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Smarte Städtebauliche Objekte zur
Erhöhung der Teilhabe von Senioren
Julian Fietkau, Anna Kötteritzsch, Michael Koch
Forschungsgruppe Kooperationssysteme, Universität der Bundeswehr München
Zusammenfassung
Der urbane Raum wird zunehmend intelligenter. So können Passanten mit Druckknöpfen an
Ampelanlagen spielen, um die Rotphase zu überbrücken, Informationstafeln an Bushaltestellen zeigen
Verspätungen des Busses an und WLAN-Technologie erlaubt das Erfassen der Bewegung
unterschiedlicher Akteure im Raum. Die Vorteile aus dieser Vernetzung, stehen jedoch älteren Personen
mit kognitiven oder motorischen Einschränkungen nicht offen. Technologien in der öffentlichen
Umgebung beziehen Anforderungen älterer Personen bislang nicht ein. Ältere Personen werden durch
die sich rapide ändernden sozialen und technologischen Strukturen von der Teilhabe ausgegrenzt. Wir
stellen unseren Ansatz Smarter Städtebaulicher Objekte vor: Gegenstände aus der städtischen
Umgebung, welche mit einem digitalen Informationsraum verbunden sind. Darunter fallen u. a.
Parkbänke, die jüngere Personen durch Vibration darauf auf ältere Personen mit Bedarf an Sitzplätzen
hinweisen, sowie Informationstafeln, die die Aktivitäten in der Nachbarschaft nutzergerecht aufbereiten.
Anhand dessen wollen wir zeigen, wie das Gewahrsein im öffentlichen Raum auf die Belange älterer
Personen erhöht werden kann.
1 Einleitung
Der öffentliche Raum befindet sich im Wandel: Änderungen in der Demographie unserer
Gesellschaft lassen die Zahl der Senioren stetig steigen. Für diese Bevölkerungsgruppe
bedeutet die Teilhabe an der Gemeinschaft häufig auch die Aufrechterhaltung von Autonomie
und Lebensqualität. Demnach stehen soziale Gemeinschaften vor der Herausforderung, die
Partizipation älterer Personen an Aktivitäten im öffentlichen Raum zu fördern (Frevel, 2013).
Gleichzeitig durchdringen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) immer
stärker den Alltag. Betrachtet man IKT im öffentlichen Raum, werden vor allem persönliche
Geräte fokussiert. Interaktionen mit öffentlichen Geräten in der physischen Umgebung werden
bislang nur von wenigen Forschungsansätzen adressiert, welche sich vorrangig mit
Informationsdisplays befassen. Senioren, welche zum Teil von (altersbedingten) körperlichen
und kognitiven Einschränkungen betroffen sind, stehen sowohl in der Nutzung neuer
Städtebauliche Objekte zur Erhöhung der Teilhabe von Senioren 2
Technologien als auch in ihrer Mobilität im urbanen Raum einer Vielzahl von Barrieren
gegenüber. Hier kann IKT ansetzen, um das kollektive Gewahrsein für die Anforderungen
älterer Personen an den urbanen Raum zu fördern.
Im Forschungsansatz des BMBF-Projektes UrbanLife+ findet insbesondere die Perspektive
von älteren Menschen mit eingeschränkter Teilhabe am sozialen Leben (z.B. bedingt durch
kognitive oder körperliche Beeinträchtigungen) Berücksichtigung. Im Rahmen dessen
untersuchen wir, wie Objekte der städtischen Infrastruktur, wie z. B. Bänke oder Ampeln, mit
IKT-Lösungen angereichert werden können, um das Gewahrsein der Bewohner im urbanen
Raum auf den Bedarf an Unterstützung älterer Personen zu erhöhen und somit die Möglichkeit
der Teilhabe zu verbessern. Ziel dieses Beitrags ist es aufzuzeigen, wie die Interaktion mit
diesen Smarten Städtebaulichen Objekte unter Einbezug von Gestaltungsparametern aus dem
Bereich Mensch-Computer-Interaktion entworfen werden kann, um die Aufmerksamkeit der
Einwohner stärker auf die Belange älterer Personen lenken. In Hinblick auf die Integration von
Senioren soll der urbane Raum dadurch smarter (also intelligenter) werden und dazu beitragen,
die identifizierten Barrieren älterer Personen im urbanen Raum zu überwinden. Diese ersten
Design-Ideen leiten wir her aus Technologie-Konzepten zur Adressierung der Lebenswelt
älterer Personen im Bereich des Ambient Assisted Living (AAL) sowie anhand von
Erkenntnissen zur Interaktion mit IKT im öffentlichen Raum.
