Content uploaded by Eva Lermer
Author content
All content in this area was uploaded by Eva Lermer on Oct 06, 2020
Content may be subject to copyright.
Autoren
Dr. Eva Lermer
Department Psychologie
Ludwig-Maximilians-Universität München
Prof. Dr. Bernhard Streicher
Institut für Angewandte Psychologie
Universität für Gesundheitswissen-
schaften, UMIT, Hall in Tirol
Eric Eller
Munich Re
Tel.: +49 89 38 91-88 68
eeller@munichre.com
Dr. Rainer Sachs
Munich Re
Tel.: +49 89 38 91-88 24
rsachs@munichre.com
Oktober 2014
Psychologische Einflüsse II:
Risikoeinschätzung in Gruppen
Bei der Beurteilung von Risiken
wird oft angenommen, dass der
Austausch in Gruppen Einzel-
einschätzungen überlegen ist, im
Sinne von je mehr Experten invol-
viert sind, desto fundierter die
Risikoeinschätzung. Psychologische
Forschung zeigt jedoch auf, dass die
Beurteilung von Risiken in Gruppen
mit einer Reihe an Problemen ein-
hergeht. Die Güte von Risiko-
identifikation und -beurteilung
hängt maßgeblich von der Berück-
sichtigung bestehender Gruppen-
eekte und der Anwendung geeig-
neter Methoden ab. Munich Re setzt
beispielsweise im Rahmen des
Emerging Risk Managements ver-
schiedene Methoden zur struktu-
rierten Expertenbefragung ein. Ziel
ist es Kontexte zu schaen, in
denen die wertvollen Erfahrungen
von Experten möglichst unverzerrt
in akkuraten Risikobeurteilungen
resultieren können.
Beim Umgang mit neuen Risiken
sind Organisationen auf intuitive
Einschätzungen durch Experten
angewiesen, zumal häufig wenig
Erfahrungsdaten vorhanden sind, die
zur Risikokalkulation herangezogen
werden können. Während Experten-
schätzungen in solchen Fällen
aufgrund fehlender Alternativen
unverzichtbar sind, bleibt zu berück-
sichtigen, dass intuitive Risikourteile
von einer Reihe an Verzerrungen
beeinflusst sein können (siehe
Emerging Risk Discussion Paper
09/2013: Psychologische Einflüsse
auf die individuelle Einschätzung von
Risiken). In der Unternehmenspraxis
zeigt sich, dass Experteneinschät-
zungen häufig vorgenommen wer-
den, indem sich eine Gruppe von
Experten zur Diskussion der jeweili-
gen Thematik trit und anschließend
gemeinsam eine Einschätzung oder
Entscheidung vornimmt. Oft wird
hierbei angenommen, dass der
Austausch in Gruppen Einzelein-
schätzungen überlegen ist, im Sinne
von je mehr Experten involviert sind,
desto fundierter die Risikoeinschät-
zung. Allerdings konnte die For-
schung in den letzten Jahrzehnten
eine Reihe von Gruppeneekten
identifizieren, die speziell hinsicht-
lich Risikoeinschätzungen zu Urteils-
verzerrungen führen können.
Gruppen sind für Menschen von
großer Wichtigkeit: Unser Selbst-
wert und unsere Identität resultiert
mitunter aus der Zugehörigkeit zu
bestimmten Gruppen, aus den Rück-
meldungen anderer Gruppenmitglie-
der oder aus dem Vergleich mit
anderen Gruppen. Gruppen bilden
Rollen und Normen aus, deren Ein-
haltung bedeutsam für die Akzep-
tanz innerhalb der Gruppe sind und
die damit das Verhalten der Grup-
penmitglieder beeinflussen. Diese
und weitere soziale Faktoren führen
dazu, dass in Gruppen nicht streng
rational agiert oder entschieden wird.
Vielmehr wirken sich bei Beurteilun-
gen in Gruppen neben inhaltlichen
Aspekten immer auch soziale Fakto-
ren auf das Verhalten der einzelnen
Personen aus. Allein der Umstand,
sich in einer Gruppe zu befinden,
beeinflusst schon das Verhalten der
Gruppenmitglieder. Im Folgenden
soll auf drei Befunde eingegangen
werden, die für Risikobeurteilung in
Gruppen wichtig sind:
1. Gruppen sind weniger kreativ in
der Risikoidentifikation als Einzel-
personen.
2. Gruppen gelingt es selten, alle
verfügbaren Informationen
auszutauschen.
3. Gruppen neigen bei der Risiko-
bewertung zu Extremurteilen.
