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Krisenberatung am Telefon und per Video in Zeiten von Corona

Authors:

Abstract

Zusammenfassung Der Beitrag ist erstmals als Handreichung der Fachgruppe "Onlineberatung und Medien" der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) unter www.dgsf.org erschienen. Er richtet sich an Berater*innen, die während der akuten Ansteckungsgefahr während der Corona-Krise 2020 kaum noch Face-to-Face beraten können und übergangslos von Face-to-Face-Beratung zu Telefon-und/oder Videoberatung wechseln müssen. Besonderheiten der beiden letztgenannten Settings werden aufgezeigt. Dabei wird die herausfordernde Situation der Beratenden und der Klient*innen während der Krisenzeit aufgegriffen und angeregt, Selbstfürsorge zu betreiben sowie ressourcenorientiert mit den Herausforderungen umzugehen. Ein Schwerpunkt liegt auf Krisenintervention sowie dem Umgang mit suizidalen Krisen in der Telefon-und Videoberatung. Abstract This article was first published at dgsf.org as a guideline by the Online Counseling and Media section of the German Society for Systemic Therapy, Counseling and Family Therapy (Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie-DGSF). It is intended for counselors at times of high infection risk during the corona-crisis 2020 when face-to-face counseling is rarely possible, making an abrupt shift to telephone or video counseling mandatory. The specific features of the two latter settings are described. Focus is placed on the challenging situation for both counselors and clients during times of crisis, and advice is given on self-care and wise use of resources when dealing with the challenges. Key aspects of the article are crisis intervention and dealing with suicide crises by telephone and video.
e-beratungsjournal.net
Fachzeitschrift für Onlineberatung und
computervermittelte Kommunikation
ISSN 1816 - 7632
16. Jahrgang, Heft 1, Artikel 4
2020
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Krisenberatung am Telefon und per Video
in Zeiten von Corona
Joachim Wenzel, Stephanie Jaschke & Emily Engelhardt
Zusammenfassung
Der Beitrag ist erstmals als Handreichung der Fachgruppe „Onlineberatung und Medien“ der
Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) unter
www.dgsf.org erschienen. Er richtet sich an Berater*innen, die während der akuten
Ansteckungsgefahr während der Corona-Krise 2020 kaum noch Face-to-Face beraten können und
übergangslos von Face-to-Face-Beratung zu Telefon- und/oder Videoberatung wechseln müssen.
Besonderheiten der beiden letztgenannten Settings werden aufgezeigt. Dabei wird die
herausfordernde Situation der Beratenden und der Klient*innen während der Krisenzeit aufgegriffen
und angeregt, Selbstfürsorge zu betreiben sowie ressourcenorientiert mit den Herausforderungen
umzugehen. Ein Schwerpunkt liegt auf Krisenintervention sowie dem Umgang mit suizidalen Krisen
in der Telefon- und Videoberatung.
Schlüsselwörter
Telefonberatung, Videoberatung, Corona-Krise (Covid-19), Familien, Medienkompetenz,
Krisenberatung, Krisenintervention, suizidale Krise
Abstract
This article was first published at dgsf.org as a guideline by the Online Counseling and Media section
of the German Society for Systemic Therapy, Counseling and Family Therapy (Deutsche Gesellschaft
für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie DGSF). It is intended for counselors at
times of high infection risk during the corona-crisis 2020 when face-to-face counseling is rarely
possible, making an abrupt shift to telephone or video counseling mandatory. The specific features
of the two latter settings are described. Focus is placed on the challenging situation for both
counselors and clients during times of crisis, and advice is given on self-care and wise use of
resources when dealing with the challenges. Key aspects of the article are crisis intervention and
dealing with suicide crises by telephone and video.
Keywords
telephone counseling, video counseling, corona crisis (Covid-19), families, media literacy, crisis
counseling, crisis intervention, suicidal crisis
Autor*innen
- Emily Engelhardt, Pädagogin (M.A.), Systemische Beraterin & Supervisorin (SG),
Onlineberaterin und Online-Supervisorin, Lehrende für Onlineberatung, Dozentin für
Systemische Beratung. Berufliche Erfahrungen in der freien Wirtschaft
(Automobilkonzern) sowie in der Sozialen Arbeit als fachliche Leitung einer
Onlineberatungsstelle für Jugendliche sowie eines Integrationsfachdienstes. Seit 2012
Geschäftsführerin am Institut für E-Beratung der TH Nürnberg sowie freiberufliche
Supervisorin und Trainerin für Systemische Beratung und Onlineberatung; Autorin des
„Lehrbuch Onlineberatung“. Lehr- und Forschungsschwerpunkte: Onlineberatung,
Digitale Sozialarbeit sowie Digitalisierung & Beratung.
- Kontakt: www.der-dreh.net
www.e-beratungsjournal.net (ISSN 1816 7632)
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- Stephanie Jaschke, Klinische Psychologin (M.Sc.), Ergotherapeutin, systemische
Familientherapeutin (DGSF), Systemische Traumatherapeutin, Supervisorin, langjährige
Tätigkeit in einer Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie,
mehrjährige Beschäftigung im stationären Bereich einer Kinder- und Jugendpsychiatrie
sowie einer kinder- und jugendpsychiatrischen Tagesklinik und Institutsambulanz,
mehrjährige Mitarbeit in einer Praxis für Ergotherapie sowie im psychologischen Dienst
einer großen Jugendhilfeeinrichtung, freiberuflich tätig als Supervisorin, Dozentin und
Systemische Therapeutin, Trainerin am ifs Essen.
- Joachim Wenzel, Dr. phil., Diplom-Pädagoge, Lehrender für Systemische
Therapie/Familientherapie, Beratung, Coaching und Supervision (DGSF), mehrjährige
Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Mainz, Promotion zum
Thema „Wandel der Beratung durch Neue Medien“, langjährig tätig im hauptamtlichen
Leitungsteam und der Beratungsstelle der Telefonseelsorge Mainz-Wiesbaden (Face-to-
Face-Beratung, Telefonberatung, Onlineberatung), freiberuflich tätig in eigener Praxis in
Systemischer Therapie/Beratung, Coaching, Supervision und Organisationsentwicklung.
Trainer am ifs Essen und am Praxisinstitut Hanau.
- Kontakt: www.spi-mainz.de/wenzel
1. Neuartige offene Situation
Menschen sind unterschiedlich in der Art und Weise, wie sie mit Neuem umgehen
ob sie Herausforderungen eher als Chance oder Gefahr ansehen. Jeder Mensch
benötigt aber ein Mindestmaß an Ordnung und Struktur, um sein Leben
selbstwirksam gestalten zu können. In der aktuellen Corona-Krise fallen viele sonst
Halt gebende Abläufe, menschliche Kontakte und Rahmenbedingungen, die
Sicherheit gegeben haben, weg. Hinzu kommt, dass Verlauf und Ausgang der Krise
offen sind, was ebenfalls zur Verunsicherung beitragen kann. Um mit einer solch
offenen Situation gut umgehen zu können, braucht es nun in besonderer Weise
Zuwendung, Zuversicht, aber auch neue Routinen und Rituale, die ein Mindestmaß
an Beruhigung und Übersichtlichkeit in den gerade eher unübersichtlichen Alltag
bringen.
Für Familien, die aktuell viel mehr Zeit auf engstem Raum miteinander verbringen
als sie das gewohnt sind, wird nun auch die Nähe zu einer weiteren
Herausforderung. Anforderungen von außen und der Wegfall von Kinderbetreuung
kommen noch dazu. Was Familien dabei auch neu entwickeln und leisten, wird
ihnen oft nicht bewusst, denn eine vergleichbare Situation gab es ja nie in der
Menschheitsgeschichte und so gerät oft das in den Vordergrund, was nicht gelingt.
Den Blick auf die Ressourcen zu legen, Altes und Neues im Miteinander
aufzugreifen und mehr von dem zu machen was bereits gelungen ist und gelingt,
könnte nun auch eine große Chance darstellen.
1.2 Überforderung durch die Schule
Immer häufiger berichten Eltern, dass sie sich durch die Anforderungen der
Schulen überfordert fühlen. Das Engagement vieler Lehrer*innen, in der jetzigen
Krisenzeit das schulische Lernen aufrechtzuerhalten, ist natürlich sehr zu
begrüßen. Allerdings gibt es in den meisten Schulen und auch in vielen
Privathaushalten keine Infrastruktur für virtuelle Lehre. Zudem schießen nicht
wenige Umsetzungen, etwa per Mail Aufgaben zu verteilen, über das Ziel hinaus:
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Eltern werden zum Teil zu Ersatzlehrer*innen gemacht, die neben den sonst
ebenfalls steigenden Anforderungen und Unsicherheiten auch noch den
ausfallenden Lernstoff vermitteln sollen, selbst wenn sie fachlich und pädagogisch
dafür nicht qualifiziert sind. Eltern beschreiben, dass sie aus der Schule in wenigen
Tagen 60-70 Mails oder mehr für ihre Kinder erhalten, die diese gar nicht alleine
bearbeiten können. Zum Teil gibt es sogar Aussagen von Lehrer*innen, der Stoff
würde anschließend abgefragt. Hier wird in einer Krisensituation Druck erzeugt,
der nicht nur für das Lernen kontraproduktiv ist, sondern auch die ohnehin
auftretenden Probleme in den Familien noch verschärft. Schließlich ist es
unrealistisch, dass in einer akuten Krisenzeit Bildung so umgesetzt werden kann,
als gäbe es die Krise nicht. Zumal Eltern oft selbst ihre Berufstätigkeit sowie alle
bleibenden Anforderungen des Alltags neu strukturieren müssen und dabei die
Entlastung der Kinderbetreuung durch Dritte wegfällt. Daher sollten die Eltern
darin unterstützt werden, zunächst das Engagement der Lehrer*innen zu würdigen
und zu überprüfen, was ihr eigener Beitrag sein kann, ihre Kinder beim Lernen zu
unterstützen. Sollten die schulischen Anforderungen aber nicht leistbar sein, wäre
es wichtig, mit den Lehrer*innen in Austausch über eine realisierbare schulische
Anforderung zu gehen und sich bei Bedarf auch an die Schulleitung zu wenden.
Sich und die Kinder vor unrealistischen Anforderungen zu schützen, kann in diesen
Zeiten sehr wichtig und entlastend sein. Ein gutes Maß an Gelassenheit zu
entwickeln und miteinander im konstruktiven Kontakt zu bleiben, ist jetzt für alle
hilfreich.
1.3 Struktur im Familienalltag
Ein zentraler Unterschied zu Zeiten vor der Corona-Krise ist, dass die sonst von
außen vorgegebene Tagesstruktur oft wegfällt. Keine Termine in Schule,
Kindergarten, am Arbeitsplatz, im Sport etc. können einerseits eine mögliche
Entlastung und Entschleunigung darstellen, andererseits ein weiterer Faktor sein,
Unsicherheit zu erleben. Schließlich wollen und sollen viele Aufgaben trotzdem
erledigt werden: Kochen, Einkaufen, Hausarbeit, Homeoffice, Schulaufgaben,
Sport zuhause und Instrumente spielen seien hier als nur einige Punkte benannt.
Struktur im Tag gibt dabei Sicherheit, Orientierung und ein Gefühl von
Geborgenheit. Das geht Erwachsenen so, ist für Kinder aber besonders wichtig und
Halt gebend.
So können Beratende die Eltern dazu anregen, jeden Morgen mit ihren Kindern
einen Tagesplan zu erstellen. Dazu könnte man den Tag unter ein Motto stellen
(„Geheimagententag, Prinzessinnenzeit, ...) und zunächst Aktivitäten auflisten, die
sowohl Eltern als auch Kinder für den Tag wichtig finden, inklusive der Mahl- und
Schlafzeiten. Gemeinsam darf je nach Alter der Kinder ausgehandelt werden,
was am Tag zu welcher Uhrzeit umgesetzt werden soll. Auf einem großen Blatt
oder einem Stück Tapete können diese Aktivitäten dann in einen Tagesplan
eingeschrieben und eingemalt werden, auch hier wieder an die Interessen und das
Alter der Kinder angepasst: Schreiben oder malen die Kinder lieber? Können die
Kinder lesen? Wichtig ist dabei, dass die Kinder maßgeblich mit in die
Entscheidungen über die Tagesaktivitäten und das Gestalten des Planes
eingebunden werden. Das ist wichtig, um eine möglichst hohe Identifikation und
damit verbundene Motivation zur Umsetzung zu erzielen. Vor allem für den Start
in den Tag ist der Plan oft besonders hilfreich und es ist entlastend gemeinsam in
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der Familie zu schauen, wie flexibel der Plan im Laufe des Tages angepasst werden
darf. Dabei ist die Intervention als Entlastung und nicht als zusätzlicher Stress
gedacht. Eltern sollten jedoch ermutigt und gestärkt werden, an dem Plan
festzuhalten, auch wenn die anfängliche Euphorie der ersten Tage im Verlauf
zurückgeht. Da hilft Klarheit und Konsequenz, bis der Plan zum Ritual im Tag
geworden ist. Gerne dürfen die Pläne auch an wichtige Bezugspersonen, wie
Großeltern, Tanten/Onkel oder Freund*innen weitergeleitet werden, was Stolz
hervorrufen und gegenseitige Anteilnahme im Austausch fördern kann. Tagespläne
eignen sich natürlich auch in der Arbeit mit Erwachsenen sehr gut. Insgesamt ist
es hilfreich, auf Abwechslung, Interessen und den Einbezug viel körperlicher
Bewegung, etwa an der frischen Luft, zu achten. Im Internet gibt es als praktische
Unterstützung viele Links z. B. für Beschäftigungsideen, Sportanleitungen oder
Kochen in der Familie.
