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Didaktik der Physik
Frühjahrstagung – Bonn 2020
Von Schnee- und Elektronenlawinen:
Entwicklung eines Erklärvideos zu Einzelphotonendetektoren
Anna Donhauser1, Philipp Bitzenbauer2 und Jan-Peter Meyn2
1TU Kaiserslautern, Fachbereich Physik, 2FAU Erlangen-Nürnberg, Physikalisches Institut
donhauser@physik.uni-kl.de
Kurzfassung
Analogiebildung ist ein methodisches Werkzeug zur Förderung naturwissenschaftlicher Lernpro-
zesse. Für das Erlanger Unterrichtskonzept zur Quantenoptik wurde zur Vermittlung des Lernbe-
reichs Einzelphotonendetektoren eine Analogie erarbeitet. Die Funktionsweise der Einzelphotonen-
detektoren wird dabei mit dem Entstehen und Abgehen von Schneelawinen verglichen. Mittels eines
für die Vermittlung dieser Analogie konzipierten Erklärvideos werden die Schülerinnen und Schü-
lern im Rahmen einer Unterrichtssequenz schrittweise durch die funktionalen Zusammenhänge und
Entsprechungen geführt. Die Akzeptanz der Analogie als Lernhilfe wurde in Akzeptanzbefragungen
mit Schülerinnen und Schülern der gymnasialen Oberstufe evaluiert.
1. Detektoren im Experiment
Begriffe der klassischen Physik behalten in der Quan-
tenphysik nicht uneingeschränkte Gültigkeit. Ein pro-
minentes Beispiel ist der Ort: die Dynamik ermög-
licht in der klassischen Physik die Festlegung des
exakten Orts eines Körpers zu jedem Zeitpunkt.
Quantenobjekte, wie Elektronen oder Photonen hin-
gegen, besitzen die Eigenschaft Ort gar nicht perma-
nent. Vom Ort eines Quantenobjekts kann nur im
Kontext einer Messung gesprochen werden. Der Be-
griff des Messens nimmt eine zentrale Stellung in der
Quantenphysik ein.
Um den quantenphysikalischen Messprozess in ei-
nem adäquaten Kontext zu lehren, ist der Bezug zu
technischen Aspekten entsprechender Experimente
notwendig. Das Erlanger Unterrichtskonzept zur
Quantenoptik für die gymnasiale Oberstufe führt die
Lernenden von technischen Aspekten moderner Ex-
perimente der Quantenoptik zu den Wesenszügen der
Quantenphysik, wie sie Küblbeck und Müller formu-
lierten [1].
Zentrales Element des Konzepts ist das Experiment
von Grangier, Roger und Aspect von 1986 mit dem
gleichzeitig die Unteilbarkeit des Photons am halb-
durchlässigen Spiegel und die Einzelphotoneninterfe-
renz gezeigt werden kann [2]. Mittels interaktiver
Bildschirmexperimente werden die Lernenden in die
experimentellen Grundlagen der Quantenphysik ein-
geführt [3]. Um die Bedeutung der Art der experi-
mentellen Beobachtung zu hinterlegen, wird die
Funktionsweise von Detektoren direkt zu Beginn des
Konzepts behandelt. Ziel ist die Sensibilisierung der
Lernenden für den experimentellen Aufbau zu Be-
ginn des Versuchs, den Umgang mit Variablen und
eine Identifikation und Interpretation der Ergebnisse.
Dafür ist ein Verständnis der funktionalen Kompo-
nenten bedeutend. In diesem Artikel soll aufgezeigt
werden, wie die Funktionsweise der Detektoren ad-
ressatengerecht mit Hilfe einer verfilmten Analogie
vermittelt und veranschaulicht werden kann.
2. Detektoren in Physikunterricht und Lehre
Wenn in Schulbüchern oder Lernhilfen Experimente
zur Quantenphysik vorgestellt werden, dann erschei-
nen Detektoren zumeist in idealisierter bzw. schema-
tischer Form (vgl. Abb. 2).
