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Didaktische Potenziale digitaler Medien in der Grundschule - Der Einsatz digitaler Technologien aus grundschul-und mediendidaktischer Sicht

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Abstract

Die Wirksamkeit digitaler Medien im Grundschulunterricht wird schon seit dem Multimedia-Boom Mitte der 1990er Jahre heftig diskutiert. Waren es da-mals multimedia-und internetfähige Computer, die völlig neue Lernerfahrun-gen ermöglichen sollten, sind es heute mobile Technologien, wie Tablets, die zu erhöhter Motivation und verbesserten Lernleistungen führen sollen. Manche Grundschullehrpersonen sind begeistert vom Einsatz digitaler Technologien und blicken voller Unverständnis auf Kolleginnen und Kollegen, die den Ein-satz digitaler Technologien für gar nicht oder nur sehr eingeschränkt sinnvoll erachten.
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Thema: Wozu braucht die Grundschule digitale Medien?
omas Irion / Katharina Scheiter
Didaktische Potenziale digitaler Medien
Der Einsatz digitaler Technologien aus
grundschul- und mediendidaktischer Sicht
Die Wirksamkeit digitaler Medien im Grundschulunterricht wird schon seit
dem Multimedia-Boom Mitte der 1990er Jahre heig diskutiert. Waren es da-
mals multimedia- und internetfähige Computer, die völlig neue Lernerfahrun-
gen ermöglichen sollten, sind es heute mobile Technologien, wie Tablets, die zu
erhöhter Motivation und verbesserten Lernleistungen führen sollen. Manche
Grundschullehrpersonen sind begeistert vom Einsatz digitaler Technologien
und blicken voller Unverständnis auf Kolleginnen und Kollegen, die den Ein-
satz digitaler Technologien für gar nicht oder nur sehr eingeschränkt sinnvoll
erachten.
Wenngleich manche Digital-
euphoriker*innen die Not-
wendigkeit empirischer For-
schung oder fachdidaktischer Expertise
ablehnen, muss sich allerdings auch der
Einsatz mobiler Technologien auf den
Prüfstand stellen lassen, sollen didak-
tische Potenziale entfaltet werden. Um
auch weniger technikane Lehrkräe,
aber auch die Bildungspolitik für den
Einsatz digitaler Medien zu überzeu-
gen, ist ein gezieltes Zusammenspiel
von Wissenscha und Praxis unter
Einbezug empirischer Forschungs-
ergebnisse erforderlich. Denn entgegen
der Meinung vieler medienbegeister-
ter Lehrkräe geben Studienergebnisse
keine eindeutige Antwort auf die Fra-
ge nach der Lernwirksamkeit digitaler
Medien: So berichtet die Forschergrup-
pe um Tamim in einer Meta-Analyse 2.
Ordnung basierend auf 1055 Einzelstu-
dien nur von leicht positiven Eekten
digitaler Technologien (Tamim 2011).
Insgesamt wird deutlich, dass Eek-
te digitaler Medien nicht nur von den
Medien selbst, sondern insbesondere
von deren didaktischer Einbettung in
die Unterrichtskontexte abhängig sind
(Mishra & Koehler 2006).
Schultheoretische Modelle können er-
klären, warum eine automatische Ver-
besserung des Unterrichts kaum erwar-
tet werden kann. So wird im Angebot-
Nutzungs-Modell von Andreas Helmke
(vgl. Abb. x) deutlich, dass Lernleis-
tungseekte keinesfalls direkt auf
Unterrichtsangebote (z. B. Unterrichts-
methoden oder -medien) zurückzufüh-
ren sind, sondern immer über die Re-
zeption der Angebote (Nutzung) durch
die Lernenden geltert werden (Helm-
ke 2010). Sowohl Angebot als auch Nut-
zung sind hierbei in Zusammenhang
mit verschiedenen anderen Faktoren
zu sehen. So führt nicht eine bestimm-
te App zum Unterrichtserfolg, sondern
deren Einbettung in das methodisch-
didaktische Konzept der Lehrperson
in Zusammenhang mit der Passung
zu den Schülervoraussetzungen der
Klasse, den Rahmenbedingungen des
Unterrichts usw. Durch die Unterschei-
dung von Sicht- und Tiefenstrukturen
(Kunter/Trautwein 2013) wird erklär-
bar, warum die Präsenz von digitalen
Technologien im Unterricht in ihrer Be-
deutsamkeit häug überbewertet wird.
Während r den Lernerfolg bedeutsa-
me Faktoren wie die Qualität von Feed-
back, die inhaltliche Klarheit oder die
Strategieförderung auf den ersten Blick
kaum im Klassengeschehen erkennbar
sind, ist der Einsatz von digitalen Tech-
nologien wie Tablets sofort ersichtlich
und führt rasch zu Ablehnung oder Be-
geisterung. Zusammenfassend geht die
moderne Lehr-Lern-Forschung in An-
lehnung an Kozma (1991) davon aus,
dass digitale Medien nicht per se den
Unterricht verändern, sondern dass de-
ren Einsatz untrennbar mit der didakti-
schen Methode verwoben ist.
Vor diesem Hintergrund wollen wir
anhand typischer didaktischer Frage-
stellungen der Grundschulpädagogik
Potenziale und Herausforderungen di-
gitaler Technologien für die Tiefen-
strukturen des Grundschulunterrichts
diskutieren.
Potenziale digitaler Technologien
für den Grundschulunterricht
Typische grundschuldidaktische Frage-
stellungen werden in Unterrichtspra-
xis und Lehrerbildung häug entlang
der Begrie Methoden, Prinzipien und
Arbeitsformen (Einsiedler 2015) disku-
tiert. Insbesondere Prinzipien als Leit-
linien von Unterricht werden in ihrer
normativen Setzung von Grundschul-
lehrpersonen allerdings nicht selten
als dogmatische Setzungen interpre-
tiert, die einer kritischen Prüfung nicht
mehr bedürfen. Solche Setzungen sind
aus empirischer Sicht zu hinterfragen,
weshalb wir im Folgenden den Begri
Basisfragestellungen des Grundschul-
unterrichts verwenden. Auf der Grund-
lage grundschuldidaktischer und me-
diendidaktischer Forschung werden
wir die Potenziale digitaler Medien für
drei solcher Basisfragestellungen disku-
tieren: Repräsentationsformen, Indivi-
dualisierung und Kooperation.
