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«Wasser Energie Luft» – 111. Jahrgang, 2019, Heft 1, CH-5401 Baden 23
metrische Vermessung die nötige Grund-
lage fehlt, um die langfristigen morphologi-
schen Prozesse verstehen zu können. Und
es fehlt auch eine wichtige Grundlage, um
angepasste Strategien und Massnahmen
zum Schutz vor Erosion oder zur ökolo-
gischen Aufwertung der Ufer entwickeln
zu können. Neben wasserbaulichen und
ökologischen bestehen zudem noch wei-
tere Interessen an einer solchen Grundlage
(z. B. Trinkwasserversorgung, Archäolo-
gie, Hydrologie, Forschung).
Mit den heutigen Technologien ist
es möglich, eine Seegrundvermessung
in höchster Genauigkeit mit vertretba-
rem Aufwand durchzuführen. Seit 2007
wurden mit Unterstützung von swiss-
topo, dem Bundesamt für Umwelt, dem
VBS, verschiedenen Kantonen und dem
zehnte alten Erhebungen, welche zudem
relativ ungenau sind. Seitdem der natur-
nahe Wasserbau an Seeufern in verschie-
denen Fachkreisen als Thema diskutiert
wird, wurde verschiedentlich darauf auf-
merksam gemacht, dass ohne eine bathy-
1. Ausgangslage
Von den meisten Seen der Schweiz fehlt
eine genaue topografische Vermessung
des Seegrundes und der Flachwasserzo-
nen. Die bestehenden bathymetrischen
Grundlagen basieren auf mehrere Jahr-
Vermessung des Bielersees –
spannende Blicke unter Wasser
Christoph Iseli, Giovanni de Cesare
Zusammenfassung
Das Projekt einer genauen Vermessung des Bielersees ist abgeschlossen. Erstmals
wurde für den Seegrund ein neues, detailliertes Geländemodell erstellt und daraus
eine Tiefenkarte geschaffen. Das Resultat liefert Antworten auf verschiedene Fragen,
welche die sieben beteiligten Auftraggeber aus unterschiedlichsten Fachrichtungen in
einem gemeinsamen Projekt formulierten. So liefert die Tiefenkarte zum Beispiel wich-
tige Aufschlüsse über Hangrutschungen und dadurch verursachte Wassertrübungen
oder Informationen zum Sedimenteintrag durch die Aare und zu den anschlies senden,
strömungsbedingten Sedimentverlagerungen. Sie liefert je nach Fragestellung ver-
schiedene Erklärungen und erlaubt ganz generell einen interessanten Blick auf die
morphologischen Phänomene und Prozesse am Boden des Sees.
Bild 1. Bathymetrische Karte des Bielersees. Die Farbtöne stellen die verschiedenen Tiefen dar.
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«Wasser Energie Luft» – 111. Jahrgang, 2019, Heft 1, CH-5401 Baden
Aufnahme einige Jahre später wiederholt,
können Veränderungen des Seebodens
dokumentiert und quantifiziert werden,
beispielsweise in Deltabereichen, wo Se-
dimente abgelagert werden, oder in Ufer-
bereichen, die durch Erosion geprägt sind.
Initiiert wurde das Projekt durch
den Energie Service Biel, ESB. Der regio-
nale Wasserversorger suchte neue Er-
kenntnisse über Seebodenrutschungen,
insbesondere zwischen dem Aare-Hag-
neck-Kanal und dem Nidau-Büren-Kanal,
welche Trübungen verursachen, die für
die Seewasseraufbereitung relevant sein
können. Hinzu kam, dass das Seewasser-
werk erneuert werden muss, und es des-
halb galt, einen möglichst idealen Standort
für die neue Seewasserfassung zu finden.
Der ESB beschloss deshalb, die Tief-
wasserzone im Seebecken zwischen der
St- Peters-Insel und Biel zu vermessen.