In derartigen Darstellungen werden weder die Detek-
tionseffizienz
𝜂
, noch das Dunkelrauschen oder die
Totzeit
𝜏
der Detektoren thematisiert. Die Idealisie-
rung von Messgeräten kann je nach Kontext selbst-
verständlich didaktisch begründet sein und soll hier
nicht grundsätzlich in Abrede gestellt werden. Wir
werden jedoch im Folgenden aus fachlicher und di-
daktischer Perspektive darstellen, wie für die Lehre
der Quantenphysik eine tiefergehende Behandlung
Abb. 1: Schematische Darstellung des dem Konzept zu-
grunde liegenden Experiments.
235
Donhauser et al.
der Funktionsweise von Einzelphotonendetektoren
gewinnbringend sein kann. Anschließend beschrei-
ben wir einen Weg, zentrale Aspekte der Detektoren
schülergerecht zu elementarisieren.
2.1 Fachliche Perspektive
Gegen eine stark vereinfachte Darstellung von Detek-
toren spricht beispielsweise eine mechanistisch ge-
prägte Sprache, die es in der Quantenphysik zu ver-
meiden gilt. Nimmt man einen Detektor an, der jedes
einfallende Photon – ausgehend von einer Quelle
1
–
mit Wahrscheinlichkeit
𝜂 = 1
detektieren, so befin-
det man sich schnell in einem Sender-Empfänger-Re-
gime. Der Weg hin zur Diskussion über Trajektorien
von Quantenobjekten ist hier nicht mehr weit.
Betont man stattdessen den technischen In- und Out-
put an Binärdetektoren, so umgeht man mechanisti-
sche Sprech- und Denkweisen und legt die Grundlage
für die Vermittlung des Präparationsgedankens. Dies
erscheint als notwendige Voraussetzung für das Ab-
legen einer naiven Teilchenvorstellung von Quanten-
objekten.
Analog zu modernen Forschungseinrichtungen kom-
men in den Experimenten des Erlanger Unterrichts-
konzepts Avalanche Photo Dioden – kurz APDs –
zum Einsatz (vgl. Abb. 3). Avalanche bedeutet über-
setzt Lawine, weshalb bereits der Begriff APD einen
Vergleich zu Schneelawinen nahelegt. Im Geiger-
Modus werden APDs oberhalb der Durchbruchspan-
nung betrieben, sodass Verstärkungen von
10!−
10"'
möglich sind [6]. Für Details zur Funktionsweise
von Einzelphotonendetektoren sei auf die einschlä-
gige Fachliteratur zum Thema verwiesen, z.B. [7, 8].
1
Darüber, wie „Einzelphotonenquellen“ realisiert werden,
haben wir an der Stelle noch kein Wort verloren. Dazu
2.2 Didaktische Perspektive
Die Vermittlung von Aspekten der Nature of Science
(NoS) im Physikunterricht und darüber hinaus ist ein
anerkanntes Ziel der Physikdidaktik. Dabei bleibt die
Thematisierung von Nature of Science im Physikun-
terricht oftmals implizit [5]. Anhand der Diskussion
über Einzelphotonendetektoren im Kontext des
Quantenphysikunterrichts, können wesentliche NoS-
Aspekte vermittelt werden, die folgende Tabelle gibt
einen Einblick:
NoS-Aspekt
Behandlung
Einzelphotonendetektor
Beobachtungen sind The-
orie-geleitet
Was ist der In- was der
Output der Experimente?
Was ist technisch bedingt,
was ist Ergebnis?
Wissen in den Naturwis-
senschaften beruht stark
[…] auf Beobachtungen,
experimentellen Resulta-
ten, rationalen Begrün-
dungen und einer gewis-
sen Skepsis
Empirischer Charakter
von Naturwissenschaft:
statistisches Rauschen, …
Naturwissenschaftler sind
kreativ
Technisch nicht-perfektes
Gerät wird durch Messme-
thodik (Koinzidenzmes-
sung) nutzbar gemacht
3. Detektoren und die Schneelawinenanalogie
Schneelawinen sind zur Vermittlung der Funktions-
weise von Einzelphotonendetektoren geeignet, weil
eine „Oberflächenähnlichkeit zwischen primärem
und analogen Lernbereich“ existiert [9].
könnte man im Kontext der Lehre eine ähnliche Diskus-
sion führen, wie zur Behandlung der Detektoren.
