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Mediennutzungskonzepte an Berufsschulen - Webseitenanalyse zur Selbstdarstellung der digitalen Kompetenz

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Gemeinschaften in Neuen Medien 2020 Dresden
Future learning in der beruichen Bildung
F.2 Mediennutzungskonzepte an Berufsschulen –
Webseitenanalyse zur Selbstdarstellung der digitalen
Kompetenz
Carmen Neuburg, Lars Schlenker, Andrea Augustin
Technische Universität Dresden,
Institut für Berufspädagogik und beruiche Didaktiken
1 Berufsschulen unter Druck
Auszubildende auf die digitalen Anforderungen in ihrem zukünftigen Arbeitsalltag
vorzubereiten, ist für Berufsschulen ein zunehmend wichtiger werdender
Qualitätsindikator. Dafür müssen Berufsschulen sich auf den Wandel der Arbeitswelt
einstellen und digitale Methoden und Arbeitsweisen einbeziehen. Auf mögliche
Folgen von Digitalisierung und Automatisierung in Bezug auf Arbeitsplätze
verweist das IAB (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 2020) mit
seinem Job Futuromat1. Mit Hilfe dieser Website lassen sich beruiche Tätigkeiten
hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit ihrer Automatisierung durch den Einsatz digitaler
Technologien prüfen, was letztlich zum Wegfallen der damit verbundenen Berufe
führen kann. So sind aktuell, selbst unter Berücksichtigung der neu hinzukommenden
Berufe, insgesamt 23 anerkannte Berufe weniger vorhanden als noch 2009 (BiBB,
2019). Eine weitere, verschärfende Herausforderung ist die ohnehin sinkende Anzahl
an Auszubildenden. Dadurch wurde in den letzten acht Jahren deutschlandweit
ein Verlust von 206 Berufsschulen verzeichnet (Statistisches Bundesamt, 2019).
Dieser äußere Druck führt dazu, dass Berufsschulen sich zunehmend selbst
um ihre Außenwirkung, Attraktivität und damit letztendlich um Auszubildende
bemühen. An dieser Stelle wird die Digitalisierung zu einem Schlüsselfaktor für die
Zukunftsfähigkeit der Berufsschule.
Bei der Auswahl der potenziellen Schule für Auszubildende ist die Webseite der
Berufsschule in Bundesländern mit Wahlfreiheit ein wichtiges und vielgenutztes
Instrument. Entsprechend kann die Webseite strategisch zur Selbstdarstellung, also
zum Recruiting und Anwerben im weitesten Sinne, genutzt werden. Zur Erfassung
des Status quo der Selbstdarstellung in Bezug auf die Digitalisierung wurden
in die vorliegende Analyse deutschlandweit Webseiten von 105 Berufsschulen
einbezogen. Im Fokus der Erhebung lag die Online-Präsentation einer möglichen
attraktivitätssteigernden Digitalisierung an Berufsschulen.
1 Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung https://job-futuromat.iab.de/
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2 Digitalisierung als Wettbewerbsvorteil
Betrachtet man die Schließungen von Berufsschulen, so wird deutlich, dass gerade in
ländlichen Regionen zunehmend Probleme bestehen, ausreichend Auszubildende an
der Schule zu halten. Gibt es in einem Ausbildungsberuf nur wenige Auszubildende,
wird von sogenannten Splitterberufen gesprochen. Diese können zur Folge haben,
dass Bezirksfachklassen oder sogar bezirksübergreifende Fachklassen gebildet
werden müssen, was zu erhöhten Entfernungen der Berufsschule zum Betrieb führen
kann. Hier können ergänzende, digitale Lernangebote deutlich die individuelle
Belastung der Auszubildenden senken. An Standorten mit mehreren Berufsschulen