Das Landschaftswerk Biel-See-
land wurde auf dieses Vorhaben aufmerk-
sam und kontaktierte weitere an einer ba-
thymetrischen Vermessung interessierte
Partner mit dem Ziel, ein Projekt für den
gesamten See zu lancieren. Ende 2014
waren die Partner hinter dem gemeinsa-
men Projekt versammelt und die Finan-
zierung durch folgende Institutionen ge-
sichert:
• Bundesamt für Umwelt, BAFU
• Bundesamt für Landestopografie,
swisstopo
• Renaturierungsfonds des Kantons
Bern, RenF
• Amt für Wasser und Abfall des Kantons
Bern, AWA
• Archäologischer Dienst des Kantons
Bern, ADB
• Energie Service Biel, ESB
• Verein für Ingenieurbiologie, VIB
2. Fragestellungen
2.1 Aus Sicht des Wasserbaus und
der Ökologie
Solange eine zuverlässige und wiederhol-
bare bathymetrische Aufnahme fehlt, sind
auch durch aktuelle, z. B. projektbezo-
gene Aufnahmen kaum Rückschlüsse auf
die morphologischen Prozesse möglich,
und so lange bleiben diese unbekannt. Mit
einer bathymetrischen Vermessung steht
eine Zustandsaufnahme zur Verfügung,
welche zukünftige Vergleichsmessungen
ermöglicht.
Kenntnisse über Verlandungs- und
Erosionsprozesse (Wo finden welche Pro-
zesse statt? Wie schnell laufen sie ab? Wie
verändern sie sich im Laufe der Zeit?) sind
eine Voraussetzung dafür, zielgerichtete
vom 24. Januar 1991 sind Bund und Kan-
tone verpflichtet, die Öffentlichkeit über
den Gewässerzustand und den Gewäs-
serschutz zu informieren. Da dies umfas-
sende Kenntnisse über die Gewässer und
die hydrologischen wie auch ökologischen
Zusammenhänge erfordert, sind die Auf-
gaben von Bund und Kantonen zur Grund-
lagenbeschaffung im GSchG aufgeführt
(2. Kapitel, Grundlagenbeschaffung).
Mit der bathymetrischen Vermes-
sung des Bielersees wurde eine Grund-
lage für aktuelle und zukünftige Erhe-
bungen und Fragestellungen geschaf-
fen. Die Daten können beispielsweise im
Hinblick auf Naturgefahren interpretiert
werden. Im Weiteren können z. B. Revi-
talisierungsmassnahmen besser geplant
werden. Zudem dienen die Daten der
Schifffahrt oder der Archäologie. Wird die
Schweizerischen Nationalfonds auf meh-
reren Seen in der Schweiz Messkampag-
nen durchgeführt, in welchen moderne,
hochauflösende bathymetrische Metho-
den angewandt wurden. Diese Messun-
gen wurden durch die Eawag und die Uni-
versität Bern durchgeführt. Die Daten sind
auf dem Geoportal des Bundes einsehbar.
Für die hochauflösende Vermes-
sung kommen zwei unterschiedliche
Techniken zur Anwendung. Für den tiefen
Bereich des Sees ein auf ein Boot montier-
tes Fächerecholot und für die Flachwas-
serzone Lasermessungen aus der Luft von
einem Kleinflugzeug aus. Die beiden resul-
tierenden Datensätze müssen schliesslich
ausgewertet und miteinander verrechnet
werden, um eine genaue und zeitgemäs se
Aufnahme des gesamten Sees zu erhalten.
Gemäss Gewässerschutzgesetz (GSchG)
Bild 2. In der Flachwasserzone (grau und hellrosa) zwischen dem Aaredelta Hagneck
und Ipsach interessiert die Dynamik des uferparallelen Transports der Feinsedimente
aus dem Zufluss der Aare.
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4. Methode
Grundlage für das Geländemodell und
die Karte waren zwei Datensätze aus je
einer Echolot- und einer LIDAR-Vermes-
sung, bei der mit Laserstrahlen gearbeitet
wird. Die beiden Datensätze wurden an-
schliessend miteinander kombiniert, und
aus den bereinigten Rohdaten wurde ein
1 × 1-m-Raster erstellt, aus dem schliess-
lich der Geodatensatz BATHYBIE gene-
riert werden konnte. Die Darstellung die-
ses Datensatzes ist unter der Bezeichnung
«Tiefenkarte Bielersee» auf dem Geopor-
tal des Kantons Bern aufgeschaltet (www.
geo.apps.be.ch > Karten > Tiefenkarte
Bielersee).
