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E&G Quaternary Sci. J., 69, 93–120, 2020
https://doi.org/10.5194/egqsj-69-93-2020
© Author(s) 2020. This work is distributed under
the Creative Commons Attribution 4.0 License.
Research article
Der späteiszeitliche Tüttensee-Komplex als Ergebnis der
Abschmelzgeschichte am Ostrand des Chiemsee-Gletschers
und sein Bezug zum „Chiemgau Impakt“ (Landkreis
Traunstein, Oberbayern)
Robert Huber1, Robert Darga2, and Hans Lauterbach3
1MARUM – Center for Marine Environmental Sciences, University of Bremen, Leobener Str. 8,
POB 330440, 28359 Bremen, Germany
2Naturkunde- und Mammut-Museum Siegsdorf, Auenstr. 2, 83313 Siegsdorf, Germany
3Hermannstädter Str. 5, 83301 Traunreut, Germany
Correspondence: Robert Huber (rhuber@uni-bremen.de)
Relevant dates: Received: 8 November 2019 – Revised: 9 July 2020 – Accepted: 22 July 2020 –
Published: 28 August 2020
How to cite: Huber, R., Darga, R., and Lauterbach, H.: Der späteiszeitliche Tüttensee-Komplex als Er-
gebnis der Abschmelzgeschichte am Ostrand des Chiemsee-Gletschers und sein Bezug zum
„Chiemgau Impakt“ (Landkreis Traunstein, Oberbayern), E&G Quaternary Sci. J., 69, 93–120,
https://doi.org/10.5194/egqsj-69-93-2020, 2020.
Kurzfassung: Anhand von sedimentologischen und geländemorphologischen Untersuchungen wird die Abschmelz-
geschichte des südöstlichen Chiemsee-Gletschers beschrieben. Mit dem Trockenfallen der Bad
Adelholzen-Erlstätter Rinne im Verlaufe des Spätwürm entwickelt sich aus dem Abschmelzen des
Eislappens in der Grabenstätter Bucht eine sich ständig tiefer legende konzentrische Abfolge von zu-
nächst peripheren Entwässerungsrinnen, wobei die ältesten Rinnen dieser Phase bei Chieming, die
jüngeren dann entsprechend weiter im Süden, in die zentripetale Richtung umschwenken.
Die Entstehung des Tüttensee-Komplexes ist im Kontext dieser Entwicklung zu sehen. Er ist das
Ergebnis der glazifluvialen und glazilakustrinen Sedimentation im Einflussbereich des sukzessiven
Eisabbaus in der Grabenstätter Bucht in Kombination mit einer Toteisbildung im Bereich des heutigen
Tüttensees. Dafür sprechen die stufenartige Abfolge der beschriebenen peripheren Abflussrinnen mit
ihren immer tiefer liegenden Abflussniveaus, die Höhengleichheit von drei dieser Rinnen mit den
Tüttensee-Terrassen sowie die für die jeweilige Terrassenentstehung typische glazifluviale bzw. delta-
artige Sedimentstruktur und -reife. Dieses Ergebnis stellt ein Korrektiv zur Hypothese des Chiemgau-
Impakts dar, wonach der Tüttensee ein Impaktkrater sein soll. Da diese nun falsifizierte Annahme vor
allem im deutschsprachigen Raum von zahlreichen Medien propagiert wird, ist der folgende Artikel
auf Deutsch verfasst, um einer breiten Leserschaft zugänglich zu sein.
Abstract: The deglaciation history of the southeastern Chiemsee Glacier is described by sedimentological and
terrain morphological investigations. As the Bad Adelholzen-Erlstätter Rinne dried up during the late
Würmian, the melting of the ice lobe located in the Grabenstätt bay resulted in a concentric sequence
of ever deepening peripheral drainage channels. The oldest channels of this phase changed into a
centripetal direction near Chieming, the younger ones did so further south.
Published by Copernicus Publications on behalf of the Deutsche Quartärvereinigung (DEUQUA) e.V.
94 R. Huber et al.: Der späteiszeitliche Tüttensee-Komplex
The development of the Tüttensee Complex has to be seen in the context of this development. It
is the result of the glaciofluvial and -lacustrine sedimentation triggered by the gradual deglaciation
of the Grabenstätt bay in combination with dead ice formation in the area of today’s Lake Tüttensee.
This is supported by the stepwise sequence of the described peripheral discharge channels with their
increasingly lower discharge levels, the level equivalence of three of these channels of this phase with
the Tüttensee Terraces as well as the glaciofluvial or deltaic sediment structure or maturity typical
for the respective terrace formation. This result is a corrective to the now falsified Chiemgau impact
hypothesis that the Tüttensee is supposed to be an impact crater. Since this assumption is propagated
by numerous media, especially in the German-speaking countries, the following article is written in
German in order to be accessible to a broad readership.
1 Einleitung
Das Landschaftsbild des Chiemgaus, am Rande der nörd-
lichen Alpen, ist deutlich von der quartären Vereisungsge-
schichte des Inn-Chiemsee-Gletschers geprägt, der seit mehr
als hundert Jahren Thema zahlreicher wissenschaftlicher Un-
tersuchungen ist (Abb. 1). Von dieser langen Erkenntnisge-
schichte seien hier nur die Arbeiten von Penck (1882) so-
wie Penck und Brückner (1909) genannt. Das Gebiet des
Inn-Chiemsee-Gletschers erfuhr seine erste umfassende Be-
schreibung und Kartierung durch Troll (1924), die im We-
sentlichen noch bis heute gültig sind. Er gliederte die End-
moränenwälle des Würm in vier Phasen, die als Rückzugs-
halte angesehen wurden, bevor der Gletscher das Zungenbe-
cken vollständig freigab. Die Endmoränenwälle der Kirch-
seeoner Phase zeichnen den Gletscherrand des Hochwürm
nach, gefolgt von den ebenso durchgehenden Moränenzü-
gen des Ebersberger und Ölkofener Stadiums (Abb. 2). Das
Stephanskirchener Stadium ist mit undeutlichen und nicht
durchgehenden Wällen nur im Bereich des Inn-Gletschers im
Rosenheimer Beckens erhalten (Abb. 2).
In den vergangenen Jahren wurde das Chiemsee-Gebiet
Gegenstand mehrerer geographischer und geologischer Un-
tersuchungen bzw. Kartierungen (z.B. Knauer, 1935; Wil-
helm, 1958; Ganss, 1977; Henry und Rudolph, 1978; Ga-
reis, 1978; Jerz, 1999), die das Bild der Würm-zeitlichen
Vereisungsgeschichte weiter vervollständigen konnten. Al-
lerdings blieben einige Fragen bislang ungeklärt. Insbeson-
dere die Rolle glazifluvialer Prozesse blieb nur unvollständig
beantwortet (z.B. Gareis, 1978) Sie sind aber für die Ent-
stehungsgeschichte der Würm-zeitlichen Landschaftsformen
bedeutsam (siehe German, 1973, und Schneider, 1995). Heu-
te können Lage und Verlauf von trockenliegenden, Würm-
zeitlichen Abflussrinnen mit neuen Geländemodellen aus LI-
DAR Aufnahmen sehr genau bestimmt werden (Abb. 3, 5).
Mit Hilfe dieser Geländemodelle wollen wir in der vorliegen-
den Arbeit daher den Versuch unternehmen, das Verständ-
nis der zeitlichen und räumlichen Verflechtung dieser Rin-
nen zu verbessern und damit die Würm-zeitliche Abschmelz-
geschichte des östlichen Chiemsee-Gletschers etwas genauer
zu formulieren.
Abb. 1. Lage des Untersuchungsgebietes. T =Tüttensee. Verortung
des Arbeitsgebietes siehe Abb. 3. Geobasisdaten © Bayerische Ver-
messungsverwaltung.
Zudem liegt unser Untersuchungsgebiet in dem von Ernst-
son (2010) postulierten Meteoritenkraterstreufeld zwischen
Burghausen und Chiemsee. Innerhalb der jüngsten Würm-
zeitlichen Moränenwälle und vorgelagerten Entwässerungs-
rinnen dieses Gebietes liegt der Tüttensee. Dieser See soll
nach Vorstellung von Ernstson (2010) auf den Einschlag ei-
nes extraterrestrischen Körpers zurückzuführen sein. In der
vorliegenden Arbeit überprüfen wir auch diese Impaktthe-
se. Dazu stellen wir die Ergebnisse eigener Begehungen
und Kartierungen des Tüttensee-Geländes und dessen wei-
terer Umgebung vor und werden aus der Zusammenstellung
der geomorphologischen und geologischen Beobachtungen
sowie sedimentologischer Untersuchungen die Entstehung
des späteiszeitlichen Tüttensee-Komplexes im Rahmen der
Abschmelzgeschichte am Ostrand des Chiemsee-Gletschers
darstellen.
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R. Huber et al.: Der späteiszeitliche Tüttensee-Komplex 95
Abb. 2. Lage des Untersuchungsgebietes im Kontext der klassi-
schen Troll’schen Moränenstadien des Inn-Chiemsee Gletschers.
Abbildungsgrundlage aus Troll (1924) modifiziert von Dar-
ga (2009a).
Das Bayerische Landesamt für Umwelt (2019) hat die Eis-
zerfallslandschaft des Tüttensees als Geotop mit der Num-
mer 189R039 ausgewiesen.
2 Geologischer Rahmen
Die Grabenstätter Bucht (j in Abb. 5) mit dem Tüttensee
ist Teil des südöstlichen Chiemsee-Gletschergebietes (Ganss,
1977). In diesem Gebiet herrschen oberflächlich die Ab-
lagerungen und Geländeformen der Würm-Eiszeit vor, die
sich hervorragend im Digitalen Geländemodell 1 (DGM1)
der Abb. 3 erkennen lassen. Das Gelände ist in erster Linie
von Moränenwällen und mehrheitlich ehemaligen Entwässe-
rungstälern geprägt. Der hier von uns als Tüttensee-Komplex
vorgestellte Geländeteil wurde bereits von Troll (1924) und
Gareis (1978) erfasst, ohne dass jedoch die genaue Abfolge
der Abschmelzphasen aufgezeigt wurde.
Der präglaziale Untergrund des Untersuchungsgebietes,
der aus dem aufgerichteten Südrand der Vorlandmolasse be-
steht, ist gelegentlich in der näheren und weiteren Umge-
bung des Tüttensees in Erosionsgräben aufgeschlossen. Pa-
padeas (1972: Beilage III) stellte mit Hilfe von Bohrdaten
das Relief der Oberfläche des voreiszeitlichen Untergrundes
im Bereich ungefähr von Chieming bis zur Breite von Bergen
dar. Er konnte eine glazigen und fluvial überprägte Molasse-
Oberfläche rekonstruieren, die generell ein leichtes Gefälle
in Richtung Norden aufweist und mehrere fluviale Rinnen
enthält. Die prägnanteste dieser Rinnen, die etwa 4 km nord-
östlich Bergen beginnt und bis Erlstätt reicht, interpretiert er
als Flussbett der Riß-eiszeitlichen Traun. In diesem Molasse-
Relief fand er auch eine auffallende, in O-W-Richtung ver-
laufende Rinne. Am östlichen Ende dieser Rinne sitzt in
26 m Tiefe ziemlich genau unter dem Tüttensee (Wasser-
spiegel 526 m NN) eine rundliche Vertiefung mit ungefähr
750 m Durchmesser (bei Höhenlinie 500m NN der Molasse-
Oberfläche). Die Molasse-Höhenlinie von 490 m NN (also
36 m unter dem Seespiegel) weist nur noch einen Durchmes-
ser von ca. 550 m auf. Der Verlauf dieser Rinne nach Wes-
ten reicht bis Grabenstätt und biegt hier in südsüdwestliche
Richtung um (vgl. Abb. 4, rote Linien).
Veit (1977:212ff.) konnte mit Hilfe von reflexionsseis-
mischen Schussbohrungen im südlichen Chiemsee-Becken
(ausschließlich in verlandeten Gebieten) eine Mächtigkeits-
karte des jungpleistozänen Seetons erarbeiten, die aufzeigt,
dass das Seetonbecken von Übersee in mehrere Teilbecken
gegliedert ist. Aus dieser Karte geht hervor, dass im Gra-
benstätter Moos, also westlich der Grabenstätter Bucht, eine
ca. 70 m tiefe, mit Seeton gefüllte Vertiefung im Untergrund
existiert. Sie gehört zu der von Papadeas gefundenen Rinne
in der Grabenstätter Bucht. Die Befunde von Papadeas und
Veit ergänzen sich also sehr gut (Abb. 4) zur Rekonstruktion
des voreiszeitlichen Untergrundes.
3 Methoden
Während mehrerer Geländekampagnen in den Jahren 2014
bis 2016 wurde die Umgebung des Tüttensees geologisch
kartiert und Aufschlüsse beprobt. In den umgebenden Hü-
geln und Terrassen des Sees ermöglichten manche Auf-
schlüsse auch einen Einblick in die innere Struktur. An drei
Positionen konnten in Kieskörpern Schichtflächen freigelegt
und das Einfallen und die Fallrichtung der Schichten be-
stimmt werden.
An den Proben wurden Korngrößenanalysen durchgeführt,
um Erkenntnisse über das jeweilige Ablagerungsmilieu zu
gewinnen. In der Mittel- bis Grobkiesfraktion der Proben
wurde an je etwa 100 Körnern der Rundungsgrad gemäß den
von Pettijohn et al. (1973) vorgeschlagenen Kategorien be-
stimmt.
