ChapterPDF Available

Wirtschaft neu lehren - eine Einleitung

Authors:

Abstract

Zusammenfassung Der vorliegende Sammelband unternimmt in einer Zusammenführung von didaktisch reflektierten Erfahrungsberichten erste Schritte in Richtung einer pluralen, sozioökonomischen Hochschullehre. In der Einleitung führen die Herausgebenden die zentralen Begründungskontexte für dieses Vorhaben zusammen: die evidenzbasierte Problematisierung standardökonomischer Hochschullehre steht dabei studentischen Forderungen und konkreten Alternativen gegenüber, die von ökonomischen Fachwissenschaftler*innen und Fachdidaktiker*innen gleichermaßen entwickelt wurden. Die Vorstellung und Einordnung aller 18 im Band versammelten Beiträge beschließt die Einleitung.
Wirtschaft
neu lehren
Erfahrungen aus der pluralen,
sozioökonomischen Hochschulbildung
Janina Urban · Lisa-Marie Schröder
Harald Hantke · Lukas Bäuerle Hrsg.
Sozioökonomische Bildung und Wissenschaft
1
Wirtschaft neu lehren – eine Einleitung
Lukas Bäuerle, Harald Hantke, Lisa-Marie Schröder und
Janina Urban
Der vorliegende Sammelband ist das (Zwischen-)Produkt einer längeren
Reise. Angetreten wurde diese Reise von verschiedenen Personen an unter-
schiedlichen Orten, die durch prägende Ereignisse und durch ein gemeinsames
Interesse zusammenfinden: Hochschullehrende auf der ganzen Welt, die im weit-
gefassten Bereich der ökonomischen Bildung tätig sind, sehen sich durch Ereig-
nisse wie die Wirtschafts- und Finanzkrisen, die Europa langfristig prägende
Eurokrise, aber auch die Klimakrise dazu aufgerufen, ihre Lehrtätigkeit grund-
legend zu überdenken. In dringlichem Maße gilt das nun seit Ausbruch der
Coronapandemie und ihrer sozioökonomischene Folgekrisen.1 Denn wenn diese
© Der/die Autor(en) 2021
J. Urban et al. (Hrsg.), Wirtschaft neu lehren, Sozioökonomische Bildung und
Wissenschaft, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30920-6_1
L. Bäuerle (*)
Cusanus Hochschule für Gesellschaftsgestaltung, Bernkastel-Kues, Deutschland
E-Mail: lukas.baeuerle@cusanus-hochschule.de
H. Hantke
Leuphana Universität Lüneburg, Lüneburg, Deutschland
E-Mail: harald.hantke@leuphana.de
L.-M. Schröder
Goethe-Universität Frankfurt am Main, Frankfurt am Main, Deutschland
E-Mail: schroeder@soz.uni-frankfurt.de
J. Urban
Netzwerk Plurale Ökonomik, Berlin, Deutschland
E-Mail: janina.urban@plurale-oekonomik.de
1Die Coronakrise hat diesen Band in seiner Finalisierungsphase getroffen. In den Beiträgen
werden Sie daher keine Verweise finden. Als Herausgeberinnen und Herausgeber möchten
wir dazu einladen, die hier versammelten Lehrinnovationen selbstständig im Lichte der
aktuellen Geschehnisse zu reflektieren.
2L. Bäuerle et al.
mit der gegenwärtigen Wirtschaftsweise fundamental verbundenen Phänomene
in standardökonomischer Bildung überhaupt vorkommen, finden sich ihre
Beschreibungen wie auch Vorschläge zu ihrer Lösung meist in ein enges para-
digmatisches Korsett gezwängt. Wirtschaft aber ist mehr als ein anonymes
Marktgeschehen, mehr als Nutzenmaximierung und abstrakte Modellierung.
Der Band möchte Wege aufzeigen, worin dieses „Mehr“ bestehen kann und
auf welchen didaktischen Wegen dies zu einer nunmehr pluralen, sozioöko-
nomischen Hochschulbildung beiträgt. Wenngleich maßgeblich aus dem Kreis
von Hochschullehrenden heraus entstanden, findet die Reise dieses Bandes einen
weiteren wichtigen Ausgangspunkt in der studentischen Kritik an standard-
ökonomischer Bildung und Wissenschaft. Das 2012 in Deutschland gegründete
Netzwerk Plurale Ökonomik ebenso wie die 2014 initiierte International Student
Initiative for Pluralism in Economics (ISIPE) können mittlerweile als feder-
führende Wegbereiterinnen und Wegbereiter eines öffentlich ausgetragenen Dis-
kurses um die Ausrichtung ökonomischer Bildung an Schulen und Hochschulen
angesehen werden. Unter anderem hiervon inspiriert, kamen im Oktober 2016
Fachwissenschaftlerinnen und Fachwissenschaftler sowie Fachdidaktikerinnen
und Fachdidaktiker zusammen, um diesen Impuls im Rahmen der Gesellschaft
für sozioökonomische Bildung und Wissenschaft (GSÖBW) zu stärken und in
der akademischen Fachwelt zu verankern. Das heißt, (Nachwuchs-)Wissen-
schaftlerinnen und Wissenschaftler, die entweder Studierende der VWL oder
Lehramtsstudierende ausbilden, beginnen, gemeinsam wissenschaftliche und
praktische Prinzipien einer explizit interdisziplinär ausgerichteten sozioöko-
nomischen Bildung zu entwickeln. Aus dieser Gesellschaft heraus ist nun der
vorliegende Sammelband als erstes Projekt der Sektion Hochschullehre ent-
standen, zu deren Mitbegründerinnen und Mitbegründern das Herausgeberteam
des Bandes zählt. Was motiviert uns als Herausgeberteam, eine intensivere Aus-
einandersetzung mit pluraler, sozioökonomischer Hochschulbildung anzustoßen?
Warum interessieren wir uns insbesondere für individuelle Lehrerfahrungen in
der Anwendung innovativer Lehrkonzepte? Was glauben wir zeigen zu können,
wenn wir zum einen diese unterschiedlichen Bereiche von Fachdidaktik und
Fachwissenschaft zusammenführen und zum anderen nach einer Reflexion der
institutionellen Gegebenheiten fragen, unter denen die Lehrinnovationen initiiert
wurden?
Das Forschungsinstitut für gesellschaftliche Weiterentwicklung (FGW) in
Düsseldorf – das auch die Realisierung dieses Sammelbands finanziell ermög-
lichte – hat in den vergangenen vier Jahren zahlreiche Forschungsvorhaben
gefördert, die den Status quo ökonomischer Forschung und Bildung zum Gegen-
stand hatten. Die Ergebnisse dieser und weiterer Studien untermauern mindestens
3Wirtschaft neu lehren – eine Einleitung
drei Problemlagen, die der oben erwähnten Kritik der Studierenden Nachdruck
verleihen: Erstens wird ökonomische Hochschulbildung weltweit und ins-
besondere auch in Deutschland von einem engen Lehrbuchkanon bestimmt, der
die bestehende Vielfalt intra-, inter- und transdisziplinärer Herangehensweisen
an ökonomische Phänomene weitestgehend unerwähnt lässt (Lopus und Paringer
2012; Beckenbach et al. 2016; Jatteau und Egerer 2017; Rebhan 2017; Decker
et al. 2018). Zweitens vermag dieser Lehrbuchkanon auch nicht die Weiter-
entwicklungen der neoklassisch geprägten Mainstreamökonomik zu würdigen,
was die meisten Lehrbuchautorinnen und Lehrbuchautoren jedoch nicht davon
abhält, Studierenden wirtschaftspolitische Rückschlüsse aus den bloßen Grund-
modellen von Märkten nahezulegen (Colander 2010; van Treeck und Urban
2016; Peukert 2018a, 2018b). Drittens ist es bedenklich, dass sich in didaktischen
Materialien standardökonomischer Provenienz semantische Techniken finden, die
eine weitgehend unbewusst erfolgende Wirkung auf politische, weltanschauliche
oder auch die eigenen Selbstbilder betreffenden Glaubenssätze bei den Lernenden
entfalten können (Zuidhof 2014; Bäuerle 2018; Graupe und Steffestun 2018;
Maeße 2018).
Wirft man neben einem derartig strukturierten Lehrkorpus einen erweiterten
Blick auf die tatsächliche Lebensrealität von Studierenden, so zeigt sich ein in
hohem Grade rezeptives und repetitives Lerngeschehen an den Hochschulen;
Studierende treten hier allenfalls als passive Empfängerinnen und Empfänger
eines eng abgesteckten Kanons in Erscheinung, den sie in standardisierten
Prüfungsformen wiedergeben müssen (Bäuerle et al. 2020). Dies mag zum Teil
durch die eben erwähnte Ausgestaltung didaktischer Materialien zu erklären sein.