2 Teilhabe durch Mensch-Computer-Interaktion
Diverse Ansätze aus dem Bereich der Mensch-Computer-Interaktion erforschen die
Interaktion mit IKT im urbanen Raum, wobei vorrangig öffentliche Bildschirme betrachtet
werden. So befassen sich Tomitsch et al. (2015) und Hespanhol et al. (2015) mit öffentlichen
Bildschirmen und deren Gestaltungsmöglichkeiten für die engere Verbindung von Menschen
mit ihrer Stadt. Dazu werden Bildschirme mit dem Ziel der Partizipation in den urbanen Raum
integriert und darauf Informationen bereitgestellt, welche für die (städtische) Gemeinschaft
relevant sind. Andere Ansätze erforschen unter Nutzung digitaler Informationstafeln oder
großer Wandbildschirme die Heranführung von Passanten an Objekte mit dem Ziel der
Motivierung spontaner Interaktion (Walk-up-and-use, z. B Marshall et al., 2011), nutzen
spielerische Ansätze in einem Multi-User Setting (z. B. Müller et al., 2011), oder visualisieren
implizite soziale Strukturen mit dem Ziel des Wissensaustauschs (z. B. Koch, 2005). Andere
städtebauliche Objekte umfassen beispielsweise Parkbänke, die soziale Präsenz durch das
Senden von Informationen über Funktechnologie erlauben, welche auf der Bank selbst
dargestellt werden (Gaver & Beaver, 2006). Engel & Künzler (2012) setzen einen
spielerischen Ansatz bei Druckknöpfen an Ampelanlagen mit dem Ziel ein, die Interaktion
zwischen Passanten zu fördern und diese bis zur Grünphase zu beschäftigen, sodass die
Sicherheit im Straßenverkehr erhöht wird. Obwohl eine intergenerationale Interaktion von
einigen Ansätzen angestrebt wird (z. B. Gaver & Beaver, 2006), wird den Mitmenschen durch
den Einsatz von IKT nicht verdeutlicht, dass ältere Personen im öffentlichen Raum zum Teil
Barrieren überwinden müssen und dafür der Unterstützung ihrer Mitmenschen bedürfen.
Fokussiert man ältere Personen zudem als wachsende Nutzergruppe von IKT, müssen
heterogene Anforderungen in die Gestaltung von Technologien einbezogen werden. Dies wird
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in aktuellen Ansätzen bislang nicht ausreichend adressiert: Beispielsweise können ältere
Personen mit Rollatoren einen Großteil von digitalen Informationsbildschirmen aufgrund der
Installationshöhe oder des Abstands nicht erreichbar (Müller et al., 2009).
Dahingegen betrachten Forschungsarbeiten aus dem AAL-Bereich, inwieweit IKT eingesetzt
werden kann, um für ältere Personen die Teilhabe am sozialen Leben zu verbessern. Die
gemeinsame Interaktion mit digitalen Spielen zeigte in einer Studie von De Schutter und
Vanden Abeele (2010), dass das Verständnis von Kindern und Enkelkindern für die Belange
der älteren Mitspieler durch die gemeinsame Interaktion gestärkt werden kann. Entsprechend
der Ergebnisse einer Nutzerstudie können durch spielerische Ansätze die intergenerationale
Verbundenheit und der Beitrag älterer Personen zur sozialen Gemeinschaft gestärkt werden.