2. Aktueller Bedeutungswandel der Medien
Derzeit nehmen die Medien im Leben der Menschen mehrheitlich eine völlig neue
Rolle ein. Beim notwendigen Vermeiden von körperlicher Nähe ermöglichen sie
jetzt soziale Nähe und bieten eine Alternative zu gewohntem menschlichen
Kontakt. Sie stellen so eine wichtige Brücke zur Außenwelt dar und werden auch
immer häufiger zum Lernen und Arbeiten genutzt, selbst da wo dies vor der
Corona-Krise noch nicht denkbar gewesen wäre.
Das ist neu und ungewohnt und selbst dort, wo Mediennutzung kürzlich noch
sehr stark reglementiert wurde, gelten Medien jetzt als wirkliche Alternative, die
es nun aber in einem guten Maße und in sinnvoller Weise zu nutzen gilt.
Die aktive Auseinandersetzung mit Medien, statt nur konsumptive Nutzung, kann
jetzt eine Chance sein. Dabei ist es auch in diesen Zeiten wichtig, Kinder und
Jugendliche bei der Mediennutzung altersgemäß zu begleiten und sie nicht sich
selbst zu überlassen. Auf der Seite der „Deutschen Gesellschaft für Systemische
Therapie, Beratung und Familientherapie“ haben wir unter dem Stichwort
„Medienkompetenz für Systemiker“ hilfreiche Links zusammengestellt. Sie sind
zielgruppenorientiert untereilt für Kinder/Jugendliche, Eltern/Erziehende und
Beratende/Fachkräfte. So können die Links zur Information von Fachkräften
genutzt werden, aber auch als Anregung für Klient*innen. Die Ermunterung zu
gemeinsamem Entdecken und Lernen zwischen Fachkräften, Erziehenden und
Kindern/Jugendlichen, auch über die Medienthematik hinaus, ist dabei hilfreich:
https://www.dgsf.org/service/medienkompetenz-fuer-systemiker
Bei Eltern gibt es, nachvollziehbarerweise, häufig eine große Unsicherheit in Bezug
auf die Mediennutzung ihrer Kinder. Diese Verunsicherung erleben auch viele
Beratende. Um aus einer möglichen Problemtrance zum Thema Mediennutzung
auszustiegen, kann die Übung „Medienkreise“ hilfreich sein (Wenzel 2018, S. 19
ff.). Die Übung können Beratende für sich alleine durchführen oder sie können
Einzelne, Eltern und die gesamte Familie dazu anleiten. Durch die Übung kann es
möglich werden, den Blick weg von Problemen hin zu positiven Anknüpfpunkten
zu Medien zu richten und eine emotionale Basis zu schaffen, um gemeinsam
weitere Lösungen entwickeln zu können.
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3. Herausforderungen für Beratende
Für Beratende ist es in der aktuellen Krisenzeit nicht einfach, genau wie bei den
Klient*innen auch, sich selbst in einer herausfordernden Situation zu erleben und
nicht zu wissen, wie die Krise verlaufen wird, aber dennoch Sicherheit zu
vermitteln. Umso wichtiger ist es, dass die Fachkräfte Selbstfürsorge betreiben
und noch gezielter als sonst immer wieder emotionalen Abstand zu schweren
Themen nehmen. Dies gilt besonders für Eltern in diesen Berufen, die sich im
aktuellen „Spagat“ befinden zwischen der Betreuung ihrer Kinder (und der damit
aktuell verbundenen Anforderung Lehrer*in, Erzieher*in, Trainer*in,
Musiklehrer*in etc. gleichzeitig zu sein) und möglicher Berufstätigkeit. Gerade
jetzt gilt es auch das nicht zu vergessen, was wieder Kraft bringen kann. So kann
es wichtig sein, bewusst die eigenen Ressourcen wahrzunehmen und das
wertzuschätzen, was alles gut verläuft. Um nicht in eine Stressdynamik zu geraten,
ist es oft gar nicht notwendig, länger zu pausieren, etwa Urlaub oder andere
Auszeiten zu nehmen. Meistens genügt es bereits regelmäßig und vor allem in
Übergängen von einer zur anderen Tätigkeit, etwa zwischen den Beratungen, kurz
innezuhalten, bewusst und tief zu atmen und achtsam mit sich und anderen
umzugehen. Was des Weiteren hilfreich ist, um bei Kräften zu bleiben,
unterscheidet sich von Person zu Person. Und so, wie es wichtig sein kann mit
Klienten konkret zu eruieren, was ihnen guttut, so sollte in diesen Zeiten nicht
vergessen werden, dies für sich selbst im Rahmen von Psychohygiene
herauszufinden oder wieder ins Bewusstsein zu rufen. Für die einen ist es Sport,
für eine andere ist es Lesen und für wieder andere ist es ein Telefonat mit
Freund*innen, für die einen das bewusste Herunterregeln des eigenen
Perfektionismus, für den anderen das Hochfahren von Freizeitaktivitäten. Nicht nur
für Klient*innen, sondern auch für uns Beratende kann aber auch eine
Phantasiereise wie „der sichere Ort / Mein Wohlfühlort“ hilfreich sein, um die
unbewussten Potentiale zu erschließen und sich neurobiologische Mechanismen
zunutze zu machen. Und wenn in diesen Zeiten vielleicht Team-
/Gruppensupervisionen aufgrund der aktuellen Situation nicht stattfinden, kann
auch in Erwägung gezogen werden, Einzelsupervision beziehungsweise
Supervision per Telefon/Video in Anspruch zu nehmen oder sich kollegial zu
beraten. Auf jeden Fall ist es wichtig, nicht nur die Klient*innen mit ihren
Bedürfnissen in den Blick zu nehmen, sondern auch sich selbst wahrzunehmen und
Selbstfürsorge zu betreiben.
3.1 Kreative Entwicklungen und Ressourcen
In den Medien kann verfolgt werden, wie immer mehr Menschen kreativ mit den
aktuellen Beschränkungen umgehen und „das Beste daraus machen“: Musik auf
den Balkonen, Klatschen für helfende Berufe und vieles mehr. Familien erzählen
aber auch begeistert, dass sie Vergangenes wieder aufgreifen und etwa
Gesellschaftsspiele spielen, auch wenn sie das jahrelang nicht mehr getan haben
und dass ihnen das richtig Spaß macht. So zeigt sich, dass in diesen Zeiten auch
Chancen für ein neues Miteinander entstehen. Aber gerade auch dort, wo vor allem
von negativen Entwicklungen berichtet wird, etwa durch die beengten
Räumlichkeiten oder das lange andauernde Zusammensein, ist es wichtig, im
Gespräch Suchprozesse anzuregen, um herauszufinden, was gerade gut läuft.
Ebenso kann es hilfreich sein, Überlegungen anzuregen, was in der Vergangenheit
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schon gut funktioniert hat, aber in Vergessenheit geraten ist. Das heißt nicht, dass
man in der Beratung die Sorgen und Nöten der Menschen nicht ernst nimmt.
Natürlich gilt es, ihnen zuzuhören und sie mitfühlend zu begleiten. Noch mehr als
in Face-to-Face-Settings besteht in der aktuellen Krise aber auch die Gefahr, sich
am Telefon oder per Video in einen Negativkreislauf hineinziehen zu lassen. So ist
es wichtig, wertzuschätzen, was die Menschen gerade leisten. Um schwierige
Zeiten gut bestehen zu können, gilt es also, die Schwierigkeiten und Risiken zu
sehen, ihnen entschieden entgegenzutreten aber dabei gleichzeitig in Kontakt zu
kommen mit den eigenen Ressourcen. So ist es möglich, die notwendige Energie
für die Krisenzeit zu mobilisieren und unterstützende Entwicklungen zu fördern.
Hilfreiche Fragen am Telefon oder in der Videositzung können unter anderem sein:
Was ist denn in den vergangenen Tagen gut gelaufen?
Was habt ihr Neues erlebt?
Was war überraschend?
Wovon wollt ihr weniger machen?
Wovon möchtet ihr mehr machen?
Was möchtet ihr einfach mal ausprobieren?
Wer aus der Familie macht gerade was besonders gut?
4. Beratung in der Krise
Es ist davon auszugehen, dass in der aktuellen Krisensituation mehr Menschen in
eine persönliche Krise geraten werden als üblich. So möchten wir hier die zentralen
Krisenaspekte in den Blick bringen.
In Anlehnung an Caplan (1964) und Cullberg (1978) bezeichnen Sonneck et. al.
(2016, S. 32) als psychosoziale Krisen:
[...] den Verlust des seelischen Gleichgewichts, den ein Mensch verspürt,
wenn er mit Ereignissen oder Lebensumständen konfrontiert wird, die er im
Augenblick nicht bewältigen kann, weil sie von der Art und vom Ausmaß her
seine durch frühere Erfahrungen erworbenen Fähigkeiten und erprobten
Hilfsmittel zur Erreichung wichtiger Lebensziele oder zur Bewältigung seiner
Lebenssituation überfordern.“
Die Pandemie mit multiplen unkontrollierbaren Elementen und unberechenbaren
Folgen kann bei vielen Menschen Verunsicherungen und Ängste auslösen oder
verstärken, die durch die auferlegte soziale Isolation und damit zum Teil
einhergehende Einsamkeit und Hilflosigkeit noch intensiviert werden können. Die
psychischen Grundbedürfnisse nach Sicherheit und Versorgung, Kontrolle und
Orientierung, Bindung und Zugehörigkeit sind nicht mehr ohne weiteres erfüllt.
Hinzu kommen für viele Menschen Sorgen um die eigenen Angehörigen sowie
existentielle wirtschaftliche Bedrohungen. Gefühle von Überforderung, Nervosität
und hoher Anspannung z. B. durch drohende Arbeitslosigkeit oder Angst vor
Erkrankung können deutlich steigen. Dies kann zu Folgen wie der Zunahme des
Risikos häuslicher Gewalt, dem Aufbau von Suchtverhalten oder auch
Suizidhandlungen führen.
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Die innere Bedeutungszuweisung des Krisenanlasses, die Fähigkeit sich damit
auseinanderzusetzen und die Verfügbarkeit eigener Resilienzen sowie Ressourcen
sind sehr individuell und mitbestimmend, ob eine persönliche Krise innerhalb der
weltweiten Corona-Krise entsteht und in welcher Intensität sie auf körperlicher,
psychischer und sozialer Ebene zum Ausdruck kommt. Insbesondere Menschen,
die sich bereits psychosozial als deutlich belastet erleben oder psychisch erkrankt
sind, stehen aktuell vor großen Herausforderungen.
Daher ist gerade jetzt wichtig, Menschen im geschützten Rahmen die Möglichkeit
zu geben, durch sozialen, wertschätzenden, sichernden Kontakt ihre Resilienz,
Autonomie und ihr Selbstwirksamkeitserleben zu stärken, Krisen als überwindbar
anzusehen, Ruhe zu bewahren, Lösungswege zu suchen und möglicherweise
weitere soziale Netzwerke oder Inhilfenahmen anzuregen. Beratungs- oder
Therapieangebote, die zuvor im Face-to-Face-Kontakt stattgefunden haben, sind
kaum noch möglich, daher werden die medialen Beratungsangebote vermutlich so
wichtig wie noch nie.
