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Journal Europäischer Orchideen 52 (1): 2020. 207
J. Eur. Orch.
52 (1): 207 – 226. 2020.
Demetra Rakosy, Hannes F. Paulus und Monika Hirth
Ophrys dimidiata, eine neue, bisher unbeschriebene Art aus
dem Ophrys tenthredinifera-Komplex auf Kreta (Orchidaceae)
Keywords
Orchidaceae; Ophrys tenthredinifera complex; Ophrys dimidiata, Ophrys
dyctinnae, Ophrys leochroma, Ophrys villosa, Eucera dimidiata, Eucera
kullenbergi, Eucera albofasciata, Eucera nigrilabris; pollination, Crete.
Summary
Rakosy, D., Paulus, H.F. & M. Hirth (2020): Ophrys dimidiata, a hitherto
undescribed species of the Ophrys tenthredinifera complex in Crete
(Orchidaceae).- J. Eur. Orch. 52 (1): 207-226.
According to current knowledge there are three different species within the
Ophrys tenthredinifera complex on the island Crete. DELFORGE (2005) had
described two of them as O. dyctinnae and O. leochroma, whereas he assigned
the third species to the eastern Mediterranean O. villosa. We conducted
pollinator observations and biotests, proving that each taxon is exclusively
pollinated by a different pollinator. Thus, Eucera albofasciata pollinates
O. dyctinnae and Eucera kullenbergi O. leochroma. Whereas, the pollinator of
the third taxon assigned by Delforge as O. villosa is Eucera dimidiata.
However, the eastern Mediterranean O. villosa like O. tenthredinifera s.str. in
the western Mediterranean area is pollinated by Eucera nigrilabris. Therefore
and because of its disjunct distribution and sligtly different morphology,
O. villosa has to be classified as a geographical subspecies of the nominate
species, O. tenthredinifera subsp. villosa. The Cretan species within the
Ophrys tenthredinifera complex which Delforge assigned to O. villosa is a
hitherto undescribed species, which we describe as Ophrys dimidiata. The
name is derived from its pollinator Eucera dimidiata. This green-eyed long-
horned bee is common in North Africa, the Near East, and Cyprus and has its
only European occurrence on the island of Crete. Ophrys dimidiata is endemic
to Crete, whereas O. tenthredinifera subsp. villosa and its pollinator bee
Eucera nigrilabris are lacking on this island. The description of O. dimidiata
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as a separate species and classification of O. villosa as a subspecies of
O. tenthredinifera are further supported by chemical and morphological data.
Zusammenfassung
Rakosy, D., Paulus, H.F. & M. Hirth (2020): Ophrys dimidiata, eine bisher
unbeschriebene Art aus dem Ophrys tenthredinifera-Komplex auf Kreta
(Orchidaceae).- J. Eur. Orch. 52 (1): 207-226.
Nach aktuellem Kenntnisstand gibt es auf der Insel Kreta drei verschiedene
Arten aus dem Ophrys tenthredinifera-Komplex. DELFORGE (2005) hatte zwei
von ihnen als neue Arten beschrieben: O. dyctinnae und O. leochroma. Die
dritte Art ordnete er der ost-mediterranen O. villosa zu. In unseren
bestäubungsbiologischen Untersuchungen fanden wir für jedes dieser drei Taxa
einen anderen Bestäuber, was deren jeweiligen Biospezies-Status belegt.
Eucera albofasciata bestäubt O. dyctinnae und Eucera kullenbergi
O. leochroma. Dagegen ist der Bestäuber des von Delforge O. villosa
zugeordneten dritten Taxons Eucera dimidiata. Die ost-mediterrane O. villosa
wird jedoch wie O. tenthredinifera s.str. in derem westmediterranen Teilareal
von Eucera nigrilabris bestäubt. Daher und wegen der bekannten
morphologischen Unterschiede ist O. villosa als geographische Unterart
(Subspezies) der Nominatsippe, O. tenthredinifera subsp. villosa einzustufen.
Die dritte kretische, von Delforge O. villosa zugeordnete Form ist dagegen
eine neue endemische Art der Insel Kreta, die wir als Ophrys dimidiata neu
beschreiben. Der Name ist von ihrem Bestäuber Eucera dimidiata abgeleitet.
Diese grünäugige Langhornbiene ist in Nordafrika, im Vorderen Orient und auf
Zypern verbreitet und hat ihr einziges europäisches Vorkommen auf der Insel
Kreta. Hingegen fehlen Eucera nigrilabris wie auch die von ihr bestäubte
O. tenthredinifera subsp. villosa auf Kreta. Die Abgrenzung von O. dimidiata
und O. tenthredinifera subsp. villosa wird auch durch chemische und
morphologische Ergebnisse gestützt.