Ein Großteil ist aber auch eine Folge der strukturellen Gegebenheiten, in denen
Hochschulbildung weitestgehend standardisiert und auf eine ökonomische Ver-
wertung des Erlernten hin ausgerichtet ist (ebd., Kap. 4). Viele Studierende
äußern in diesem Zusammenhang ein gesteigertes Stressempfinden und eine
Wahrnehmung von Konkurrenzdruck, was sich unter anderem in der Auswahl
möglichst einfacher Kurse im Laufe des Studiums niederschlägt und zu einer
wachsenden Distanzierung – man könnte es auch Desinteresse nennen – gegen-
über den Studieninhalten führt (ebd.; Schweitzer-Krah und Engartner 2019). Ein
solcher Vorrang ökonomischer Kennziffern oder Zwecke, ein Bedeutungsver-
lust der eigentlichen Bildungsinhalte und schließlich auch eine Ausweitung von
Konkurrenz- und Stressempfinden lassen sich als Merkmale einer umfassenden
Ökonomisierung des Bildungssystems verstehen, die eben auch ökonomische
Hochschulbildung in erheblichem Maße zu prägen scheint.
Studierende, die eine derartige ökonomische Hochschulbildung erfahren
haben, sehen sich mit der Anforderung konfrontiert, aktuelle sowie generelle
4L. Bäuerle et al.
wirtschaftliche Zusammenhänge für ihr persönliches, gesellschaftliches und
späteres berufliches Umfeld nachvollziehbar und erklärbar zu machen. Dabei
haben Fragen Relevanz, die das Verhältnis von standardökonomischen Modellen
und realweltlichen Prozessen betreffen, und solche, die sowohl den Nutzen der
Modelle grundsätzlicher hinterfragen als auch die Art und Weise, wie auf Basis
der Modellkategorien gesellschaftliche Veränderungen angestoßen werden. Dem
Stand der bisherigen Forschung nach zu urteilen, sind solche Fragen jedoch der-
zeit nicht Teil eines ökonomischen Hochschulstudiums. Vielmehr scheint ein
gewisses Missverhältnis von Theorie und Praxis sowie eine mangelnde Reflexion
dieses Verhältnisses sowohl bei Promovierenden wie auch bei Professorinnen und
Professoren der VWL vorzuherrschen (exemplarisch Urban und Rommel 2020).2
Vor diesem Hintergrund birgt ein Brückenschlag von Fachwissenschaft und Fach-
didaktik das Potenzial, im Austausch über Inhalt und Formen zu einer Erneuerung
ökonomischer Hochschulbildung beizutragen. Denn während sich plurale
Ökonominnen und Ökonomen bisher allen voran den Inhalten (sozio-)öko-
nomischer Lehre gewidmet haben3, werden Grundsatzüberlegungen der sozio-
ökonomischen Fachdidaktik (exemplarisch Fischer und Zurstrassen 2014; Hedtke
2018; Autorengruppe Sozioökonomische Bildung 2019) bereits im Rahmen des
Hochschulstudiums von angehenden Lehrerinnen und Lehrern angewendet. Hier
werden in den fachdidaktischen Hochschulseminaren beispielsweise „didaktische
Doppeldecker“ realisiert, in denen Lehrinhalte mithilfe von Lernmethoden
erörtert werden, die von den Studierenden in der zukünftigen Lehrpraxis selbst
verwendet werden können. Das gemeinsame Interesse der Beitragenden dieses
2Eine Diskussion, inwieweit eine Vermittlung zwischen den wissenschaftlichen Inhalten
einer Disziplin und der Reflexion ihrer Einbettung und Wirkung in der Gesellschaft nicht
auch in allen Fächern des Hochschulstudiums verankert sein sollte, findet unter dem
Schlagwort „transformative Wissenschaft“ statt (Schneidewind und Singer-Brodowski
2014).
3Siehe hierzu den monatlich erscheinenden Heterodox Economics Newsletter (https://
www.heterodoxnews.com/HEN/home.html), das International Journal for Pluralism
and Economic Education (https://www.inderscience.com/jhome.php?jcode = ijpee), das
bereits im Krisenjahr 2009 herausgegebene Handbook of Pluralist Economics Education
(Reardon 2009), die Auflistung von Readern und alternativen Lehrbüchern des Netzwerk
Plurale Ökonomik (https://www.plurale-oekonomik.de/netzwerk-plurale-oekonomik/) und
die seit Dezember 2016 operierende Online-Plattform Exploring Economics (https://www.
exploring-economics.org/de/), auf der nicht nur eine bemerkenswerte Fülle von Lektürehin-
weisen, Essays, Videos und didaktischen Materialien bereitgestellt wird, sondern auf der
auch zunehmend eine Vernetzung zwischen Hochschullehrenden ermöglicht wird.
5Wirtschaft neu lehren – eine Einleitung
Sammelbands besteht vor diesem Hintergrund darin, explizit eine Hochschul-
didaktik für sozioökonomische Bildung zu entwickeln. Diesem Prozess – zu
dem die Leserinnen und Leser dieses Bandes herzlich eingeladen sind – hat sich
die Sektion Hochschullehre der GSÖBW verschrieben. Wenn wir diesen Band
bewusst als eine Sammlung von Erfahrungen pluraler, sozioökonomischer Hoch-
schulbildung betrachten, so ist dies aber auch unserer eigenen Lehrerfahrung
geschuldet, dass die Fallstricke der Realisierung einer solchen Hochschul-
bildung immer im Detail liegen. Die hier aufgeworfene Diskussion kann sich
deswegen nicht alleine in theoretischen Erwägungen erschöpfen, sondern muss
ganz dezidiert auch die alltäglichen Untiefen hochschuldidaktischer Praxis ein-
beziehen.
Hierbei treten beispielsweise folgende Fragen hervor: Welche theoretischen
Konzepte und aktuellen Forschungsergebnisse gehören unbedingt in einen volks-
wirtschaftlichen oder einen fachdidaktischen Kurs? Welche Methoden können
gewählt werden, um den Studierenden Zugänge zu Lehrinhalten zu eröffnen und
ihre aktive (weitere) Auseinandersetzung mit diesen Themen zu fördern? Welche
Haltung nehme ich als lehrende Person ein, wenn ich aus einer standardisierten
Lehre ausbreche, wenn ich die Standardökonomik auf eine neue Art und Weise
einführe, wenn ich im Wissenschaftssystem weniger beachtete Diskurse berück-
sichtige und wenn ich zudem meinen Lehrstil von einem monologischen bzw.
frontalen zu einem dialogischen bzw. partizipativen verändere? Und schließlich:
Wie kann ich Lehrinnovationen mit den institutionellen Rahmenbedingungen und
oftmals auch Beschränkungen in Einklang bringen und darin vielleicht gar eine
Verstetigung der Innovation veranlassen?
Für unser Herausgeberteam, das paritätisch fachwissenschaftlich und fach-
didaktisch besetzt ist, sind dies Fragen, die durch die Beschäftigung mit den Bei-
trägen erst deutlicher hervorgetreten sind. Unser Call for Papers orientierte sich
hauptsächlich an folgenden Kriterien:
Die Beiträge sollten von selbstorganisierten Studierendengruppen (sozio-)öko-
nomischer Studienfächer, von Lehrenden der VWL und von Lehrenden der
sozialwissenschaftlichen Lehrämter stammen.
Die Beiträge sollten eine Lehrinnovation sowohl in Bezug auf ihren Inhalt als
auch in Bezug auf ihre Form darstellen.
Die Beiträge sollten verdeutlichen, welche Antworten die Lehrinnovationen
auf in der Standardökonomik vernachlässigte Themen und Ansätze geben
– etwa in Bezug auf Klimawandel, Wirtschaftskrisen, Gender oder Öko-
nomisierungsprozesse.
6L. Bäuerle et al.
Die Beiträge sollten einen lockereren, narrativen Stil aufweisen, mit dem wir
– neben der Veröffentlichung im Open-Access-Format – eine größere Breite
motivierter Lehrender erreichen möchten.
Die Beiträge konnten sowohl deutschsprachig als auch englischsprachig ein-
gereicht werden, da eine standardisierte ökonomische Hochschulbildung ein
globales Phänomen darstellt.