A Repräsentationsformen:
Potenziale digitaler Medien zur
Veransc haul ichu ng von Unte rricht s-
inhalten
Lange Zeit war die Annahme leitend,
dass sich multimediale Repräsenta-
tionsformen (also z. B. die Verknüp-
fung von Texten und Bildern) automa-
tisch positiv auf die Behaltensleistung
auswirken würden. Grundlage war die
Vorstellung, dass sich Sinneseindrücke
direkt in der kognitiven Struktur ab-
bilden. Aus Sicht der aktuellen Lern-
forschung muss eine solch passive Ab-
bildungstheorie angesichts der aktiven
Verarbeitungsvorgänge in Lernpro-
zessen abgelehnt werden. Die Eek-
te von Lernprozessen mit multimedia-
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Thema: Wozu braucht die Grundschule digitale Medien?
len Repräsentationen sind unter ande-
rem von der Mediengestaltung (z. B. für
das Lernen mit Film Salomon 1979, für
Text und Bild Mayer 2014) und von den
Lernvoraussetzungen bei den Lernen-
den abhängig (Weidenmann 2006).
Durch die Digitalisierung entstehen be-
sondere didaktische Potenziale für die
Förderung fachlicher Kompetenzen im
Grundschulalter:
Besondere Möglichkeiten ergeben
sich durch die exiblen Einsatzmög-
lichkeiten von Kameras mittels mo-
biler Technologien. Mit diesen ist es
nun möglich, mit geringem Aufwand
Bild-, Bewegtbild- und Tonaufnahmen
zu erstellen, zu bearbeiten und zu dis-
tribuieren. Erklärvideos erlauben Lehr-
kräen und Kindern die anschauliche
Darstellung von Informationen mit
hoher Passung an die Lernsituation der
Kinder, die von diesen dann in ihrem
eigenen Tempo und beliebig o wieder-
holt betrachtet werden können. Doch
auch die eigenständige Produktion
etwa von Ton- oder Filmdokumenten
durch Kinder bietet neue Potenziale. So
erönet die mögliche Verbindung mit
Bildern, Geräuschen und Musik (z. B.
in der App Book Creator) den Kindern
motivierende und bildungswirksame
Gestaltungsmöglichkeiten.
Digitale Technologien können auch
Beschränkungen auf die visuelle und
auditive Sinnesmodalität überwinden.
Fingergesten erlauben die Interaktion
mit dem Tablet, Spielekonsolen wie Wii
oder Kinect Controller registrieren die
Bewegungen vor dem Bildschirm und
passen die Informationspräsentation
an den Benutzer an. Diese Möglichkei-
ten kann man sich auch für bestimmte
Lehr-Lern-Prozesse zunutze machen.
Beispielsweise zeigen Untersuchungen
zu mathematischen Basiskompetenzen,
dass die Qualität der internen mentalen
Repräsentation von Zahlen auf einem
inneren Zahlenstrahl mit Rechenleis-
tungen zusammenhängt. Auf diesem
Zahlenstrahl sind in westlichen Kultu-
ren kleine Zahlen links und große Zah-
len rechts repräsentiert. Hier wurden
nun so genannte verkörperlichte Trai-
nings entwickelt, die den Auau des
mentalen Zahlenstrahls unterstützen
sollen (Dackermann et al. 2017). Die-
se Trainings erfordern es, dass Kinder
Teile ihres Körpers (z. B. Finger, Arme)
oder auch den ganzen Körper in Reak-
tion auf eine Zahlenaufgabe (z. B. »Gib
an, ob die Zier 5 kleiner oder größer
als 8 ist«) entsprechend des Zahlen-
strahls bewegen sollen, um die richtige
Antwort zu geben. Im Beispiel müss-
ten sie also eine Wischgeste oder einen
Sprung nach links ausführen, da ›5‹ auf
dem Zahlenstrahl weiter links angeord-
net ist (kleiner ist) als die Zier ›8‹. Di-
gitale Technologien erlauben die Um-
setzung solcher Trainings inklusive der
Vergabe von Feedback. Evaluationen
verkörperlichter Trainings zeigen, dass
diese beispielsweise das Verstehen der
Größe von Zahlen sowie Leistungen
in den Grundrechenarten verbessern
(ebenda). Verkörperlichte Trainings im
Bereich der Mathematik wie oben be-
schrieben sind deswegen lernförderlich,
weil hier eine enge Abstimmung des
Trainingsansatzes auf zugrunde liegen-
de Lernprozesse und Wissensrepräsen-
tationen erfolgt.
Digitale Technologien erönen auch
spezische Potenziale für die Erhöhung
der Authentizität und persönlichen Re-
levanz in Lernprozessen. Diese ergeben
sich durch die vielfältigen Möglich-
keiten der Informationsdarstellung
zwischen Abstraktion (Dekontextua-
lisierung) und Konkretisierung (Kon-
textualisierung) (Lohrmann 2014).
Kinder sollen ausgehend von ihren le-
bensweltlichen Erfahrungen (Kontex-
tualisierung) an Systematisierung und
Abstraktionen (Dekontextualisierung)
herangeführt werden. Dabei muss das
erworbene Wissen anwendungsfähig
bleiben (Rekontextualisierung). Insbe-
sondere der letzte Schritt scheitert im
fachlichen Lernen häug: Es entsteht
träges Wissen, das lediglich im Prü-
fungskontext abgerufen werden kann,
nicht aber im Alltag (Gruber/Mandl/
Renkl 2000). Ein Ansatz zur Überwin-
dung der Klu zwischen Wissen und
Handeln liegt im Ansatz des situier-
ten Lernens (Greeno 1998). Hier sollen
durch gezielte Kontextualisierungen
Transferhandlungen ermöglicht wer-
den. Ein wesentliches Potenzial digita-
ler Technologien in Repräsentationen
ist die Anbindung des schulischen Ler-
nens an die außerschulische Lebenswelt
der Kinder. Beispielsweise können Be-
obachtungen aus der Lebenswelt, aber
auch Exkursionen zu informellen Lern-
orten (Museen, Science Center …) me-
dial dokumentiert und für den Unter-
richt auereitet werden. In den USA
gewinnen zudem so genannte Citizen
Science Projekte an Bedeutung, in
denen Laien aktiv in den Forschungs-
prozess eingebunden werden und wert-
volle Erkenntnisse für die Forschung
liefern. So können Grundschulkinder
beispielsweise Umweltentwicklungen
in ihrem Lebensraum beobachten (z. B.
