ArticlePDF Available

Medienkompetenz oder Medienbildung? Zur Frage nach dem Zielwert medienpädagogischer Praxis

Authors:

Abstract

In einer Serie von vier Artikeln (Schorb 2009; Spanhel 2010; Tulodziecki 2010; Fromme u. Jörissen 2010) wurde 2009 und 2010 in der Zeitschrift merz: Medien + Erziehung die Frage nach dem Leitbegriff der Medienpädagogik diskutiert. In den vorliegenden Ausführungen wird im Bezugsrahmen dieser Debatte die Frage diskutiert, ob Medienkompetenz oder Medienbildung der Zielwert medienpädagogischer Praxis sein sollte. Dabei wird in einer argumentationstheoretischen Analyse zunächst jeweils ein deskriptives und ein normatives Argument gegen Medienkompetenz rekonstruiert und zurückgewiesen. Als Grundlage dieser Argumente zeigt sich hierbei eine begriffliche Verwechslung zwischen den theoretischen Modellen zur Medienkompetenz und der Verwendung dieses Konzepts im pädagogisch verkürzten Sinne einzelner Unterkompetenzen. Anschliessend werden drei Adäquatheitskriterien für Zielwerte medienpädagogischer Praxis vorgeschlagen, die dann als Grundlage für die Bewertung beider Alternativen im begrifflichen Bezugsrahmen der genannten Debatte dienen. Im Ergebnis empfiehlt sich Medien­kompetenz als dieser Zielwert, während das Konzept der Medienbildung begrifflicher Schärfung und einer Ausarbeitung seiner Schnittstelle zur medienpädagogischen Praxis bedarf.
Thomann, Marius. 2015. «Medienkompetenz oder Medienbildung? Zur Frage nach dem Zielwert medienpädagogischer Praxis.»
MedienPädagogik, 23. Feb., 1–14. https://doi.org/10.21240/mpaed/00/2015.02.23.X.
ISSN 1424-3636
www.medienpaed.com
ISSN 1424-3636
www.medienpaed.com
Medienkompetenz oder Medienbildung?
Zur Frage nach dem Zielwert medienpädagogischer Praxis
Marius Thomann
Zusammenfassung
In einer Serie von vier Artikeln (Schorb 2009; Spanhel 2010; Tulodziecki 2010; From-
me u. Jörissen 2010) wurde 2009 und 2010 in der Zeitschrift merz: Medien + Er-
ziehung die Frage nach dem Leitbegriff der Medienpädagogik diskutiert. In den
vorliegenden Ausführungen wird im Bezugsrahmen dieser Debatte die Frage dis-
kutiert, ob Medienkompetenz oder Medienbildung der Zielwert medienpädagogi-
scher Praxis sein sollte. Dabei wird in einer argumentationstheoretischen Analyse
zunächst jeweils ein deskriptives und ein normatives Argument gegen Medien-
kompetenz rekonstruiert und zurückgewiesen. Als Grundlage dieser Argumente
zeigt sich hierbei eine begriffliche Verwechslung zwischen den theoretischen Mo-
dellen zur Medienkompetenz und der Verwendung dieses Konzepts im pädago-
gisch verkürzten Sinne einzelner Unterkompetenzen. Anschliessend werden drei
Adäquatheitskriterien für Zielwerte medienpädagogischer Praxis vorgeschlagen,
die dann als Grundlage für die Bewertung beider Alternativen im begrifflichen Be-
zugsrahmen der genannten Debatte dienen. Im Ergebnis empfiehlt sich Medien-
kompetenz als dieser Zielwert, während das Konzept der Medienbildung begriffli-
cher Schärfung und einer Ausarbeitung seiner Schnittstelle zur medienpädagogi-
schen Praxis bedarf.
Media Competence or Media Literacy?
On the question regarding the target value of applied media pedagogy
Abstract
In a series of four papers (Schorb 2009; Spanhel 2010; Tulodziecki 2010; Fromme
and Jörissen 2010) the question regarding the main term in media pedagogy
was discussed in the journal merz: Medien + Erziehung in 2009 and 2010. With
reference to that debate, the present paper discusses the question whether media
competence (German Medienkompetenz) or media literacy (German Medien-
bildung) should be the target value of applied media pedagogy. In doing so,
a descriptive and a normative argument against media competence are recon-
structed from the perspective of argumentation theory and both of them are
refuted. The basis of these arguments turns out to be a conceptual confusion of the
This work is licensed under a Creative Commons
Attribution 4.0 International License
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
2
Marius Thomann www.medienpaed.com > 23.2.2015
theoretical models of media competence with the use of this concept in the sense
of sub-competences, the latter being pedagogically inadequate. After that, three
criteria of adequacy are suggested for target values of applied media pedagogy.
Those criteria serve as a measure to evaluate both alternatives in the conceptual
framework of the debate mentioned above. As a result, media competence com-
mends itself as that target value. Media literacy, on the other hand, is in need of a
more pronounced conception and an elaboration of its interface to applied media
pedagogy.
Warum überhaupt Medienpädagogik?
Eine Beobachtung vorweg: Sozialisation ist heutzutage immer häufiger mediale
Sozialisation und, damit verbunden bzw. durch die Möglichkeiten der sogenann-
ten Neuen Medien verstärkt, in immer grösseren Teilen ein Prozess, der selbstbe-
stimmt durchlaufen wird (vgl. Fromme 2009, 931 ff.). Diese Diagnose soll hier eben-
so wenig vertieft werden wie die systematische Grundannahme der folgenden
Ausführungen: Zu den Hauptaufgaben der Pädagogik im Allgemeinen gehört es,
die Entwicklung der individuellen Persönlichkeit und somit auch den Prozess der
Sozialisation transparent zu machen und zu begleiten. Auf der Basis dieser beiden
Annahmen ergibt sich die Wichtigkeit einer theoretisch fundierten und praktisch
anschlussfähigen Medienpädagogik. Pädagogisches Handeln muss den Anschluss
an die Lebenswelt des Individuums suchen, damit es intrinsische Motivation we-
cken kann und nicht als externe Verordnung ohne Bezug zum jeweils eigenen Kon-
text empfunden wird. Diese Anbindung an den lebensweltlichen Kontext erfordert
einerseits die theoretische Aufarbeitung der pädagogischen Bedeutung medialer
Räume sowie eine Analyse der pädagogisch relevanten Eigenschaften von Medien
und andererseits eine Verständigung darüber, was in der pädagogischen Praxis
letztlich geleistet werden soll, was geleistet werden kann und welche Massnahmen
dafür geeignet sind. Und damit ist das Feld der Medienpädagogik eröffnet.
Im Folgenden geht es um die Frage nach dem Zielwert der Medienpädagogik,
genauer der medienpädagogischen Praxis. Eine Diskussion über den Leitbegriff
medienpädagogischer Theoriebildung kann hier nicht stattfinden. Als mögliche
Alternativen werden Medienkompetenz und Medienbildung im begrifflichen Be-
zugsrahmen der jüngeren Debatte (vgl. z. B. Hugger 2006; Schorb 2009; Spanhel
2010; Tulodziecki 2010; Fromme u. Jörissen 2010) diskutiert. Zunächst werden in
einer argumentationstheoretischen Analyse zwei Argumente rekonstruiert, deren
Ziel es ist, die Medienkompetenz als Zielwert der Medienpädagogik zu disqualifi-
zieren. Jeweils im Anschluss an die Rekonstruktionen wird es darum gehen, diesen
Argumenten zu begegnen, um so die Möglichkeit offenzuhalten, den Zielwert als
Medienkompetenz zu bestimmen. Abschliessend wird, ebenfalls unter Bezugnah-
me auf den konzeptuellen Rahmen der genannten Debatte, der Versuch einer po-
3
Marius Thomann www.medienpaed.com > 23.2.2015
sitiven Argumentation für diese Bestimmung unternommen. Systematisch versteht
sich dieser Beitrag also als Analyse eines konkreten innertheoretischen Diskurses,
die um eine durch Kriterien geleitete Bewertung angereichert ist.