Die eingereichten Beiträge durchliefen ein doppelt anonymes Peer-Review-
Verfahren, das von einem wissenschaftlichen Beirat des Sammelbands über-
nommen wurde. Die begutachteten und überarbeiteten Beiträge finden sich nun
in diesem Sammelband in einer Reihenfolge angeordnet, mit der wir bewusst die
Grenzen zwischen den unterschiedlichen Perspektiven der Fachwissenschaften
und der Fachdidaktiken aufbrechen wollen. Mit der Anordnung, die wir letzt-
lich ex post vorgenommen haben, unterbreiten wir ein grobes und mit Vorsicht
zu genießendes Orientierungsangebot, mit dem wir mögliche charakterisierende
Aspekte der Beiträge hervorheben. Wie Marc Casper in seinem Beitrag am Ende
des Bandes zeigt, gibt es durchaus weitere Möglichkeiten, Bezüge zwischen den
Beiträgen herzustellen. Die hier ex post gewählte Reihenfolge orientiert sich
dabei größtenteils an den Pluralismusforderungen des Netzwerk Plurale Öko-
nomik: theoretische und methodische Pluralität, Interdisziplinarität, historische
Fundierung und Selbstreflexion des Faches. Mindestens zwei neue Komponenten
sind durch die Beiträge der Fachdidaktikerinnen und Fachdidaktiker hinzu-
gekommen: der persönliche Bezug zu wirtschaftlichen Themen einerseits und zu
der eigenen wirtschaftlichen Praxis – im Unternehmen oder als Konsumierende
– andererseits. Des Weiteren haben wir die Kategorie „diskursive Aspekte
von Sozioökonomie“ hinzugenommen. Denn zum einen hat sich gezeigt, dass
Studierenden der Unterschied zwischen den verschiedenen sprachlichen Ebenen
der Wissenschaft und des Alltags oftmals nicht klar ist – und diese mangelnde
Differenzierungsfähigkeit ein Einfallstor für (auch ungewollte) ideologische
Beeinflussung darstellen kann. Zum anderen ist deutlich geworden, dass ein
Umgang mit volkswirtschaftlichen Konzepten auch erst im verbalen Umgang ver-
wirklicht werden kann.
Die einzelnen Beiträge des Sammelbands lassen sich wie folgt einteilen und
einführen:
7Wirtschaft neu lehren – eine Einleitung
1 Essayistisches Vorwort
Die Politökonomin und Scientists4Future Mitinitiatorin Maja Göpel ordnet die
Rolle des Wissenschaftssystems für die Herausbildung der großen gesellschaft-
lichen Erzählungen aus der Perspektive der Transformationsforschung ein. Sie
deutet auf die Vielzahl der sich aktuell zuspitzenden Tendenzen wie im Bereich
der Umweltveränderungen und der Digitalisierung hin, welche die Gewohnheiten
und Denkstrukturen – individuell sowie gesellschaftlich – in Bewegung setzen.
Dieser „Stresszustand“ eröffnet auch der pluralen, sozioökonomischen Hoch-
schulbildung einen Weg in den Mainstream, sollte sich ein neues Paradigma einer
systemischen Betrachtung gesellschaftlicher Phänomene durchsetzen. Die Ein-
ladung zu solch einem appellförmigen Beitrag ist von den Herausgeberinnen und
Herausgebern bewusst gewählt: Wenn die Relevanz von bestimmten Bildungs-
inhalten und -formen Gegenstand einer breiteren gesellschaftlichen Diskussion
werden soll, braucht es Menschen, die in der Lage sind, eine solche Vermittler-
rolle zwischen Wissenschaft und Gesellschaft einzunehmen.
2 Einleitender Beitrag
Moritz Peter Haarmann nimmt in seinem Beitrag ausgehend von Wilhelm von
Humboldts Begriff der Bildung und der Universität eine Grundlagenbestimmung
der möglichen Ziele und Zwecke einer sozioökonomischen Hochschulbildung
vor. Dabei unterstreicht er die der Aufklärung entspringende Würde und Mündig-
keit des Bildungssubjektes als zentrale Leitidee. Diese Idee ist heute jedoch in
standardökonomischer Bildung einer Krise ausgesetzt, ebenso wie die Universität
als Ort einer freien, selbstbestimmten Bildung nur noch selten in Erscheinung
tritt. Die so vorgenommene Begriffsbestimmung erweitert Haarmann sodann
durch einen Bezug zu etablierten Prinzipien pädagogischer Praxis, die auch im
Sinne einer sozioökonomischen Hochschulbildung fruchtbar gemacht werden
können. Dies veranschaulicht er abschließend an den Beispielen der Bestimmung
von Lehrinhalten und Methoden wie auch der möglichen Ausgestaltung sozio-
ökonomischer Curricula.
8L. Bäuerle et al.
3 Standardökonomik einführende und
reflektierende Formate
Sebastian Thieme zieht den oft bedienten Verweis auf vermeintliche Sach-
zwänge standardökonomischer Hochschulbildung empirisch und theoretisch
in begründeten Zweifel, um die Möglichkeit einer Integration von Perspektiven
der Pluralen Ökonomik in grundlegende VWL-Lehrveranstaltungen zu unter-
streichen. Basierend auf Erfahrungen einer Einführungsveranstaltung in die
VWL diskutiert er in seinem Beitrag Gestaltungsmöglichkeiten, die auch in
bestehenden Curricula genutzt werden können, um in grundlegenden öko-
nomischen Lehrveranstaltungen kritische Perspektiven im Sinne der Pluralen
Ökonomik zu verankern.
Marcel Beyer beschreibt in seinem Beitrag die Erkenntnismomente von Lehr-
amtsstudierenden, die er in einem Masterseminar durch die Reflexion ihrer bis-
herigen neoklassisch orientierten ökonomischen Ausbildung ermöglichen konnte.
Mithilfe eines Texts des Ökonomen Gary S. Becker, der die Anwendung der neo-
klassischen ökonomischen Prinzipien auf jegliche Lebensbereiche vorschlägt,
tritt die Denkart der Standardökonomik besonders pointiert hervor. Beyer schafft
durch Gruppenarbeit und eine entsprechende Sitzordnung einen offenen Raum
zur Beschäftigung der Studierenden mit dem Gelernten. Aus der Reflexion leitet
sich für die Lehramtsstudierenden auch die Frage nach paradigmatischen Alter-
nativen zum Mainstream ab, dem Beyer Folge leistet und hier für die folgenden
Seminare eine breitere Integration anderer Denkschulen in Erwägung zieht.
4 Paradigmatischer Pluralismus und Pluralismus
reflektierende Formate
Anna Saave stellt theoretische und praktische Herausforderungen für die
Lehre von feministischer Ökonomik dar: Zum einen ist das Feld selbst plural,
mit unterschiedlichen, historisch gewachsenen Strömungen, wenngleich
Saave herausarbeitet, dass sich in Verbindung mit politischer Ökonomie und
queer studies aktuell eine Art eigenes Paradigma herausbildet, welches auch
konsistent in die Lehre eingebunden werden kann. Zum anderen bleibt die
Lehre von feministischer Ökonomik für viele Studierende erklärungsbedürftig,
da der Begriff persönlich wie politisch aufgeladen ist. Saave knüpft hier an die
Erfahrungen von Studierenden an, die sich im Volkswirtschaftsstudium häufig
in Situationen befinden, in denen Fragen zu stellen unangemessen erscheint. Im
9Wirtschaft neu lehren – eine Einleitung
Gegensatz dazu soll feministische Ökonomik ganz bewusst als ein Modus
des Fragens erlernt werden. Weiterhin organisieren die Studierenden Teile
des Seminars und übernehmen care work, um die praktische Relevanz der neu
gewonnenen Perspektiven zu testen.
Anne Berner, Franziska Dorn, Christian Ochsner, Alexander Silbersdorff
und Lukas Wolfinger zeigen in ihrem Beitrag auf, welche Entwicklungen in der
wirtschaftswissenschaftlichen Lehre an der Universität Göttingen 2007 zur
Gründung einer Hochschulgruppe führten und wie diese die Lehre an der Wirt-
schaftswissenschaftlichen Fakultät um eine pluralistische Perspektive ergänzt
hat. Im Zuge dessen werden wesentliche Defizite der Lehrsituation aufgezeigt,
das Kooperationsverhältnis mit der Fakultät erörtert und die gruppeninternen
Prozesse, die der studentisch gestalteten Lehre zugrunde liegen, diskutiert. Am
Beispiel von studentisch organisierten Seminaren und Ringvorlesungen legen die
Autorinnen und Autoren dar, unter welchen Bedingungen pluralistische Lehre
einen Beitrag leisten kann, die Mängel in der Lehre aufzuheben und wie dies auf
die Hochschulgruppe und die Fakultät zurückwirkt.
5 Empirische Herausforderungen, realweltlicher
und persönlicher Bezug
Christian Fahrbach und Annika Weiser beschreiben in ihrem Beitrag ein jähr-
lich an der Leuphana Universität Lüneburg stattfindendes Projektseminar zu
wissenschaftlichen Methoden, welches alle Studierende vor ihrem Fachstudium
belegen müssen. Im Wintersemester 2018/2019 wurde erstmalig das Thema
Low-Profit in den Blick genommen und mit der Lehrmethode des Forschenden
Lernens bearbeitet. Der Beitrag stellt zunächst die Einführung von Low-Profit-
Investitionen als eine empirische Herausforderung des standardökonomischen
Ansatzes im Projektseminar sowie Möglichkeiten einer wirtschaftspolitischen
Umsetzung dar. Aufgabe der Studierenden war es dabei, das Thema Low-Profit
mit den sustainable development goals (SDG) zu verbinden, dazu eine eigene
Forschungsfrage zu entwickeln und diese kooperativ mit ihren Kommilitoninnen
und Kommilitonen zu beantworten.