* * *
1. Einleitung
Während in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts Ophrys
tenthredinifera Willd. 1805 als wenig variabel angesehen wurde (z.B. NELSON
1962, DANESCH 1969, SUNDERMANN 1980), zeigte sich bald, dass diese ein
Konglomerat verschiedener Arten darstellt, die zum Teil bereits im
19. Jahrhundert als eigenständig erkannt worden waren (siehe hierzu
DEVILLERS et al. 2003, PAULUS & HIRTH 2012). Im westlichen und zentralen
Mittelmeergebiet werden heute wieder O. neglecta Parlatore 1860 (Italien,
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Sardinien, Kroatien)1, O. grandiflora Tenore 1819 (Kalabrien, Sizilien,
östliches Nord-Afrika) und O. ficalhoana J.A.Guim. 1887 (Iberische
Halbinsel, SW-Frankreich) (WUCHERPFENNIG 2016) von der typischen
O. tenthredinifera Willdenow 1805 abgetrennt, schließlich auch O. aprilia
Devillers-Terschuren & Devillers 2003 (Süd-Korsika) und O. spectabilis
(Kreutz & Zelesny 2007) Paulus 2011 (SW-Mallorca).
Im östlichen Mittelmeergebiet wurden bis vor kurzem alle Pflanzen aus dem
Ophrys tenthredinifera-Komplex O. villosa Desf. 1807 (O. tenthredinifera
subsp. villosa (Desf.) H.Baumann & Künkele 1986) zugeordnet. DELFORGE
(2005) gliederte schließlich den O. tenthredinifera-Komplex auf Kreta gleich
in drei Arten. Neben der bislang als O. villosa geführten Art beschrieb er mit
O. dyctinnae und O. leochroma zwei neue Arten.
Durch bestäubungsbiologische Untersuchungen konnten PAULUS & HIRTH
(2012) zeigen, dass O. tenthredinifera subsp. villosa in der Ostägäis denselben
Bestäuber hat wie O. tenthredinifera im westlichen Areal, nämlich Eucera
nigrilabris (Nachweise in Chios, Samos, Kos, Rhodos, Kythera, Attika). Daher
wird O. villosa als östliche Sippe von O. tenthredinifera am sinnvollsten als
eine geografische Unterart der westmediterranen Nominatsippe interpretiert:
O. tenthredinifera subsp. villosa. Von der westlichen Unterart unterscheidet sie
sich außerdem in Komponenten ihres Blütendufts (RAKOSY 2017). Es ist zu
erwarten, dass dies auch bei ihren Bestäuberunterarten ähnlich sein wird. Doch
es bedarf weiterer chemischer und verhaltensbiologischer Untersuchungen, um
zu testen, ob diese Unterschiede verhaltensrelevant sind. Die Bestäuberbiene
Eucera nigrilabris wird in zwei geografische Rassen unterteilt, nämlich
E. nigrilabris subsp. nigrilabris im Westareal und E. nigrilabris subsp.
rufitarsis im Ostareal. Es wäre experimentell zu prüfen, ob die westlichen und
östlichen Vertreter von E. nigrilabris sich noch verpaaren würden. Solche als
Duftrassen bezeichneten Populationsunterschiede sind von vielen Insekten
bekannt, ohne dass sich Evidenzen einer artlichen Trennung ergeben haben,
z.B. bei der Seidenbiene Colletes cunicularius und Ophrys exaltata (MANT et
al. 2005) oder bei Osmia bicornis (=O. rufa) als Bestäuber der sardischen
Ophrys panattensis (PAULUS & GACK 1995, CONRAD et al. 2018).
Von den Ionischen Inseln, sowie von Kythera konnte Ophrys ulyssea
(DELFORGE 2005) als gute Art bestätigt werden. O. amphidami (DELFORGE
2013) von Kythera hingegen erwies sich als synonym mit O. ulyssea (HIRTH
und PAULUS 2016).
1 PAR LATORE (1860) hatte in seiner Beschreibung als Areal nur Italien und die Pyrenäen angegeben.
Letztere Angabe dürfte sich auf O. ficalhoana bezogen haben, die zu seiner Zeit noch nicht
beschrieben war.
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Abb. 1: Ophrys dimidiata; ganze Pflanze und Einzelblüten;
A: NW-Kreta, Akrotiri, östl. Chania, Pithari; 35º30’29.29"N 24º03’44.23"E;
173 m; 17.4.2009; B: Nord-Kreta, Fuss des Jouchtas bei Archanae;
35º12’41.75‘‘N 25º08’41.43‘‘E; 450 m; 23.3.2005; Fot. HFP
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Sie beschrieben weitere Arten von Rhodos (O. korae, 2012) und Paros
(O. lychnitis, 2016). Soweit bekannt haben alle Arten aus dem
O. tenthredinifera-Komplex als Bestäuber stets Arten der Gattung Eucera.
Eine Ausnahme ist der sardische Endemit O. normanii, der von der Hummel
Bombus vestalis bestäubt wird (PAULUS & GACK 1995).