Tab. 1: Ausgewählte NoS-Aspekte nach [16], die anhand
der Vermittlung der Funktionsweise von Einzelphotonen-
detektoren im Physikunterricht expliziert werden können.
Abb. 2: Schematische Darstellung von Detektoren in Ex-
perimenten mit einzelnen Quantenobjekten aus [17].
APDs sind Lawinenphotodioden. Eine typische Sili-
zium-APD hat ein
𝑝!𝑖𝑝𝑛!−
Dotierprofil. Wie bei ei-
ner
𝑝𝑖𝑛
-Diode dient die schwach
𝑝
-dotierte intrinsi-
sche
𝑖 −
Schicht als Absorptionsbereich. Einfallendes
Licht erzeugt Elektron-Loch-Paare und Elektronen
werden aus dem Absorptionsgebiet in Richtung der
𝑝 −
Schicht beschleunigt. Hohe elektrische Feldstär-
ken im
𝑝𝑛!−
Übergang sorgen für eine starke Be-
schleunigung der Elektronen. Durch Stoßionisation
können so weitere Elektron-Loch-Paare erzeugt wer-
den und die Sekundärladungsträger werden ebenfalls
beschleunigt. Dies führt auf eine Elektronenlawine
und damit auf ein messbares elektrisches Signal.
Infobox APD
Abb. 3: Informationen zur Avalanche Photo Diode.
236
Von Schnee- und Elektronenlawinen
Wir wollen kurz auf die einzelnen Entsprechungen
(Abb.4) der Analogie eingehen:
2
Die Akzeptanzbefragungen wurden im Rahmen einer
formativen Evaluation für sieben Key-Ideas des Erlanger
Unterrichtskonzepts zur Quantenoptik genutzt. Eine Key-
Notwendige Voraussetzung für die Annahme einer
solchen Analogie durch die Schülerinnen und Schüler
ist nach [12] unter anderem, dass dieses neue wissen-
schaftliche Konzept einleuchtend und auf Anhieb
plausibel ist.
Inwiefern diese Voraussetzungen für die Erläuterung
der Funktionsweise von Einzelphotonendetektoren
erfüllt sein können, wurde daher mittels Akzeptanz-
befragungen geklärt
2
. Dazu wurde
𝑁 = 13
Schülerin-
nen und Schüler der gymnasialen Oberstufe in Ein-
zelsitzungen das Konzept vermittelt. Die Akzeptanz-
befragung fand in den Schritten nach Blumör statt
[13]:
1. Informationsvermittlung, wie im Unterricht
2. Befragung nach Akzeptanz
3. Paraphrasierung der Lernenden
4. Anwendungsaufgabe
Auf die Anwendungsaufgabe wurde verzichtet. Die
Ergebnisse wurden mittels skalierender Inhaltsana-
lyse ausgewertet und zwar von zwei unabhängigen
Ratern
(𝜅 = .87)
.
Akzeptanz
Qualität d.
Paraphrasierung
hoch
0,0
hoch
mittel
0,5
mittel
niedrig
1,0
niedrig
Tab. 2: Auswertung der Schülerinterviews mittels skalie-
render Inhaltsanalyse auf dreisstufiger Ordinalskala.
Das Ergebnis: Die Erklärung der Einzelphotonende-
tektoren in Analogie zur Lawine wurde sehr positiv
bewertet (Mittelwert:
0,00
). Der Aspekt der Dunkel-
zählereignisse wurde von allen Befragten verstanden
und akzeptiert. Die gut aufgenommenen Erklärungen
zeigen sich nicht nur in den niedrigen Akzeptanzwer-
ten, sondern auch in der hohen Qualität der wiederge-
gebenen Paraphrasierungen (Mittelwert:
0,23
).