Zwei Argumente gegen Medienkompetenz als Zielwert
Bezüglich der Trennung zwischen Medienkompetenz und Medienbildung soll der
Fokus hier auf zwei Aspekten liegen, und zwar erstens auf der Unterscheidung
zwischen Lern- und Bildungsprozessen und zweitens auf den unterschiedlichen
motivationalen Eigenschaften solcher Prozesse. Die Differenz zwischen den zur
Diskussion stehenden Konzepten wird häufig vor dem Hintergrund von Verschie-
denheiten in diesen beiden Dimensionen gesehen. Gleichzeitig erlauben diese
Abgrenzungen, zwei Argumente verschiedenen Typs zu formulieren, nämlich ein
deskriptives und ein normatives Argument, so dass hier verschiedene Stossrich-
tungen der Kritik berücksichtigt werden können.
Das deskriptive Argument: Lernprozesse vs. Bildungsprozesse
Lernprozesse zielen auf den Erwerb sogenannten Verfügungswissens und das
jeweils in Bezug auf einen bestimmten abgegrenzten Gegenstandsbereich (vgl.
Fromme 2009, 934). Mit dem Begriff des Verfügungswissens ist hier einerseits pro-
positional verfasstes Wissen-dass gemeint, also z. B. Wissen um die Tatsache, dass
Julius Cäsar am 15. März im Jahre 44 v. Chr. ermordet wurde, andererseits aber
auch Wissen-wie, d. h. Fähigkeiten wie z. B. problemorientiertes Quellenstudium
in der Geschichtswissenschaft. Durch die für Lernprozesse charakteristische Bezo-
genheit auf einen Gegenstandsbereich sind die Inhalte, die sich das Individuum in
ihnen aneignet, immer auf der Objektebene angesiedelt. Im Gegensatz dazu ist in
Bildungsprozessen immer auch der Gegenstandsbereich selbst thematisch, nicht
bloss seine Inhalte (vgl. ebd.). Ziel ist dabei nicht ein inhaltlich orientiertes Verfü-
gungswissen, sondern höherstufiges Orientierungswissen, das auf die Position des
Individuums in und sein Verhältnis zu der Welt bezogen und somit wesentlich auf
der
Metaebene
zu verorten ist.
Medienkompetenz, so behauptet Fromme, meint in erster Linie «die aktive Erschlie-
ssung und Aneignung der für den Einzelnen relevanten Bereiche in der heutigen
Medienwelt» (ebd.). Sie ist damit parallel zu den oben umrissenen Lernprozessen
zu verstehen bzw. als deren Ziel. In diesem Verständnis entspricht Medienkompe-
tenz dem Bildungsbegriff des Diskurses, den Jörissen als «praxistheoretisch-päda-
gogisch» (2011, 212) bezeichnet und in dem Bildung «im Sinne eines Ergebnisses
oder Zieles von (in [sic!] weitesten Sinne)
pädagogischen Handlungen
» (ebd., 215,
Hervorh. im Original) gefasst wird. Das Konzept der Medienbildung übersteigt das
der Medienkompetenz, indem es über die Inhalte auf der Objektebene hinaus
auch die Wirkung sowohl der Inhalte als auch ihrer medialen Vermittlung auf die
4
Marius Thomann www.medienpaed.com > 23.2.2015
Struktur von Welt- und Selbstverhältnis des Individuums erfasst. Indem Bildungs-
prozesse wie oben beschrieben den Gegenstandsbereich selbst thematisieren,
sind sie die «Bedingung der Möglichkeit für eine kritische Reflexion des in einem
Weltbereich geltenden Wissens und Voraussetzung für den Aufbau von Orientie-
rungswissen» (Fromme 2009, 934). Medienbildungsprozesse sind also Prozesse, in
denen sich das Individuum selbstbestimmt und bewusst in ein Verhältnis zu seiner
medialen Lebenswelt setzt (vgl. Hugger 2006, 31). Dabei bestimmt es seine eigene
Position und Rolle, seine Verantwortlichkeiten und Möglichkeiten in Bezug sowohl
auf die medial vermittelten Inhalte als auch auf die mediale Vermittlung von Inhal-
ten. Als wesentliches Merkmal von Medienbildung wird ihr prozesshafter Charak-
ter genannt (vgl. z. B. Spanhel 2010, 50; Jörissen 2011, 222), d. h., Medienbildung
zielt gerade nicht auf einen Zustand, sondern ermöglicht eine Offenheit, in der das
Welt- und Selbstverhältnis immer wieder neu definiert werden kann.
Auf der Basis dieser Charakterisierungen von Medienkompetenz und Medien-
bildung lässt sich nun das erste Argument gegen Medienkompetenz als Zielwert
medienpädagogischer Praxis rekonstruieren: Medienkompetenz im obigen Sin-
ne bezeichnet einen Zustand, medienkompetent zu sein ist das Ergebnis eines
Lernprozesses und besteht darin, über rein inhaltliches Wissen und ebenso rein
inhaltliche Fähigkeiten zu verfügen. Die lebenslange Aufgabe der individuellen
Persönlichkeitsentwicklung in der medialen Lebenswelt (vgl. Spanhel 2010, 51) ist
aber nicht durch ein zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgebautes Repertoire an
Verfügungswissen zu bewältigen. Also greift Medienkompetenz als Zielwert der
Medienpädagogik zu kurz, da sie alleine nicht hinreichend ist, den Prozess der
medialen Selbstsozialisation in selbstbestimmter Weise zu durchlaufen. Die medi-
enpädagogische Praxis, so die Kritik in einer Wendung zum Argument für Medi-
enbildung weiter, muss dem Individuum also mehr anbieten als den Erwerb eines
feststellbaren Medienkompetenzniveaus. Und dieses Mehr sollen Bildungsprozes-
se sein, in denen das Verfügungswissen der Medienkompetenz als Gegenstand ei-
ner kritischen Reflexion zugänglich ist, Orientierungswissen aufgebaut und immer
wieder modifiziert werden kann. Aufgabe der Medienpädagogik muss also sein,
Lernumgebungen zu schaffen, in denen Medienbildungsprozesse angestossen
werden und stattfinden können (vgl. ebd., 53).
Kritik des deskriptiven Arguments
Als erste Prämisse des deskriptiven Arguments wird die Annahme getroffen, medi-
enkompetent zu sein bestehe darin, rein inhaltliches Verfügungswissen aufgebaut
zu haben. Mit Blick auf die in der erziehungswissenschaftlichen Debatte vorge-
schlagenen Analysen des Begriffs der Medienkompetenz ist allerdings festzustel-
len, dass zahlreiche Charakterisierungen von Medienkompetenz wenigstens einen
Aspekt beinhalten, der über im oben beschriebenen Sinne rein inhaltliches Verfü-
5
Marius Thomann www.medienpaed.com > 23.2.2015
gungswissen hinausgeht. So spricht z. B. Baacke von «Medienkritik» (1996, 120) als
einem Bestandteil von Medienkompetenz, den er weiter in eine analytische, eine
reflexive und eine ethische Unterdimension aufschlüsselt (vgl. ebd.). Auch in der
Darstellung von Rosebrock und Zitzelsberger (2002, 150 ff.), die neben dem Ansatz
Baackes fünf weitere zusammenfassen, sind durch alle Modelle hinweg solche Di-
mensionen enthalten, die das im Sinne der jeweiligen Analyse medienkompetente
Individuum nicht nur zu den Inhalten des medialen Gegenstandsbereiches in ein
Verhältnis setzen, sondern auch zu dem medialen Gegenstandsbereich selbst.
