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Warum VWL studieren? Sinnangebote ökonomischer Lehrbuchliteratur. Zeitschrift für Diskursforschung 3/2018.

Authors:

Abstract

By conducting a discourse analysis (SKAD) in the field of academic economics textbooks, this paper aims at reconstructing meaning structures offered to undergraduate students. The study finds three major structures, all of which are contextualized theoretically, with prominent reference to the Foucauldian reflection of the science of Political Economy. Surprisingly, none of them encourages the student to think critically, as could have been expected in a pedagogical context of western tradition.
Zeitschrift für
Diskursforschung
Journal for
Discourse Studies
www.juventa.de
JUVENTA
Bislang fehlte der Versuch, die übergreifenden Gemein
-
samkeiten der etablierten und neueren Ansätze der
Interpretativen Sozialforschung darzustellen, sie in ihrer
methodischen Vorgehensweise anwendbar und in
Form eines Handbuchs zugänglich zu machen. Das
und stellt etablierte und neuere Ansätze vor, zeigt die
methodischen Vorgehensweisen und liefert auf diese
Weise einen einzigartigen Überblick.
Aus dem Inhalt:

Theorie und Empirie der Interpretativität
in der qualitativen Sozialforschung

Theorie und Empirie der Interpretativität in
der quantitativen Sozialforschung

Analyse kultureller und struktureller
Ordnungen

Rekonstruktion von Handlungsprozessen
und -produkten

Untersuchung der Medialität und
Materialität von Gesellschaften

Methoden zur Erfassung langfristigen
sozialen Wandels
Leila Akremi / Nina Baur /
Hubert Knoblauch / Boris Traue (Hrsg.)
Handbuch Interpretativ forschen
Reihe: Grundlagentexte Methoden
2018, 962 Seiten
Hardcover, € 49,95
ISBN 978-3-7799-3126-3
Auch als
E-Book
erhältlich
erhältlich
Der umfassende Blick auf
die Interpretative Sozialforschung
JUVENTA Zeitschrift für Diskursforschung 3| 18
Marlon Barbehön / Wolf J. Schünemann
Bound to leave? Die Schottland-Frage im Diskurs zum
britischen In-/Out-Referendum
Philipp Grunewald / Louise Cooke
Discursive structures in knowledge co-creation: Analysing
interactions with SKAD and Social Network Analysis
Oke Bahnsen / Eric Linhart
Politische Diskurse in Print- und Online-Medien: Eine empirische
Analyse am Beispiel der Novelle des Erneuerbare-Energien-
Gesetzes 2014
Lukas Bäuerle
Warum VWL studieren? Sinnangebote ökonomischer
Lehrbuchliteratur
6. Jg. | H. 3
3
2018
JUVENTA
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von vorfindlichen Dokumenten auch in der Bildungs- und Sozial-
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Beltz Juventa | Zeitschrift für Diskursforschung Heft 3/2018
Inhaltsverzeichnis
Willy Viehöver / Reiner Keller / Werner Schneider
Editorial ................................................................................................................................... 220
Themenbeiträge
Marlon Barbehön / Wolf J. Schünemann
Bound to leave? Die Schottland-Frage im Diskurs zum britischen
In-/Out-Referendum ............................................................................................................. 223
Philipp Grunewald / Louise Cooke
Discursive structures in knowledge co-creation:
Analysing interactions with SKAD and Social Network Analysis .................................. 247
Oke Bahnsen / Eric Linhart
Politische Diskurse in Print- und Online-Medien:
Eine empirische Analyse am Beispiel der Novelle des
Erneuerbare-Energien-Gesetzes 2014 ................................................................................ 277
Lukas Bäuerle
Warum VWL studieren?
Sinnangebote ökonomischer Lehrbuchliteratur ................................................................ 306
Reviews
Max Makovec
Schellhöh, J./Reichertz, J./Heins, V./Flender, A. (Hrsg.) (2018):
Großerzählungen des Extremen.
Neue Rechte, Populismus, Islamismus, ›War on Terror‹. ................................................. 333
Dennis Lichtenstein
Lönnendonker, J. (2018): Konstruktionen europäischer Identität.
Eine Analyse der Berichterstattung über die Beitrittsverhandlungen
mit der Türkei 1959 bis 2004. ............................................................................................... 338
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Beltz Juventa | Zeitschrift für Diskursforschung Heft 3/2018
306 Bäuerle
Lukas Bäuerle
Warum VWL studieren?
Sinnangebote ökonomischer Lehrbuchliteratur
Zusammenfassung: Mithilfe einer wissenssoziologischen Diskursanalyse fragt der vorliegende Auf-
satz nach Sinnangeboten, die grundlegende ökonomische Lehrbuchliteratur für Neulinge im Fach be-
reithält. Dabei können drei Deutungsmuster rekonstruiert werden, die hier allesamt theoretisch kontex-
tualisiert werden. Einen besonderen Fluchtpunkt bildet dabei die Foucaultsche Auseinandersetzung mit
der Politischen Ökonomie. Überraschenderweise beinhaltet keines der drei Angebote eine Befähigung
zu kritischer Urteilskraft, wie man sie in pädagogischen Kontexten westlicher Provenienz vermuten
könnte.
Stichworte: Lehrbücher, Volkswirtschaftslehre, ökonomische Bildung, Foucault, Subjektivierung, wis-
senssoziologische Diskursanalyse
Summary: By conducting a discourse analysis (SKAD) in the field of academic economics textbooks,
this paper aims at reconstructing meaning structures offered to undergraduate students. The study finds
three major structures, all of which are contextualized theoretically, with prominent reference to the
Foucauldian reflection of the science of Political Economy. Surprisingly, none of them encourages the
student to think critically, as could have been expected in a pedagogical context of western tradition.
Keywords: Economic education, textbook economics, discourse analysis, SKAD, Foucault, subjectiva-
tion
1 Einleitung
Folgt man Gregory Mankiw, Mark Taylor und anderen wichtigen LehrbuchautorInnen
der Volkswirtschaftslehre, so lässt sich eine jede ökonomische Fragestellung einem der
folgenden Bereiche zuordnen: (a) was (b) wie (c) für wen produziert werde (Mankiw/
Taylor 2014, S. 1; Samuelson/Nordhaus 2010, S. 7 f.; Schiller 2008, S. 2, 12). Unabhängig
von der konkreten Ausgestaltung dieser ökonomischen Leitfragen scheint an dieser Ein-
teilung wirtschaftswissenschaftlichen Fragens bemerkenswert, dass die Frage nach dem
»Warum?« eines Produzierens stillschweigend ausgeklammert wird. Damit aber bleibt
der spezifische Sinn ökonomischen Produzierens unbestimmt, da »unbefragt«.
So muss es nicht verwundern, dass die ökonomische Wissenschaft sich selbst im Hin-
blick auf ihre eigene Sinnhaftigkeit ebenso wenig zu reflektieren pflegt.1 Dieser Eindruck
1 Ich verwende den Sinnbegriff als relationale Kategorie, die etwas bezeichnet, an dem ein Verste-
hender teilhaben muss, sofern er oder sie sich sinnvoll auf ein Zu-Verstehendes beziehen (können)
möchte. Dazu gehören neben den Inhalten und Formen insbesondere auch die Zwecke eines Zu-
Verstehenden (hier: des VWL-Studiums). Die Teilhabe daran ist als soziale Praxis dabei sowohl re-
flexiv, wie auch performativ zu verstehen (Wrana 2015).
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zumindest entsteht, wenn man bedenkt, dass Studierende und Angehörige des Faches
mit spezifisch reflexiven Gebieten – wie etwa der Philosophie, Geschichte oder Metho-
dologie (zumindest) ihrer Disziplin – kaum mehr in Berührung kommen.2 Der vorlie-
gende Beitrag möchte gerade vor diesem Hintergrund die Frage nach dem Sinn der
Volkswirtschaftslehre stellen, beschränkt sich dabei jedoch auf das Feld akademischer
ökonomischer Bildung: »Warum VWL studieren?«. Wie sich zeigen wird, lassen sich in
den wichtigsten Lehrbüchern des Faches durchaus Antworten auf diese Sinnfrage finden
– die jedoch fast ausschließlich implizit aufgebracht und stets ohne weitere oder tieferge-
hende Erklärungen verhandelt werden. Dieser Schritt soll am betreffenden Material
nachgeholt werden. Es werden hier somit keine möglichen Sinnangebote erörtert. Viel-
mehr werden sinnstiftende Fragmente ökonomischer Lehrbuchliteratur gesammelt, zu-
sammengeführt und expliziert, die heute noch zu finden sind.
Um diesem Erkenntnisinteresse nachzugehen habe ich mit Mitteln des Forschungs-
programms der wissenssoziologischen Diskursanalyse (WDA) gearbeitet (Keller 2001,
2011, 2013) und einen besonderen Analyseschwerpunkt auf grundlegende »Deutungs-
muster« ökonomischer Lehrbuchliteratur gelegt. In der dadurch ermöglichten Fokussie-
rung auf die bedeutungsstiftende Tiefenstruktur wirtschaftswissenschaftlicher Diskurse
knüpft die vorliegende Arbeit an wissenschaftssoziologische und diskurslinguistische
Arbeiten in und über die Volkswirtschaftslehre an (vgl. für einen Überblick Maeße 2013,
Kap. 4), erweitert diese jedoch um eine Analyse von Lehrbuchinhalten. Diskursanaly-
tisch vorgehende Arbeiten in Bezug auf akademische VWL-Lehrbücher liegen bereits in
begrenztem Umfang bei Zuidhof (2014), Pahl (2011) und Klamer (1990) vor.3 Der spezi-
fische Beitrag des vorliegenden Artikels liegt somit nicht auf methodischer oder theore-
tischer Ebene, sondern vielmehr in der interdisziplinären Fruchtbarmachung wissensso-
ziologischer Diskursanalyse im Gegenstandsbereich akademischer, ökonomischer Bil-
dung. Damit wird die WDA gleichsam in diejenige Disziplin zurückgetragen, mit der
sich auch Foucault eingehend auseinandersetzte und darin die Erforschung gouverne-
mentaler Diskurse der Moderne aufwarf (Foucault 2006).
Im Rahmen der Analyse konnten insgesamt drei sinnstiftende Deutungsmuster re-
konstruiert werden, die als solche je in mindestens drei der insgesamt acht untersuchten
Fälle vorzufinden waren. Neben einem wissenschaftsbezogenen und auf Wahrheit be-
dachtem (Kapitel 3), wurde ebenfalls ein ökonomisch orientiertes und auf Verwertung
des Erlernten zielendes Deutungsmuster (Kapitel 4) gefunden. Ein letztes Muster zielt auf
eine Identitätsstiftung der Studierenden, die diesen eine Form von (Selbst-)Ermächti-
gung verspricht (Kapitel 5). Ich werde alle Deutungsmuster sowohl am empirischen Ma-
terial belegen, als auch in theoretische Diskurszusammenhänge stellen, die eine explizite
Auseinandersetzung mit denselben ermöglichen und anregen sollen. Zunächst umreiße
2 Vgl. für den deutschen Fall die Vollerhebung der Pflichtfächer von grundständigen volkswirtschaft-
lichen Studiengängen in Rebhan (2017).
3 Das Medium des Lehrbuches als solches ist jedoch als Gegenstand diskursanalytischer Forschung
weithin erschlossen (vgl. etwa Olson 1980; Klerides 2010; Macgilchrist 2015).
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ich jedoch kurz den ökonomischen Lehrbuchdiskurs und führe die hier angelegten Ana-
lysedimensionen ein.
2 Der ökonomische Lehrbuchdiskurs und Analysedimensionen
Die hier durchgeführte Diskursanalyse hat die Beantwortung folgender Forschungsfrage
zum Anliegen: »Warum ist es sinnvoll, VWL zu studieren?«. Diese wurde im Rahmen ei-
ner Vollerhebung an die Vorwörter und Einführungskapitel (zumindest Vorwörter und
Kapitel 1, sofern ein einschlägiger thematischer Bezug bestand auch Kapitel 2) der wich-
tigsten internationalen Einführungslehrbücher der Volkswirtschaftslehre gerichtet.4 Die-
ses Sample von Diskursfragmenten zeichnet sich aufgrund eines hohen Standardisie-
rungsgrades der inhaltlichen Ausbildung angehender Volkswirte (Graupe 2013, S. 143 f.;
Beckenbach/Daskalakis/Hofmann 2016, Kap. 7.3 & 7.5) und des Lehrbuches als solchem
(Smith 2000, S. 42 ff.) durch eine starke Homogenität aus. Insofern weist der Lehrbuch-
diskurs auch keine Diskurskoalitionen auf, sondern ist vielmehr als weitestgehend oppo-
sitionsloser, »univoker Diskurs« zu beschreiben. Dies ist in Teilen darauf zurückzufüh-
ren, dass das Genre der ökonomischen Lehrbuchliteratur mit Paul A. Samuelson’s Econo-
mics (1948 zum ersten Mal aufgelegt) eine Art »Archetyp« kennt, an der es über die
zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts weltweit standardisiert entwickelt wurde (Bäuerle
2017, S. 253 f.). Mit seiner Übersetzung in über 41 Sprachen (Skousen 1997, S. 137)