Andere Arbeiten nutzen Messenger Dienste in der eigenen Haus-Umgebung, um einfache
Methoden der Kommunikation bereitzustellen und so die Verbindung innerhalb der Familie
zu stärken (Lindley, 2012), oder zeigen, dass die Teilhabe älterer Personen in der sozialen
Gemeinschaft durch deren Beitrag an Informationen in digitalen sozialen Netzwerken erhöht
werden kann (Hope et al., 2014). Auch die Darstellung der Standorte von Familienmitgliedern
zeigte eine Erhöhung des Gewahrseins für die Aktivitäten der einbezogenen Personen (Brown
et al., 2007). Für die Mobilität, und somit auch die Teilhabe älterer Personen im öffentlichen
Raum stellen die Anwesenheit bekannter Menschen sowie eine ansprechende Umgebung
motivierende Faktoren dar (Gallagher et al., 2010). AAL-Ansätze sind entsprechend auch für
Interaktionen im öffentlichen Raum relevant, da sie helfen können, Unsicherheiten älterer
Personen zu beseitigen und so Barrieren zu überwinden (z. B. durch die Übermittlung der
Information, dass Hilfe im Notfall erreichbar ist). Da auch die Gesundheit älterer Personen
eine maßgebliche Rolle für deren Teilhabe im öffentlichen Raum spielt (Richard et al., 2009),
ist auch das Gewahrsein für die eigenen Fähigkeiten älterer Personen von Bedeutung. So
werden Anwendungen zum Gesundheitstracking von älteren Personen in der Nutzung
akzeptiert, wie am Beispiel von Doyle et al. zu erkennen (Doyle et al., 2014). Jones et al.
(2012) evaluieren Visualisierungen der Interaktion älterer Personen mit der Maus als
Eingabemedium. In einer Nutzerstudie mit zwölf älteren Probanden (65 -80 Jahre) zeigte sich
eine positive Wirkung auf die Reflektion der eigenen Fähigkeiten. Das Gewahrsein älterer
Personen auf ihre eigenen Fähigkeiten kann entsprechend durch verschiedene
Visualisierungen angesprochen werden. Allerdings beziehen Forschungsarbeiten im AAL-
Bereich und angrenzenden Disziplinen die Anforderungen und Potenziale des öffentlichen
Raums nur unzureichend ein, wie in einem Literaturüberblick über Unterstützungs-
technologien für ältere Personen deutlich wird (Kötteritzsch & Weyers, 2016).
Betrachtet man aktuelle Forschungsansätze, wird der Bedarf einer Entwicklung von
geeigneten Technologien für das Gewahrsein auf die Anforderungen älterer Personen in
urbanen Räumen deutlich. Dennoch können die Erkenntnisse – sowohl aus Ansätzen zum
Einsatz von Technologien für öffentliche Nutzungskontexte als auch aus der Technologie-
gestützten Ansprache von älteren Personen – genutzt werden, um die zukünftige Interaktion
mit IKT im urbanen Raum zu gestalten.
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3 Smarte Städtebauliche Objekte
Seit Mitte der 90er Jahre finden unter dem Begriff Smart City interdisziplinäre Forschungs-
und Entwicklungsaktivitäten statt, welche Netzwerktechnologien einsetzen, um städtische
Umgebungen effizienter bzw. produktiver zu gestalten (z. B. Chourabi et al., 2010). In dieser
rapiden Umgestaltung des urbanen Raums werden jedoch (ältere) Personen mit kognitiven
oder motorischen Einschränkungen nicht hinreichend berücksichtigt. Der Forschungsansatz
von UrbanLife+ zielt daher ab auf eine Übertragung von Technologien aus dem AAL-Bereich
– welche bereits erfolgreich eine Unterstützung älterer Personen in der eigenen
Wohnumgebung anbieten – in den öffentlichen Raum. Angelehnt an die Begrifflichkeit der
Smart City wollen wir konkret die Interaktion mit Gegenständen im öffentlichen Raum (z. B.