Vor dem Hintergrund dieser Beobachtung stellt sich die Frage, welche Formen
von Orientierungswissen die Medienkompetenz als uneingelöste Desiderata offen
lässt. Mit anderen Worten: Warum verfügt das im Sinne dieser Analysen medien-
kompetente Individuum lediglich über rein inhaltliches Wissen und ebensolche
Fähigkeiten? Auf diese Frage wird später erneut einzugehen sein. Hier soll die
Feststellung genügen, dass die fragliche Voraussetzung des deskriptiven Argu-
ments dringender Klärung vor dem Hintergrund der Modellierungen von Medien-
kompetenz bedarf, die in der wissenschaftlichen Debatte diskutiert werden. Die-
sen liegt nämlich gerade kein «funktional-technologisches Kompetenzverständ-
nis» (Tulodziecki 2011, 22) zugrunde, während eine solche Auffassung die Basis der
zur Diskussion stehenden Prämisse zu sein scheint.
Das normative Argument: Zweckorientierung vs. Selbstzweck
Medienkompetent zu sein wurde oben beschrieben als Zustand, in dem das In-
dividuum ein bestimmtes Mass medienbezogenen Verfügungswissens aufgebaut
hat. An dieser Stelle ist eine Auffassung dieses Konzeptes naheliegend, unter der
Medienkompetenz ein Bündel mehrerer Einzelkompetenzen ist (vgl. Schorb 2009,
52 ff.). Gestützt wird dieses Verständnis durch theoretische Arbeiten zur Medien-
kompetenz (vgl. z. B. Baacke 1996, 120; Rosebrock u. Zitzelsberger 2002, 150 ff.),
in denen der Begriff in Unterdimensionen aufgeschlüsselt wird, so dass der Ein-
druck entstehen mag, der empirische Zugang zur Medienkompetenz geschehe
über einen wohldefinierten Katalog einzelner Bestandteile. Durch diese Analyse
in Unterkompetenzen ist es möglich, den Erwerb von Medienkompetenz extern
zu motivieren. Medienkompetenz ist nicht nur deshalb als erstrebenswertes Ziel
anzusehen, weil sie der individuellen Persönlichkeitsentwicklung und einer reflek-
tierten Selbstsozialisation dienlich ist – die sich aus dem deskriptiven Argument
ergebenden strukturellen Bedenken seien hier vernachlässigt –, sondern ist darü-
ber hinaus in vielen anderen Bereichen nützlich, z. B. für die Qualität der eigenen
Leistungen im Studium oder die immer wichtiger werdende Profilierung auf dem
Arbeitsmarkt. Wer kompetent im Internet nach Literatur suchen oder die Möglich-
keiten sozialer Netzwerke ausnutzen kann, wer «Webdesign» oder «kompetenter
Umgang mit Office-Anwendungen» in seinen Lebenslauf schreiben kann, scheint
6
Marius Thomann www.medienpaed.com > 23.2.2015
sich damit einen Vorteil gegenüber anderen erarbeitet zu haben. Medienkompe-
tenz ist also nicht nur als normatives Ideal medienpädagogischen Handelns moti-
viert, sondern auch durch Zielwerte ausserhalb der Pädagogik.
Anders die Medienbildung: Sie ist gerade kein Zustand, wie oben diskutiert wurde,
sondern ein prinzipiell offener Prozess, in dem sich das Individuum immer wieder
von neuem selbst in seiner medialen Lebenswelt positioniert. Dabei halten sich
Medienbildungsprozesse für sich selbst offen, indem sie das ständig im Aufbau be-
findliche Orientierungswissen als modifizierbar qualifizieren. Das Individuum soll in
der Lage sein, «auch unter schwierigen Umständen frei zu denken und zu handeln»
(Hugger 2006, 29), d. h., es soll in selbstbewusster Weise seine Persönlichkeit ent-
wickeln und sein Verhältnis zu sich selbst und zur Welt bestimmen. Während me-
dienkompetentes Handeln die Anwendung erlernter «Wahrnehmungs-, Gefühls-,
Denk-, Handlung- und Wertungsmuster» (Spanhel 2010, 52) meint, werden diese
Muster in Medienbildungsprozessen allererst ausgebildet (vgl. ebd.). Der einzige
Zweck dieser Prozesse und damit die einzig infrage kommende Motivation für sie
ist die Bildung der Persönlichkeit, d. h., Bildungsprozesse im Allgemeinen und ins-
besondere Medienbildungsprozesse sind
Selbstzweck
, für die es «kein von aussen
‹hinzufügbares› Bildungsziel» (Jörissen 2011, 221) gibt.
Während das oben rekonstruierte erste Argument auf der Diagnose einer struk-
turellen Unzulänglichkeit des Begriffs der Medienkompetenz in Bezug auf eines
der übergeordneten Ziele pädagogischen Handelns beruht, liegt im Kern des nun
formulierbaren zweiten Arguments ein normativer Anspruch gegenüber dem Ziel-
wert wenigstens der Medienpädagogik. Vor allem in dem von Jörissen als «öffent-
lich-politisch-administrativ» (2011, 212) bezeichneten Diskurs birgt die Möglichkeit
externer Motivation, die oben als Eigenschaft von Medienkompetenz diskutiert
wurde, gleichzeitig die Gefahr externer Ziel- und Inhaltsvorgaben. Bei Übernahme
von Medienkompetenz als Zielwert öffnet sich die Medienpädagogik in der Ent-
wicklung und Bewertung ihrer Massnahmen dem Einfluss externer Interessen, z. B.
zweckrationalen Anforderungen des Arbeitsmarktes (vgl. Hugger 2006, 31). Sie
teilt dann die begriffliche Ebene mit solchen Akteuren, deren Ziel nicht die freie
und selbstbestimmte Entwicklung der individuellen Persönlichkeit ist, deren Ab-
sichten diesem von der Pädagogik angestrebten Prozess schlimmstenfalls sogar
entgegenwirken. Medienkompetenz ist daher als Zielwert der Medienpädagogik
abzulehnen, da mit ihr ein Hauptanliegen der Pädagogik zugunsten einer Termi-
nologie in den Hintergrund rücken würde, die an Kriterien der Zweckrationalität
orientiert und somit pädagogisch inadäquat ist.
Die unausgesprochene normative Prämisse in dieser Argumentation scheint fol-
gende zu sein: Zielwerte der Pädagogik, wenigstens in der Medienpädagogik,
dürfen sich nicht zweckrationalistisch begründen lassen. Darüber wird später noch
zu sprechen sein. Die Wendung dieser Kritik zum Argument für Medienbildung
7
Marius Thomann www.medienpaed.com > 23.2.2015
als Zielwert der Medienpädagogik ist offensichtlich: Medienbildung ist reiner
Selbstzweck und damit immun gegenüber externen, d. h. ausserhalb der Päda-
gogik formulierten Anforderungen. Bildungsprozesse und somit insbesondere
Medienbildungsprozesse sind weder funktionalisierbar noch planbar (vgl. ebd.).