4. Detektoren im Erklärvideo
Für die Vermittlung komplexer, funktionaler Zusam-
menhänge bieten Wissenschaftskommunikation und
Didaktik eine Vielzahl methodischer Werkzeuge. Die
Nutzung von Videos zum Verstehen wissenschaftli-
cher Inhalte „on demand“ gewinnt fachbereichs- und
zielgruppenübergreifend zunehmend an Bedeutung.
Wissenschaftsinteressierte informieren sich über Vi-
deoplattformen oder Mediatheken. Wissenschaft
Kommunizierende setzen eigens- oder fremdprodu-
zierte Videos in der Lehre ein, deutsche Forschungs-
einrichtungen nutzen das Bewegtbild zur wissen-
schaftlichen Selbstvermarktung oder für den verfilm-
ten Blick hinter die Labortüre. [18]
Idea war die Funktionsweise der Einzelphotonendetekto-
ren und nur darauf wird hier Bezug genommen. Details
werden berichtet bei [14].
AVALANCHE
PHOTO DIODE
SCHNEELAWINE
In den Detektoren wird in-
tern eine Hochspannung er-
zeugt. Die Elektronen im Si-
lizium-Kristall befinden sich
auf hohem elektrischem
Potential.
Schnee, der sich auf einem
Berg ansammelt befindet
sich analog auf hohem Gra-
vitationspotential.
Eine kleine in den Detektor
einfallende Energiemenge
reicht aus, um Elektronen
freizusetzen.
Eine kleine mechanische
Störung genügt, um große
Schneemassen freizusetzen,
z.B. verursacht durch Wind.
Freigesetzte Ladungsträger
setzen durch Stoßionisation
weitere Ladungsträger frei.
Hier wird der Verstärkungs-
prozess deutlich.
Beim Abgang von Schnee
wird immer mehr Schnee
Teil der Lawine.
Die Detektoren besitzen
auch ohne Beleuchtung
eine Zählrate, die von Null
verschieden ist. Für die Ur-
sache der Dunkelzählereig-
nisse sei auf die Fachlitera-
tur verwiesen. Das Auftreten
solcher Dunkelzählereig-
nisse ist zufällig, weil die
Detektoren selbst einer Pois-
son-Statistik unterliegen
[10].
Zufällige kleine Lawinen
wie Dachlawinen entstehen
durch spontane Schneeab-
gänge.
Abb. 4: Übersicht der Entsprechungen zwischen Aspekten
der Diodenfunktion und der Schneelawinenanalogie mit
Filmausschnitten.
237
Donhauser et al.
Um den Ansprüchen eines didaktisch hochwertigen
und nachhaltigen Lernvideos zu genügen, orientierte
sich die Konzeption an evaluierten Richtlinien
[20][24][25]. Die Umsetzung dieser Qualitätsmerk-
male und die Verfilmung der Analogie werden nach-
folgend lernpsychologisch und didaktisch begründet.
4.1 Lernpsychologische Aspekte
Ein Erklärvideo als Wahl der Vermittlungsform lässt
sich aus verschiedenen Perspektiven begründen. Ei-
nige mediale Spezifika eines Videos erfüllen automa-
tisch lernpsychologische Gestaltungskriterien für
multimediale Lernformate. Nach dem Modality Prin-
ciple [19] wird ein abstrakter Lerngegenstand leichter
verstanden, wenn dessen Präsentation sowohl den vi-
suellen, als auch den auditiven Sinneskanal anspricht.
Komplexe Inhalte sind also genau dann zugänglicher,
wenn sie wie im Videoformat audio-visuell aufberei-
tet ist. Begründet wird die Optimierung von Lernpro-
zessen mit der Reduktion der kognitiven Belastung.
Lernende sind gemäß der Cognitive-Load-Theory
[20] mit drei Dimensionen der Limitation des Ar-
beitsgedächtnisses durch dargebotenes Informations-
material konfrontiert:
1. Der intrisic cognitive load beschreibt die
kognitive Belastung durch die Komplexität
und den themenspezifischen Anspruch des
Lerninhalts selbst.