Beleuchtung oder Sitzgelegenheiten) insofern smarter gestalten, als dass Anstöße zur besseren
Integration älterer Personen in das Sozialgefüge gegeben werden. Durch Gestaltungsparameter
der Mensch-Computer-Interaktion soll der Einsatz von Technologien das Gewahrsein der
Mitmenschen füreinander erhöhen. Dafür werden smarte, also intelligente städtebauliche
Objekte einem Informationsraum verknüpft, also so mit Informationstechnik ausgestattet, dass
sie über Sensoren und Aktoren mit ihrer Umgebung interagieren und mit anderen persönlichen
und öffentlichen Geräten Daten austauschen können. Als in der Praxis existierendes Beispiel
für Smarte Städtebauliche Objekte können Druckknöpfe an Ampelanlagen gezählt werden:
Anhand einer Interaktion durch den Fußgänger (Drücken auf den Knopf) wird – in
Abhängigkeit der Ampelschaltung und z. T. des Verkehrsaufkommens zu dem aktuellen
Zeitpunkt – die Ampelphase beeinflusst. Der Fußgänger kann die Straße so schneller
überqueren und erhält eine Rückmeldung zu dem Status der Ampelschaltung („Signal
kommt“).
Unter Betrachtung der Forschungsergebnisse zur Erhöhung der Teilhabe älterer Personen an
der sozialen Gemeinschaft, konnten wir im Rahmen von UrbanLife+ erste Design-Ideen für
Smarte Städtebauliche Objekte erarbeiten, die wir im Folgenden vorstellen. Diese wurden
aufbauend auf den in einer Stadtteilbegehung von Mönchengladbach mit fünf Experten (vier
männliche Senioren mit sensorischen Einschränkungen, eine städtische Angestellte)
identifizierten Barrieren der Teilhabe entwickelt. So stellen u. a. insbesondere die fehlende
Verfügbarkeit und Sichtbarkeit von Informationen, aber auch Hemmschwellen beim Bitten der
Mitmenschen um Unterstützung erhebliche Hürden für Senioren in der Stadt
Mönchengladbach dar. Die Entwürfe Smarter Städtebauliche Objekte dienen sowohl als
Diskussionsgrundlage für die Verbesserung der Teilhabe von Senioren in Mönchengladbach
als auch als Grundlage für die Entwicklung erster Prototypen und deren Evaluation mit der
Nutzergruppe (Senioren in Mönchengladbach).
1. Smarte Bushaltestelle
Da die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln für die Teilnahme an Aktivitäten zum Teil
erforderlich ist, sind gerade ältere Personen auf Informationen über die Verfügbarkeit und
Pünktlichkeit von Bussen und Bahnen angewiesen. Da die Nutzergruppe strecken häufig vor
Antritt einer Reise plant, wird das Aufkommen von ungeplanten Ereignissen, wie
Verspätungen zur Hemmschwelle für Aktivitäten außer Haus. Die Smarte Bushaltestelle soll
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wartenden Fahrgästen abhängig von deren Anforderungen, relevante Informationen zu Bussen
und Fahrplänen liefern. Durch die Information zu anderen Personen auf der Strecke bzw. im
Bus können mögliche Problemsituationen vermieden werden (z. B., dass zwei Rollstühle den
selben Bus nehmen wollen) und eine gegenseitige Unterstützung wird ermöglicht. Durch die
Anzeige von anonymisierten Informationen zu den Teilnehmern im Verkehr soll darüber
hinaus das Gewahrsein der Mitreisenden ohne Einschränkungen auf den Bedarf an
Unterstützung von Personen mit Rollstühlen und Rollatoren in öffentlichen Verkehrsmitteln
erhöht werden.
Wartende Personen können via kabelloser Identifikation (z. B. RFID im Ticket) erkannt
werden. Auf Wunsch können ihre jeweiligen Umstände (Rollstuhl, Gehhilfe, schlechte
Balance wegen hohen Alters etc.) erfasst und in das System des Verkehrsunternehmens
eingespeist werden, um z.B. den Fahrern ankommender Busse entsprechende Vorbereitung zu
erlauben. Über Lautsprecher kündigt die Haltestelle haltende Busse an und weist die
wartenden Personen beispielsweise auf Platzmangel in den Bussen hin. Wartet eine Person an
der Haltestelle, die beim Einstieg Hilfe gebrauchen könnte, kann dies über eine
Lautsprecheransage angekündigt werden. Ein Wandbildschirm im Haltestellenhäuschen bietet
weiterführende visuelle Informationen über Busrouten und Fahrpläne.