Emerging Risk Discussion Paper
Munich Re
Psychologische Einflüsse II
Seite 2/4
Personen ihre Ideen in einer Gruppe
vor. Für Versicherungsunternehmen
empfiehlt sich demzufolge, im Pro-
zessschritt Risikoidentifikation auch
weiterhin und verstärkt auf Netz-
werke von Experten zurückzugreifen,
dabei jedoch die einzelnen Mitglie-
der individuell und schriftlich zu
befragen. Damit bleiben die Vorteile
der Gruppengröße und -zusammen-
setzung erhalten, während vermie-
den wird, dass das Gesamtergebnis,
also eine größtmögliche Anzahl von
Kandidaten für mögliche Risiken zu
identifizieren, aufgrund von Grup-
peneekten reduziert wird. Bei
Munich Re haben wir im Emerging
Risk Management ein Konzept dazu
entwickelt und arbeiten derzeit an
der Umsetzung, sowohl im Rahmen
der etablierten Prozesse als auch
außerhalb, z. B. unter Verwendung
sozialer Medien innerhalb des Unter-
nehmens.
Gruppen gelingt es selten, alle
verfügbaren Informationen
auszutauschen
Zur Beurteilung von Risiken oder
anderen Sachverhalten haben Grup-
pen gegenüber Einzelpersonen den
Vorteil, dass sie prinzipiell über mehr
Informationen verfügen. Aus diesem
Grund werden Gruppenurteile häufig
überschätzt: Wenn mehrere Perso-
nen über mehr Wissen verfügen,
müssten sie doch gemeinsam bes-
sere Urteile fällen können als allein.
Diese Annahme setzt allerdings vor-
aus, dass in Gruppen alle bestehen-
den Informationen ausgetauscht
werden und auf Basis aller Informa-
tionen geurteilt wird. Damit hängt
die Qualität von Gruppenentschei-
dungen maßgeblich davon ab, wie
gut die Teilnehmer es schaen, rele-
vante Informationen auszutauschen,
die nur einzelnen oder wenigen
Personen bekannt sind. Es zeigt sich
jedoch, dass Gruppen hierzu in der
Regel nur schlecht in der Lage sind:
Insbesondere Informationen, die nur
einzelnen Personen bekannt sind,
werden in Gruppendiskussionen
meist nicht genannt. Stattdessen
werden hauptsächlich Informationen
geäußert, die bereits den meisten
oder allen Gruppenmitgliedern
bekannt sind. Zudem werden Infor-
mationen, die bereits zu Beginn einer
Diskussion allen Mitgliedern bekannt
zierten Risikokandidaten. Je größer
die Gruppe, desto höher ist dabei der
Produktionsverlust.
Der negative Eekt von Gruppen auf
die Identifikation von Risiken kann
u. a. durch das sogenannte soziale
Faulenzen (auch Bekannt als Ringel-
mann-Eekt) erklärt werden, nach-
dem sich einzelne Personen in der
Gruppe zurücknehmen, also weniger
Leistung aufbringen als bei individu-
eller Tätigkeit. Soziales Faulenzen
konnte sowohl bei körperlichen Auf-
gaben (z. B. Tauziehen) als auch bei
geistigen Aufgaben (z. B. Ideengene-
rierung) nachgewiesen werden. Das
Phänomen scheint v. a. dann aufzu-
treten, wenn für eine Gruppenleis-
tung nicht ersichtlich ist, welcher
Beitrag auf die einzelnen Gruppen-
mitglieder zurückgeht. Zusätzlich
entstehen bei der Identifikation von
Risiken in Gruppen Schwierigkeiten
durch gesteigerte Selbstaufmerk-
samkeit und gesteigertes Erregungs-
niveau: Der Gruppenkontext lenkt die
einzelnen Personen gewissermaßen
von der eigentlichen Aufgabe ab.
Eine Methode, mit der die negativen
Auswirkungen von Brainstorming in
Gruppen reduziert werden können,
ist das sog. Brainwriting. Hierbei
werden Ideen nicht mündlich ausge-
tauscht, sondern individuell schrift-
lich notiert. Um den negativen Grup-
peneekt möglichst auszuhebeln
sollte hierbei auf den Gruppenkon-
text gänzlich verzichtet werden, d. h.,
die Personen versammeln sich weder
physisch, noch stellen die einzelnen
Gruppen sind weniger kreativ
in der Risikoidentifikation als
Einzelpersonen
Bevor Risiken analysiert und bewer-
tet werden können, müssen diese
zunächst als potentielle Risiken
erkannt werden. Dem Prozessschritt
der Bewertung ist also stets ein Pro-
zessschritt der Identifikation vorge-
schalten. In einigen Fällen ist bereits
bekannt, welche Risiken zu beurtei-
len sind, z. B. weil bereits eine Scha-
denhistorie vorliegt. In anderen Fäl-
len jedoch, gestaltet sich der Prozess
der Risikoidentifikation schwieriger
und es ist notwendig, bewusst und
möglichst systematisch nach poten-
tiellen Risiken zu suchen, wie etwa
bei der Identifikation von Emerging
Risks.