Zur geomorphologischen Analyse wurden über die Baye-
rische Vermessungsverwaltung des Landesamts für Digita-
lisierung, Breitband und Vermessung LIDAR-Daten in einer
Auflösung bis zu einem Meter bezogen. Um auch die Tiefen-
morphologie des Tüttensees in das Geländemodell mit ein-
zubeziehen, wurde die dazu vorliegende 1: 2500 Tiefenkarte
des Bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft (Grim-
minger, 1987) digitalisiert, mit Hilfe der Surfer 11 Soft-
ware in ein kompatibles 1 m Raster umgewandelt und in
das LIDAR Geländemodell integriert. Dadurch konnte ei-
ne hochgenaue topographische Karte der näheren Seeum-
gebung erstellt werden (Abb. 8). Das Softwarepaket wurde
auch zur Visualisierung und räumlichen Analyse des Gelän-
des verwendet. Zur Ermittlung von Gefällen und Höhenanga-
ben wurde daneben der BayernAtlas (http://www.geoportal.
bayern.de/, letzter Zugriff: 21. März 2018) genutzt.
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96 R. Huber et al.: Der späteiszeitliche Tüttensee-Komplex
Abb. 3. Digitales Geländemodell, eingefärbt. Norden ist oberer Bildrand. Der Chiemsee ist die graue unstrukturierte Fläche ent-
lang des linken Bildrandes. Höhenlagen am rechten Bildrand in m NN. Die tiefste Lage (Chiemsee-Niveau) sowie die Höhen
höher als 575 m NN sind grau dargestellt, und die Farbstufen violett bis hellblau kommen in den tieferen Lagen als auch in
den höchsten Lagen vor. Die grau gehaltenen Flächen vor allem im rechten Bildviertel liegen also höher als 575 m NN. Die-
se Darstellung zeigt das Gefälle der verschiedenen Rinnen, die in Abb. 5 nur in ihrer zweidimensionalen Ausdehnung dargestellt
sind. 1 =Stöttham, 2 =Laimgrub, 3 =Eglsee, 4 =Nußdorf, 5 =Weiderting, 6 =Wang, 7 =Riederting, 8 =Höpperding, 9 =Kraimoos,
10 =Aufham, 11 =Chieming, 12 =Oberhochstätt, 13 =Innerlohen, 14 =Erlstätt, 15 =Wolkersdorf, 16 =Traunstorf, 17 =Hagenau,
18 =Hirschau, 19 =Obereggerhausen, 20 =Marwang, 21 =Hiensdorf, 22 =Mühlen, 23 =Tinnerting, 24 =Axdorf, 25 =Vachendorf,
26 =Wipfing, 27 =Einharting, 28 =Eckering, 29 =Tüttensee, 30 =Grabenstätt. Geobasisdaten © Bayerische Vermessungsverwaltung.
Alle Koordinaten sind, wie im genutzten Kartenmaterial,
als Gauss-Krüger Koordinaten (Rechts- und Hochwerte) an-
gegeben. Als Quelle für Flurnamen wurde die topografische
Karte 1 : 25 000 Blatt 8141 Traunstein (Landesamt für Ver-
messung und Geoinformation, 2007) verwendet.
4 Beobachtungen
4.1 Geomorphologie
4.1.1 Rinnenstrukturen und Trockentäler im
südöstlichen Teil des Chiemsee-Gletschers
Das auffälligste geomorphologische Merkmal im Bereich
des ehemaligen Chiemsee-Gletschers sind die markanten,
wallförmigen Endmoränenstaffeln, die bereits in den Arbei-
ten von Troll (1924) und Ganss (1977) beschrieben und klas-
sifiziert wurden. Zwischen den einzelnen Moränenstaffeln
befinden sich naturgemäß langgestreckte Täler, die heute als
durch ehemalige Wasserläufe geformte Trockentäler vorlie-
gen. Diese Rinnen sind insbesondere im hochauflösenden di-
gitalen Geländemodell in einer neuen Qualität deutlich zu er-
kennen. Aufgrund von Gefälle und Richtung lassen sich - be-
zogen auf den Chiemsee – zentrifugal, peripher und zentripe-
tal verlaufende Rinnen unterscheiden (Abb. 5). Zentrifugale
Rinnen in unserem Arbeitsgebiet sind die Axdorfer Rinne (l
in Abb. 5) und die Traunstorfer Rinne (a in Abb. 5) zwischen
Wang und Weiderting. Sie sind dem Kirchseeoner Stadium
(Troll, 1924; Abb. 2) zuzuordnen. Mit dem Eintritt des Eber-
berger Stadiums (Abb. 2) entwickelte sich die Traunstorfer
Rinne zwischen Traunstorf und Wang zu einer peripheren
Rinne. Die Wolkersdorfer Rinne (b in Abb. 5) ist als erstes
rein peripheres Tal zu erkennen.
Die nun folgenden Rinnen des Ölkofener Stadiums
(Abb. 2) hängen alle mit der Entstehung des Tüttensee-
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Abb. 4. Darstellung der Untergrundstruktur des verlandeten Chiemsee-Gebietes zwischen Grabenstätt, Bernau und Marquartstein, zusam-
mengestellt und verändert aus den Abbildungen von Veit (1977:213) und Papadeas (1972: Beilage III; Höhenlinien hier zur Unterscheidung
von den Höhenlinien von Veit in Rot angegeben). Die Zahlen geben die Höhenlinien in m NN an. Grundinformation zur Ermittlung der un-
gefähren Schichtmächtigkeit der eiszeitlichen Ablagerungen über dem Molasse-Relief: Der mittlere Wasserspiegel des Chiemsees liegt bei
518 m NN, die Oberfläche des Grabenstätter Mooses (zwischen Grabenstätt und Tiroler Ache) liegt ca. bei 519m NN. Der in der Grafik von
Veit eingezeichnete „vermutliche Verlauf des Chiemsee-Ufers nach dem ,Rückzug des Eises‘“ ist hypothetisch und zeigt nur einen einzigen
Zustand. Die in vorliegender Arbeit gezeigten Abschmelzstadien dagegen geben einen Einblick in die Entwicklung der östlichen Uferlinie
des entstehenden Chiemsees anhand der im Gelände feststellbaren Entwässerungsrinnen und der damit verbundenen Eisbarrieren. Der Raum
südlich des Chiemsees ist der bereits verlandete Teil des Zungenbeckens. Die subglazial geformten Kolke und Rinnen folgen den ungefähr
E-W streichenden Strukturen der Molasse.
Komplexes direkt zusammen. Ihren Verlauf und vor allem ihr
Gefälle kann man der Abb. 3 entnehmen. Abbildung 5 zeigt
den individuellen Verlauf der einzelnen Rinnen und dadurch
z.T. auch deren zeitliche Abfolge.
Die Bad Adelholzen-Erlstätter Rinne (c in Abb. 5) ist im
Kartenbild die markanteste periphere Rinne des östlichen
Chiemsee-Gebietes. Sie ist bei Erlstätt bis über 900 m breit
und reicht von Bad Adelholzen über Vachendorf und Erl-
stätt bis Chieming und nördlich Laimgrub. Die Kiesgruben
zwischen Vachendorf und Erlstätt schließen innerhalb dieses
Trockentales bis in 16m Tiefe Kies mit Steinen und Blöcken
auf. Dagegen liefern die Kiesgruben rund um Laimgrub deut-
lich besser sortierten Kies mit weit kleinerer Korngröße. Im
Norden von Laimgrub ist eine Unterscheidung in zwei nach-
einander entstandene Entwässerungsrinnen möglich (c1 und
c2 in Abb. 5). Der westliche Abflussweg (c2) schwenkt nach
Nordwesten um. Es zeichnet sich hier ein Wechsel der Ent-
wässerungsrichtung von peripher zu zentripetal ab. Derzeit
sind Kiesgruben bei Eglsee in Abbau und bieten gute Auf-
schlüsse (Abb. 6).
Sehr auffällig ist die Unterbrechung der Bad Adelholzen-
Erlstätter Rinne zwischen Mühlen und Vachendorf (Abb. 3).
Der Grabenstätter Mühlbach hat sich hier tief in diese Rin-
ne gegraben und fließt nun ca. 23 Höhenmeter tiefer in die
Grabenstätter Bucht.
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98 R. Huber et al.: Der späteiszeitliche Tüttensee-Komplex
Abb. 5. Übersicht über den Tüttensee-Komplex und die im südöstlichen Chiemsee-Gletscherbereich beobachteten Entwässerungsrin-
nen. I =Obere Tüttensee-Terrasse I; II=Obere Tüttensee-Terrasse II; III =Untere Tüttensee-Terrasse; T =Tüttensee; a =Traunstorfer
Rinne; b =Wolkersdorfer Rinne; c =Bad Adelholzen-Erlstätter Rinne (c1 ältere Terrasse, entwässert Richtung Storfling; c2 jünge-
re Terrasse, entwässert Richtung Ising); d=Hiensdorfer Rinne; e=Marwanger Rinne; f =Kaltenbach-Rinne; g =Tiefenbach-Rinne;
h=Obereggerhausener Rinne (=der heute nach Süden entwässernde Teil der Tiefenbach-Rinne; der Strich deutet die Wasserscheide an);
i=Hirschauer Rinne; j =Grabenstätter Bucht; k =Wipfinger Rinne; l =Axdorfer Rinne; m =Lohbach-Rinne. Zu beachten ist, dass zu jeder
der drei Tüttensee-Terrassen (I, II, III) eine Abflussrinne gehört (vgl. auch Abb. 3). I korrespondiert mit e, II mit f und III mit h und g.
Kartengrundlage DGM, Bayerische Vermessungsverwaltung. Geobasisdaten © Bayerische Vermessungsverwaltung.
Die Hiensdorfer Rinne (d in Abb. 5) beginnt bei Hiensdorf
als Terrasse, die im Süden an die Grabenstätter Bucht (j in
Abb. 5) grenzt (Abb. 12). In einem temporären Aufschluss
(R =4 542685, H =5 301 945) in diesem Teil der Hiensdor-
fer Rinne stand Grobkies an. Im DGM ist die schiefe Ebene
der Hiensdorfer Rinne bis zum östlichen Ortsende von Mar-
wang zu verfolgen. Unmittelbar östlich von Marwang hat die
Hiensdorfer Rinne dann zwei deutliche Uferbegrenzungen
und wird ab hier zu einer echten Rinne. Sie verläuft ca. 650 m
in Richtung Norden, um dann nach Osten zu schwenken und
in leicht mäandrierender Weise über Kaltenbach, Innerlohen
und Aufham in die bei Chieming aufgeschüttete Schwemme-
bene zu münden. Dieser weitere Verlauf wird durch einzelne
Terrassenreste im Tal bei Kaltenbach und Innerlohen sowie
durch die korrelierende Höhenlage der Schotter zwischen
Aufham und Chieming (Abb. 3) angezeigt. Zwischen Egl-
see und Chieming ist die unscheinbare Lohbach-Rinne in die
Kiesebene der Hiensdorfer Rinne eingetieft (m in Abb. 5).
Unmittelbar östlich von Marwang ist in den Boden der
Hiensdorfer Rinne eine kleinere Rinne (Marwanger Rinne, e
in Abb. 5) eingetieft. Sie hat ihren Anfang bei R=4 542518,
H=5302 096, verläuft ca. 300 m NNE, schwenkt dann nach
N und streicht nach ca. 400 m in der Art eines Hängetals frei
in das dort 7 m tiefer liegende Tal aus.
Im westlichen Ortsgebiet von Marwang beginnt auf 555m
NN (R =4 542 312, H =5 301995) die nach NNW weisende
Kaltenbach-Rinne (f in Abb. 5). Eine südliche Fortsetzung
ist im Gelände nicht vorhanden. Ca. 900 m weiter nördlich
biegt die Kaltenbach-Rinne nach Osten und trifft wieder auf
die Hiensdorfer und Marwanger Rinne – allerdings liegt ihre
Talsohle um 7 m tiefer als die der Hiensdorfer und Marwan-
ger Rinne. Deshalb erscheint die Marwanger Rinne an dieser
Stelle als Hängetal. Die Kaltenbach-Rinne nimmt von dort
an den gleichen Verlauf wie die Hiensdorfer Rinne, schnei-
det sich jedoch in diese Rinne sehr kräftig ein und reicht bis
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Abb. 6. Schräggeschichtete glazifluviale Kiese über Grundmo-
räne. Die Linie zeigt den Kontakt an. Die Kiese dieser Grube
(R =4 542 190, H =5 306 942) bei Eglsee gehören zur älteren Ent-
wicklungsstufe der Bad Adelholzen-Erlstätter Trockenrinne (c1 in
Abb. 5). Maßstab: Hammer an der Grenzlinie.
nach Chieming. So blieben von der Hiensdorfer Rinne nur
wenige Terrassenreste verschont.
Am westlichen Ortsende von Marwang streicht ein deut-
lich ausgeprägtes, leicht nach Süden hängendes Tal auf ca.
535 m NN frei in die Grabenstätter Bucht aus (R=4 541 654,
H=5301 654). In dieser fast gefällelosen Rinne fließt der
Eggerhausener Bach. Dieser südliche Talabschnitt ist die
Obereggerhausener Rinne (h in Abb. 5). Der Bewuchs auf
dem Eggerhausener Talboden weist bereits auf wasserstau-
enden Untergrund hin. An den Seitenwänden des Eggerhau-
sener Bachs kann man auch ohne große Aufschlussarbeiten
hellgrauen Ton erkennen (Abb. 7).
