfa¨llen
unterschieden
wer-
den,
welche
wa¨hrend
der
Ausu¨bung
des
eigentlichen
Pferdesports
durch
einen
Sturz
passieren
(z.B.
beim
Rei-
ten,
Voltigieren,
Longieren
oder
Fahren),
und
solchen,
welche
sich
im
Umgang
mit
dem
Pferd
ereignen
(bspw.
bei
der
Pflege
in
der
Stall-
gasse,
dem
Weide-
und
Koppelgang
Tabelle
1.
Vergleich
der
durchschnittlichen
Verletzungsquoten
fu¨r
Galopprennen,
Hindernisrennen,
Amateurpferderennen
und
dem
Vielseitigkeitssport.
Reitsportart
Galopprennen
Hindernisrennen
Amateurrennen
Vielseitigkeit
Verletzungsrate
0.12
-
0.18%
0.6
-
1.2%
1.2
–
2.3%
0.9
-
1.4%
Quelle:
Eigene
Darstellung
nach
[19,15,20,22,23,24].
Tabelle
2.
FEI
Unfallstatistik
fu¨r
2014
bis
2019.
FEI
Unfallstatistik
Unverletzt
Leicht
verletzt
Schwer/to¨ dlich
verletzt
Verletzungsrate
5%
0,3%
0,15%
Verletzungsquote
1:20
1:322
1:588
Quelle:
FEI
Eventing
Risk
Management
Programme
Statistics
2008-2019
[21].
336
P.D.Patrick
Daniel
Dißmann Verletzungsmuster
im
Pferdesport
REVIEW
/
SPECIAL
ISSUE
Sports
Orthop.
Traumatol.
36,
335–341
(2020)
oder
der
Assistenz
fu¨r
Hufschmied
und
Tierarzt).
In
mehreren
interna-
tionalen
Studien
werden
der
Sturz
vom
Pferd
oder
der
Kutsche
fu¨r
54
bis
95%
aller
Unfa¨lle
verantwortlich
gemacht
[17,25–32]
(Tabelle
3).
Die
ha¨ufigsten
Unfallursachen
beim
Umgang
mit
dem
Pferd
stellen
laut
Studienlage
Pferdetritte
(16-24%)
[17,25,26,28,30],
Pferdebisse
(2-
4%)
[26,25]
sowie
Verletzungen
an
Gera¨tschaften
und
Zaumzeug
(6-
10%)
[17,25]
dar
(Abbildung
1).
Alters-
und
Geschlechtsverteilung
Hinsichtlich
der
Alters-
und
Ge-
schlechtsverteilung
findet
sich
in
der
Literatur
erwartungsgema¨ß
[6]
ein
ho¨herer
Anteil
verletzter
Reiter-
innen
[25–28,31–34]
(Tabelle
4).
Diese
scheinen
im
Durchschnitt
auch
etwa
12
Jahre
ju¨nger
zu
sein
als
ma¨nnliche
Pferdesportler
(24,3
vs
36,0
Jahre)
[25].
Verletzungsmuster
Bei
71
bis
87%
der
verunfallten
Rei-
ter
ist
in
der
Literatur
nur
eine
Ko¨r-
perregion
betroffen,
bei
10
bis
19%
entstehen
kombinierte
Verletzungen
an
2
Ko¨rperregionen,
und
die
gleich-
zeitige
Verletzung
von
mehr
als
2
Ko¨rperregionen
liegt
bei
4,5
bis
9%
[31].
Hinsichtlich
der
Verteilung
der
Verletzungsmuster
herrscht
in
der
Literatur
eine
gewisse
Heterogenita¨t
(Abbildung
2).
Auch
die
Angaben
zu
den
Verlet-
zungsha¨ufigkeiten
der
verschiede-
nen
Ko¨rperregionen
schwanken
zwi-
schen
den
einzelnen
Studien
(Tabelle
6).
Wolyncewicz
et
al.
stellten
bei
Kin-
dern
und
Jugendlichen
signifikante
Unterschiede
in
den
Verletzungs-
mustern
fest,
je
nachdem,
ob
diese
zuvor
geritten
waren
oder
sich
im
Umgang
mit
einem
Pferd
befanden.
So
fanden
sich
durch
den
Sturz
vom
Pferd
vermehrt
Verletzungen
der
oberen
Extremita¨t
(32%)
und
Wir-
belsa¨ule
(17%),
wa¨hrend
sich
beim
Umgang
mit
dem
Pferd
vermehrt
Ge-
sichtsverletzungen
(57%)
und
stumpfe
Abdominaltraumen
(21%)
Tabelle
3.
FEI
Unfallstatistik
fu¨r
2014
bis
2019.
FEI
Unfallstatistik
Unverletzt
Leicht
verletzt
Schwer/to¨ dlich
verletzt
Verletzungsrate
5%
0,3%
0,15%
Verletzungsquote
1:20
1:322
1:588
Quelle:
FEI
Eventing
Risk
Management
Programme
Statistics
2008-2019
[21].
