Content uploaded by Steve Pascolo
Author content
All content in this area was uploaded by Steve Pascolo on May 31, 2021
Content may be subject to copyright.
mRNA-Impfstoffformate
Sichere und effiziente mRNA-
Impfstoffe gegen SARS-CoV-2
Steve Pascolo
PD Dr., UniversitätsSpital Züric h
Die COVID--Pandemie fordert Menschenleben und ist verheerend für die Wirt-
scha. Die Entwicklung eines Impfstos auf der Basis von mRNA wurde beschleu-
nigt, sodass er wahrscheinlich noch vor Ende des Jahres zur Verfügung stehen wird.
Ein in der Schweizerischen Ärztezeitung veröentlichter Beitrag [] brachte mRNA-
Impfstoe älschlicherweise mit geährlichen Nebenwirkungen in Verbindung. Der
vorliegende Text möchte dies richtigstellen und die vielversprechenden Ergebnisse
darlegen, die in klinischen Studien der Phase I(/II) mit mRNA-Impfstoen gegen
SARS-CoV- erzielt wurden.
Die seit Jahren verf ügbare mRNA-Impfsto-Techno-
logie erährt nun durch die Pandemie endlich die er-
forderliche Entwicklung und önet nicht nur im
Kampf gegen SARS-CoV- neue Möglichkeiten für die
Impfstrategien gegen neue (und alte) Erreger []. Die
bisherige Erfahr ung liefert wer tvolle und beruhigende
Informationen zur Sicherheit und Wirksamkeit der
mRNA-Impfungen (für einen Überblick siehe aktuelle
Arbeiten von Alameh et al. [] zu Infektionskrankhei-
ten und von Gomez-Aguado et al. [] zu mRNA-Thera-
pien). Die möglichen Nebenwirkungen werden durch
den grossen Vorteil der raschen Verfügbarkeit für Mil-
lionen Menschen aufgewogen.
Sicherheitsaspekte von mRNA-Impfstoen
Als Mitgründer von CureVac im Jahr und Experte
für mRNA-Impfstoe (ich habe die erste pharmazeuti-
sche Produktion von mRNA und die ersten klinischen
Studien durchgeführt, bei denen Menschen mRNA-
Impfstoe injiziert wurden [–]) möchte ich zur
Sicherheit der Technologie Stellung nehmen. mRNA-
Impfstoe gibt es in verschiedenen Formaten (nicht-
replizierend versus selbstverstärkend) und Formulie-
rungen (nackt versus in Nanopartikeln formuliert).
Das nicht-replizierende mRNA-Format, insbesondere
wenn es «modiziert» ist (immunstimulierende Nuk-
leotide wie Uridin werden durch nicht-immunstimu-
lierende Nukleotide wie Pseudouridin ersetzt), hat sich
in mehreren veröentlichten präklinischen und klini-
schen Studien als ezient und sicher in der verwende-
ten Dosis, Formulierung und Applikation erwiesen.
Drei entscheidende Sicherheitsaspekte sind:
– RNA ist ein natürliches Molekül, das nach der Injek-
tion von den Zellen aufgenommen, in Proteine (das
Antigen) übersetzt und natürlich abgebaut wird. Die
vorübergehende (einige Stunden bis Tage anhal-
tende) Expression des Antigens führt zur Entwick-
lung einer adaptiven Immunantwort. Von der inji-
zierten mRNA bleiben keine Spuren zurück, da die
RNA innerhalb von maximal einigen Tagen in ihre
natürl ichen Bestandteile (Nu kleotide) abgebaut wird.
– Die Formulierung, am häugsten in Liposomen,
könnte möglicherweise Sicherheitsbedenken auf-
werfen, z . B. was die Phar makokineti k der injizierten
Lipide betri. Dank der Fortschritte bei den RNA-
Formulierungen, selbst für
chronische Verabreichungen
(Gentherapien mit RNA, zum
Beispiel Onpattro®), konnten
jedoch sichere Nanopartikel
entwickelt werden.
– Die durch den Impfsto
induzierte Immunantwort
könnte theoretisch
Probleme auslösen
(z. B. Autoimmuni-
tät, Allergie, Er-
leichterung der Vi-
rusinfektion usw.),
wie dies bei jedem
Impfsto der Fall ist.