Östlich von Obereggerhausen liegt auf 534m NN eine
Wasserscheide (R =4 541 554, H =5 302 339). Der von hier
aus nach Norden abfließende Bach ist der Tiefenbach. Die
von ihm durchflossene Rinne ist somit die Tiefenbach-Rinne
(g in Abb. 5), die nur durch die erwähnte sehr flache Wasser-
scheide von der Obereggerhausener Rinne getrennt ist. Bei
Oberhochstätt und nördlich von Hagenau hat die Tiefenbach-
Rinne zwei Prallhänge („Krümmling“ der topographischen
Karte) in die Moränenlandschaft erodiert. Diese Rinne en-
det bei Unterhochstätt abrupt, frei ins Chiemsee-Becken
ausstreichend an einer Terrassenkante (R=4 539 395, H =
5304 071) auf ca. 526m NN, also ca. 8 m über dem heutigen
Chiemsee-Niveau. In den Entwässerungsgräben in der Wie-
se westlich von Oberhochstätt (beim Krümmling, z.B. auf
Höhe 528 m NN, R =4 539 970, H =5 303 729) werden in
ca. 70 cm Tiefe hellgraue Tone mit akzessorischen, bis über
faustgroßen Geröllen angetroffen. Diese Tone ähneln denen
von Obereggerhausen (Abb. 7) stark.
Die Hirschauer Rinne (i in Abb. 5) zweigt bei Oberhoch-
stätt (ca. 526 m NN) von der Tiefenbach-Rinne ab. Sie zieht
Abb. 7. Ein Schurf am Grabenrand des Obereggerhausener Bachs
zeigt unter humusreicher Mudde fast weißen Ton, der nur ganz we-
nige größere Gerölle enthält. Maßstab rechts.
südwärts nach Hirschau und endet auf etwa 522 m NN an
einer angedeuteten Geländekante der Grabenstätter Bucht.
Die jüngste Rinne ist die Grabenstätter Bucht (j in Abb. 5),
die vom Grabenstätter Mühlbach durchflossen wird. Die geo-
logische Karte (Ganss, 1977) zeigt östlich, entlang der von
Grabenstätt nach Hirschau verlaufenden Geländekante spät-
glaziale bis frühholozäne Kiese. Westlich dieser Kante be-
findet sich die Verlandungsfläche des Grabenstätter Mooses.
Die Geländekante liegt im Süden mehr als 8 m über dem Gra-
benstätter Moos und senkt sich nach Norden hin auf weniger
als 2 m Höhe bei Grabenstätt, um Richtung Hirschau wieder
leicht anzusteigen. Diese Geländekante begrenzt die Graben-
stätter Bucht nach Westen hin.
Die Rinne von Wipfing (k in Abb. 5) wurde der Vollstän-
digkeit halber erst nach Zusammenschau der Ergebnisse mit
in die Untersuchung aufgenommen. Es handelt sich um jene
Rinne, welche die Nordostseite des Kleierbergs entwässert.
Diese Rinne wird in der Diskussion berücksichtigt, obwohl
ihr kein direkter Einfluss auf den Tüttensee-Komplex zuge-
schrieben wird, sondern „nur“ auf die Anfangsphase der hier
dargelegten Entwicklung der Rinnenabfolge.
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100 R. Huber et al.: Der späteiszeitliche Tüttensee-Komplex
Abb. 8. Digitales Geländemodell des Tüttensee-Komplexes. Blick
ungefähr nach Norden. Ost-West-Erstreckung ca. 1,8km. Abstand
der Höhenlinien ist 2 m. T =Tüttensee; T0=östlich des Tütten-
sees gelegene Senke; Mü =der Hügel 300 m nordwestlich von
Mühlbach; OTT I=die ältere, OTT II =die jüngere der beiden
Oberen Tüttensee-Terrassen; UTT=die Untere Tüttensee-Terrasse;
Lug =der Weiler Lug. Geobasisdaten © Bayerische Vermessungs-
verwaltung.
4.1.2 Die Gliederung der Umgebung des Tüttensees:
Der Tüttensee-Komplex
Im östlichen Teil der heute trocken liegenden Grabenstätter
Bucht liegt der Tüttensee, der von terrassenartigen Erhebun-
gen umgeben ist, die sich in ihrer Form deutlich von der Um-
gebung abgrenzen. Diese Geländestrukturen werden wir da-
her im Weiteren als Tüttensee-Komplex bezeichnen.
Fünf geomorphologische Haupteinheiten (Abb. 8) kön-
nen innerhalb des Tüttensee-Komplexes abgegrenzt werden:
(1) Eine auffällige, hochgelegene, in zwei Ebenen angelegte
große Terrasse im nördlichen Bereich des Tüttensees. (2) Ei-
ne wallartige, tiefer gelegene Terrasse am westlichen und
südlichen Ende des Sees. (3) Der Rücken von Lug, ein lang-
gezogener, von Richtung Südwest-Nordost nach Süd-Nord
umbiegender Geländerücken, der südlich des Tüttensees in
die unter (2) genannte südliche Terrasse übergeht. (4) Der
zwischen Mühlbach und Hiensdorf liegende Hügel, der auf-
grund seiner Sedimentstrukturen zum Tüttensee-Komplex
gehört. (5) Inmitten dieser Terrassen und Rücken liegt die
Senke des Tüttensees selbst und unmittelbar östlich anschlie-
ßend eine kleinere, bereits verlandete Senke.
Die Oberen Tüttensee-Terrassen (OTT I und OTT II)
Diese auffällige, im Gegensatz zur Umgebung weitgehend
ebene, großflächige Geländeform schließt an das nördliche
Ufer des Tüttensees an. Die in zwei Stufen geteilte Terras-
se besteht aus einem annähernd oval geformten Körper mit
einer Längsachse in Richtung Westnordwest, dessen scharf
abgegrenzte südliche Flanken steil Richtung See hin abfal-
len. Diese Terrasse wirkt wie ein Fremdkörper auf der sanft
hügeligen E-W verlaufenden Hügelkette zwischen den Dör-
fern Hiensdorf und Marwang. Eine Reihe von unregelmäßig
Abb. 9. Freigelegtes Profil im „Kies“ des Probenpunktes TS4 am
Westrand der Oberen Tüttensee-Terrasse II. Von unten nach oben:
sandiger Feinkies, Sand, Steinlage, matrixfreier Kies.
angeordneten, kleineren Kiesgruben markiert die nördliche
Grenze der Terrasse. Die oberste und damit älteste, durch
mehrere kleinere Senken gekennzeichnete Fläche mit einer
mittleren Höhe von etwa 560 m NN bildet den nordöstlichen
Teil. Sie ist durch eine umlaufende Terrassenkante abge-
grenzt und soll im Folgenden als Obere Tüttensee-Terrasse I
(OTT I) genannt werden. Die mittlere Höhe der OTT I kor-
respondiert mit der Höhe des Beginns der Marwanger Rinne
(e in Abb. 5; vgl. Tabelle 1).
Der zweite, größere Terrassenbereich ist ein ebenfalls
fast horizontales Plateau mit einer mittleren Höhe von etwa
556 m NN, das zwei deutliche, im Grundriss ovale Gruben
enthält. Die Nordwest-Südost verlaufende Längsachse die-
ser, als Obere Tüttensee-Terrasse II (OTT II) benannten Flä-
che, ist parallel zu der im Nordosten benachbarten Hiensdor-
fer Rinne. Ihre Flanken fallen steil nach Westen, Süden und
Osten ab. Hervorzuheben ist hier, dass besonders im west-
lichen Teil beider Terrassen Profile mit deutlicher Schräg-
schichtung und matrixfreien Grobkiesen aufgeschlossen sind
(Abb. 9). Am Osthang treten im basalen Bereich dagegen
Diamikte auf. Die mittlere Höhe der OTT II korrespondiert
mit dem Beginn der Kaltenbach-Rinne (vgl. Tabelle 1).
Die Untere Tüttensee-Terrasse (UTT)
Die Höhe der unteren Terrasse reicht von 537 m NN im Sü-
den bis zu 533 m NN im Norden, ist also deutlich niedri-
ger als die beiden zuvor beschriebenen oberen Terrassen. Sie
besteht aus zwei Teilen: Eine im Umriss annähernd rhom-
benförmige Terrasse im Westen des Tüttensees, sowie ei-
ner langgestreckten, E-W gerichteten Terrasse im Süden des
Sees.
Während die Oberfläche des westlichen Teiles durchge-
hend horizontal abgeflacht erscheint, hat der längliche Ter-
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R. Huber et al.: Der späteiszeitliche Tüttensee-Komplex 101
Tabelle 1. Die drei Tüttensee-Terrassen und ihre dazugehörigen Abflüsse.
Terrassenhöhe Entwässerung Überlaufhöhe
Obere Tüttensee-Terrasse 1
(I in Abb. 5)
ca. 560 m NN über Marwanger Rinne (e in Abb. 5) Überlauf
heutiges Gelände östlicher Ortsrand Marwang
ca. 560 m NN
Obere Tüttensee-Terrasse 2
(II in Abb. 5)
ca. 556 m NN über Kaltenbach-Rinne (f in Abb. 5) Überlauf
heutiges Gelände westlich des Rückens Talholz
ca. 553 m NN
Untere Tüttensee-Terrasse
(III in Abb. 5)
ca. 536 m NN über Obereggerhausener Rinne (h in Abb. 5)
westlicher Ortsrand Marwang in die
Tiefenbach-Rinne (g in Abb. 5)
ca. 534 m NN
Abb. 10. Kies in der Materialentnahmestelle nördlich
des Tüttensee-Auslaufs (Probenpunkt TS1; R =4 542 431,
H=5 301 341). Die Schichtung ist über die ganze Aufschlusshöhe
zu erkennen. Deutlich ist auch die Schrägschichtung zu erkennen.
Das Fallen der Schichten kann mit 20–30◦in Richtung Norden
angegeben werden.
rassenkörper im Süden des Sees nur in seinen westlichsten
Bereichen eine ebene Oberfläche. Im Osten ist seine Ober-
fläche hingegen weitgehend gewölbt und weist bei Lug einen
fast dreieckigen Querschnitt auf. Der Übergang von dem Teil
mit dreieckigem Querschnitt zu dem Teil mit der plateauarti-
gen Oberfläche ist fließend.
Auffallend bei den westlichen Teilen dieser Terrasse
sind im Aufschluss die sehr gut ausgewaschenen Kiese
mit sehr gutem Rundungsgrad. Im Bereich nördlich des
Tüttensee-Ausflusses sind in Materialentnahmestellen aus-
geprägte Schrägschichtungen mit matrixfreiem Kies aufge-
schlossen (Abb. 10, 11). Nach Süden und Osten hin nimmt
der Feinkornanteil in den Sedimenten der UTT zu. Die Hö-
henlage des westlichen Teils der UTT korrespondiert mit
dem Überlauf der Obereggerhausener Rinne (h in Abb. 5).
Siehe auch Tabelle 1.
Abb. 11. Gleicher Aufschluss wie in Abb. 10. Der ca. 20 ×20 cm
große Ausschnitt lässt erkennen, dass dieser Kies grob geschichtet
ist. Die mittelkiesige Lage, welche die Bildmitte ungefähr horizon-
tal durchzieht, zeigt matrixfreie Räume zwischen den Geröllen.
Der Rücken von Lug
Der Rücken von Lug erstreckt sich in gekrümmter Form von
Lug nach Nordosten ansteigend und folgt dem Seeufer, nach
Norden umbiegend, bis zum Zulauf des Tüttensees, wo er
steil abbricht. Dort erreicht der Hügel (549 m NN) eine Höhe
von 23 m über dem Tüttensee-Spiegel.
Der südliche Teil der plateauartigen UTT ist mit dem
Rücken von Lug über einen schmalen Geländerücken („Fla-
schenhals“) nach Osten hin verbunden. Im Gegensatz zur
UTT hat der Rücken von Lug eine gerundete Oberseite, die
zudem auch noch eine deutliche Höhendifferenz vom west-
lichen zum nördlichen Ende aufweist. Der Kiesanteil nimmt
zu Gunsten des Feinkornanteils nach Osten ab.
Der Hügel von Mühlbach
Ca. 600 m östlich des Tüttensees, am Hang zwischen Mühl-
bach und Hiensdorf, liegt ein ungefähr Nord-Süd ausgerich-
teter Hügel von etwa 552 m NN Höhe (Abb. 8, 12). Er be-
steht, wie kleine Aufschlüsse zeigen, in seinem liegenden
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102 R. Huber et al.: Der späteiszeitliche Tüttensee-Komplex
Abb. 12. Der Hügel von Mühlbach von der Straße Hiensdorf-
Marwang aus gesehen. Blickrichtung nach Südsüdost. Der hellgrü-
ne (gemähte) Wiesenstreifen an der Straße gibt ungefähr den Eis-
rand in der Grabenstätter Bucht zur Zeit der aktiven Hiensdorfer
Rinne an dieser Stelle an (vgl. Abb. 20). Später, während der Ent-
stehungszeit der obersten Tüttensee-Terrasse (OTT I in Abb. 8), war
im Bildmittelgrund der Marwanger Eisrandstausee (vgl. Abb. 21),
in dem sich die Sande und schräg geschichteten Kiese des Hügels
von Mühlbach bildeten.
Bereich aus matrixgestütztem Diamikt. Dieser wird von del-
tageschichteten sandigen Kiesen, wie sie auch in OTT I+II
auftreten, mit matrixfreien Groblagen überlagert. Sie zeigen
ein Einfallen von ca. 30◦nach NW.