und stark besetzten Ausbildungsberufen besteht hingegen in einigen Bundesländern
wie z. B. Nordrhein-Westfalen (NRW-SchG § 84 Abs. 1) und Sachsen (Sächs SchG §
34 Abs. 5, 6) die Möglichkeit, die Berufsschule selbst auszuwählen. Bei beruichen
Vollzeitschulen ist diese Wahlfreiheit sogar noch häuger vorhanden. Lediglich
Mecklenburg-Vorpommern (SchulG M-V § 45 Abs. 1, § 46), Niedersachsen (NSchG
§ 106 Abs. 5) und Sachsen-Anhalt (SchulG LSA § 41 Abs. 5) geben dabei eine
Zuordnung nach Einzugsbereich (nicht fakultativ) vor. Besteht eine Wahlfreiheit, so
treten die Berufsschulen in einen Wettstreit um Auszubildende und sind gezwungen
strategisches Marketing unter Einbeziehung des Umganges mit Digitalisierung zu
betreiben. Ein Großteil der Schulleitungen (86%) und Berufsschullehrenden (75%)
sieht die Digitalisierung als starken Imagefaktor (Bertelsmann Stiftung, 2016),
welcher sich positiv auf die Modernität des Erscheinungsbildes und damit auf die
Attraktivität der Berufsschule auswirkt. Auszubildenden einen beruich fokussierten
Umgang mit digitalen Technologien näher zu bringen, ist eine Investition in deren
Zukunftskompetenzen. Prozesse der digitalen Transformation in Betrieben fordern
nicht nur zusätzliches Fachwissen, sondern darüber hinaus eine systematisch
Methodenkompetenz in Bezug auf die neuen Medien (IG Metall, 2016), welche es in
der Berufsschule zu entwickeln gilt.
2.1 DigitalisierunganberuichenSchulen
Die Kultusministerkonferenz (KMK, 2016) legt inhaltliche Anforderungen an die
Digitalisierung in der beruichen Bildung fest. Dazu wurden folgende Themengebiete
deniert: Anwendung und Einsatz, Selbstorganisationsfähigkeit, Handlungsfähigkeit,
Internationales Denken und Handeln, projektorientierte Kooperationsformen sowie
Datenschutz und –sicherheit. In der praktischen Umsetzung wird jedoch schnell
klar, dass sich schon die zur Erreichung dieser Ziele benötigte Grundausstattung
an beruichen Schulen sehr unterscheidet. Eine Untersuchung der Telekom-
Stiftung (2017) ergab, dass mittlerweile ca. 60% der Schulen im dualen System
über WLAN verfügen. Gleichzeitig lag der Anteil an beruichen Schulen mit einem
Medienkonzept oder einer Strategie zur Digitalisierung bei lediglich 23%. Dieser
Anteil soll perspektivisch politisch durch den DigitalPakt, welcher ein technisch-
pädagogisches Medienkonzept voraussetzt, deutlich steigen und neue Impulse setzten.
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Aktuell wird digitales Lernen zwar genutzt, aber meist mit traditionellen Konzepten,
in denen nur die Medien ausgetauscht werden (Kopie gegen PDF oder Lehrlm gegen
You-Tube Video) (Bertelsmann Stiftung, 2016). Untersuchungen zeigen, dass gerade
im Hinblick auf OER Material (Open Educational Resources) in der beruichen
Bildung wenig Wissen und wenige Initiativen bestehen (ebd.). Grundsätzlich sind
digitale Lernangebote in der beruichen Bildung durch die Vielzahl an Akteuren stärker
diversiziert als im Schulsektor (Schön & Schön, 2015). Durch die unterschiedlichen
Lernorte besteht zwar in digitalen Lernangeboten ein besonderes Potenzial, welches
jedoch durch fehlende Lernortkooperationskonzepte auch eine Hürde darstellt. So
bestätigt der Monitor Digitale Bildung (Bertelsmann Stiftung, 2016), dass digitales
Lernen aktuell vor allem von der Eigeninitiative der Berufsschulehrenden abhängt,
wobei routinierte Lehrende Lernmedien häuger einsetzen als Berufsanfänger.