Krisenintervention bemüht sich hier, ein System kurzfristig zu stabilisieren, dem
das Zusammenbrechen droht. Die Instabilität kann aber auch bedeuten, dass ein
Phasenübergang von einer alten festgefügten Ordnung zu einer neuen Ordnung
ansteht, wie Synergetik und Selbstorganisationskonzepte darlegen (Haken &
Schiepek, 2010; Rufer 2012). So fungiert der Berater als Begleiter durch die
‚Schrecken der Instabilität‘“ (Kriz 2017, S. 242). Dabei sind nach Eink und
Haltenhof (2006) in einer akuten Krise der schnelle Anfang und zeitliche
Begrenzung, sowie umschriebene Inhalte, realistische Ziele und ein möglichst
pragmatisches Vorgehen hilfreich. Sonneck et. al. (2016) benennen dazu als
mögliche Aspekte der Krisenintervention das Bella-Konzept:
§ Beziehung aufbauen
§ Erfassen der Situation
§ Linderung von Symptomen (siehe hierzu Abschnitt folgend)
§ Leute einbeziehen, die unterstützen
§ Ansatz zur Problembewältigung in konkreten Schritten
Zu den Strategien der Krisenintervention zählen Eink und Haltenhof (2006) vor
allem das Schützen, das Entlasten und das Stützen. Als Basis wird der tragfähige
Kontakt zu einer als hilfreich und vertrauenswürdig erlebten Bezugsperson
benannt.
Wie oben beschrieben ist „Krise“ ein relativer Begriff. Ob ein Mensch die eigene
Situation als Krise erlebt, hängt stark von subjektiven Vorerfahrungen,
Bedeutungszuschreibungen und Kontextfaktoren ab. Man könnte somit
formulieren, dass ein Mensch sich dann in einer Krise befindet, wenn er es selbst
als Krise erlebt.
Zur weiteren Vertiefung können die Leitlinien für ein Kriseninterventions-
erstgespräch bei Hofer-Moser et. al. (2020) dienen.
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4.1 Umgang mit suizidaler Krise
Bei der suizidalen Krise handelt es sich um eine Sonderform der Krise. Hier geht
es um eine Kanalisierung: Der empfundene Druck über die Aussichtslosigkeit der
Situation und die Belastung über die Undenkbarkeit, eine Lösung herbeizuführen
wird so extrem, dass der Suizid als eine absolute (Er-)Lösung vorgestellt und
empfunden wird.
Telefon- oder Videoberatung als ein niedrigschwelliger Dienst bieten gerade
Menschen in suizidalen Krisen in hohem Maß ein Profil, das zum Gespräch über
den intimen und heiklen Gedankenkreis der Selbsttötung ermutigen kann
(Telefonseelsorge, 2009). Einer/m unsichtbaren oder virtuell erlebten
Gesprächspartner*in kann man leichter von schambesetzten Themen erzählen.
Noch leichter lässt es sich erzählen, wenn zu diesem Gegenüber noch keine
Beziehung besteht oder sich die bestehende tragfähige Beziehung über Face-to-
Face-Kontakt durch die Pandemie nun verändert, manchmal gefühlt distanzierter
gestaltet.
Suizidale Absichten werden selten offen und nicht immer klar verbalisiert, denn es
ist oft schwer für Betroffene, dies in Worte zu fassen und laut auszusprechen.
Zudem besteht häufig ein hoher Grad an Schamerleben bei stark reduziertem
Selbstwertgefühl. Es ist daher wichtig, die Wahrnehmung auch für angedeutete
Suizidideen zu schärfen und diese direkt anzusprechen (z. B. „Haben sie konkrete
Pläne, sich etwas anzutun?“). Es ist ein Mythos, dass das Ansprechen von
Suizidideen die Betroffenen erst auf die Möglichkeit bringen oder gar das Risiko
einer suizidalen Handlung erhöhen würde. Offenes Sprechen über Suizidabsichten
kann vielmehr heilsam sein (Schweitzer & von Schlippe, 2015). Ebenso ist es auch
nicht richtig, generell zu denken, dass Menschen, die über einen Suizid reden,
diesen nicht durchführen, sondern nur um Anerkennung ringen würden. Es
erfordert einen differenzierten Blick und ein vorsichtiges Eruieren, um
unterscheiden zu können, ob die Aussagen ein Ausdruck anderer innerer
Konstrukte und Bedürfnisse sein könnten, die erst einmal nicht anders formuliert
werden können oder ob tatsächlich konkrete Suizidabsichten bestehen.
Interessant zu wissen ist, dass 80% der Suizident*innen in irgendeiner Weise ihren
Suizid ankündigen.
Ein Merkmal von Notfall- und Kriseninterventionen ist die Tatsache, dass hier die
Entscheidungen auf der Grundlage begrenzter Informationen getroffen werden
müssen (Rupp, 2011). Es bleibt meist nicht genug Zeit oder Raum, um
umfassendes Wissen über Vorgeschichte oder aktuelle Lebensumstände zu
eruieren und trotzdem muss gehandelt werden. Systemisch gesehen ist das
Wissen nicht unbedingt notwendig, da Interventionen in einem System nur
begrenzt vorhersehbar sind. Es kann entlastend sein, sich bewusst zu machen,
dass die Vorstellung völliger Kontrolle über eine Krisensituation gänzlich
unrealistisch ist. Daher ist gerade der Aufbau einer beraterischen/therapeutischen
Beziehung in diesen Krisenmomenten und -zeiten von zentraler Bedeutung für die
Krisenbewältigung. Die Qualität dieser Beziehung ist aber nicht nur von der Dauer
abhängig, es kann gerade in schwierigen Situationen auch in kurzer Zeit Vertrauen
aufgebaut werden, das für die Bewältigung von Krisen grundlegend ist (Hepp et.
al., 2004). In der systemischen Beratung kommt der Autonomie der Klient*innen
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ein sehr hoher Stellenwert zu, diese soll möglichst gesichert oder maßgeblich
erweitert werden. Insbesondere in Krisensituationen geht es darum, dem
Betroffenen und den für ihn wichtigen Bezugspersonen viel Autonomie
zurückzugeben, ohne dass Berater*innen oder Therapeut*innen sich ihrer
Verantwortung entbinden. Allerdings ist Autonomie immer auch mit Verantwortung
verbunden, und gerade in Krisensituationen können oder wollen Betroffene diese
Verantwortung nicht immer wahrhaben oder übernehmen. Eine Ambivalenz zur
Suizidhandlung bleibt häufig bis kurz vor der Entschlussphase und der
aufgehobenen Selbststeuerungs- und Distanzierungsfähigkeit bestehen. Die
systemische Haltung der Problem- und Veränderungsneutralität ist da in
Krisensituationen und insbesondere in suizidalen Krisen besonders hilfreich (Hepp,
2018). Das Akzeptieren von Suizidwünschen oder Suizid als denkbare
Handlungsoption ermöglicht eine ganz andere therapeutische Auseinandersetzung
(Borst & Hepp, 2012). In diesem Zusammenhang kommt der Sichtweise auf die
systemisch-zirkuläre Interaktion, einer wertschätzenden Haltung, einer Problem-
und Lösungsneutralität vor dem Hintergrund der Gratwanderung zwischen
Autonomie und Kontrolle eine tragende Rolle zu. Die Herausforderung besteht
darin, sich als Helfer*in nicht auf die mögliche Einladung zu einer rigiden
„Entweder-Oder“-Dynamik einzulassen, sondern zu verflüssigen, Differenzierung
zu schaffen und Bewegung zu ermöglichen. Entlastend kann dabei sein, sich
bewusst zu machen, dass Stabilisierung in Krisenzeiten wichtig ist, dass die
Instabilität von Systemen aber auch neue Chancen bietet und im Rahmen von
Selbstorganisation zu neuer Sicherheit und Ordnung führen kann. Zudem
beschreibt die Kontextabhängigkeit im systemischen Sinne, dass jedes Verhalten
in einem bestimmten Rahmen einen Sinn ergibt. Diesen Rahmen zu entdecken und
das (suizidale) Verhalten hineinzustellen, erscheint als wichtiger Baustein der
beraterisch-therapeutischen Strategie (Borst & Hepp, 2012).
Der israelische Psychologe Haim Omer und Kollegen beschreiben zwei typische
Kennzeichen von potenziellen Suizident*innen (Omer & Ellitzur, 2003):
- Erstens das Gefühl maximaler Einsamkeit, mit dem Erleben, dass niemand das
Ausmaß des enormen Schmerzes, der empfunden Scham und ausweglosen
Verzweiflung nachvollziehen kann. Es entsteht ein Teufelskreis, der zirkulär
verstärkt wird: Je stärker die suizidale Absicht ist, desto stärker ist die
Ablehnung aller äußeren Hilfeversuche. Der/die Suizident*in bleibt demnach
einsam.
- Zweitens scheint der Blick auf die Welt im Sinne eines Tunnelblicks maximal
eingeschränkt, was den externen Einfluss drastisch blockiert. Wie bei einem
heftigen körperlichen Schmerz (etwa der in der Autotür gequetschte Finger),
der den Fokus auf den Schmerz bündelt. Dennoch, so postulieren die Autoren,
sei gegebenenfalls der Blick auf die Bedeutung der Welt um den/die
Suizident*in möglich, ein Spalt in dem psychologischen Panzer, der dem
Helfer einen möglichen Eintrittspunkt bietet (ebd.). Sie schlagen vor, aus
diesen beiden Kennzeichen die Haltung des/der Helfer*in und ein damit
abgestuftes Vorgehen abzuleiten:
A) Die teilnehmende Haltung als angemessene Antwort auf das Gefühl von
Einsamkeit, die das große Leiden und die Not der/des Betroffenen anerkennt.
Sie stellt den Gegenpol zu einer konfrontierenden („Das kann man doch nicht
machen.“) oder bagatellisierenden („Das ist doch nicht so schlimm.“ / „Das
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wird schon wieder.“) Haltung dar, die die beabsichtigte Tat als absurd, unrecht
oder inakzeptabel bewertet. Zwar ist eine Konfrontation als Differenzierung
wichtig und notwendig, jedoch erst im zweiten Schritt, da sonst die Gefahr
besteht, dass der Betroffene sich missverstanden fühlt und sofort zurückzieht.
Eine durchgängig teilnehmende Haltung ist unabdingbar, damit der andere Teil
der Ambivalenz angesprochen werden kann.
B) Die herausfordernde Haltung, in der sich die/der Helfer*in auf die
andere Seite der Ambivalenz begibt und sich aus der teilnehmenden Haltung
heraus offen gegen den Suizid ausspricht. Er/sie richtet den Blick auf die Dinge,
die der/die Suizident*in möglicherweise augenblicklich nicht aktiv sehen kann,
z. B. das Vorhandensein von Auswegen, das Leid der Kinder oder des Partners
sowie das Abklingen des Schmerzes. Dies steht im Widerspruch zu der Tendenz
vieler Helfenden sich mit reiner Empathie zu begnügen, ohne jeglichen
Versuch, den/die Betroffenen auch antisuizidale Botschaften zur Verfügung zu
stellen. Die herausfordernde Haltung kontert auch die zumeist berufliche
Einstellung, sich jeglicher Wertung zu enthalten, eine Haltung, die den/die
Helfer*in in einer suizidalen Krise ganz und gar lähmen könnte. Die Autoren
benennen, dass die Helfenden in diesen Fällen verpflichtet sind, den
beruflichen Reflex von „Verurteilungsabstinenz“ zu überwinden.
Die teilnehmende und die herausfordernde Haltung sind dialektisch verbunden: Je
überzeugender die Teilnahme der Helfer*innen, desto fähiger sind sie, den
betroffenen Menschen herauszufordern und umgekehrt. Wenn wir uns demnach
an die Seite des Menschen begeben und unser empathisches, offenes Verstehen
der suizidalen Absicht ausdrücken, gewinnen wir auch seine Empfänglichkeit für
unsere antisuizidalen Botschaften. Deutlich wird, dass es sinnvoll sein kann, sich
zunächst mit dem suizidalen inneren Anteil des/der Klient*in zu verbünden und
erst dann, wenn dies geglückt ist, auch stärker die andere Seite zu betonen und
Perspektiven anzubieten. Somit erfolgt in Konsequenz auch ein Appell an die
Eigenverantwortung der Betroffenen (Hermans, 2016).
Sollte der/die Betroffene nicht mehr zur Kooperation in der Lage und ein Erreichen
in der Ambivalenz nicht mehr möglich sein, haben die Helfenden nur dann die
rechtliche Pflicht bei drohender Selbstgefährdung zu handeln und ihre
Problemneutralität aufzugeben, wenn sie eine Beschützergarantenstellung haben
(etwa als Arzt/Ärztin, Psychotherapeut*in, Betreuende von Minderjährigen).