Die Echolotaufnahmen wurden von
Mitarbeitenden des Instituts für Geologie
der Universität Bern im März 2015 mit
einem Fächerecholot durchgeführt. Die LI-
DAR-Daten für die Flachwasserzone wur-
den von der Firma Airborne HydroMapping
AHM GmbH, Innsbruck, erhoben und aus-
gewertet. Der Vermessungsflug fand am
6. Januar 2016 statt. Details zu beiden Er-
hebungen finden sich im technischen Be-
richt, der ebenfalls auf dem Geoportal des
Kantons Bern abrufbar ist (www.geo.apps.
be.ch > Geodaten > Geoprodukte > Bathy-
metrie Bielersee).
Das Zusammenführen der beiden
Datensätze erledigte die AHM GmbH mit
Unterstützung durch die Universität Bern
und swisstopo. Die Projektleitung lag bei
Prof. Dr. Flavio Anselmetti, Universität
Bern. Die administrative Projektleitung und
die Koordination der Projektpartner über-
3. Projektziele
und -organisation
3.1 Projektziele
• Mit dem Projekt sollte eine Grundlage
zur Bearbeitung einer Vielzahl von Fra-
gestellungen verschiedener Akteure
im Zusammenhang mit dem Bielersee
geschaffen werden.
• Durch den Einsatz von neuen Techno-
logien zur Datenerfassung sollte das
Wissen über die Bathymetrie des Bie-
lersees und die im See ablaufenden
Prozesse erhöht werden.
3.2 Projektorganisation
Das Projekt gliederte sich in zwei Teil-
projekte. Die Unterteilung in die beiden
Teilprojekte erfolgte in Abhängigkeit der
Wassertiefe und der daraus resultierenden
Methode zur Datenerfassung. Je nach Teil-
projekt waren unterschiedliche Projekt-
partner beteiligt, für welche unterschiedli-
che Fragestellungen im Vordergrund stan-
den. Das Teilprojekt Tiefenwasserbereich
wurde durch Alfred Johny Wüest (eawag)
und Flavio Anselmetti (Universität Bern)
koordiniert. Die Gesamtkoordination der
beiden Teilprojekte sowie die die Koordi-
nation des Teilprojekts Flachwasserbe-
reich wurde vom Landschaftswerk Biel-
Seeland übernommen. Das Landschafts-
werk setzt sich seit Längerem aktiv für den
Schutz der Bielerseeufer und den natur-
nahen Wasserbau ein und beteiligt sich in
diesem Zusammenhang an angewandten
Forschungsprojekten.
Schutzstrategien und optimierte Mass-
nahmen zu entwickeln. Gerade im Hinblick
auf die durch das Gewässerschutzgesetz
(GSchG) und die strategische Planung ge-
förderte Revitalisierung von Seeufern sind
diese Kenntnisse von grundlegender Be-
deutung, dienen doch Geländemodelle als
Grundlage für die Projektierung und für die
numerische Modellierung von Uferschutz-
oder Revitalisierungsmassnahmen.
Kenntnisse der Morphologie (Form
und Tiefenlage der Haldenkante, Form
und Richtung der Dünung in der Flach-
wasserzone, Vorkommen von Kliffen
usw.), kombiniert mit einem verbesser-
ten Prozessverständnis, ermöglichen
es aber auch, bereits aufgrund des mor-
phologischen Zustands Aussagen über
die morphologische Dynamik machen zu
können. So kann z. B. die Tiefenlage der
Haldenkante unter Berücksichtigung der
Beschaffenheit des Untergrundes eine zu-
verlässige Grundlage bilden, auf welcher
eine einfache Abschätzung des Wellenkli-
mas resp. der Wellenbelastung am jewei-
ligen Uferabschnitt möglich ist.
2.2 Aus Sicht der Archäologie
Von den im Bielersee vorkommenden ar-
chäologischen Fundstellen sind seit 2011
fünf als UNESCO-Welterbe-Stätten einge-
stuft. Die Welterbekonvention verpflichtet
die Vertragsstaaten zum Schutz und zum
Erhalt der Stätten. Im Managementplan
der Eidgenossenschaft ist hierzu unter an-
derem ein Monitoring der schweizerischen
Unesco-Fundstellen vorgesehen. Die ba-
thymetrische Aufnahme des Bielersees mit
hoher Genauigkeit liefert für diese Aufgabe
eine wichtige Grundlage.