2.2 Meinung von Auszubildenden zum Stand der Berufsschule
Dass das Thema Digitalisierung zukunftsgerichtet und attraktivitätssteigernd
wirkt, zeigt der DGB-Ausbildungsreport (2019). Demnach geben 79,2% der
Auszubildenden an, dass Digitalisierung und Automatisierung im Ausbildungsberuf
wichtige Aspekte darstellen. Jedoch bezeichnen nur 34,9% die digitale Ausstattung
ihrer Berufsschule als „sehr gut“ oder „gut“. Dies trägt dazu bei, dass sich zwei
Drittel der Befragten lediglich „befriedigend“ oder schlechter (14.1% mangelhaft) auf
die digitalen Anforderungen im Berufsalltag vorbereitet fühlen. Als Hauptursachen
dieser Problematik werden eine schlechte Ausstattung und eine durch fehlende
Lernortkooperation schlechte Abstimmung der Lerninhalte benannt. Die Korrelation
zwischen der Zufriedenheit mit der fachlichen Qualität der Ausbildung und den
Faktoren, sich gut von der Berufsschule auf digitale Anforderungen vorbereitet
zu fühlen bzw. der digitalen Ausstattung, deutet auf eine hohe Relevanz einer in
Bezug zur Digitalisierung fortschrittlichen Berufsschule. Alle diese Ergebnisse sind
zum Großteil unabhängig von der Ausbildungsbranche und haben daher eine hohe
Relevanz für alle Berufsschulen.
3 Webanalyse
3.1 Stichprobe
Um die Forschungsfrage, ob Berufsschulen das Potenzial von Digitalisierung und deren
Außendarstellung erkennen, beantworten zu können, wurde innerhalb des BMBF-Projektes
DiBBLok2 unter anderem eine deutschlandweite Webseitenanalyse von Berufsschulseiten
durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden im Folgenden dargestellt.
2 Das Projekt DiBBLok (Diusion digitaler Technologien in der Beruichen Bildung durch
Lernortkooperation) wird vom BMBF im Zeitraum von März 2019 bis Februar 2022
gefördert. Weitere Informationen unter: https://tu-dresden.de/gsw/ew/DiBBLok.
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Als Stichprobe wurden Berufsschulen ausgewählt, welche das Online-Berichtsheft
BLok nutzen. Diese Berufsschulen sind von der Bildungsportal Sachsen GmbH, den
Betreibern von BLok, auf der zugehörigen Webseite3 veröentlicht. Grundüberlegung
dieser Auswahl ist, dass Berufsschulen die sich, bei einem für die Berufsausbildung
zentralen Thema wie dem Berichtsheft, digitalen Prozessen önen, mit mindestens
einem Digitalisierungsaspekt auf ihrer Webseite werben können. Aus der absoluten
Anzahl von 808 Berufsschulen, die oziell auf der Webseite des Online-Berichtsheftes
BLok gelistet sind, wurde eine Stichprobe von 105 Berufsschulen gezogen. Diese Schulen
sind nicht nur als Schulen gelistet, sondern haben zusätzlich auch Lehrende bei BLok
registriert, um aktiv am digitalen Prozess der Berichtsheftlegung teilnehmen zu können.
3.2 Durchführung
Unter einer Webseitenanalyse werden je nach Fachbereich sehr unterschiedliche
Methoden verstanden. In der Informatik beispielsweise ist eine Webseitenanalyse
häug auf die Optimierung einer Webseite ausgerichtet. Dabei kann u.a. mit Usability-
Tests und mit Logle Analysen, welche die tatsächliche Nutzung dokumentieren,
gearbeitet werden (Mladenow & Strauss, 2017). In der vorliegenden Analyse wurde
inhaltsanalytisch vorgegangen, um nicht die Nutzung, sondern die tatsächlich
transportierten Sachinhalte untersuchen zu können. Bei der Analyse kamen folgende
deduktive Untersuchungseinheiten zum Einsatz:
1. Benennung des Online-Berichtsheftes
2. Vorhandensein eines Medienbeauftragten an der Schule
3. Erwähnung eines Medienkonzeptes oder Leitbildes mit Digitalisierung
4. Vorstellung von Projekten mit Digitalisierungsschwerpunkt
5. Verlinkung einer Lernplattform
6. Digitalisierungsgrad des Anmeldeprozesses
4 Ergebnisse
Die nachfolgend dargestellten Ergebnisse beschreiben, was Schulen auf ihrer Webseite
zum Thema Digitalisierung kommunizieren, bieten allerdings keine Informationen
zum tatsächlichen Stand der Digitalisierung der jeweiligen Schule. So ist das reine
Vorhandensein eines Medienkonzeptes – häug Voraussetzung für die Beantragung von
Fördermitteln – nicht zwingend mit der gelebten Praxis gleichzusetzen und die Tatsache,
dass z. B. Medienbeauftragte auf der Webseite nicht angegeben sind, muss nicht bedeuten,
dass es keine gibt. Dennoch dient die Webseite als Spiegel des Selbstkonzepts der Schule
und zeigt sehr genau, welche Themen für wichtig erachtet werden. Entsprechend bildet
die Analyse den Blick der Schulen auf sich selbst anhand von Eigenbildern und an sich
selbst gestellte Anforderungen ab und zeigt wie sich die Berufsschulen selbst denieren.
