Content uploaded by Simon Köppl
Author content
All content in this area was uploaded by Simon Köppl on May 11, 2020
Content may be subject to copyright.
11. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2019
Seite 1 von 15
Netzdienlicher Handel als Element des zellulären
Energiesystems am Beispiel des Altdorfer
Flexmarkts (ALF)
Andreas Zeiselmair1, Simon Köppl1, Thomas Estermann1, Nico Lehmann2,
Emil Kraft2, Nikolai Klempp3
1Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V., Am Blütenanger 71, 80995 München
azeiselmair@ffe.de, www.ffe.de
2Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Hertzstraße 16, 76187 Karlsruhe
nico.lehmann@kit.edu, www.iip.kit.edu
3Universität Stuttgart, IER, Heßbrühlstraße 49a, 70565 Stuttgart
nikolai.klempp@ier.uni-stuttgart.de, www.ier.uni-stuttgart.de
Kurzfassung:
Der Beitrag erläutert auf Grundlage von beschriebenen Marktmechanismen, welche im
Rahmen des Projekts C/sells für ein zelluläres Energiesystem entwickelt werden, die
Wertversprechen von Flex-Plattformen für den netzdienlichen Handel von Flexibilität. Diese
stellen Netzbetreibern ein zukünftiges Werkzeug für marktbasiertes Engpassmanagement zur
Verfügung. Hierzu werden die Funktionen des C/sells Flex-Plattform Konzepts sowie die
Interaktionen der beteiligten Akteure vorgestellt. Anschließend werden Charakteristika des
Altdorfer Flexmarkts (ALF) als eine Implementierung des Flex-Plattform Konzepts detailliert
beschrieben. Auf Basis der Systemlandschaft werden spezifische Prozessschritte erläutert
und auf die Schwerpunkte bei der Umsetzung von ALF eingegangen. Hierzu gehört neben
dem einfachen Marktzugang von Kleinanlagen die Integration in die durch intelligente
Messsysteme bereitgestellte Infrastruktur. In der Zusammenfassung werden die Inhalte im
energiewirtschaftlichen Kontext verortet und ein Ausblick auf die weitere Umsetzung gegeben.
Keywords: zelluläres Energiesystem, Flex-Plattform, Engpassmanagement,
Flexibilitätsmarkt, Flexibilität, netzdienlich, regionalisierter Handel
1 Märkte als zentraler Mechanismus eines zellulären Energie-
systems
Die von der Bundesregierung festgelegten Ziele zur Energieversorgung [1] führen im Kern zu
einer Abkehr von der bisherigen, ressourcenbasierten Energieversorgung hin zu einer weitest
gehenden Dekarbonisierung des Energiesystems bis Mitte des Jahrhunderts. Der damit
einhergehende Ausbau erneuerbarer Energien bedingt eine Umstrukturierung des bislang
zentral organisierten Systems [2]. Millionen von Erzeugern, Verbrauchern und Speichern
müssen intelligent miteinander vernetzt werden. Neben einer Umstrukturierung führt der
11. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2019
Seite 2 von 15
Ausbau von volatilen erneuerbaren Energien auch zu neuen Herausforderungen beim
Energieausgleich und im Bereich der Netze. [3]
Der zelluläre Ansatz stellt eine Möglichkeit dar, diesen Herausforderungen zu begegnen. Sie
sind als ein von der Umgebung abgegrenztes Energiesystem definiert welches über
Schnittstellen mit dem übergeordneten Energiesystem verbunden ist. Die Zellfunktionen
ermöglichen ein autonomes Energiemanagement mit einer Optimierung von Erzeugung und
Verbrauch im System, wobei ein Austausch von Produkten und Dienstleistungen mit anderen
Zellen stattfindet [in Anlehnung an 4].
Das Projekt C/sells schafft intelligente Verbindungen zwischen vielfältigen Zellen, sodass
ökonomische mit technischen Rahmenbedingungen in Einklang gebracht werden und ein
nachhaltiges Wirtschaften und die Partizipation vielfältiger Akteure ermöglicht wird. Dabei wird
der süddeutsche Solarbogen von Bayern im Osten über Baden-Württemberg bis nach Hessen
im Nordwesten genutzt, um ein zellulär strukturiertes Energiesystem zu untersuchen und zu
demonstrieren [5, 6].
Um den Austausch von Produkten und Dienstleistungen zwischen Zellen zu ermöglichen,
kommen neben einem direkten Handel zwischen den Zellen
1
Märkte und deren Funktionen in
Betracht. Märkte übernehmen im Allgemeinen die Koordinierungsfunktion mittels Preisbildung,
ermöglichen den Handel zum Marktpreis, sodass eine Markträumung stattfindet, allokieren die
vorhandenen Güter und bieten die Möglichkeit zur Erzielung von Renten. Zusätzlich haben sie
das Potenzial zu Effizienzsteigerungen (Markteffizienzhypothese) und zu Innovationsanreizen
[7]. Die Möglichkeit des Marktzutritts dezentraler Anlagen in bestehende und neue Märkte
kann zu einer aktiven Ausrichtung der Energiemanagementsysteme, z.B. eines Stadtquartiers,
auf die Bereitstellung der Produkte und Dienstleistungen führen [8].
Im Projekt C/sells wird zwischen drei Arten von Handelsplätzen für Energie und Flexibilität
unterschieden (vgl. Abbildung 1-1).