2.3 Aus Sicht der Trinkwasser-
versorgung
Aus Sicht des Energie Service Biel, ESB,
sind Erkenntnisse über Rutschungen, ins-
besondere zwischen dem Aare-Hagneck-
Kanal und dem Nidau-Büren-Kanal von
Interesse. Ende 2009 / Anfang 2010 führ-
ten Trübungen des Wassers zur Abschal-
tung der Trinkwasserentnahme aus dem
Bielersee. Im Hinblick auf die Erneuerung
des Seewasserwerks mussten die Gründe
für die Trübung untersucht und der ideale
Standort der Seewasserfassung evalu-
iert werden, um einen ähnlichen Vorfall zu
vermeiden. Die Bathymetrie ergab Auf-
schlüsse zu den unterseeischen Hangrut-
schungen, welche die Trübung verursacht
hatten. In Kombination mit einer weiteren
Studie der eawag, welche die Strömungs-
verhältnisse untersuchte, konnte der ide-
ale Standort evaluiert werden.
Bild 3. Im Ausschnitt der Flachwasserzone bei Gerolfingen ist die Haldenkante auf der
Höhenlinie von ca. 424 m ü. M. gut sichtbar. Weiter landwärts befindet sich ein Kliff von
rund 2 m Höhe. Gut sichtbar sind auch die Dünen, welche auf eine aktive wellen- und
strömungsbedingte Sedimentdynamik hinweisen.
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«Wasser Energie Luft» – 111. Jahrgang, 2019, Heft 1, CH-5401 Baden
die morphologische Anpassung – sprich die
Erosion – der Flachwasserzone infolge der
Seespiegelsenkung von rund 2.5 m durch
die erste Juragewässerkorrektion Ende des
19. Jahrhunderts noch nicht abgeschlos-
sen ist. Gleichzeitig liegt der Schluss nahe,
dass es sich beim Sedimentkörper zwi-
schen Kliffkante und Seeufer zumindest
oberflächlich um «junges» Material aus
dem Zufluss der Aare handelt, welches als
Sedimentstrom vom Aaredelta uferparallel
in Richtung Ipsach wandert und die Fest-
stoffbilanz der gesamten Flachwasserzone
positiv beeinflusst sowie den Anpassungs-
prozess verlangsamt.
5.1 Periodische Hangrutsche
unter Wasser
Diese Vermutung wird auch durch ein
von Bild 4 dokumentiertes Phänomen ge-
stützt. Durch die allmähliche Verengung
der Flachwasserzone gegen Ipsach im
Nordosten wird das Sediment über die Hal-
denkante hinaus gegen das Tiefenwasser
geleitet, wo es sich an der Halde ablagert.
Aufgrund der labilen Schichtung ereignen
sich dort periodisch Hangrutsche, welche
auf der bathymetrischen Karte gut erkenn-
bar sind. Zusammenfassend kann gesagt
werden: Ohne Nachschub von Sedimen-
ten aus dem Aaredelta wäre die Erosion der
Flachwasserzone zwischen Hagneck und
Ipsach heute viel weiter fortgeschritten.
Aus dieser These ergeben sich ver-
schiedene Fragen zur Nachhaltigkeit des
Sedimentnachschubs respektive zu den
möglichen Auswirkungen von baulichen
Eingriffen auf den Sedimenthaushalt. So
hat sich zum Beispiel durch die Verlegung
der Turbinen des Kraftwerks Hagneck vom
alten Kraftwerkskanal in den Hauptkanal
das Abflussregime geändert. Der Delta-
bereich vor dem alten Unterwasserkanal
wird künftig nur noch geringfügig mit Se-
dimenten alimentiert. Ob dies längerfristig
Auswirkungen auf die Feststoffbilanz der
Flachwasserzone nördlich des Deltas hat,
werden erst künftige Vergleichsmessun-
gen zeigen. Negative Folgen können aber
nicht ausgeschlossen werden.
Auch ein weiteres Beispiel deutet
darauf hin, dass Beeinträchtigungen des
Sedimenttransports längerfristig nega-
tive Folgen haben können. Vor gut zwan-
zig Jahren wurde beim Bau des Hafens in
Ips ach eine neue Mole gebaut, welche bis
direkt an die Haldenkante reicht. Damit
wurde der uferparallele Sedimenttransport
vollends unterbrochen. Die bathymetri-
sche Karte 2016 zeigt, dass die Flachwas-
serzone im Strömungslee nordöstlich des
Hafens auf einer Länge von 200 m rund
Seegrund, der unterhalb der Reichweite
der Wellenerosion liegt. Die Haldenkante
verläuft also entlang der Kote der tiefsten
möglichen Einwirkung der Wellenbewe-
gung. Die Tiefenlage der Kante ist dem-
nach abhängig von der Beschaffenheit des
Untergrundes und der Wellenexposition.