TRIBUNE Covid -19 1234
BULLETIN DES M ÉDECINS SUISS ES – SCHW EIZERISCHE Ä RZT EZEITUNG – BOLLET TINO D EI MEDICI SVIZ ZERI 2020;101(39):1234–1236
Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Format, Formulierung, Dosis/Zeitplan und Injektions-
stelle der mRNA beeinussen Sicherheitsprol und
Wirksamkeit des Impfstos. Dies muss systematisch
durch Dosis-Eskalationsstudien der Phase I(/II) getes-
tet werden. Im Zusammenhang mit COVID- wurden
im Sommer die Ergebnisse von zwei Phase-I(/II)-
Studien veröentlicht, bei denen intramuskuläre In-
jektionen von liposomal formulierter, nicht-replizie-
render modizierter mRNA verwendet wurden.
Studienergebnisse
– Moderna (Boston, USA) begann am . März mit der
Injektion ihres Impfstoormats (mRNA-, für
ein mutiertes «Pre-Fusion» SARS-CoV- Spike-Pro-
tein in voller Länge kodiert) an gesunden Freiwilli-
gen und verwendete , und Mikrogramm
mRNA pro Injektion (Pr ime und vier Wochen später
Boost) in drei Kohorten von je Teilnehmern
[]. Alle injizierten Personen haben nach der
ersten Injektion serokonvertiert (selbst bei der
Dosis von Mikrogramm; drei Teilnehmer er-
hielten die zweite Injektion aus Gründen, die
nichts mit dem Impfsto zu tun hatten, nicht). Den
Virus neutralisierende Antikörper wurden bei allen
Freiwilligen nach der zweiten Impfung nachgewie-
sen. Der Impfsto, insbesondere die Dosis von
und Mikrogramm, war sicher und gut verträg-
lich, was mit früheren Daten über mRNA-Impfstoe
übereinstimmt. Unerwünschte Ereignisse waren
fast alle leicht bis mittelschwer und selbstlimitie-
rend. Allerdings hatte ein Teilnehmer in der
- Mikrogramm-Dosis ein Erythem Grad um die
Injektionsstelle herum, und ein Patient mit der
-Mi krogramm-Dosis hatte nac h der zweiten Imp-
fung hohes Fieber, mit Schüttelfrost und leichter
Müdigkeit, Myalgie und Kopfschmerzen, die symp-
tomatisch behandelt wurden. Dieser Patient berich-
tete am nächsten Tag von leichten Kopfschmerzen
und an Tag sechs nach der Impfung von leichter Mü-
digkeit. Eine Phase-III-Studie mit der sichereren Do-
sis von und Mikrogramm ist im Gange.
– BioNTech (Mai nz, Deutschla nd) und Pzer verwende -
ten einen niedrigeren Dosisbereich ( und Mik-
rogram m: Prime und drei Wochen später Boost und
Mikrogramm: nur eine Injektion) für ihren
ersten veröentlichten (zwei von vier untersuchten
Formaten) mRNA-Impfsto BNTb, der eine tri-
merisc he Rezeptorbindungsdomäne (R BD) des SARS-
CoV--Spike-Proteins kodiert [], und BNTb, der
ein «Pre-Fusion» SARS-CoV- Spike-Protein in voller
Länge kodiert []. Es gab Gruppen (zwei Popula-
tionen: – Jah re alt und – Jahre alt) mit Frei-
willigen pro Dosisstufe ( Personen erhielten den
Impfsto, drei ein Placebo). Bei den Dosen von
und Mikrogramm wurden mit Schmerzen an der
Injektionsstelle nur leichte Nebenwirkungen festge-
stellt. Bei der -Mikrogramm-Dosis gab es einen
Beric ht über starke Sch merzen. Müdigkeit und Kopf-
schmerzen traten in den Impf-Gruppen im Vergleich
zum Placebo häuger auf. Darüber hinaus wurden
Schüttelfrost sowie Muskel- und Gelenkschmerzen
bei den Empängern von BNTb und BNTb
festgestellt. Es wurde über keine schwerwiegenden
unerwünschten Ereignisse berichtet. Die systemi-
schen Nebenwirkungen nahmen mit zunehmender
Dosis zu. Bei einigen Teilnehmenden wurden Lym-
phopenie und Neutropenie beobachtet. Die Werte
normal isierten sich innerhalb wen iger Tage. Reakto-
genität und systemische Nebenwirkungen waren in
den älteren Gruppen milder als in den jüngeren.
Wie in der Moder na-Studie hatten a lle mit Impfsto
injizier ten Personen eine Serokonversion (selbst bei
einer Dosis von Mikrogramm) und neutralisie-
rende Antikörper (ähnlich oder höher als im Serum
von inzierten Patienten) an Tag (vier Wochen
nach der ersten Injektion). Die durch BNTb und
BNTb ausgelösten serologischen Reaktionen
waren ähnlich. Beide Impfstoe lösten bei - bis
-Jährigen im Vergleich mit den - bis -Jährigen
geringere Antikörperreaktionen aus. Die systemi-
schen Nebenwirkungen als Reaktion auf BNTb
waren milder als die auf BNTb. Aus diesem
Grund haben die Unternehmen BNTb für die
zulassungsrelevante Phase-III-Studie ( Teil-
nehmerinnen und Teilnehmer) gewählt.