In der Risikomanagementpraxis
werden zur Identifikation von Risiken
häufig Methoden der Ideengenerie-
rung eingesetzt, wie z. B. Brain-
storming. Hierbei wird versucht,
möglichst frei von Bewertung oder
Kritik möglichst viele potentielle
Risiken zu sammeln. Während häufig
angenommen wird, dass Brainstor-
ming besonders gut in Gruppen
funktioniert, zeigen experimentelle
Studien jedoch, dass Brainstorming
in einer Gruppe sowohl quantitativ
als auch qualitativ unproduktiver ist,
als wenn dieselbe Auswahl an Per-
sonen jeweils für sich und ohne
Austausch untereinander arbeitet.
Brainstorming in Gruppen führt also
regelmäßig sowohl zu einer geringe-
ren Anzahl als auch Güte der identifi-
Abbildung 1: Individuelles vs. Gruppenbrainstorming
Eine Auswahl an Personen generiert in der Regel mehr und bessere Ideen, wenn jeder für
sich Ideen sammelt als wenn gemeinsam in der Gruppe gesammelt wird.
Individuelles Brainstorming Brainstorming in der Gruppe
Munich Re
Psychologische Einflüsse II
Seite 3/4
waren, häufiger im Gespräch durch
andere wiederholt und aufgegrien
als Informationen, die durch einzelne
Personen eingebracht werden, den
anderen Gruppenmitgliedern aber
neu sind. Gründe für diese Tendenz
sind u. a. das sog. social proof (Wenn
andere Gruppenmitglieder dieselbe
Information haben, scheint diese
wichtig zu sein), und das sog. impres-
sion management (Für die Äußerung
bekannter Informationen erhalte ich
mehr Kompetenzzuschreibung als für
unbekannte, eventuell irritierende
Informationen). Beides führt dazu,
dass Informationen, die vor einer
Gruppendiskussion allen Gruppen-
mitgliedern bekannt sind, das Grup-
penergebnis stärker beeinflussen als
Informationen, die nur einzelnen
Gruppenmitgliedern bekannt sind.
Hierdurch kann sehr leicht Konsens
hergestellt werden, während Konflik-
ten dadurch aus dem Weg gegangen
wird.
Gruppen haben insbesondere dann
Schwierigkeiten Informationen, die
nur Einzelnen bekannt sind, zu
berücksichtigen, wenn sie überzeugt
sind, dass das zu diskutierende Pro-
blem aufgrund mangelnder Informa-
tionen nicht lösbar ist bzw. nur ein
Urteil abgegeben werden kann. Die-
ser Befund ist im Kontext der Risiko-
beurteilung besonders relevant,
zumal Expertenbeurteilungen in der
Regel gerade dann eingesetzt wer-
den, wenn wenige Informationen zur
Verfügung stehen. Es zeigt sich, dass
diskutierende Gruppen lediglich bei
der Bearbeitung sog. Heureka-
Probleme, bei denen die einmal aus-
gesprochene richtige Antwort unmit-
telbar jedem als richtig einleuchtet,
generell zu besseren Urteilen kom-
men als Einzelpersonen. Diese
Heureka-Probleme werden im
Emerging Risk Management sehr
selten sein: Die unsichere Datenlage
und potentiellen Auswirkungen
neuer Risiken führen üblicherweise
zu eher kontroversen Diskussionen in
Gruppen situationen. Gerade in die-
sen Fällen ist es für die Beurteilung
wichtig, sämtliche Informationen
einfließen zu lassen.
Für die Risikoidentifikation und
-bewertung im Unternehmen heißt
das: Die Sammlung von Informatio-
nen, die zur Beurteilung eines neuen
Risikos erforderlich sind, sollte nicht
in Gruppen stattfinden. Besser sind
dafür wieder Netzwerke von Indivi-
duen geeignet, deren Ergebnisse
zentral gesammelt und ggf. in einem
zweiten Schritt an die Einzelperso-
nen zurückgespiegelt werden. Auch
die Bewertung aller Informationen
erfolgt idealerweise außerhalb der
Gruppe. Bleibt es für Risikoeinschät-
zungen notwendig, Gruppen einzu-
setzen, so empfiehlt es sich, mög-
lichst kleine Gruppen einzusetzen,
zumal die negativen Auswirkungen
von Gruppen in der Regel mit zuneh-
mender Gruppengröße zunehmen.