2. Smarte Parkbank
Bei der Bewegung in Parks fehlt es älteren Personen mit körperlichen Einschränkungen häufig
an Ruhemöglichkeiten. Wenn dann Parkbänke voll belegt sind, ist jedoch die Hemmschwelle
groß nach einem Sitzplatz zu fragen. Smarte Parkbänke sollen Fußgänger dabei unterstützen,
ein besseres Gewahrsein für Personen mit Bedarf an Ruhepausen zu erreichen.
Dafür sind die Sitzflächen mit Leuchtelementen sowie mit vibrotaktilen Aktoren ausgestattet.
Passanten, insbesondere solche mit altersbedingt erhöhtem Bedarf für Pausen, können so über
visuelle Reize dazu animiert werden, sich zu setzen. Neu ankommende potenzielle Nutzer
werden über Drucksensoren im Boden erkannt. Per Vibration der Sitzfläche können jüngere
Nutzer der Bank dezent daran erinnert werden, für Mitmenschen mit
Bewegungseinschränkungen bei Bedarf einen Platz frei zu machen.
3. Smarte Querung
Eine hohe Barriere für die Bewegung im öffentlichen Raum stellen stark befahrene Straßen
dar. Gerade ältere Personen warten häufig eine lange Zeit, bevor sie sich sicher genug fühlen,
um eine Straße zu überqueren. Die Smarte Querung ist mit Beacons ausgestattet, welche
kabellos Informationen zur jeweils konkreten Situation bereitstellen können.
Fußgänger, welche an dieser Stelle die Fahrbahn überqueren möchten, können so bereits im
Vorhinein erfahren, wie gut der Übergang zu ihren jeweiligen Bedürfnissen passt (z. B., ob
ein Zebrastreifen vorhanden ist, oder der Bordstein abgesenkt ist). Besonderheiten zu Details
der Fahrbahnbreite und des Verkehrsaufkommens können von der Smarten Querung an
persönliche Endgeräte übermittelt werden, welche dann den Nutzern die jeweils nützlichen
Informationen aufbereitet darstellen können. Auf diese Weise wird eine Steigerung des
Gewahrseins für die eigene Fähigkeit Problemsituation zu überwinden und damit auch der
Möglichkeit zur Teilhabe am städtischen Leben erreicht.
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4. Smarte Ampelanlage
Smarte Ampelanlagen unterscheiden sich von dem Konzept der Smarten Querung insofern,
als dass sie den Verkehrsfluss so an die Bedürfnisse von Menschen mit Bewegungs-
einschränkungen anpassen können, was für konventionell programmierte Ampeln nicht
möglich ist.
Die Ampeln können über die Erkennung von individuellen Bewegungsparametern bereits im
Vorhinein feststellen, wie lang eine Grünphase für die jeweiligen Fußgänger idealerweise sein
sollte, und können diese dann auch tatsächlich (im Rahmen dessen, was der Verkehrsfluss
insgesamt erlaubt) individuell verlängern. Über auditive und visuelle Signale kann Passanten
mitgeteilt werden, wie viel Zeit in der aktuellen Grünphase noch bleibt. Gleichzeitig kann den
anderen Verkehrsteilnehmern über Icons an der Ampel angezeigt werden, dass die
Ampelphase für einen Fußgänger mit Einschränkungen verlängert wurde und diese zur Geduld
aufrufen. Diese Information der Verkehrsteilnehmer zielt ab auf die Erhöhung des
Verständnisses für die Problemsituation älterer Personen im Straßenverkehr.
5. Smarte Beleuchtungszonen
Bei Dunkelheit sind viele Wege für ältere Personen nicht begehbar, da sie schlecht
ausgeleuchtet sind. Die fehlende Einsehbarkeit dieser Orte führt zu Unsicherheiten bei älteren
Personen und somit zur Einschränkung der Teilhabe. Smarte Beleuchtungszonen erlauben die
personalisierte Ausgestaltung von Beleuchtung im öffentlichen Raum.