Impfsto eventuell noch vor Jahresende
Weltweit sind über Menschen an einer SARS-
CoV--Infektion gestorben, und die sehr negativen
gesellschalichen und wirtschalichen Folgen von
COVID- müssen erst noch vollständig evaluiert wer-
den. Es ist da her erfreulich zu sehen, dass die Be hörden
alles daransetzen, die bereits etablierte, viel seitige,
sichere und eziente Technologie mit den mRNA-
Impfstoen zu ördern. Natürlich müssen, wie bei
jedem Impfsto, die Nebenwirkungen in Zulassungs-
studien und Studien nach dem Inverkehrbringen wei-
ter überwacht werden. Die grossartigen Ergebnisse der
kli nischen Phase I(/I I)-Studien von Moderna u nd BioN-
Der Impfsto BNT162b2 wurde aufgrund
geringerer Nebenwirkungen für die zu-
lassungsrelevante Phase-III-Studie gewählt.
BULLETIN DES M ÉDECINS SUISS ES – SCHW EIZERISCHE Ä RZT EZEITUNG – BOLLET TINO D EI MEDICI SVIZ ZERI 2020;101(39):1234–1236
TRIBUNE Covid -19 123 5
Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Tech/Pzer sowie der Fast-Track-Status werden es aber
voraussichtl ich ermöglic hen, die Anti-COVID --mRNA-
Impfstoe noch vor Ende zu validieren. Moderna
und BioNTech/Pzer könnten noch dieses Jahr hun-
dert Millionen Dosen produzieren, so dass Menschen
auf der ganzen Welt sehr bald geimp werden kön-
nen, sollte in der Phase III die Wirksamkeit des Impf-
stoes bewiesen werden. Die Ergebnisse werden im
Oktober er wartet. Die Schweiz hat , Millionen Impf-
stodosen bei Moderna reserviert. Dies wird ausrei-
chen, um über Millionen Menschen zu impfen. Dazu
würden wahrscheinlich viele der über eine Million
Personen gehören, die jedes Jahr in der Schweiz den
Grippeimpfsto erhalten, da ähnliche Bevölkerungs-
gruppen von Inuenza- und SARS-CoV--Infektionen
besonders bedroht sind. In der Zwischenzeit könnte
sich die Schweiz ein Beispiel an Grossbritannien neh-
men und ein staatliches Institut ördern, die Impf-
stoe herstellen, um in Zukun neuen Pandemien
rasch und wirksam begegnen zu können []. Wie
COVID- gezeigt hat, ist die mRNA eines der ein-
fachsten, schnellsten, sichersten und ezientesten
Impfstoormate. Es wird eine Pre miere in der Medi-
zingeschichte sein, es innerhalb von weniger als ei-
nem Jahr nach der Identizierung eines neuen Virus
bis zu einem validierten Impfsto gescha zu haben.
Die Entwicklungsgeschwindigkeit hängt mit den
Merkmalen von mRNA-Impfstoen zusammen: Für
jedes Antigen kann in weniger als drei Monaten ein
injektionsfertiger mRNA-Impfsto für den Menschen
hergestellt werden, wie dies von Moderna für den
Impfsto gegen COVID- und von BioNTech für indi-
vidualisierte Impfstoe gegen Krebs getan wurde. Es
bleibt zu wünschen, dass diese rasche Entwicklung
eine Vorreiterrolle für die anderen mRNA-Impfstoe
(gegen Krebs und Viren), die evaluiert werden, ein-
nehmen wird und auch für andere mRNA-basierte
Therapien (z. B. Gentherapien gegen genetische
Krankheiten oder Krebs) den Weg bereiten wird. Die
Möglichkeiten der mRNA-basierten Therapien sollten
zum Wohle der gesamten Bevölkerung und der Pati-
enten voll ausgeschöp werden, indem sie von den
Behörden begleitet und kontrolliert, aber nicht ge-
bremst werden.
Interessenverbindungen
Steve Pasc olo hat keine Inter essenkoni kte in Bezug au f diesen
Ar tikel und a nti-COVID- m RNA-Impfun gen allgemei n; er ist seit
nich t mehr bei CureVac tät ig.