Poulomi Dasgupta konstatiert in ihrem Beitrag, dass die Frage nach der
Gestaltung einer nachhaltigen Entwicklung in den letzten zwei Jahrzehnten in
gesellschaftspolitischen Debatten zwar eine zunehmend dominante Rolle ein-
genommen hat. Gleichzeitig werden die komplexen Interdependenzverhältnisse
zwischen Wirtschaft und Umwelt jedoch nicht von den Standardmodellen der
neoklassischen Ökonomik erfasst. Vor diesem Hintergrund erörtert die Autorin
10 L. Bäuerle et al.
die Frage, ob die Integration des akademischen Reisens in die wirtschaftswissen-
schaftlichen Curricula das Potenzial mit sich bringt, die Lücke zwischen der
Auseinandersetzung mit nachhaltiger Entwicklung und dem wirtschaftswissen-
schaftlichen Lehralltag zu verkleinern.
Johanna Hopp und Theresa Steffestun berichten in ihrem Beitrag – vor dem
Hintergrund der studentischen Kritik, dass die multiplen sozialen, ökologischen
und ökonomischen Krisen der Gegenwart in der ökonomischen Bildung einen
geringen Stellenwert einnehmen – von ihren Erfahrungen bei der Umsetzung
einer dezidiert weltzugewandten ökonomischen Bildung als Antwort auf diese
Kritik. Dabei rücken sie den Kontext wirtschaftlichen Denkens und Handelns auf
der einen und das erkennende und sich bildende Subjekt auf der anderen Seite
in den Mittelpunkt des Bildungsgeschehens. Am Beispiel einer einwöchigen
Exkursion von Ökonomiestudierenden der Cusanus Hochschule für Gesell-
schaftsgestaltung in das landwirtschaftliche Ensemble von Rothenklempenow
legen die Autorinnen die didaktische Umsetzung dieses Bildungsanliegens dar.
Tim Thrun, Marc Casper und Maximilian Schormair stellen in ihrem Bei-
trag ein Lehrkonzept vor, das sich in folgende drei Teile gliedert: In einem ersten
Block leisten die Studierenden überwiegend biographisch orientierte Reflexionen.
Die dabei subjektiv formulierten Lebensentwürfe werden im zweiten Block
durch Filmvorführungen und -diskussionen kontrastiert. Im Rahmen eines dritten
Referatsblocks vertiefen die Studierenden ihre bisherigen Überlegungen vor dem
Hintergrund eines aktuell diskutierten Themas der Wirtschaftswissenschaft wie
beispielsweise „Postwachstum und Minimalismus“ oder „Selbstoptimierung“.
Mit diesem Vorgehen soll kritisch-emanzipatorisches Denken und Handeln im
Hinblick auf die eigenen Lebenswelten gefördert werden.
Harald Hantke konstatiert, dass (zukünftige) Lehrerinnen und Lehrer der
wirtschaftsberuflichen Bildung mit einem Lernfeldparadoxon konfrontiert sind.
So setzt sich der Lernfeldansatz als Curriculum der beruflichen Bildung aus
folgenden zwei Ansprüchen zusammen, die sich zu widersprechen scheinen:
Dem im Lernfeld-Konzept formulierten (Bildungs-)Anspruch an eine nachhaltig-
keitsorientierte wirtschaftsberufliche Bildung steht ein in den Lernfeld-Vorgaben
formulierter (Qualifikations-)Anspruch an eine wirtschaftsberufliche Bildung
gegenüber, der sich an betrieblichen Situationen orientiert. Mit der Heraus-
forderung dieses doppelten Anspruchs setzen sich zukünftige Lehrkräfte in ihrem
Bachelorstudium „Wirtschaftspädagogik“ an der Leuphana Universität Lüneburg
in einem gestaltungsorientierten Lern-Forschungs-Prozess auseinander. Hantkes
Beitrag gibt konzeptionell-theoretische Einblicke in diesen Prozess, indem design
thinking als gestaltungsorientierter Lern-Forschungs-Prozess re-konzeptionalisiert
und am Beispiel eines Seminarkonzepts konkretisiert wird.
11Wirtschaft neu lehren – eine Einleitung
6 Interdisziplinäre Formate
Anja Breljak, Felix Kersting, Klaas Miersch, Timo Stieglitz und Iris Wohn-
siedler stellen mit dem Interdisziplinären Studentischen Kolloquium (ISK),
das seit 2013 an der Humboldt-Universität zu Berlin wöchentlich stattfindet,
ein selbstorganisiertes Format zur kritischen Diskussion von ökonomischen
Theorien und anderen wissenschaftlichen Ansätzen vor, die sich im Themen-
feld der Ökonomie bewegen. Das ISK verfolgt dabei drei Ziele: (1) VWL stärker
als politische Ökonomie zu verstehen, (2) interdisziplinäre Zugänge zu fördern
und (3) die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu empowern. Für die Umsetzung
dieser Ziele haben sich, so die Autorinnen und Autoren, eine offene und inklusive
Atmosphäre als ebenso förderlich erwiesen wie der Ansatz des selbstbestimmten
und autodidaktischen Lernens. Die dauerhafte Schaffung eines Diskussions- und
Reflexionsraums nach geisteswissenschaftlichem Vorbild führte unter anderem zu
weiteren studentischen Seminaren und einigen veröffentlichten Texten.
Julia K. Mayer und Lisa-Marie Schröder stellen die Frage, wie die Integration
unterschiedlicher Fachperspektiven, etwa der wirtschafts-, politik-, sozial- und
geschichtswissenschaftlichen sowie geographischen Betrachtungsweisen, in der
ökonomischen Hochschulbildung gelingen kann und schlagen hierzu den Einsatz
von design thinking vor. Im Rahmen eines fachdidaktischen Vertiefungsseminares
erarbeiten die Lehramtsstudierenden des Faches „Politik und Wirtschaft“, wie
der spezifische Blick von Fachdisziplinen eingebunden und gleichzeitig auf
konkrete Probleme, etwa das Thema CO2-Steuern, angewendet werden kann. Da
jede Disziplin eine eigene Didaktik mit sich bringt – die politikwissenschaftliche
Perspektive zielt etwa auf die Bildung eines demokratisch souveränen Subjekts
ab –, müssen die Lehramtsstudierenden zunächst solche Zielformulierungen der
unterschiedlichen Disziplinen in ihren Konzeptvorschlägen miteinander ver-
mitteln. Mayer und Schröder zeigen auf, dass das für den Hochschulkontext
angepasste design thinking, die „Interdisziplinäre Problemlösung konkret“, auch
in anderen Bereichen, etwa der Politikberatung, Einsatz finden könnte.
7 Diskursive Aspekte von Sozioökonomie
Lara Boerger stellt ein Seminar aus dem Bereich der VWL vor, das von 2006
bis 2019 an der Universität Leipzig angeboten wurde und sich durch eine dialog-
und erwägungsorientierte Didaktik kennzeichnet. Das Konzept des „Leipziger
Erwägungsseminares“ fußt auf der Erwägungsdidaktik der „Forschungsgruppe
12 L. Bäuerle et al.
Erwägungskultur Paderborn“ und wurde Ende der 1980er Jahre entwickelt.
Die Grundidee umreißt einen spezifischen erwägungsorientierten Umgang mit
Alternativen. Demnach soll das Wissen von Expertinnen und Experten nicht als
gesetzt, gesichert und unumstößlich gelten. Vielmehr geht es darum, Theorien zu
hinterfragen, zu vergleichen und einen integrierenden und bewahrenden Umgang
mit unterschiedlichen Erklärungsansätzen zu praktizieren. Boerger unterstreicht
dabei, dass das Konzept die zentralen Forderungen des Netzwerk Plurale Öko-
nomik e. V. – Selbstkritik, Reflexion und Offenheit in der VWL zu fördern – auf-
zugreifen vermag und somit eine Vorbildrolle einnehmen kann.
Elsa Egerer plädiert in ihrem Beitrag – unter Einbezug der Debatte über die
von Studierenden aus aller Welt formulierten Forderungen für eine Plurale Öko-
nomik – dafür, dass eine explizite Diskurskultur im Sinne einer dialogischen
Kommunikation und die Auseinandersetzung mit realen Problemen einen festen
Platz in Lehr-Lernsettings finden sollten. Als exemplarisches Setting wird im
Zuge des Beitrags eine für den Master „Plurale Ökonomik“ an der Universität
Siegen konzipierte Veranstaltung vorgestellt. Während des Seminars lernten die
Studierenden verschiedene ökonomische Denkrichtungen und deren Anwendung
auf aktuelle wirtschaftspolitische Fragen kennen. Strukturiert wurde das Seminar
mithilfe verschiedener Formate bzw. Methoden. Den Beitrag rundet eine auf
mehreren Ebenen erfolgende Zusammenschau ab, die mögliche Implikationen
dialogischen Pluralismus im Seminarkontext – und Wege, mit diesen umzugehen
– darlegt.