3 Bildungsportal Sachsen GmbH https://www.online-ausbildungsnachweis.de
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Die Stichprobe enthält Berufsschulen aus allen Bundesländern mit Ausnahme des
Saarlandes und Sachsen-Anhalt. Die meisten der einbezogenen Berufsschulen
benden sich in Sachsen und Niedersachsen. Diese geographische Verteilung
entspricht der realen Verbreitung von BLok an beruichen Schulen (Neuburg,
Schlenker & Köhler, 2019). Signikante Unterschiede in den Untersuchungseinheiten
zwischen Berufsschulen in Bundesländern mit und ohne Wahlfreiheit konnten nicht
gefunden werden.
Tabelle 1: Ergebnisübersicht
4.1 Online-Berichtsheft
Obwohl alle Schulen aus der Liste des Betreibers von BLok stammen und Lehrende
an den Schulen sich aktiv bei BLok registriert haben, wird das Online-Berichtsheft
BLok nur von einer einzigen Berufsschule auf der Webseite erwähnt. Diese Schule
benennt zudem sogar einen eigenen BLok-Beauftragten, an den sich Auszubildende
und Mitarbeitende der Betriebe wenden können.
4.2 Medienbeauftragte
46,2% der im Datensatz erfassten Schulen benennen auf ihrer Webseite einen
Medienbeauftragten. Für die Analyse wurde eine weit gefasste Denition der
Funktion des Medienbeauftragten verwendet, da die genauen Bezeichnungen
oftmals stark voneinander abweichen. Es wurden sowohl IT-Administratoren,
Datenschutzbeauftragte, als auch Verantwortliche für IT-Projekte und eLearning in
die Zählung einbezogen, um die gesamte Vielfalt der Personen zu erfassen, die mit
Aufgaben aus dem Bereich der digitalen Mediennutzung an Berufsschulen betraut sind.
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Dabei lag der Fokus ausdrücklich auf schulinternem Know-how, sodass nur Personen
als Medienbeauftragte gewertet wurden, die der Schule selbst angehören. Externe
Datenschutzbeauftragte oder andere IT-Dienstleister wurden nicht in die Erhebung
einbezogen.
In der Detailbetrachtung machen den größten Anteil der 44 Medienbeauftragten
schuleigene Datenschutzbeauftragte (N = 20) aus. Sechs Schulen benannten einen
Webmaster der verantwortlich für Webinhalte und Ansprechpartner für die Presse-
und Öentlichkeitsarbeit ist. Auf nur neun Webseiten der analysierten Berufsschulen
wurden Medienbeauftragte im Sinne von IT-Administratoren benannt. Sechs weitere
Schulen benannten ein Medien(kompetenz)team, bei denen die Medienverantwortung
auf mehrere Personen aufgeteilt wird. Eine letzte Subgruppe bilden Verantwortliche
für spezische IT-Aufgaben. Darunter fallen solche Verantwortliche, wie der Verwalter
der schuleigenen Mediathek, Verantwortliche für eLearning und Leitung des außerhalb
des regulären Lehrplans angebotenen Cisco-Projekts (Kurse zur Netzwerktechnik).
Ein Großteil der für Themen wie Medien, Webauftritt oder IT-Projekte zuständigen
Personen haben gleichzeitig die Position als interne Datenschutzbeauftragte oder
IT-Verantwortliche inne. Das Vorhandensein solcher Personen allein reicht jedoch
nicht aus, um Rückschlüsse auf die Bedeutung von Digitalisierung für die jeweiligen
Schulen ziehen zu können.