Allerdings sind bei unmittelbarer Fremdgefährdung (Anzeigepflicht nach § 138
Strafgesetzbuch StGB), wie einem angedrohten erweiterten Suizid, die Behörden
oder die Betroffenen zur Gefahrenabwehr zu verständigen. In einer solchen
Situation ist es hilfreich, möglichst sensibel Informationen über den Aufenthaltsort
und persönliche Daten zur Person eruiert zu haben. So können im Akutfall, bei
notwendigem und unmittelbarem Verständigen der Behörden (Notruf 112),
nachdem der Betroffene aus dem Kontakt gegangen ist, wichtige Informationen
zum Auffinden und zur weiteren Hilfestellung des Betroffenen gegeben werden.
Häufig äußern Helfende in Bezug auf den Umgang mit suizidgefährdeten Menschen
die Sorgen, sie könnten durch eine „falsche“ Gesprächsführung sozusagen über
Leben und Sterben des betroffenen Menschen entscheiden. Das engt den
Handlungsspielraum ein, macht Druck, löst Unsicherheit aus und könnte sprachlos
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machen. Deshalb ist es wichtig, noch einmal die deutliche Wichtigkeit der
therapeutisch-beraterischen Beziehung als präventiven Faktor aus der
Suizidforschung herauszustellen. Dabei kann schon das zunächst anteilnehmende
Beziehungsangebot haltgebend sein und das im Anschluss folgende
herausfordernde Beziehungsangebot den Blick wieder erweitern sowie
verschiedene Möglichkeiten eröffnen.
Gleichzeitig ist es wichtig, sich klar zu machen, dass auch Helfende einen Suizid
nicht immer verhindern können, auch wenn sie das Gespräch Halt gebend, allen
Empfehlungen folgend, entlastend, Ressourcen stärkend und wertschätzend
geführt haben. Für zahlreich verwendete Non-Suizid-Verträge fehlt die Evidenz
(Rudd et al., 2006) und es wird deutlich, dass Betroffene in ihrer Situation weder
in der Lage sind, noch beabsichtigen, diese Verträge einzugehen. Eine bessere
Wirksamkeit zeigen Verabredungen, bei welchen sich die Betroffenen bei einer
Verschlechterung des Zustandes respektive bei zunehmender Suizidalität wieder
melden werden. Als wichtig erweist sich hierbei auch die Erarbeitung eines
spezifischen Sicherheitsplanes, welcher den graduellen Verlauf der Suizidalität
möglichst frühzeitig zu erkennen und zu verändern versucht und somit die
Autonomie und Selbstwirksamkeit des betroffenen Menschen erhöhen kann.
Ein solch individuell ausgestalteter Plan könnte folgende Oberthemen
beinhalten:
§ Warnsignale beachten (z. B. Beginn und Verlauf suizidaler Gedanken,
Verstärkung der Gefühle von Hoffnungs- oder Wertlosigkeit, Verlangen sich
Bedürfnisse ausufernd destruktiv zu Erfüllen z. B. Alkohol, Drogen, ...)
§ Internale Bewältigungsstrategien erarbeiten (z. B. Kunst, Sport,
Instrument spielen, Lesen ...)
§ Soziale Bewältigungsstrategien eruieren (z. B. Selbsthilfegruppen,
bestimmte Freund*innen kontaktieren, bestimmte Kontakte meiden ...)
Wer kann unterstützend wirken? Wie? (Angehörige, Freunde) Wer kann
destabilisierend wirken?
§ Kontaktieren von Personen, die in Krisen helfen können (ausgewählte
Kontaktpersonen & Telefonnummern)
§ Benennen von Fachpersonen und Fachstellen, die während der Krise
kontaktiert werden können (z. B. Behandler*in, Notruf 112,
Kriseninterventionszentrum, Notfallstation im Krankenhaus), Ressourcen-
und Unterstützungssysteme eruieren
o Fähigkeiten und Ressourcen der Klient*innen wahrnehmen,
bestätigen, unterstützen, ausbauen, suchen und deren Umsetzung
anregen
o Professionelles Unterstützungsnetz: Wer sollte informiert und mit
einbezogen werden in die Krisenintervention?
o Wie ist der Kontakt/die Beziehung zum/zur Berater*in? Was könnte
dem/der Klient*in helfen? Was ist sein/ihr Bedürfnis? Was müsste
anders werden?
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4.2 Besonderheiten am Telefon
Die Telefonberatung unterscheidet sich von einem Face-to-Face-Setting vor allem
durch den Wegfall der visuellen Kanäle. Diese Kanalreduktion darf allerdings nicht
einfach als Nachteil verstanden werden. Schließlich ist es für manche Menschen
sogar leichter, sich am Telefon mit emotionalen oder gar schambesetzten Themen
zu öffnen, selbst wenn sie ihr Gegenüber bereits kennen. Das gilt erst recht, wenn
der/die Ratsuchende anonym bleibt. Und so ist es auch ein zentraler Unterschied,
ob es sich um eine Telefonberatung handelt, die anonym erfolgt oder nicht. Kühne
und Hintenberger (2020) geben einen aktuellen Überblick in der Corona-Krise,
welche medialen Möglichkeiten gerade hilfreich sein können. In Bezug auf die
Rahmenbedingungen von Telefonberatung schreiben sie:
Rahmenbedingungen für die Praxis:
Sicherstellung einer ruhigen akustischen Umgebung.
Ein Headset erleichtert in der Regel Hören sowie Sprechen und ermöglicht
eine größere Bewegungsfreiheit.
Miteinbezug Stimmlage, Artikulation, Lautstärke, Sprechgeschwindigkeit,
Sprachmelodie, Atmung, …
Selbstfürsorgekompetenz, um sich in einer angemessenen Art und Weise
abgrenzen zu können.“ (Kühne & Hintenberger, 2020)
4.2 1 Anonyme Telefonberatung
Anonyme Beratung am Telefon ermöglicht es, ohne längere Vorrede, sehr schnell
ins Thema einzusteigen. Klient*innen kommen dabei oft schneller auf den Punkt
und benennen oft schon im ersten Satz zentrale Aspekte der Thematik. Allerdings
besteht hier auch die Gefahr, dass die Anrufenden sich von Beginn an in eine
Problemtrance begeben und immer mehr in die Problematik hineinreden und sich
das Gespräch so eher in einen Monolog als zu einem Beratungsgespräch
entwickelt.
Hinzu kommt, dass man bei anonymen Telefonaten meist kaum
Kontextinformation zu den Anrufenden hat und es wichtig ist, nicht nur in Bezug
auf das problematische Thema in Kontakt zu kommen. Frühzeitig zu
Kontextualisieren und das Gespräch nicht einfach „laufen zu lassen“ ist hier
wichtig, gerade auch bei Krisenberatung, wie oben beschrieben. Die
Prozesssteuerung zu übernehmen und bei Bedarf freundlich zu unterbrechen, ist
in einem anonym geführten Telefongespräch nicht selten notwendig, um
überhaupt in einen Dialog treten zu können.
Beratende sollten sich im Telefonat immer mal wieder bewusstmachen, dass sie
das, was sie nicht sehen, sehr schnell mit eigener Phantasie füllen. Das kann für
das Gespräch zunächst sogar hilfreich sein, da die Lücke mit Bekanntem aus den
eigenen Vorerfahrungen gefüllt wird und so ein emotionales Anknüpfen einfacher
erfolgt. Sollte sich jedoch die eigene Phantasie verfestigen und nicht immer wieder
hinterfragt und verflüssigt werden, kann sie auch zwischen den Beratenden und
Anrufenden stehen.
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Bisweilen zeigen anonyme Anrufende auch sehr stark emotionales, aggressives
Verhalten. Das kann der Anonymität geschuldet sein, gerade wenn Menschen in
einem solchen Setting erstmals ihre angestauten Gefühle ausleben. Es kann ein
wichtiger Schritt für die Ratsuchenden darstellen, sich ihrer Gefühle bewusst zu
werden und aktiv mit ihnen umzugehen. Sollten sie sich aber länger nicht
begrenzen lassen, ist es wichtig, dass Beratende auch gut auf ihre eigenen
Grenzen achten, in Metakommunikation gehen und dies thematisieren. Solche
Affekte zu nutzen kann sehr hilfreich sein, etwa wenn das Gegenüber gar nicht
merkt, wie das eigene Reden auf den anderen wirkt. Sollte es aber nicht möglich
sein, darüber in Kontakt zu kommen und im Miteinander auszuhandeln, wie das
Gespräch geführt werden kann, ist das aktive Beenden und Verabschieden durch
den/die Berater*in ebenfalls eine wichtige Option.
Die genannten möglichen Probleme am Telefon sollen aber nicht den Blick dafür
verstellen, dass in der anonymen Beratung auch eine große Chance steckt, weil so
auch Menschen erreicht werden, die zu einem bestimmten Zeitpunkt niemals in
eine Beratungsstelle oder Therapiepraxis vor Ort gehen würden. So werden
Menschen frühzeitig erreicht, die sonst nicht erreichbar wären. Das gilt bei der
anonymen Telefonberatung genau wie bei einer anonymen Onlineberatung.
4.2.2 Methodische Aspekte von Telefonberatung
Vieles, was für die anonyme Telefonberatung beschrieben wurde, kann auch
hilfreich sein, wenn man die Klient*innen bereits kennt oder sie bereits in anderer
Weise aus der Anonymität herausgetreten sind. Dabei ist jedoch zu bedenken,
dass sich Menschen am Telefon nicht genau wie in einem Face-to-Face-Kontakt
verhalten, sondern manchmal unterwartete Verhaltensweisen an den Tag legen
und sich auch in ihrer Emotionalität anders zeigen können als Face-to-Face.
Sötemann (2019) legt nahe, dass es in der Telefonberatung hilfreich ist, sich
bewusst mit der eigenen Stimme zu befassen. So sind Tonlage und Klang der
Stimme, aber auch Sprechgeschwindigkeit im Kontakt mit den Anrufenden zu
entwickeln. Zu Beginn eines Telefonates ist es hilfreich, sich der Sprechweise des
anderen anzupassen, um an den Ratsuchenden anzuschließen. Gerade bei
Menschen in einem hohen Stresslevel kann es dann aber wichtig sein, gemeinsam
in eine tiefere Atmung zu gelangen, weg von einer flachen Atmung, hin zu einer
ruhigeren. Dabei ist die eigene Atmung des Beratenden ein hilfreiches Instrument
zur Wahrnehmung der eigenen Befindlichkeit und damit der Selbstfürsorge: Wenn
eine Atmung immer flacher wird, fehlt es vermutlich an Distanz zu den Problemen
und Themen des anderen. Da kann eine Haltungsänderung des eigenen Körpers
heraushelfen, indem der Beratende bewusst aufsteht oder sich anders hinsetzt.
Gut und bewusst mit dem eigenen Körper in Kontakt zu sein, ist Voraussetzung in
der Telefonberatung, um ein hilfreiches Gegenüber sein zu können.
Eine große Herausforderung kann es sein, wenn noch weitere Menschen in ein
Telefonat eingebunden werden, etwa beide Eltern, ein Paar oder eine Familie. Aber
auch generell kann es wichtig sein, die Rahmenbedingungen zu klären, in denen
ein Telefongespräch geführt wird, wenn andere Personen mit in der Wohnung sind.
Die Auftragsklärung am Telefon erstreckt sich dann zu Beginn auf die Frage, wer
denn alles an der Telefonberatung teilnimmt, ob etwa die Lautsprechfunktion
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genutzt wird oder ob sich eine Einzelperson in einen geschlossenen Raum
zurückzieht.
In der Telefonberatung empfiehlt es sich die ersten Worte stichwortartig
mitzuschreiben, da sie oft bereits zentrale Element der späteren Thematik
enthalten. Oft verdichtet sich in dieser Kontaktaufnahme mit dem/der Berater*in
bereits eine Beziehungsdynamik oder es werden Fragestellungen und
Unsicherheiten bereits zu Beginn deutlich. Damit kann dann im Verlauf des
Gesprächs gearbeitet werden, sei es mittels Metakommunikation darüber oder
indem die Beratenden aufmerksam bleiben für die Anfangsthematik.
In der Telefonberatung eignen sich besonders die systemischen Fragetechniken,
da sie helfen zu differenzieren, neue Perspektiven zu entwickeln und einen Weg
aus den eigenen Phantasien hin zum Klienten und seiner Lebenswelt ermöglichen.
Insbesondere der ressourcenorientierte Blick ist am Telefon dabei sehr hilfreich
wie Seidlitz und Theiss (2008) ausführen. Am Ende des Gesprächs kann es sinnvoll
sein, gemeinsam zusammenzufassen und zu strukturieren, um was es in dem
Telefonat genau ging und einen Ausblick zu entwerfen, wie es nun weitergeht.
4.2.3 Eignung von Telefonberatung
In der aktuellen Corona-Situation eignet sich Telefonberatung für das in Kontakt
bleiben mit bereits bekannten Klient*innen. So kann die Technik als Kontaktbrücke
genutzt werden, auch dann, wenn die Präsenzberatung vor Ort nicht möglich ist.