2. Der extraneous cognitive load bezeichnet
die den Lernprozess beeinflussende Gestal-
tung der Lernumgebung und des Lernmate-
rials.
3. Der germane load bezieht sich auf die kog-
nitiven Aktivitäten des Lernenden zur Ver-
netzung des Erlernten.
Die gezielte Gestaltung von Lernvideos kann bei ei-
ner feststehenden, zu verfilmenden Thematik somit
nur den extraneous cognitive load reduzieren. Auch
dafür findet die Lernpsychologie Kriterien und Ein-
flussfaktoren [21][22][23]:
Die kognitive Belastung lässt sich gemäß dem Konti-
guitätsprinzip durch die räumlich und zeitlich nahe
Darstellung zusammengehöriger Informationen (vgl.
Abb. 5) reduzieren. Werden das Bildmaterial erklä-
rende Begriffe und Texte willkürlich und ohne Zu-
sammenhang im Sichtfeld eingeblendet, kommt es
zum Split-attention effect: die Lernenden müssen sich
die notwendigen Informationen suchen. Gleichzeitig
gesprochener Text wird überhört, das Dargebotene
kann nicht verarbeitet werden.
Der Redundancy effect beschreibt eine ähnlich inter-
ferierende und damit lernhinderliche Wirkung: die
zeitgleiche visuelle und auditive Darbietung von
Textpassagen verringern die Aufnahmefähigkeit.
Lernende können nicht gleichzeitig Texte lesen, zu-
hören und Bildsequenzen folgen.
Die Reduktion der kognitiven Belastung durch das
Sequenzprinzip [24] lässt sich im Videoformat leicht
umsetzen. Komplexe Zusammenhänge und Inhalte in
kleine Einheiten zu unterteilen und nacheinander in
einzelnen Sequenzen zu präsentieren entspricht der
Idee einer verfilmten Entwicklung wie sie in Abbil-
dung 6 dargestellt ist.
Im Sinne des Sequenzprinzips gilt auch für den
Sprechertext: kurze Sätze und nur eine Informations-
einheit pro Satz und Bild. Um ein synchrones Ver-
ständnis von visueller und auditiver Ebene zu ermög-
lichen, wird mit jedem Einzelbild eine Informations-
einheit gesprochen. Wie wichtig ein solch gleichmä-
ßiger und synchroner Informationsfluss für die Auf-
nahmefähigkeit ist, wird meist erst beim Ansehen ei-
ner Produktion bewusst, die dieses Prinzip missach-
tet. Ändert sich beispielsweise über einige Sekunden
das Bild nicht, während der Sprechertext mehrere In-
formationseinheiten vermittelt, kann der Zuschau-
ende der Audiospur nicht folgen.
Ähnlich verwirrend wirken auch Bilder, in denen
zentrale Informationen nicht entsprechend ersichtlich
sind. Das Auge muss auf das Wesentliche gelenkt
werden, indem der Fokus durch farbliche Codierung
und Reduktion der dargestellten Elemente auf die
wichtigsten Informationen gesetzt wird. Zu dieser
Idee des Kohärenzprinzips zählt auch die Abstim-
mung der Lerninhalte auf die Lernvoraussetzungen
der Zuschauer. Der Imagination effect beschreibt die
Notwendigkeit der Passung zwischen Informations-
angebot, Vorstellungsvermögen und Vorwissen der
Lernenden.
Abb. 5: Räumlich und zeitlich nahe Darstellung relevanter
Informationen zur Vermeidung des Split-attention Effekts.
Abb. 6: Das Sequenzprinzip im Erklärvideo: Zusammen-
hänge werden in einzelne Sinneseinheiten zerlegt und
nacheinander präsentiert.
238
Von Schnee- und Elektronenlawinen
4.2 Verfilmung der Analogie
Neben den in der Produktion berücksichtigten, lern-
psychologischen Richtlinien zur Reduktion der kog-
nitiven Belastung finden sich Kriterien, die Kulge-
meyer [25] speziell für Erklärvideos formuliert.