4.3 Medienkonzepte und Leitbilder
Vergleichsweise wenige der Berufsschulen (11,55%) veröentlichen online ein
Medienkonzept oder ein die Digitalisierung thematisierendes Leitbild. Von den
Berufsschulen, die dies tun, greifen acht Schulen die Themen Digitalisierung, IT oder
moderne Medien in einem Leitbild auf, welches sie entweder konkret als Philosophie,
Leitbild oder Medienoensive der Schule bezeichnen. Zwei weitere Berufsschulen
betonen, dass ihr Medienkonzept digitale Themen adressiere, wovon aber nur ein
Medienkonzept vollständig online einsehbar ist. Die Wirkung eines Medienkonzepts
oder Leitbildes zur Außendarstellung wird oenbar von den Schulen mehrheitlich nicht
wahrgenommen. Selbst Berufsschulen, die ein Medienkonzept oder medienbezogenes
Leitbild erwähnen, stellen dies selten transparent zum Nachlesen zur Verfügung. So
sind die Konzepte, selbst wenn vorhanden, zumeist über die Suchfunktionen der
Webseiten nicht zu nden und somit schwer zugänglich.
4.4 Medienprojekte
Jede zweite Berufsschule (60,9%) stellt spezische Medienprojekte von Infrastruktur
bis Kompetenzbildung auf der eigenen Webseite dar. Hier ist also die Eigeninitiative
zur Steigerung der Digitalisierung in der beruichen Bildung deutlich erkennbar.
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Die Bandbreite dieser Projekte ist sehr groß und umfasst Online-Bibliotheken zum
Download von Lernmaterialien, Programme für den Einsatz von Handys, Tablets sowie
Apps im Unterricht, Workshops zu Informations- und Kommunikationstechnologien
oder den Erwerb des Computerführerscheins. Auch das Erlernen spezieller
digitaler Anwendungen, wie 3D-CAD, Wordpress oder das Experimentieren mit
3D-Druckern, Robotern und Netzwerktechnik (Cisco) werden angeboten. Ferner
sind kritische Auseinandersetzungen wie Podiumsdiskussionen zu Potenzialen und
Gefahren der Nutzung von Online-Medien sowie Projekttage gegen digitale Sucht
zentrale Bestandteile. Die Themen der Projekte geben zum Teil Auskunft über den
individuell sehr unterschiedlichen Stand der Digitalisierung an den Berufsschulen.
So ist es für manche Schulen bereits ein großer Schritt, PC-Arbeitsplätze für die
Auszubildenden bereitstellen zu können bzw. diese erneuert zu haben, während
andere in Kooperationen mit Betrieben die Auszubildenden an die Programmierung
von humanoiden Robotern heranführen.
4.5 Lernplattformen
63,81% der Schulen setzen nach Angaben auf der Webseite Lernplattformen ein,
um ihren Auszubildenden Aufgaben und Materialien zur Verfügung zu stellen. Die
Mehrheit (N = 42) der Berufsschulen aus dem untersuchten Datensatz verwendet eine
eigene Lernplattform. Häug handelt es sich dabei um einen zugangsgeschützten
Bereich der über die Schulwebseite erreicht werden kann. 18 Schulen nutzen
vorgefertigte Lernplattformen, am häugsten zu nden ist dabei die kostenfreie
Lernplattform Moodle (N = 11). Alternativ wird von einigen Berufsschulen eine
Schulcloud zum Datenaustausch genutzt. Im Unterschied zur Lernplattform kann
davon ausgegangen werden, dass über eine Cloud weniger Interaktion stattndet,
sondern vor allem Aufgaben oder Lernmaterialien zum Download bereitgestellt
werden. Drei Berufsschulen erwähnen auf ihrer Webseite eine Lernplattform, ohne
dass der Zugang aufgefunden werden konnte. Insgesamt werden die Lernplattformen
häug nicht explizit beworben, sondern lediglich ihr Zugang (Login) auf der
Webseite verlinkt. Eine gezielt die Digitalisierungsangebote der Schule bewerbende
Marketingstrategie lässt sich bei keiner Schule erkennen.