Vogelzahl, Panzenverbreitung) und in
digitalen Datenbanken zur Verfügung
stellen. Erste Untersuchungen zeigen,
dass Citizen Science Projekte, die einen
klaren Bezug zum Unterricht aufweisen,
die Lernmotivation und den Lernerfolg
steigern können (Bonney / Phillips / Bal-
lard / Enck 2016). Auch können digitale
Technologien Kindern z. B. in Simula-
tionen Handlungsmöglichkeiten in ge-
schützten Räumen erönen (Herzig /
Grafe 2006). Beispielsweise können
mithilfe von Simulationen Experimen-
te durchgeführt werden, die in der Rea-
lität nicht oder schwer durchführbar
sind (z. B. Experimente in ökologischen
Systemen). Hier zeigt die Lehr-Lern-
Forschung, dass Schülerinnen und
Schüler mit virtuellen Experimenten
ähnlich gute Lernergebnisse erzielen
wie bei der Durchführung realer Ex-
perimente im Unterricht; am erfolg-
versprechendsten erscheint allerdings
eine Kombination aus virtuellen und
Dr. Katharina Scheiter
ist Leiterin der Arbeitsgruppe Multiple
Repräsentationen am Leibniz- Institut
für Wissensmedien (IWM) und
Professorin für Empirische Lehr-Lern-
forschung an der Eberhard Karls
Universität Tübingen. Sie ist Mitglied
des School Boards der Tübingen
School of Education und in deren
Rahmen auch verantwortlich für das
am IWM angesiedelte Tübingen Digital
Teaching Lab (TüDiLab).
Dr. Thomas Irion, s. S. 4
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realen Experimenten, in der die Vortei-
le beider Vorgehensweisen synergetisch
zum Tragen kommen (De Jong / Linn /
Zacharias 2013).
B Individualisierung: Potenziale
digitaler Medien zur Unterstützung
adaptiver Unterrichtsformen
Eine optimale Förderung einzelner
Schülerinnen und Schüler relativ zu
ihrem jeweiligen Wissensstand ist ein
wesentliches Merkmal guten Unter-
richts, welches sich aber im Schulall-
tag omals nur schwer umsetzen lässt.
Voraussetzung r individualisierten
Unterricht ist eine genaue Kenntnis des
Wissensstands jedes Einzelnen sowie
die Möglichkeit, Lernaufgaben, Feed-
back und Erklärungen angepasst an die-
sen Wissensstand darzubieten. Idealer-
weise erhalten Schülerinnen und Schü-
ler auf diese Weise Lernaufgaben mit
einer für sie optimal geeigneten Kom-
plexität. Auf diese Weise kann indivi-
dualisierter Unterricht eine geeignete
kognitive Aktivierung seitens der Ler-
nenden auslösen, welche ihrerseits ein
wesentliches Tiefenstrukturmerkmal
guten Unterrichts darstellt (Kunter /
Trautwein 2013). Digitale Lerntechno-
logien erönen die Möglichkeit, adapti-
ve Förderungen zu realisieren. So kann
sowohl die Diagnostik des Wissens-
stands und Lernverhaltens der Schüle-
rinnen und Schüler als auch die daran
angepasste Zuweisung von Aufgaben
und Erklärungen automatisch vorge-
nommen werden (Aleven et al. 2017).
Entsprechende Systeme erscheinen aus
lehr-lernpsychologischer Sicht äußerst
vielversprechend, existieren aber in für
den Unterricht nutzbarer Form bislang
aufgrund des mit ihnen verbundenen
hohen Entwicklungsaufwands und der
fehlenden Etablierung von standardi-
sierten Publikations- und Produktions-
instrumenten nur relativ selten (vgl.
kognitive Tutoren des LearnLab an
der Carnegie Mellon University in den
USA, Koedinger / Corbett 2006).
Dennoch können digitale Technolo-
gien auch jetzt schon adaptive Unter-
richtsprozesse unterstützen. Im Hin-
blick auf die formative Diagnostik
können beispielsweise automatisch
auswertbare Wissensfragen in Form so-
genannter Rapid Assessments (Kalyuga
2008) in quizförmiger Art dargeboten
werden (z. B. Audience-Response-Sys-
teme wie Clickr vgl. Hunsu / Adesope /
Bayly 2016), deren Ergebnisse der Lehr-
person unmittelbar zurückgemeldet
werden können. Auch können Lehr-
kräe jetzt schon mit geeigneten Sys-
temen wie Classow, Moodle oder So-
crative für den Grundschulunterricht
automatisch auswertbare Multiple-
Choice-Tests realisieren, die von den
Kindern in ihrem eigenen Tempo be-
arbeitet werden können (Maier 2016).
Auch für die Lernenden selbst können
solche Rückmeldefunktionen genutzt
werden, da die eigenen Lernprozesse
dokumentiert werden und die Kinder
selbst individuelle Lernfortschritte bes-
ser nachverfolgen können.
C Kooperation: Potenziale digitaler
Medien zur Unterstützung koope-
rativer Lern- und Arbeitsprozesse
Kooperative Lernformen bieten viel-
fältige Potenziale für kognitive, sozia-
le, motivationale und emotionale Ziel-
setzungen des Grundschulunterrichts
(Borsch 2016). Von besonderer Bedeu-
tung für fachliche Lernprozesse in ko-
operativen Lernsituationen ist, dass
sich jedes Kind in die Arbeitsprozesse
einbringt (Veenman et al. 1999).