wurde es zum »internationalen Standardwerk der Makro- und Mikroökonomie« (Samu-
elson/Nordhaus 2007, o. S.). Mitte der 1970er Jahre wurde dieses Buch im Hinblick auf
Marktanteile von Campbell McConnell‘s Economics überholt (vgl. Elzinga 1992, S. 874).
Ein dritter vielgelesener Lehrbuchautor ist Gregory Mankiw. 2012 hielten die Lehrbücher
von McConnell (mittlerweile gemeinsam mit Stanley Brue und Sean Flynn herausgege-
ben) und Mankiw (Principles of Economics) gemeinsam 40 Prozent des Marktanteils für
einführende ökonomische Lehrbuchliteratur (vgl. Lopus/Paringer 2012, S. 298). In ei-
nem inhaltlich wie strukturell ohnehin weitestgehend homogenen Diskurs dürfen die
acht hier behandelten Lehrbücher aufgrund ihrer Marktanteile (ebd.), ihrer Auflagenzahl
(eigene Erhebung) und ihrer Verkaufswahrscheinlichkeit auf amazon.com (Zuidhof
2014, S. 159) als »Schlüsseldokumente« (Schmied-Knittel 2013, S. 172 f.) gelten; die drei
hier hervorgehobenen aus den genannten Gründen gewissermaßen als »Schlüsseldoku-
mente der Schlüsseldokumente«.
Ohne an dieser Stelle eine eingehende Analyse der Genese, Akteure und Organisation
des ökonomischen Lehrbuchdiskurses vorlegen zu wollen, seien zwei Facetten seiner Be-
4 Wo es sinnvoll erschien, wurden weitere Textstellen hinzugezogen. Mit »Einführungslehrbüchern«
sind solche gemeint, die in Veranstaltungen wie »Einführung in die VWL« oder »Grundlagen der
VWL«, im englischen Sprachraum »Econ101« verwendet werden. Die hier berücksichtigten acht
Lehrbücher sind folgende: Samuelson/Nordhaus (2010); McConnell/Brue/Flynn (2009); Mankiw
(2015), sowie Mankiw/Taylor (2014) (die beiden Bücher unterschieden sich kaum voneinander);
Miller (2012); Schiller (2008); Gwartneys et al. (2006); Krugman/Wells (2015) und Frank/Bern-
anke/Johnston (2013).
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deutung und Reichweite hervorgehoben: Zum einen handelt es sich um einen wissen-
schaftlichen Spezialdiskurs, der insbesondere Neulinge des Faches adressiert, weiterhin
aber auch für die Disziplin in ihrer Gesamtheit einen paradigmatischen Grundkonsens
stiftet, auf die sich höhere Ausbildungsniveaus und letztlich die Disziplin in ihrer Ge-
samtheit beziehen kann. Im Kontext einer typischen »Lehrbuchwissenschaft« in Kuhn-
scher Diktion ist dem einführenden Lehrbuchdiskurs aus diesem Grund eine wichtige
Rolle im gesamtwissenschaftlichen Diskurs der VWL beizumessen (Bäuerle 2017): Sein
weiteres Publikum ist in diesem Sinne die gesamte Disziplin, sein engeres Studienanfän-
gerInnen. Zum anderen handelt es sich zumindest um einen halböffentlichen »Interdis-
kurs« (Schmied-Knittel 2013, S. 167 f.), wenn nicht gar um einen öffentlichen Diskurs in-
sofern als dass er nicht ausschließlich Fachangehörige der Volkswirtschaftslehre, sondern
eine Vielzahl von Studierenden anderer Fächer adressiert. In diesem Sinne erscheint das
Lehrbuch dann als öffentliches bzw. öffentlichkeitswirksames Massenmedium. So schätzt
etwa Pahl (2011, S. 369) das Verhältnis von ›reinen‹ Ökonomen zu Fachfremden in
Grundlagenveranstaltungen US-amerikanischer Hochschulen auf 2:100. Unter dem
Schlagwort »economic literacy« sind ökonomische Grundlagenveranstaltungen an ame-
rikanischen Colleges mittlerweile als Pflichtfach verankert (Kapeller/Ötsch 2010, S. 17).
In Deutschland ist bei mind. 16,3 % der 2,8 Mio. im Wintersemester 2016/2017 an deut-
schen Hochschulen Immatrikulierten davon auszugehen, dass sie ökonomische Grund-
lagenveranstaltungen hörten (eigene Schätzung auf Grundlage von Statistisches Bundes-
amt 2017, S. 14, 327). Aber auch volkswirtschaftlichen AbsolventInnen ist durch ihre Zu-
gehörigkeit zur »gesellschaftlichen Leitwissenschaft« (Ötsch/Pühringer/Hirte 2018, S.
15) ein bedeutender Einfluss auf wissenschaftsexterne, etwa politische und mediale Dis-
kurse der Gegenwart zu attestieren (Pühringer/Bäuerle/Engartner 2017; Christensen
2017). Zusammengenommen untermauern diese Reichweiten des Lehrbuchdiskurses
seine potentielle Wirksamkeit über akademische Grenzen hinweg, insofern sie als »theo-
retische Ideen und Modelle bzw. expertengestützte Wirklichkeitsinterpretationen in das
Allerweltswissen der Individuen einsickern und ihre Handlungsweisen mehr oder weni-
ger handlungs- bzw. deutungspragmatisch mitformen« (Keller 2011, S. 183). Der ökono-
mische Lehrbuchdiskurs muss vor diesem Hintergrund als ein in hohem Maße instituti-
onalisierter und massenmedial vermittelter gesellschaftlicher Wissensvorrat gelten, des-
sen Inhalte zumindest in wirtschaftsbezogenen Diskursen der Gegenwart vermutet
werden dürfen.
Trotz dieser Prominenz und Reichweite des ökonomischen Lehrbuchdiskurses sind
die Modi seiner Produktion und insbesondere auch seine Akteure weitestgehend uner-
forscht. Gründe dafür sind etwa in einer Diskursmacht von mittlerweile nur noch vier
Lehrbuchverlagen zu suchen, die keine bis wenige Informationen zur Genese und dem
Kontext ihrer Produkte veröffentlichen.5 Hinzu kommt, dass die ökonomische Lehr-
buchforschung ihren Fokus bislang v.a. auf deren Inhalte legt (vgl. beispielhaft Aslanbei-
5 1992 waren auf dem ökonomischen Lehrbuchverlag noch 20 Verlage aktiv (Lopus/Paringer 2012, S.
297 f.). Die vier verbliebenen sind McGraw-Hill Irvin, Pearson Education, Cengage Learning und
Worth.
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gui/Naples 1996; van Treeck/Urban 2016) und Fragen der Diskursproduktion (etwa wis-
senspolitische, institutionelle und ökonomische) unbeantwortet lässt. Dass der Diskurs
keinesfalls alleine von den LehrbuchautorInnen, sondern einem weit verzweigten Netz-
werk akademischer und nicht-akademischer – in jedem Falle kollektiver – Akteure her-
vorgebracht wird, belegen die in den Acknowledgements der Lehrbücher abgedruckten,
umfassenden Listen von beteiligten HochschullehrerInnen wie auch eine erste auf Samu-
elsons Economics bezogene Netzwerkanalyse (Giraud 2014).
Auch die vorliegende Arbeit thematisiert nicht das »Personal der Diskursproduktion«
(Keller 2013, S. 38) und seine »institutionellen Infrastrukturen« (ebd.), sondern widmet
sich vorrangig den Deutungsmustern, die zur grundlegenden Forschungsfrage in Bezie-
hung stehen. Deutungsmuster sind bedeutungsstiftende Diskurselemente, sie »organisie-
ren individuelle bzw. kollektive Erfahrungen und sie implizieren meist Vorstellungen
(Modelle) angemessenen Handelns. Sie stiften dadurch Sinn« (Keller 2011, S. 240). Dabei
verweist der Begriff des ›Musters‹ »auf den Aspekt des Typischen« (ebd.). Dadurch dass
die Frage nach dem Sinn eines volkswirtschaftlichen Studiums an das zentrale Medium
dieses Studiums selbst gestellt wurde, erschien sie gleichsam als eine Frage der Selbstlegi-
timierung entsprechender Literatur. Nachrangig zielte die hier durchgeführte Diskurs-
analyse auf die diskursiv vermittelten Identitätsangebote (Subjektpositionen) und darun-
ter insbesondere diejenigen der durch die Lehrbücher primär Adressierten (Studie-
rende). Der Zusammenhang zwischen Deutungsmustern und korrespondierenden
Identitätsangeboten wird im Folgenden stets fließend thematisiert.
Mit der Fokussierung auf textbasierte Samples ist auch gesagt, dass konkrete Aneig-
nungen der diskursiven Narrationen durch Studierende (oder Lehrende) nicht unter-
sucht wurden, wie dies etwa im Rahmen der empirischen Subjektivierungsanalyse ge-
schieht.6 Außerdem wurden wiederum im Bereich der textbasierten Diskursäußerungen
ausschließlich Lehrbücher und also nicht die potentiellen Auswirkungen dieses Diskur-
ses auf andere Diskurse berücksichtigt.
3 Muster eins: Lerne, was wahr ist!
Warum sollte man Volkwirtschaftslehre studieren? In der siebten Auflage seiner Princip-
les of Economics widmet Gregory Mankiw das gesamte Vorwort eben jener Frage nach
dem Sinn und Zweck einer ökonomischen Ausbildung:
»Why should you, as a student at the beginning of the 21st century, embark on the
study of economics? There are three reasons.
The first reason to study economics is that it will help you understand the world in
which you live. […] The second reason to study economics is that it will make you a
more astute participant in the economy. […] The third reason to study economics is
that it will give you a better understanding of both the potential and the limits of eco-
6 Keller/Schneider/Viehöver (2012); Bosančić (2016); Traue/Pfahl/Globisch (2017); Geimer (2012).
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nomic policy. Economic questions are always on the minds of policymakers in mayors
offices, governors’ mansions, and the White House. […]
Thus, the principles of economics can be applied in many of life’s situations. Whether
the future finds you reading the newspaper, running a business, or sitting in the Oval
Office, you will be glad that you studied economics.« (Mankiw 2015, S. xi; Hervorhe-
bungen L.B.)
Fassen wir zusammen: Die Auseinandersetzung mit den »ökonomischen Prinzipien« ist
unumgänglich, sowohl für jemand, der Fragen an das Funktionieren der ökonomischen
Welt hat (1.), für einen aktiven Teilnehmer dieser ökonomischen Welt (2.), als auch
schließlich für eine/n LenkerIn der Rahmenbedingungen dieser ökonomischen Welt (3.).
Auf allen Ebenen scheint nur dann ein »verständiges« und »verantwortetes« Leben mög-
lich, wenn ein ökonomisches Studium durchlaufen worden ist. Andersherum formuliert:
»Ökonomisches« wirkt auf all diesen Ebenen, also scheint ein Wissen um die Funktions-
weisen desselben auch für alle hier beschriebenen Bereiche relevant. Zu TrägerInnen die-
ses Wissens müssen schließlich auch alle hier durch Identitätsangebote angelegten Sub-
jekte werden: WissenschaftlerInnen (1.), ökonomisch Handelnde (2.) und (lenkende)
PolitikerInnen (3.).7
Samuelson und Nordhaus beschränken die Gründe für die Auseinandersetzung mit
ihrem Lehrbuch vor dem Hintergrund einer solchen Universalität des Ökonomischen
auf nur einen einzigen Grund:
»as we have come to realize, there is one overriding reason to learn the basic lessons
of economics: All your life – from cradle to grave and beyond8 – you will run up
against the brutal truths of economics.« (Samuelson/Nordhaus 2010, S. 3)
Diese Aussage wird schließlich noch verstärkt: »Of course, studying economics will not
make you a genius. But without economics the dice of life are loaded against you« (Samu-
elson/Nordhaus 2010, S. 3). Ganz gleich, an welchem Ort oder zu welcher Zeit man lebt:
die »brutalen Wahrheiten« der Ökonomie bilden einen unhintergehbaren Untergrund
des Handelns, mit dem ein/e jede/r umzugehen hat. In unterschiedlichsten Situationen
haben Menschen in ihrer Rolle als ›Je-schon-Betroffene‹ ihr ganzes Leben lang mit Ge-
setzmäßigkeiten zu tun, die sie ignorieren und vergessen können, die dadurch jedoch
niemals aufhören werden zu wirken. Wie durch eine unsichtbare Geisterhand gelenkt,
7 Wie sich zeigen wird, sind damit von Mankiw bereits »in a nutshell« alle gefundenen Deutungsmus-
ter und Subjektpositionen eingeführt. Zu ihrer möglichen Synthese auf Musterebene siehe Kapitel 6.
8 Das Jenseits taucht in der deutschen Übersetzung nicht auf (vgl. Samuelson/Nordhaus 2007, S. 17).
In einem wissenschaftstheoretischen Sinne geht es bei dem »beyond« um den Geltungsbereich öko-
nomischer Theorie. Wird ökonomischen Gesetzen eine metaphysische Qualität zugewiesen, so wal-
ten diese in allen denkbaren Sphären des Seins, also auch für ein mögliches Sein nach der »Bahre«.
Zu den ontologischen Grundlagen ökonomischen Denkens vgl. Brodbeck (2011). Zu den religiö-
sen Tendenzen, bzw. Hintergründen ökonomischen Denkens vgl. Held/Kubon-Gilke/Sturm (2007);
Agamben (2014); Nelson (2001).
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Beltz Juventa | Zeitschrift für Diskursforschung Heft 3/2018
312 Bäuerle
wirken ökonomische Gesetze unentwegt in der Sphäre menschlichen Handelns, gleich
Naturgesetzen:
»Most of us make sensible decisions most of the time, without being consciously
aware that we are weighing costs and benefits, just as most people ride a bike without