Offen blieb allerdings die bestäubungsbiologische Zuordnung der Art, die
Delforge der ostmediterranen O. villosa zugeordnet hat. PAULUS (1988: 863)
und PAULUS & GACK (1990a: 96) hatten 1986 und 1987 in Ost-Kreta Eucera
dimidiata Brullé, 1832, als neuen Bestäuber im O. tenthredinifera-Komplex
gefunden; eine Biene, die aus dem Mittleren Osten und Nordafrika stammt und
auf Kreta ihr einziges Vorkommen in Europa hat. Sie hatten daraus jedoch
noch keine weiteren Schlüsse gezogen, da die Befunde in Kreta nicht schlüssig
waren. Einmal waren Pflanzen in Kreta für E. dimidiata hochattraktiv, von
anderen Standorten aber merkwürdigerweise nicht. Sie schlossen daraus, dass
auf Kreta mehr als eine Form aus dem O. tenthredinifera-Komplex vorkommt.
Mehr Klarheit brachte schließlich die Untersuchung von DELFORGE (2005).
Die von Delforge für Kreta von O. villosa abgetrennten und neu beschriebenen
zwei Arten haben nämlich tatsächlich andere Bestäuber: O. dyctinnae wird von
Eucera albofasciata und O. leochroma von Eucera kullenbergi bestäubt
(RAKOSY & PAULUS 2010, RAKOSY et al. 2013, 2017). Daraus ergibt sich, dass
Eucera dimidiata der Bestäuber der von DELFORGE (2005) O. villosa
zugeordneten, dritten Art auf Kreta ist.
Die dritte, auf Kreta seit langem als O. villosa geführte Art. ist der im
westlichen Mittelmeergebiet vorkommenden von E. nigrilabris bestäubten
O. tenthredinifera s.str. zwar ähnlich, ist aber kleinblütiger. Für sie wurde der
Arbeitsname „O. (dimidiata)-tenthredinifera“ gebräuchlich (ALIBERTIS 2015:
373; ANTONOPOULOS & TSIFTSIS 2017: 154), da PAULUS (1988) Eucera
dimidiata in Kreta auf O. tenthredinifera s.lat. festgestellt hatte. Bis heute gibt
es jedoch keine gültige Beschreibung, da die blütenmorphologische Trennung
von O. dyctinnae sich als unerwartet schwierig herausstellte.
Da der Bestäuber von O. tenthredinifera subsp. villosa (Eucera nigrilabris) auf
Kreta nicht vorkommt, ist es verständlich, dass auch diese Ophrys-Art dort nicht
nachgewiesen werden konnte. Abgesehen von Blütengröße und Bestäuber
erwiesen sich die drei Ophrys-Arten auf Kreta für den Ungeübten als nicht leicht
zu unterscheiden. Demetra Rakosy hatte daher im Rahmen ihrer Doktorarbeit
die Aufgabe, Unterschiede in der Blütenmorphologie sowie in den jeweiligen
Duftbouquets analytisch und experimentell herauszuarbeiten. Es sollte u.a. eine
auf moderne 3D-Technik gestützte, bessere Vergleichbarkeit erarbeitet werden.
Diese wissenschaftliche Arbeit ist weitgehend fertiggestellt, bedarf aber noch
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der Ergänzung durch die 3D-Ergebnisse (RAKOSY et al., in Vorbereitung). Einige
Resultate der Duftbouquets und experimentellen Überprüfung, welche
Blütenteile für die Bestäuber wichtig sind, damit eine Pollinienentnahme oder
Bestäubung gut funktioniert, sind partiell bereits publiziert (RAKOSY & PAULUS
2010, RAKOSY et al. 2013, 2017; CUERVO et al. 2017).
Unsere bisherigen Vorarbeiten – Bestäuberwahlexperimente, morphometrische
Analysen und chemische Analysen der Duftbouquets (WEBER 2012, CUERVO
et al. 2017, RAKOSY 2017) – zeigen, dass für die bisher der ostmediterranen
Ophrys villosa zugeordneten Sippe aus dem O. tenthredinifera-Komplex auf
Kreta die Abtrennung als eigenständige Art gut begründet ist. Diese Art wird
im Folgenden als Ophrys dimidiata neu beschrieben.
2. Neubeschreibung von Ophrys dimidiata
Ophrys dimidiata Rakosy, Paulus & M.Hirth spec. nov.
Description: Plants are rather small, measuring 5,3-16,8 cm in height;
inflorescence spindly, baring 2 to 6 flowers; sepals and petals of similar, often
deep pink colour; sepals narrowly oval to elliptical, 8,8-9,5 × 4,8-6,0; petals
triangular in shape, 3,4-6,3 × 1,2-3,4 mm; lip variable, often trapezoidal,
7,9-11,9 × (5,6) 7,1-14,3 mm (depending if the lateral lip parts are bend
backwards or not; see Abb. 4: flower on the right); base with clearly marked
shoulders, length of the basal part of the shoulders 4,2-7,0 mm, distance
between shoulder tips 5,2-7,1 mm, apical side lobes fall off at almost a square or
somewhat larger angle, angle between shoulder sides wide; appendix triangular
to almost square in shape, often pressed against the lip surface, presence of tuft
of short, yellow hairs above the appendix variable; centre of lip reddish-brown
to dark-brown, with a shield-shaped, silvery-white speculum, lip margin
presenting a broad, not very clearly defined, yellowish-brown boarder; basal
field in the shape of a half-ellipse, reddish-brown, 1,5-3,9 × 1,6-3,5 mm,
stigmatic cavity delimited from the basal field by a ridge with two overhanging
protuberances (callosities) reddish-brown base, in the upper part delimited by a
dark line, at the base 2,6-4,2 mm broad, measuring 2,3-5,6 mm from the base of
the protuberances to the viscidia; distance between outer callosities rather small,
2,8-4,8 mm, column 4,9-7,8 mm high, viscidia and caudiculae lie close together.