Digitale Technologien können koope-
ratives Arbeiten auf vielfältige Wei-
se unterstützen. Sie ermöglichen den
Mitgliedern einer Lerngruppe zeitglei-
ches wie aber auch zeitlich und räum-
lich getrenntes Arbeiten an Produkten,
die z. B. Erfahrungen aus Exkursionen
dokumentieren, den gemeinsam er-
arbeiteten Wissensstand zu einem e-
ma zusammentragen oder verschie-
dene Perspektiven integrieren. Mittels
Apps wie Book Creator können bei-
spielsweise in Arbeitsgruppen erstellte
digitale Bücher der Öentlichkeit be-
reitgestellt werden, sodass Familien-
mitglieder, aber auch andere interes-
sierte Besucher*innen des Bookshops
von den Kindern erstellte Bücher he-
runterladen oder gar käuich erwerben
können. Der amerikanische Medien-
pädagoge Jon Smith berichtet hier bei-
spielsweise in einem Webinar (15.02.18
auf http://live.classroom20.com), wie
begeistert autistische Kinder reagier-
ten, als ihre Bücher von einer Vielzahl
von Personen heruntergeladen wurden.
Zudem können in Book Creator sogar
standortübergreifend Bücher z. B. ge-
meinsam von Kindern unterschiedli-
cher Schulen produziert werden. Viele
dieser Produkte lassen sich mittels digi-
taler Werkzeuge nicht nur einfacher er-
stellen und (durch andere Gruppenmit-
glieder) modizieren, sondern auch der
Spielraum an Repräsentationsformen
erweitert sich durch digitale Techno-
logien deutlich. Beispielsweise können
kooperativ eigene Erklärvideos gedreht
werden, Erfahrungen in Comics aue-
reitet werden, Webseiten oder digitale
Collagen erstellt werden. Auf diese Wei-
se unterstützen digitale Technologien
auch die Umsetzung konstruktivisti-
scher Lernformen (Zahn 2009). Eine
Herausforderung beim Lernen, Arbei-
ten und Diskutieren in Gruppen be-
steht darin, Gruppenprozesse zielfüh-
rend zu gestalten und zu strukturieren.
Vielfach wird zu viel Zeit auf die Ko-
ordination der Gruppe, die Aueilung
von Arbeitsaufgaben sowie nicht-auf-
gabenrelevante Aspekte verwendet, so-
dass das Classroom Management – als
wesentliches Tiefenstrukturmerkmal
eektiven Unterrichts – gefährdet wird.
Darüber hinaus ergibt sich sowohl bei
der Arbeit in Kleingruppen als auch in
Klassendiskussionen omals das Pro-
blem einer ungleichen Beteiligung, in-
dem manche Gruppenmitglieder auf
Kosten aderer nur wenig an der Errei-
chung gemeinsamer Ziele mitarbeiten
oder aber die Meinungsführerscha
übernehmen, sodass (schwächere)
Gruppenmitglieder dominiert werden.
Beide Aspekte stehen einem unterstüt-
zenden Lernklima als weiterem Tie-
fenstrukturmerkmal eektiven Unter-
richts entgegen. Digitale Technologien
erlauben es, Gruppenprozesse durch
klare Rollenzuweisungen zu strukturie-
ren und die Fokussierung auf die Auf-
gabe für alle Gruppenmitglieder sicher-
zustellen (Scripting, Vogel / Wecker /
Kollar / Fischer 2017).
Herausforderungen
Die Diskussion der Potenziale digitaler
Medien r den (Grundschul-)Unter-
richt zeigt, dass diese erst dann wirk-
sam werden, wenn Technologien und
zu erreichende pädagogische Funktio-
nen gut aufeinander abgestimmt sind.
Dabei müssen Technologien sinnvoll
in das sonstige Unterrichtsgeschehen
eingebunden werden. Entscheidend ist
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Thema: Wozu braucht die Grundschule digitale Medien?
also nicht die Nutzung von Technologie
per se, sondern die Abstimmung digi-
taler und analoger Herangehensweisen
auf didaktische Zielsetzungen, um ein
harmonisches Gesamtkonzept zu er-
zielen (Orchestrierung, Prieto / Holen-
ko Dlab / Gutiérrez / Abdulwahed / Balid
2011). Diese Fähigkeit zur Orchestrie-
rung digitaler Medien setzt sogenanntes
technologisch- pädagogisches Inhalts-
wissen seitens der Lehrpersonen voraus
(Mishra / Koehler 2006). Es resultiert
aus der Verknüpfung von technologie-
bezogenem Wissen, inhaltsbezogenem
und pädagogischem Wissen, welches in
einem bestimmten Unterrichtskontext
zum Einsatz gebracht werden muss.
International vergleichende Studien zu
Mediennutzung und medienbezogenen
Kompetenzen von Lehrkräen wie die
International Computer Information
Literacy Study (ICILS 2013, Bos et al.
2014) zeigen, dass Lehrkräe deutscher
Schulen sich nur in geringem Ausmaß
in der Lage sehen, eine Orchestrierung
digitaler Medien im Unterricht zu leis-
ten. Als eine wesentliche Ursache wird
dabei immer wieder die mangelnde
Vorbereitung auf das Unterrichten mit
Technologien im Rahmen der verschie-
denen Phasen der Lehrerbildung mo-
niert. Darüber hinaus stellt die man-
gelnde Verfügbarkeit von Hardware in
den Schulen und der zu geringe techni-
sche Support nach wie vor ein wesentli-
ches Hindernis für die Mediennutzung
an deutschen Schulen dar.
Im Rahmen dieses Artikels haben wir
aus grundschuldidaktischer und me-
diendidaktischer Perspektive einerseits
die Bedeutung empirischer Eviden-
zen und theoretischer Modelle für die
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sucht, mit einigen Beispielen mögliche
Umsetzungsformen zu skizzieren. Vo-
raussetzung dieser und weiterer Unter-
richtskonzepte bildet für uns aber eine
sinnvolle Einführung digitaler Tech-
nologien in der Grundschule, wie sie
durch die Forderungen des Grund-
schulverbands im vorausgehenden Ar-
tikel angestrebt wird.
... Digitalisierungs-und Mediatisierungsprozesse bergen neben Potenzialen auch Gefährdungen für Kinder Harder, 2022 , kooperative und individuelle Lernprozesse zu innovieren (Irion & Scheiter, 2018) oder Lernkulturen in der Digitalität zu etablieren (Irion & Knoblauch, 2021). Es wird dabei auf die veränderten Mediennutzungsgewohnheiten und die damit verbundenen motivationalen und sozialen Potenziale verwiesen (Opfermann, Höffler & Schmeck, 2020, S. 27). ...
