Es wird vorhergesagt, dass der weltweite mobile Datenverkehr bis Ende 2025 um ein fünffaches anwachsen wird und, weshalb die Übertragungsraten hierzu Schritt halten müssen. Der Standard der 5. Generation (5G) verspricht gesteigerte Übertragungsraten durch größere relative Bandbreite der für die mobile Kommunikation verwendeten Frequenzbänder. Die relative Bandbreite von Radiofrequenz- (RF-) Filtern entspricht in etwa der Hälfte des Wertes der effektiven elektromechanischen Kopplung der verbauten Komponenten, wie zum Beispiel Oberflächenwellen- und Volumenwellen-Resonatoren (engl. surface acoustic wave - SAW und bulk acoustic wave - BAW). Etablierte Materialien wie Aluminiumnitrid (AlN) eignen sich nur bedingt für 5G RF-Filter. Verglichen mit AlN zeigt das Material Aluminiumscandiumnitrid (Al1–xScxN mit x < 0,43) einen bis zu doppelt so hohen piezoelektrischen Koeffizienten e33 und einen halb so großen elastischen Koeffizienten C33, was bei Erhalt der positiven Eigenschaften von AlN zu einer höheren elektromechanischen Kopplung führt. Folglich ist dies ein vielversprechendes Material für 5G RF-Filter.
Das Potential von AlScN lässt sich durch Herstellung und systematische Untersuchung von SAW Resonatoren aus diesem neuartigen Material überprüfen. Des Weiteren lässt sich die elektromechanische Kopplung von SAW Resonatoren auf Basis von beispielsweise AlN oder GaN optimieren indem die polare c-Achse des Kristalls in die Ebene der Dünnschicht gelegt wird, so wie es bei Schichten der Fall ist, die mit der unpolaren a-Ebene (engl. a-plane) auf dem Substrat wachsen. Für das a-plane AlScN wird eine noch höhere Kopplung erwartet als für das c-plane ausgerichtete Material, bei dem die polare c-Achse senkrecht zum Schichtoberfläche steht und auf welches sich bisher die meisten Untersuchungen konzentrierten. Das Ziel dieser Dissertation ist es darum, AlScN-basierte SAW Resonatoren zu entwerfen und herzustellen, ihre Leistung in Abhängigkeit der Sc Konzentration, des gewählten Substrats, der Temperatur, der Kristallorientierung (a-plane, c-plane) und Ausbreitungsrichtung der akustischen Oberflächenwellen zu untersuchen sowie das beste Design für eine hohe effektive elektromechanische Kopplung zu ermitteln.
In dieser Arbeit wurden SAW Resonatoren aus Al1–xScxN mit x = {0; 0,14; 0,23; 0,32; 0,41} und Wellenlängen zwischen 2 und 24 µm hergestellt sowie ihre Kenngrößen ermittelt. Grundlage waren mit dem Sputter-Verfahren hergestellte c-plane orientierte AlScN Schichten auf Si(100) und Al2O3(0001) Substraten, als auch a-plane AlScN auf Al2O3(1-102) Substraten. Die Resonanzfrequenzen der Strukturen lagen zwischen 0,18 und 2,1 GHz. Die Kopplung steigt mit zunehmender Anzahl an Elektroden-Fingern der Resonatoren und ein Bestwert für Apertur und Zuleitungslänge konnte ermittelt werden.
Verglichen mit AlN-basierten Resonatoren verbesserte sich die Kopplung um bis zu 500 % bei x = 0,41. Eine derartige Steigerung erklärt sich durch die erwähnte Veränderung der Al1–xScxN Materialparameter e33 und C33 mit der Sc Konzentration x. Die elastischen Eigenschaften beeinflussen außerdem die Resonanzfrequenz, die bei steigendem x leicht abnimmt. Nach bestem Wissen der Autorin wurde eine solche systematische Untersuchung von SAW-Resonatoren auf der Basis von Al1-xScxN mit x = [0; 0,41] noch nicht durchgeführt erledigt. Darüber hinaus wurde nur eine Studie über die Leistung von SAW-Resonatoren basierend auf Al1–xScxN mit x berichtet, die so knapp unterhalb der Grenze liegt (x = 0,43), bei der das Material beginnt kubische Kristallite zu bilden.