Die Tüttensee-Senke
Diese geomorphologische Einheit (T in Abb. 5 und 8) besteht
aus dem heutigen Seebecken, seinen umliegenden anmoori-
gen Verlandungszonen sowie dem Tüttensee-Moor am östli-
chen Ende des Sees. Sie ist das zentrale Phänomen, an dem
alle bisher beschriebenen Landschaftsteile des Tüttensee-
Komplexes anknüpfen. Die Seefläche des Tüttensees selbst
ist birnenförmig und SE-NW ausgerichtet. Das Seebecken
ist etwa 17 m tief (Grimminger, 1987) und zeigt eine asym-
metrische, schrägkonische Tiefengeometrie, wobei der nord-
westliche Bereich des Sees am tiefsten ist. Insgesamt setzt
sich die Hangneigung der dem See zugewandten umgeben-
den Hänge im Seebecken fort.
Ungefähr 50 m östlich des Tüttensees liegt eine weitere
Senke (T0in Abb. 8), die zusammen mit dem Tüttensee „die
liegende Acht“ bei Gareis (1978:67) ergibt. Diese Senke ist
von einem Moor ausgefüllt, das dem Tüttensee Wasser zu-
führt. Sie wird von den Hängen der OTT I+II, dem Rücken
von Lug, dem Hügel von Mühlbach und dem diese beiden
Hügel verbindenden Geländewulst allseits eingerahmt. Nur
der Zulauf in den Tüttensee durchbricht den Ring der diese
Senke umgebenden Sedimente.
4.1.3 Das Gebiet von Chieming – Aufham – Laimgrub -
Stöttham
Zwischen Chieming und Stöttham sind Kiese, Sande und er-
ratische Blöcke verbreitet. Im Gelände sind auffällig viele
Senken erkennbar. Die bedeutendsten sind die „Wolfsgru-
be“ (R =4 540366, H =5 306 371) im Ortskern von Chie-
ming, der Pfeffersee (R =4 540 142, H =5 305 741) und
das Schwarzelmoos (R =4 539672, H =5306 576). Letzte-
res ist mit einem bis zu 6 m mächtigen Übergangsmoor ge-
füllt (Schmeidl, 1977:229). Ca. 30 m westlich davon befin-
det sich parallel zum Chiemsee-Ufer eine wallartige Struk-
tur (R =4 539622, H =5 306528), deren sedimentologische
Beschreibung bei Ganss (1977:184) auf eine Oserbildung
schließen lässt.
Im DGM (Abb. 3) hebt sich diese generell nach Westen
geneigte Eiszerfallslandschaft deutlich von dem nach Os-
ten geneigten Kiesfächer ab, der sich östlich von Chieming
in Richtung Laimgrub erstreckt. In diese Schotterfläche ist
die Lohbach-Rinne (m in Abb. 5) eingetieft. Von Aufham
kommend, mündet die Kaltenbach-Rinne (f in Abb. 5) in
das Chieminger Siedlungsgebiet. Das Terrassenniveau der
Hiensdorfer Rinne (d in Abb. 5) ist zwischen Aufham und
Chieming von der Kaltenbach-Rinne zerschnitten, wie in
Abb. 3 und 5 deutlich zu sehen ist.
Beim Punkt R =4 541 113, H =5 305 999 westlich Auf-
ham standen zum Zeitpunkt der Begehung in einer Baugrube
auf dem Niveau der Hiensdorfer Rinne bis in ca. 4,5m Tiefe
deutlich horizontal geschichtete, schlecht sortierte Kiese mit
Steinen und Blöcken an.
4.2 Lithofaziesuntersuchungen
Die Aufschlussverhältnisse rund um den Tüttensee sind recht
unterschiedlich. Neben zahlreichen, zum Teil noch im Ab-
bau befindlichen Materialentnahmestellen, vor allem in der
OTT I+II, bieten einige aufgelassene Gruben sowie Straßen-
aufschlüsse sehr gute Untersuchungsmöglichkeiten. An eini-
gen Stellen hinterließen umgestürzte Wurzelteller tiefe Kra-
ter, die mit dem Spaten weiter vertieft wurden. In diesen Pro-
ben mag Bodenbildung die Rundung leicht beeinflusst ha-
ben. Daneben konnten mit dem Spaten an einigen Stellen im
lockeren Material leicht Schürfgräben bis unter den Boden-
horizont zur Beprobung angelegt werden. Tabelle 2 bietet ei-
ne Übersicht über die Lage und Aufschlussverhältnisse der
Lokationen, an denen Korngrößenuntersuchungen durchge-
führt wurden.
Die Analysedaten der vier zu unterscheidenden Litholo-
gien der klastischen Sedimente im Bereich des Tüttensee-
Komplexes sind in Abb. 13 dargestellt. Aus diesen Analysen
und den Geländedaten entstand die Karte der Lithologien des
Tüttensee-Komplexes (Abb. 14).
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R. Huber et al.: Der späteiszeitliche Tüttensee-Komplex 103
Abb. 13. Ergebnisse der sedimentologischen Analyse, Korngrößenspektrum und Rundungsgrad der einzelnen lithologischen Typen. Daten-
verfügbarkeit: Huber et al. 2019a, b). Lithofaziestyp 1 =Schräggeschichtete, gradierte, gut gerundete, korngestützte Kiese; Lithofaziestyp
2=Undeutlich geschichtete, leicht bindige, gut gerundete, korngestützte Kiese; Lithofaziestyp 3: Ungeschichtete, stark bindige, matrixreiche
Kiese; Lithofaziestyp 4: Tonige, schlecht sortierte, matrixgestützte Diamikte.
4.2.1 Lithofaziestyp 1: Schräggeschichtete, gradierte,
gut gerundete, korngestützte Kiese (-Gcp)
Die Sedimente der Oberen Tüttensee-Terrasse und von Tei-
len der Unteren Tüttensee-Terrasse bestehen ausschließlich
aus auffällig planar schräg geschichteten Kiesen, die zusätz-
lich durch das fast völlige Fehlen eines Feinkornanteiles ge-
kennzeichnet sind. Die Schichtung im Zentimeter- bis De-
zimeterbereich wird durch einen ausgeprägten Korngrößen-
wechsel deutlich. An einigen Aufschlüssen konnten wir so
mehrere Schichtfolgen beobachten, die eine gut ausgepräg-
te, invers gradierte Schichtung aufweisen, wobei die Mäch-
tigkeit der einzelnen Schichten zwischen 5 und 20 cm liegt.
Zum Teil enden die Schichtfolgen im Hangenden mit einer
markanten Block- bzw. Pflasterlage.
Die überwiegend kalkigen Komponenten sind gut bis sehr
gut gerundet und liegen überwiegend im Mittel- bis Grob-
kiesbereich. Es kommen aber auch sandige Einschaltungen
vor. Neben den vorherrschenden kalkigen Komponenten fan-
den wir ein buntes Spektrum aus kristallinen Komponenten
sowie vereinzelt gut erhaltene Großforaminiferen aus dem
Helvetikum.
Auffällig ist das Auftreten von matrixfreien Grobkiesen
(Openwork Gravel sensu Reineck und Singh, 1973), die
große Hohlräume zwischen den sehr lose gepackten Körnern
zeigen. In der Korngrößenanalyse zeigt sich stets ein sehr
geringer Feinkornanteil (Silt und Ton), der meist unter 1 %
liegt. In basalen Profilbereichen kann der Anteil etwas hö-
her liegen und zeigt so den Übergang zu einem anderen Fa-
ziestyp an. Dominant sind dagegen stets die Gewichtsantei-
le der Kiesfraktion, die zwischen ca. 63 % und 97 % liegen.
Die Körner aus diesem Faziestyp sind auf der Pettijohn-Skala
überwiegend angerundet bis gut gerundet. Sowohl die Run-
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104 R. Huber et al.: Der späteiszeitliche Tüttensee-Komplex
Abb. 14. Karte der Lithologien des Tüttensee-Komplexes und Lage der Probenpunkte. Geobasisdaten © Bayerische Vermessungsverwaltung.
dung als auch die Sortierung der Komponenten belegen eine
vergleichsweise hohe texturelle Reife der Kiese.
An einigen Stellen (TS1, TS4, TS15 in Abb. 14) konnte
das Einfallen (z.B. Abb. 10) bestimmt werden. Demnach fal-
len die Schichten mit etwa 20 bis 30◦in nördlicher Richtung.
Das sehr lockere und meist gut sortierte Sediment findet vor
Ort als Bau- und Schüttgut Verwendung, wovon zahlreiche
Materialentnahmestellen entlang des nördlichen Randes der
OTT I+II zeugen. Diesen Sedimenttyp konnten wir an den
Lokationen TS1, TS2, TS4, TS9 sowie TS15 (Tabelle 2) be-
proben und an den Lokationen TS7 und TS14 im Gelände
belegen.
Nach der Klassifikation von Keller (1996) können diese
Sedimente als gerundeter, planar schräg geschichteter Kies
(-Gcp) angesprochen werden. Angesichts der beobachteten
Sedimenteigenschaften interpretieren wir diese Sedimente
als Deltabildungen. Vergleichbare Deltabildungen wurden
von zahlreichen Autoren im glazilakustrinen Kontext be-
schrieben (Martini, 1990; Nemec et al., 1999; Kostic et al.,
2005; Russell, 2007).
4.2.2 Lithofaziestyp 2: Undeutlich geschichtete, leicht
bindige, gut gerundete, korngestützte Kiese
(-G-m)
Dieser Ablagerungstyp dominiert die westlichen und süd-
westlichen Bereiche der Unteren Tüttensee-Terrasse. Die
hier ebenfalls überwiegend kalkigen Komponenten sind gut
gerundet und liegen meist im Fein- bis Mittelkiesbereich. Die
Kiese wirken im Gelände im Vergleich zu dem vorab be-
schriebenen Sedimenttyp deutlich bindiger und feinkörniger,
ihr Ton- und Siltanteil liegt bei etwa 4–5 Gewichtsprozent.
Der dominante Kiesanteil beträgt zwischen 66 % und 84 %.
Im Aufschluss erscheinen diese Kiese undeutlich geschich-
tet. Das Einfallen der Schichtung konnte daher nicht näher
bestimmt werden, sie scheint jedoch bei TS27 (Abb. 14)
nach Süden zu weisen. Auffällig sind häufig anzutreffende,
unregelmäßig eingestreute Grobkieskomponenten und Blö-
cke. Im Hangenden einiger Aufschlüsse (Abb. 14, Tabelle 2:
TS27, TS29) kann man eine deutliche Anreicherung größe-
rer Gerölle beobachten, die stellenweise als abschließende
Blocklage auftreten. Die Längsachsen dieser Gerölle sind
bevorzugt NE-SW orientiert eingeregelt. Die Körner in der
Kiesfraktion sind überwiegend angerundet bis gerundet. Die
texturelle Reife des Sediments ist damit gut, aber die Run-
dung weniger stark ausgeprägt als bei Lithofaziestyp 1.
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R. Huber et al.: Der späteiszeitliche Tüttensee-Komplex 105
Tabelle 2. Übersicht über die Koordinaten (Gauss-Krüger) und
Aufschlussverhältnisse der beprobten Lokationen an denen Korn-
größenanalysen durchgeführt wurden.
Lokation Rechtswert Hochwert Aufschlusstyp
Lithofaziestyp 1
TS1 4 542 431 5 301 341 Kiesgrube
TS2 4 542 530 5 301 329 Schurf
TS4 4 542 535 5 301 551 Kiesgrube
TS9 4 542 937 5 301 558 Kiesgrube
TS15 4 543 424 5 301 183 Kiesgrube
TS14 4 543 404 5 301 155 Kiesgrube
Lithofaziestyp 2
TS27 4 542 604 5 300 715 Kiesgrube
TS28 4 542 530 5 300 780 Kiesgrube
TS29 4 542 339 5 300 961 Kiesgrube
Lithofaziestyp 3
TS13 4 542 964 5 301 156 Wurzelteller/Schurf
TS23 4 542 831 5 300 907 Straßenanschnitt/Schurf
TS25 4 542 657 5 300 865 Kiesgrube
TS10 4 542 884 5 301 251 Wurzelteller/Schurf
TS6 4 542 754 5 301 270 Wurzelteller/Schurf
TS20 4 543 001 5 301 023 Schurf
Lithofaziestyp 4
TS11 4 542 917 5 301 210 Wurzelteller/Schurf
TS12 4 542 940 5 301 215 Wurzelteller/Schurf
TS8 4 542 879 5 301 608 Schurf
TS26 4 542 604 5 300 895 Straßenanschnitt
TS22 4 542 957 5 300 963 Schurf
TS19 4 543 029 5 301 061 Wurzelteller/Schurf
TS21 4 542 931 5 301 057 Schurf
TS17 4 542 921 5 301 112 Bachbett
TS3 4 542 559 5 301 329 Wurzelteller/Schurf
TS5 4 542 682 5 301 308 Wurzelteller/Schurf
Nach der Klassifikation von Keller (1996) können diese
Sedimente als undeutlich geschichtete, leicht bindige, gut ge-
rundete, korngestützte Kiese (-G-m) gekennzeichnet werden.
Aufgrund der lithofaziellen Charakteristik lassen sich diese
Sedimente nach Miall (1977) sowie Keller (1996) als Bar-
rensediment eines Flußsystems einordnen.
4.2.3 Lithofaziestyp 3: Ungeschichtete, stark bindige,
matrixreiche Kiese (gGm bis -G-m)
Insbesondere in den dem See zugewandten mittleren Höhen-
lagen, finden sich stark bindige, tonreiche, kiesige Sedimen-
te, die in den wenigen Aufschlüssen keine Schichtung er-
kennen lassen. Überwiegend kalkige Komponenten aus dem
Fein- bis Grobkiesbereich dominieren die Siebprobe mit über
50 %. Häufig ist ein, im Vergleich zu den Lithofaziestypen 1
und 2, erhöhter Sandanteil zu erkennen. Kennzeichnend ist
der stark erhöhte Ton- und Siltanteil, der zwischen 16 % und
25 % liegt.