Aufgabe der Medienpädagogik ist es, wie oben bereits angesprochen, Lernumge-
bungen zu schaffen, die das Stattfinden medialer Bildungsprozesse begünstigen.
Aber diese Prozesse lassen sich nicht gezielt initiieren oder auch nur vorhersagen
(vgl. Jörissen 2011, 219). Sie sind lediglich
ex post facto
feststellbar und belegen
dann die Qualität der medienpädagogischen Massnahme, die sie ermöglicht hat.
Da sich Medienbildung auf diese Art den konkreten externen Anforderungen vor
allem des oben genannten öffentlich-politisch-administrativen Diskurses entzieht,
die immer planbar sein müssen und auf evaluierbare Ergebnisse zielen (vgl. ebd.,
213 ff.), ist sie als Zielwert der Medienpädagogik nur rein pädagogisch und somit
insbesondere nicht zweckrationalistisch zu begründen.
Kritik des normativen Arguments
Angenommen, die Bestimmung ihres Zielwertes als Medienkompetenz bringt die
medienpädagogische Praxis tatsächlich auf eine gemeinsame begriffliche Ebene
mit externen Akteuren, deren Interessen nicht die der Pädagogik sind. Und es sei
ausserdem angenommen, dass als Konsequenz hieraus eine Einflussnahme dieser
externen Akteure auf die Gestaltung und Bewertung medienpädagogischer Mass-
nahmen möglich ist. Die Konklusion, Medienkompetenz sei als Zielwert abzuleh-
nen, da sie zweckrationale Kategorien in die Medienpädagogik importiere, folgt
unter diesen Prämissen aber vermutlich nur dann, wenn Zielwerte der Medienpä-
dagogik externen Akteuren prinzipiell nicht zugänglich und d. h. mit zweckrationa-
len Kategorien prinzipiell nicht erfassbar sein dürfen. Die Qualität des normativen
Arguments steht und fällt also mit dieser Zusatzannahme.
Die Begründung dieser Zusatzannahme scheint nun aber nur auf einem Weg erfol-
gen zu können: Zu zeigen ist eine Unverträglichkeit solcher Ziele, die zweckrational
zugänglich sind, mit einem Hauptanliegen der Medienpädagogik, nämlich den
selbstbestimmten Prozess der medialen Sozialisation zu begleiten. Ein Gegenbei-
spiel hierfür liefert jedoch die von Baacke (1996) vorgeschlagene Analyse von Me-
dienkompetenz. In den Hauptdimensionen der Medienkunde, der Mediennutzung
und der Mediengestaltung sind Unterdimensionen enthalten, deren jeweilige Aus-
prägung operationalisierbar und somit auch individuell evaluierbar ist, z. B. die
«
instrumentell-qualifikatorische
Dimension» (ebd., 120, Hervorh. im Original) oder
die «Programm-Nutzungskompetenz» (ebd.). Medienkompetenz im Sinne Baa-
ckes lässt sich zumindest teilweise auch in zweckrationalen Kategorien begründen.
Bedienkompetenz, also die von Baacke als instrumentell-qualifikatorisch bezeich-
nete Unterdimension, lässt sich auch ausserhalb der Pädagogik als erstrebens-
8
Marius Thomann www.medienpaed.com > 23.2.2015
wert motivieren. Warum der Erwerb von Medienkompetenz in diesem Sinne dem
genannten Hauptanliegen der Medienpädagogik im Wege stehen sollte, bleibt
unklar. Für eine selbstbestimmte Positionierung des Individuums in der medial
durchdrungenen Welt sind schliesslich auch Unterkompetenzen notwendig, die
sich an den strukturellen Forderungen ebendieser Medienwelt orientieren. Schon
dadurch lassen sie sich als zweckrational charakterisieren, doch dienen sie letztlich
genau der Annäherung an das übergeordnete pädagogische Ideal. Vergleichbar
ist diese Problemlage mit dem Verhältnis zwischen Lese- oder Schreibkompetenz
und einem allgemeinen Bildungsideal im Sinne Humboldts: Letzteres ist nicht er-
schöpfend durch derartige operationalisierbare und sicherlich auch von ausser-
halb der Pädagogik motivierbare Kompetenzen einzufangen. Doch auch wenn der
Erwerb dieser Kompetenzen nicht im strikten Sinne notwendig für das Erreichen
des übergeordneten Ziels sein mag, so ist er ihm doch in hohem Masse zuträglich.
Bei genauerer Betrachtung erweist sich also wenigstens eine implizite Zusatzan-
nahme, die den Schluss auf die gewünschte Konklusion erlauben würde, als bes-
tenfalls fragwürdig und näherer Begründung bedürftig, schlimmstenfalls sogar als
offensichtlich widerlegbar. Ist aber die hier diskutierte Prämisse nicht haltbar, muss
die Lücke des normativen Arguments mit einer anderen Voraussetzung geschlos-
sen werden.
Drei Adäquatheitskriterien medienpädagogischer Zielwerte
Sind obige Erwiderungen auf die vorgestellten Argumente erfolgreich, so ist we-
nigstens eine negative Verteidigung von Medienkompetenz als Zielwert der me-
dienpädagogischen Praxis geleistet. Im Folgenden werden drei Adäquatheitskri-
terien für Zielwerte der medienpädagogischen Praxis vorgeschlagen, die als Be-
wertungsmassstab die Grundlage einer positiven Verteidigung von Medienkom-
petenz bilden können. Zuvor sei nochmals auf die systematische Grundannahme
dieser Ausführungen verwiesen: Ein Hauptanliegen der pädagogischen Praxis im
Allgemeinen ist es, die Entwicklung der individuellen Persönlichkeit und den Pro-
zess der Sozialisation zu begleiten. Für die Medienpädagogik lässt sich damit eine
Spezialisierung dieser allgemeinen Aufgabe ableiten, die zugleich das erste Ad-
äquatheitskriterium liefert:
(1) Medienpädagogische Zielwerte müssen dem Hauptanliegen der Medianpäd-
agogik zuträglich sein, das darin besteht, Prozesse der individuellen Persön-
lichkeitsentwicklung und der Sozialisation immer dort zu begleiten, wo sie im
medialen Rahmen stattfinden.
Kriterium (1) ist von zentraler Wichtigkeit für jeden Zielwert, bleibt dabei aber doch
nur eine Minimalanforderung. Eingangs wurde aus dem angenommenen Haupt-
anliegen der Pädagogik die Forderung nach einer theoretisch fundierten und
praktisch anschlussfähigen Medienpädagogik begründet. Die Forderung nach
9
Marius Thomann www.medienpaed.com > 23.2.2015
theoretischer Grundlegung und praktischer Relevanz überträgt sich auch auf den
Zielwert medienpädagogischer Praxis, so dass sich in Ergänzung zu (1) die folgen-
den beiden Adäquatheitskriterien ergeben:
(2) Medienpädagogische Zielwerte müssen theoretisch begründet sein, d. h. eine
begriffliche Grundlage im Rahmen der Pädagogik haben.
(3) Medienpädagogische Zielwerte müssen praktisch anschlussfähig sein, d. h., sie
müssen begrifflich eindeutige Ziele für die Praxis bestimmen, die
i. umsetzbar sind und
ii. Leitfäden für die Entwicklung und Bewertung medienpädagogischer Mass-
nahmen formulieren.