Gabriela Hahn, Harald Hantke und Andreas Fischer reflektieren den Ein-
satz von Poetry-Slam-Texten in der Lehre angehender Berufsschullehrerinnen
und Berufsschullehrer. Auch im Sinne eines „didaktischen Doppeldeckers“, also
für die Anwendung im Unterricht geeignet, verdeutlichen sie den Studierenden
das Besondere an der VWL: die im allgemeinen Sprachgebrauch verbreiteten
Begriffe der Wirtschaft – wie etwa Markt, Geld, Effizienz oder Nutzen – sind
für die neoklassisch orientierte VWL sehr bestimmt definierte, mathematisch
beschriebene Konzepte. Die Autorin und die Autoren wählen deshalb die Lyrik
als eine Art Zwischensprache, die es den Studierenden erlaubt, sich zwischen der
Ebene der Gesellschaft und jener der Wissenschaft zu verorten. In Poetry-Slam-
Texten dürfen auch schräge, lustige, nachdenkliche und fragende Haltungen
eingenommen werden, während gleichzeitig das Gelernte in eigener Sprache
wiederholt und angeeignet wird.
13Wirtschaft neu lehren – eine Einleitung
8 Abschließende Beiträge
Marc Casper widmet sich schließlich in einer Zusammenschau der Beiträge des
Sammelbands auf einer Metaebene folgenden Fragen: Welche Menschen und
Institutionen betrifft sozioökonomische Hochschulbildung? Welche Merkmale
und Spannungsfelder kennzeichnen hochschulisches Lernen im Allgemeinen und
sozioökonomische Lehre im Besonderen? Auf dieser Basis wird als gemeinsames
Anliegen einer sozioökonomischen Hochschulbildung die Ermöglichung von
lebendigem Lernen identifiziert und nach drei Bestimmungen ausdifferenziert:
nach biographischen, lebensweltlichen Bezügen; nach der sinnlich-ästhetischen
Qualität von Lernprozessen und nach der Interaktionsmoral von Lerngruppen.
Abschließend werden institutionelle und persönliche Entwicklungslinien einer
sozioökonomischen Hochschulbildung aufgezeigt.
Julia K. Mayer und Jan Pranger bieten Literaturempfehlungen an, um die
Umsetzung eigener Lehrinnovationen weiter zu befördern. Vorgestellt werden
Publikationen, die sich mit den Herausforderungen zur Gestaltung einer pluralen,
sozioökonomischen (Hochschul-)Lehre auseinandergesetzt haben. Die in diesem
Beitrag gesetzten Impulse sollen dazu dienen, bei den Rezipierenden innovative
Ideen für die eigene Hochschulbildung anzuregen.
9 Danksagungen und Einladung
Abschließend bleibt uns einigen Personen und Institutionen zu danken, die einen
maßgeblichen Anteil an der Herausgabe dieses Sammelbands haben: Für die
Möglichkeit, im Rahmen eines Gesprächsraums unsere Ideen in ein tatsächliches
Vorhaben fließen zu lassen, insbesondere für das unserem Wirken entgegengebrachte
Vertrauen, danken wir der Gesellschaft für sozioökonomische Bildung und Wissen-
schaft (GSÖBW) sowie Christian Fridrich, Silja Graupe, Udo Hagedorn, Reinhold
Hedtke, Georg Tafner und Eva-Maria Walker als Herausgebenden der Springer
VS-Reihe „Sozioökonomische Bildung und Wissenschaft“. Den Gutachterinnen
und Gutachtern des wissenschaftlichen Beirats unter der Leitung von Udo Hage-
dorn danken wir neben Thorsten Hippe (Lektorat) und Cori Antonia Mackrodt und
Thomas Hortmann (Springer VS) für die an einer hohen wissenschaftlichen und
formalen Qualität orientierten Begleitung des Bandes. Ein gesonderter Dank geht
an das Forschungsinstitut für gesellschaftliche Weiterentwicklung (FGW) für die
finanzielle Förderung des Sammelbands. Ohne diese Förderung wäre es nicht mög-
lich gewesen, den Sammelband im Open-Access-Format anzubieten. In diesem
14 L. Bäuerle et al.
Zusammenhang danken wir auch den Verantwortlichen der Online-Plattform
Exploring Economics, deren Bereitschaft zur Kooperation die Reichweite der hier
versammelten Beiträge maßgeblich befördern wird.
Allen Autorinnen und Autoren, die zu diesem Band beitragen, danken wir
für ihr Engagement im Sinne einer pluralen, sozioökonomischen Hochschul-
bildung. Ein besonderer Dank geht darüber hinaus an die Autorinnen und Autoren
der dezidiert eingeladenen Beiträge: Maja Göpel, Moritz Peter Haarmann, Marc
Casper, Julia K. Mayer und Jan Pranger. Last but not least wünschen wir den
Rezipierenden des vorliegenden Werkes nun möglichst viele Inspirationen für
die eigene Lehre: Gehen Sie dabei getrost kreativ mit den Lehrinnovationen um
und bringen Sie sich bei Interesse gerne auch in der Sektion Hochschullehre der
GSÖBW ein.
Kurz: Kommen Sie mit auf die gemeinsame Reise der Gestaltung einer
pluralen, sozioökonomischen Hochschulbildung!
Literatur
Autorengruppe Sozioökonomische Bildung. (2019). Was ist gute ökonomische Bildung?
Leitfaden für den sozioökonomischen Unterricht. Frankfurt/M.: Wochenschau.
Bäuerle, L. (2018). Warum VWL studieren? Sinnangebote ökonomischer Lehrbuchliteratur.
Zeitschrift für Diskursforschung, 6(3), 306–332.
Bäuerle, L., Pühringer, S., & Ötsch, W. O. (2020). Wirtschaft(lich) studieren. Erfahrungs-
räume von Studierenden der Wirtschaftswissenschaften. Wiesbaden: Springer.
Beckenbach, F., Daskalakis, M., & Hofmann, D. (2016). Zur Pluralität der volkswirtschaft-
lichen Lehre in Deutschland: Eine empirische Untersuchung des Lehrangebotes in den
Grundlagenfächern und der Einstellung der Lehrenden. Marburg: Metropolis.
Colander, D. (2010). The Evolution of U.S. Economics Textbooks. Middlebury College
Economics Discussion Paper, No. 10–37. http://sandcat.middlebury.edu/econ/repec/
mdl/ancoec/1037.pdf. Zugegriffen: 08. März 2020.
Decker, S., Elsner, W., & Flechtner, S. (2018). Advancing Pluralism in Teaching
Economics: International Perspectives on a Textbook Science. London: Routledge.
Fischer, A., & Zurstrassen, B. (Hrsg.). (2014). Sozioökonomische Bildung. Bonn: Bundes-
zentrale für politische Bildung.
Graupe, S., & Steffestun, T. (2018). “The market deals out profits and losses” – How
Standard Economic Textbooks Promote Uncritical Thinking in Metaphors. Journal of
Social Science Education (JSSE), 17(3), 5–18. https://www.jsse.org/index.php/jsse/
issue/view/86. Zugegriffen: 08. März 2020.
Hedtke, R. (2018). Das Sozioökonomische Curriculum. Frankfurt/M.: Wochenschau.
Jatteau, A., & Egerer, E. (2017). Micro, macro, math: Is that all? An international study
on economics bachelor curricula. Working Paper (Draft) presented at FFM Conference
2017 Berlin. https://www.boeckler.de/pdf/v_2017_11_10_egerer.pdf Zugegriffen: 08.
März 2020.
15Wirtschaft neu lehren – eine Einleitung
Lopus, J. S., & Paringer, L. (2012). The principles of economics textbook: content
coverage and usage. In G. M. Hoyt & K. McGoldrick (Hrsg.), International handbook
on teaching and learning economics (S. 296–303). Cheltenham: Edward Elgar.
Maeße, J. (2018). The schoolmaster`s voice: International Perspectives on a Textbook
Science. In S. Decker, W. Elsner, & S. Flechtner (Hrsg.), Advancing Pluralism in
Teaching Economics: International Perspectives on a Textbook Science (1. Aufl.,
S. 191–213). New York: Routledge.
Peukert, H. (2018a). Makroökonomische Lehrbücher: Wissenschaft oder Ideologie?
Marburg: Metropolis.
Peukert, H. (2018b). Mikroökonomische Lehrbücher: Wissenschaft oder Ideologie?
Marburg: Metropolis.
Reardon, J. (2009). The handbook of pluralist economics education. New York: Routledge.
Rebhan, C. (2017). Einseitig oder plural? Eine quantitative Analyse der wirtschaftswissen-
schaftlichen Einführungslehrbücher an deutschen Hochschulen. Marburg: Metropolis.
Schneidewind, U., & Singer-Brodowski, M. (2014). Transformative Wissenschaft: Klima-
wandel im deutschen Wissenschafts- und Hochschulsystem (2. Aufl.). Marburg:
Metropolis.
Schweitzer-Krah, E., & Engartner, T. (2019). Students‘ perception of the pluralism debate
in economics: Evidence from a quantitative survey among German universities. Inter-
national Review of Economics Education, 30(1), 1–12.
van Treeck, T., & Urban, J. (2016). Wirtschaft neu denken. Blinde Flecken in der Lehrbuch-
ökonomie. Berlin: iRights Media.