Holotypus: Crete (Greece), Jouchtas, LU 39.18 (35S 331190 3898751), 470 m
ü.d.M., 17.03.2008, leg. M. Hirth; deposited in WU Herbarium, Vienna (sheet
nr. 2208055-57) (Abb. 2; Abb. 6, fig. 8); holotypus specimen pollinated by
Eucera dimidiata (Abb. 3, 5), male bees in coll. Claudia Gack, Freiburg and in
coll. H.F. Paulus, Vienna).
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Abb. 2: Holotypus von Ophrys dimidiata.
Der Holotypus ist eine ganze Pflanze, von der zwei Blüten entfernt und als
Blütenanalysen dazu gegeben sind. Die Fotos stellen eine lebende Blüte des
Holotypus dar, auf der Eucera dimidiata pseudokopuliert.
N-Kreta, Jouchtas bei Archanes; 35º12’41.75"N 25º08’41.43"E; 450 m;
17.3.2008; leg. M.Hirth & C.Gack.
Abkürzungen auf dem Etikett: PK=Pseudokopulationen, PE=Pollinarien-
Entnahmen.
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Abb. 3: Ophrys dimidiata und ihr Bestäuber Eucera dimidiata.
Obere Reihe u. mittlere Reihe links: Blütenserie von O. dimidiata;
Mitte rechts u. unten: E. dimidiata-Männchen bei der Pseudokopulation;
SE-Kreta, östl. Pilalimata, 23.3.2007, 35º02’15.33"N 26º00’06.38"E; 22 m;
Fot. HFP; Bild unten: 11.3.2010 Agios Nikolaos, Fot. Martin Streinzer, Wien.
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Icones: Abb. 1, 2, 4, 6, 7.
Pollinator: Eucera dimidiata Brullé, 1832 (Abb. 2, 3, 5, PAULUS 1988: 369,
table III).
Flowering time: Beginning of March (South-Crete) to middle/end of April
(Western Crete).
Distribution: As far as currently known, endemic to Crete, where it occurs
throughout the island in open phrygana.
Etymology: The name is derived from its pollinator Eucera dimidiata.
Deutsche Beschreibung: Pflanzen eher klein, 5,3-16,8 cm (gemessen),
einzelne Exemplare bis 20 cm; Blütenstand schmal, 2-6 Blüten, Sepalen und
Petalen ähnlich gefärbt, oft dunkel rosa; Sepalen schmal oval bis elliptisch,
8,8-9,5 × 4,8-6,0; Petalen dreieckig, 3,4-6,3 × 1,2-3,4 mm; Lippe variabel, oft
trapezoid, 7,9-11,9 × (5,6) 7,1-14,3 mm (Lippen wirken sehr schmal, wenn die
Seitenränder nach hinten umgeschlagen sind, siehe Abb. 4: Blüte ganz rechts);
basal deutlich hervorgehobene Schultern, Länge des basalen Teils der
Schultern 4,2-7,0 mm, Abstand zwischen den Schulterspitzen 5,2-7,1 mm;
Anhängsel dreieckig bis quadratisch, oft nach oben gegen die Lippe gepresst,
variables, kurzes, gelbes Haarbüschel oberhalb des Anhängsels; Mal
schildförmiger, silbrig-weißer Spiegel, undeutlich abgegrenzter breiter, gelb
brauner Lippenrand; Basalfeld in der Form einer Halbellipse, rot-braun,
1,5-3,9 × 1,6-3,5 mm lang; Narbenhöhle vom Basalfeld abgegrenzt durch
einen schmalen Querwulst mit zwei überhängenden Vorsprüngen (innere
Basalschwielen) mit rötlich-brauner Basis, im oberen Teil begrenzt durch eine
dunkle Linie, an der Basis 2,6-4,2 mm breit, Höhe 2,3-5,6 mm, gemessen von
der Basis der Vorsprünge bis zu den Viscidien, Entfernung zwischen den
äußeren Basalschwielen (Pseudoaugen) klein, 2,8-4,8, Säule 4,9-7,8 mm hoch,
Viscidien und Caudiculae liegen eng nebeneinander.
Abb. 4: Größenvariabilität von Ophrys dimidiata. NW-Kreta, Akrotiri, östl.
Chania, Pithari; 35º30’29.29"N 24º03’44.23"E; 173 m; 17.4.2009; Fot. HFP.