Abschliessend werden nun die Konzepte der Medienbildung und der Medienkom-
petenz vor dem Hintergrund dieser Kriterien diskutiert.
Medienbildung
Im Hinblick auf Kriterium (1) scheint die Behauptung unstrittig, Medienbildung
sei dem genannten Hauptanliegen der Medienpädagogik zuträglich. Dieses ist
schliesslich, die im medialen Rahmen stattfindenden Prozesse der individuellen
Persönlichkeitsentwicklung und der Sozialisation zu begleiten. Doch hier zeigt
sich bei genauerer Betrachtung eine kategoriale Unklarheit: Wie kann die Medi-
enpädagogik Medienbildungsprozesse begleiten, wenn diese doch der Zielwert
sind, an dem die Entwicklung und Bewertung medienpädagogischer Massnahmen
ausgerichtet ist? In Ergänzung zu Spanhel (2010, 53) liesse sich sagen, die Aufga-
be der Medienpädagogik bestehe darin, Lernumgebungen zu schaffen, in denen
Medienbildungsprozesse angestossen werden und stattfinden können, und diese
Prozesse auch zu begleiten. Doch stellt sich dann die Frage, an welchem Zielwert
die Begleitung dieser Prozesse ausgerichtet sein soll. Möglicherweise handelt es
sich bei dieser Kritik am Konzept der Medienbildung als Zielwert der Medienpäd-
agogik lediglich um eine terminologische Spitzfindigkeit, die sich leicht beheben
lässt. Diese Frage soll daher hier nicht weiter vertieft werden, aber sie verdient
eine Antwort.
Auch die theoretische Fundierung und damit die Adäquatheit von Medienbildung
im Sinne von Kriterium (2) scheint
prima facie
offensichtlich zu sein, handelt es sich
wenigstens bei dem enthaltenen Bildungsbegriff um eines der zentralen pädago-
gischen Konzepte. Auffällig ist hierbei zunächst nur eine hartnäckige Unschärfe
dieses zentralen Begriffs (vgl. Hugger 2006, 30), die an das Konzept der Medien-
bildung vererbt zu werden scheint. Naheliegend ist in jedem Fall, die Haltbarkeit
des allgemeinen Bildungsbegriffs als notwendige Voraussetzung an die des Me-
dienbildungsbegriffs zu knüpfen, wobei eine Untersuchung des allgemeinen Be-
griffs den Rahmen dieser Ausführungen sprengen würde und daher nicht erfolgt.
Festzustellen ist allerdings, dass auch der enthaltene Medienbegriff in verschie-
10
Marius Thomann www.medienpaed.com > 23.2.2015
denen Bedeutungen verwendet wird. Einerseits sind damit Medien in demselben
Sinne gemeint, in dem sich auch die Medienkompetenz als medienbezogen ver-
steht. Laut Tulodziecki ist der Medienbildungsbegriff dann aber «eher aus prag-
matischen, denn aus bildungstheoretischen Gründen» (2011, 27) motiviert, so dass
zu prüfen wäre, ob das so verstandene Konzept der Medienbildung Kriterium (2)
erfüllt. Andererseits wird etwa von Spanhel der Medienbegriff derart liberalisiert,
dass es ihm möglich ist, Medienbildung als den «Prozess und das Ergebnis der
Reflexion der Medialität aller Bildungsinhalte und Bildungsprozesse» (2010, 53) zu
bestimmen. Abgesehen von einer erneuten kategorialen Unschärfe – handelt es
sich um einen Prozess oder um das Ergebnis eines Prozesses? – ist nun zu fragen,
ob es sich hierbei noch um einen Zielwert, d. h. ein normativ gehaltvolles Ideal
für die medienpädagogische Praxis handeln kann, ob also dieses Verständnis von
Medienbildung in Einklang mit Kriterium (3) zu bringen ist. Ähnliches scheint für
das Konzept der strukturalen Medienbildung (vgl. z. B. Marotzki u. Jörissen 2010;
Jörissen 2011) zu gelten, das als rein deskriptiver Begriff zunächst normativ neutral
bleibt.
In Bezug auf die praktische Anschlussfähigkeit des Begriffs der Medienbildung im
Sinne von Kriterium (3) steht zu befürchten, dass die dem Bildungsbegriff eigene
Unschärfe sowie die Unmöglichkeit, Bildungsprozesse gezielt zu initiieren oder
vorherzusagen die Implementierung medienpädagogischer Massnahmen, die auf
diesen Zielwert hin entwickelt sind, in erheblichem Masse erschwert (vgl. Hug-
ger 2006, 30). Ausserdem sind Medienbildungsprozesse, d. h. nach den bisherigen
Ausführungen Prozesse individueller Persönlichkeitsentwicklung und der Soziali-
sation, die im medialen Rahmen stattfinden und die Orientierungswissen in Bezug
auf die mediale Lebenswelt erzeugen, zunächst normativ neutral und damit, wie
oben bereits gesagt, nicht direkt als Zielwerte mit Kriterium (3) zu versöhnen. Das
Konzept muss normativ angereichert werden, damit in der medienpädagogischen
Praxis erkennbar ist, welche der formalen Entwicklungs- und Sozialisationsprozes-
se aus inhaltlichen Gründen anzustossen sind, denn sicherlich sind auch solche
Prozesse denkbar, deren Tendenz z. B. in ethischer Hinsicht als problematisch ein-
zustufen ist. In welcher Form diese Anreicherung erfolgen kann, wird hier nicht
weiter diskutiert.
Festzuhalten sind gewisse Defizite, die das Konzept der Medienbildung als Ziel-
wert der Medienpädagogik in Hinblick auf die oben formulierten Kriterien auf-
weist. Dabei soll nicht der Eindruck entstehen, es handele sich um prinzipielle und
strukturelle Probleme, die nicht zu überwinden sind, doch es ergibt sich die Not-
wendigkeit, die begriffliche Grundlage und ihre Schnittstelle zur pädagogischen
Praxis präziser zu fassen. Anderenfalls besteht die Gefahr, das medienpädagogi-
sche Handeln an einem unbeständigen und wenig belastbaren Ideal auszurichten.
11
Marius Thomann www.medienpaed.com > 23.2.2015
Medienkompetenz
Bezüglich der in Kriterium (1) ausgedrückten Forderung ist die folgende oben
bereits getroffene Feststellung von zentraler Wichtigkeit: In einem pädagogisch
reflektierten Diskurs über Medienkompetenz wird ihre Analyse gerade nicht auf
ein rein inhaltliches Verfügungswissen verkürzt. Medienkompetenz im Sinne die-
ser Begriffsbestimmungen weist über reines Wissen-dass und Wissen-wie hinaus,
indem sie immer auch eine reflexive Dimension enthält. Das bedeutet, der Erwerb
zweckrational motivierbarer Unterkompetenzen ist nicht hinreichend für das Vor-
liegen von Medienkompetenz. Medienkompetent zu sein bedeutet nämlich auch,
über Fähigkeiten zu verfügen, die «ebenso die kritische Aneignung von Medien
[…] als auch eine mögliche Distanzierung» (Schorb 2009, 51) beinhalten. Mit ande-
ren Worten: Durch die Förderung von Medienkompetenz lassen sich die Prozesse
der individuellen Persönlichkeitsentwicklung und der Sozialisation begleiten, die
im medialen Rahmen stattfinden.