Urban, J., & Rommel, F. (2020). German Economics. Its Current Form and Content.
Cusanus Working Paper Series No. 56. https://www.cusanus-hochschule.de/wp-content/
uploads/2020/04/56_German-Economics.pdf. Zugegriffen: 07. Mai 2020.
Zuidhof, P.-W. (2014). Thinking Like an Economist: The Neoliberal Politics of the
Economics Textbook. Review of Social Economy, 72(2), 157–185.
Open Access Dieses Kapitel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 Inter-
national Lizenz (http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de) veröffentlicht, welche
die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem
Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle
ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben,
ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Kapitel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen eben-
falls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende
nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative
Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften
erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Ein-
willigung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
294 J. K. Mayer und J. Pranger
Reflexion einer vorherrschend neoklassisch geprägten ökonomischen Bildung. Die
Herausgebenden fordern einen Paradigmenwechsel in der ökonomischen Bildung,
der sich in der Integration sozialwissenschaftlicher Disziplinen realisiert. Im
Mittelpunkt steht somit die Wechselbeziehung von Wirtschaft und Gesellschaft,
in der wirtschaftliches Handeln nicht als reine Eigennutzmaximierung inter-
pretiert wird. Der Band bietet einen Einstieg in den sozioökonomischen Diskurs
und fokussiert dabei das Themenfeld der Didaktik sozioökonomischer Allgemein-
bildung.
Fridrich, Christian/Hedtke, Reinhold/Tafner, Georg (Hrsg.) (2019). Historizi-
tät und Sozialität in der sozioökonomischen Bildung (Reihe Sozioökonomische
Bildung und Wissenschaft). Wiesbaden: Springer VS.
Der Themenband stellt die Bedeutung des Sozialen und des Historischen für
sozioökonomische Bildung in Schulen und Hochschulen in den Fokus. In den
Beiträgen werden fachwissenschaftliche Begründungslinien und fachdidaktische
Konzepte für die systematische Integration von historischen und gesellschaft-
lichen Perspektiven in Bildungsgänge der sozialwissenschaftlichen Domäne
entwickelt. Somit werden aktuelle fachwissenschaftliche Debatten über die
Bedeutung von Geschichte und Gesellschaft für ein angemessenes Verständnis
von Wirtschaft aufgegriffen und Historizität und Sozialität als zentrale Konzepte
für die sozioökonomische Bildung bestimmt. Denn ökonomische Institutionen,
Strukturen und Prozesse sind ebenso historisch bedingt und gesellschaftlich ein-
gebettet wie die Begriffe, Theorien und Verfahren, mit denen sie in Wissenschaft,
Bildung und Öffentlichkeit erschlossen und verhandelt werden, und die Politiken,
mit denen sie gestaltet werden.
Hedtke, Reinhold (2018). Das sozioökonomische Curriculum. Frankfurt/M.:
Wochenschau Verlag (Reihe Sozioökonomische Bildung Bd. 1).
Dieses Buch präsentiert ein detailliert ausgearbeitetes sozioökonomisches
Curriculum für die Sekundarstufe I, das erstmals den aktuellen Stand der
Wirtschaftsforschung und die wirtschaftlichen Erfahrungen der Lernenden
systematisch berücksichtigt. Auf dieser Basis wird gezeigt, was sozioökonomische
Bildung inhaltlich konkret bedeutet und wie sie im Unterricht umgesetzt werden
kann. Die angebotenen Vorschläge werden empirisch, theoretisch und praktisch
begründet, wodurch die Ausführungen Lehrkräften helfen, junge Menschen
basierend auf ihren Erfahrungen bei der Orientierung in den ‚Welten‘ der Wirt-
schaft und bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit kompetent zu begleiten. Dabei
liegt der Schwerpunkt der pluralen und multiperspektivischen didaktischen Ver-
mittlung auf sozialwissenschaftlichem Wissen über Wirtschaft. Den Leserinnen
und Lesern bietet das Werk ein fachwissenschaftliches und fachdidaktisches
295Literaturempfehlungen zur Selbsterprobung
Fundament für eine zeitgemäße und praktisch realisierbare sozioökonomische
Bildung.
Hedtke, Reinhold (Hrsg.) (2018). Pluralist Thinking in Economic and
Socioeconomic Education. Journal of Social Science Education (JSSE) 17 (3).
Online: https://www.jsse.org/index.php/jsse/article/view/879/1013 [19.11.2019].
In dieser Ausgabe des JSSE werden verschiedene Beiträge zur sozialwissen-
schaftlichen Bildung zusammengefasst, die sich dem Thema pluralistischer öko-
nomischer Hochschullehre und schulischer ökonomischer Bildung widmen.
Es werden höchst unterschiedliche Analysen und Studien vereint, die sich bei-
spielsweise folgenden Fragen widmen: Inwiefern fördern standardökonomische
Lehrbücher das unkritische Denken in Metaphern am Beispiel verschiedener
Konzepte des Marktes? Wie gehen Lehrende in Ausbildung mit problematischen
Annahmen des dominanten Narrativs ökonomischer Bildung um und gelingt
ihnen eine aus pluralistischer Perspektive angemessene Kritik? Wie beein-
flusst eine bestimmte Rolle als business person die Art und Weise ökonomischer
Haltungen und Entscheidungen in einer Nachhaltigkeitsdebatte, wie das Konzept
des homo oeconomicus ebenjene? Ergänzt werden diese Analysen durch Studien
zur politischen Partizipation, citizenship preparation und zu dem Einfluss von
Lehrerpersönlichkeiten auf den Lernerfolg von Lernenden im Feld der sozioöko-
nomischen Bildung.
Decker, Samuel/Elsner, Wolfram/Flechtner, Svenja (Hrsg.) (2018). Advancing
Pluralism in Teaching Economics: International Perspectives on a Textbook
Science (Series Routledge Advances in Heterodox Economics). New York:
Routledge.
Die komplexen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts erfordern eine
pluralistische, an den realen Problemen dieser Welt orientierte und nicht zuletzt
innovative Ausrichtung der universitären Disziplinen der Ökonomie. Die uni-
versitäre Lehre sollte dabei Studierenden die Möglichkeit eröffnen, einen Bezug
zu diesen Herausforderungen herzustellen. Decker et al. bieten mit ihrem Band
eine aktuelle Zusammenstellung multiperspektivischer, innovativer und inter-
nationaler Beiträge, die sowohl grundlegende Überlegungen zu Begründungs-
zusammenhängen anstellen als auch internationale Perspektiven zur Entwicklung
von Pluralismus an Hochschulen beinhalten. Der Band fördert die konstruktive
Kontroverse mit dem Ziel, die Leserinnen und Leser zu ermutigen, sich einer
fruchtbaren Debatte zu stellen.
Einige zentrale Fragestellungen lauten: Warum ist es für die Sozialwissen-
schaften wichtig, sich mit pluraler Lehre zu befassen? Vor welchen Heraus-
forderungen steht die plurale Hochschullehre in verschiedenen nationalen
Kontexten? Welche tradierten Praktiken schränken eine plurale Lehre ein? Weshalb
296 J. K. Mayer und J. Pranger
ist die Ökonomik so stark kanonisiert und wie kann diese Tradition sinnstiftend
innoviert werden? Was kann die Hochschullehre von der schulischen ökonomischen
Bildung und anderen Disziplinen der Sozialwissenschaften lernen? Indem die
Autorinnen und Autoren des Bandes diese Fragen untersuchen, ist ein multi-
perspektivisches, aber dennoch inhaltlich kohärentes Buch entstanden, das sich mit
der gegenwärtigen ökonomischen Lehre befasst und dabei neue Ideen und Beispiele
internationalen Ursprungs für Lehrende und Forschende zugleich aufzeigt.
Decker, Samuel/Elsner, Wolfram/Flechtner, Svenja (Hrsg.) (2019). Principles
and Pluralist Approaches in Teaching Economics. Towards a Transformative
Science. New York: Routledge.
Der zweite Band der Reihe „Teaching Economics“ (Band I Decker et al.
2018) richtet den Fokus von unter anderem wissenschaftstheoretischen
Betrachtungen, die eine pluralökonomische universitäre Lehre begründen, auf
konkrete Prinzipien und Ansätze der Lehrpraxis. Die Autorinnen und Autoren des
Sammelbands diskutieren, welche Herausforderungen die Integration mehrerer
Paradigmen in die Lehre birgt, und erörtern Möglichkeiten, Studierenden
pluralistische Ansätze zu eröffnen. Der Diskursstrang der transformativen
Wissenschaft wird als Anschlussmöglichkeit für die Forderungen nach einer
pluralen Ökonomik herangezogen, um nach dem Verhältnis von wissenschaft-
lichen Inhalten und Praxen mit den vorherrschenden gesellschaftlichen und öko-
nomischen Tendenzen zu fragen.