Gemeint ist damit nicht die Anpassung an die eigenen visuellen Vorlieben, sondern eher die
Adaption an die jeweiligen personenbezogenen Anforderungen, z.B. die verstärkte
Ausleuchtung des empfohlenen Weges nach Hause. Große Straßenlampen sowie auch kleinere
Beleuchtungselemente können dazu beitragen, dass Passanten auf eine an ihr Sehvermögen
angepasste Weise visuell geleitet werden können. Dazu wäre beispielsweise denkbar,
Straßenlampen mit Möglichkeiten zur teilweisen Verdunklung oder Umfärbung ihres
Lichtkegels auszustatten, um die Darstellung noch präziser und flexibler zu machen.
6. Smarte Informationstafel
Häufig fehlt älteren Personen für die Motivierung zur Aktivität im urbanen Raum, die
Information darüber, welche Angebote es gibt. Diese müssen also entsprechend der
Anforderungen der Nutzergruppe dargestellt werden (z. B. eine Informationsflut vermeiden
und in großem Text dargestellt werden) und für jede Person (auch ohne Nutzung persönlicher
Endgeräte) erreichbar sein. Die Smarte Informationstafel dient der angepassten Darstellung
und Aufbereitung von örtlich relevanten Informationen für Passanten.
Als Standort sind Knoten- und Treffpunkte für Fußgänger sehr gut geeignet. Gruppen aller Art
können die Informationstafel als Treffpunkt, etwa für den Beginn eines gemeinsamen
Spaziergangs, ausmachen. Auf Wunsch könnte der Bildschirm dann vor Beginn der geplanten
Unternehmung weitere Passanten auf die Möglichkeit hinweisen, sich der Gruppe spontan
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anzuschließen. Ein gut beleuchtetes Hinweisschild und diverse Sitzgelegenheiten erleichtern
den Ablauf des Zueinanderfindens und somit das Gewahrsein für aktuelle Aktivitäten im
urbanen Raum. Neben konkreten Terminen kann die Informationstafel auch allgemein auf
Unternehmungsmöglichkeiten in der Umgebung hinweisen.
Abbildung 1 skizziert, wie die Interaktion mit einigen der Smarten Städtebaulichen Objekte
aussehen kann.
4 Weiteres Vorgehen
Die Arbeit an und mit diesen Design-Beispielen soll auf mehreren Ebenen fortgeführt werden.
Zum einen können auf Basis des Konzepts für Smarte Städtebauliche Objekte weitere
Beispiele zur Steigerung des Gewahrseins im öffentlichen Raum erarbeitet werden, sowie die
vorhandenen Beispiele weiter verfeinert werden. Weiterhin sollen die Ideen prototypisch
umgesetzt und in einem Verfahren mit der Nutzergruppe evaluiert werden, welches aus der
Laborumgebung in den urbanen Raum erweitert wird. Im Rahmen von UrbanLife+ werden
Forschungsfragen zu der Erhöhung der Teilhabe älterer Personen durch Gewahrsein mittels
Methoden der Mensch-Computer-Interaktion weiter eruiert.
Das übergeordnete Ziel hinter der Entwicklung und Evaluation ist und bleibt, Menschen in der
aktiven Teilhabe am urbanen Raum zu unterstützen. Die Interaktionen sollen dazu beitragen,
Barrieren zu überwinden und Personen dazu zu animieren, die sie umgebende Stadt aktiv zu
erleben. Die von uns erarbeiteten Beispiele sind dafür gedacht, das Sicherheitsgefühl von
Menschen mit Bewegungseinschränkungen zu steigern. Demnach müssen in der Entwicklung
sowohl Datenschutz-Aspekte als auch Akzeptanz-Kriterien intensiv betrachtet werden. Durch
den direkten Einsatz von prototypischen Umsetzungen in der Stadt Mönchengladbach, können
wir partizipative Ansätze nutzen, um Smarte Städtebauliche Objekte nutzergerecht zu
gestalten und somit einen Beitrag zur Teilhabe älterer Personen zu leisten.
Abbildung 1: Interaktion mit (von lins) der Smarten Parkbank, Smarten Informationstafel, und Smarten
Ampelanlage, aus Kötteritzsch et al., 2016
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Danksagung
Die Arbeit an diesem Beitrag wurde im Rahmen des BMBF-geförderten Projektes UrbanLife+
durchgeführt (16SV7443). Wir danken allen Projektpartnern für ihr Engagement.
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