Zudem stellt es eine erfolgsverspre-
chende Strategie dar, Statusunter-
schiede in diskutierenden Gruppen
zu vermeiden, zumal sich Personen
mit hohem sozialen Status in Grup-
pen eher mitteilen, als Personen mit
niedrigerem sozialen Status. Sind
Statusunterschiede unvermeidlich,
so kann hier entgegengesteuert wer-
den, indem Personen mit hohem
Status ihren Wunsch ausdrücken,
dass sich auch sozial niedriger ste-
hende Personen mitteilen und die
eigenen Ansichten selbst erst im
späteren Verlauf der Diskussion
preisgeben. Bei Gruppen mit hoher
Diversität fördert das gegenseitige
Wissen über die fachliche Expertise
der einzelnen Gruppenmitglieder
den Austausch von Informationen,
die nur einzelnen Personen bekannt
sind.
Gruppen neigen bei der Risiko-
bewertung zu Extremurteilen
Bei der Bewertung von Risiken zeigt
sich der relativ stabile Eekt, dass
Gruppen zu extremeren Urteilen ten-
dieren als Einzelpersonen. So zeigt
sich in Experimenten, dass mündli-
cher Austausch in Gruppen, insbe-
sondere wenn die beteiligten Per-
sonen bereits vor der Diskussion
ähnliche Meinungen vertreten, zu
extremeren Urteilen führt. Bezogen
auf Risikobeurteilungen bedeutet
dies, dass Gruppen Risiken im Ver-
gleich zu Einzelpersonen entweder
deutlich höher einschätzen (Risky-
Shift-Eekt) oder deutlich geringer
einschätzen (Cautious-Shift-Eekt).
Dabei wird die individuelle Risiko-
bereitschaft der einzelnen Gruppen-
mitglieder durch die Gruppeninter-
Abbildung 2: Informationsaustausch in Gruppen
Bei Beurteilungen und Problemlösungen
sind Gruppen häufig nicht in der Lage,
Informationen auszutauschen, die nur ein-
zelnen Personen bekannt sind (Informatio-
nen B, C und D). Stattdessen wird haupt-
sächlich über Informationen gesprochen,
die bereits allen Personen bekannt sind
(Information A).
A
A
C D
B
A
Gruppendiskussio-
nen führen häufig
zu Polarisation von
Urteilen, d. h. vorab
bestehende
Urteilstendenzen
werden verstärkt.
Abbildung 3: Gruppenpolarisation
A
A
A
A
B
Individuelle Urteile Gruppenurteil
Not if, but how
Munich Re
Psychologische Einflüsse II
Seite 4/4
© 2014
Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft
Königinstraße 107, 80802 München
Arbeit für Organisationen an dieser
Stelle erst an: Es gilt, Unternehmens-
prozesse zu prüfen und sorgfältig zu
gestalten. Methoden zur Expertenbe-
fragung müssen hierzu gezielt aus-
gewählt, so wie kontinuierlich vali-
diert und weiterentwickelt werden.
Strukturierte Methoden der Exper-
tenbefragung stellen einen hilf-
reichen Ansatz dar, um unter
Berücksichtigung bestehender
Gruppeneekte zu möglichst validen
Beurteilungen durch Expertenkon-
sens zu gelangen. In der Regel wer-
den hierbei Experten einzeln befragt
und die Ergebnisse im Anschluss
aggregiert. Dadurch sollen die poten-
tiellen Vorteile von Gruppen, wie
Informations- und Meinungsvielfalt,
genutzt werden, während mögliche
Gefahren bei Gruppeneinschätzung
eingeschränkt werden. Munich Re
setzt beispielsweise im Rahmen des
Emerging Risk Managements ver-
schiedene Kombinationen einzelner
Methoden zur strukturierten Exper-
tenbefragung ein. In Zusammen-
arbeit mit dem Risikolabor am
Department für Psychologie der
Ludwig-Maximilians-Universität
werden die bestehenden Methoden
und Prozesse kontinuierlich evaluiert
und weiterentwickelt. Dadurch sol-
len Kontexte geschaen werden, in
denen Experten ihre Erfahrungen
möglichst eektiv nutzen und damit
möglichst unverzerrte Risikobeurtei-
lungen vornehmen können.
Weiterführende Literatur
Aronson, E., Wilson, T., & Akert, R. (2014).
Sozialpsychologie. Pearson Studium,
München.