3 Beiträge zum Status quo der Hochschullehre
in Deutschland
Döbler, Joachim (2019). Prüfungsregime und Prüfungskulturen: Soziologische
Beobachtungen zur internen Organisation von Hochschule. Wiesbaden: Springer
VS.
Prüfungen bilden einen festen Bestandteil des Hochschulalltags und können
als bedeutsame, strukturgebende Ereignisse gewertet werden. Durch den
Bologna-Prozess wurden die strukturellen Anforderungen und Bedingungen an
das universitäre Prüfen erheblich verändert. Vor diesem Hintergrund geht Joachim
Döbler der Frage nach, wie sich die ‚bolognagerechte‘ Transformation von Hoch-
schule auf die interne Organisation des Prüfungswesens auswirkt. Im empirischen
Zugriff auf Dokumente aus dem Tätigkeitsbereich eines Prüfungsausschusses
erweist sich prüfungsrelevantes Handeln – von präsidialen Steuerungsimpulsen
über studentische Prüfungsvorbereitungen bis zur Notengebung – als zentraler
Teil eines sozialen Systems, das widersprüchlichen Funktionserwartungen und
297Literaturempfehlungen zur Selbsterprobung
Imperativen der Formalisierung unterworfen, zugleich aber offen für fakultäts-
kulturelle Auslegungen ist.
Draheim, Susanne (2012). Das lernende Selbst in der Hochschulreform: „Ich“
ist eine Schnittstelle. Subjektdiskurse des Bologna-Prozesses (Reihe Science
Studies). Bielefeld: transcript.
Wie werden in der gegenwärtigen Studienreform des Bologna-Prozesses die
Studierenden als ‚Lernsubjekte‘ angesprochen? Welche gesellschaftlichen und
reformpolitischen Problematisierungen, Legitimierungen und Orientierungen
gehen in diese diskursiven Ansprachen ein? Zur Beantwortung dieser Fragen
entfaltet Susanne Draheim in drei begriffsgeschichtlichen Diskursanalysen
eine ‚humanistische‘, eine ‚unternehmerische‘ und eine ‚sozio-technisch ver-
netzte‘ Subjektfigur. Im Kontext aktueller Konzeptionen vom Selbstverhältnis
Studierender wird zudem nach den möglichen institutionellen Funktionen dieser
Figuren gefragt.
Merkt, Marianne (2014). Hochschuldidaktik und Hochschulforschung. Eine
Annäherung über Schnittmengen. In: Pasternack, Peer (Hrsg.), Hochschul-
forschung von innen und seitwärts: Sichtachsen durch ein Forschungsfeld (S. 92
105). Institut für Hochschulforschung (HoF): Halle-Wittenberg. Online: https://
www.hof.uni-halle.de/journal/texte/14_1/2014_1.pdf [28.02.2020].
In ihrem Beitrag setzt sich Marianne Merkt mit der Frage auseinander, an
welcher Stelle produktive Überschneidungsbereiche und Anknüpfungspunkte
zwischen hochschuldidaktischer Forschung und Hochschulforschung bestehen.
Auf Basis einer kurzen Charakterisierung des Selbstverständnisses der Hoch-
schuldidaktik steht ein Überblick über die Geschichte der „Neueren Hochschul-
didaktik“ sowie die hochschuldidaktische Forschung im Mittelpunkt des Beitrags.
Die Autorin identifiziert und beschreibt in diesem Zusammenhang fünf Phasen
des geschichtlichen Veränderungsprozesses der deutschen Hochschullandschaft in
Bezug auf die Hochschuldidaktik. Diese erstrecken sich von der Zeit der Hoch-
schulexpansion in den 1970er Jahren, die im Kontext der Demokratisierung und
Modernisierung von Hochschulen standen, bis hin zur drittmittelgeprägten Hoch-
schuldidaktik in Studium und Lehre im 21. Jahrhundert. Vor diesem Hintergrund
des historischen Rückblicks der hochschuldidaktischen Forschung und ihren
Schnittmengen zur Hochschulforschung konstatiert Merkt, dass im Feld der
empirischen Forschung zu hochschulischen Prüfungssystemen und ihren Aus-
wirkungen auf akademische Lern- und Bildungsprozesse eine Forschungslücke
klafft, die es zu schließen gilt.
298 J. K. Mayer und J. Pranger
4 Sammelbände zu einer kritisch-reflexiven
Hochschullehre
Fridrich, Christian/Hedtke, Reinhold/Ötsch, Walter Otto (2020). Grenzen über-
schreiten, Pluralismus wagenPerspektiven sozioökonomischer Hochschullehre
(Reihe Sozioökonomische Bildung und Wissenschaft). Wiesbaden: Springer VS.
Dieser Band diskutiert das Verhältnis zwischen Pluraler Ökonomik und Sozio-
ökonomik und stellt dabei insbesondere die Hochschullehre in den Vordergrund.
Er lotet aus, worin Gemeinsamkeiten und Unterschiede bestehen, reflektiert den
(Un-)Sinn disziplinärer Grenzen und fachspezifischer Denkweisen und widmet
sich Konzeptionen pluraler und sozioökonomischer Lehre in theoretischen und
praktischen Zugriffen im hochschulischen und schulischen Kontext. Es werden
aktuelle Versuche der Kultivierung einer vielfältigen Auseinandersetzung mit
Wirtschaft in Form neuer Studiengänge oder Lehrmittel und deren normative,
wissenschaftstheoretische, fachwissenschaftliche und hochschuldidaktische
Grundlagen diskutiert.
Jenert, Tobias/Reinmann, Gabi/Schmohl, Tobias (Hrsg.) (2019). Hochschul-
bildungsforschung: Theoretische, methodologische und methodische Denkanstöße
für die Hochschuldidaktik. Wiesbaden: Springer VS.
So über die inhaltliche Ausrichtung ökonomischer Hochschulbildung dis-
kutiert wird, bilden die didaktischen Anforderungen, die mit akademischem
Lehren und Lernen sowie mit dem Anspruch an eine Bildung durch Wissen-
schaft verbunden sind, einen inhärenten Bestandteil dieser Debatte. Gleichwohl
stehen Forschende, die sich mit der Hochschullehre aus einer genuin didaktischen
Perspektive befassen, vor der Problematik, dass nur ein mäßiges Interesse seitens
der Bildungswissenschaften und bildungswissenschaftlichen Fachgemeinschaften
an der hochschuldidaktischen Forschung besteht. Ausgehend von dieser Dis-
krepanz gibt der Sammelband durch konzeptionelle Beiträge und konkrete Bei-
spiele theoretische, methodologische und methodische Denkanstöße für die
Hochschuldidaktik. Die Beiträge setzen sich dementsprechend zum einen mit
empirischen Untersuchungen auseinander, die beispielsweise didaktische und
methodische Arrangements oder strukturelle und inhaltliche Rahmenbedingungen
beleuchten. Zum anderen wird der Forschungsgegenstand der Hochschuldidaktik
betrachtet und zur Reflexion von Paradigmen und Methodologie sowie zur
Weiterentwicklung konkreter Methoden im Bereich der quantitativen, qualitativen
und gestaltungsorientierten Forschung verortet.
Centeno García, Anja/Kenneweg, Anne Cornelia (Hrsg.) (2019). Themenheft
Kritisch. Denken. Lernen. Herausforderungen und Ansätze für die fachbezogene
299Literaturempfehlungen zur Selbsterprobung
Hochschuldidaktik in den Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften. die hochschul-
lehre 5, Online: http://www.hochschullehre.org/wp-content/files/die_hochschul-
lehre_2019_Centeno_Garcia_Kenneweg_Themenheft_Kritisch_Denken_Lernen.pdf
[13.01.2020].
Das Themenheft ist 2018 im Anschluss an den Fachtag „Kritisch. Denken.
Lernen.“ des Vereins zur Förderung fachbezogener Hochschuldidaktik für
Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften entstanden. Neben individuellen
Lernprozessen und wissenschaftlichen Denk- und Handlungsmustern werden
ebenso (implizite) Annahmen über Bildungsziele oder praktische Fragen der
Lehrgestaltung in den Blick genommen. Indem die gesammelten Beiträge inhalt-
liche Überschneidungen aufweisen und sich durch eine vielfältige Zugangsweise
auszeichnen, wird das abgebildet, was sich nach Einschätzung der Autorinnen im
gesamten Diskurs zum kritischen Denken beobachten lässt: „Es gibt keine Einig-
keit über Definitionen und Herangehensweisen“ (ebd., S. 894). Gemein ist den
Beiträgen hingegen, dass die Suche nach einem „Kompass für die Gestaltung
von Denkschulen“ (ebd.) im Fokus steht. Die Richtungssuche der versammelten
Beiträge weist allerdings insofern Überschneidungen auf, als dass sich diese in
einem kategorialen Dreischritt verorten lassen: hochschuldidaktische Über-
legungen zum kritischen Denken, (Selbst-)Reflexions- und Professionalisierungs-
prozesse, bei denen die Lehrenden im Mittelpunkt stehen, sowie lehrpraktische
Beispiele zur didaktischen und fachbezogenen Umsetzung der Förderung
kritischen Denkens.