Bei der Bewertung der Ergebnisse ist zu bedenken, dass die Analyse in einem
Zeitraum stattfand, in dem die Schulen aufgrund der Covid-19-Einschränkungen für
den Präsenz-Unterricht geschlossen waren und somit zeitweise nur Online-Lernen
möglich war. Zahlreiche zusätzliche Angebote, wie die Zusendung von Aufgaben
per Mail, wurden zwar dokumentiert, aber nicht in die Auswertung aufgenommen.
Insgesamt ist zu vermuten, dass die Frequentierung der Plattformen im regulären
Betrieb geringer ist, da Informationen zur Plattform oft nur in Zusammenhang mit
Informationen zur Schulschließung oder den Covid-19-Auswirkungen veröentlicht
wurden, mit dem Hinweis die Plattform jetzt zu nutzen sei.
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4.6 Online-Anmeldung
Lediglich 80,85% der Berufsschulen aus dem Datensatz veröentlichen überhaupt
Informationen zum Anmeldungsprozess. Von allen untersuchten Berufsschulen setzen
21,90% auf eine gänzlich webbasierte Anmeldemöglichkeit für den Schulbesuch, in
Form eines Formulars, welches direkt über die Webseite abgeschickt werden kann. In
den meisten Fällen (N = 53) muss ein digital abgelegtes PDF-Dokument (in einem Fall
ein Word-Formular) ausgedruckt und unterschrieben per Post an die Schule gesendet
werden. Eine weitere Option ist die vorläuge Anmeldung über ein Kontaktformular.
Diese stellt jedoch noch keine vollständige Anmeldung dar, sondern dient lediglich
der Bekundung der Anmeldeabsicht. Die Online-Anmeldung kommt damit insgesamt
nur selten zum Einsatz, stattdessen herrscht die PDF-Variante (die noch ausgedruckt
und postalisch versendet wird) bei der Schulanmeldung vor. Dies überrascht insofern,
da es sich nicht nur um einen Werbeeekt sondern um eine konkrete Digitalisierung
des Arbeitsprozesses, mit entsprechend einhergehender Arbeitsentlastung handelt.
5 Fazit
Die Analyse zeigt deutlich, dass viele Berufsschulen das Potenzial einer Eigenbewerbung
bzw. einer gezielten Ansprache potentieller Auszubildender über die eigene Webseite
noch nicht erkannt haben. Auch die Darstellung der digitalen Kompetenz ist nicht
ausgeprägt und das obwohl sowohl die Leitungsebene als auch Auszubildenden und
Lehrende sich für die hohe Relevanz dieser aussprechen und sie in Ansätzen, wie
die Darstellung der Projekte und das Vorhandensein von Lernplattformen zeigen,
existent ist. Dabei ist natürlich zu bedenken, dass in den meisten Bundesländern keine
Notwendigkeit für Werbung besteht, da Auszubildende automatisch bei der zuständigen
Berufsschule angemeldet werden. In Verbindung mit den im „Monitor Digitale Bildung“
angegebenen Hürden erscheint eine Beschäftigung mit der Digitalisierung für Lehrende
nicht besonders attraktiv. So stimmen 61% der Berufsschullehrenden (zumindest eher)
der Aussage zu, dass sie im Tagesgeschäft keine Zeit haben, sich mit digitalem Lernen
zu beschäftigen, die Kosten für die technische Ausstattung zu hoch sind (65%) und die
Unübersichtlichkeit der Angebote eher verwirrt (53%) (Bertelsmann Stiftung, 2016).
Damit wird deutlich, dass eine gezielte Außenkommunikation der Schulen aktuell vor
allem in Eigeninitiative zu geschehen scheint, selbst bei Anerkennung des Nutzens.
Um zukünftig Veränderungen weiter voran zu treiben, scheint auf der organisatorischen
Seite eine strukturelle Verankerung dieser Aufgabenbereiche, wie z. B. die Benennung
eines Medienbeauftragten, nötig. Außerdem sollte die Webseite nicht nur, wie aktuell
sehr stark als Instrument zur Außenkommunikation wahrgenommen werden, sondern
kann zusätzlich als Informationsquelle für Auszubildende dienen und gezielt bündeln.