Es ist darüber hinaus das erste Mal, dass hochqualitative a-plane AlScN Dünnschichten hergestellt wurden. Für a-plane Al0,77Sc0,23N wurde eine Steigerung der Kopplung um bis zu 1000 % im Vergleich zu c-plane Al0,77Sc0,23N-basierten Resonatoren festgestellt. Dies könnte durch die teilweise parallele Ausrichtung des von den IDTs ausgehenden elektrischen Feldes mit der polaren Achse zusammenhängen. Weiterhin wurde beobachtet, dass die Kopplung von a-plane AlScN-basierten Resonatoren stark von der Orientierung auf der Waferoberfläche abhängt. Der höchste Wert lag 1200 % über dem niedrigsten Wert und wurde bei einer Abweichung von ±30° von der wahrscheinlichen Ausrichtung der c-Achse beobachtet. Die könnte sich durch einen zusätzlichen Beitrag von e15 und C44 erklären lassen.
Der Wechsel von c-plane zu a-plane geht mit einer Veränderung der optimalen Resonatorwellenlänge einher, bei der der höchste positive Einfluss von e33 und C33 auf die Kopplung erzielt wird. Die veränderten Bestwerte für Kopplung in Abhängigkeit der Wellenlänge erlauben die Abdeckung des Frequenzbereichs von 1,14 bis 1,71 GHz bei einer Kopplung von 3,7 bis 4,1 %. Darüber hinaus kann auf Grundlage der beobachteten Trends der Frequenzbereich zu beiden Seiten hin erweitert werden und eine höhere Kopplung kann ebenfalls erreicht werden. Selbst Frequenzen von 2,05 GHz, bzw. 2,87 GHz wurden bei einer Kopplung von etwa 2,8 % erreicht, wenn die zweite Ordnung von Oberflächenwellenmoden auf a-plane, bzw. c-plane Al0,68Sc0,32N-basierten Resonatoren untersucht wurde.
Die Beständigkeit der Resonatoren über die Zeit und bei thermischer Beanspruchung wurde ebenfalls untersucht. Der Temperaturkoeffizient der Frequenz (engl. temperature coefficient of frequency - TCF) von Resonatoren mit einer Wellenlänge von 2 µm steigt in den Untersuchungen nicht-linear, allerdings nur leicht um 6,8 % mit x von 0 nach 0,32. Die experimentell bestimmten Verläufe der Phasengeschwindigkeit und Kopplungsdispersion wurden zur Ableitung der elastischen und piezoelektrischen Materialparameter der gewachsenen Al1–xScxN Dünnschichten herangezogen. Aufbauend auf diesen Parametern wurden Simulationen der Resonatoren durchgeführt. Die erzielten Ergebnisse verbessen das Verständnis, wie das temperaturabhängige Verhalten der Materialien die Resonanzfrequenz beeinflusst. Auf diese Weise können das Design und die Modelle zur Simulation von SAW Resonatoren mit komplexem Schichtaufbau weiter optimiert werden. Zum ersten Mal wurde der intrinsische SAW TCF von Al1–xScxN bestimmt und das Ergebnis wird die Weiterentwicklung der Technologie zur Kompensation von Temperatureffekten in Resonatoren vorantreiben. Dies ist von großer Bedeutung für heutige Smartphones, bei denen einzelne Komponenten im Inneren eine Temperatur von bis zu 90 °C erreichen können. Die Konsistenz der erzielten Ergebnisse der hohen Kopplung mit dem aktuellen Stand der Technik, sowie die thermische und dauerhafte Beständigkeit der Resonatoren spiegeln die Robustheit der hier entwickelten Technologie zur Abscheidung von AlScN Dünnschichten und der Herstellung von SAW Resonatoren wider.
Wie bereits erwähnt, muss die Kopplung im Resonator ungefähr doppelt so groß wie die relative Bandbreite der RF-Filter und der anvisierten Frequenzbänder sein. Die vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass die hergestellten SAW Resonatoren die Anforderung für RF-Filter für drei 5G Bänder (n51, n70 und n76) erfüllen könnten, von denen zwei bereits für eine Nutzung in Nordamerika vorgesehen sind.