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3.Abgrenzung von Ophrys dimidiata von anderen Arten des
O. tenthredinifera-Komplexes auf Kreta
Die Blüten von Ophrys dimidiata sind innerhalb des O. tenthredinifera-
Komplexes von der sehr ähnlichen O. dyctinnae, aber auch von O. leochroma
vor allem durch die Kombination verschiedener Merkmale abgrenzbar. Doch
ist zu beachten, dass jedes Merkmal für sich allein genommen für die
Bestimmung nicht immer zielführend ist.
Differenzialdiagnose
Ophrys dimidiata ist in allen Merkmalen kleiner als O. tenthredinifera subsp.
villosa und auch durchschnittlich kleiner als O. dyctinnae und O. kullenbergi.
Sie unterscheidet sich von den anderen beiden auf Kreta vorkommenden
O. tenthredinifera-Arten durch das meist intensiv rosa farbige Perigon und die
insgesamt ausgedehntere braungelbe Färbung der trapezförmigen Lippe ohne
deutlich abgesetzten Rand, die rechteckig ausgebildete Lippenbasis (Schulter),
mit flachen, aber deutlichen höckerartigen Erhebungen, sowie durch das in der
Regel deutlich unterscheidbare größere, rotbraun ausgebildete Basalfeld. Bei
O. dyctinnae ist dieses stets heller, meist hell rötlich-braun, bei O. leochroma
nahezu immer dunkelbraun. (Abb. 7, 8, 9). Die Gestalt des Narbenkopfes ist
relativ breiter und niedriger als bei den anderen beiden Arten; Farbe und
Gestalt der Basalschwielen unterscheiden sich markant. Die Gestalt des
rundlichen Anhängsels und flachen Lippenausschnitts sind von denen der
anderen Arten verschieden: Anhängsel meist auf gleicher Höhe wie die
distalen Lippenränder, d.h. kaum oder gar nicht eingesenkt; bei leochroma und
dyctinnae ist das Anhängsel meist deutlich eingesenkt, d.h. die distalen
Lippenränder überragen das Anhängsel deutlich (Abb. 1, 8, 9, Tabelle 1).
Ophrys dimidiata ist ein weiterer Endemit der Insel Kreta, da ihr Bestäuber
Eucera dimidiata in Europa nach bisherigen Erkenntnissen ausschließlich auf
Kreta vorkommt. Diese auffällige Langhornbienen-Art ist ansonsten eine
Steppenart, die auf Zypern, in Nordafrika, im Mittleren Osten, zentrale Türkei
bis in den Iran verbreitet ist (Stefan Risch, mündl. Mitteilung). Auf Kreta ist
die Art ähnlich wie auf Zypern ab Ende Februar nicht selten. Männchen und
Weibchen von E. dimidiata besuchen hauptsächlich Kreuzblütler (vor allem
Brassica, Sinapis), Oxalis pes-caprae, aber auch Anchusa, Anchusella oder
Alkanna. Im Gegensatz zu E. kullenbergi bilden die Männchen bei der Suche
nach Weibchen eher selten große Aggregationen, können aber oft zusammen
mit E. kullenbergi und E. albofasciata an den gleichen Standorten beobachtet
werden.
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Abb. 5: Eucera dimidiata Männchen mit Pollinarien von Ophrys dimidiata
(links) neben einem E. dimidiata Weibchen (rechts). Diese Bienenart fällt durch
ihre grünen Facettenaugen und den hell geringelten Hinterleib auf. SE-Kreta,
östl. Pilalimata; 35º02’15.33"N 26º00’06.38"E; 22 m; 23.3.2007; Fot. HFP.
Abb. 6: Vergleich der Blütenanalysen von Ophrys dyctinnae (1-4) mit denen
von O. dimidiata (5-8).
Fundorte: 1 und 2: NE-
Kreta, Pachia Ammos, 35º06’36.84"N 25º48’05.38"E;
30 m; 27.2.2009; 3: S-Kreta, westl. Miamou, Asteroussia; 34º58’08.01"N
24º55’57.40"E; 450 m; 22.2.2009; 4: S-Kreta, Asteroussia, Plora;
34º59’48.21"N 24º55’36.50"E; 280 m; 27.2.1998, 5 bis 8: N-Kreta, Jouchtas
bei Archanes; 35º12’41.75"N 25º08’41.43"E, 450 m; 17.3.2008: (Blüte 8 =
eine der Blüten des Holotypus); Herbar Monika Hirth, Freiburg. Fot. MH.
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Abb. 7: Vergleich von Ophrys tenthredinifera subsp. villosa von Rhodos
(oberste Reihe) mit Arten der O. tenthredinifera-Gruppe auf Kreta:
O. dyctinnae (2. Reihe), O. dimidiata (3. Reihe) und O. leochroma (4. Reihe);
rechts sind die jeweiligen Bestäuberbienen bei der Pseudkopulation
abgebildet.