Bildnachweis
Symbolbild: © Leigh Prather | Dreamstime.com
Literatur
Arva y C. Genetisc he Impfstoe gege n COVID-: Honung ode r
Risik o? Schweiz Ärz teztg. ;():–.
Jac kson NAC, Kester KE , Casimiro D, Gu runatha n S, DeRosa F.
Thepromi se of mRNA vacci nes: a biotech and i ndustria l
perspe ctive. NPJ Vacc ines , . doi:./s- -- ().
Al ameh MG, Weissman D, Pa rdi N. Messenge r RNA-Based Vacci nes
Again st Infectio us Diseases. C urr Top Microbiol I mmunol.
doi:./__ ().
Gome z-Aguado I, et al . Nanomedici nes to Deliver m RNA: State
ofthe Ar t and Future Pe rspectives . Nanomateria ls (Basel) .
doi:./nano ().
Pasc olo S. Messenger R NA-based vacc ines. Exper t Opin Biol Ther ,
–. doi:./... ().
Pasc olo S. Vaccination w ith messenge r RNA. Method s Mol Med ,
– , doi:- --: [pii] . /- --: ( ).
Pasc olo S. Vaccination w ith messenge r RNA (mRNA). Handb E xp
Pharm acol, –, doi:./-- --_ ().
Pasc olo S. The messenger ’s great message for v accination . Expert
Rev Vaccin es , –. doi:. / .. ().
Pasc olo S. Messenger R NA: The Inexpen sive Biopharma ceutical.
Journ al of Multidis ciplinar y Engineer ing Science an d Technology
(JMEST) , – ().
Ritti g SM, et al. Intr adermal vac cinations w ith RNA codi ng for
TAAgener ate CD+ and CD+ i mmune respon ses and induce
clin ical benet i n vaccinated p atients. Mol Ther , –.
doi:mt [pi i] ./mt. . ().
Weide B, et al . Results of the rst phase I/I I clinic al vaccina tion trial
with d irect inje ction of mRNA . J Immunot her , –. doi: -
- [pii] ./CJI.bece ().
Weid e B, et al. Dire ct injection o f protamine -protected mR NA:
result s of a phase / vacc ination tri al in metastat ic melanoma
patient s. J Immunothe r , –. doi:./CJI.be
a-- [pii] ().
Ja ckson LA, et a l. An mRNA Vacci ne against SA RS-CoV- – Prelimi -
nary R eport. N Engl J M ed, doi:./NEJMoa ().
nature.com/articles/s---_reference.pdf.
medrxiv.org/content/./...v.
https://ct.catapult.org.uk.
PD Dr. Steve Pasc olo
University Hospit al
of Zueric h
Department of Dermatology
Gloriastrasse
CH- Zuerich, Switzerland
Steve.Pascolo[at]usz.ch
Das Wichtigste in Kürze
•
Die seit zwanzig Jahren verfügbare mRNA-Impfstoff-Tech-
nologie erfährt durch das Coronavirus die erforderliche
Weiterentwicklung. mRNA-Impfstoffe öffnen neue Mög-
lichkeiten für die Impfstrategien gegen neue (und alte) Er-
reger.
• Format, Formulierung, Dosis/Zeitplan und Injektionsstelle
der mRNA beeinflussen Sicherheitsprofil und Wirksamkeit
des Impfstoffs. Dies muss systematisch durch Dosis-Eskala-
tionsstudien der Phase I(/II) getestet werden.
• Im Sommer 2020 wurden die Ergebnisse von zwei Phase-I(/
II)-Studien mit vielversprechenden Resultaten veröffentlicht.
Zwei mRNA-Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 sollten vor Ende
des Jahres verfügbar sein.
L’essentiel en bref
• La technologie des vaccins à ARNm, disponible depuis
20ans, connaît un développement nécessaire en raison du
coronavirus. Les vaccins à ARNm ouvrent de nouvelles pos-
sibilités pour les stratégies de vaccination contre les nou-
veaux (et anciens) agents pathogènes.
• Le format, la formulation, le rapport dose/temps et le site
d’injection de l’ARNm influencent le degré de sécurité et l’ef-
ficacité du vaccin. Cela doit être systématiquement testé par
des études de phase I(/II) à doses croissantes.
• En été 2020, les résultats de deux études de phase I(/II) ont
été publiés avec des résultats prometteurs. Deux vaccins
mRNA contre SARS-CoV-2 devraient être disponibles avant
la fin de l’année.
BULLETIN DES M ÉDECINS SUISS ES – SCHW EIZERISCHE Ä RZT EZEITUNG – BOLLET TINO D EI MEDICI SVIZ ZERI 2020;101(39):1234–1236
TRIBUNE Covid -19 1236
Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html