Die Rundung der Körner dieses Sedimenttyps ist nicht gut
ausgeprägt, sie sind meist eckig oder kantengerundet bis an-
gerundet. Gerundete oder gut gerundete Körner kommen nur
in untergeordneten Anteilen vor. Die texturelle Reife ist da-
her nicht sehr gut ausgeprägt.
In Lokation TS25 (Abb. 14) bildet dieser Faziestyp das
Liegende der darüber liegenden abbauwürdigen Kiese. Die-
se Position über den Sedimenten des Lithofaziestyps 2 wird
auch durch die Zusammenstellung der Probenpunkte im Kar-
tenbild deutlich.
Nach Keller (1996) können diese Sedimente als unge-
schichtete, stark bindige, matrixreiche Kiese (gGm bis -G-m)
klassifiziert werden. Wir interpretieren diese Sedimente als
glazifluvial beeinflusstes bzw. verschwemmtes Moränenma-
terial. Erwähnenswert ist Lokation TS25, da sie offensicht-
lich zeitweise als wilde Müllkippe genutzt wurde, in der wir
poröse, grünlich dunkelgraue Schlacken fanden. Solche wur-
den von Ernstson et al. (2010:79) als Impaktgestein („impac-
tites“) angesprochen.
4.2.4 Lithofaziestyp 4: Tonige, schlecht sortierte,
matrixgestützte Diamikte (Dm)
In den tiefsten untersuchten Hanglagen, der den Tüttensee
umgebenden Hügel, finden sich häufig sehr bindige, stark
tonig-siltige Kiese bzw. kiesige Tone. Das gut knetbare,
tonig-kiesige Material ist völlig ungeschichtet, unsortiert und
weist eine deutlich matrixgestützte Textur auf. Am Ostufer
des Tüttensees stehen diese tonigen Sedimente oberflächlich
an und bilden einen oft unangenehm rutschigen, lehmigen
Untergrund. An diesen Straßenanschnitten lassen sie sich auf
mindestens 8 bis 10 m Mächtigkeit verfolgen. Die Siebpro-
be zeigt stets einen sehr hohen Silt- und Tonanteil zwischen
36 % und 60 %. Daneben sind die Sand- und Kiesfraktionen
in etwa gleichen Anteilen vertreten. Die Rundung der über-
wiegend kalkigen Kiesfraktion ist meist sehr schlecht aus-
geprägt, es dominieren eckige Komponenten. Kompaktion
konnte nicht festgestellt werden. Nur an Lokation TS17 fan-
den wir starke Anzeichen von Verfestigung.
Diese Sedimente können nach Keller (1996) als matrixge-
stützte Diamikite klassifiziert werden. Aufgrund dieser Ei-
genschaften, stellen diese Sedimente wohl Grundmoränen-
material dar.
5 Diskussion
Die Abschmelzgeschichte des östlichen Chiemsee-
Gletschers entwickelte sich in Phasen, analog zum
übrigen Inn-Chiemsee-Gletschergebiet (Abb. 2). Nur in
den Bereichen mit größeren Toteisvorkommen gab es
lokale Sonderformen, zu denen der Tüttensee-Komplex
zu zählen ist. Die während des Eisabbaus entstandenen
Entwässerungsrinnen werden hier in „ältere“ und „jün-
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106 R. Huber et al.: Der späteiszeitliche Tüttensee-Komplex
gere“ Rinnen unterteilt. Die jüngeren Rinnen sind direkt
im Zusammenhang der Ablagerung der Sedimente des
Tüttensee-Komplexes zu sehen.
5.1 Die älteren Schmelzwasserrinnen
Während des Kirchseeoner Stadiums (Abb. 2) entwickelte
sich in unserem Arbeitsgebiet zuerst der zentrifugal angeleg-
te Teil der Traunstorfer Rinne (a in Abb. 5; Abb. 15). Etwas
später erweiterte sich diese Rinne nach Süden. Zu der Zeit
reichte auch die Axdorfer Rinne (l in Abb. 5; Abb. 16) bis in
das Arbeitsgebiet.
Die zum Ebersberger Stadium (Abb. 2) gehörende Wol-
kersdorfer Rinne (b in Abb. 5; Abb. 17) war dagegen be-
reits eine rein peripher entwässernde Rinne. Sie umfloss bei
Nußdorf den Eislobus von Eglsee, dessen östliches Ufer von
einem Moränenbogen bei Nußdorf gebildet wurde. Dieser
Nußdorfer Moränenbogen deutet darauf hin, dass der Rand
des Eislobus von Eglsee bei Nußdorf über längere Zeit statio-
när war. Bei Vachendorf bildete sich in einem Moränenzwi-
ckel ein kleiner Eisrandsee (Abb. 17) der sich bis etwa Ax-
dorf erstreckte. Ganss (1977) fand in diesem Gebiet Seetone,
Bayberger (1882) erwähnt ein abbauwürdiges Lehmlager bei
Axdorf. Hier sind noch heute am östlichen Ortsende Seeto-
ne und Torfe leicht zu ergraben (Albert Rosenegger, Axdorf,
pers. Mitteilung, 2016). Ein Überlauf ermöglichte den Ab-
fluss über die Axdorfer Rinne in das Traun-Tal.
Mit dem Eintreten des Ölkofener Stadiums (Abb. 2) eta-
blierte sich die Bad Adelholzen-Erlstätter Rinne (c in Abb.5;
Abb. 18) als größte Entwässerungsrinne. In Abb. 2 sind auch
die analogen Schmelzwasserrinnen im Bereich des Inn- und
des westlichen Chiemsee-Gletschers abgebildet. Innerhalb
des Moränenbogens von Eglsee lag sicher auch noch wäh-
rend der älteren Phase der Bad Adelholzen-Erlstätter Rinne
(c1 in Abb. 18) Toteis, wie spätwürmzeitliche Seetone un-
mittelbar nördlich Eglsee (Jerz, 1999) belegen. Ganss (1977)
hat unmittelbar südlich von Eglsee ein Toteisloch in Ab-
schlämmmassen kartiert. Heute ist die Eglsee-Hohlform
weitgehend von Moorablagerungen unterschiedlicher Aus-
prägung ausgefüllt (Ganss, 1977). Toteis dürfte auch inner-
halb des Moränenbogens von Tinnerting (Abb. 18) geblieben
sein. Ganss (1977:180) hat diesen Lobus als „Kleinmodell
glazialer Formenelemente“ bezeichnet. Der Schmelzwasser-
abfluss durch die Axdorfer Rinne war versiegt.
Die Bad Adelholzen-Erlstätter Rinne nahm nun sowohl
das Schmelzwasser aus der Bergener Bucht, (südlich des
Kleierbergs; Abb. 15–25) als auch die vom Eisrand ab-
fließenden Wassermassen auf. Zahlreiche Kiesgruben ent-
lang des Bad Adelholzen-Erlstätter Tals ermöglichen heu-
te den Abbau gut sortierter Kiese. Diese Kiese zeigen ty-
pische Strukturen von Braided-River- oder Anastomosing-
River-Sedimenten (Abb. 6) und belegen die glazifluviale Ge-
nese dieser Ebene. Blöcke von manchmal deutlich mehr als
einem Kubikmeter Volumen in den Kiesen legen eine unmit-
telbare Nachbarschaft des Eisrandes während der Kiesabla-
gerung nahe.
Ein weiteres Abschmelzen der Eismassen hinter den Mo-
ränenzug nördlich von Laimgrub führte bei Eglsee zur Ver-
lagerung der Bad Adelholzen-Erlstätter Rinne in Richtung
Westen (Troll, 1924; c2 in Abb. 5), sodass hier ein breiter
Schotterstrang entstand (Abb. 19). Die Kiesgruben nordwest-
lich von Laimgrub zeigen auch hier typische glazifluviale
Kiese, wie sie die Bad Adelholzen-Erlstätter Rinne generell
führt. Allerdings ist die durchschnittliche Korngröße deutlich
geringer und gleichkörniger als weiter im Süden.
Südlich von Wipfing bei Vachendorf bildete sich am Os-
tende der Grabenstätter Bucht vermutlich ein Gletschertor,
das sich immer weiter rückwärtig nach Südwesten, in den
aus der Bergener Bucht über den Kleierberg reichenden Glet-
scher, verlegte (Abb. 20). Das führte zur allmählichen Ein-
kerbung des Gletschers bis etwa Eckering. Damit war die
Teilung des östlichen Chiemsee-Gletschers in einen stagnie-
renden Eislappen in der Grabenstätter Bucht nördlich des
Kleierbergs und den Hauptteil des wohl noch aktiven Glet-
schers in der Bergener Bucht eingeleitet. Die freigesetzten
Wassermassen bildeten schließlich die im Kartenbild trich-
terförmige Wipfinger Rinne (k in Abb. 5). Diese Rinne
mündete zuerst noch in die Bad Adelholzen-Erlstätter Rin-
ne. Mit dem Einsetzen der jüngeren Abschmelzphasen floss
das Wasser der Wipfinger Rinne (anfänglich möglicherwei-
se noch über das Eis der Grabenstätter Bucht) in die Hiens-
dorfer Rinne (d in Abb. 5), die entlang des Gletscherran-
des innerhalb der Moränen des Ölkofener Stadiums weiter
nach Nordwesten führte. Damit begann die Trockenlegung
der Bad Adelholzen-Erlstätter Rinne.
Das weitere Abschmelzen der Eiszunge in der Berge-
ner Bucht brachte die obertägige Schmelzwasserzufuhr in
die Bad Adelholzen-Erlstätter Rinne allmählich ganz zum
Erliegen. Als das Eis so weit von der Bad Adelholzen-
Erlstätter Rinne zurückgeschmolzen war, dass das Schmelz-
wasser primär westlich der Moränenwälle zwischen Aufham
und Hiensdorf abfließen konnte, etablierte sich die Hiens-
dorfer Rinne vollständig. Der nördliche Rand der Hiens-
dorfer Rinne zwischen Hiensdorf und Marwang war durch
die Moränenerhebungen gegeben, der Südrand bestand aus
dem Rand des Grabenstätter Eislappens in der Grabenstätter
Bucht. Das Schmelzwasser floss also entlang des Gletsche-
reises und lagerte hier kiesiges Material ab. Dabei schmolz
der Gletscherrand kontinuierlich nach Süden hin ab und
schuf so den Raum für die Kames-Bildungen der Hiensdorfer
Rinne an dieser Stelle.
Die Bad Adelholzen-Erlstätter Rinne bekam im Zuge die-
ser Entwicklung immer weniger Schmelzwasser und entwi-
ckelte sich zum Trockental. Die Hiensdorfer Rinne über-
nahm also zunehmend die Rolle der Hauptabflussbahn
der Schmelzwässer des südöstlichen Chiemsee-Gletschers
(Abb. 20).
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R. Huber et al.: Der späteiszeitliche Tüttensee-Komplex 107
Abb. 15. Phase 1. Die im gezeigten Geländeausschnitt zuerst angelegte zentrifugale Rinne von Wang-Weiderting (vgl. a in Abb. 5), die sich
später zur Traunstorfer Rinne (Abb. 16) entwickelt. Geobasisdaten © Bayerische Vermessungsverwaltung.
5.2 Die jüngeren Schmelzwasserrinnen und die
Entstehung des Tüttensee-Komplexes
Der fortschreitende Eisabbau ließ die Gletscherränder wei-
ter abschmelzen (Abb. 21). Dabei entwickelte sich zwischen
Hiensdorf und Marwang, in einer Senke zwischen Morä-
ne und Gletscherrand, der Marwanger Eisrandsee. So wa-
ren die Voraussetzungen für die Entstehung des Tüttensee-
Komplexes geschaffen, der sich deutlich von der umliegen-
den, sanft hügeligen Moränenlandschaft unterscheidet. Denn
während die Tüttensee-Terrassen von schräggeschichteten
Deltakiesen dominiert werden, die praktisch keinen Fein-
kornanteil aufweisen, sind sie von Grundmoränenablage-
rungen umgeben (Ganss, 1977). Diese Diamikte sind das
stratigraphisch älteste Sediment des Tüttensee-Komplexes
(Abb. 14) und zweifellos in unmittelbarer Nähe des Eisran-
des abgelagert worden. Ein Horizont aus verschwemmtem,
wenig umgelagertem Moränenmaterial, der die Grundmorä-
ne am Ufer des Tüttensees überlagert (Abb. 14), zeigt einen
Wandel des Ablagerungsmilieus an, der in den jüngeren Se-
dimenten der Tüttensee-Terrassen offensichtlich wird.
5.2.1 Die Oberen Tüttensee-Terrassen mit den dazu
gehörigen Abflussrinnen
Die Deltakiese der Oberen Tüttensee-Terrassen zeigen das
normale Sedimentationsbild von Verfüllungen von Eisrand-
seen durch Gerinne mit rasch und stark schwankender Was-
serführung (Schmelzwasserandrang im Tagesrhythmus), und
sich stetig verlegenden Mündungsbereichen sowie starker
Sedimentführung. Die Feinanteile werden dabei oberflächen-
nah als Schweb im Wasserkörper transportiert und bilden
dann das Bottom Set. Bei kleineren Wasserkörpern, wie dem
Marwanger Eisrandsee, gehen sie über den Abfluss verloren.
Diese von Schmelzwasser über das Eis der Grabenstätter
Bucht transportierten Moränenkiese bauten so im Marwan-
ger Eisrandsee ein Kames-Delta auf, das der heutigen Oberen
Tüttensee-Terrasse (I in Abb. 5; OTT I in Abb. 8) entspricht.