Da viele Menschen gewohnt sind, das Telefon für unterschiedlichste Formen der
Kommunikation zu nutzen, privat wie dienstlich, ist das Medium für viele geeignet,
in einer Krise als Kontaktbrücke zu fungieren. Allerdings gilt das nicht für alle
Menschen. Durch den Wegfall des Visuellen erleben einige die rein auditive
Kommunikation als noch emotionaler oder intimer. Während etwa im Face-to-
Face-Kontakt, dann wenn die Stimme in emotionalen Situationen nicht mehr
kontrolliert werden kann, mit Gestik und Mimik davon abgelenkt werden kann, ist
das am Telefon nicht so einfach möglich. Menschen, die das Telefonieren als zu
emotional erleben, würden eine Telefonberatung vielfach nicht nutzen. Die Idee,
dass technisch-vermittelte Kommunikation niedrigschwelliger sei als Face-to-Face-
Beratung, wurde empirisch mittlerweile widerlegt. Da die Präferenzen der
Klient*innen so unterschiedlich sind, entsteht Niedrigschwelligkeit von
Beratungsangeboten gerade durch das Anbieten einer Vielfalt verschiedener
Settings (Wenzel, 2013).
4.2.4 Besonderheiten bei Video
Die Beratung per Video erscheint auf den ersten Blick sehr nahe am kopräsenten
Gespräch: Zwei oder mehr Gesprächspartner*innen treffen sich zu einem
vereinbarten Zeitpunkt zu einem Beratungstermin. Gleichwohl gibt es einige
Unterschiede, die in der Kommunikation und Beratung mittels Video beachtet
werden müssen.
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Technische Aspekte
Zunächst gilt es, die technischen Besonderheiten zu beachten. Bei der
Übermittlung eines Videogesprächs wird eine relativ große Bandbreite benötigt.
Idealerweise sind die Endgeräte beider Gesprächspersonen per LAN-Kabel mit dem
Internet verbunden. Andernfalls kann es zu Verbindungsabbrüchen oder
zeitverzögerter Übermittlung von Bild und Ton kommen. So kann das Bild
„einfrieren“ und das Audio nicht lippensynchron übertragen werden. Beides kann
irritieren und im Gesprächsverlauf stören. Um mit technischen Schwierigkeiten im
Notfall umgehen zu können, sollte der*die Berater*in telefonisch erreichbar sein,
um z. B. zu verhindern, dass das Gespräch mitten im Termin abrupt endet, weil
eine*r der Gesprächspartner*innen „aus der Leitung fliegt“. Hilfreich ist es, im
Zweifelsfall der ratsuchenden Person eine kurze technische Anleitung zukommen
zu lassen, damit z. B. sichergestellt ist, dass diese in der Lage ist, Mikrofon und
Kamera zu aktivieren.
Vor- und Nachteile von Videokommunikation
Als mediale Form der Beratung wird Videoberatung immer wieder mit
schriftbasierter Onlineberatung verglichen. So gilt es auch diese Unterschiede
abzuwägen, wenn man entscheidet, welche Kontaktbrücke man für die
Beratungskommunikation wählen möchte. Die Beratung per Video hat
verschiedene Vor- und Nachteile gegenüber Face-to-Face-Beratung oder
Onlineberatung.
„Mögliche Vorteile sind:
§ die Übermittlung nonverbaler Signale (Mimik, Gestik)
§ die Möglichkeit Kontextinformationen, die sich im Aufnahmebereich der
Kamera und des Mikrofons befinden zu übertragen
§ die Schaffung von sozialer Nähe durch Telepräsenz
§ das Wahrnehmen von Pausen in der Kommunikation
§ die Möglichkeit, Feedback schneller und unmittelbarer zu geben und ggf.
Interpretationsfehler zu reduzieren
§ der geringere Zeitaufwand im Vergleich zum Schreiben längerer
Textnachrichten […]
Als Nachteile könnten folgende Faktoren gelten:
§ hohe technische Anforderungen (Bandbreite, Equipment, Bedienung)
§ fehlende Möglichkeit des direkten Augenkontakts
§ Gefahr zusätzlicher Irritationen dadurch, dass die Kameras meist auf oder
unter dem Projektionsmedium stehen, was dazu führt, dass die
Gesprächsteilnehmer aneinander vorbeischauen (müssen)
§ Kognitive Überforderung durch das ständige Fixieren des Bildschirms, das
die Konzentration auf die eigentlichen Kommunikationsinhalte erschwert
und zur Ermüdung führen kann
§ Hoher Aufwand für kurzen Nachrichtenaustausch durch organisatorische
und vorbereitende Maßnahmen.“ (Engelhardt & Gerner 2017, S. 21f.)
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Empfehlungen zur Durchführung einer Videoberatung
§ „Ein ruhiger Arbeitsplatz, der Hintergrundgeräusche und
„Durchgangsverkehr“ minimal hält.
§ Der von der Kamera erfassbare Hintergrund sollte zudem neutral und
reizarm sein, um Irritationen zu vermeiden.
§ Hilfreich für die Wahrnehmung ist eine gute Ausleuchtung des Gesichts, also
Licht von vorne.
§ Zudem sollte die Kamera so platziert werden, dass die Blickrichtung der
Augen und die Kamera auf einer Linie sind, um den Eindruck eines „Von-
oben-Herabschauens“ bzw. „Von-unten-Hinaufschauens“ zu vermeiden.
§ Neutrale, reizarme Kleidung; auf grelle Rottöne verzichten.“ (ebd., S. 23)
4.2.5 Methodische Aspekte von Videoberatung
Videoberatung ist keine Face-to-Face Beratung, insofern gilt es, einige
Besonderheiten im methodischen Arbeiten zu berücksichtigen. So sind
beispielsweise Körpersignale des Gegenübers nur begrenzt wahrnehmbar und die
Übertragung von leiseren akustischen Signalen kann im Gespräch verloren gehen.
Der*die Berater*in muss in der Lage sein, genau hinzuhören und hinzusehen und
selbst auch auf eine deutliche Aussprache zu achten. Die eigene Körperhaltung vor
der Kamera und der Blick zur ratsuchenden Person hin spielen eine ebenso wichtige
Rolle.
Wird zudem noch ein*e Dolmetscher*in das Gespräch involviert, steigen die
Anforderungen zusätzlich. Die Menge an Informationen, die im Rahmen eines
solchen Gesprächs mitgeteilt und empfangen werden können, liegt oftmals unter
der eines Gesprächs in Kopräsenz.
Ansonsten kann in diesem Setting grundsätzlich methodisch wie auch im
klassischen Beratungsgespräch gearbeitet werden. Schwieriger wird es jedoch zum
Beispiel gemeinsam ein Familienbrett zu nutzen oder ähnliches. Allerdings wäre es
hier auch denkbar, mit Hilfe eines digitalen Whiteboards zu arbeiten oder
entsprechende Spezialtools zu nutzen es bleibt jedoch eine Beschränkung, da
nicht gleichzeitig die Handlungen des*r Ratsuchenden und seine*ihre Mimik etc.
beobachtet werden können (siehe auch Engelhardt, 2018).
4.2.6 Eignung von Videoberatung
In der aktuellen Situation eignet sich Videoberatung besonders für das in
Kontaktbleiben mit bereits bekannten Klient*innen, deren technische
Kompetenzen ggf. eingeschätzt werden können oder für die es eine weniger große
Hürde darstellt, im Notfall auch telefonisch in Kontakt zu kommen. Für
Beratungsthemen, bei denen eine höhere Form der Anonymität gewünscht ist,
wäre eher die Beratung am Telefon oder aber per textbasierter Onlineberatung
geeignet.
4.2.7 Rechtliche Rahmenbedingungen
Eine Verschlüsselung der Beratungskommunikation und ein Schutz vertraulicher
Daten ist bei Videoberatung zwingend notwendig. Berufsgeheimnisträger*innen
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müssen seit 2018 darüber hinaus nach § 203 Abs. 4 Strafgesetzbuch (D) die
beteiligten Technikdienstleister (etwa Betreiber von Kommunikationsdiensten,
Beratungsplattformen, Messengerdiensten) zur Geheimhaltung verpflichten. Viele
Angebote, die möglicherweise für Videokonferenzen oder Videolehre vertretbar
sind, erfüllen nicht die ethischen und rechtlichen Anforderungen an sichere und
datenschutzkonforme Medientechnik bei vertraulicher Videoberatung. Anbieter,
die unter deutsches/europäisches Recht fallen, sind hier vorzuziehen. Die
Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat eine Liste mit zertifizierten
Videodiensteanbietern veröffentlicht, die in der kassenärztlichen Versorgung
verbindlich ist.
5. Mitmenschlichkeit fördern
In Zeiten großer Verunsicherung ist es besonders wichtig, mit anderen Menschen
in Verbindung zu sein, auch wenn diese wegen des Coronavirus mit räumlichem
Abstand erfolgen muss. Da sind dann gerade die kleinen Gesten nicht zu
unterschätzen, wie etwa einen anderen Menschen im Vorübergehen bewusst
wahrzunehmen und ihm freundlich zuzulächeln. Das Gute daran ist, dass das nicht
nur dem Gegenüber, sondern auch einem selbst guttut. So werden so genannte
Glückshormone ausgeschüttet, und selbst bei voriger negativer Grundstimmung
kann die Wahrnehmung neu ausgerichtet werden und Suchprozesse in eine neue
Richtung auslösen, die auf Gelingendes zielen. Mitmenschliche Gesten können als
Gegenmittel dienen zu den verunsichernden und problematischen Erlebnissen, die
es in einer Krisenzeit natürlich gibt. Und so ist es hilfreich zu überprüfen, ob ein
Konflikt in diesen Zeiten tatsächlich eskaliert werden muss oder ob es nicht für alle
Beteiligten hilfreich wäre, die Toleranzschwelle zu erhöhen. Hilfreich wäre es
anderen, aber auch sich selbst zuzugestehen, dass man in diesen Zeiten schneller
an seine Grenzen kommt als sonst.
6. Institutionell Verbindung schaffen
Wie oben bereits aufgezeigt, entwickeln viele Menschen in Krisenzeiten, wenn alte
Routinen wegbrechen, einen kreativen Umgang mit der neuen Situation, der
ansteckend wirken kann. Ebenso geschieht das in Einrichtungen, wenn sie auf ihre
Ressourcen zurückgreifen und den Schwierigkeiten und Problemen aktiv
entgegentreten. Ein positives Beispiel ist ein telefonischer Besuchsdienst, den die
Telefonseelorge in Kooperation mit der Gemeindecaritas in Essen aufgebaut hat.
Unter dem Motto „‘Herz am Telefon´ Telefonbesuche in Zeiten von Corona“
werden sehr niedrigschwellig ältere Menschen, die sich einsam fühlen, mit
Ehrenamtlichen zusammengebracht: www.caritas-e.de
Dieses spontan in der Corona-Krise entwickelte Projekt steht für unzählige
Initiativen weltweit und kann als Beispiel dafür dienen, was möglich wird, wenn
die aktuellen Probleme wahr- und ernstgenommen werden und mit den
vorhandenen Ressourcen (hier Ehrenamtliche die mit der
Telefonberatungskompetenz der Telefonseelsorge) in Verbindung gebracht
werden.
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7. Hoffnung und Zuversicht vermitteln
Eine große Kraft, um möglichst heil aus einer Krise herauskommen zu können,
entsteht, wenn Hoffnung und Zuversicht vermittelt werden. Wie gezeigt heißt das
nicht, die Augen vor den Problemen zu verschließen, sondern vielmehr beherzt die
Herausforderungen zu identifizieren und sich ihnen mutig zu stellen. Systemisch
bedeutet das, lösungsorientiert vorzugehen und Bilder der Zukunft zu entwerfen,
die weiterhelfen.