... A Ressourcenmanagement (Baumert & Kunter, 2011) erweitert um B Umsetzungspraxis (Irion et al., 2022) Kompensation unzureichender medialer Ausstattung Grundschulmediendidaktik (Irion & Scheiter, 2018) Grundschulspezifisches Wissen zu: ...
... Dazu gehört einerseits grundschulspezifisches Wissen zu Medienrezeption, zu medienpädagogischem Handeln, zu Digitalisierung und Mediatisierung sowie zu den Grundlagen kindlicher Mediennutzung . Andererseits ist eine grundschulspezifische Mediendidaktik zu berücksichtigen (Irion & Scheiter, 2018), die sich u. a. auf grundschulgeeignete Potenziale der Digitalität für Repräsentationsformen, Individualisierung und Kooperation im Unterricht bezieht (vgl. auch Böhme, Munser-Kiefer & Prestridge, 2020;Irion & Knoblauch, 2021;Knoth & Haider, 2022). ...
... Weiter ist bei der Gestaltung von Lehrvideos und instruktionalen Bildern das Sparsamkeitsprinzip zu beachten, welches besagt, möglichst wenige überflüssige Informationen zu zeigen und Informationen wie beispielsweise Ton und Bild in einem Video kohärent zu gestalten (Petko, 2020). Zudem können durch ein multimediales Lernangebot die Lernvoraussetzungen und Präferenzen der einzelnen Schüler:innen besser berücksichtigt werden (Irion & Scheiter, 2018;Schaumburg, 2015) ...
... Doch auch im Präsenzunterricht bieten digitale Medien Möglichkeiten, um kooperatives bzw. kollaboratives Arbeiten zu unterstützen (Irion & Scheiter, 2018). Beispielsweise eignen sich Wikis, um Inhalte zu einem Thema kollaborativ zu verschriftlichen, strukturieren und editieren (Döbeli Honegger & Notari, 2013). ...
... Je nach Aufgabenstellung bietet sich ebenso ein einfaches Online-Textverarbeitungsprogramm zum kollaborativen Textverfassen an. Insgesamt lassen sich schriftliche Lernprodukte in Gruppenarbeiten mit digitalen Medien vereinfacht erstellen sowie modifizieren und zudem können multimediale Repräsentationsformen (Video, Audio, Bilder, Text) genutzt werden (Irion & Scheiter, 2018). Doch benötigt es besonders für das gemeinsame digitale Schreiben eine gute Einführung, so dass die Schreibprodukte über ein Anreihen von einzelnen Textteilen hinausgehen (Petko, 2020). ...
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Diverse Schulen der Deutschschweiz haben in den letzten Jahren aus Eigeninitiative damit begonnen, ihren Unterricht in Richtung personalisierten Lernens weiterzuentwickeln, und ziehen zur Unterstützung häufig auch digitale Medien bei. Inwiefern und wie digitale Medien in Schulen mit personalisierten Lernkonzepten eingesetzt werden, wurde im deutschsprachigen Raum bislang jedoch noch nicht erforscht. Auch international liegen erst wenige empirische Untersuchungen vor, die den allgemeinen Einsatz digitaler Medien sowie deren Wirksamkeit in personalisierten Unterrichtsformen analysiert haben. Vor diesem Hintergrund geht die vorliegende Arbeit der übergeordneten Forschungsfrage nach, welche Rolle digitale Medien in Deutschschweizer Schulen mit personalisierten Lernkonzepten spielen. Da verschiedene inhaltliche Aspekte unter personalisiertem Lernen subsumiert werden, wird das Konzept anhand zweier Dimensionen empirisch untersucht („offene Lehr- und Lernformen mit digitalen Medien“ sowie „Mitbestimmungs- und Wahlmöglichkeiten der Schüler:innen mit digitalen Medien“). Zu diesem Zweck werden einerseits auf der Angebotsseite des Unterrichts offene Lehr- und Lernformen, wie beispielsweise Planarbeit oder Projektunterricht, die durch digitale Medien unterstützt werden, in den Fokus gerückt. Solche offenen Lehr- und Lernformen mit digitalen Medien sind durch phasenweise selbstständige Schüler:innenarbeit geprägt, in denen die Lehrpersonen als Lernbegleiter:innen die Schüler:innen individuell unterstützen. Andererseits wird auf der Nutzungsseite untersucht, ob und wie häufig Schüler:innen beim Lernen mit digitalen Medien die Vorgehensweise, den Lerninhalt oder die Zeiteinteilung mitbestimmen können. Für solche Mitbestimmungs- und Wahlmöglichkeiten beim Lernen mit digitalen Medien stellen offene Unterrichtsformen eine Voraussetzung dar. Die Stichprobe der quantitativen Analysen bilden 31 Sekundarschulen mit insgesamt 1017 Schüler:innen der 8. Klasse. Diese 31 Schulen hatten bereits personalisierte Lehr- und Lernformen implementiert und nahmen im Jahr 2013 an einer Online-Befragung im Kontext des perLen-Projekts (2013–2015) teil. Die Daten für die qualitativen Analysen wurden im Jahr 2016 basierend auf einer Online-Befragung erhoben und umfassen elf leitfadengestützte Interviews sowie Unterrichtsbeobachtungen aus drei Schulen mit einer hoch ausgeprägten Nutzung digitaler Medien. Die in Artikel 1 dargestellten deskriptiven Analysen zeigen, dass die grosse Mehrheit der Schüler:innen in personalisierten Unterrichtsformen digitale Medien nutzt. Zudem ergibt ein Vergleich mit der nationalen ICILS-Stichprobe des Jahres 2013, dass die untersuchten Schulen mit personalisierten Lehr- und Lernformen im Mittel mehr als doppelt so häufig Computer im Unterricht nutzen als eine durchschnittliche Schweizer Schule. Hinsichtlich der zwei Dimensionen zeigen Ergebnisse eines Strukturgleichungsmodells in Artikel 1, dass durch digitale Medien unterstützte offene Lehr- und Lernformen in einem positiven Zusammenhang mit den selbst eingeschätzten ICT-Kompetenzen und diesbezüglichen Überzeugungen der Schüler:innen stehen. Ob die Schüler:innen beim Lernen mit digitalen Medien die Vorgehensweise, den Lerninhalt oder die Zeiteinteilung mitbestimmen können, hat hingegen keinen Einfluss auf die wahrgenommenen ICT-Kompetenzen und diesbezüglichen Überzeugungen der Schüler:innen. Weitere Ergebnisse des Strukturgleichungsmodells, die in Artikel 2 publiziert wurden, deuten darauf hin, dass die zwei Dimensionen zwar in geringem Ausmass, aber gleichwohl signifikant positiv einzelne Subdimensionen der Unterrichtsqualität beeinflussen: Wird vermehrt in offenen Lernumgebungen mit digitalen Medien unterrichtet, geht dies mit einer höheren Schüler:inneneinschätzung der kognitiven Aktivierung einher. Dürfen die Schüler:innen beim Lernen mit digitalen Medien zudem vermehrt die Vorgehensweise, den Lerninhalt oder die Zeiteinteilung mitbestimmen, nehmen sie auch die konstruktive Unterstützung durch die Lehrperson als grösser wahr. Die von den Schüler:innen eingeschätzte Klassenführung scheint hingegen nicht beeinflusst zu werden. Anhand der drei vertiefenden Fallstudien in Artikel 3 lassen sich wiederum unterschiedliche Alltagspraktiken beschreiben, die sich darauf beziehen, wie digitale Medien auf der Schulebene sowie im Unterricht eingesetzt werden: Während Schule A die digitalen Medien selektiv nach den individuellen Präferenzen der Lehrpersonen einsetzt, orientiert sich Schule B in der Tendenz an den individuellen Vorlieben der Schüler:innen. Lediglich Schule C setzt digitale Medien systematisch gemäss einer gesamtschulischen Strategie ein. Insgesamt weisen die quantitativen wie auch die qualitativen Befunde darauf hin, dass noch viel Potenzial besteht, personalisierte Lehr- und Lernformen durch den Einsatz digitaler Medien zu unterstützen.