Den Abfluss des Sees bildete die kleine Marwanger Rinne
(e in Abb. 5; Abb. 21). Dazu passend korrespondiert die Hö-
henlage der OTT I mit der Überlaufhöhe in die Marwanger
Rinne (Tabelle 1).
Der weitere Eisabbau ermöglichte die westliche Verlage-
rung des Abflusses des Eisrandsees in die tiefer gelegene
Kaltenbach Rinne (f in Abb. 5; Abb. 22). Die dadurch be-
dingte Senkung des Eisrandseespiegels ließ die Oberste Ter-
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108 R. Huber et al.: Der späteiszeitliche Tüttensee-Komplex
Abb. 16. Phase 2. Traunstorfer Rinne (a in Abb. 5). Von Wang über Höpperding bis Traunstorf entwickelt sich eine periphere Entwässe-
rungsrinne, die weiterhin über das zentrifugale Tal von Wang-Weiderting in die Traun entwässert. Im Süden tritt die Rinne von Axdorf (l in
Abb.5) in Erscheinung. Geobasisdaten © Bayerische Vermessungsverwaltung.
rasse (OTT I) trockenfallen und es bildete sich die untere der
beiden Oberen Tüttensee-Terrassen (OTT II in Abb. 8), eben-
falls als Kames-Delta. Die Höhenlage der OTT II korrespon-
diert mit der Höhenlage des Beginns der Kaltenbach-Rinne.
Der weitere Ablauf des Schmelzwassers findet nach kurzem
Umweg wieder im Bett der Hiensdorfer Rinne statt, wo sich
die Kaltenbach Rinne aber kräftig einschneidet. Bei Aufham
wird sie nach Westen umgelenkt und schüttet dort in das Eis-
zerfallsgebiet von Chieming.
Zeitgleich lagerte sich offenbar vor und in einer größeren
Gletscherspalte südlich von Hiensdorf ein Kames-Delta ab,
das nach dem Abschmelzen des Eises als Hügel von Mühl-
bach (Mü in Abb. 8) stehen blieb. Die Höhe des Hügels von
Mühlbach ist mit 555 m NN fast identisch mit der Höhen-
lage von OTT II. Die von uns gefundenen Deltasedimente
am Hügel von Mühlbach belegen diesen Eisrandsee. Dieser
Hügel ist von Ganss (1977) in der geologischen Karte irrtüm-
lich als Moränenzug interpretiert und von Gareis (1978) als
von Schmelzwässern aus der Grundmoräne herauspräparier-
ter Umlaufberg angesprochen worden.
Ein beträchtlicher Teil des Sedimenteintrags dürfte zu die-
ser Zeit über die Wipfinger Rinne (k in Abb. 5) erfolgt sein.
Die Steilheit dieser Rinne spricht für hohe Strömungsge-
schwindigkeiten und entsprechende Sedimentfracht. Weite-
re Sedimentzufuhr erfolgte aus dem sich immer tiefer nach
Süden einschneidenden heutigen Mühlbachtal, das noch
Schmelzwässer aus der Bergener Bucht abführte und so die
Bad Adelholzen-Erlstätter Rinne erodierte (Abb. 21, 22).
Dies wird durch die nordwestliche Fallrichtung der Delta-
sedimente des Hügels von Mühlbach gestützt.
Die Schichtung der Deltasedimente der OTT I+II fällt da-
gegen in nordöstlicher Richtung, was teilweise durch die ty-
pischen radialen Abflussstrukturen innerhalb eines Deltake-
gels erklärt werden kann. Die Sedimentzufuhr erfolgte aus
südwestlicher Richtung, vom angrenzenden, nur noch rela-
tiv niedrigen Gletscherrest in der Grabenstätter Bucht. Dafür
spricht auch die scharf abgegrenzte, südwestliche, obere Ter-
rassenkante (OTT II) am Tüttensee, die in etwa die ehemalige
nördliche Eisgrenze nachzeichnet. Dies stützt die Interpreta-
tion der Kiese der OTT II als Sedimente eines Kames-Deltas.
Die Geröllfracht der Schmelzwässer bestand aus eistrans-
portiertem Material der ehemals mächtigen Eisdecke, aus
Material des örtlich erodierten Untergrundes sowie aus den
Resedimenten der älteren Abflussrinnen.
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R. Huber et al.: Der späteiszeitliche Tüttensee-Komplex 109
Abb. 17. Phase 3. Die peripher entwässernde Rinne von Wolkersdorf (b in Abb. 5). Die Rinne von Traunstorf-Wang-Weiderting führt kein
Schmelzwasser mehr. Südlich von Axdorf setzen sich in einem kleinen Eisrandstausee Tone ab, der Abfluss erfolgt weiterhin über die Ax-
dorfer Rinne (l in Abb. 5). Die Eislappen von Eglsee und Tinnerting zeichnen sich ab. Geobasisdaten © Bayerische Vermessungsverwaltung.
Durch die hohen Schüttungsraten dieser Zuflüsse, verla-
gerte sich das Delta stetig weiter nach Norden und Westen.
Dadurch verengte sich das Randbecken, bis es nahezu ver-
landete. Vereinzelte Eisblöcke wurden vom Tüttensee-Delta
umschottert (evtl. sogar begraben) und führten zur Bildung
der bereits von Ganss (1977:185) und Gareis (1978:67) be-
obachteten Toteislöcher auf den Oberen Tüttensee-Terrassen
(Abb. 8). Die Oberflächen dieses ehemaligen Deltas geben
in etwa das Niveau des jeweils dazugehörigen Eisrandsees
wieder.
5.2.2 Die Untere Tüttensee-Terrasse, der Rücken von
Lug und die Tiefenbach-Rinne
Die Entstehung der Unteren Tüttensee-Terrasse wurde zuvor
durch eine weitere Verlegung des Gletscherrandes nach Sü-
den eingeleitet. Im Verlauf dieser Abschmelzvorgänge ver-
lagerte sich auch der Marwanger Eisrandstausee nach Wes-
ten in tiefer gelegene Bereiche (Abb. 23), und entwässerte
über die ebenfalls tiefer gelegene Obereggerhausener Rin-
ne (h in Abb. 5) und in ihre nördliche Fortsetzung, die
Tiefenbach-Rinne (g in Abb. 5). Diese Rinne ermöglichte
den weiteren Abfluss aus dem Eisrandsee über Oberhochstätt
in den damaligen Chiemsee. Ihre Mündung in den endeiszeit-
lichen Chiemsee liegt dort heute 8 m über dem Chiemsee-
Wasserspiegel. Die Kaltenbach-Rinne fiel mit dem Eintreten
der Absenkung des Seespiegels trocken.
Direkt unter dem Tüttensee hat Papadeas (1972) im
Molasse-Untergrund eine markante Mulde festgestellt, die an
dieser Stelle eine größere Eismächtigkeit ermöglichte, was
letztlich zur Bildung von Toteis führte. Zwei dieser Toteis-
körper waren das Tüttensee-Toteis und sein kleinerer östli-
cher Nachbar (Gareis, 1978). Beide Toteiskörper grenzten im
Norden an die bis dahin abgelagerten Sedimente der Oberen
Tüttensee-Terrassen.
In der breiten Trennungsspalte zwischen Toteis und Glet-
scher floss das Schmelzwasser und bildete die Untere
Tüttensee-Terrasse (UTT in Abb. 8; III in Abb. 5) als Kames-
Bildung aus. An der Mündung der Spalte in den Eisrand-
see bildete sich ein Delta (Abb. 23). Das Delta belegt somit
die südöstliche Begrenzung des Eisrandstausees zwischen
Tüttensee-Toteis und dem Eis der Grabenstätter Bucht.
Bei Obereggerhausen findet man im Bett des Eggerhau-
sener Bachs fast reine, hellgraue Tone (siehe auch Ganss,
1977:177). Diese Tone belegen die nördliche Ausdehnung
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110 R. Huber et al.: Der späteiszeitliche Tüttensee-Komplex
Abb. 18. Phase 4. Die Bad Adelholzen-Erlstätter Rinne (c in Abb. 5). Alle zentrifugal entwässernden Rinnen sind trockengefallen. Von Bad
Adelholzen über Vachendorf und Erlstätt zieht in peripherer Richtung ein bei Erlstätt bis zu 1 km breites Kiesband westlich von Eglsee nach
NW (c1 in Abb. 5). Geobasisdaten © Bayerische Vermessungsverwaltung.
des Eisrandsees. Die von Ganss (1977) kartierten Ab-
schlämmmassen zwischen dem heutigen Tüttensee-Auslauf
und dem Beginn der Obereggerhausener Rinne können damit
als Ablagerung des Marwanger Eisrandsees interpretiert wer-
den. Die Untere Tüttensee-Terrasse unterscheidet sich in Tei-
len sedimentologisch deutlich von den Oberen, denn die öst-
lichen Bereiche der unteren Terrasse mit rundlichem Quer-
schnitt, sowie der Rücken von Lug, bestehen aus Diamik-
ten. Diese Teile stellen damit wohl eine Oser-artig ausge-
prägte Grundmoräne bzw. subglazial gebildeten Till dar. Bei
den westlichen, Kames-artigen Bereichen mit ebener Ober-
fläche finden sich dagegen über den Diamikten, eingeleitet
von einem Aufarbeitungshorizont, überwiegend undeutlich
geschichtete Kiese. Wir deuten diese Kiese insgesamt als gla-
zifluviale Ablagerungen eines zwischen aktivem Gletscher-
rand und Toteis mäandrierenden Flusssystems. Das Flusssys-
tem ist in erster Linie vom Eis in der Grabenstätter Bucht so-
wie aus der Wipfinger Rinne gespeist worden. Dazu hat auch
noch Schmelzwasser aus der Bergener Bucht für Sediment-
zufuhr in die Grabenstätter Bucht gesorgt.
5.2.3 Die Eiszerfallslandschaft bei Oberhochstätt und
die Grabenstätter Bucht
Der Eiszerfall im Bereich der Grabenstätter Bucht (j in
Abb. 5) und weiter nördlich setzte sich fort (Abb. 23–25).
Nördlich von Obereggerhausen ist heute eine moorige Senke
anzutreffen, in der sich die Tiefenbach-Rinne (g in Abb. 5)
nur noch schwer erkennen lässt. Hier lag vermutlich Toteis
(Abb. 24). In einer Kiesentnahmestelle bei Hagenau fanden
wir schräggeschichtete, matrixfreie Kiese. Die Kiese sind
überlagert von geringmächtigen horizontal gelagerten Kie-
sen. Der Aufschluss bietet somit einen Einblick in Foreset-
sowie Topset Sedimente eines kleinen Eisranddeltas. Nord-
nordöstlich von Hagenau trafen wir in einem Drainagegra-
ben (in ca. 70 cm Tiefe unter humosem bis torfigem Boden)
hellgraue Tone mit akzessorischen Sand- und Kieskompo-
nenten an. Vermutlich zeigen diese Tone zumindest episo-
dische Überflutungen an dieser Stelle an. Bei Oberhochstätt
finden sich zudem noch ausgedehnte moorige Senken, die als
Überreste von Toteislöchern bzw. Eisrandseen zu sehen sind.
Es bietet sich hier so das Bild einer durch Eiszerfall gepräg-
ten Seen- und Auenlandschaft, die von Ganss (1977:186) so
treffend als „amphibische Landschaft“ bezeichnet wurde.
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R. Huber et al.: Der späteiszeitliche Tüttensee-Komplex 111
Abb. 19. Phase 5. Ein Schritt zum Wechsel in die zentripetale Entwässerungsrichtung (c2 in Abb. 5). Von Bad Adelholzen bis Eglsee bleibt
der Abfluss erst einmal gleich, nimmt aber dann den Weg über Laimgrub, wo das Schmelzwasser viel weiter westlich und auf niedrigerem
Niveau nach NW fließt. Bei Hiensdorf zeichnet sich die Entwicklung der Hiensdorfer Rinne ab (d in Abb. 5), deren Schmelzwasser in diesem
Stadium noch nach Osten fließt. Geobasisdaten © Bayerische Vermessungsverwaltung.
Mit dem Zerfall des Beckeneises in der Hirschauer Bucht
öffnete sich von Oberhochstätt nach Hirschau mit der
Hirschauer Rinne (Abb. 24; i in Abb. 5) ein neuer Ab-
flussweg nach Süden. Damit fiel der bisherige Abfluss, die
Tiefenbach-Rinne zwischen Oberhochstätt und Chiemsee,
trocken. Im gerade noch existierenden Marwanger Eisrands-
tausee dauerte die Bildung der Unteren Tüttensee-Terrasse
mit ihrem Delta an.
Das bis in 70 m Tiefe reichende Beckeneis der Grabenstät-
ter Bucht (j in Abb. 5) schmolz randlich so weit ab, dass der
Marwanger Eisrandstausee nicht mehr über die Oberegger-
hausener und Tiefenbach-Rinne abfließen musste (Abb. 25).
Das Schmelzwasser konnte nun seinen Weg direkt in den
Chiemsee bei Hirschau nehmen. Die Schmelzwässer aus
dem Tiroler Achental und der Bergener Bucht transportier-
ten entlang des östlichen Gletscherrandes Kiese in die Gra-
benstätter Bucht und ließen so die Terrassenkante von Gra-
benstätt entstehen. Die Entstehung des Tüttensees und sei-
ner Umrahmung war damit beendet und die Seesedimentati-
on sowie die Torfbildung in der Tüttensee-Hohlform konn-
ten beginnen. Die Datierung dieser Torfe und der Seekreide
bis in 4 m Tiefe, und damit des Abschlusses der Entstehung
des Tüttensee-Komplexes, ergab ein Mindestalter von bis zu
12 750 Jahre BP (Bayerisches Landesamt für Umwelt, 2019).