Ferner müssen auf motivationaler Ebene Vorteile, wie z. B. die Papierreduzierung
bei einer Online-Anmeldung, spürbar werden, damit Digitalisierung nicht nur als
Mehraufwand, sondern als Potenzial für die eigene und die Arbeit der Auszubildenden
wahrgenommen wird.
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Literatur
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[5] Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (2020). Job Futuromat 2020.
Verfügbar unter: https://job-futuromat.iab.de/
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– Eine Analyse anhand von Online-Berichtsheften. Beiträge der 22.
GeNeMe – Konferenz Gemeinschaft in Neue Medien, S. 165–173.
Dresden: TUDpress.
[8] Mladenow, A. & Strauss, C. (2017). Eine kombinierte Web Usability
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[10] Statistisches Bundesamt (Juni 2020). Destatis: Allgemeinbildende und
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[11] Lorenz, R., Bos, W., Endberg, M., Eickelmann, B., Grafe, S. & Vahrenhold,
J. (Hrsg.). (2017). Schule digital – der Länderindikator 2017. Schulische
Medienbildung mit besonderem Fokus auf MINT Fächern in der
Sekundarstufe I im Bundesländervergleich und Trends von 2015 bis 2017.
Münster: Waxmann.
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Monitor Digitale Bildung
  • Bertelsmann Stiftung
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IG Metall (2016). Berufsbildung 4.0:Lernen im digitalen Wandel. Verfügbar unter: https://wap.igmetall.de/docs_Lernen_im_digitalen_ Wandel_web_50 7d78fbd67e7168ade06052851d615e0ffe0732.pdf.
Bildung in der digitalen Welt
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Kultusministerkonferenz (KMK) (2016). Bildung in der digitalen Welt. Strategien der Kultusministerkonferenz. Verfügbar unter: https://www.kmk. org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2016/2016_12_08-Bildung-in-der-digitalen-Welt.pdf
Wie digital ist die Berufsschule? -Eine Analyse anhand von Online-Berichtsheften. Beiträge der 22. GeNeMe -Konferenz Gemeinschaft in Neue Medien
  • C Neuburg
  • L Schlenker
  • T Köhler
Neuburg, C., Schlenker L. & Köhler, T. (2019). Wie digital ist die Berufsschule? -Eine Analyse anhand von Online-Berichtsheften. Beiträge der 22. GeNeMe -Konferenz Gemeinschaft in Neue Medien, S. 165-173. Dresden: TUDpress.
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  • C Strauss
Mladenow, A. & Strauss, C. (2017). Eine kombinierte Web Usability Methode für Start-Up Unternehmen. In M. Eibl & M. Gaedke (Hrsg.), INFORMATIK 2017. (S. 2335-2342) Bonn: Gesellschaft für Informatik.
Destatis: Allgemeinbildende und berufliche Schulen
  • Statistisches Bundesamt
Statistisches Bundesamt (Juni 2020). Destatis: Allgemeinbildende und berufliche Schulen. Verfügbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/ Gesellschaft-Umwelt/Bildung-Forschung-Kultur/Schulen/Tabellen/ allgemeinbildende-beruflicheschulen-schularten.html [30.06.2020].
Schule digital -der Länderindikator 2017. Schulische Medienbildung mit besonderem Fokus auf MINT Fächern in der Sekundarstufe I im Bundesländervergleich und Trends von
  • R Lorenz
  • W Bos
  • M Endberg
  • B Eickelmann
  • S Grafe
  • J Vahrenhold
Lorenz, R., Bos, W., Endberg, M., Eickelmann, B., Grafe, S. & Vahrenhold, J. (Hrsg.). (2017). Schule digital -der Länderindikator 2017. Schulische Medienbildung mit besonderem Fokus auf MINT Fächern in der Sekundarstufe I im Bundesländervergleich und Trends von 2015 bis 2017. Münster: Waxmann.
Freie Bildungsmaterialien (OER) in der beruflichen Bildung
  • M Schön
  • S Schön
Schön, M. & Schön, S. (2015). Freie Bildungsmaterialien (OER) in der beruflichen Bildung. In M. Ebner, J. Muuß-Merholz & S. Schön (Hrsg.) Ist-Analyse zu freien Bildungsmaterialien (OER), (S. 110-123) Wikimedia.