Die theoretische Grundlegung von Medienkompetenz erfolgt bei Baacke vor den
Hintergrund von Chomskys linguistischer Theorie einer universellen Grammatik
und Habermas’ Modell des idealen Diskurses. Diese beiden Ansätze werden, pä-
dagogisch gewendet, im Ideal einer offenen und gleichberechtigten Kommunika-
tion integriert, an der alle Individuen gemäss der ihnen eigenen kommunikativen
Grundfähigkeit teilhaben können (vgl. Baacke 1996, 115). Die volle Ausbildung die-
ses Grundvermögens ist im Grenzwert die Medienkompetenz, die dem medien-
kompetenten Individuum die freie und selbstbestimmte Partizipation an seiner
medialen Lebenswelt ermöglicht. Mit dieser begrifflichen Anbindung scheint das
Desideratum theoretischer Fundiertheit im Sinne von Kriterium (2) erfüllt zu sein.
Aber auch der Kompetenzbegriff im Allgemeinen, und damit die Medienkompe-
tenz als ein Spezialfall davon, ist im theoretischen Diskurs der Pädagogik begrün-
det (vgl. Tulodziecki 2011, 20 ff.), so dass es legitim zu sein scheint, in dieser Hin-
sicht eine positive Antwort auszusprechen.
Auch in Bezug auf Kriterium (3) scheint es keine Bedenken zu geben, Medien-
kompetenz als Zielwert zu empfehlen. Was als Ausgangspunkt des normativen Ar-
guments beschrieben wurde, nämlich die Auffassung von Medienkompetenz als
einem Bündel von zum Teil operationalisierbaren Unterkompetenzen, erweist sich
hinsichtlich der Forderung nach praktischer Anschlussfähigkeit gerade als Stärke
dieses Konzepts. So erlauben z. B. die oben genannten operationalisierbaren Un-
terdimensionen bei Baacke (1996, 120) die Formulierung konkret inhaltlicher Ziel-
vorgaben unter dem allgemeinen Zielwert der Medienkompetenz. Medienpäda-
gogische Massnahmen können z. B. mit dem Ziel entwickelt werden, die Bedien-
kompetenz oder das Wissen um organisatorische Zusammenhänge im medialen
Raum auf ein bestimmtes Niveau zu bringen, und sie lassen sich in ihrer Qualität
danach beurteilen, inwieweit sie diese Ziele erreichen. Notwendige Voraussetzung
12
Marius Thomann www.medienpaed.com > 23.2.2015
hierfür ist natürlich eine inhaltlich ausgestaltete Charakterisierung von Medien-
kompetenz, die im formalen Rahmen des Kompetenzbegriffs aber einfacher zu
leisten ist, als vor dem Hintergrund eines Begriffs von Medienbildung, dessen
prinzipielle Unbestimmtheit als eines seiner wesentlichen Merkmale gesehen wird
(vgl. Hugger 2006, 30). Wie ebenfalls gesagt, ist der Erwerb dieser Kompetenzen
nicht hinreichend für das Vorliegen von Medienkompetenz. Daraus ergeben sich
weitere Konsequenzen für die medienpädagogische Praxis unter diesem Zielwert,
die jedoch im positiven Sinne Leitlinien definieren und somit die Adäquatheit im
Sinne von Kriterium (3) zusätzlich betonen: Um die Ausbildung der Kompetenzen
zu fördern, die unter die reflexive Dimension fallen und nur schwer operationali-
sierbar sind, ist die Freisetzung intrinsischer Motivation erforderlich, was z. B. nach
Baacke die Projektarbeit zum Mittel der Wahl in der Medienpädagogik macht (vgl.
1999, 91). Medienkompetenz bietet also nicht nur einen Katalog inhaltlicher und
feststellbarer Unterziele, sondern formuliert gleichzeitig Anforderungen an die
Methodik.
Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass sich Medienkompetenz als ein Ziel-
wert medienpädagogischer Praxis anbietet, der zumindest in Bezug auf die oben
formulierten Kriterien tragfähig und fruchtbar ist. Wichtig ist hierbei natürlich eine
entsprechend reichhaltige Charakterisierung dieses Konzepts, die aber auch der
gemeinsame Nenner aller Analysen zu sein scheint, die im relevanten medienpäd-
agogischen Diskurs vorgeschlagen werden.
Fazit und Ausblick
In den vorangegangenen Ausführungen zur Frage, ob Medienkompetenz oder
Medienbildung der Zielwert medienpädagogischer Praxis sein sollte, wurden aus
der in den Jahren 2009 und 2010 in der Zeitschrift
merz: Medien + Erziehung
ge-
führten Debatte zunächst zwei Argumente gegen Medienkompetenz rekonstruiert,
die zugleich für Medienbildung sprechen sollen. Das Ergebnis der kritischen Un-
tersuchung dieser beiden Argumente lässt sich in spitzer Formulierung folgender-
massen zusammenfassen: Die Skepsis gegenüber Medienkompetenz als Zielwert
beruht auf einer begrifflichen Verwechslung. Das Verständnis von Medienkompe-
tenz, das die öffentlichen, politischen und ökonomischen Diskurse bestimmt und
an einem «anforderungsorientierten Qualifikationsbegriff» (Tulodziecki 2010, 50)
orientiert ist, muss von dem Konzept unterschieden werden, das im Kontext der
Medienpädagogik entwickelt und dort als Zielwert zur Diskussion gestellt wird.
Letzteres lässt sich nicht nur gegenüber den vorgebrachten Einwänden verteidi-
gen, sondern empfiehlt sich im Gegensatz zur Medienbildung sogar in positiver
Weise als Zielwert medienpädagogischer Praxis. Die Basis für diese positive Ver-
teidigung von Medienkompetenz waren der begriffliche Bezugsrahmen der oben
genannten Debatte sowie drei Adäquatheitskriterien, die aus der Annahme abge-
13
Marius Thomann www.medienpaed.com > 23.2.2015
leitet wurden, eine vorrangige Aufgabe der pädagogischen Praxis sei es, Prozesse
der individuellen Persönlichkeitsentwicklung und der Sozialisation zu begleiten.
Weiterhin zu prüfen wäre somit, ob diese grundlegende Annahme über das all-
gemeine Ziel der Pädagogik, die hier ohne nähere Begründung getroffen wurde,
haltbar ist. Bei einem positiven Ergebnis in dieser Frage, lassen sich auch die hier
vorgeschlagenen Adäquatheitskriterien weiter schärfen und theoretisch festigen.
Letztlich, so die Ansicht des Autors, sollten sowohl die Frage nach dem Zielwert
der medienpädagogischen Praxis als auch die an anderer Stelle zu behandeln-
de Frage nach einem Leitbegriff medienpädagogischer Theoriebildung auf der
Grundlage präzise formulierter und begrifflich belastbarer Kriterien entschieden
werden.
Literatur
Baacke, Dieter. 1996. «Medienkompetenz – Begrifflichkeit und sozialer Wandel.»
In
Medienkompetenz als Schlüsselbegriff
, hrsg. v. Ante von Rein, 112–124. Bad
Heilbrunn: Julius Klinkhardt.
Baacke, Dieter. 1999. «Projekte als Formen der Medienarbeit.» In
Handbuch Medi-
en: Medienkompetenz – Modelle und Projekte
, hrsg. v. Dieter Baacke, 86–93.
Bonn: Bundeszentrale für Politische Bildung.
Fromme, Johannes. 2009. «Mediensozialisation/Medienbildung.» In
Handbuch
der Erziehungswissenschaft, Bd. III,
hrsg. v. Hildegard Macha, Monika Witzke,
Norbert Meder, Christina Allemann-Ghionda, Uwe Uhlendorff u. Gerhard Mer-
tens, 931–938. Paderborn: Schöningh.