Unter der Annahme, der Unter-
grund am ganzen Südufer des Bielersees
sei ähnlich beschaffen, müsste die Tiefen-
lage der Haldenkante deshalb in Relation
zum Wellenklima am jeweiligen Standort
stehen. Eine einfache Überprüfung dieser
Hypothese mit Daten aus dem Wellenat-
las des Bielersees (www.swisslakes.net)
ergibt, dass die Wassertiefe bei der Hal-
denkante tatsächlich ungefähr der hal-
ben Länge der signifikanten Welle eines
häufigen Windereignisses am jeweiligen
Standort entspricht. Sie beträgt an den
südwestlichen Enden des Sees in Gals
rund 3.5 m und in Erlach 4.5 m. Gegen
Nordosten nimmt sie mit zunehmender
Wellenexposition der Hauptwindrichtung
zu und beträgt in Gerolfingen 5.5 m und
in Sutz 6 m.
Interessant in diesem Zusammen-
hang ist nun die auf der neuen Tiefenkarte
erkennbare Kliffkante, die sich in einem
weit geschwungenen doppelten S auf der
Flachwasserzone zwischen Hagneck und
Ipsach abzeichnet (vgl. Bilder 2 und 3). Die
Böschungsoberkante des Kliffs liegt auf
rund 427 m ü. M., was einer Wassertiefe
von etwa 2.5 m entspricht. Sie liegt damit
wesentlich höher als die Haldenkante. Es
kann deshalb vermutet werden, dass hier
nahm das Landschaftswerk Biel-Seeland
unter dem Patronat des Vereins für Inge-
nieurbiologie.
5. Resultate
Die Resultate der Vermessung überra-
schen mit einer enormen Detailfülle und
geben interessante Einblicke in die mit
dem Seegrund verbundenen Prozesse.
So liefern die Daten aus der Flachwas-
serzone wertvolle Informationen über
die morphologische Dynamik durch
Sediment umlagerungen und dienen der
Beurteilung von wasserbaulichen Mass-
nahmen und der Planung von Revitalisie-
rungsvorhaben. Auch für die Archäologie
und die Schifffahrt sind die neuen Daten
wertvoll. So wurden sie bereits zur Model-
lierung für die Evaluation möglicher Ero-
sionsschutzmassnahmen der UNESCO-
Welterbe-Stätte «Sutz Rütte» genutzt.
Weiter dienten sie zur Abschätzung der
Sedimentverlagerungen in der Flachwas-
serzone in Täuffelen und zur Konzeption
vor Revitalisierungsmassnahmen im Ufer-
bereich von Gals. Auch die Daten aus der
Tiefwasserzone dokumentieren bisher
unbekannte Strukturen und Prozesse und
ermöglichen neue Erkenntnisse für den
Gewässerschutz.
Bekannt ist, dass die Flachwas-
serzone vom Aaredelta Hagneck bis nach
Ipsach (Bild 2) durch die Erosionskraft der
Wellen geformt wurde. Gegen die Seemitte
wird die Flachwasserzone durch die Hal-
denkante begrenzt. Sie markiert den Über-
gang vom flachen zum steil abfallenden
Bild 4. Gegen Ipsach wird die Flachwasserzone allmählich schmaler. Das uferparallel
transportierte Sediment wird gegen die Seemitte abgelenkt und lagert sich an der
Halde in einem unstabilen Schüttkegel an. Periodisch ereignen sich Hangrutsche – der
letzte 2010, ausgelöst wahrscheinlich durch einen Erdstoss (Nathalie Dubois, Eawag).
«Wasser Energie Luft» – 111. Jahrgang, 2019, Heft 1, CH-5401 Baden 27
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Auf Grund der sehr grossen Datenmenge
stehen diese Daten nicht als Download zur
Verfügung.
• Im Wellenatlas (www.swisslakes.net) kön-
nen für jeden beliebigen Standort die Wel-
lenhöhen für die verschiedenen Windrich-
tungen und Windereignisse (Wiederkehrpe-
rioden zwei, 20 und 50 Jahre) abgerufen
werden. Nach einer kürzlich erfolgten Über-
arbeitung sind neu auch die Wellenperioden
und Wellenlängen abrufbar.
