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Buchrezension zu: Der Ruf der Kraniche

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693
BIOspektrum | 06.20 | 26. Jahrgang
· BÜCHER & MEDIEN
Buchrezension zu:
Der Ruf der Kranische
© Goldmann
Der Ruf der Kraniche
Expeditionen in eine
geheimnisvolle Welt
Bernhard Weßling
412 S., Goldmann, 2020. HC mit SU,
20,–– O.
ISBN: 9783442115437
DOI: 10.1007/s12268-020-1448-5
© Springer-Verlag GmbH 2020
ó Können Tiere sprechen? Wohl
eher nicht. Syntax und Semantik
machen eine Sprache aus. Akus-
tische und optische Elemente
müssen systematisch so geord-
net sein, dass sinnvoll Informa-
tion zwischen Lebewesen kom-
muniziert werden kann. Nur in
der Märchenwelt sprechen Tiere.
Aber immer wieder suchen For-
scher nach derartiger Kommuni-
kation. Die Forschung ging zahl-
reichen ersten Hinweisen auf
sprachliche Kommunikation nach,
etwa bei Walen und Delfi nen so-
wie bei Vögeln und Schimpansen.
Letztere warnen ihre Artgenossen
durchaus durch spezielle Laute –
je nachdem ob Gefahr droht, z. B.
von unten von einer Schlange oder
von oben von einem Raubvogel.
Aber das ist nicht Sprache, eher
artspezifisches „Verhalten“, er-
lernbar durch Nachahmung. Der
Schwänzeltanz der Bienen kom-
muniziert einem Bienenvolk, in
welcher Himmelsrichtung und
Entfernung ergiebige Honig- und
Pollenquellen zu fi nden sind. Dar-
über hinaus wird kaum etwas
kommuniziert. Sprache ist ein
Artspezifi kum des Menschen.
Bernhard Weßling, promovierter
Chemiker, folgt seit Jahrzehnten
dem „Ruf der Kraniche“. Er wohnt
am nördlichen Rand Hamburgs,
wo sich in den Moor- und Sumpf-
gebieten des Duvenstedter und
Hansdorfer Brooks einige der letz-
ten Nistgebiete der Kraniche in
unserem Lande befi nden. In den
genannten Gebieten und im Bran-
denburgischen Havelland hört
man noch die wilden Schreie die-
ser so elegant fl iegenden großen
Vögel. Hier studiert Weßling ihr
Verhalten und analysiert mit mo-
dernsten Methoden die Akustik
ihrer Kommunikation. In seinem
Buch teilt er uns ausführlich und
in verständlicher Sprache seine
Beobachtungen mit. Sein Werk-
zeug ist die Sonografi e: Er zeich-
net die Laute der Kraniche nicht
nur digital auf CD auf, sondern
auch analog – durch Registrie-
rung der Tonhöhen und -abläufe
auf Papier. Unser Auge sieht sehr
viel präziser Muster auf Papier als
das Ohr reproduzierbare, mit unter
sehr kurze und leise, Tonfolgen
hört. Er fi ndet durchaus nichts,
das einer „Sprache“ ähnelt. Er
weist aber nach, dass es z. B. in-
dividuelle, über Jahre reproduzier-
bare Gesänge gibt; dass Paare
sich über einen „Duettgesang“
einander und ihres gemeinsamen
Reviers „vergewissern“; dass sie
vor dem gemeinsamen Abflug
kaum hörbare Laute austauschen.
Weßling schildert in seinem Buch
eine Fülle intelligenten Verhal-
tens, ohne jemals der Versuchung
der „Vermenschlichung“ zu erlie-
gen. Es ist kein Buch für Kinder
mit rührenden Tiergeschichten.
Zweifellos werden einige pro-
fessionelle Verhaltensforscher
die Nase rümpfen und gewisse
anthropomorphe Überinterpreta-
tionen des Amateurs, des Chemi-
kers Weßling, kritisieren. Sein
Buch ist jedoch grundsolide und
strahlt darüber hinaus eine warme
Liebe zur Natur aus, einen tief
empfundenen Respekt vor ihren
Wundern und ihrer berührenden
Schönheit. Ein sehr empfehlens-
wertes Buch! ó
Ferdinand Hucho,
Berlin,
hucho@chemie.fu-berlin.de
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