Fromme, Johannes und Benjamin Jörissen. 2010. «Medienbildung und Medien-
kompetenz – Berührungspunkte und Differenzen nicht ineinander überführba-
rer Konzepte.»
merz: Medien + Erziehung
54 (5): 46–54.
Hugger, Kai-Uwe. 2006. «Medienkompetenz vs. Medienbildung? Anmerkungen
zur Zielwertdiskussion in der Medienpädagogik.» In
Methoden und Konzepte
medienpädagogischer Projekte. Dieter Baacke Preis, Handbuch
1, hrsg. v. Jür-
gen Lauffer u. Renate Röllecke, 29–36. Bielefeld: GMK.
Jörissen, Benjamin. 2011. «‹Medienbildung› – Begriffsverständnisse und -reichwei-
ten.» In
Medienbildung und Medienkompetenz – Beiträge zu Schlüsselbegrif-
fen der Medienpädagogik,
hrsg. v. Heinz Moser, Petra Grell u. Horst Niesyto,
211–235. München: kopaed.
Marotzki, Winfried und Benjamin Jörissen. 2010. «Dimensionen strukturaler Me-
dienbildung.» In
Jahrbuch Medienpädagogik 8. Medienkompetenz und Web
2.0, hrsg. v. Bardo Herzig, Dorothee M. Meister, Heinz Moser u. Horst Niesyto,
19–39. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
14
Marius Thomann www.medienpaed.com > 23.2.2015
Rosebrock, Cornelia und Olga Zitzelsberger. 2002. «Der Begriff Medienkompetenz
als Zielperspektive im Diskurs der Pädagogik und Didaktik.» In
Medienkompe-
tenz – Voraussetzungen, Dimensionen, Funktionen
, hrsg. v. Norbert Groeben
u. Bettina Hurrelmann, 148–159. Weinheim: Juventa.
Schorb, Bernd. 2009. «Gebildet und kompetent. Medienbildung statt Medienkom-
petenz?»
merz: Medien + Erziehung
53 (5): 50–56.
Spanhel, Dieter. 2010. «Medienbildung statt Medienkompetenz? Zum Beitrag von
Bernd Schorb (merz 5/09).»
merz: Medien + Erziehung
54 (1): 49–54.
Tulodziecki, Gerhard. 2010. «Medienkompetenz und/oder Medienbildung? Ein
Diskussionsbeitrag.»
merz: Medien + Erziehung
54 (3): 48–53.
Tulodziecki, Gerhard. 2011. «Zur Entstehung und Entwicklung zentraler Begriffe
bei der pädagogischen Auseinandersetzung mit Medien.» In
Medienbildung
und Medienkompetenz – Beiträge zu Schlüsselbegriffen der Medienpädago-
gik
, hrsg. v. Heinz Moser, Petra Grell u. Horst Niesyto, 11–39. München: kopaed.
... Thus, media competence or digital (media) competence are broader concepts describing what is required to master (digital) media. Although the concepts of media competence and media literacy should not be used synonymously, they have certain overlaps in structure and content (Fallon 2020;Thomann 2015;Tulodziecki 2011). In the following, we focus on media competence and digital competence to address the 2 Motivational beliefs are defined as beliefs integrated into mental processes that drive, select, and direct the intensity and persistence of behavior and thus answer the question "What do people want, and how do they go about getting it?" ...
... The competent use of media is considered desirable because it contributes to individual development in areas including education, social communication, and the job market (OECD 2021, OECD 2022Thomann 2015). In German-speaking regions, two concepts are frequently juxtaposed when addressing the use of media: media competence and digital competence. ...
... Media competence is described by Fromme (2009) as a process of actively exploring the current analog and digital media world and acquiring relevant behaviors. The definitions of the concept explicitly focus on declarative and procedural knowledge as well as associated skills (Thomann 2015). Baackes' idea of media competence focuses on communication with the help of analog and digital media, that is, print media, television, and computers, and focuses on understanding media and reality by using media and producing and designing media and reality (Baacke 1999). ...
Article
Full-text available
The rapid integration of digital processes into professional settings requires continuous training in digital media to promote the development of digital competence. To scientifically investigate and verify these continuing educational processes, the construct of digital competence must be operationalized. This poses challenges in the quantitative measurement of the construct and calls for open dialogue. This paper highlights the challenges faced in investigating and measuring digital competence using research on teachers as an illustrative example. Current challenges are (a) the absence of a unified definition of digital competence, (b) debates regarding the relation between basic and professional digital competence, (c) questions about the justification of skills, knowledge, and motivation, as well as (d) issues with inconsistent terminology and the mismatch with existing measurement, referred to as jingle-jangle fallacies. These challenges jeopardize transparency and interdisciplinary dialogue in the field. The paper discusses existing challenges and proposes solutions for enhancing transparency and avoiding research pitfalls. Strategies such as establishing accurate theoretical foundations, clarifying the elements of the competence being measured, and employing precise terminology are suggested to advance interdisciplinary research on teachers' digital competence.
... Letzterer wird insbesondere dafür kritisiert, dem prozesshaften Medienbildungsbegriff eine erwerbbare Medienkompetenz entgegenzustellen, die eher auf einen Zustand verweist und weniger auf Persönlichkeitsbildungsprozesse als auf inhaltliche Wissensbestände und Fähigkeiten eingeht (vgl. Thomann 2015). Umgekehrt beinhalten klassische Medienkompetenzmodelle wie das von Baacke (2007) auch kritisch-analytische, reflexive oder ethische Elemente (Rosebrock/ Zitzelsberger 2002), entsprechen also keinem "funktional technologische[n] Kompetenzverständnis" (Tulodziecki 2011, S. 22). ...
Book
Full-text available
Frühe Medienerziehung führt dazu, dass Kinder noch mehr Zeit vor Bildschirmen verbringen - das denken viele Eltern und auch Erzieher*innen. Die Sorge besteht, dass Kinder vor den Geräten "geparkt" werden, dass sie sich weniger bewegen und andere Bildungsbereiche vernachlässigt werden. Dabei gerät jedoch der zentrale Gedanke der Medienerziehung völlig in den Hintergrund: Wichtiger als die Frage, ob Medien genutzt werden, ist die Frage, wie sie genutzt werden. Damit Kinder gesund und sicher aufwachsen können, gilt es auszuloten, wie Kinder auf sichere und begleitete Art mit und über digitale Medien lernen können. Wie das Thema Digitale Medien in der frühkindlichen Bildung verankert werden kann und welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit Medienerziehung als eine gemeinsame Aufgabe von Kita und Familie verstanden wird - darüber gibt dieses Buch Aufschluss. Die hier vorgestellten Gelingensbedingungen und Handlungsempfehlungen stammen aus dem viereinhalbjährigen Forschungs- und Praxisprojekt "Medienerziehung im Dialog von Kita und Familie". Das Projekt wurde von der Stiftung Digitale Chancen in Kooperation mit der Stiftung Ravensburger Verlag und zehn Kitas in Berlin, Brandenburg und Niedersachsen durchgeführt.
Article
Full-text available
In den letzten Jahren stehen im medienpädagogischen Kompetenzdiskurs vermehrt digitale Medien im Fokus. Dieser Beitrag diskutiert einen theoretischen und methodischen Entwurf zur Neuakzentuierung von Medienkompetenz. Dies geschieht unter Rückgriff auf den Ansatz der Mediatisierung und des soziologischen Dispositivkonzeptes. Der Entwurf begründet seine Relevanz und sein methodisches Design beispielhaft an digitalisierten Wissensbeständen.