O. tenthredinifera subsp. villosa mit Eucera nigrilabris ssp. rufitarsis;
Rhodos: westl. Kolymbia; 36º15’36.57"N 28º08‘27.09"E; 80 m; 9.3.2012;
O. dyctinnae mit E. albofasciata; N-Kreta, Krassi, südl. Mallia;
35º14’33.56"N 25º27’49.35"E; 562 m; 1.4.2006;
O. dimidiata mit E. dimidiata; SE-Kreta, östl. Pilalimata; 35º02’15.33"N
26º00’06.38"E; 22 m; 2.4.2006;
O. leochroma mit E. kullenbergi; SE-Kreta, Kalivitis/Shinokapsala südl.
Oreino; 35º02’10.57"N 25º52’33.55"E; 250 m; 21.3.2007; alle Fot. HFP.
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Tabelle 1: Vergleich morphologischer Merkmale und Eigenschaften von
Ophrys dimidiata, O. dyctinnae und O. leochroma.
Die Messungen wurden an Pflanzen im Gelände bzw. an frischen Blüten am
selben Abend vorgenommen [Alle Maßangaben in mm; Zahlen in eckigen
Klammern bezeichnen die Messstrecke (Erläuterungen siehe Abb. 9)].
Merkmal \ Art O. dimidiata O. dyctinnae O. leochroma
Pflanzenhöhe
Ø 101,1
Ø 124,8
Ø 152,9
Blüten, allgemein
relativ klein
mittelgroß
mittelgroß
Sepalen
(Länge × Breite)
[8 × 7]
(Länge : Breite)
8,8-9,5 × 4,8-6,0
± intensiv rosa
1,7
10,9 12,3 × 4,8-5,5
weiß bis blassrosa
2,3
12,0 × 6,2
hell- bis dunkelpurpur
1,9
Petalen
(Länge × Breite)
3,4-6,3 × 1,2-3,4
2,3-5,2 × 2,0-4,1
3,9-6,0
Lippe
(Länge × Breite)
[14 × 2]
7,9-11,9 × (5,6) 7,1-
14,3
trapezoid;
hervorgehobene
Schultern; Zentrum
rötlich-braun bis
dunkelbraun,
undeutlich
abgegrenzter, breiter,
gelb-brauner
Lippenrand; kurzes,
gelbes Haarbüschel;
Anhängsel, dreieckig
bis quadratisch, klein,
in flachem Ausschnitt
11,0 × 13,2
länglich, rechteckig
bis leicht trapezoid;
quadratische, leicht
abfallende Schultern;
braunes, ziemlich
kleines Zentrum,
samtig behaart, am
Rand mit breitem
Kranz dichter,
ziemlich langer, blass-
gelber Behaarung;
längere Haarbüschel
über dem Anhängsel;
Anhängsel dreieckig,
aufrecht, in hoher
Einbuchtung
10,3 × 13,5
breit, abgerundet
trapezoid;
aufgewölbte
Schultern; Zentrum
dunkelbraun, am
Rand lang und dicht
behaart; kein
Haarbüschel;
Anhängsel rundlich, in
hoher Einbuchtung
Höcker
flach gerundet
klein, abgerundet
kräftig, abgerundet,
wenig behaart
Basalfeld
(Länge × Breite)
1,5-3,9 × 1,6-3,5
rotbraun, verlängert
hellrot, klein
purpur-ziegelrot,
ziemlich kurz
Narbenhöhle
(Höhe × Breite)
2,3-5,6 × 2,6-4,2
rötlich-braun
4,3 × 3,9
hellbraun, grünlich-
gelb, höher als breit
4,6 × 4,1
Narbengrund und
Basalschwielen
schwärzlich
Blühzeit
ab Anfang März
ab Ende Februar
ab Anfang/Mitte März
Bestäuber
Eucera dimidiata
Eucera albofasciata
Eucera kullenbergi
Verbreitung
Kreta, endemisch
Kreta, endemisch ?
Kreta, Rhodos,
ostägäische Inseln
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220 Journal Europäischer Orchideen 52 (1): 2020.
Abb. 8: Vergleich der Narbengruben und Basalfelder der auf Kreta
verbreiteten Arten aus dem Ophrys tenthredinifera-Komplex, O. dimidiata,
O. dyctinnae und O. leochroma.
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4.Ergebnisse bestäubungsbiologischer Untersuchungen
Den Bestäuber von Ophrys dimidiata, die grünäugige Langhornbiene Eucera
dimidiata, haben wir erstmals Ende März 1986 in Südost-Kreta beobachtet
(PAULUS 1988). Damals konnten wir im Raum Pilalimata-Lithines viele
Männchen bei zahlreichen Pseudokopulationen beobachten (Abb. 3).