5.3 Das Toteisgebiet von Chieming
Nordöstlich von Chieming entwickelte sich schon seit der ak-
tiven Phase der Hiensdorfer Rinne (d in Abb. 5; Abb. 20)
ein Eiszerfallsgebiet. Als die Hiensdorfer Rinne ihre vol-
le Tätigkeit entwickelt hatte, dürfte sie westlich von Auf-
ham auf diesen zerfallenden Gletscherrand getroffen sein.
Zuerst schüttete sie noch zwischen dem östlichen Gletscher-
rand und dem Sporn von Aufham am Gletscherrand vor-
bei (Abb. 20). Etwas später schüttete sie, zusammen mit
den direkt aus dem Gletscher kommenden Schmelzwässern,
die ganz flach von Chieming nach Laimgrub fallende Ebene
auf. Dabei kam sie anfänglich noch mit den verbleibenden
Schüttungen der Bad Adelholzen-Erlstätter Rinne in Kon-
takt (Abb. 21). Später zerfiel der Gletscherrand in einzel-
ne Toteisblöcke, was zum Beispiel das Toteisloch Pfeffer-
see (R =4 540 147, H =5 305 758; Ganss, 1977:187) oder
die Wolfsgrube (R =4 540 339, H =5 306 374) im Ortsbe-
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112 R. Huber et al.: Der späteiszeitliche Tüttensee-Komplex
Abb. 20. Phase 6. Entstehung der Hiensdorfer Rinne (d in Abb. 5). Der Eisrand verlegt sich immer weiter Richtung Chiemsee-Becken.
Während dieser Entwicklung kann der Großteil des vorher in der Bad Adelholzen-Erlstätter Rinne fließenden Wassers bei Hiensdorf einen
Abfluss westlich des Moränenzugs von Aufham-Hiensdorf finden. Das Schmelzwasser mündet bei Stöttham in den nun dort eisfrei werden-
den Chiemsee. Bei Wipfing entsteht ein Gletschertor, aus dem Schmelzwasser vom östlichen Kleierberg in die noch eisgefüllte Grabenstätter
Bucht und über das Eis in die Hiensdorfer Rinne abfließt. Geobasisdaten © Bayerische Vermessungsverwaltung.
reich von Chieming belegt. Das direkt aus dem Gletscher
abfließende Schmelzwasser mischte sich im Labyrinth die-
ser Toteisblöcke mit dem Wasser der Hiensdorfer Rinne und
etwas später mit dem Wasser der Marwanger Rinne (e in
Abb. 5; Abb. 21), sodass sich zwischen den Toteisblöcken
verstärkt Kies-, Sand- und Tonablagerungen bilden konn-
ten. Die Kaltenbach-Rinne (f in Abb. 5) schüttete bereits
auf einem so tiefen Niveau, dass ihre Sedimente über das
Pfeffersee-Toteis in Richtung Chiemsee transportiert wurden
(Abb. 22).
Insgesamt ergibt sich das Bild, dass die Entstehung und
Ausformung des Chieminger Toteisgebietes stark von der
Entwicklung der Abflussrinnen aus dem Tüttensee-Komplex
(Hiensdorfer, Marwanger und Kaltenbach-Rinne) beeinflusst
worden ist. Durch die Sedimentation von Gesteinsmaterial
unterschiedlichster Korngrößen entstand in dem Toteisgebiet
ein kleinräumiges Nebeneinander von Tonen, Sanden, Kie-
sen und Blöcken (Findlingen) bis zu mehreren Kubikmetern
Volumen (vgl. Ganss, 1977:183ff.).
Die Sediment-führenden Schmelzwässer aus der
Kaltenbach-Rinne wurden unmittelbar südlich von Aufham
nach Westen abgelenkt, so dass hier ein Prallhang entstand.
Die Sedimentfracht gelangte so in den nun schon niedriger
spiegelnden Chiemsee mit den Toteisblöcken am Südrand
Chiemings. Dieser Prallhang zeigt eine ganze Reihe von
Terrassen, die das Einschneiden der Kaltenbach-Rinne zu
dokumentieren scheinen. Zu dieser Zeit muss im Bereich
des Pfeffersees ein Toteiskörper gelegen sein, der erst
abschmolz, als die Kaltenbach-Rinne kein Schmelzwasser
mehr über den Marwanger Eisrandstausee (siehe unter
Abschnitt 5.2.2) bekam. Die Kaltenbach-Rinne wandelte
sich ab diesem Zeitpunkt zu einem Trockental, das bis
heute nur noch von einem wenig Wasser führenden Bach
durchflossen wird. Daher kam durch die Kaltenbach-Rinne
kaum mehr Sediment nach Chieming.
Offenbar ist fast das gesamte Ortsgebiet von Toteis ge-
formt worden. Während die Kiesebene von Laimgrub ganz
flach und gleichmäßig gegen Chieming ansteigt, ist der zum
Chiemsee abfallende Hang im Ortsgebiet Chiemings von ei-
ner Vielzahl von Senken und Erhebungen gekennzeichnet.
Der Übergang von der Kiesebene in den Hang folgt keiner
„glatten“ Linie, sondern erscheint unregelmäßig (Abb. 3).
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R. Huber et al.: Der späteiszeitliche Tüttensee-Komplex 113
Abb. 21. Phase 7. Zwischen Hiensdorf und Marwang entwickelt sich der über die Marwanger Rinne (e in Abb. 5) abfließende Marwanger
Eisrandstausee. Aus dem Gletschereis und der südöstlichen Rinne kommende Bäche schütten in ihm die Kames-Deltas des Hügels von
Mühlbach (Mü in Abb. 8) und der Oberen Tüttensee-Terrasse (OTT I in Abb. 8) auf. Bei Chieming beginnt sich ein größeres Eiszerfallsgebiet
zu entwickeln. Geobasisdaten © Bayerische Vermessungsverwaltung.
Mit dem Toteis hängt wohl auch eine dünenartig wirkende
Kiesablagerung am Nordrand von Chieming (R =4 539 619,
H=5 306 528) nahe des Chiemseeufers zusammen, die man
als eine Eisspaltenfüllung zwischen zwei Eisblöcken inter-
pretieren kann. Dafür spricht der von Ganss (1977:184) er-
wähnte (sic!) „Moränenwall“? nördlich von Chieming, aus
gut geschichtetem Feinkies mit Sandlagen. Dort wurden
auch zwei erratische Brekzienblöcke freigelegt.
Während der Entstehungszeit des Chieminger Eiszerfalls-
gebietes lenkte also das als Barriere wirkende Chiemsee-
Gletschereis an seinem Ostrand zwischen Marwang-West,
Oberhochstätt und Chieming das Schmelzwasser in der un-
gefähr gleichbleibenden Rinne von Hiensdorfer, Marwan-
ger und Kaltenbach-Rinne nach Norden Richtung Chieming.
Durch diese Eisblockade entwickelte sich auch der Mar-
wanger Eisrandsee (Abb. 21–24), der die Entstehung des
Tüttensee-Komplexes möglich machte.
5.4 Zur zeitlichen Stellung des Abschmelzgeschehens
Wie Ivy-Ochs et al. (2006; darin auch die Literaturbelege)
zusammenfassen, begannen die großen, bis ins Alpenvorland
reichenden Gletscher im Zeitraum 21 000–19000 BP zusam-
menzubrechen. Das nächste jüngere, ausreichend datierte Er-
eignis war das Gschnitz-Stadial. Das Alter der Gschnitz-
Moräne (Tirol, nahe Trins bei Steinach am Brenner) wurde
mit 10Be-Expositionsdatierung auf 15 400±1400 Jahren BP
angegeben (Ivy-Ochs et al., 2006). Zu dieser Zeit war also
das Inn-Tal schon weitgehend eisfrei. Für den Bereich des ös-
terreichischen Traun-Tals belegen 14C-Analysen in Mooren,
dass auch dort die Täler seit mindestens 15400 ±470 Jah-
ren BP eisfrei waren (Draxler, 1977; Van Husen, 1977).
Demnach wird für die dargelegten Vorgänge am östlichen
Rand des Inn-Chiemsee Gletschers, die zur Entstehung des
Tüttensee-Komplexes führten, ein Zeitraum von wenigen
Jahrhunderten um oder knapp nach 19 000 BP anzunehmen
sein.
5.5 Bezüge zum angeblichen Chiemgau Impakt
Der Tüttensee steht seit einigen Jahren im Zentrum einer
umstrittenen These, wonach der See der Einschlagkrater ei-
nes Kometen, Kometenbruchstücks oder Meteoriten ist (z.B.
Ernstson, 2010; Ernstson et al., 2010). Diese These wurde
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114 R. Huber et al.: Der späteiszeitliche Tüttensee-Komplex
Abb. 22. Phase 8. Die Entstehung der Oberen Tüttensee-Terrasse OTT II und der Kaltenbach-Rinne (vgl. II und f in Abb. 5), sowie des
Eiszerfallgebiets von Chieming. Die Lohbach-Rinne (hier gestrichelt; m in Abb. 5) ist als Endstadium der Marwanger Rinne zu interpretieren.
Geobasisdaten © Bayerische Vermessungsverwaltung.
bereits mehrfach kritisch diskutiert (z.B. Doppler und Geiss,
2005; Wünnemann et al., 2007; Darga, 2009b), wobei die
Autoren die von den Vertretern der Impakt-These vorge-
brachten Belege als nicht belastbar einstufen.
Der „Chiemgau Impakt“ wird von einer Gruppe aus Lai-
enforschern und Wissenschaftlern postuliert, die sich selbst
Chiemgau Impact Research Team (CIRT) nennt und in den
letzten Jahren eine Reihe von Schriften zu diesem Thema
vorgelegt hat. Die Deutung des Sees als Krater beruht nach
Ernstson et al. (2010) vor allem auf der wallartigen Um-
rahmung des Sees, dem Vorkommen von Diamikten in der
Umgebung und dem Fund von deformierten Geröllen sowie
mikroskopischen Deformationsstrukturen (z.B. planare La-
mellen in Quarz). Des Weiteren wurden Funde von verglas-
ten Geröllen, tuffartigem Material, exotischen Eisensiliziden
und kohlenstoffhaltigem Material, sowie der Befund einer
Schwereanomalie im südlichen Bereich des Sees angeführt.
Der Großteil dieser Indizien wurde in den letzten Jah-
ren widerlegt. So wurde beispielsweise das als impakt-
diagnostisch publizierte, exotische Material, weitgehend als
anthropogen identifiziert (Bayerisches Landesamt für Um-
welt, 2012:82ff.; Huber et al., 2017; Smith et al., 2019).
Demnach stellen die Eisensilizide Fabrikationsrückstände
der Düngemittelindustrie dar, das kohlenstoffhaltige Materi-
al verweist auf Rückstände von Koks bzw. Kunststoffen. Das
tuffartige Material wurde als Schlacke der alten Eisenhütten
in der Region identifiziert und verglaste Silikatgerölle ent-
standen und entstehen noch heute in Kalkbrennöfen sofern
mit dem kalkigen Brenngut auch Silikate in den Brennraum
eingebracht werden. Daneben stellen die makroskopischen
Deformationen an Steingeröllen bereits alpin deformiertes
Geschiebe dar. Diese Geschiebe wurden von Gletschern und
Fließgewässern an die Fundorte verfrachtet. Dort konnte die
natürliche Verwitterung selektiv einwirken und löste z.B. den
Kluftkalzit aus Radiolaritgeröllen, so dass derartige Gerölle
in verwittertem Zustand zerbrochen aussehen (vgl. Abb. 1
in Darga, 2009b; Doppler und Geiss, 2005). Zudem wurden
die mikroskopischen Deformationsstrukturen an Quarz von
Wünnemann et al. (2007) angezweifelt.
Wir selbst konnten bei unseren Geländebegehungen und
Beprobungen keinerlei Material finden, das sich nicht
zwanglos durch die von uns beschriebene glazifluvial Gene-
se erklären ließe. In den Sedimentproben aus dem Anstehen-
den der Lokationen rund um den Tüttensee wurden weder
E&G Quaternary Sci. J., 69, 93–120, 2020 https://doi.org/10.5194/egqsj-69-93-2020
R. Huber et al.: Der späteiszeitliche Tüttensee-Komplex 115
Abb. 23. Phase 9. Entstehung der Unteren Tüttensee-Terrasse (UTT), der Obereggerhausener und der Tiefenbach-Rinne (vgl. III, h und g
in Abb. 5). Der Eiszerfall in der Grabenstätter Bucht führt zur Bildung von Oser- und Kames Ablagerungen, die im Bereich des Marwanger
Eisrandstausees ein Delta bilden. Die Entwässerung des Stausees erfolgt über die Obereggerhausener und Tiefenbach-Rinne an Oberhochstätt
vorbei bis in den Chiemsee. Geobasisdaten © Bayerische Vermessungsverwaltung.
Schlacken, noch Eisensilizide, noch angeschmolzene Geröl-
le festgestellt. Nur an einer Stelle (Lokation TS25) wurden
Schlacken vorgefunden, und zwar zusammen mit offensicht-
lich altem Bauschutt und Hausmüll.