... Daher untersuchen wir in der vorliegenden Studie die Kognitive Aktivierung sowie Individualisierung als Beispiele des Unterrichtshandeln von Lehrkräften. Für die Umsetzung dieser Dimensionen werden digitalen Medien Potenziale zugesprochen (Irion & Scheiter, 2018). Ein Potenzial zur Kognitiven Aktivierung können digitale Medien dann bieten, wenn sie zum Zwecke einer vertiefenden Auseinandersetzung mit den Unterrichtsinhalten eingesetzt werden, z. ...
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Lerngelegenheiten sind für die Entwicklung professioneller Kompetenz von Lehrkräften und für das qualitätsvolle Unterrichtshandeln entscheidend. Hier sind Lehrkräftefortbildungen als formelle und Lehrkräftekooperation als informelle Lerngelegenheiten bedeutsam. Jedoch ist bisher wenig erforscht, inwieweit Fortbildungen und Kooperation mit der Unterrichtsqualität unter Nutzung digitaler Medien zusammenwirken. Unterrichtliches Handeln kann zudem durch Überzeugungen wie Interesse und Kompetenzeinschätzungen motiviert werden. Daran anknüpfend wird untersucht, wie Fortbildungen und Kooperation während der COVID-19-Pandemie mit Kompetenzselbsteinschätzungen, dem Interesse sowie mit dem Unterrichtshandelnmit digitalen Medien zusammenhängen. Solche Fragestellungen sind im Kontext der COVID-19-Pandemie und der Überlegung hilfreicher Ressourcen für die Lehrkräfte-Professionalisierung relevant. Die Analysen basieren auf Daten von n = 712 Lehrkräften. Die Ergebnisse zeigen, dass Fortbildungen und Kooperation zu digitalen Themen in einem positiven Zusammenhang mit Kompetenzselbsteinschätzungen, Interesse und den Unterrichtsdimensionen ‚Kognitive Aktivierung‘ und ‚Individualisierung‘ mit digitalen Medien stehen.
... Die Förderung und Anwendung der damit einhergehenden Kompetenzfacetten können im schulischen Alltag unterschiedliche Herausforderungen auf allen Ebenen stellen -sei es bspw. die praktische Umsetzung zeit-und materialintensiver Experimente oder die Gestaltung differenzierter Zugänge entlang individueller Lernvoraussetzungen im Rahmen naturwissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung. Aufgrund der fortschreitenden digitalen Transformation von Gesellschaft und Schule eröffnen sich Möglichkeiten, Potentiale digitaler Technologien im Rahmen des naturwissenschaftlichen Unterrichts zielgerichtet einzusetzen (Irion & Scheiter, 2018) (Tompa, 1994). Dieses eher traditionelle Bild zum Videoeinsatz wird jedoch durch die zunehmende Digitalisierung von Unterricht der letzten Jahre erweitert und zum Teil neu ausgestaltet. ...
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Das Projekt VidEX – Lehren und Lernen mit Experimentiervideos erweitert das bisher existierende Angebot an digitalen Werkzeugen für den naturwissenschaftlichen Unterricht. Konzeptionelles Kernelement ist das Experimentiervideo mit Begleitmaterialien, welches weniger als Ersatz für das Realexperiment dienen soll, sondern neuartige, differenzierte Zugänge zum Erwerb von Kompetenzen aus dem Bereich der naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung bietet. Grundlegend für die Entwicklung und Gestaltung von Experimentiervideos sind die in den jeweiligen Curricula vorgegebenen zu erwerbenden Kompetenzen und Fachinhalte, Gestaltungsprinzipien aus der kognitionspsychologischen Forschung, Gestaltgesetze für Demonstrationsexperimente sowie Perspektiven von aktiven Lehrkräften zu Potenzialen in der unterrichtlichen Videonutzung und Einsatzszenarien. Die Kollaboration von Fachdidaktiker:innen und Lehrenden bei der Konzeption und Evaluation der Experimentiervideos ermöglicht es, passgenaue Angebote entlang individueller Lernvoraussetzungen diverser Lerngruppen zu gestalten, die insbesondere für einen inklusiven naturwissenschaftlichen Unterricht neue Zugänge und individuelles sowie kollaboratives Lernen ermöglichen. Werden Experimentiervideos bisher von Lehrkräften vornehmlich unter Vorbehalt und im Distanzunterricht eingesetzt, so geht die Vision von VidEX hierüber hinaus, indem immanente Barrieren im Prozess naturwissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung durch den Einsatz videogestützter Lernmaterialien abgebaut und forschend angelegte Experimentierwege für alle Lernenden, im Sinne einer Scientific Literacy for all, ermöglicht werden sollen. Im Beitrag werden die konzeptionellen Leitgedanken und damit tragenden Elemente zu VidEX theoretisch angebunden und empirisch gestützt ausgeführt.