Aufmerksam geworden waren wir durch das Auffinden vieler Männchen dieser
Art, die z.T. zahlreiche Kopfpollinarien trugen. Sie hatten also O. dimidiata-
Blüten schon eifrig besucht. In den folgenden Jahren haben wir diese Biene
immer wieder beobachten können. Ab Mitte Februar fliegen die grünäugigen
Männchen überall an Wegrändern und vor allem auf Brachfächen mit gelb oder
weißlich blühenden Brassica- oder Sinapis-Arten. Sie besuchen auch den
allgegenwärtigen gelb-blütigen Nickenden Sauerklee (Oxalis pes-caprae). Wir
waren allerdings oftmals erstaunt, dass es immer wieder vorkam, dass die
Männchen ihnen präsentierten Ophrys-Pflanzen auch ignorierten, obwohl sie
ganz sicher noch Ophrys-Blüten unerfahren waren. Im gesamten Areal standen
nämlich keine O. dimidiata oder Vertreter der anderen Verwandten und keines
der freifliegenden Männchen trug Pollinarien am Kopf.
Zudem konnten wir gelegentlich auch eine andere Langhornbienen-Art,
nämlich Eucera kullenbergi bei der Pseudokopulation auf der damals noch
nicht beschriebenen Ophrys leochroma beobachten, so am 6.4.1987 nahe
Nikithianou in Nordost-Kreta. Durch die spätere Untersuchung von DELFORGE
(2005) mit Beschreibungen von O. leochroma und O. dyctinnae konnte dies
aufgeklärt werden. Auf den ostägäischen Inseln einschließlich Rhodos und
Kreta hat O. leochroma Eucera kullenbergi als Bestäuber (PAULUS & HIRTH
2012). Die bei Delforge (2005: Carte 1) angegebene Verbreitung von
O. leochroma muss korrigiert werden, da alle seine Fundpunkte auf dem
griechischen Festland, Peloponnes, Euböa, Kea und wohl auch Zante zu
O. tenthredinifera subsp. villosa, die der zentralen Kykladen vermutlich alle zu
der später beschriebenen O. lychnitis gehören (HIRTH & PAULUS 2016).
Eucera kullenbergi besucht vor allem Labiatae- (allen voran Salvia triloba)
und Boraginaceae-Blüten. O. leochroma kommt nach heutiger Kenntnis nur
auf Kreta, Rhodos und den ostägäischen Inseln vor. Die Vorkommen von
O. tenthredinifera s.lat. auf Karpathos sind bislang nicht überprüft worden.
Eucera kullenbergi ist auch in Karpathos verbreitet (Paulus, eigene Funde).
O. dyctinnae dagegen kommt nach heutiger Kenntnis offenbar nur auf Kreta
vor und hat Eucera albofasciata als Bestäuber (RAKOSY & PAULUS 2010,
RAKOSY et al. 2013, 2017). Diese wenig auffällige Langhornbiene besucht auf
Brachwiesen viele verschiedene Fabaceae-Blüten. E. albofasciata ist
außerdem der Bestäuber der in der Ostägäis und in der West- und Südtürkei
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verbreiteten Ophrys heterochila (inkl. dodekanensis) (PAULUS & HIRTH 2011).
Zahlreiche Bestäubungstests mit hunderten von Männchen bestätigten die klare
biologische Trennung der drei Arten des O. tenthredinifera-Komplexes auf
Kreta. Bei diesen Tests wurden Individuen von O. dyctinnae, O. leochroma
und O. dimidiata Männchen aller drei Bienenarten zur Wahl gestellt, wobei
immer nur eine der Bienenarten auf eine Orchideenart reagierte (RAKOSY
2017). Damit war gezeigt, dass eine eindeutige biologische Trennung nicht nur
zu O. leochroma, sondern auch vor allem zwischen O. dyctinnae und
O. dimidiata existiert. Auch die aufwendigen morphometrischen Analysen und
vor allem die Duftstoffuntersuchungen bestätigten die biologische Trennung
der beiden Arten (RAKOSY 2017, RAKOSY et al., in Vorbereitung). Da es sich
bei den morphologischen Trennungsmerkmalen um recht subtile Unterschiede
handelt, könnte das Artenpaar O. dyctinnae – O. dimidiata in die Kategorie der
sogenannten kryptischen Arten eingliedert werden (RAKOSY et al. 2013)2.
5. Abschließende Betrachtungen zur Verbreitung und Entstehung von
Arten im Mittelmeergebiet allgemein und auf Kreta
Bemerkenswert ist, dass die ansonsten weit verbreitete O. tenthredinifera
subsp. villosa auf Kreta fehlt. Wir können dagegen definitiv sagen, dass diese
Art sowohl auf Kythera, Karpathos als auch Rhodos vorkommt, um nur die
quasi Nachbarinseln zu nennen. Demnach könnte Ophrys dimidiata auf Kreta
eine Stellvertreterart für die hier nicht vorkommende O. tenthredinifera sein,
die vielleicht wegen des Fehlens von Eucera nigrilabris von Eucera dimidiata
zu einer neuen Art selektiert worden ist. Da Eucera dimidiata in Nord-Afrika
weit verbreitet ist, könnte diese Bienenart von dort den Sprung auf die Insel
Kreta geschafft haben. Dazu gibt es mit Andrena vachali Péréz, 1895, eine
Parallele, die in Europa nur auf Kreta mit A. vachali subsp. creticola (STRAND
1915) vorkommt (WARNCKE 1965: 54) und Ophrys cretensis bestäubt. Auch
diese Bienenart ist außer auf Kreta in Israel, Ägypten, dem übrigen Nord-
Afrika bis zu den Kanaren weit verbreitet (GUSENLEITNER & SCHWARZ 2002:
1202, Karte 493).