Jahn, Dirk/Kenner, Alessandra/Kergel, David/Heidkamp-Kergel, Birte (Hrsg.)
(2019). Kritische Hochschullehre. Impulse für eine innovative Lehr- und Lern-
kultur. Wiesbaden: Springer VS.
Welche Möglichkeiten und Bedingungen muss eine kritische Hochschul-
lehre erfüllen und wie kann eben jene gefördert werden? Dieser Frage gehen
zahlreiche internationale Autorinnen und Autoren in diesem Band nach und
besprechen theoretische Ansätze und methodisch-didaktisch geleitete Strategien,
um Lehre im Spannungsfeld zwischen Employability-Anforderungen und
klassischen Bildungszielen, wie etwa wissenschaftlichem Urteilsvermögen,
zu gestalten. Dabei rekurrieren sie auf ausgewählte Studien aus der Lehr-Lern-
forschung sowie Hochschuldidaktik und greifen aktuelle bildungspolitische Dis-
kurse auf. Dazu gehören beispielsweise folgende Fragen: Wie sollte Lehre an
Hochschulen gestaltet werden, um kritisches Denken, forschendes Lernen oder
diversitätssensiblen Unterricht zu fördern? Wie kann im Rahmen des Studiums
soziales Engagement curricular verankert werden und wie lassen sich demo-
kratische Prozesse implementieren?
300 J. K. Mayer und J. Pranger
Open Access Dieses Kapitel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 Inter-
national Lizenz (http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de) veröffentlicht, welche
die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem
Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle
ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben,
ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Kapitel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen eben-
falls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende
nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative
Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften
erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Ein-
willigung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
ResearchGate has not been able to resolve any citations for this publication.
Article
Full-text available
By conducting a discourse analysis (SKAD) in the field of academic economics textbooks, this paper aims at reconstructing meaning structures offered to undergraduate students. The study finds three major structures, all of which are contextualized theoretically, with prominent reference to the Foucauldian reflection of the science of Political Economy. Surprisingly, none of them encourages the student to think critically, as could have been expected in a pedagogical context of western tradition.
Book
Full-text available
Für den deutschsprachigen Raum liegt hier die erste Studie vor, die sich der studentischen Wahrnehmung eines Studiums der Wirtschaftswissenschaften, insb. der Volkswirtschaftslehre, mit Mitteln der qualitativen Sozialforschung nähert. Aus Gruppengesprächen an fünf der wichtigsten VWL-Studienstandorte in Deutschland und Österreich konnten mithilfe der dokumentarischen Methode vier grundlegende Orientierungen rekonstruiert werden, die für den studentischen Umgang mit einem wirtschaftswissenschaftlichen Studium als einschlägig bzw. typisch gelten dürfen. Entgegen einem weitestgehend inhaltlich orientierten Diskurs um den Status quo akademischer ökonomischer Bildung (Monismus bzw. Pluralismus von Schulen, Theorien, Methoden und Disziplinen) legen die hier vorgestellten Ergebnisse nahe, die institutionellen Kontexte von VWL-Studiengängen stärker zu berücksichtigen. Ein besonderer Diskussions- und Handlungsbedarf scheint für die Formen der Leistungsmessung zu bestehen, ebenso wie für die didaktische Aufbereitung der Lehre. Auch die Dominanz mathematischer Methoden sowie die fehlenden Bezüge zu realwirtschaftlichen Phänomenen stellt für die Studierenden ein Problem dar. Diese empirischen Befunde werden aus interdisziplinären Perspektiven theoretisch gedeutet und mit aktuellen Diskursen um ökonomische Bildung verknüpft. Der Inhalt Methodische Bemerkungen ● Erhebung und Feldforschung ● Primat der Studienstrukturen ● Mathematik und Grundlagenveranstaltungen ● Realitätsfernes Studium ● Tunnelerfahrung und Wahlfreiheit ● Fazit und (hochschul-)politische Handlungsempfehlungen Die Zielgruppen Studierende und Lehrende der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, bildungspolitische Entscheidungsträger*innen Die Autoren Lukas Bäuerle ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ökonomie an der Cusanus Hochschule für Gesellschaftsgestaltung und promoviert an der Europa-Universität Flensburg. Stephan Pühringer ist Ökonom und Sozialwirt und als Post-doc-Researcher am Institut für die Gesamtanalyse der Wirtschaft an der Johannes Kepler Universität Linz tätig. Walter-Otto Ötsch ist Professor für Ökonomie und Kulturgeschichte an der Cusanus Hochschule für Gesellschaftsgestaltung.
Article
Full-text available
5 Silja Graupe, Theresa Steffestun "The market deals out profits and losses"-How Standard Economic Textbooks Promote Uncritical Thinking in Metaphors-Standard economic textbooks exhibit a massive and implicit use of metaphors.-This tacit use of metaphors may deceive the student reader and encourage uncritical thinking.-Critical reflection in economic education can encourage and enable a responsible use of metaphors. Purpose: Cognitive Linguistics has repeatedly pointed out the major significance of metaphors. In particular, metaphors are highly effective in the context of political and economic discourse. We analyze the as yet ignored use of metaphors in standard economic textbooks as exemplified by Paul A. Samuelson and N. Gregory Mankiw. The following will focus on the metaphorical semantic context surrounding the abstract concept of "the market". Design: Using textual analysis and drawing from Conceptual Metaphor Theory the authors examine how the concept of "the market" is introduced as an abstract and primarily empty concept, (re-)interpreted with the help of entity metaphors, personifications and orientational metaphors, and linked to ideological and political value judgments. In addition the analysis illustrates how the use of metaphors in textbooks is not made transparent, nor is a critical reflection of the metaphorical rhetoric encouraged. Findings: In conclusion, based on their own teaching experience, the authors, addressing both teachers and students, outline possibilities of promoting the critical and conscious use of metaphors, not only in textbooks but also in public discourse.
Chapter
Full-text available
This chapter analyses textbook discourse is as a hegemonic strategy of professional identity fromation in mainstream economics. Two interrelated explanatory arguments will be presented. The first argument is concerned with the place of textbooks in the field of economics. It will be shown how the social field of the economics discipline facilitates the development of meritocratical values. The second part of the explanation is based on a discourse analysis of textbook fragments. The chapter shows how a textbook culture contributes to the formation of elitist professional identities in mainstream economics. It explains how and why the schoolmaster’s voice refers to a post-republican, neo-scholastic modality of academic knowledge production in teaching contexts.
Book
Sozioökonomische Bildung ist sozialwissenschaftlich informierte Bildung am Beispiel des Gegenstandsbereichs Wirtschaft. Das Buch zeigt, was sozioökonomische Bildung inhaltlich bedeutet und wie man sie unterrichtlich umsetzen kann. Das sozioökonomische Curriculum für die Sekundarstufe I liefert die Grundlagen dafür und macht konkrete Vorschläge, die empirisch, theoretisch und praktisch begründet werden. Lehrkräfte, die junge Menschen bei der Orientierung über Wirtschaft und der Entwicklung ihrer Persönlichkeit kompetent begleiten wollen, erhalten hier zahlreiche Anregungen. Das Buch greift Erfahrungen der Lernenden auf, verbindet sie mit sozialwissenschaftlichem Wissen über Wirtschaft und sichert Pluralität und Multiperspektivität. Es eignet sich auch für die Lehrplanarbeit auf allen Ebenen.
Article
Empirical research on the pluralism debate in economics is scarce. This applies in particular to international studies investigating the student perspective. The paper addresses this gap by presenting quantitative evidence from a national survey among advanced economics students at five major German universities. The results provide insights into the way in which students evaluate (a) their academic career, their expectations, and motivations in the field (self-reflection); (b) the contents, methods, and constraints of their subject (discipline reflection); and (c) the societal impact of economics as a whole (discourse reflection). The findings show a rigorous and largely unanimous self- and discipline reflection among students on the one hand and a rather limited discourse reflection on the other. Due to the perceived performance pressure in economics, students remain reluctant to join the pluralism debate, even though they share most points of criticism on the field.
Article
This article surveys 10 introductory economics textbooks to examine whether and how economics contributed to the rise of neoliberalism. It defines neoliberalism as a political rationality characterized by market constructivism. In contrast with conventional liberal approaches that view limited government as legitimized by the failure of naturalist markets, neoliberalism constructs the market as norm and means of government. Economics textbooks overall have a liberal outlook, as exemplified by Samuelson's classic, however, with three liberal subgenres: the imperfect market view, the free market view, and an institutionalist view. While the introductory textbook cannot be construed as an instruction manual for neoliberalism, the article nevertheless identifies two important neoliberal moments: the discussion of market-based forms of government and the rise of a new genre of principles textbook that urges students to “think like an economist.” The article concludes with novel insights on how economics may have contributed to the spread of neoliberalism.