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Eine erneute Auseinandersetzung mit Fragen nach Digitalisierung und Digitalität im Kontext der Grundschule, wie sie der vorliegende Band darstellt, bietet gleichermaßen Risiken und Chancen. Es besteht die Gefahr des „Mehr des Gleichen“ als ein weiterer Beitrag zur aktuellen Über- und Unterbestimmtheit der Aspekte Digitalisierung und Digitalität. Die Überbestimmtheit rührt daher, dass sich die Diskussionen um Digitalisierung und Digitalität in den vergangenen Monaten und Jahren in allen Bildungsbereichen potenziert haben und dabei mannigfaltige Aspekte, Verständnisse, Perspektiven und Fragestellungen in differenzierender Form vielfach thematisiert wurden und werden. Und wenngleich sich bei erster Betrachtung durchaus ein gewisser Konsens bei den verschiedenen Autor:innen erkennen lässt, so zeigt sich dieser Konsens schnell fragil, spröde und brüchig, wenn die einzelnen Positionen und Ansätze einer genaueren Betrachtung unterzogen und verglichen werden. Die Unterbestimmtheit zeigt sich, obwohl in einigen Bereichen bereits konsistente Modelle entwickelt wurden, wie z. B. die mediendidaktischen Kompetenzmodelle einzelner Disziplinen, die Medienkompetenzrahmen einzelner Bundesländer oder auch die Rahmenvorgaben der KMK. Gerade vor diesem orientierenden Hintergrund werden die zu bearbeitenden und bislang noch offenen Fragen deutlich. In den Fokus der Aufmerksamkeit rückt jetzt die Umsetzung. Noch weitgehend unbearbeitet sind z. B. Fragen, wie die Kompetenzmodelle Eingang in die Bildungs- und Lehrpläne finden werden. Zur Umsetzung im Unterricht gibt es zwar ldeen. Fragen der Unterrichtsplanung und -umsetzung, der Erfassung und Bewertung entsprechender Kompetenzen und die Frage, wie sich Grundschule diesen vielfältigen Aufgaben widmen muss und soll, sind bislang ungeklärt.
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Bei Diskussionen darüber, wie die digitale Transformation einen Beitrag für ein inklusives Bildungssystem leisten kann, wird immer wieder die Bedeutung des Themas für eine zukunftsfähige (Grund-)Schulbildung deutlich. Globale Herausforderungen und gesellschaftlicher Wandel machen es schwierig, dauerhaft zu formulieren, wodurch sich zeitgemäße schulische Bildung auszeichnet, wobei Inklusion und Digitalisierung häufig als zentrale Querschnittsthemen definiert werden. Dieser Artikel setzt sich mit Herausforderungen im Rahmen einer inklusiv gedachten Digitalität auseinander und stellt Lösungsansätze vor.
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Im Mai 2021 diskutierten Mitglieder des Expertenrates Inklusive Bildung, wie die digitale Transformation einen Beitrag für ein inklusives Bildungssystem leisten kann (Deutsche UNESCO-Kommission 2021a). Dabei wurde die Bedeutung des Themas für eine zukunftsfähige (Grund-)Schulbildung deutlich – eine Diskussion, die regelmäßig aufkommt (Burow & Gallenkamp 2017; Carle, Kauder & Osterhues-Bruns 2021). Globale Herausforderungen und gesellschaftlicher Wandel machen es schwierig, dauerhaft zu formulieren, wodurch sich zeitgemäße schulische Bildung auszeichnet (Fiegert 2020, 18), wobei Inklusion und Digitalisierung allerdings häufig als zentrale Querschnittsthemen definiert werden (Hecker, Lassek & Ramseger 2019; Kunze 2020). Dieser Artikel setzt sich mit Herausforderungen im Rahmen einer inklusiv gedachten Digitalität auseinander und stellt Lösungsansätze vor.
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In der vorliegenden Studie wurde untersucht, inwiefern sich über Eye-Tracking generierte Blickdaten während der Nutzung dynamischer und statischer Repräsentationskombinationen in Form von Lernunterstützungen beim Experimentieren kategorial beschreiben lassen. Dazu wurde eine Eye-Tracking-gestützte Interventionsstudie mit Schüler*innen des 9. und 11. Jahrgangs (N = 73) durchgeführt. Während eines dreistündigen Experimentiermoduls wurden den Lernenden, u. a. in der Planungsphase, fachmethodische Lernunterstützungen in unterschiedlichen Repräsentationskombinationen (Bild-Text; Bild-Audio; Animation: bewegtes Bild und Text; Video: bewegtes Bild und Audio) zur freien Auswahl zur Verfügung gestellt. Das Blickverhalten wurde mittels eines stationären Eye-Tracking-Systems aufgezeichnet. Basierend auf den Blickdaten wurde die visuelle Aufmerksamkeit (Fixationen, Fixationshäufigkeiten und Fixationsdauer) innerhalb der Bild-Text-Kombination und Animation über die Auswertung der gaze plot-Visualisierungen qualitativ untersucht. Inhaltsanalytische Untersuchungen (quantitative und qualitative Inhaltsanalyse) der aufgezeichneten Blickbewegungen mündeten in 27 induktiv gebildeten Kategorien, über die sich das Blickverhalten deskriptiv beschreiben lässt. Auf dieser Basis konnten über Fallzuordnungen unterschiedliche formalbedingte Strategien im Umgang mit den jeweiligen Einzelrepräsentationen identifiziert werden.
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Die Rahmenbedingungen eines digital und ggf. distant ausgerichteten Englischunterrichts erfordern von Fremdsprachenlehrkräften neue Professionalitätsfacetten, die im Artikel beleuchtet werden. Außerdem werden unterrichtliche Optionen vorgestellt, in denen die Einbindung von digitalen Medien Schülerinnen und Schülern schon im frühen Fremdsprachenunterricht Gelegenheiten bietet, eine aktive und sprachlich angemessen herausfordernde Rolle einnehmen zu können. In einem solchen Ansatz werden digitale Medien von Lehrkräften nicht nur in ihren Unterricht integriert, sondern auch aktiv und kollaborativ (mit-)gestaltet.