Literatur
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Wenzel, J. (2013). Wandel der Beratung durch Neue Medien. Göttingen: VR
unipress
Wenzel, J. (2018). Familien im Medienzeitalter. Digitalisierung in der
Beratungspraxis. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
www.e-beratungsjournal.net (ISSN 1816 7632)
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Anhang
Links für Klient*innen
§ Beschäftigungsideen mit Kindern:
https://www.kita.de/wissen/kinder-beschaeftigen
§ Praktische Sportanleitungen für alle Altersgruppen:
https://www.albaberlin.de
§ Kochen für die ganze Familie:
https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/
gesund-ernaehren/kochen-mit-kindern-ab-welchem-alter-koennen-kinder-in-
der-kueche-helfen-11676
§ Diskussionsforum Depression: Fachlich moderiertes Online-Forum zum
Erfahrungsaustausch diskussionsforum-depression.de
§ Deutschlandweites Info-Telefon Depression 0800 33 44 5 33 (kostenfrei)
https://www.deutsche-depressionshilfe.de
§ Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention (DGS): Adressen von helfenden
Einrichtungen, Ansprechpartner nach Bundesländern geordnet, Tagungen,
Hintergrundinformationen zu Suizidalität http://www.suizidprophylaxe.de
§ Telefonseelsorge der evangelischen und katholischen Kirche: bundesweit
unter der kostenfreien Rufnummer 0800/11 10 111 oder 0800/11 10 222
rund um die Uhr, telefonische Beratung, Austausch per Mail und Chat, Liste
mit Anlaufstellen vor Ort
http://www.telefonseelsorge.de
§ Die ARCHE - Suizidprävention und Hilfe in Lebenskrisen e.V. in München:
Krisenintervention, Beratung für Erwachsene und Jugendliche, Paare,
Familien, Angehörige, Einzelberatung, Telefonberatung (nach
Terminvergabe), Therapiegruppe, Trauerbegleitung http://www.die-arche.de
§ Das Beratungsnetz: Beratungsplattform für psycho-soziale kostenlose Online-
Beratung durch gemeinnützige und paritätische Einrichtungen, über den
"Beratungslotsen" Suche nach Adressen zu den Themen Trauer und
Einsamkeit, körperliche Beschwerden, Psyche
http://www.das-beratungsnetz.de
§ Kompetenznetz Depression: umfangreiche Adressenliste von Krisendiensten
als pdf-Download, erste Hilfe, Klinikadressen, Tipps zur Selbsthilfe,
Angehörigengruppen; Forum, Links, Literaturtipps, Filme
http://www.kompetenznetz-depression.de
Links für Kinder und und Erwachsene
§ Neuhland Berlin Hilfen für suizidgefährdete Kinder und Jugendliche e.V.:
Verbund von ambulanten und stationären Einrichtungen, Krisenintervention,
Beratung und Unterbringung für suizidgefährdete Kinder, Jugendliche und
junge Erwachsene, Telefon-Beratung 030/8730 111, werktags 9-18 Uhr;
Chat-Beratung; http://www.neuhland.de
§ Die Nummer gegen Kummer: Kinder- und Jugendtelefon - Liebeskummer,
Ärger zu Hause, in der Schule, mit Freunden?, unter 0800/11 10 333 können
sich Kinder und Jugendliche aussprechen, Rat und Hilfe holen
http://www.nummergegenkummer.de
www.e-beratungsjournal.net (ISSN 1816 7632)
_______________________________________
66
§ [U25]: Info's und Online-Beratung für junge Menschen unter 25 Jahren in
Krisen und Suizidgefahr, verschiedene Standorte, Informationen und Mail-
Beratung, Beratung hauptsächlich von jungen Menschen (Peerberater/nnen),
die von hauptamtlichen Mitarbeiter/innen ausgebildet und unterstützt
werden, Literaturempfehlungen, Links, Angebote für Schulen, Beratung vor
Ort in Freiburg, Anbieter: Arbeitskreis Leben Freiburg e.V.
http://www.u25-freiburg.de
§ Jugendnotmail: E-Mail-Beratung für junge Menschen: www.jugendnotmail.de
§ Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke): Online-Beratung für
Jugendliche http://www.bke-elternberatung.de und Eltern
http://www.bke-jugendberatung.de
Links für Beratende
§ Spezielle Fragen in der Coronakrise
https://www.dgsf.org/aktuell/news/hilfen-in-zeiten-von-corona
https://www.dijuf.de/Coronavirus-FAQ.html
§ Medienvermittelte Beratung
https://onlinecoachingblog.net
http://www.blended-counseling.ch
https://www.e-beratungsinstitut.de
https://www.e-beratungsjournal.net
https://www.dgsf.org/ueber-uns/gruppen/fachgruppen/online-
beratung/onlineberatung-in-zeiten-der-coronakrise
§ Übung „Medienkreise“ für Beratende, Eltern und Familien
Abrufbar unter „Downloads“ > Übung Medienkreise:
https://www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com/themen-entdecken/psychologie-
psychotherapie-beratung/arbeit-und-organisation/beratung-coaching-
supervision/14345/familien-im-medienzeitalter
Datenschutz und Datensicherheit
https://www.kbv.de/media/sp/Liste_zertifizierte_Videodienstanbieter.pdf
http://www.vertraulichkeit-datenschutz-beratung.de/gesetzestexte.htm
https://www.bsi-fuer-buerger.de
https://www.bsi.bund.de
https://www.datenschutz.de
Suizidalität
§ Telefonseelsorge (2009): Niemand bringt sich gerne um. Handbuch für die
Suizidprävention in der Telefonseelsorge als PDF-Datei herunterladen.
§ Telefonseelsorge (2016): Suizidprävention - Damit das Leben weitergeht.
Acht Thesen zur Prävention als PDF-Datei herunterladen.
... Dadurch, dass Kommunikation per Video als audio-visuelles Medium verschiedene Sinneskanäle bedient, scheint es der kopräsenten Face-to-Face-Kommunikation sehr nahe zu kommen: (Wenzel, Jaschke & Engelhardt, 2020). Besonders relevant sind hier zeitliche Verzögerungen und Beeinträchtigungen der Bild-und/oder Tonqualität (Friebel et al., 2003). ...
... Sitzposition, Gestik-und Mimik-Kontrolle) und Beratende dadurch gegebenenfalls weniger Signale, für z.B. nachlassende Aufmerksamkeit [6], erhalten (Friebel et al., 2003). Für starke technische Störungen sollten darüber hinaus alternative Kanäle zur Verfügung stehen und schon im Vorhinein angesprochen werden, um das Gespräch darauf gegebenenfalls umzulenken und somit einen plötzlichen Abbruch (Wenzel, Jaschke & Engelhardt, 2020) und damit einhergehende Orientierungslosigkeit zu vermeiden. ...
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Anknüpfend an den 2017 im e-beratungsjournal erschienenen Artikel zur „Einführung in die Onlineberatung per Video“ (Engelhardt & Gerner), möchte der vorliegende Artikel nun etwas tiefer in die methodischen Aspekte der Videoberatung eintauchen. Neben einem kurzen Überblick über die Bedeutung und Besonderheiten der Videokommunikation stellt der Artikel vor allem konkrete methodische Interventionen vor. Es werden die verschiedenen Phasen eines Videoberatungsgesprächs vorgestellt und konkrete Handlungsmöglichkeiten beschrieben. Abschließend diskutiert der Artikel Implikationen für den Einsatz der Videoberatung – auch fernab der durch die Corona-Pandemie bedingten Kontaktbeschränkungen.
... La vidéo a connu un essor considérable depuis la pandémie et de nombreux conseillers ont fait l'expérience de réunions en ligne, dispensant parfois même leurs conseils par ce biais (Engelhardt & Engels 2021, Silfverberg 2020, Wenzel, Jaschke & Engelhardt 2020 ...
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Sur mandat du SECO, une équipe de l’Institut Beratung, Coaching und Sozialmanagement de la Haute école de travail social de la Suisse du Nord-Ouest a, dans le cadre de cette étude, analysé entre décembre 2022 et décembre 2023 le potentiel du conseil vidéo et par téléphone ainsi que les expériences des ORP en la matière. L’étude, menée en trois étapes, avait pour mission de recueillir des connaissances systématiques sur les opportunités, les difficultés, les groupes cibles et les différents éléments permettant d’atteindre les objectifs du conseil à distance, soit le conseil vidéo et par téléphone, au sein des ORP, pour ensuite formuler des recommandations. La première étape s’est attachée à analyser la littérature existante et à mener des entretiens avec des spécialistes pour proposer une vue d’ensemble du conseil vidéo et téléphonique. La deuxième étape a consisté à récolter aux niveaux stratégique (enquête quantitative en ligne auprès des directions et des coordinateurs ORP) et opérationnel (32 entretiens vidéo qualitatifs en ligne avec des conseillers ORP) diverses expériences, évaluations et propositions visant à promouvoir le conseil vidéo et téléphonique dans les ORP. S’agissant de la troisième étape, les résultats intermédiaires ont été dépouillés lors de quatre ateliers de validation auxquels ont participé 60 responsables et conseillers en personnel ORP, lesquels ont formulé des suggestions afin d’enrichir certains aspects. À l’issue de ces trois étapes, les résultats ont été synthétisés et mis en relation avec des réflexions stratégiques, pour ensuite en tirer des recommandations et offrir des pistes de travail.
... So ist in der Literatur von Onlinepsychotherapie, Internettherapie, Telepsychotherapie, Telefon-oder Videokonferenztherapie und Distanztherapie die Rede. Weitere Bezeichnungen sind Cyberberatung, wie auch videobasierte oder mediengestützte Psychotherapie und computerbasierte sowie internetbasierte psychologische Interventionen (Apolinário-Hagen & Tasseit, 2015;Backhaus et al., 2012;Eichenberg, 2021;Eichenberg & Küsel, 2016;Höfner et al., 2021;Markowitz et al., 2021;Murphy et al., 2009;Schuster et al., 2018;Stein et al., 2011;Wenzel et al., 2020). Üblicherweise versteht sich der personzentrierte Ansatz als stark präsenzbasierter Therapieansatz. ...
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Die COVID-19-Pandemie erforderte die Umstellung von Psychotherapie auf Distanzmethoden. Basierend auf quantitativen Längs-schnittdaten (N = 101) sowie Expert*inneninterviews mit elf Lehrtherapeut*innen wurden die Perspektiven von personzentrierten Therapeut*innen auf Distanztherapie untersucht. Dabei zeigten sich unterschiedliche Schwierigkeiten bezüglich der Distanz-therapie, insbesondere im Hinblick auf Resonanz und Therapiebeziehung. Obwohl die Präsenztherapie aus diesen Gründen bevorzugt wurde, sahen die Befragten auch Vorteile und befürworteten die Beibehaltung der Möglichkeit von Distanztherapien als Ergänzung. Die Distanztherapie kann dabei durch ihre Niederschwelligkeit die psychosoziale Versorgung der Bevölkerung ver-bessern. Für eine erfolgreiche Umsetzung sind Anpassungen gegenüber der Präsenztherapie nötig. Hierfür können Lehren aus der Pandemiesituation gezogen werden, welche als Empfehlungen zusammenfasst werden.
... Seit Beginn der Corona-Pandemie wurde in der psychosozialen Beratung vermutlich so viel experimentiert wie noch nie zuvor. Da aufgrund der pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen die Präsenzberatung zeitweise gar nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich war, wurden Beratungsgespräche vor allem online (insbesondere per Videokonferenzsystem) oder telefonisch umgesetzt (Kühne & Hintenberger, 2020;Wenzel, Jaschke & Engelhardt, 2020;Buschle & Meyer, 2020;Engelhardt & Engels, 2021). Eine in der Fachliteratur noch eher vernachlässigte Form der Onlineberatung ist die Beratung mittels Messenger. ...
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Ausgehend von der Bedeutung des Messengers in der Alltagskommunikation vieler ratsuchenden Menschen soll im vorliegenden Artikel nun der Frage nachgegangen werden, welchen Platz Messenger in der psychosozialen (Online-)Beratung bereits haben und wie sie die weitere Entwicklung der (Online-)Beratung zukünftig verändern könnten. Nach einer begrifflichen Erläuterung und Einsortierung des Begriffs Messengers wird dessen Kommunikationsformen genauer analysiert und von den bereits etablierten Onlineberatungsmöglichkeiten abgegrenzt. Anschließend werden konkrete Einsatzszenarien von Messengerfunktionen für den Beratungsalltag vorgestellt und erörtert, was bei der Auswahl eines Messengers für professionelle Beratung zu beachten ist. Abschließend werden die Aspekte Digitalstress & Achtsamkeit in der Messengerberatung thematisiert sowie ein Ausblick für die künftigen Entwicklungsperspektiven des Messengers in der (Online-)Beratungslandschaft gegeben. Based on the importance of messengers in our everyday communication of many people seeking counseling, this article discusses the status of messengers in (online-)counselling and their impact on the further development of (online-)counselling. After a conceptual definition and classification of the term messenger, the different forms of communication are analyzed and compared to already established online-counselling-options. In a next step practical application examples of messenger functions for different counselling scenarios are presented. Furthermore the article presents aspects that need to be considered when choosing a messenger for professional counselling. Finally, the aspects of digital stress and mindfulness in messenger counselling are discussed and the article ends with an outlook for the future development perspectives of messengers in (online-) counselling.