Dass die Deutung der Morphologie der den Tüttensee um-
gebenden Hügel als Kraterwall nur schwer nachzuvollzie-
hen ist, wurde bereits angeführt (Darga, 2009b; Doppler und
Geiss, 2005). Die Umrahmung des Sees ist keineswegs kra-
terartig geformt, sondern ist mehrfach durchbrochen. Sie ist
vielmehr in zwei klar voneinander abgrenzbare Terrassen-
körper geteilt. Der „Kraterwall“ hat im Bereich der Unte-
ren Tüttensee-Terrasse besonders im Südwesten und Wes-
ten eine auffallend ebene Oberfläche und auch die Oberen
Tüttensee-Terrassen besitzen eine fast plane Oberfläche. Die-
ser Formenschatz ist mit keiner bekannten Impaktbildung in
Einklang zu bringen. Hier sei noch einmal darauf hingewie-
sen, dass das Liegende des Tüttensee-Komplexes aus gla-
zialen Diamikten besteht. Vor allem der westliche Teil des
„Walls“ besteht dagegen aus geschichteten, feinkornarmen
Kiesen. Die Kiese im Nordwesten des „Walls“ zeigen sogar
eine Deltaschichtung mit einem Einfallen nach Norden. Die-
se Sedimente sind also völlig anders geartet als die darun-
terliegenden unsortierten, ungeschichteten, feinkornreichen
Diamikte und können daher nicht als Auswurfmasse dersel-
bigen interpretiert werden.
In den südöstlichen und östlichen Teilen der Tüttensee-
Umrahmung ist eine Änderung der Lithologie hin zu Dia-
mikten zu beobachten. Trotzdem ist in einer Georadar-
Darstellung von Tengler (2015) und Poßekel und Ernst-
son (2019) eine Schichtung zu erkennen, die die Autoren als
umgelagerte Ejektamassen interpretieren. Diese Schichtung
ist nach unseren Geländebefunden jedoch die Sedimentfül-
lung eines Oses (Füllung einer Spalte oder eines Tunnels im
Eis). Durchaus vergleichbare Sedimentstrukturen und Gelän-
deformen wurden auch aus dem Würm-Endmoränengebiet
des Salzach-Gletschers, östlich der Salzach, beschrieben
(Götz et al., 2018:260, deren Abb. 4c).
Grundsätzlich ist zwar eine gewisse ballistische Sortie-
rung von Impaktiten möglich, keinesfalls aber so ausgeprägt,
wie in den von uns beobachteten fragilen Texturen der An-
reicherungen von reinen, matrixfreien Grobkiesen am Tüt-
tensee. Dies und die an verschiedenen Stellen nachgewiese-
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116 R. Huber et al.: Der späteiszeitliche Tüttensee-Komplex
Abb. 24. Phase 10. Entstehung der Hirschauer Rinne (i in Abb. 5). Das zerfallende Eis in der Hirschauer Bucht macht den Weg frei für die
Hirschauer Rinne. Die Entwässerung des Marwanger Eisrandstausees erfolgt nun im großen Bogen zuerst nach Norden, nach Oberhochstätt
umbiegend, und dann nach Süden in die Hirschauer Bucht. Im gerade noch existierenden Marwanger Eisrandstausee dauert die Bildung der
Unteren Tüttensee-Terrasse mit ihrem Delta noch an. Geobasisdaten © Bayerische Vermessungsverwaltung.
nen Deltaschichtungen belegen dagegen eine Entstehung der
Tüttensee-Terrassen durch fließendes Wasser. Eine Impakt-
genese kann für diese Sedimente somit ausgeschlossen wer-
den.
Auch eine Umformung des Tüttensee-Komplexes und der
weiteren Umgebung durch einen Tsunami wurde in den letz-
ten Jahren postuliert (z.B. Ernstson, 2016; Liritzis et al.,
2010). Dazu wurde eine Vertiefung im Chiemsee-Boden als
Beleg für den auslösenden Einschlag gedeutet. Die wenig
präzisen Angaben der Autoren zur Lage dieser Vertiefung
lokalisieren sie in etwa 30 m Wassertiefe, in der Nähe der
Untiefe “Der Kaiser” bei Chieming. Für die Sedimente einer
Baugrube in Stöttham (Liritzis et al., 2010) wurde vor eini-
gen Jahren bereits ein ursächlicher Zusammenhang mit die-
sem Chiemsee-Tsunami hergestellt. Diese These wurde von
Völkel et al. (2012) überzeugend widerlegt, der diese Sedi-
mente als holozäne, kolluviale Rinnenfüllung interpretiert.
Dies deckt sich mit unseren Befunden, denn an den fragi-
len Tüttensee-Terrassen sind keinerlei Spuren eines solchen
Ereignisses feststellbar. Und nachdem Ernstson (2016) den
angenommenen Tsunami auch in den mächtigen schrägge-
schichteten Kiesen in den Kiesgruben bei Eglsee (Abb. 6)
zu erkennen meint, müssten auch die Oberen Tüttensee-
Terrassen vom Tsunami überflutet worden sein. Zumindest
müssten, wenn die postulierte Flutwelle bis Eglsee reich-
te, angesichts der Massen der dort angeblich vom Tsuna-
mi abgelagerten Kiesmassen auch die Toteislöcher im Orts-
bereich von Chieming zugeschüttet worden sein. Ein ent-
sprechender Befund liegt jedoch nicht vor. Vielmehr ist im
Schwarzelmoos, im nördlichen Chieminger Ortsbereich, das
bis 6 Meter mächtige Übergangsmoor ohne Kiesbedeckung.
Der ebenfalls unter Abschnitt 4.1.3 beschriebene Kies- und
Sandrücken wenige Meter westlich des Schwarzelmooses
kann somit auch nicht von einem Tsunami erzeugt worden
sein. Seine von Ganss (1977:184) beschriebene Sedimen-
tologie – „... gutgeschichtetem Feinkies mit Sandlagen ...“
– spricht in Verbindung mit der engen Nachbarschaft zur
Schwarzelmoos-Hohlform ebenfalls gegen eine Tsunami-
Ablagerung.
Kreuz- und Schrägschichtung finden sich zwar auch in
Tsunami-Sedimenten, allerdings nur sehr kleinskalig, im Ge-
gensatz zu den meterweiten Schwüngen der Eglseer Schich-
tung. Tsunami-Sedimente sind zudem maximal einige De-
zimeter mächtig (Peters und Jaffe, 2010). Auch dies steht
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R. Huber et al.: Der späteiszeitliche Tüttensee-Komplex 117
Abb. 25. Phase 11. Der letzte Schritt zur Entstehung der Grabenstätter Bucht in ihrer heutigen Form (j in Abb. 5). Alle ab Phase 4 im Bereich
des Tüttensees aktiven Schmelzwasserrinnen wurden vom Grabenstätter Mühlbach abgelöst. Der Tüttensee-Komplex ist seit Eintritt dieser
Phase keinen größeren Veränderungen mehr ausgesetzt gewesen. Die aus dem Süden zwischen Kleierberg und dem Beckeneis am Westen-
de der Grabenstätter Bucht geschütteten Kiese bilden die heutige Westbegrenzung der Grabenstätter Bucht. Geobasisdaten © Bayerische
Vermessungsverwaltung.
im Widerspruch zu den mehrere Metern mächtigen Erlstätter
und Eglseer Kiesen. Aufgrund der Lage der Eglseer Kiesgru-
be innerhalb der prägnanten Erlstätter Rinne, ist sie eindeutig
als altes Flussbett zu charakterisieren.
In der Summe der Befunde ist es aus unserer Sicht
gänzlich unverständlich, warum diese Formen als Tsunami-
Sedimente angesprochen wurden. Der sedimentologische
und morphologische Befund lässt sich ganz ohne Tsunami
erklären.
Unsere durch Geländeuntersuchungen und Kartierungen
gewonnenen lithologischen Befunde sowie die Lagerungs-
verhältnisse der Lithologien belegen eine glaziofluviale Ent-
stehung des Tüttensee-Komplexes. Die von Ernstson (2010)
auf Grund geophysikalischer Messungen erkannte und als
Impaktkrater interpretierte Hohlform unter dem Tüttensee
gehört zu einem viel größeren Rinnensystem in der Molasse-
Oberfläche (Abb. 4). Diese Hohlform ist daher deutlich älter
als der propagierte Impakt. Mit geophysikalischen Metho-
den gewonnene Ergebnisse (Messungen) müssen sich stets
an den geologischen Realitäten messen lassen (siehe z.B. Ko-
eberl und Martinez-Ruiz, 2003).
Die Entstehung der Tüttensee-Senke durch einen Impakt
ist damit rein hypothetisch. Kroemer (2009) hat das Alter
der Tüttensee-Senke 14C-datiert und gibt das Mindestalter
der Hohlform mit CalBP 12 750 bis 12 390 Jahren an. Der
Tüttensee existierte also schon mindestens ca. 9000 Jahre vor
dem vermeintlichen Impakt, der nach Ernstson et al. (2010)
höchstwahrscheinlich zwischen 1300 und 300 BC stattfand.
Der Tüttensee-Impakt hätte somit einen Volltreffer in ein
möglicherweise bereits vollkommen verlandetes Toteisloch
gelandet, was unsere Befunde jedoch eindeutig ausschließen.
Am auffälligsten am Tüttensee-Komplex sind die Höhen
der Tüttensee-Terrassen. Alle drei korrespondieren mit einer,
der in dieser Arbeit beschriebenen peripheren Abflussrin-
nen (Tabelle 1). Die Schmelzwässer, die die oberste Terrasse
(OTT I) aufschütteten, flossen über die Marwanger Rinne ab.
Die untere der beiden oberen Terrassen (OTT II) entließ ih-
re Schmelzwässer etwas später über die Kaltenbach-Rinne.
Und die Untere Tüttensee-Terrasse (UTT) entwässerte über
die Obereggerhausener Rinne in die Tiefenbach-Rinne. Zwi-
schen jeder dieser Terrassen und dem zugehörigen Abfluss
befinden sich heute tiefer liegende Geländebereiche. Dass die
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118 R. Huber et al.: Der späteiszeitliche Tüttensee-Komplex
drei Tüttensee-Terrassen in ihren Höhenlagen mit drei der
peripheren Rinnen korrespondieren, ist nicht zufällig. Um
das Schmelzwasser in diese Rinnen fließen lassen zu kön-
nen, musste ein „Damm“ existiert haben, der den direkten
Abfluss dieser Wässer in die Grabenstätter Bucht verhinder-
te. Hierfür kommt nur Gletschereis in Frage. Ein Impakt ei-
nes extraterrestrischen Körpers ist zur Erklärung der Gelän-
destrukturen des Tüttensee-Komplexes als Teil des südöstli-
chen Chiemsee-Gebiets nicht notwendig. Die Sedimentolo-
gie spricht eindeutig gegen einen Impakt.
6 Fazit
Die in Abb. 1 umrissene Fläche wurde insbesondere durch
die Nutzung des Digitalen Geländemodells geomorpholo-
gisch und im engeren Bereich um den Tüttensee sedi-
mentologisch erfasst. Die Befunde belegen ein sukzessives
Abschmelzen der Würm-zeitlichen Gletschermassen vom
durch das Traun-Tal nachgezeichneten östlichen Gletscher-
rand Richtung Westen bis an das heutige Chiemsee-Ufer.
Die dabei entstandenen zentrifugalen, peripheren und zuletzt
zentripetalen Schmelzwasserrinnen sind hierfür die offen-
sichtlichsten Belege. Der ungefähr von den Verbindungslini-
en zwischen Grabenstätt – Stöttham – Eglsee – Vachendorf
umgrenzte Geländebereich war Schauplatz einer vergleichs-
weise kleinteiligen Abschmelzgeschichte. Dabei ließ das Be-
ckeneis des östlichen Chiemsee-Gletschers zuerst das Toteis-
gebiet von Chieming entstehen. Nachfolgend bildete sich das
Toteisgebiet des Tüttensee-Komplexes, mit seinen drei heute
noch belegbaren Abflussniveaus (Tabelle 1). Die Sedimen-
tologie der Tüttensee-Umrahmung belegt eine Ablagerung
als Os, als Kames und insbesondere mit seinen Kamesdelta-
Sedimenten eine Ablagerung im Marwanger Eisrandstausee.
Datenverfügbarkeit. Alle Daten sind in PAN-
GAEA archiviert und publiziert unter htt-
ps://doi.org/10.1594/PANGAEA.907686 (Huber et al., 2019a)
und https://doi.org/10.1594/PANGAEA.907672 (Huber et al.,
2019b).
Autorenmitwirkung. RH und RD koordinierten gemeinschaftlich
die Arbeiten. Alle Autoren waren an den Geländekampagnen, den
Probennahmen und der sedimentologischen Kartierung beteiligt.
Die sedimentologischen Analysen wurden von RH durchgeführt.
RH und RD waren federführend bei der wissenschaftlichen Inter-
pretation der Ergebnisse. Alle Autoren diskutierten die Ergebnisse
und trugen zur Erstellung des finalen Manuskriptentwurfs bei.
Interessenkonflikt. Die Autoren erklären, dass kein Interessen-
konflikt besteht.
Danksagung. Martin Nose (Bayerische Staatssammlung für Pa-
läontologie und Geologie) und Matthias Brugger (Lehrstuhl für In-
genieurgeologie der Technischen Universität München) haben uns
dankenswerter Weise bei der Besorgung von Literatur unterstützt.
Wir danken Ulrike Munninger und Sylke Draschba für die kriti-
sche Durchsicht des Manuskripts, Ulrike Munninger auch für die
Erstellung der Übersetzungen ins Englische. Wir danken unseren
Reviewern Margot Böse und Dirk van Husen, deren kritische Kom-
mentare und fachlicher Rat uns geholfen haben, das Manuskript zu
verbessern.
Finanzierung. The article processing charges for this open-access
publication were covered by the University of Bremen.
Begutachtung. This paper was edited by Christopher Lüthgens
and reviewed by Margot Böse and Dirk van Husen.
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