Stroebe, W. & Nijstad, B. (2004). Warum
Brainstorming in Gruppen Kreativität
vermindert. Psychologische Rundschau,
55, 2–10.
Sunstein, S.R. (2009). Infotopia – Wie viele
Köpfe Wissen produzieren. Suhrkamp,
Frankfurt am Main.
einer erhöhten Risikowahrnehmung
führt (Cautious-shift). Auf der ande-
ren Seite wird in Geschäftseinheiten
der Fokus stärker auf der Chancen-
seite eines Risikos liegen. Bei ent-
sprechend geringer individueller
Risikoeinschätzung könnte die
Diskussion desselben Risikos im
Geschäftsbereich damit zu einer
verringerten Risikowahrnehmung
führen (Risky-shift). In Organisatio-
nen können sich demnach u. a. Unter-
nehmenskultur und für einzelne
Gruppen spezifische Normen auf die
Risikowahrnehmung auswirken,
wobei sich dadurch beeinflusste
Tendenzen durch Gruppendiskussio-
nen weiter verstärken können. Eine
Möglichkeit zur Erhöhung der Quali-
tät der Gruppenentscheidungen
besteht in der Methodik des Advoca-
tus Diaboli. Gemeint ist damit, dass
ein Gruppenmitglied stets das
Gegenteil der momentan bestehen-
den Gruppenmeinung vertritt und
die Gruppe von seinem vorgegebe-
nen Standpunkt zu überzeugen ver-
sucht. Zudem kann es hilfreich sein,
einen externen Moderator hinzuzu-
ziehen. Dieser kann die Gruppen-
mitglieder dazu anhalten ihre eigene
Meinung kundzutun und damit ver-
suchen zu verhindern, dass sich die
Gruppe zu früh mit ihren Gemein-
samkeiten zufrieden gibt.
Fazit & Ausblick
Eine umfassende Risikoidentifikation
und akkurate Risikobewertung durch
Experten hängt maßgeblich vom
Verständnis ab, unter welchen
Bedingungen Menschen kreativ den-
ken und analytisch urteilen können.
Um verlässliche Expertenurteile zu
erhalten gilt es, die bekannten Ein-
flüsse auf Risikobeurteilung durch
Einzelpersonen und Gruppen zu
berücksichtigen. Die Güte von
Risikobewertungen durch Experten
hängt damit maßgeblich davon ab,
wie Expertenbefragungen erfolgen.
Während der vorliegende Artikel
lediglich einen Einblick in relevante
Gruppeneekte bietet, fängt die
aktion entsprechend erhöht oder
reduziert. Diese Eekte sind in der
Psychologie bekannt unter dem
Begri der Gruppenpolarisation
(Extremisierung in Richtung einer
der beiden Pole: Risiko oder Sicher-
heit).
Wie erklärt sich dieser Eekt und
weshalb ist eine Polarisierung der
Risikobeurteilung sowohl in Rich-
tung Risiko als auch in Richtung
Sicherheit möglich? Gruppendis-
kussionen verstärken bei den einzel-
nen Personen vorab bestehende
Tendenzen: Hat eine Person vorab
eine geringe Risikowahrnehmung, so
verringert sich diese durch die Dis-
kussion weiter. Hat eine Person vorab
eine hohe Risikowahrnehmung, so
erhöht sich diese durch die Diskus-
sion. Die vorab bestehenden Tenden-
zen sind dabei im Wesentlichen
durch soziale Normen bedingt: Weil
die soziale Identität und der Selbst-
wert von Menschen stark durch
Gruppenmitgliedschaften beein-
flusst wird, besteht eine hohe Sensi-
bilität dafür, wie andere Personen in
der Gruppe mit dem jeweiligen
Thema umgehen: Worum geht es der
Gruppe? Was sind ihre Werte?
Welche Bedeutung haben hier Risiko
und Vorsicht? In nicht eindeutigen
Situationen neigen wir dazu anzu-
nehmen, dass die Interpretationen
anderer zutreender sind, als die
eigenen. Um in der Gruppe nicht
negativ aufzufallen, besteht außer-
dem die Tendenz, eine Position zu
vertreten, die anderen ähnelt und
darüber hinaus noch etwas extremer
ist. Hierdurch kann der Einzelne die
Gruppenwerte bestärken und sich
selbst damit zugleich als aktives
Gruppenmitglied darstellen.
Innerhalb eines Unternehmens gibt
es naturgemäß unterschiedliche
Funktionen und Rollen. Vertreter des
Risikomanagements sind beispiels-
weise eher risikoavers geprägt. Dem-
entsprechend ist zu erwarten, dass
die Diskussion eines Risikos durch
eine Gruppe von Risikomanagern zu