being consciously aware of what keeps them from falling. Through trial and error, we
gradually learn what kinds of choices tend to work best in different contexts, just as
bicycle riders internalize the relevant laws of physics, usually without being conscious
of them.« (Frank/Bernanke/Johnston 2013, S. 7)
Wer eine Kosten-Nutzen-Analyse im richtigen Kontext richtig anzuwenden weiß, der
wird sich leichter tun, in seinem Lebensvollzug nicht ständig auf den Boden der Tatsa-
chen zu fallen, sondern die verborgenen Mechanismen desselben zu verstehen und zu
berücksichtigen. Ein paar Seiten später formulieren Frank, Bernanke und Johnston (mit
Bezug auf eine weitere Naturwissenschaft, die Biologie) ein Versprechen um ein tief grei-
fendes Verständnis der Funktionsweise »gewöhnlicher menschlicher Existenz«:
»Learning a few simple economic principles [...] enables us to see the mundane details
of ordinary human existence in a new light. Whereas the uninitiated often fail even to
notice these details, the economic naturalist not only sees them, but becomes actively
engaged in the attempt to understand them.« (Frank/Bernanke/Johnston 2013, S. 17)
Foucault hat in seinen Vorlesungen zur »Geburt der Biopolitik« (Foucault 2006) heraus-
gearbeitet, dass eine verborgene Welt von Gesetzmäßigkeiten und Funktionsweisen
menschlichen Handelns als Legitimationsgrundlage für die schiere Existenz der Politi-
schen Ökonomie als Wissenschaft konstitutiv war. Die Wirtschaftswissenschaften, so
Foucault, taten sich in ihrer Entstehungsphase für Regierende als Ratgeber und Be-
schränker hervor; als ein Feld des Wissens, das die dem alltäglichen Auge verborgenen
Wahrheiten des gesellschaftlichen Zusammenlebens kennt:
»Es gibt eine Natur, die den Gegenständen des Regierungshandelns eigen ist. Es gibt
eine Natur, die diesem Regierungshandeln selbst eignet, und die politische Ökonomie
wird diese Natur erforschen. [...] Sie ist die andere Seite von etwas, dessen sichtbare
Seite, sichtbar für die Regierenden, ihr eigenes Handeln ist. [...] So ist es beispielsweise
ein Naturgesetz, erklären die Ökonomen, daß die Bevölkerung sich beispielsweise zu
den höchsten Löhnen hin bewegt; es ist ein Naturgesetz, daß ein bestimmter Zolltarif,
der die hohen Lebenshaltungskosten schützt, auf verhängnisvolle Weise so etwas wie
einen Mangel oder Armut nach sich zieht.« (Foucault 2006, S. 33 f.)
Die Politische Ökonomie sieht also hinter jeder Form von »Regierungshandeln« einen
zweiten Phänomenenbereich, gewissermaßen eine Gesetzesebene dieses Handelns. Diese
kann man zwar nicht sehen, man kann sie aber mithilfe abstrakter Methoden erfassen. Es
sind dies die Methoden der ÖkonomInnen. Durch ihre Fähigkeit, Wahres von Falschem
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zu unterscheiden, gelangten diese alsbald in die Position, richtiges von falschem Handeln
unterscheiden zu können; und zwar richtig in dem Sinne, dass tatsächliches Handeln mit
den verborgenen Prinzipien in Einklang stehen (Foucault 2006, S. 33 f.). Wahrheit wurde
so zum zentralen Kriterium richtigen Handelns. Und der spezifische Ort der Moderne,
an dem um die Erkenntnis dieser Wahrheit gerungen wird, ist die Wissenschaft der Poli-
tischen Ökonomie. Mittlerweile zu einer Lehrbuchwissenschaft herangewachsen, sehen
wir im 21. Jahrhundert, dass sie immer noch von diesem traditionsreichen Selbstver-
ständnis zehrt. Heute bietet sie nicht (nur) den Regierenden, sondern jedem/r Interes-
sierten einen Blick für die Gesetze menschlichen Handelns:
»We hope you will find that, in addition to being useful, economics is even a fascinat-
ing field. Generations of students, often to their surprise, have discovered how stimu-
lating it is to look beneath the surface and understand the fundamental laws of eco-
nomics.« (Samuelson/Nordhaus 2010, S. 3; Hervorhebung L.B.)
Der zentrale Sinn einer ökonomischen Ausbildung findet diesem Deutungsmuster ge-
mäß seine Grundlage in der Existenz eines Phänomenenbereiches ökonomischer Ge-
setze, die im alltäglichen Leben schalten und walten. Das Deutungsmuster hat insofern
eine starke klassifikatorische Seite, als dass diskursiv ein eigener Phänomenenbereich ge-
schaffen wird, der die Erfahrung (und Beforschung) von Wirklichkeit maßgeblich verän-
dert: Jeder gewöhnlichen Alltagserfahrung ist nun ein kausaler, gesetzesmäßiger Grund
vorgeordnet, der mithilfe wirtschaftswissenschaftlicher Methoden erforscht werden
kann. Diese Gesetze haben die Qualität raum- und zeitunabhängiger, d.h. unveränderli-
cher, Wahrheiten.9 Ökonomische WissenschaftlerInnen haben es in einer 250 Jahre wäh-
renden Tradition vermocht, diese Wahrheiten zu erkunden und festzuhalten. Das Destil-
lat dieses Findungsprozesses wird nun in Form von Lehrbüchern auch Neulingen zur
Verfügung gestellt. Ein Studium der Volkswirtschaftslehre ist deswegen sinnvoll, weil es
ein Wissen um die wahren ökonomischen Gesetzmäßigkeiten bereithält. Ein bewusstes
und wahrheitsgemäßes Leben, auch dies impliziert der universale Charakter ökonomi-
scher Wahrheiten, kann nur derjenige führen, der die ökonomischen Prinzipien in Form
einer abstrakten Denkweise erlernt hat. Als korrespondierendes Identitätsangebot wird
9 In dieser Qualität kommen sie nach der Einteilung von Grimm/Kapeller (2016, S. 18 f.) dem »apri-
orischen« (oder nach Albert (1963): »platonistischen«) Wahrheitsbegriff am nächsten. Gleichwohl
sind sie stets an das Bild eines linearen Wissenschaftsstromes ökonomischen Denkens gekoppelt,
einer kohärent-kumulativen Tradition (Kuhn 1996, S. 137 f.). Insofern liegt in der ökonomischen
Lehrbuchwissenschaft m.E. ein Hybrid aus »apriorischen« und »kohärenztheoretischen« Wahr-
heitsverständnissen vor. Darüber hinaus, dies wird das Kapitel 5 zeigen, erhält der Wahrheitsbe-
griff unter Hinzunahme von Aspekten der Macht einen funktionalen Charakter. Diese dritte Fa-
cette ließe sich in der Einteilung von Grimmes/Kapeller wohl am ehesten unter der »performativen
Wahrheit« verbuchen, wenngleich die Foucaultschen Reflexionen des Wahrheitsbegriffes darüber
hinaus weisen. Die Grimmes-Kapellersche Klassifizierung sieht jedoch insbesondere keinen evi-
denzbasierten Begriff von Wahrheit vor, der für die Entwicklung eines wirklichkeitsorientierten
und erfahrungsbasierten Wissenschaftsverständnisses jedoch maßgebliche Impulse liefern könnte
(Masschelein 2010, S. 51; 2000, S. 606).
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der/die ÖkonomIn (und nur er/sie!) eingeführt; diese/r ist im Besitz des genannten Wis-
sensvorrates und er bildet gewissermaßen das personifizierte Zielbild des hier betroffe-
nen Bildungsprozesses.
4 Muster zwei: Lerne, was sich lohnt!
Das nun folgende zweite Deutungsmuster lässt sich nicht nur aus den Inhalten ökonomi-
scher Lehrbuchliteratur rekonstruieren, sondern ist maßgeblich auch in ihren Formen
(also ihrem Aufbau, ihrer Gestaltung, etc.) zu finden. Darin verweist es auch auf die Ei-
genheiten anderer Formelemente des ökonomischen Studiums der Gegenwart (Curri-
cula, Prüfungsmodalitäten, etc.). Diesen Doppelcharakter verhandle ich im Folgenden
maßgeblich auf Grundlage expliziter Lehrbuchzitate selbst.
Das Lehrbuch von Gwartney et al. enthält ein eigenes Kapitel »Economics as a ca-
reer«, in dem AbsolventInnen Jahresgehälter von 75.000 bis 90.000 US-Dollar in Aussicht
gestellt werden (Gwartney et al. 2006, S. 2; siehe auch Miller 2012, S. 2.). Sinnvoll ist das
Studium diesem Kapitel gemäß deswegen, weil es ein hohes (zukünftiges) Einkommen
abzuwerfen in der Lage ist. Weitaus häufiger findet sich in den Lehrbüchern der Zwil-
lingsgedanke zu dieser Einkommensbetrachtung: so erlaubt das Studium, negatives Ein-
kommen (also Kosten) zu vermeiden. Schiller legt seinen LeserInnen diesen Gedanken
unmittelbar nahe, indem er rät, noch die kleinste Studiensituation vor dem Hintergrund
ihrer Opportunitätskosten zu erwägen:
»Even reading this book is costly. That cost is not measured in dollars and cents. The
true (economic) cost is, instead, measured in terms of some alternative activity. What
would you like to be doing right now? The more time you spend reading this book,
the less time you have available for that alternative use of your time. The opportunity
cost of reading this text is the best alternative use of your scarce time. […] Hopefully,
the benefits you get from studying will outweigh that cost. Otherwise this wouldn’t be
the best way to use your scarce time.« (Schiller 2008, S. 6)
In Bildungsangelegenheiten, so klingt es hier an, sind rationale Entscheidungen10 im obi-
gen Sinne ebenso möglich, wie in allen anderen Lebensbereichen auch. Schließlich un-
terliegen auch sie den ökonomischen Gesetzmäßigkeiten. Weil optimale Entscheidungen
möglich sind und das Studium der Volkswirtschaftslehre Werkzeuge zur Herbeiführung
solch optimaler Entscheidungen bereithält, wird sich dieses Studium ›lohnen‹. Mehr
noch: Wer es versäumt, dieses Wissen (richtig) einzusetzen handelt nicht entscheidungs-
10 Wenn im Folgenden von »ökonomischem« und/oder »rationalem« Denken, Entscheiden oder Han-
deln die Rede ist, so ist damit stets die enge Definition Beckers gemeint, in der die Anwendung ei-
nes maximierenden Kalküls auf Grundlage einer feststehenden Präferenzordnung in einem je schon
angenommenen Kontext einer kompetitiven Marktumgebung das spezifisch »ökonomische«, bzw.
»rationale« anzeigt (Becker 1978, S. 4 f.). Dabei handelt es sich, intra- wie interdisziplinär betrachtet,
um ein hochgradig selektives Verständnis von Ökonomie und Rationalität (Dürmeier/von Egan-
Krieger/Peukert 2006; Maurer/Schimank 2011).
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optimal und damit falsch. Somit wird maximal gewinnbringendes Handeln in den Rang
einer Norm erhoben. Der Sinn des Studiums liegt diesem Deutungsmuster gemäß nicht
mehr im Verständnis ökonomischer Gesetzmäßigkeiten, sondern vielmehr in ihrer nutz-
bringenden Verwertung. Was für die Ingenieurswissenschaften zutrifft, gilt ebenso auch
für die Wirtschaftswissenschaften: Wenn (ökonomische) Gesetze schon unabhängig von
Raum und Zeit gelten und wir sie insofern auch nicht ändern können, so bleibt immer
noch die Möglichkeit, sie uns wenigstens zunutze zu machen.11 Und das Maß dieses Nut-
zens findet der/die angehende ÖkonomIn, in geldwertem Einkommen. Es zu steigern
und/oder seine Verminderung zu vermeiden, lernt der Studierende der Volkswirtschaft-
slehre: »In the business world, the power of economic analysis can help you increase your
competitive edge as an employee or as the owner of a business« (Miller 2012, S. 2).
Doch ist die Auseinandersetzung mit den Lehrbüchern nicht nur deswegen lohnend,
weil diese ein rentables Wissen vermitteln. In einem weiteren Sinne ist sie auch deswegen
lohnend, weil die Lehrbücher selbst bereits nach optimierenden Kriterien ausgestaltet
wurden:
»Our textbook grew out of our conviction that students will learn far more if we at-
tempt to cover much less. Our basic premise is that a small number of basic principles
do most of the heavy lifting in economics, and that if we focus narrowly and repeat-
edly on those principles, students can actually master them in just a single semester.«
(Frank/Bernkanke/Johnston 2013, S. vii)
Das Lehrbuch von Frank/Bernkanke/Johnston ist gerade deswegen so effizient, weil es
sich auf die wichtigsten Gedanken beschränkt und damit das Wesentliche in weniger Zeit
übermitteln kann. In dieser optimierten Form deutet sich ein wesentlicher Aspekt des
hier beleuchteten Verwertungsmusters an, auf den ich mich im Folgenden fokussieren
möchte, um erst gegen Ende des Kapitels wieder auf die Inhalte der Lehrbücher zurück-
zukommen.
So durchzieht und strukturiert ein spezifisches ökonomisches Denken im obigen
Sinne das Feld ökonomischer Bildung über die Inhalte von Lehrbüchern hinaus an ver-
schiedensten Stellen. Der Herstellungsprozess eines Lehrbuches selbst kann in diesem
Sinne als von ökonomischen Leitsätzen geprägt beschrieben werden (Pinto 2007, insb. S.