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Scripts for computer-supported collaborative learning (CSCL) offer socio-cognitive scaffolding for learners to engage in collaborative activities that are considered beneficial for learning. Yet, CSCL scripts are often criticized for hampering naturally emerging collaboration. Research on the effectiveness of CSCL scripts has shown divergent results. This article reports a meta-analysis about the effects of CSCL scripts on domain-specific knowledge and collaboration skills. Results indicate that CSCL scripts as a kind of socio-cognitive scaffolding can enhance learning outcomes substantially. Learning with CSCL scripts leads to a small positive effect on domain-specific knowledge (d = 0.20) and a large positive effect on collaboration skills (d = 0.95) compared to unstructured CSCL. Further analyses reveal that CSCL scripts are particularly effective for domain-specific learning when they prompt transactive activities (i.e., activities in which a learner’s reasoning builds on the contribution of a learning partner) and when they are combined with additional content-specific scaffolding (worked examples, concept maps, etc.). Future research on CSCL scripts should include measures of learners’ internal scripts (i.e., prior collaboration skills) and the transactivity of the actual learning process.
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Over the past 20 years, thousands of citizen science projects engaging millions of participants in collecting and/or processing data have sprung up around the world. Here we review documented outcomes from four categories of citizen science projects which are defined by the nature of the activities in which their participants engage - Data Collection, Data Processing, Curriculum-based, and Community Science. We find strong evidence that scientific outcomes of citizen science are well documented, particularly for Data Collection and Data Processing projects. We find limited but growing evidence that citizen science projects achieve participant gains in knowledge about science knowledge and process, increase public awareness of the diversity of scientific research, and provide deeper meaning to participants' hobbies. We also find some evidence that citizen science can contribute positively to social well-being by influencing the questions that are being addressed and by giving people a voice in local environmental decision making. While not all citizen science projects are intended to achieve a greater degree of public understanding of science, social change, or improved science -society relationships, those projects that do require effort and resources in four main categories: (1) project design, (2) outcomes measurement, (3) engagement of new audiences, and (4) new directions for research.
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The notion of orchestrating learning has gained acceptance within the TEL research community in recent years. However, there is little consensus about what orchestration means, and what orchestrating learning in a concrete educational context entails. This paper aims to address these two concerns. Through a literature review focused especially on the field of TEL, we provide definitions of this orchestration, and gather the most commonly cited aspects of orchestration into a unified conceptual framework. This emergent framework is then used as an analytical lens to structure data from an existing case study in order to illustrate its usefulness as a tool to understand and propose new solutions to aid orchestration in complex, real-world TEL situations. Although further theorisation and modelling of orchestration is still needed, the presented framework provides a first step, backed up by a serious review of the field.
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This research study employs a second-order meta-analysis procedure to summarize 40 years of research activity addressing the question, does computer technology use affect student achievement in formal face-to-face classrooms as compared to classrooms that do not use technology? A study-level meta-analytic validation was also conducted for purposes of comparison. An extensive literature search and a systematic review process resulted in the inclusion of 25 meta-analyses with minimal overlap in primary literature, encompassing 1,055 primary studies. The random effects mean effect size of 0.35 was significantly different from zero. The distribution was heterogeneous under the fixed effects model. To validate the second-order meta-analysis, 574 individual independent effect sizes were extracted from 13 out of the 25 meta-analyses. The mean effect size was 0.33 under the random effects model, and the distribution was heterogeneous. Insights about the state of the field, implications for technology use, and prospects for future research are discussed.
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Embodied trainings allowing children to move their whole body in space have recently been shown to foster and support the acquisition of basic numerical competencies (e.g., magnitude understanding, addition performance). Although embodied trainings studies varied in aspects such as training content, control training, addressed age group, or the amount of movement involved, they yielded very similar results: The embodied trainings not only led to specific improvements in the content trained, but also improved children’s performance in transfer tasks (e.g., addition or counting) that were not trained directly. Following a brief summary of recent embodied training studies, we integrate the respective results into a unified model framework to elucidate the working mechanisms of embodied trainings: Mapping processes, interaction between different regions of personal space, and the integration of different spatial frames of reference are addressed as potential factors underlying the effectiveness of embodied numerical trainings. Such an integrating view on these recent training studies also allows us to evaluate under which circumstances embodied trainings work best, that is, for which age group and/or which numerical content embodied trainings should be most beneficial. Finally, we draw conclusions about when and how such trainings may be applied by teachers and educators.
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Audience Response Systems (ARS) are thought to be a good way of using technology to increase engagement in the classroom and have been widely adopted by many instructors seeking to improve academic performance through student engagement. While researchers have examined the degree to which they promote cognitive and non-cognitive learning outcomes in the classroom, most of their findings are largely mixed and inconclusive. This meta-analysis seeks to resolve the conflicting findings. Specifically, the meta-analysis compared classrooms that did, and did not use ARS-based technologies on different cognitive and non-cognitive learning outcomes to examine the potential effects of using ARS. Overall, we found small but significant effects of using ARS-based technologies on a number of desirable cognitive and non-cognitive learning outcomes. Further analysis revealed that knowledge domain, class size, and the use of clicker questions, are among factors that significantly moderated the summary effect sizes observed among the studies in the meta-analysis. These findings hold significant implication for the implementation of clicker-based technologies in the classroom.
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In recent years, multimedia learning, or learning from words and images, has developed into a coherent discipline with a significant research base. The Cambridge Handbook of Multimedia Learning is unique in offering a comprehensive, up-to-date analysis of research and theory in the field, with a focus on computer-based learning. Since the first edition appeared in 2005, it has shaped the field and become the primary reference work for multimedia learning. Multimedia environments, including online presentations, e-courses, interactive lessons, simulation games, slideshows, and even textbooks, play a crucial role in education. This revised second edition incorporates the latest developments in multimedia learning and contains new chapters on topics such as drawing, video, feedback, working memory, learner control, and intelligent tutoring systems. It examines research-based principles to determine the most effective methods of multimedia instruction and considers research findings in the context of cognitive theory to explain how these methods work.