• Weitere Tiefenkarten von Schweizer Seen
sind auf dem Geoportal von swisstopo
einsehbar: https://map.geo.admin.ch/
einen Meter tiefer liegt als südwestlich des
Hafens. Dies deutet auf eine fortschrei-
tende Erosion hin, welche wahrschein-
lich durch den Bau des Hafens ausgelöst
wurde.
Der Sedimenttransport kann aber
auch positiv beeinflusst werden, wie ein
Beispiel in Gals zeigt. Dort wurden im
Rahmen eines Revitalisierungsprojekts
mehrere Wellenbrecher erstellt, welche
eine Ablagerung der Sedimente zwischen
den Wellenbrechern und dem Seeufer be-
wirkten. Dadurch wurde eine Verlandungs-
dynamik initiiert, welche zur Entwicklung
einer neuen Röhrichtzone führte. Gerade
im Hinblick auf die durch die Revision des
Gewässerschutzgesetzes geförderten
Revitalisierungen werden Massnahmen,
welche eine «positive» morphologische
Dynamik bewirken, von grosser Bedeu-
tung. Entsprechend wichtig sind Kennt-
nisse über Zustand und Entwicklung der
Bathymetrie.
Mehrere Hangrutsche sind auch
am Nordufer des Bielersees zu beob-
achten. Wie der Rutsch bei St-Joux in La
Neuveville sind die meisten dieser Vorfälle
wahrscheinlich durch Bauarbeiten – meist
Seeaufschüttungen – ausgelöst worden,
zum Beispiel bei der ARA in Twann, beim
Hafen Wingreis oder entlang der A5/SBB-
Doppelspur vor Tüscherz und Alfermée.
6. Fazit
Mit der neuen bathymetrischen Karte des
Bielersees lassen sich bereits heute wert-
volle Erkenntnisse über die morphologi-
schen Prozesse gewinnen. Zudem bildet
sie eine wichtige Grundlage für die Pla-
nung und die numerische Modellierung
von wasserbaulichen Massnahmen und
Revitalisierungsprojekten. Interessant
wer den zukünftige Vergleichsmessungen
sein, mit welchen die morphologischen
Veränderungen auch quantitativ erfasst
werden können.
Quellen
• Alle Bilder: Bathymetrie Bielersee © Amt für
Wasser und Abfall des Kantons Bern
• Die Karte ist im Geoportal des Kantons Bern
unter www.geo.apps.be.ch > Karten > Tie-
fenkarte Bielersee abrufbar.
• Technischer Bericht und Download der
Karte unter www.geo.apps.be.ch > Geoda-
ten > Geoprodukte > Bathymetrie Bielersee
• Die LIDAR-Daten sind beim Amt für Was-
ser und Abfall, AWA, des Kantons Bern auf
dem Server gespeichert. Auf Anfrage kön-
nen diese Daten und der entsprechende
Viewer beim Gewässer- und Bodenschutz-
labor des AWA persönlich bezogen werden.
Bild 5. Die Hafenmole in Ipsach lenkt den uferparallelen Sedimenttransport über die
Haldenkante gegen das Tiefenwasser. Dadurch entsteht nordöstlich des Hafens ein
Feststoffdefizit, welches längerfristig zu einer Absenkung des Seegrundes führt,
sichtbar an der Höhenlinie 427 m ü. M., welche sich gegen das Ufer verschiebt.
Bild 6. Hangrutsche können auch durch Baumassnahmen ausgelöst werden, wie
dieser in La Neuveville wahrscheinlich durch die Aufschüttung des Ufers bis an die
Haldenkante.
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Anschrift der Verfasser
Christoph Iseli
Landschaftswerk Biel-Seeland
Mattenstrasse 133, CH-2501 Biel/Bienne
ch.iseli@landschaftswerk.ch
Giovanni de Cesare
EPRL-ENAC-LCH, Station 18
CH-1015 Lausanne
giovanni.decesare@epfl.ch
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Ihr Partner
für Energiedienst leistungen
Energiehandel und Portfoliomanagement
Ökostromprodukte und Zertikatehandel
Planung, Projektierung, Realisierung von
Wasserkraftwerken
Betriebs- und Geschäftsführung Wasserkraftwerke
ewa.ch