108 ff.; Macgilchrist 2015). Die Vermittlung von Lehrbuchinhalten im Hörsaal wird wie-
derum begünstigt durch das Angebot ausgearbeiteter Powerpoint-Foliensätze, die der
Lehrende nicht eigens entwickeln und damit wertvolle Forschungszeit opfern muss: »af-
ter a while, the marginal cost of preparing to teach a traditional principles class drops to-
ward zero while the marginal cost of preparing to teach a social issues course remains re-
latively high« (Grimes 2009, S. 98; zitiert nach Kapeller/Ötsch 2010, S. 19). Als Lehrver-
anstaltung überhaupt angeboten wird demnach nur dasjenige, was in der Vorbereitung
am wenigsten Kosten produziert. Die ökonomische Ordnung des Feldes zieht sich so-
11 In diesem Sinne knüpft das Deutungsmuster an ein traditionsreiches Motiv der ökonomischen Wis-
senschaft als Kunstlehre an (Jonas 1964, S. 13 ff.).
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dann weiter bis in die Prüfungsformen. So sei es in der ökonomischen Bildung insbeson-
dere aus Kostengründen angebracht, die Prüfungsform der Klausur zu wählen: »Multi-
ple-choice tests are a staple of assessment in economics classes, especially in large enroll-
ment introductory classes, where they are nearly mandated by cost considerations«
(Becker 2000, S. 116). Der Kostenfaktor – die Größe der Einführungskurse – kann aber
selbst bereits als kostenoptimal ermittelt bezeichnet werden:
»How many students are in your introductory economics class? Some classes have just
20 or so. Others average 35, 100, or 200 students. At some schools, introductory eco-
nomics classes may have as many as 2,000 students. What size is best? If cost were no
object, the best size might be a single student. [...] Why, then, do so many introduc-
tory classes still have hundreds of students? The simple reason is that costs do matter.
[...] In choosing what size introductory economics course to offer, then, university ad-
ministrators confront a classic economic trade-off.« (Frank/Bernanke/Johnston 2013,
S. 3 f.)12
Miller unterstreicht die Nützlichkeit ökonomischer Prinzipien seinerseits am Beispiel der
Ermittlung einer optimalen Lernzeit für Klausuren (Miller 2012, S. 2). Der sie umge-
bende Lernkontext wurde also nach denjenigen Prinzipien gestaltet, die VWL-Studie-
rende im Rahmen ihrer Vorlesungen zu hören bekommen. Die Inhalte des Studiums
werden dem adressierten Publikum somit unmittelbar am Beispiel seiner eigenen Studie-
nerfahrung nähergebracht. Der Modus der Diskursproduktion ist identisch mit den da-
rin gemachten Erfahrungen und schließlich auch mit den darin vermittelten Diskursin-
halten. Formen und Inhalte des VWL-Studiums scheinen deckungsgleich aufeinander zu
liegen. Mehr noch: Die Formbeispiele belegen die Sinnhaftigkeit des inhaltlich zu Ler-
nenden.
Das Deutungsmuster »Lernen, was sich lohnt« meint somit nicht nur, dass sich das
Gelernte für Studierende lohnt (und formuliert entsprechende Handlungsempfehlun-
gen). Eine effiziente Prozessgestaltung von Bildung lohnt sich letztlich für alle daran Be-
teiligten. In diesem Sinne muss der internationale Lehrbuchmarkt auch als ungemein
profitables Feld in den Blick genommen werden. Nasar (1995) gibt alleine für den ameri-
kanischen Markt an, dass auf ihm ca. 50 Mio. US-Dollar im Jahr eingespielt werden.
Lehrbuchautoren wie Joseph Stiglitz (350.000 US-Dollar) oder Gregory Mankiw (1,4
Mio. US-Dollar) erhielten von ihren Verlagen bemerkenswerte Vorschüsse. Alleine das
Lehrbuch von McConnell/Brue hatte im Zeitraum von 1962 bis 1995 jährliche Verkaufs-
zahlen von 150.000 Exemplaren zu verzeichnen (ebd.). Dabei sind bei diesen Zahlen die
Erlöse der internationalen Übersetzungen noch nicht einkalkuliert. Ökonomische Bil-
dung scheint angesichts dieser Zahlen in erster Linie unter Verwertungs- und nur zweit-
rangig unter Bildungs- oder Wissenschaftsaspekten interessant zu sein. Dieser Gedanke
liegt etwa auch dem aus den USA stammenden Instrument sog. »Deans-Listen« zu-
12 Zur Beschreibung der Wirtschaftswissenschaften als »Massenfach« vgl. HRK 2016, S. 9. Mit dersel-
ben korreliert das Bild der Hochschule als »Massenuniversität« (Rüttgers 1997, S. 17165).
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grunde. Wer durch exzellente Prüfungsleistungen einen Platz darauf ergattert, dem/der
winken Unternehmergespräche und Praktika bis hin zu Jobangeboten. Durch solcherlei
Arrangements wird ein direkter Eintausch gut benoteter ECTS-Punkte in ein hohes Ein-
stiegsgehalt ermöglicht.
Woher aber stammt dieses ökonomisch gegründete Verständnis von Bildungsprozes-
sen? Wenden wir uns in einem nächsten Schritt den politischen und theoretischen
Grundlagen gegenwärtiger akademischer Bildung in Europa zu.
Die Studiensituation hat sich für Studierende an europäischen Hochschulen mit der
Verabschiedung der »Bologna-Erklärung« im Jahre 1999 durch 29 europäische Bildungs-
ministerInnen grundlegend verändert. Aus einer heterogenen Hochschullandschaft, die
von unterschiedlichen Abschlüssen und Bildungskulturen geprägt war, sollte durch eine
tiefgreifende Hochschulreform binnen elf Jahren ein einheitlicher europäischer Hoch-
schulraum werden (Europäische Bildungsminister 1999). Die Bologna-Reform wirkt da-
bei im eigentlichen Wortsinn über eine Änderung der Bildungsformen (wenngleich in
ihrem Zuge sicherlich auch Bildungsinhalte überholt wurden). Der Verwertungsgedanke
hält Einzug ins europäische Hochschulsystem über die unternehmerische Ausgestaltung
von Bildungsformen und -institutionen: über die einheitliche Systematisierung und
Messbarmachung von Studiengängen, Hochschulen und ganzen Bildungsräumen. Um in
einem rationalen Sinne bearbeitbar zu werden, wird es daher zur Notwendigkeit, das
akademische System in Maß und Zahl zu bringen. Standardisierungen aller Art, vom
ECTS-Punkt bis hin zu neuen Besoldungskategorien, werden in der Folge der Reform
wie ein Netz über die europäischen Bildungssysteme geworfen, um sie in einheitlichen
Kategorien vergleichbar zu machen. »Am Horizont des Weltmarktes für Bildung und
Wissenschaft« (Friedrich 2001, S. 247) soll es dieses Raster erlauben, optimale Entschei-
dungen zu treffen. Diese spezifische Ausformung des Bildungswesens lässt sich als ihre
»Ökonomisierung« umschreiben.13
Eine theoretische Schlüsselkategorie, die diesen Ökonomisierungsprozess mal impli-
zit mal explizit prägt, ist die des »Humankapitals«. Ihre Rekapitulation soll nun dabei hel-
fen, nicht nur das Reform-Muster des Bologna-Prozesses, sondern auch das in diesem
Kapitel beleuchtete Deutungsmuster ökonomischer Lehrbuchliteratur zu verstehen. Der
Begriff des Humankapitals spielt bei der Ausbildung des Europäischen Hochschulraumes
und der Anpassung seiner Ausbildungsprogramme eine entscheidende Rolle (vgl. die
oben genannten Dokumente des Reform-Diskurses). Was aber hat es mit diesem Begriff
auf sich und welches Verständnis von Bildung ist ihm inhärent?
Der Begriff des Humankapitals entsteht im Rahmen des sich Ende der 1950er Jahre
entwickelnden Forschungsprogramms der »Economics of Education«. Es wird maßgeb-
lich von ÖkonomInnen der Universität von Chicago entworfen und ist damit den impe-
rialen Bestrebungen der »Chicago School of Economics« zuzuordnen, die sich die Aus-
dehnung ökonomischer Analysewerkzeuge auf die Gesamtheit sozialer Phänomene zur
Aufgabe gesetzt hat: »economics is an imperial science: it has been aggressive in addres-
13 Für einen Überblick siehe Liesner (2014); Liesner/Sanders (2005); Maeße (2010); Faschingeder et al.
(2005).
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sing central problems in a considerable number of neighboring social disciplines, and wi-
thout any invitations« (Stigler 1984, S. 311). Erstmals taucht der Begriff in einem Aufsatz
von Jacob Mincer (1958) auf (Foucault 2006, S. 307). Er wird in der Folge zunächst von
Theodore Schultz und Gary Becker aufgegriffen. Diese drei Chicagoer Ökonomen gelten
daher als die Begründer der Humankapitaltheorie.
Ihr Ausgangspunkt war die Feststellung, dass der Begriff der »Arbeit« im ökonomi-
schen Denken seit der Gründerzeit der Politischen Ökonomie Ende des 18. Jahrhunderts
keine substantielle Durchleuchtung erfahren hat. So hätten ÖkonomInnen bislang Arbeit
zwar durchaus als einen wesentlichen Faktor von Wohlstandsbildung erfasst, diesen je-
doch erstens rein technisch als Variable für aufgebrachte Arbeitsstunden und zweitens
stiefmütterlich im Vergleich zu nicht-menschlichen Kapitalsorten (Land und physisches
Kapital, wie bspw. Maschinen) behandelt (Schultz 1959, S. 110). Dieses Versäumnis ziehe
sich von Smith über Marx bis hin zur keynesianischen Tradition und liege u.a. auch in
einem verkürzten Kapitalbegriff begründet, der lediglich dasjenige Kapital berücksich-
tige, das auf Märkten zum Kauf und Verkauf angeboten werde (ebd., S. 111). Die Chica-
goer Ökonomen stellen sich daher in die Tradition der 1906 formulierten Kapitaldefini-
tion von Irving Fisher, nach der all dasjenige als Kapital bezeichnet wird, was ein zukünf-
tiges Einkommen abzuwerfen in der Lage ist (Foucault 2006, S. 311 f.).
Das intellektuelle Versäumnis bisheriger ÖkonomInnen habe dazu geführt, dass ein
Großteil individuellen und gesellschaftlichen Wohlstandes und dessen Triebkräfte nicht
erkannt und damit auch nicht abgebildet würden. Der Faktor Arbeit sei nicht einfach nur
eine Funktion aufgebrachter Arbeitsstunden, vielmehr werde unablässig in die Qualität
dieser Arbeit investiert, von Individuen selbst ebenso wie von Staaten und Unternehmen
(Schultz 1960, S. 571). Die Wege der Investition in Humankapital sind dabei vielfältig:
Bildung, Gesundheit, Mobilität oder Flexibilität, ebenso wie die Opportunitätskosten ei-
ner Ausbildung (während der Ausbildungszeit entgangene Löhne) und berufsbeglei-
tende Ausbildungen beförderten täglich und weltweit die Qualität des Produktionsfak-
tors Arbeit, ohne dass davon theoretische oder statistische Notiz genommen würde
(Schultz 1961, S. 1). Schultz wagt es bereits in seinen ersten Papieren, die Größenordnung
dieser bislang unbeachtet gebliebenen Quelle von Kapitalbildung in Höhe des nicht-
menschlichen Kapitals einzuschätzen (ebd., S. 12). Der Mensch selbst wurde in seiner
›Kapitalartigkeit‹ übersehen, so die einhellige Diagnose der »Economics of Education«.
Den Menschen selbst als Träger und Fürsorger seines eigenen Kapitals zu sehen,
brachte vollkommen neue Denkwege mit sich. Zuvorderst wurden damit die klassischen
Archetypen des Kapitalbesitzers, bzw. der Kapitalbesitzerin auf der einen Seite und des
Arbeiters, der Arbeiterin auf der anderen obsolet: »Laborers have become capitalists not
from a diffusion of the ownership of corporation stocks, as folklore would have it, but
from the acquisition of knowledge and skill that have economic value« (ebd., S. 3.). Ar-
beiterInnen sind nunmehr ihre eigenen UnternehmerInnen, die ihre Kapitalbildung
durch verschiedenste Entscheidungen optimieren können: Entscheide ich mich für die-
sen oder jenen Studiengang? Bringt mir ein Studium am Ende des Tages überhaupt mehr
Einkommen ein? Steigert eine zweisprachige Erziehung meines Kindes dessen Hu-
mankapital? All diese Fragen werden im Rahmen der Humankapitaltheorie vor dem
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Hintergrund der einen Frage verhandelt: Kann ich von einer Entscheidung eine Einkom-
menssteigerung14 erwarten?
Als Fragen einer ökonomischen Rationalität finden sie nicht im luftleeren, kostenlo-
sen Raum statt, sondern unter der Rahmenbedingung einer Welt knapper Ressourcen
(Becker 1962, S. 11). Die bedeutendste dieser knappen Ressourcen ist dabei die Zeit
(Mincer 1958, S. 284). Jede Entscheidung wird in diesem Gedankenspiel zur Investition
in sein/ihr eigenes Kapital oder – auch dies impliziert die Theorie – zur verpassten Inves-
tition (ebd.). Das ganze Leben wird somit zur Unternehmung, Menschen werden zu Un-
ternehmerInnen ihrer selbst (vgl. nächstes Kapitel). Die wichtigste Investition, die sie als
solche tätigen können, ist diejenige in ihre eigene Ausbildung:
»The time and effort of students may usefully be approached as follows: (1) Students
study, which is work, and this work, among other things, helps create human capital.
Students are not enjoying leisure when they study, nor are they engaged wholly in
consumption; they are here viewed as ›self-employed‹ producers of capital.« (Schultz
1960, S. 573)
Mit der Humankapitaltheorie werden jegliche Bildungsbemühungen dem Zweck der
ökonomischen Verwertbarkeit untergeordnet. Ziel von Bildung ist es, ein höheres Ein-
kommen zu erreichen. Damit wird implizit das Feld der Pädagogik dem Feld der Ökono-
mie unter- oder eingeordnet. Folgerichtig verwendet Schultz den Begriff »human invest-
ment« synonym mit »education« (Schultz 1961, S. 4.). Was sich systematisch oder auf der
individuellen Entscheidungsebene zeigt, tritt auch bei makroökonomischen Entschei-
dungen im Hinblick auf ein ganzes Bildungssystem zutage. Schulen und Hochschulen
sind nicht mehr Teil eines Bildungswesens sondern einer »›Bildungsökonomie«. Bil-
dungsinstitutionen werden mit der Humankapitaltheorie zu Produktionsstätten. Ihre
Produkte sind ausgebildete, d.h. mit Kompetenzen ausgestattete Menschen (Becker 1962,
S. 25). Und wie jedes Produkt kennt auch das Produkt »qualifizierter Mitarbeiter« Pro-
duktionsfaktoren, durch das es zusammengesetzt wird:
»Ideally, we want a measure of the annual flow of the inputs employed for education.
This flow consists of the services of teachers, librarians, and school administrators, of
the annual factor costs of maintaining and operating the school plant, and of depre-
ciation and interest.« (Schultz 1960, S. 577)
Humankapital wird jedoch nur insofern gebildet, als dass die erworbenen Fertigkeiten
auf dem Arbeitsmarkt verwertbar sind. Oder, um es in der Terminologie der vorliegen-
den Arbeit zu sagen: ›Sinnvoll‹ ist (ökonomische) Bildung nur dann, wenn das dort Er-
14 Gemeint ist das über die gesamte Lebensdauer aggregierte, reale Einkommen. Damit taucht auch
die Frage einer optimalen Lebensdauer auf, die ebenfalls mithilfe ökonomischer Analyse zu lösen
ist: »According to the economic approach, therefore, most (if not all!) deaths are to some extent ›sui-
cides‹ in the sense that they could have been postponed if more resources had been invested in pro-
longing life« (Becker 1978, S. 9 f.).
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lernte zu einer Steigerung eines zukünftigen Einkommens führt. (Ökonomische) Bil-
dung erhält ihre Legitimation in der ökonomischen Verwertbarkeit des dort Erlernten.
Bildung, die keinen »return on investment« verspricht, ist in der Perspektive der Hu-
mankapitaltheorie daher ›sinnlos‹. Diesem Verständnis konsequent folgend wird kultu-
relle Bildung als Konsum aufgefasst (Schultz 1961, S. 4). Makroökonomische Investitio-
nen wiederum, so die Empfehlung, seien von öffentlicher und privater Seite so vorzuneh-
men, dass sie möglichst hohe Wachstumsraten der Wirtschaft erzeugen. Schultz erwähnt
bereits 1960 die prinzipielle Möglichkeit, einen direkten Zusammenhang zwischen Hu-
mankapitalinvestitionen und Wirtschaftswachstum zu berechnen, damit auch prognosti-
zieren und in der Folge schließlich eine optimale Investitionshöhe in Bildungsangelegen-
heiten angeben zu können (Schultz 1960, S. 583).15
Mittlerweile hat die Humankapitaltheorie in den großen Einführungswerken der
Volkswirtschaftslehre einen festen Platz inne.16 Damit gehört sie zum festen Korpus öko-
nomischen Denkens, in den die Lehrbücher einzuführen pflegen. Krugman/Wells fassen
den Begriff in eine prägnante Formel: »Human capital is the improvement in labor cre-
ated by education and knowledge that is embodied in the workforce« (Krugman/Wells
2015, S. 544; vgl. auch Frank/Bernkanke/Johnston 2013, S. 339). Gwartney et al. ehren
Gary Becker gar mit einer Informationsbox (»outstanding economist«), in der sie auf
dessen Verdienste um die Humankapitaltheorie hinweisen (Gwartney et al. 2006, S. 532.).
Dass die Theorie einen direkten Bezug zu dem Kontext ihrer Vermittlung aufweist, deu-
tet Mankiw in seinem Beispiel des Humankapitalisten »Studierender« an:
»Education, training, and experience are less tangible than lathes, bulldozers, and
buildings, but human capital is like physical capital in many ways. Like physical capi-
tal, human capital raises a nation’s ability to produce goods and services. Also like
physical capital, human capital is a produced factor of production. Producing human
capital requires inputs in the form of teachers, libraries, and student time. Indeed, stu-
dents can be viewed as ›workers‹ who have the important job of producing the human
capital that will be used in future production.« (Mankiw 2015, S. 530)
Gwartney et al. sprechen ihre LeserInnen ganz explizit als rationale Akteure an, die vor
ihrer Studienwahl eine Kosten-Nutzen-Analyse der verschiedenen Studienfächer unter-
15 Diese Gedanken werden später u.a. die Chicagoer Ökonomen Romer und Lucas dazu inspirieren,
eine »endogene Wachstumstheorie« zu entwickeln, die eben jenen Zusammenhang zwischen Inves-
titionen in Humankapital und dem Wachstum ganzer Wirtschaftsräume in den Blick nimmt.
16 So wird sie in der Regel in den Kapiteln zur Wachstumstheorie (McConnell/Brue/Flynn 2009, S.
10; Mankiw 2015, S. 527 ff.; Frank/Bernanke/Johnston 2013, S. 509 ff.; Gwartney et al. 2006, S. 352;
Schiller 2008, S. 339 ff.; Krugman/Wells 2015, Kap. 24) und der Lohnbildung (Faktormarkt Arbeit)
(McConnell/Brue/Flynn 2009, S. 283 f.; Samuelson/Nordhaus 2010, S. 339, 353 f., 361 f.; Mankiw
2015, Kap. 19-1b; Frank/Bernkanke/Johnston et al. 2013, S. 339 ff.; Gwartney et al. 2006, S. 551 ff.;
Schiller 2008, Kap. 16; Krugman/Wells 2015, S. 544 ff.) aufgegriffen. McConnell/Brue/Flynn (2009,
S. 451 f.) verwenden das Konzept außerdem im Kontext der Ökonomik der Migration und der Ent-
wicklungsökonomik (McConnell/Brue/Flynn 2009, Kap. 39; vgl. auch Schiller 2008, S. 742, 749).
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nehmen und mahnen an: »A rational person will attend college only if the expected fu-
ture benefits outweigh the current costs« (Gwartney et al. 2006, S. 532; vgl. auch Frank/
Bernanke/Johnston 2013, S. 510).
Die Rekonstruktion eines zweiten, inhaltlich angebotenen Deutungsmusters führte
uns über eine Rekapitulation der formalen Rahmenbedingungen akademischer Bildung
schließlich wieder in das diesbzgl. Kapitel von ökonomischer Lehrbuchliteratur zurück.
All jenen Diskursfragmenten ist ein Motiv gemein, namentlich die Gerichtetheit von
(ökonomischer) Bildung auf ökonomische Zwecke. Studierende der Volkswirtschafts-
lehre begegnen dem Deutungsmuster eines lohnenden Studiums sowohl in den Inhalten,
wie auch in den Formen ihrer Ausbildung. Diese Korrespondenz von Inhalt und Form
ernst nehmend, lässt sich das Feld auch als »ökonomisierte ökonomische Bildung« be-
zeichnen. Das korrespondierende Identitätsangebot zu diesem Deutungsmuster ist das
des »unternehmerischen Selbsts«; ein rationales Subjekt, das ökonomisches Grundlagen-
wissen dafür nutzbar macht einem unstillbaren Drang nach Kapitalmehrung (bzw. Ein-
kommenssteigerung) nachzukommen. Dass dieser Drang quasi-naturgesetzlich in ihm/
ihr selbst angelegt ist, lernt das Bildungssubjekt im Rahmen eines dritten Deutungsmus-
ters.
5 Muster drei: Lerne, wer Du bist!
In Kapitel 3 sind wir bei der Suche nach der Begründung einer verwertenden Rationalität
im Studium der Ökonomik auf theoretische Konzepte aus dieser Wissenschaft selbst ge-
stoßen. Im Rahmen der »Economics of Education« wurde seit den späten 1950ern eine
Theorie des Humankapitals entwickelt, welche seitdem tief in die Formen und Struktu-
ren heutiger Bildungskontexte eingesickert ist. Ein entscheidendes Problem trägt diese
Theorie seit ihrer Geburtsstunde in sich, welches uns schließlich zur Erhellung eines drit-
ten Deutungsmusters ökonomischer Bildung führen wird.
Das ›Problem‹ beginnt mit folgender, frühen Feststellung der Humankapitaltheo-
retiker: »Since it [human capital; Anm. L.B.] becomes an integral part of a person, it can-
not be bought or sold or treated as property under our institutions« (Schultz 1960, S.
571). Eine Investition in diese neue Sorte von Kapital wird unmittelbar in die Person hi-
nein »verpflanzt« (Becker 1962, S. 9), in welche investiert wird. Sie ist mit dieser gewis-
sermaßen untrennbar verschränkt und kann nicht, wie beispielsweise eine Maschine,
einfach wieder aus ihr ›herausgenommen‹ und veräußert werden. Eine Verfügungsge-
walt über die Investition besteht insofern nur für denjenigen, in den investiert wurde.
Dritte besitzen diese Gewalt nur, sofern sie in Gesellschaften leben, in denen Sklaverei
nicht unterbunden wird (Schultz 1959, S. 110; zur lehrbuchwissenschaftlichen Tradie-
rung dieses Bildes vgl. Gwartney et al. 2006, S. 532). Die darin liegende ethische Frage-
stellung einmal außen vor lassend, stellt sich aus ökonomischer, bzw. präziser aus unter-
nehmerischer Perspektive die Frage, ob sich eine Investition in einen anderen Menschen
(oder gar die Jugend eines ganzen Landes) lohnt, wenn man in einem Staat lebt, der eine
direkte Verfügungsgewalt über andere Menschen gesetzlich verbietet. In dieser Konstel-
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lation tut sich eine Lücke auf und diese Lücke wird für den Investierenden zum Risiko
(sofern er/sie nicht ausschließlich in sich selbst investiert). Es ist diese beispielhafte Lü-
cke, eine Kontrolllücke, in der Foucault Fragen von Macht verortet. Ich möchte in diesem
Kapitel auf Momente akademischer ökonomischer Bildung hinweisen, die sich bei ge-
nauerer Betrachtung als Formen oder, in der Terminologie Foucaults: als (diskursive)
»Techniken und Technologien der Machtausübung« entpuppen.17
Macht ist in erster Linie ein produktives Phänomen. Sie wirkt nicht repressiv, sie engt
nicht ein oder stutzt zurecht, vielmehr entfaltet sie Bereiche und Rituale, innerhalb derer
man sich bewegen kann (Foucault 1977, S. 250). Der für Foucault wichtigste dieser Berei-
che ist das moderne Subjekt selbst. Das Dispositiv einer Selbstheit besitzt somit für
machtanalytische Zugänge zur Moderne im Anschluss an Foucault konstitutiven Cha-
rakter: »Nicht die Macht, sondern das Subjekt ist deshalb das allgemeine Thema meiner
Forschung« (Foucault 1987, S. 243; 2009; Rose 1998; Bröckling 2007, 2017). Die Produk-
tion von Subjektivität (Subjektivierung) verläuft dabei primär über ein ›wahres‹ Wissen
von Subjektivität: ein Wissen um die Wahrheit seiner selbst, seinen ›wahren Charakter‹,
sein ›wahres Wesen‹, seine ›wahren Triebe‹, seinen ›wahren Kern‹, sein ›wahres Selbst-
bild‹, seine ›wahren Präferenzen‹.
In Kapitel 3 haben wir die ökonomische Lehrbuchwissenschaft als eine Wissenschaft
kennengelernt, die sich der Erforschung unverbrüchlicher Wahrheiten verschrieben
sieht. Sozialen Gefügen liege eine Welt von Gesetzmäßigkeiten zugrunde, die der Mensch
zwar nicht sehen, denen er sich jedoch in der Gestalt abstrakter Methoden nähern kann.
Nun erhalten diese Wahrheiten als Identitätsangebote mit Foucault einen produktiven
Charakter: Sie vermögen es, spezifische Bezugnahmen von Subjekten zu sich selbst und
ihren Kontexten anzuleiten (Foucault 1978). Ausgerechnet die Politische Ökonomie
identifiziert Foucault als diejenige Wissenschaft, die diese Art von Machtentfaltung und
die für die Moderne tonangebenden Subjektivierungsangebote im Wesentlichen mit ent-
wickelt hat (Foucault 2000, S. 49). Mit Verweis auf Friedrich A. Hayek benennt Foucault
es als genuine Eigenschaft des Neoliberalismus amerikanischer (genauer: Chicagoer)
Prägung, dass diese es vermocht hat, ökonomisch-wissenschaftliches Denken in den
Rang eines »allgemeinen Denkstils« gehoben zu haben (Foucault 2006, S. 304 f.; vgl. dazu
Hayek 1980, S. 100). Von den institutionellen Bedingungen einer solchen Einschätzung
einmal abgesehen, scheint dies inhaltlich über eine maximale Entgrenzung neoliberal-
ökonomischen Denkens erreicht:
»Die Ökonomie gilt nicht mehr als ein gesellschaftlicher Bereich mit spezifischer Ra-