Article
Full-text available
Immersive VR media are increasingly being integrated into education and academic studies. Various forms of teaching benefit from the sense of presence, wherein users feel fully engaged in the virtual environment. Research indicates that the presence experienced in VR environments enhances user satisfaction, reduces errors during tasks, and promotes more enduring training effects. Since presence is a subjective phenomenon, it is expected to be influenced by user demographics, cognitive abilities, personality traits, interests, and emotions. In this systematic literature review, we examined scientific articles using Google Scholar to identify significant influences of these user factors on presence. Employing the PRISMA methodology, we analyzed a total of 33 articles that addressed our research question. The results indicate that only a subset of the anticipated factors significantly affect presence. These factors include the user's level of interest in the subject being experienced and any mental disorders associated with it. Additionally, factors such as the user's ability to perceive the spatial qualities of the virtual environment, their disposition toward kindness and generosity, and their inclination to engage with objects—such as media products—affect presence.
Chapter
Das politische Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung und die zunehmende Digitalisierung sämtlicher Lebens- und Arbeitsbereiche sind im aktuellen gesellschaftlichen, politischen und wissenschaftlichen Diskurs auf vielfältige Weise präsent und antizipieren Veränderungen oder Transformationen unserer individuellen und gesellschaftlichen Lebensverhältnisse. Die breite Themenvielfalt einer nachhaltigen Entwicklung zeigt sich beispielsweise in den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (SDGs) für deren Umsetzung Bildung ein hoher Stellenwert beigemessen wird. National wie international wird deshalb die Implementierung des Bildungskonzepts Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) vorangetrieben. Die thematische Breite der BNE und ihre inter- bzw. transdisziplinäre Vielfalt bietet diverse Anwendungsbereiche und Anknüpfungsmöglichkeiten an die aktuelle Lebenswelt von Lernenden, also an die mediatisierte, digitale Welt. Die Erlangung von Mündigkeit und kritischer Urteilsfähigkeit für die Wahrnehmung eigener Partizipationsmöglichkeiten sind zentrale Aspekte für die Förderung und Umsetzung einer Bildung für nachhaltigen Entwicklung (BNE). Eine mögliche Umsetzung von BNE-spezifischen Lernprozessen könnte durch eine erhöhte Nutzung von sozialen Medien im schulischen und außerschulischen Kontext angestoßen werden. Der Beitrag zeigt anhand von zwei empirischen Beispielen exemplarisch auf, wie Partizipation im Rahmen von BNE durch soziale Medien gefördert und umgesetzt werden kann. Abschließend wird diskutiert, welche Herausforderungen und welche Vorteile durch die Verbindung von BNE und Medienbildung im Hinblick auf die Nutzung sozialer Medien entstehen können.
Article
Full-text available
Kinder werden heute in eine mediatisierte Welt hineingeboren und ihr Alltag ist von Anfang an durch Medien geprägt. Neben den Eltern kommt auch den frühkindlichen Bildungseinrichtungen die wichtige Aufgabe zu, erste mediale Erfahrungen der Kinder aufzugreifen und sie auf einen souveränen Umgang mit Medien vorzubereiten. In den Bildungs- und Erziehungsplänen, die in den frühen 2000ern deutschlandweit eingeführt wurden, formulieren die Bundesländer Richtlinien für die pädagogische Arbeit in Kindertageseinrichtungen. Ziel der vorliegenden Studie ist es, zu prüfen, ob und wie die aktuellen Bildungspläne das Thema Medien aufgreifen und inhaltlich ausgestalten. Wir zeigen, dass die Bildungspläne hinsichtlich des Umfangs und der Ausgestaltung des Themas Medienerziehung stark variieren: Während manche Pläne es ausführlich und facettenreich behandeln, widmen sich andere dem Thema gar nicht oder nur sehr knapp. In Kontrast zu Friedrichs-Liesenkötter (2019) wird ein methodischer Ansatz vorgeschlagen, der weniger von strukturellen als von inhaltlichen Merkmalen ausgeht: Anhand von Baackes vier Dimensionen der Medienkompetenz (2007) schlüsseln wir zum einen auf, welche Fähigkeiten laut den Plänen in Bezug auf Medien erworben werden sollen. Zum anderen gruppieren wir die Pläne in vier Intensitätsstufen der Verankerung ein und analysieren sie einzeln in Hinblick auf ihre inhaltlichen Schwerpunkte. Die Studie bildet somit eine Grundlage für weitere empirische Forschung nach dem Einfluss der Bildungspläne auf die pädagogische Arbeit in Kindertageseinrichtungen.
Article
Full-text available
Der hier dargestellte Entwurf einer kritisch-rationalen Medienbildung basiert auf dem Entwurf einer kritisch-rationalen Medienpädagogik. Die Medienpädagogik im Allgemeinen und die Medienbildung im Speziellen müssen sich in der Bestimmung ihrer Grundbegriffe auf allgemeinpädagogische Arbeiten rückbeziehen und sollten nicht versuchen, ihre Grundbegriffe komplett neu zu definieren. Dies wird in diesem Beitrag exemplarisch für die Grundbegriffe Erziehung, Sozialisation und Bildung getan. Der Bildungsbegriff wird ausführlicher behandelt und es wird dafür plädiert, zwischen einer Medienausbildung und Medienselbstbildung zu unterscheiden. Beide Aspekte sind gleichermassen relevant für die Medienbildung, daher werden in einem weiteren Schritt Operationalisierungen vorgenommen, um die empirische Erforschung dieser Phänomene zu ermöglichen: Für den Teilbereich Medienausbildung kurz im Zusammenhang mit Medienkompetenz, für den Teilbereich Medienselbstbildung ausführlicher im Zusammenhang mit Persönlichkeitsforschung. Die Persönlichkeit wird hier als zentraler Anknüpfungspunkt für die Operationalisierung von Selbstbildung im medialen Kontext gesehen. Dazu wird kurz auf das Konstrukt Persönlichkeit eingegangen, um mit Zielbestimmungen für die Medienbildung zu schliessen. Medienbildung kann auf dieser Grundlage als ein Anwendungsfach konzipiert werden, welches gesellschaftliche Entwicklungen in medialer Hinsicht beobachten, Lösungen für Probleme solcher Entwicklungen formulieren und Prognosen liefern kann.
Article
Seit einiger Zeit ist zu beobachten, dass sich der Terminus „Medienbildung“ im Schnittfeld bildungs-, medien- und kulturtheoretischer Erwägungen zunehmend etabliert. In dem Kompositum aus „Medien“ und „Bildung“ ist bereits angedeutet, dass Bildungs- und Subjektivierungsprozesse sich grundsätzlich in medial geprägten kulturellen Lebenswelten und in medialen Interaktionszusammenhängen ereignen (vgl. Aufenanger 2000; Marotzki 2004). Dieser Grundannahme trägt das Konzept der Medienbildung Rechnung, indem es Aspekten der Medialität in der Bildungswissenschaft einen systematischen, d.h. theoriebildenden und forschungsleitenden Wert zuweist.
  • Johannes Fromme
Fromme, Johannes. 2009. «Mediensozialisation/Medienbildung.» In Handbuch der Erziehungswissenschaft, Bd. III, hrsg. v. Hildegard Macha, Monika Witzke, Norbert Meder, Christina AllemannGhionda, Uwe Uhlendorff u. Gerhard Mer tens, 931-938. Paderborn: Schöningh.