Nachfolgend wird eine Auswahl dieser Kriterien
(Abb. 7) vorgestellt und deren Umsetzung im Detek-
torenvideo beschrieben.
Analogien und Modelle
werden zur Veranschauli-
chung und Wissensvernet-
zung der dargebotenen
Lerninhalte empfohlen.
Die Schneelawinen-Ana-
logie ist nicht nur Be-
standteil, sondern Kern-
idee des Erklärvideos.
Abb. 7: Ausgewählte Produktionskriterien [25] für Erklär-
filme mit entsprechenden Filmausschnitten.
4.3 Detektoren in der Elaboration
Im Kriteriensystem nach Kulgemeyer [25] findet sich
auch der Hinweis, dass verfilmte Lerninhalte erst
dann nachhaltig gelernt werden können, wenn sie ver-
tiefend elaboriert werden. Durch das schriftliche Er-
gänzen einer Tabelle zu den Entsprechungen der Ana-
logie sichern die Schülerinnen und Schüler bereits pa-
rallel zum Verlauf des Videos die einzelnen Lernein-
heiten. Diese Tabelle wird im Anschluss an die expe-
rimentelle Lernphase im Physikunterricht bespro-
chen.
5. Zusammenfassung
Die Vermittlung grundlegender Aspekte der Funkti-
onsweise von Einzelphotonendetektoren wurde aus
fachlicher und didaktischer Sicht begründet: gängige
Visualisierungen von Detektoren in Simulationen o-
der Abbildungen werden stark vereinfacht und stellen
idealisierte Detektoren dar. Dadurch können sich me-
chanistische Sprech- und Denkweisen entwickeln, die
den Aufbau quantenphysikalisch adäquater Vorstel-
lungen verhindern.
Die Schneelawinen-Analogie macht die Funktions-
weise der Detektoren mit dem Vorwissen der gymna-
sialen Oberstufe zugänglich. Die Präsentation der
Analogie im Rahmen eines Erklärvideos initiiert un-
ter Berücksichtigung didaktischer und lernpsycholo-
gischer Aspekte Lernprozesse. Die Ergebnisse einer
Akzeptanzbefragung liefern empirische Indizien da-
für, dass dieser Zugang von Lernenden akzeptiert und
verstanden wird.
Damit ist ein Einstieg in den Unterricht moderner
Quantenphysik möglich, der auf direktem Weg zur
Präparation von Quantenzuständen führt. Nämlich,
wenn mit Schülerinnen und Schülern die Frage disku-
tiert wird, wie nun mit einem Gerät, das zufällig auch
ohne Beleuchtung klickt, auf die Messung einzelner
Photonen geschlossen werden kann.
Eine adressatengerechte
Sprache wirkt bewusst der
Entstehung von Fehlvor-
stellungen entgegen.
Der Sprechertext besteht
aus kurzen Sätzen, einer
Informationseinheit pro
Satz und entwickelt sich
synchron zur Bildebene.
Um die Relevanz der ver-
filmten Thematik zu ver-
deutlichen, gilt es, Bedeut-
samkeit und Mehrwert für
die Lernenden zu vermit-
teln. Deshalb beginnt das
Erklärvideo mit Anwen-
dungsbezügen wie Daten-
sicherheit und Quanten-
computern, die eine Ausei-
nandersetzung mit funktio-
nalen Grundlagen rechtfer-
tigen sollen.
Eine Möglichkeit zur
Strukturierung der Inhalte
ist eine Zusammenfassung.
Die abschließende Ge-
samtdarstellung der
Schneelawinen-Analogie
vereint wiederholend die
einzelnen Entsprechungen.
Der Rewind-Effekt am
Ende des Videos zeigt die
Einzelbilder erneut im
Schnelldurchlauf.
Das Kriterium der Adap-
tion berücksichtigt das
Vorwissen, Interesse und
Präkonzepte der Zu-
schauer. Die Darstellungen
im Detektoren-Video be-
rücksichtigen bekannte
Fehlvorstellungen zum
Sehprozess, zu Teilchen-
vorstellungen und der
Elektrizitätslehre.
239
Donhauser et al.
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240