tionalität, Gesetzen und Instrumenten, sie besteht vielmehr aus der Gesamtheit men-
schlichen Handelns, insofern dieses durch die Allokation knapper Ressourcen zu
konkurrierenden Zielen gekennzeichnet ist [...] Im Mittelpunkt steht die Analyse men-
schlichen Handelns, das sich durch eine bestimmte, ihm eigene (ökonomische) Ra-
tionalität auszeichnet. Das Ökonomische ist in dieser Perspektive nicht ein fest umris-
17 Der einzige mir bekannte Versuch, das Feld der ökonomischen Lehrbuchwissenschaft mithilfe der
Foucaultschen Gedanken zur Macht zu reflektieren, wurde von Zuidhof (2014) unternommen.
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sener und eingegrenzter Bereich menschlicher Existenz, sondern umfasst prinzipiell
alle Formen menschlichen Verhaltens.« (Bröckling/Krasmann/Lemke 2000, S. 16)
Dieses Erbe ernst nehmend muss es nicht verwundern, dass auch heutige ökonomische
Lehrbuchliteratur ein ökonomisches, von jeglichem sozialen Kontext entbundenes Sub-
jektivierungsangebot bereithält, das – ob gewollt oder nicht – die Möglichkeit birgt,
Handlungsfelder seiner LeserInnen zu beeinflussen.18 Damit scheint es geboten, ökono-
mische Lehrbücher als Medien der politischen Kommunikation zu betrachten und zu
analysieren.19
Zum Zwecke der Führung (gouvernement) muss im Geführten eine bestimmte men-
talité grundgelegt werden. Mankiw/Taylor bereiten die LeserInnen ihres Lehrbuches ex-
plizit auf diese Mentalitätsgrundlegung vor:
»Many of the concepts you will come across in this book are abstract. Abstract con-
cepts are ones which are not concrete or real – they have no tangible qualities. We will
talk about markets, efficiency, comparative advantage and equilibrium, for example,
but it is not easy to physically see these concepts. There are also some concepts that
are fundamental to the subject – if you master these concepts they act as a portal
which enables you to think like an economist. Once you have mastered these concepts
you will never think in the same way again and you will never look at an issue in the
same way.« (Mankiw/Taylor 2014, S. 17)
Die Welt des ökonomischen Wissens liegt in »abstrakten Konzepten« vor, die die Funk-
tion eines »Portals« innehaben. Geht man durch diese Konzepte hindurch, so wird man
die Welt nie mehr mit gleichen Augen sehen (können). Mankiw/Taylor machen in der
Folge deutlich, dass diese Erfahrung mit allem bislang Gedachten und Erfahrenen konf-
ligieren kann, ja muss. Diese Lernerfahrung sei »normal« (ebd.). Schließlich kommen
Studierende währenddessen mit einer Welt in Berührung, die man »physisch« nicht se-
18 Ich werde im Folgenden auf die Foucaultschen Erörterungen zur Kontrollmacht beschränken.
Gleichwohl ließen sich auch die disziplinartheoretischen Erwägungen Foucaults für das Phäno-
men ökonomischer Bildung fruchtbar machen. Zur Unterscheidung siehe Sternfeld 2009: Kap. 4.
Dies gilt für alle von Foucault identifizierten Sozialtechnologien und –techniken der Disziplinar-
macht: Hierarchien, Strafen und Prüfungen. Ihre Anwesenheit brächte durch die sanktionierenden
Wirkungen womöglich eine signifikante Reduktion von verschiedenen Formen des konkreten Um-
gangs mit Subjektpositionen mit sich. Weiterhin ließe sich die zunehmende Digitalisierung ökono-
mischer Lehrangebote, in der der Lernende nicht nur als Subjekt, sondern auch als gläsernes »Ob-
jekt einer Information« (Foucault 1977, S. 257) erscheint durch die disziplinartheoretischen Mög-
lichkeiten erhellen.
19 Von einigen LehrbuchautorInnen ist bekannt, dass sie ihre Bücher in einem politischen Kontext re-
flektieren: »Let those who will write the nation’s laws if I can write its textbooks« (Barnett/Samu-
elson 2007, S. 143). Oder aber Mankiw: »In making these decisions [die Auswahl der Lehrbuchin-
halte, Anm. L.B.], I am guided by the fact that, in introductory economics, the typical student is not
a future economist but is a future voter. I include the topics that I believe are essential to help pro-
duce well-informed citizens« (Mankiw 2016, 170).
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hen kann – es ist die Welt der untergründigen Gesetze des Sozialen, denen man sich nur
mittels abstrakter Methoden nähern kann. Studierende werden dazu angeleitet, sich jene
abstrakte Methoden anzueignen und althergebrachte, auf alltägliche Begriffe bezogene
Deutungsmuster hinter sich zu lassen, die sie bisher zur Ausdeutung sozialer Phänomene
herangezogen hatten: »The challenge, therefore, is to set aside that everyday understan-
ding and think of the term or concept as economists do« (ebd.). Diesen Imperativ finden
wir auch bei Samuelson/Nordhaus:
»Students enter the classroom with a wide range of backgrounds and with many pre-
conceptions about how the world works. Our task is not to change student’s values.
Rather, we strive to help students understand enduring economic principles so that
they may better be able to apply them – to make the world a better place for them-
selves, their families, and their communities.« (Samuelson/Nordhaus 2010, S. xx)
Oder aber bei Gwartney et al.:
»In economics you will learn a new and powerful way of thinking that might lead you
to question some of your current views and to look at things in a different way. [...]
economic analysis provides valuable insights about how the world really works. These
insights, however, often conflict with commonly held beliefs about the way things
›ought‹ to work.« (Gwartney et al. 2006, S. 5, Hervorhebungen L.B.; vgl. auch Miller
2012, S. 5)
Ökonomische Bildung ist somit dann erfolgreich, wenn man die Welt durch sie mit
neuen Augen zu sehen lernt, bzw. genauer: mit den Augen der ÖkonomInnen und nicht
mehr mit den Augen dessen/derer, der/die sich ursprünglich für das Studium entschie-
den hatte. Wie aber denkt man dann über das ›Wirkliche‹ nach? Und insbesondere: Wel-
che Subjektivität ist gemäß den Lehrbüchern die typische und eigentliche?
Studierende werden dazu angeleitet, die Welt durch die Brille eines Selbstunterneh-
mers anzuschauen, welche ihren Archetyp im »homo oeconomicus« vorfindet (Foucault
2006, Vorl. 9; Bröckling 2007, S. 12). Wenngleich keines der untersuchten Lehrbücher
diese ökonomische Anthropologie explizit erwähnt, bildet ihre spezifische ratio gewis-
sermaßen einen Grundton des Genres. Frank/Bernanke/Johnston schaffen dafür eigens
die Kunstfigur des »economic naturalist«:
»Our ultimate goal is to produce economic naturalists – people who see each human
action as the result of an implicit or explicit cost-benefit calculation. The economic
naturalist sees mundane details of ordinary existence in a new light and becomes ac-
tively engaged in the attempt to understand them.« (Frank/Bernanke/Johnston 2013,
S. viii)
Der durch das Lehrbuch angeleitete Bildungsprozess erscheint hier nunmehr als ein Pro-
duktionsprozess, und zwar als ein Produktionsprozess einer bestimmten Form von Sub-
jektivität, einer ökonomischen Subjektivität. Was dieses Subjekt Frank/Bernanke/John-
ston gemäß tut, ist zu rechnen. In den verschiedensten Bereichen des alltäglichen Lebens
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wägt es zwischen Kosten und Nutzen ab – und trifft demgemäß Entscheidungen zu sei-
nen (eigenen) Gunsten. Miller weist darauf hin, dass die Universalität dieses ökonomi-
schen Kalküls sich nicht nur auf verschiedene Lebensbereiche, sondern auch für ver-
schiedene motivationale Strukturen, also das Innere des Menschen selbst erstreckt:
»Self-interest does not always mean increasing one’s wealth measured in dollars and
cents. We assume that individuals seek many goals, not just increased wealth mea-
sured in monetary terms. Thus, the self-interest part of our economic-person as-
sumption includes goals relating to prestige, friendship, love, power, helping others,
creating works of art, and many other matters.« (Miller 2012, S. 6; vgl. auch Gwartney
et al. 2006, S. 5)
Studierende der Volkswirtschaftslehre werden im untersuchten Datensample anhand
von unzähligen Beispielen, Übungsaufgaben und Bildinformationen dazu aufgerufen,
ihr Leben als ökonomische Unternehmung und die darin gemachten Erfahrungen als
Abbilder ökonomischer Gesetze zu verstehen: »Economics touches every aspect of our
lives and the fundamental concepts which are introduced can be applied across a whole
range of life experiences« (Mankiw/Taylor 2014, S. x; Hervorhebung L.B.). Ob in Fragen
von Liebe, Macht oder Kunst, das ökonomische Lehrbuchwissen erlaubt in Anbetracht
der Fülle an Entscheidungen, die das Leben birgt, immer eindeutige, richtige Entschei-
dungswege zu ermitteln. Eine kalkulierende ratio in verschiedenste Bereiche des Lebens
zu tragen und darin immer wieder zur Anwendung zu bringen, wird damit auch zum we-
sentlichen didaktischen Moment ökonomischer Bildung. Am Ende soll das Bildungssub-
jekt dazu in der Lage sein, sich selbst auf der Grundlage der ihm gegebenen Identitätsan-
gebote und korrespondierender Handlungsoptionen führen zu können. Hier zeigt sich,
dass mit Subjektivierungsprozessen und -technologien immer auch ein Gefühl von
Mächtigkeit einhergehen kann. Das seinen Denkmustern unterworfene Subjekt gewinnt
in und mit diesen an Sicherheit und Selbst-Bewusstsein (Schäfer 2004, S. 153).
Das Paradoxe an diesem ökonomischen Subjektivierungsprozess ist die Tatsache,
dass es denjenigen/diejenige, der/die aus diesem Prozess entsteht, schon gibt. In der per-
formativen Befolgung der ökonomisch-kalkulierenden Losung realisiert oder verkörpert
sich eine vormals abstrakte, konzeptionelle Wahrheit (Kap. 3). Der Subjektivierungspro-
zess produziert Subjekte, die immer schon existiert haben – jedoch bislang nur als »Real-
fiktionen«, wie sie Bröckling treffend nennt (Bröckling 2007, S. 35 ff.). Die Eigenart des
durch Lehrbücher angeleiteten Subjektivierungsprozesses reiht sich somit in das typische
Merkmal neoliberaler Führungstechnik ein, die »darauf zielt, eine soziale Realität herzu-
stellen, die [sie] zugleich als bereits existierend voraussetzt« (Bröckling/Krasmann/
Lemke 2000, S. 9). Das hier beleuchtete Deutungsmuster »Lerne, wer Du bist!« bietet ein
Dispositiv an, das sich im Moment seiner Befolgung zugleich als wahr (verstanden im
obigen Sinne) beweist. In diesem Sinne ist es ein »produktives Deutungsmuster«. Zuid-
hof (2014, S. 176 f.) reflektiert neoliberale ökonomische Bildung in Abgrenzung zur klas-
sisch-liberalen in diesem Zusammenhang als »marktkonstruktivistisch«. Im Kontext
ökonomischer Bildung kann man somit nicht nur lernen, wer man ist, sondern man
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kann auch werden, wer man je schon ist. Obgleich man darin eine eigene Individualität
auszubilden vermeint, ist derjenige, der man darin wird in dieser spezifischen Hinsicht
identisch mit allen anderen, die in sozialer Resonanz das Diskursuniversum einer ökono-
mischen Subjektivität hervorbringen und darin leben.
6 Fazit
Wie bereits die letzten beiden Kapitel deutlich zeigten, bergen die hier gefundenen Deu-
tungsmuster m.E. sehr wohl die Möglichkeit, sie durch eine »sychron(isierend)e story
line« (Keller 2001, S. 133) miteinander zu verbinden. Das dadurch entstehende »Deu-
tungsarrangement« (Keller 2011, S. 243), bzw. die synthetische Narration des ökonomi-
schen Lehrbuchdiskurses könnte etwa mit der Etablierung eines nicht-erfahrbaren Rei-
ches wahrer Gesetze des Sozialen (Muster 1) beginnen. Studierende erfahren sodann,
dass diese Gesetze nicht fernab, sondern vielmehr in ihnen selbst schalten und walten
(Muster 3). Der Inhalt dieser Gesetze und damit auch der Bildungssubjekte selbst ist ein
rationales Denk- und Handlungsmodell, das in seiner ontologischen Gültigkeit zugleich
einen imperativen Zug erhält und eine Dynamik individueller Geldvermehrung in
gleichförmiger, sozialer Resonanz in Gang bringt (Muster 2 & 3).
Unabhängig von der Frage, welche Narration besonders sinnvoll erscheint, möchte
ich an dieser Stelle hervorheben, dass der Diskurs dem betroffenen Publikum selbst keine