... Schon früh wurden Studien zur Weiterentwicklung der Methodik des "Distance Counselling" angeregt, um auszuloten, wie Beratung außerhalb der Face-to-face-Situation durchgeführt werden könne (Muswiek, 2001 (Wenzel et al., 2020;Wenzel, 2015) oder auch der Online-Beratung (Goller et al., 2012/13), um nur wenige zu nennen. ...
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Vorwort Der vorliegende Sammelband würdigt die Verdienste von Professor Dr. Bernd-Joachim Ertelt. Seit über fünf Jahrzehnten engagiert er sich in beeindruckender Weise im Bereich der Berufsberatung. Er hat in dieser Zeit in der akademischen Lehre und Forschung nicht nur auf nationaler und internationaler Ebene Maßstäbe gesetzt, sondern auch die Entwicklung der Hochschulen der Bundesagentur für Arbeit (BA) – insbesondere in den Beratungswissenschaften – maßgeblich mitgestaltet und geprägt. So war es ihm trotz curricularer und organisatorischer Wandlungen immer ein besonderes Anliegen, die Studiengänge wissenschaftlich auszurichten, das interdisziplinäre Denken und Handeln bei den Studierenden zu fördern und die Hochschulen auf internationaler Ebene „salonfähig“ zu machen. Dabei war es ihm immer wichtig, den lebendigen Dialog zwischen Theorie und Praxis zu fördern. Sein weit gefächertes Netzwerk, seine Forschungs- und Entwicklungsprojekte sowie seine Publikationen und fachwissenschaftlichen Vorträge finden bis heute im In- und Ausland viel Anklang und Beachtung. Ein von ihm oftmals zitierter Grundsatz in der Berufsberatung lautet „vom Individuum her denken!“. Dieser Grundsatz war auch für uns als Herausgeber leitend bei der Anfrage der Autorinnen und Autoren: sich in die Lage von Bernd-Joachim Ertelt hineinzuversetzen und zu überlegen, welche Themenbeiträge ihm Freude bereiten könnten, selbstverständlich gespickt mit einer persönlichen Note der Autorinnen und Autoren. Die einzelnen Beiträge sind somit als persönliche Widmungen zu verstehen, die sich an den Jubilar richten. Der Sammelband beinhaltet insgesamt 40 deutsch-, englisch- und französischsprachige Beiträge und ist in drei Hauptteile gegliedert. Im ersten Teil stehen Theoretische Aspekte der Berufs- und Bildungsberatung im Vordergrund: Der Sammelband beginnt mit einem Beitrag von William E. Schulz, der sich mit ethischen Grundsätzen der Berufsberatung beschäftigt. Manfred Hofer und Anne Seifert greifen das Thema „Beratungssituationen als schlecht strukturierte Probleme“ auf. Vorgeschlagen wird ein Konzept der Theorie-Praxis-Reflexion, das an einem Fall der Berufsberatung demonstriert wird. Klaus Beck geht in seinem Beitrag der Frage nach, für welche Art von Theorien in der Praxis beruflicher Beratung handlungsunterstützender Bedarf besteht. Unterschieden und exemplarisch gekennzeichnet werden dabei vier Ebenen der Aggregation: Individual-, Interaktions-, Entsprechungs- und Systemtheorien mit ihrer spezifischen formalen Struktur. Jean-Luc Bernaud erörtert den Nutzen des Konzepts „Bedeutung der Arbeit für die Unterstützung von Arbeitsuchenden“. Dabei werden u. a. Methoden vorgestellt, die zur beruflichen Wiedereingliederung beitragen. Christiane Schiersmann und Marcus B. Hausner setzten sich mit dem Thema „Komplexitätskompetenz als zentrales Element beraterischen Handelns“ im Sinne einer Bestandsaufnahme und eines Ausblicks auseinander. Auf der Basis eines performanzorientierten Kompetenzverständnisses werden dabei verschiedene Ausgestaltungen des Konstrukts der Systemkompetenz analysiert. Sergey Barkov befasst sich in seinem Beitrag mit der Bedeutung der Attraktivität als persönliche Eigenschaft von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der postindustriellen Gesellschaft. Hier wird insbesondere die Rolle des Bloggers hervorgehoben. Marc Schreiber beschäftigt sich mit den Folgen einer disruptiven Arbeitswelt und diskutiert die Rolle der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung (BSLB) in einer Welt, die von einem bedingungslosen Grundeinkommen gekennzeichnet ist. Dorota Kornas-Biela stellt die Ergebnisse einer Studie zum Thema „Mentoring im Bildungsprozess – die Notwendigkeit eines personalistischen Ansatzes“ dar. Angela Ulrich betont in ihrem Beitrag, dass die Konstrukte Stress und Coping systematische Beiträge zum Verstehen der Berufswahlphase leisten können. So wird erörtert, welche Bedeutung diese für die Berufsberatung haben können. Adam Biela befasst sich mit der Arbeitsplatzanalyse und deren Bedeutung, u. a. für die Arbeitsorganisationen und die Bewerberauswahl. Überlegungen und praktische Empfehlungen der European Questionnaire for Job Analysis werden in diesem Kontext übernommen und vorgestellt. Roland Dincher zeigt die Bedeutung eines partizipativen Ansatzes der Personalentwicklung auf und betont, dass die Einbeziehung der Mitarbeiter*innen in die Planung von Personalentwicklungsmaßnahmen sowie die Berücksichtigung ihrer individuellen Anforderungen für den Laufbahnerfolg unerlässlich sind. Bohdan Rożnowski und Paweł Kot setzen sich mit der Selbstwirksamkeit in der Berufs- und Laufbahnberatung auseinander und definieren hierzu einen multidimensionalen Ansatz, der auf der Basis des „Teczowy-Modells der Karriere“ von D. Super bezüglich seiner Nützlichkeit bewertet wird. Im zweiten Hauptteil des Sammelbands wird auf Entwicklungen in der Berufs- und Bildungsberatung Bezug genommen; hier stehen ausgewählte Ergebnisse von Forschungs- und Entwicklungsprojekten sowie Werkstattberichte im Vordergrund. Caroline Arnoux-Nicolas geht der Frage nach, weshalb es wichtig ist, den Sinn der Arbeit und den Sinn von Übergangsphasen in der Beratungspraxis anzusprechen. Sie beantwortet diese Frage anhand einer konkreten Fallanalyse. Rebeca García-Murias und Peter C. Weber befassen sich mit den Vorteilen und Initiativen der Berufsbildung nach dem Modell der dualen Berufsausbildung (Work-Based-Learning), das inzwischen auch im europäischen Ausland zunehmend etabliert wird. Jenny Schulz diskutiert den Zusammenhang von Berufsinteressen, überfachlichen Kompetenzen, Stressbewältigungsstrategien und beruflichen Entscheidungsverhalten bei jungen Arbeitslosen und zeigt die Ergebnisse ihrer empirischen Untersuchung auf. Bernhard Jenschke beschreibt die Bildungs- und Berufsberatung als ein internationales Politikfeld zur Erreichung sozialpolitischer und ökonomischer Ziele sowie die Rolle von internationalen Vereinigungen und Netzwerken. Zudem hebt er gegenwärtige Trends in der Bildungs- und Berufsberatung hervor. Andreas Frey, Paulina Jedrzejczyk, Jens-Rüdiger Olesch und Jendrik Petersen befassen sich mit der Berufsorientierung aus der Perspektive der Generation Z und liefern erste Impulse für eine nachfrageorientierte Berufsberatung, u. a. mit Bezug auf die einzusetzende IT-Unterstützung. Jean-Jacques Ruppert stellt die Ergebnisse einer Studie dar, die die Selbsteinschätzung der Einstellungen von Studierenden eines Beratungsstudiengangs an der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit (HdBA) zu ausgewählten Aspekten der sozialen Gleichheit und Gerechtigkeit beinhaltet. Rainer Thiel skizziert in seinem Beitrag die Entwicklung von lebensbegleitender Beratung für Bildung, Beruf und Beschäftigung (Lifelong Guidance) in den letzten Jahrzehnten und geht dabei auf die gegenwärtigen Schwierigkeiten und Herausforderungen für eine gelingende Umsetzung in Deutschland ein. Caroline Tittel betrachtet das individuelle Entscheidungsverhalten jugendlicher Berufswähler*innen anhand des Konzepts der schnellen und sparsamen Heuristiken von Gigerenzer und des 2-Systeme-Modells von Kahneman und zeigt auf, wie diese Erkenntnisse für die berufliche Beratung junger Menschen genutzt werden können. Inna Kolodeznikova beschreibt in ihrem Beitrag die Programme, die derzeit in Russland zur beruflichen Umschulung älterer Arbeitnehmer*innen auf staatlicher und regionaler Ebene durchgeführt werden und betont dabei die Notwendigkeit, ältere Menschen aus demografischen Gründen aktiver in den russischen Arbeitsmarkt einzubeziehen. Czesław Noworol befasst sich mit der Berufswahl auf der Grundlage beruflicher Interessen und Entscheidungsheuristiken. Seine Forschungsergebnisse zeigen, wie hiermit künftig die Berufsorientierung und Berufsberatung junger Menschen unterstützt werden können. Michael Kühn stellt die Beratungsentwicklungen in der BA aus aktueller personalpolitischer Sicht vor und fokussiert insbesondere die Lebensbegleitende Berufsberatung – vor und im Erwerbsleben – sowie die damit verbundenen Personalplanungen der BA bezüglich Stellenzuwachs und Qualifizierung von Beratungskräften. Dagva-Ochir Bumdari, Tumennast Gelenkhuu, Bazarvaani Khishignyam, Munkhbat Sonomdarjaa, Batbaatar Monkhooroi und Sara Galbaatar verdeutlichen die Notwendigkeit eines professionellen Berufsberatungssystems in der Mongolei für ein Land „im Umbruch“ und schildern die Zusammenarbeit zwischen der National University of Mongolia (NUM) und der HdBA (Campus Mannheim) bei der Entwicklung und Umsetzung des Masterstudiengangs „Career Studies“. Antoni Wontorczyk befasst sich mit dem Zusammenhang zwischen Berufung und menschlichen Dispositi�onsmerkmalen, insbesondere mit den Merkmalen von Temperament und Charakter, dargestellt anhand einer empirischen Untersuchung. Wioleta Duda, Joanna Górna und Daniel Kukla zeigen in ihrem Beitrag auf, wie bewährte Erfahrungen der deutschen (lebensbegleitenden) Berufsberatung in Polen als Good Practices genutzt werden können, um den künftigen Herausforderungen auf dem polnischen Arbeitsmarkt zu begegnen. Karen Schober und Barbara Lampe berichten über die Ergebnisse eines abgeschlossenen ERASMUS+-Projektes (Qual-IM-G), in welchem auf Basis einer vergleichenden Analyse europäischer QS-Systeme Gelingensbedingungen für eine erfolgreiche Implementierung untersucht und Tools zur Unterstützung einer erfolgreichen Umsetzung entwickelt worden sind. Grzegorz Sikorski stellt ein im Rahmen des ESF finanzierten Projektes vor, in dem unter Verwendung des Fallmanagement-Ansatzes ein Verfahren für die Arbeit mit Kundinnen und Kunden mit Behinderung für die Arbeitsverwaltung der Region Woiwodschaft entwickelt und umgesetzt werden konnte. Bettina Rademacher-Bensing befasst sich mit der Beratung von Jugendlichen in Zeiten der Pandemie. So belegt ihr Werkstattbericht, dass durch die telefonische Beratung einer Agentur für Arbeit während der Corona-Pandemie Beratungsfortschritte erzielt werden können, wenn Berater*innen und Ratsuchende sich auf den auditiven Kanal einlassen. Franz Egle schildert das Modell „BerufsHochschule“, ein innovatives Bildungsmodell, das an der Hochschule der Wirtschaft für Management (HdWM) mit drei Berufsschulen und der IHK Rhein-Neckar umgesetzt worden ist. Dabei steht die enge Verzahnung des gehobenen Segmentes der beruflichen Ausbildung mit dem anwendungsorientierten Segment der Hochschulbildung im Fokus. Roman Kondurov befasst sich mit der Internationalisierung im Hochschulbereich und legt anhand von Beispielen dar, mit welchen Aktivitäten die HdBA die internationalen Kompetenzen der Nachwuchskräfte der BA gezielt fördert. Munkhbat Tegshbuyan, Nergui Doljin, Bazarvaani Khishignyam, Dagva-Ochir Bumdari, Bishkhorloo Boldsuren und Tumee Tsendsuren setzen sich mit der Umsetzung von Regierungsbeschlüssen in der Mongolei an allgemeinbildenden Schulen während COVID-19 und den damit verbundenen psychologischen Folgen für Schüler*innen auseinander. Sie berichten über die Ergebnisse einer empirischen Untersuchung, in die Schüler*innen der Sekundarschule, Eltern und Lehrer*innen eingebunden wurden. Jürgen Seifried, Alexander Brodsky und Gerald Sailmann beschäftigen sich mit der Kompetenzentwicklung in dualen Studiengängen, insbesondere mit den Effekten von Praxisphasen. Vor diesem Hintergrund werden die Praxisphasen zweier dualer Bachelor-Studiengänge an der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit (HdBA) näher analysiert und ein Überblick über das Forschungsprojekt gegeben. Lena Holder stellt in ihrem Beitrag die Ergebnisse des ERASMUS+-Projektes AMICO dar und betont die Relevanz der interkulturellen Kompetenz in der Beratung, um im Zuge der Arbeitskräftemobilität ratsuchende Individuen auf das Zielland vorzubereiten. Der dritte Teil des Bandes beinhaltet persönliche Worte bzw. Erinnerungen, die an den Jubilar gerichtet