Bemerkenswert ist, dass auf der Insel ansonsten weit verbreitete Ophrys-Arten
fehlen, so O. bilunulata subsp. punctulata oder subsp. sancti-isidorii (frühere
O. leucadica), O. ferrum-equinum, O. reinholdii, O. mammosa oder
2 Als Kryptospezies werden Arten bezeichnet, die anhand morphologischer Merkmale nicht oder nur
schwer zu unterscheiden sind, für die es aber Belege ihrer genetischen und vor allem reproduktiven
Trennung gibt (SUDHAUS 1978, STRUCK & CERCA 2019). Der Terminus ist durch die neuen
barcoding- und aufwendigen morphometrischen Untersuchungen gerade auch bei Tieren wieder
hochaktuell (z.B. bei Ameisen: SEIFERT 2016, WAGNER et al. 2017).
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O. speculum3. Dies beruht nur z.T. auf dem Fehlen ihrer Bestäuber, wie bei
O. speculum (Dasyscolia ciliata) (SCHEDL 2010), O. reinholdii (Eupavlovskia
obscura, LIEFTINCK 1969)4 oder O. bilunulata s.lat. (Andrena flavipes,
GUSENLEITNER & SCHWARZ 2002: 1036, Karte 161). Die Bestäuber von
O. mammosa (Andrena morio) oder von O. ferrum-equinum (Chalicodoma
parietina) sind auf Kreta jedoch weit verbreitet. Dennoch kommen „ihre“
Ophrys-Arten auf Kreta nicht vor. Dies unterstreicht erneut die
biogeographische Sonderposition der Insel Kreta. Eucera dimidiata ist
außerdem auch der Bestäuber der zypriotischen Ophrys flavomarginata
(PAULUS & GACK 1990b).
Abb. 9: Blüten von Ophrys dyctinnae, O. dimidiata und O. leochroma von
Kreta; frontal zur Verdeutlichung der Unterschiede in den Färbungen der
Basalfelder und der Positionen des Anhängels an der Lippenspitze. Die in
Tabelle 1 zusammen getragenen Messstrecken sind als Linien dargestellt.
Dank
Für die zeitraubende und aufwendige Bestäubersuche verbunden mit Wahltests
haben wir Dr. Claudia Gack (Freiburg) und vor allem Dr. Martin Streinzer
(Wien) zu danken. Auch Priv. Doz. Dr. Johannes Spaethe (Würzburg) und Prof.
Dr. Manfred Ayasse (Ulm) sind wir für ihre langjährige Unterstützung zu
3 Gelegentliche Funde einzelner Pflanzen (ACKERMANN & ACKERMANN 1986, KRETZSCHMAR et al.
2002: 250) scheinen inzwischen alle wieder erloschen zu sein. Wir selbst haben in Kreta in all den
vielen Jahren nie eine Pflanze gesehen.
4 Eupavlovskia-Arten (heute oft als Untergattung innerhalb der Gattung Melecta geführt) sind
Kuckucke/Parasiten bei der Pelzbienengattung Habropoda. Habropoda tarsata ist im
Mittelmeerraum weit verbreitet und oft sehr häufig, fehlt aber auf Kreta, so dass das Fehlen ihres
Parasiten verständlich ist (LIEFTINCK 1969).
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großem Dank verpflichtet. Die Bestimmung der Langhorn-Bienen wurde von
Stefan Risch (Leverkusen) überprüft. Finanzielle Unterstützung für Teile der
Untersuchungen erhielten wir von Matthias Fiedler (Fa. Rofa, Klosterneuburg)
und von der Wiener Orchideengesellschaft. Dem Ministry of Productive
Reconstruction, Environment and Energy General Directorate for the
Development and Protection of Forests and Rural Environment Directorate of
Forest Management and Forest Environment Section of Forest Protected Areas
and Forest Recreation in Athen danken wir für die Genehmigungen der
Sammelerlaubnisse (Nr. 136591/451 und Nr. 121894/490) in Griechenland.
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Adressen der Autoren
Demetra Rakosy
Department Biozönoseforschung, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung –
UFZ, Theodor-Lieser-Straße 4
D-06120 Halle (Saale)
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-
Leipzig; Deutscher Platz 5e
D-04103 Leipzig
E-Mail: demetra.rakosy@ufz.de und demetra.rakosy@idiv.de
Hannes F. Paulus
Department für Evolutionsbiologie, Abteilung Integrative Zoologie
Althanstr. 14
A-1090 Wien
E-Mail: hannes.paulus@univie.ac.at
Monika Hirth
Runzstr. 6
D-79102 Freiburg
E-Mail: monika-hirth@t-online.de
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