Möglichkeit einräumt, eine solche Ausdeutung ihres Bildungsprozesses zu unternehmen.
Zu den Eigenheiten des zuletzt beleuchteten Deutungsmusters gehört es schließlich, dass
Subjekte zwar ein Wissen um die Inhalte eines bestimmten Subjektivierungsangebotes
erhalten. Jedoch wird ihnen der Prozess, in dessen Kontext das Angebot unterbreitet wird
gerade nicht bewusst gemacht. Dass jeder klassifizierende Akt »ein Vorgang der Ent-
scheidung« ist und damit »jede Sprachliche Äußerung als ›Akt der Macht‹ verstanden
werden kann, weil sie eine spezifische Wirklichkeit, einen bestimmten Begriff setzt und
damit andere Möglichkeiten ausschließt« (Keller 2011, S. 244) wird dem Studierenden
gerade nicht verdeutlicht. Zumindest von der einschlägigen Lehrbuchliteratur wird ihr
Bewusstsein nicht auf die Tatsache gelenkt, dass sie im Rahmen ihres Studiums jemand
werden und dieses Werden Gegenstand einer Entscheidung sein kann. In diesem Sinne
wirkt der hier skizzierte Subjektivierungsprozess und das ihm inhärente Verständnis von
Wissen manipulativ.20 In diesem Zusammenhang belegen Arbeiten von Silja Graupe,
20 Ich verwende den Manipulationsbegriff einerseits in seiner Bedeutung des 18. Jahrhunderts, wo er
die »geschickte Handhabung und Kunstgriffe« (Wirkus 1992, S. 931) in einem konkreten, hand-
werklichen Sinne meinte (lat. manus: Hand). In dem hier beleuchteten Kontext wären dies die »ar-
rangierenden« und »steuernden« (ebd.) Kunstgriffe der Regierungskunst. Andererseits verwende
ich ihn auch in der heute dominanten Interpretation als Steuerungstechnik fremder Menschen
oder gar ganzer Gesellschaften: »Eine neue pejorative Perspektive in der Begriffsbildung entsteht
durch die amerikanische Massenkommunikationsforschung (Bernays, Lazarsfeld, Lasswell) seit den
zwanziger Jahren des 20. Jh. Hier werden psychologische Techniken der Steuerung und Kontrolle
zur emotionalen Beeinflussung und gezielten Steuerung der Menschen in der Massengesellschaft
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dass ausgewählte ökonomische Lehrbücher eine Vielzahl von sprachbasierten Techniken
beinhalten, denen die Kognitionswissenschaften attestieren, dass sie die Emotionalität,
Subjektivität und Wertebasis ihrer LeserInnen unter der Oberfläche ihres Bewusstseins
zu verändern vermögen (Graupe 2017). Der Nachweis solcherlei Diskursstrategien muss
insbesondere in Anbetracht der anzunehmenden öffentlichen Reichweite des ökonomi-
schen Lehrbuchdiskurses und seiner potentiellen Wirkungen bis in »mehr oder weniger
unbewusste Routinen, Körperpraxen und intime Körpererfahrungen hinein« (Keller
2011, S. 267) beunruhigen (vgl. Kapitel 2).
Ferner ist festzuhalten, dass das zuletzt genannte Deutungsmuster streng genommen
gar nicht sinnstiftend wirken kann – zumindest nicht für jene, die den durch Lehrbücher
angeleiteten Subjektivierungsprozess durchlaufen. So liegen die Zwecke des Bildungsge-
schehens in diesem Fall außerhalb desselben. Studierende (und Lehrende) finden sich
darin gerichtet auf Zwecke, an deren Entwicklung, Bewertung und Veränderung sie sys-
tematisch nicht beteiligt sind. Der Zweck gouvernementaler Machtprozesse scheint sich
vielmehr in der selbstreferentiellen Ausweitung ihrer Wirkbereiche und der Steigerung
ihrer Wirkungsgrade auszuschöpfen (Foucault 2000, S. 54). Da die Zweckmäßigkeit au-
ßerhalb des Bildungsgeschehens liegt, kann auch der Erfolg dieser Bildung nicht vom pä-
dagogischen Ort oder Subjekt her beurteilt werden. Damit aber wächst die Gefahr einer
Sinnentleerung von Lernen und Studium in ungeheurem Maße an. Schließlich spielen
die Fragen, Vorstellungen und Ansprüche der Studierenden darin keine Rolle – oder al-
lenfalls die eines Störfaktors.
Aber auch die Sinnangebote der anderen beiden hier rekonstruierten Deutungsmus-
ter scheinen vor dem Hintergrund eines traditionellen Verständnisses von Bildung (Bor-
sche 2015) fragwürdig. Weder das Reproduzieren je schon feststehender Wahrheiten,
noch ein gewinnorientiertes Ausnutzen eines solchen Gelernten vermag Studierende
dazu zu befähigen, bewusste Erkenntnishaltungen einzunehmen und eine kritische Ur-
teilfähigkeit auszubilden. Gerade die ist aber dringend gefragt, wenn die Gefahren von
allzu festgefügten Welt- und Selbstverständnissen offenbar geworden sind. Nicht zuletzt
die Ökonomisierungsforschung zeigt auf sehr eindrückliche Weise, welche Momente des
kollektiven Scheiterns evoziert werden, wenn soziale und mitweltliche Prozesse exklusiv
und unhinterfragt auf der Grundlage ökonomischer Kategorien und der ihnen innen-
wohnenden Rationalität vollzogen werden.21
Foucault selbst deutet in seinem Spätwerk einen Bildungsbegriff an, der in Anbe-
tracht dieser Gefahren helfen mag. Eine gemeinsame Selbstüberwindung und eine Über-
windung des gemeinen Selbsts, kann als die je schon ureigene Aufgabe von Bildung ver-
standen werden, im Sinne von educere: eine Hand anbieten, herauswinden, hinausführen
(Foucault 2005, S. 134; zur bildungsphilosophischen Rezeption vgl. Masschelein 1996,
2010). So bieten Bildungsprozesse potenziell Zeit und Raum, das dispositive Erbe eines
kulturellen Umraums wissensarchäologisch zu durchwandern, um zumindest vorüber-
kritisch untersucht und mit dem Begriff Manipulation benannt« (ebd.).
21 Im Hinblick auf empirische Fallbeispiele in verschiedenen sozialen Kontexten vgl. Manzei/Schmiede
(2014) (Gesundheitswesen), Faschingeder et al. (2005) (Bildung) und Akyel (2013) (Pietät).
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gehend wieder einen Blick für das zu gewinnen, was jenseits aller Dispositive je schon zu
uns spricht und verantwortet werden will. Um dem Denken in diesem Sinne wieder ei-
nen Dialogpartner geben zu können, scheint für die Volkswirtschaftslehre der Gegen-
wart eine Anknüpfung an gegenstands- und wirklichkeitsorientierte Bildungs- und Wis-
senschaftsverständnisse von zentraler Bedeutung zu sein (Salin 1920; Graupe/Schwaet-
zer 2015; Masschelein/Wimmer 1996). Bildungsorte sollten eine Entscheidung zwischen
diesen und anderen Formen des Umgangs mit der Wirklichkeit nicht vorwegnehmen,
sondern vielmehr eine Entscheidungsfähigkeit zur Gestaltung von Selbst- und Weltver-
hältnissen ermöglichen. So kann die oben beschriebene Kontrolllücke der Humankapi-
taltheoretiker auch als Ort und Übungsfeld einer Freiheit begriffen werden, auf die echte
Bildungsprozesse konstitutiv angewiesen sind. In ökonomisierten Gesellschaften der Ge-
genwart kann gerade und zuvorderst ökonomischer Bildung die Rolle beigemessen wer-
den, soziale Leitkategorien einer historischen und vielperspektivischen Reflexion zuzu-
führen, um eine fragliche Gegenwart wieder verantworten zu lernen.
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Anschrift:
Lukas Bäuerle (MA)
Cusanus Hochschule
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Die Zeitschrift für Diskursforschung ist die erste Fachzeitschrift, die der anhaltenden
Konjunktur von sozialwissenschaftlicher Diskursforschung im deutschsprachigen Raum
Rechnung trägt. Als interdisziplinäres Forum für discourse studies wird sie theoretische,
methodologisch-methodische und empirische Beiträge aus den Sozialwissenschaften
und angrenzenden Disziplinen veröffentlichen.
The Journal for Discourse Studies | Zeitschrift für Diskursforschung (ZfD) – is the first
peer-reviewed academic journal to react to the ever rising importance of discourse research in
social sciences in the German speaking countries. As an interdisciplinary forum for discourse
studies, the journal includes theoretical, methodological as well as empirical articles from
social sciences and neighboring disciplines.
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Beirat/Scientific Board: Johannes Angermüller, Andrea D. Bührmann, Rainer Diaz-Bone,
Adele Clarke, Franz X. Eder, Ekkehard Felder, Herbert Gottweis (), Fabian Kessl, Peter A. Kraus,
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Keywords in beiden Sprachen. Das Manuskript ist anonymisiert und entsprechend der formalsti-
listischen Hinweise der ZfD einzureichen. Alle Regeln zur Einreichung der Manuskripte finden Sie
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Christian Paulick
Eine Spurensuche anormaler Identität
im Werk Michel Foucaults
Dresdner Studien zur Erziehungswissenschaft
und Sozialforschung
2018, 520 Seiten, broschiert, € 39,95 (441326)
Das Buch befragt das Denken Michel Foucaults nach der Idee
anormaler Identität und bietet eine Neusystematisierung des
foucaultschen Werkes in seiner aktuellen Gänze.
Almut Zwengel
Zusammenleben mit Zu- und Eingewanderten
Eine Einführung in die Migrationssoziologie
2018, 184 Seiten, broschiert, € 19,95 (44-2622)
Das Buch informiert über MigrantInnen in Deutschland, über
Heterogenität und Benachteiligung. Aufgezeigt werden theore-
tische Zugänge zur Migration. Ebenfalls werden empirische
Untersuchungen vorgestellt und aktuelle Herausforderungen
durch die verstärkte Zuwanderung von Flüchtlingen diskutiert.
Jürgen Ritsert
Summa Dialectica
Ein Lehrbuch zur Dialektik
Gesellschaftsforschung und Kritik
2017, 252 Seiten, broschiert, € 26,95 (44-3677)
Diese kompakte Einführung in das dialektische Denken geht
vom Verhältnis zwischen Analytik und Dialektik in der Philosophie-
geschichte aus und illustriert dialektisches Denken anhand von
Argumentationsfiguren aus dem philosophischen Werk von Hegel.
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Hermann Astleitner
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Theorieentwicklung
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illustrierte Verfahren und Kriterien einer empirisch-quantitativ-
sozialwissenschaftlichen Theorieentwicklung behandelt.
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Aufgrund der wachsenden Aufmerksamkeit, welche die Analyse
von vorfindlichen Dokumenten auch in der Bildungs- und Sozial-
forschung erfährt, wird hiermit eine Bestandsaufnahme in
einführender Absicht vorgelegt.
Matthias Grundmann (Hrsg.)
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Wie können aus Graswurzelprozessen gesellschaftliche Erfahrungs-
und politische und soziokulturelle Gestaltungsräume entstehen?
Der Band gibt Antworten.
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Angelika Poferl / Michaela Pfadenhauer (Hrsg.)
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Nach „Wissensrelationen“ zu fragen heißt, die soziologisch zentrale
Kategorie des Wissens von ihren Rändern her aufzugreifen. Mit
„Wissensrelationen“ werden die Beziehungen von Wissen zu jeweils
anderen Formen der Weltwahrnehmung und Weltgegebenheit
sowie die Grenzen von Wissen selbst in den Mittelpunkt gestellt.
Stefan Joller
Skandal und Moral
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Skandale aktualisieren Moral und wer Skandale verstehen will, ist auf
einen differenzierten Begriff der Moral angewiesen. Diese Leerstelle
füllt der Band in Rückgriff auf eine Soziologie der Moral.
Richard Münch
Der bildungsindustrielle Komplex
Schule und Unterricht im Wettbewerbsstaat
Neue Politische Ökonomie der Bildung
2018, 392 Seiten, broschiert, € 27,95 (44-3950)
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Die weitgehende Ersetzung von Sozialpolitik durch Bildungspolitik
führt zu einem gnadenlosen Wettbewerb um Bildungszertifikate,
in letzter Konsequenz zu einem brutalen Sozialdarwinismus des
survival of the fittest.
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Zeitschrift für
Diskursforschung
Journal for
Discourse Studies
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Bislang fehlte der Versuch, die übergreifenden Gemein
-
samkeiten der etablierten und neueren Ansätze der
Interpretativen Sozialforschung darzustellen, sie in ihrer
methodischen Vorgehensweise anwendbar und in
Form eines Handbuchs zugänglich zu machen. Das
»Handbuch Interpretativ forschen« füllt diese Lücke
und stellt etablierte und neuere Ansätze vor, zeigt die
methodischen Vorgehensweisen und liefert auf diese
Weise einen einzigartigen Überblick.
Aus dem Inhalt:

Theorie und Empirie der Interpretativität
in der qualitativen Sozialforschung

Theorie und Empirie der Interpretativität in
der quantitativen Sozialforschung

Analyse kultureller und struktureller
Ordnungen

Rekonstruktion von Handlungsprozessen
und -produkten

Untersuchung der Medialität und
Materialität von Gesellschaften

Methoden zur Erfassung langfristigen
sozialen Wandels
Leila Akremi / Nina Baur /
Hubert Knoblauch / Boris Traue (Hrsg.)
Handbuch Interpretativ forschen
Reihe: Grundlagentexte Methoden
2018, 962 Seiten
Hardcover, € 49,95
ISBN 978-3-7799-3126-3
Auch als
E-Book
erhältlich
erhältlich
Der umfassende Blick auf
die Interpretative Sozialforschung
JUVENTA Zeitschrift für Diskursforschung 3| 18
Marlon Barbehön / Wolf J. Schünemann
Bound to leave? Die Schottland-Frage im Diskurs zum
britischen In-/Out-Referendum
Philipp Grunewald / Louise Cooke
Discursive structures in knowledge co-creation: Analysing
interactions with SKAD and Social Network Analysis
Oke Bahnsen / Eric Linhart
Politische Diskurse in Print- und Online-Medien: Eine empirische
Analyse am Beispiel der Novelle des Erneuerbare-Energien-
Gesetzes 2014
Lukas Bäuerle
Warum VWL studieren? Sinnangebote ökonomischer
Lehrbuchliteratur
6. Jg. | H. 3
3
2018
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Um_ZfD_3_2018.indd 1 07.03.2019 18:00:08
... Rather, the possibility of a systematic demarcation should be raised so that this border and its historical realization can become the object of reflection and criticism. In this sense, the basic intention of this essay is not to present a detailed empirical work, but rather to offer a basic interpretation scheme for a multitude of findings in current economic textbook research (Graupe, 2019(Graupe, , 2017Graupe & Steffestun 2018;Bäuerle 2019Bäuerle , 2017Maeße, 2018;Zuidhof, 2014;Giraud, 2014Giraud, , 2011Peukert, 2018; van Treeck & Urban, 2016). This essay is inspired by a study carried out by Silja Graupe (2017), in which she draws a distinction between different epistemic cultures in early neoclassical economics on the one hand and contemporary economic textbooks on the other. ...
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The article pursues the two related questions of how economists pretend to know and why they want to know at all. It is argued that both the form this knowledge has taken and their motivation for knowing have undergone a fundamental change during the course of the 20 th century. The knowledge offered by important contemporary economic textbooks has little in common with objective and explicitly scientifically motivated knowledge. Rather, their contents and forms follow a productive end, aiming at the subjectivity of their readers.
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Dieser Beitrag ist als Zusammenschau gedacht und widmet sich übergeordneten Fragen dieses Bandes: Welche Menschen und Institutionen betrifft sozioökonomische Hochschullehre? Welche Merkmale und Spannungsfelder kennzeichnen hochschulisches Lernen im Allgemeinen und sozioökonomische Lehre im Besonderen? Aus den vorliegenden Beiträgen wird außerdem das gemeinsame Anliegen lebendigen Lernens identifiziert und nach drei Bestimmungen ausdifferenziert: Nach biographischen, lebensweltlichen Bezügen; nach der sinnlich-ästhetischen Qualität von Lernprozessen und nach der Interaktionsmoral von Lerngruppen. Abschließend werden institutionelle und persönliche Entwicklungslinien einer sozioökonomischen Hochschulbildung aufgezeigt.
Chapter
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Zusammenfassung Der vorliegende Sammelband unternimmt in einer Zusammenführung von didaktisch reflektierten Erfahrungsberichten erste Schritte in Richtung einer pluralen, sozioökonomischen Hochschullehre. In der Einleitung führen die Herausgebenden die zentralen Begründungskontexte für dieses Vorhaben zusammen: die evidenzbasierte Problematisierung standardökonomischer Hochschullehre steht dabei studentischen Forderungen und konkreten Alternativen gegenüber, die von ökonomischen Fachwissenschaftler*innen und Fachdidaktiker*innen gleichermaßen entwickelt wurden. Die Vorstellung und Einordnung aller 18 im Band versammelten Beiträge beschließt die Einleitung.
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Zusammenfassung: Durch Veränderungen in der Bildungsmedienproduktion (Verfahrenskontrolle, Unter-nehrnenskonzentration, Dezentralisierung) verstärkt sich, so die These, die Rolle der Ökonomisierung in der Bereitstellung von Wissensangeboten für die Schule. Am Beispiel einer ethnographischen Untersuchung zur Produktion eines Schulbuchs wird herausgearbeitet, wie diese Wissensangebote jedoch hoch ambivalent sein können: Das Leitbild des unternehmerischen Selbst wird konstruiert, aber zugleich von einem gesellschaftskritischen Subjektbild " unterbrochen''. Abstract This article highlights central changes in the production of school-based educational media (procedural authorization, corporate consolidation, decentralization). It argues that these changes are strengthening the role of an economic rationality in mediating knowledge for schools. The production of one textbook illustrates how ambivalent this knowledge can be: The ideal of an entrepreneurial self is reproduced, yet simultaneously interrupted by a different, more socially critical, subject.
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While the current financial crisis had an overwhelming impact on the global economy, its effect on economics as an academic discipline has been negligible. This paper explores the relationship between the financial crisis, mainstream economic theory and the education of economists. In a nutshell it shows that (a) current economic education leaves students illiterate with respect to events like the financial crisis, (b) mainstream economic theory is unable to systemically explain the financial crisis and (c) this situation will be unaffected by the recent events. On the contrary economic education will stay pretty much the same, since it incorporates a set of ideas, perceived as influential, well-established and important by the economic community.
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Seit geraumer Zeit ist ein stetig steigendes Interesse an der Analyse von Diskursen zu verzeichnen. Von Diskursanalyse und Diskurstheorie versprechen sich die unterschiedlichen sozial- und sprachwissenschaftlichen Disziplinen nicht nur eine interdisziplinäre Öffnung ihrer Forschungsgegenstände und eine reflexive Neujustierung der heute als Klassiker der jeweiligen Fächer kanonisierten Theorien für die neuen Fragen und Herausforderungen, die mit der Globalisierung der Gesellschaften, der Dezentrierung des Subjekts und der Reflexivität von Wissen und Sprache einhergehen.
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The spread of market-oriented reforms has been one of the major political and economic trends of the late twentieth and early twenty-first centuries. Governments have, to varying degrees, adopted policies that have led to deregulation: the liberalization of trade; the privatization of state entities; and low-rate, broad-base taxes. Yet some countries embraced these policies more than others. Johan Christensen examines one major contributor to this disparity: the entrenchment of U.S.-trained, neoclassical economists in political institutions the world over. While previous studies have highlighted the role of political parties and production regimes, Christensen uses comparative case studies of New Zealand, Ireland, Norway, and Denmark to show how the influence of economists affected the extent to which each nation adopted market-oriented tax policies. He finds that, in countries where economic experts held powerful positions, neoclassical economics broke through with greater force. Drawing on revealing interviews with 80 policy elites, he examines the specific ways in which economists shaped reforms, relying on an activist approach to policymaking and the perceived utility of their science to drive change.