sind. Peter C. Weber skizziert ausgewählte Forschungs- und Lehrschwerpunkte von Bernd-Joachim Ertelt und zeigt auf, wie diese in einem aktuellen gemeinsamen Forschungsprojekt zur Entwicklung einer KI-Anwendung für die berufliche Beratung konsequent zusammengeführt werden. Jean Guichard befasst sich mit Konzepten für die Organisation von Dienstleistungen und Interventionen zur Unterstützung der aktiven Lebensgestaltung und würdigt in diesem Zusammenhang Bernd-Joachim Ertelt, der – inspiriert von Hegel – einen ganzheitlichen, zukunftsweisenden Ansatz der Laufbahngestaltung entwickelt hat. Laura Gressnerova gibt einen Rückblick auf die über 20-jährige Zusammenarbeit im Rahmen von EU-Projekten, die gemeinsam erzielten Erfolge sowie die Wesensmerkmale des Jubilars, die dazu beigetragen haben, die Qualifizierung von Beratungskräften – insbesondere durch die Konzeptionierung und Umsetzung von Curricula auf der Basis internationaler Standards – weiterzuentwickeln. Hans-Joachim Bauschke schildert die Entwicklung an den Hochschulen der BA seit Anfang der 70er-Jahre, die Rolle von Bernd-Joachim Ertelt bei der Etablierung der Beratungswissenschaften als akademisches Lehrfach sowie die Bedeutung der Rechtswissenschaften für die Qualifizierung von Beraterinnen und Beratern. Joanna Górna fasst anhand ausgewählter Stationen die über 30 Jahre bestehende Zusammenarbeit zwischen der Jan-Długosz-Universität in Częstochowa (UJD) und der Hochschule der BA (Mannheim) zusammen und würdigt hierbei die Verdienste von Bernd-Joachim Ertelt bei der Etablierung von Studiengängen, der Organisation von Studierenden-Mobilitäten sowie den kooperativen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Michael Scharpf gibt einen Rückblick auf ausgewählte internationale Projekte, die gemeinsam mit Bernd-Joachim Ertelt in den letzten zehn Jahren im europäischen und außereuropäischen Kontext initiiert, begleitet und geleitet worden sind. Darüber hinaus wird ein Ausblick auf ein künftiges Projektvorhaben (DIGIGEN) gegeben. Die Herausgeber danken zuvorderst den Autorinnen und Autoren aus Deutschland, Frankreich, Kanada, Luxemburg, Mongolei, Polen, Russland, Schweiz, Slowakei und Spanien für ihre Bereitschaft, sich an diesem Sammelband zu beteiligen. Wir sehen darin ein sehr positives Signal für die weitere Intensivierung unserer bisherigen – sehr konstruktiven – Zusammenarbeit, die sicherlich noch viele Herausforderungen für die Beratungsforschung und Beratungspraxis bereithält. Wir möchten jedoch unseren Dank auch all denen aussprechen, die uns bei den redaktionellen und administrativen Arbeiten unterstützt haben. Nicht nur dem Jubilar, sondern auch der interessierten Fachöffentlichkeit wünschen wir viel Freude beim Lesen der vorliegenden Publikation. Michael Scharpf Andreas Frey Mannheim im Dezember 2021
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Im Rahmen der gesamtschweizerischen Studie im Auftrag des Schweizerischen Staatssekretariates für Wirtschaft (SECO) wurden Potenziale und Herausforderungen sowie mögliche Zielgruppen von Videoberatung und Telefonberatung im Kontext der Regionalen Arbeitsvermittlung (RAV) untersucht und Empfehlungen auf nationaler, kantonaler und organisationaler Ebene entwickelt. Die Studie umfasste 3 Phasen: 1. Auslegeordnung: zunächst wurde eine Übersicht über Video- und Telefonberatung mittels Literaturanalyse und Expert*innen-Interviews erarbeitet. 2. Befragung: im zweiten Schritt wurden die Erfahrungen und Einschätzungen zur Distanzberatung den RAV gesamtschweizerisch auf der strategischen Ebene (quantitative Online-Befragung bei RAV-Leitungen und RAV-Koordinator*innen) sowie auf der operativen Ebene (32 qualitative Online-Video-Interviews mit RAV-Personalberater*innen) untersucht. 3. Diskussion der Zwischenergebnisse: Die Erkenntnisse wurden im Herbst 2023 4 Workshops mit Fachpersonen aus den RAV aller Kantone diskutiert. Daraus wurden Empfehlungen entwickelt.
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Der Beitrag versucht, das derzeit in starker Veränderung befindliche Feld digitaler Beratung unter einer adressat/innenbezogenen Perspektive zu vermessen. Hierzu werden ein kurzer zeitgeschichtlicher Abriss digitaler Beratung im deutschsprachigen Raum skizziert, ein Überblick zu empirischen Befunden zu Adressat/innen und Adressierung dargestellt und in einem Ausblick auf Basis einer Heuristik zum Verständnis digitaler Beratungspraktiken adressat/innen- und adressierungsspezifische Herausforderungen im Kontext digitaler Beratung formuliert.
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Zusammenfassung Seit Beginn der Corona-Pandemie hat die Videoberatung in zahlreichen Handlungsfeldern personenbezogener Beratung an Bedeutung gewonnen. Viele Beratungseinrichtungen führten zum ersten Mal ein Beratungsangebot per Video ein, es wurden kurzfristig neue Zugänge erprobt, Erfahrungen gesammelt und Lösungen gefunden. Inzwischen wird die Praxis der Videoberatung von einer wachsenden Fachöffentlichkeit und wissenschaftlichen Reflexion begleitet. In diesen Prozess zunehmender Professionalisierung reiht sich der vorliegende Beitrag ein und möchte zur begrifflichen Schärfung und methodischen Weiterentwicklung der Videoberatung beitragen. Neben einschlägiger Fachliteratur wird dabei auf Feldbeobachtungen in der Berufs-und Beschäftigungsberatung der Bundesagentur für Arbeit (Deutschland) zurückgegriffen. Im ersten Teil werden zunächst neun zentrale Gesichtspunkte der Videoberatung umrissen. Im zweiten Teil werden vor dem Hintergrund ihrer weiteren Spezialisierung konkrete, vornehmlich methodische Fragen und Ansatzpunkte für das Handlungsfeld der Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung behandelt. In einem kurzen Ausblick werden schließlich mögliche Entwicklungs-und Forschungsperspektiven angesprochen. Since the beginning of the Corona pandemic, video counseling has gained importance in numerous fields of personal counseling. Many counseling institutions introduced video counseling services for the first time. New approaches were tested at short notice, experience gained, and solutions found. In the meantime, the practice of video counseling is accompanied by a growing professional community and scientific reflection. This article is part of this process of increasing professionalization and contributes to the further conceptual clarification and methodological development of video counseling. In addition to relevant literature, this work draws on field observations in the career and employment counseling service of the Federal Employment Agency (Germany). In the first part, nine key aspects of video counseling are outlined. The second part discusses concrete, primarily methodological questions and approaches for counseling in education, career and employment. Finally, in a short outlook, possible development and research perspectives are addressed.
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Blended Counseling – die systematische, konzeptionell fundierte Kombination von digitalen und analogen Kommunikationssettings im Beratungsprozess – boomt derzeit. Zugleich ist zu beobachten, dass eine große Spanne an Vorstellungen existiert, was Blended Counseling sei und wie es umgesetzt werden könne, sodass ein Blick auf die konzeptionellen Grundlagen sowie aktuelle Diskurslinien und Forschungsergebnisse nötig ist, um den fachlichen und wissenschaftlichen Diskurs konstruktiv voranzutreiben. ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Blended counseling - the systematic, conceptually sound combination of digital and analog communication settings in the counseling process - is currently booming. At the same time, there is a wide range of ideas as to what Blended Counseling is and how it can be implemented. A look at the conceptual foundations as well as current lines of discourse and research results is necessary to constructively advance the professional and scientific discourse.
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Die Covid-19-Pandemie stellt nicht nur alle Menschen weltweit vor besondere Herausforderungen, auch die empirische Forschung veränderte sich. Manche Felder und Forschungsgegenstände, die schon vor der Pandemie unzureichend empirisch bearbeitet wurden, sind es auch währenddessen geblieben. Der vorliegende Aufsatz möchte dazu beitragen, den Wissensbestand zur Jugend(hilfe) im Strafverfahren während der Covid-19-Pandemie zu erweitern.
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Suizidalität und Suizid haben oft ihre Mitbedingungen im Beziehungsgefüge, immer aber gravierende Auswirkungen auf das familiäre und soziale Umfeld des Betroffenen. Die Therapie eines suizidalen Menschen bezieht deshalb mit Vorteil die systemische Perspektive auf dessen Beziehungen mit ein. – Nach einem Suizid werden die Angehörigen durch (selbst-)stigmatisierende Prozesse zum Schweigen gebracht, können aber dadurch manch notwendigen Akt des Trauerns nicht machen. Aus dieser Erkenntnis werden Vorschläge für die Beratung und Therapie der Angehörigen nach einem Suizid abgeleitet. Eine oft übersehene Anspruchsgruppe für Therapie sind die Kinder, die durch Stigmatisierung und Schweigen besonders belastet sind. Ihnen ist der letzte Teil dieses Beitrags gewidmet.
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A literature search was conducted to collect randomized controlled studies evaluating the outcome of psychological and psychosocial interventions after attempted suicide and deliberate self-harm. Twenty-five studies meeting the inclusion criteria were identified. The studies are grouped according to the psychological approach chosen for the intervention. They are discussed with regard to both the various therapeutic strategies and models used, and the repetition of self-harming behavior as the main outcome.
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The current article addresses the issue of warning signs for suicide, attempting to differentiate the construct from risk factors. In accordance with the characteristic features discussed, a consensus set of warning signs identified by the American Association of Suicidology working group are presented, along with a discussion of relevant clinical and research applications.
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Die Konfrontation mit Suizidalität betrifft alle Berufsgruppen in der Psychiatrie, Psychotherapie und Sozialen Arbeit. Das Ziel ist, der Krise kompetent und angemessen zu begegnen, ohne die eigenen Grenzen zu überschreiten. Der überarbeitete und aktualisierte Basiswissen-Band präsentiert übersichtlich und praxisnah, was im Umgang mit suizidgefährdeten Menschen hilft. Das Thema Suizidalität ist für viele Helfende, ob professionell, ehrenamtlich oder als betroffene Angehörige, angstbesetzt und existenziell: Darf man, kann man Selbsttötungen verhindern? Welche Beziehung besteht zwischen der suizidalen und der helfenden Person? Und wie schützt sich der oder die Helfende vor Überforderung oder Manipulation? Mit ausreichendem Wissen über rechtliche Rahmenbedingungen, Hintergründe und Verlaufsmuster suizidaler Krisen und Präventions- bzw. Interventionsstrategien lassen sich lähmende Unsicherheiten in Beratungs- und Akutsituationen minimieren. Adressen und Literaturhinweise runden das Buch ab.
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The 1st volume, in a planned trilogy dealing with the prevention and control of mental disorders, focuses on the need for new knowledge and clinical understanding as they pertain to community dynamics. Program planning, staffing, and staff training are discussed from the standpoint of preventive psychiatry which "must containually take into account the multifactorial nature of the forces which provoke or ameliorate mental disorders." Programs to reduce the incidence of, the duration of, and the impairment which may result from mental disorders of all types in a community are touched upon. (PsycINFO Database Record (c) 2012 APA, all rights reserved)
Krisen und Krisentherapie
  • J Cullberg
Cullberg, J. (1978). Krisen und Krisentherapie. Psychiatrische Praxis, 5, 25-34.
Lehrbuch Onlineberatung
  • E Engelhardt
Engelhardt, E. (2018). Lehrbuch Onlineberatung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.