Abbildung
1
Vergleich
der
absoluten
Sturzraten
f€
ur
nationale
und
internationale
Vielseitigkeitsturniere.
Quelle:
FEI
Eventing
Risk
Management
Programme
Statistics
2008-2019
[21]
und
Dissmann
2014
[20].
P.D.Patrick
Daniel
Dißmann Verletzungsmuster
im
Pferdesport
337
REVIEW
/
SPECIAL
ISSUE
Sports
Orthop.
Traumatol.
36,
335–341
(2020)
aufgrund
von
Pferdetritten
fanden
[29].
Carmichael
et
al.
und
Schroeter
et
al.
kamen
zu
einem
a¨hnlichen
Schluss
fu¨r
Verletzungen
durch
den
Umgang
mit
dem
Pferd,
fanden
je-
doch
vermehrt
Thoraxtraumen
infol-
ge
eines
Sturzes
vom
Pferd
[28,30].
Van
Balen
et
al.
beschrieben
eine
Ha¨ufung
von
oberen
Extremita¨tenf-
rakturen
(44%)
aufgrund
eines
Stur-
zes
vom
Pferd,
wa¨hrend
es
beim
Um-
gang
mit
dem
Pferd
eher
zu
unteren
Extremita¨tenfrakturen
(40%)
und
Gesichtsscha¨delverletzungen
(10%)
kam
[27].
Fleischer
et
al.
hingegen
fu¨hren
als
die
ha¨ufigsten
Verlet-
zungsregionen
nach
einem
Sturz
vom
Pferd
den
Beckengu¨rtel,
die
Wirbelsa¨ule
und
die
Kopf-/Halsre-
gion
an,
wa¨hrend
Verletzungen
durch
den
Umgang
mit
Pferden
sich
eher
im
Bereich
der
Gesichts-/
Kopfregion
sowie
der
unteren
Extre-
mita¨t
ha¨ufen
[31]
(Tabelle
5).
Zusammenfassung
Der
Pferdesport
erfreut
sich
weltweit
großer
Beliebtheit
[4].
Von
der
Kom-
bination
zweier
belebter
und
ani-
mierter
Sportpartner
geht
eine
große
Faszination
aber
auch
ein
gewisses
Gefahrenpotenzial
aus.
Stu¨rze
vom
Pferd
kommen
zwar
ha¨ufig
vor,
fu¨h-
ren
aber
eher
selten
zu
schweren
Verletzungen
[21].
Was
die
zu
erwartenden
Verletzungs-
muster
anbelangt,
so
muss
grund-
sa¨tzlich
zwischen
Unfa¨llen
im
Zu-
sammenhang
mit
dem
Reiten,
Fah-
ren
oder
Fu¨hren
eines
Pferdes
sowie
dem
bloßen
Umgang
im
Zusammen-
hang
mit
der
ta¨glichen
Pflege
unter-
schieden
werden
[20].
Aufgrund
von
Stu¨rzen
von
Pferd
oder
Kutsche
kommt
es
ha¨ufig
zu
Kopfver-
letzungen
und
Scha¨del-Hirn-Traumen
–
auch
trotz
Tragen
eines
Reithelmes
[35].
Verletzungen
der
oberen
Extre-
mita¨t,
der
Wirbelsa¨ule
und
des
Thorax
sind
nicht
selten
und
mu¨ssen
durch
den
zusta¨ndigen
Turnierarzt
in
Be-
tracht
gezogen
werden.
Im
Vergleich
zum
Scha¨del-Hirn-Trauma
kann
hier
jedoch
durch
das
Tragen
einer
Abbildung
2
Verteilung
der
Verletzungsarten.
Quelle:
Eigene
Darstellung
nach
[26,27,29,32].
Tabelle
4.
Vergleich
der
Verletzungsha¨ufigkeiten
beim
Reiten
oder
beim
Umgang
mit
dem
Pferd.
Ta¨tigkeit
Carmichael
2014
(n
=
284)
Lang
2014
(n
=
1408)
Fleischer
2016
(n
=
1206)
Schroeter
2017
(n
=
503)
Abdulkarim
2018
(n
=
143)
Camargo
2018
(n
=
265)
Kru¨ ger
2018
(n
=
770)
Wolyncewicz
2018
(n
=
505)
Van
Balen
2019
(n
=
945)
Reiten
54%
73%
58%
74%
79%
95%
68%
77%
68%
Umgang
46%
27%
42%
26%
21%
5%
32%
23%
32%
Quelle:
Eigene
Darstellung.
338
P.D.Patrick
Daniel
Dißmann Verletzungsmuster
im
Pferdesport
REVIEW
/
SPECIAL
ISSUE
Sports
Orthop.
Traumatol.
36,
335–341
(2020)
Schutzweste
das
Verletzungsrisiko
um
bis
zu
56%
gesenkt
werden
[36].
Beim
Umgang
im
Stallbereich
und
wa¨hrend
der
Weide-
und
Koppelga¨n-
ge
kann
es
durch
das
Austreten
und
Beißen
des
Pferdes
zu
nicht
minder
gefa¨hrlichen
Verletzungen
kommen
[17,28,29,31],
welche
vor
allem
den
Gesichtsscha¨del,
die
Hand,
die
un-
tere
Extremita¨t
sowie
Thorax
und
Abdomen
betreffen
ko¨nnen.
Gerade
Kinder
und
Jugendliche
erscheinen
hiervon
besonders
betroffen
[29],
da
in
der
Stallgasse
und
auf
dem
Hof
ha¨ufig
auf
die
sonst
u¨bliche
Schutz-
kleidung
verzichtet
wird
[17].
Insgesamt
betonen
alle
Autoren
einschla¨giger
Studien
die
zur
Un-
fallpra¨vention
notwendigen
Maß-
nahmen,
insbesondere
die
Aufkla¨-
rung
aller
mit
dem
Pferdesport
ver-
bundenen
Personen
u¨ber
mo¨gliche
Unfallrisiken
sowie
die
entspre-
chende
Unterweisung
von
Reitern,
Reitlehrern
und
Stallpersonal.
Eine
große
Bedeutung
kommt
auch
der
Schulung
des
auf
Pferdesportturnie-
ren
eingesetzten
medizinischen
Personals
zu
[20].
Eine
fundierte
Ausbildung
von
Pferd
und
Reiter
er-
scheinen
fu¨r
die
Unfallvermeidung
von
zentraler
Bedeutung
[17].
Letztlich
gilt
es
auch,
die
Entwick-
lung
von
verbesserten
Reithelmen
und
Schutzwestensystemen
voran-
zutreiben
[35,36].
Abschließend
sei
angemerkt,
dass
zwar
viele
Studien
auf
lokaler
oder
regionaler
Ebene
durchgefu¨hrt
wur-
den,
was
zu
der
vorbeschriebenen
Heterogenita¨t
der
Datenlage
fu¨hrt,
aber
–
bis
auf
das
Sicherheitsregister
des
Weltreiterverbandes
fu¨r
den
Viel-
seitigkeitssport
[21]
–
nur
wenige
systematische
nationale
und
fast
gar
keine
internationalen
Datener-
hebungen
fu¨r
andere
Pferdesportdis-
ziplinen
bzw.
den
allta¨glichen
Um-
gang
mit
Pferden
außerhalb
von
Tur-
nierveranstaltungen
existieren.
Hier
muss
durch
den
Aufbau
von
nationa-
len
Sturz-
und
Verletzungsregistern
fu¨r
den
Reitsport
dringend
nachge-
steuert
werden
(Abbildung
3).
Tabelle
6.
Zusammenhang
zwischen
Unfallursache,
-mechanismus
und
Verletzungsmuster.
Unfallursache
Unfallmechanismen
Ha¨ufige
Verletzungsmuster
Sportliche
Beta¨tigung
(Reiten,
Fahren,
Fu¨ hren
des
Pferdes)
Sturz
von
Pferd
oder
Kutsche
Kopfverletzung
Thoraxtrauma
Wirbelsa¨ulenverletzung
Verletzung
der
oberen
Extremita¨t
Umgang
mit
dem
Pferd
(Pflege,
Koppel-
und
Weidegang,
Assistenz
fu¨r
Tierarzt
oder
Hufschmied)
Pferdetritt
Pferdebiss
Gesichtsscha¨delverletzung
Handverletzung
Bauchtrauma
Verletzung
der
unteren
Extremita¨t
Quelle:
Eigene
Darstellung.
Tabelle
5.
Alters-
und
Geschlechtsverteilung
fu¨r
verletzte
Pferdesportler(innen).
Studie
Ø
Alter
(Jahren)
Weiblich
ma¨nnlich
Bilaniuk
2014
(n
=
284)
30.0
84%
16%
Carmichael
2014
(n
=
284)
37.2
52%
48%
Hessler
2014
(n
=
198)
27.2
85%
15%
Lang
2014
(n
=
1408)
33.4
54%
46%
Fleischer
2016
(n
=
1206)
-
88%
12%
Schroeter
2017
(n
=
503)
26.2
90%
10%
Abdulkarim
2018
(n
=
143)
27.0
58%
42%
Kru¨ ger
2018
(n
=
770)
25.7
88%
12%
Wolyncewicz
2018
(n
=
505)
12.0
88%
12%
Van
Balen
2019
(n=945)
22.0
81%
19%
Quelle:
Eigene
Darstellung.
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erkla¨re,
dass
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(2018)
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e000426.
Korrespondenzadresse:
Dr.
med.
Patrick
Daniel
Dißmann,
MSc,
MHA,
Chirotherapie,
Hausarztpraxis
am
Markt
Ratstwete
3b,
32805
Horn-Bad
Meinberg,
Germany.
E-Mail:
dr.dissmann@aol.com
Available
online
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www.sciencedirect.com
ScienceDirect
P.D.Patrick
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