Abbildung 1-1: Die drei C/sells-Handelsplätze: Regionaler marktdienlicher Handel, zentraler
marktdienlicher oder systemdienlicher Handel, netzdienlicher Handel
Quelle: Smart Grids-Plattform Baden-Württemberg e.V.
Der regionale marktdienliche Handel hat die sichere, effiziente und regionale Vermarktung von
Strom zum Ziel. Dies gilt auch für Stromkleinstmengen und den Bezug von Strom.
Untersuchungen zu regionalen Energiemärkten gewinnen insbesondere in jüngster
Vergangenheit an Popularität [9], da ihnen Vorteile gegenüber zentralen Märkten
zugesprochen werden. Die Idee ist, den lokalen Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch zu
1
Auch als OTC-Handel bezeichnet (englisch: over the counter).
11. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2019
Seite 3 von 15
steigern und damit zur Systemstabilität beizutragen [10]. Weiterhin können regionale Märkte
Kleinsterzeuger, Prosumer und Verbraucher stärken und zur Befriedigung von Präferenzen
beitragen. Es wird die lokale Wertschöpfung gefördert und dezentrale Investitionen werden
lukrativer [11]. Für die erfolgreiche Implementierung eines dezentralen Energiesystems ist die
Akzeptanz und Unterstützung seitens der Bevölkerung notwendig [12]. Diesem Umstand wird
durch den regionalen Handel Rechnung getragen.
Der zentrale marktdienliche Handel sowie der systemdienliche Handel umfassen den bereits
heute etablierten Großhandelsmarkt bzw. den Regelleistungsmarkt, erweitert um die
Integration zellulär organisierter, dezentraler kleinteiliger Anlagen. Durch den bevorstehenden
Smart Meter Rollout, zelluläre Aggregationskonzepte und das dadurch entstehende Potenzial,
auch kleine Anlagen anzusteuern und zu geringen Transaktionskosten zu vermarkten, ergibt
sich die Möglichkeit volkswirtschaftlicher Effizienzgewinne. Auch am Regelleistungsmarkt
ergeben sich durch die intelligente Organisation neue Vermarktungsmöglichkeiten, indem
bisher nicht wirtschaftlich aggregierbare, dezentrale Anlagen aggregiert die
Präqualifikationsanforderungen erfüllen und Regelleistung erbringen können [15, 16]. Somit
eröffnen sich Möglichkeiten, als dezentrale kleinteilige Anlage zu einer sicheren
Systemführung beizutragen und darüber hinaus potenziell zusätzliche Erlöse zu generieren.
Mit dem letzten der drei C/sells-Handelsplätze, dem netzdienlichen Handel, sollen die für
Netzbetreiber heute bestehenden Mechanismen für einen sicheren Netzbetrieb um einen
marktlichen Mechanismus ergänzt werden. Ziel des marktlichen Mechanismus ist es, Anbieter
insbesondere kleinteiliger dezentraler Flexibilitätsoptionen effizient mit dem Flexibilitätsbedarf
der Netzbetreiber zur Vermeidung bzw. Behebung von Netzengpässen zusammenzuführen.
Dies erfolgt koordiniert über alle Netzebenen. Der marktliche Ansatz gewährleistet hierbei
durch die Freiwilligkeit der Teilnahme am C/sells-Handelsplatz, dass die Anbieter in ihrer
Autonomie nicht eingeschränkt werden. In Abgrenzung zum regionalen marktlichen Handel ist
das Anwendungsgebiet ausschließlich das Netz. Im Gegensatz zum markt- und
systemdienlichen Handel ist hingegen eine regionale Komponente im Flexibilitätsangebot
zwangsläufig notwendig, um die örtlich begrenzte Wirksamkeit von Flexibilität auf einen
Netzengpass zu berücksichtigen.
2 Flex-Plattformen für netzdienlichen Handel
Durch den anfangs beschriebenen Wandel des Energiesystems ergeben sich geänderte
Anforderungen an die Übertragungs- und Verteilnetze gegenüber dem ursprünglichen
Auslegungszustand, denen Netzbetreiber entsprechend den geltenden Planungsgrundsätzen
(Netzoptimierung, Netzverstärkung und Netzausbau) begegnen. Der verzögert
voranschreitende Netzausbau führen zusammen mit der geänderten Erzeugungssituation
aktuell vermehrt zu Netzengpässen. Die Kosten für deren Behebung überschritten 2015 und
2017 eine Milliarde Euro und führten zu einer Diskussion über Möglichkeiten zur
Effizienzsteigerung der Netzengpassmanagement Prozesse. [1] Doch selbst mit Netzausbau
11. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2019
Seite 4 von 15
ist es wirtschaftlich sinnvoll bei der Auslegung der Netze die Möglichkeit einer Abregelung von
EE-Anlagen zu berücksichtigen (3 % der Jahresenergiemenge einer EE-Anlage
2
[18]).
Netzbetreiber müssen limitierte Übertragungskapazitäten des elektrischen Netzes in ihren
Netzbetriebsplanungsprozessen berücksichtigen. Während die Definition von
netzengpassfreien Marktgebieten und der Netzausbau rahmensetzende Lösungsoptionen zur
Vermeidung von Netzengpässen darstellen, sind kurzfristig lediglich Anpassungen im Netz-
und Anlagenbetrieb mögliche Lösungsoptionen. Die heute verfügbaren Maßnahmen sind in
§ 13 EnWG und § 14 EnWG definiert. § 13 EnWG regelt bereits die Möglichkeiten und
Reihenfolge von anzuwendender Engpassmanagementmaßnahmen für den
Übertragungsnetzbetreiber. So müssen netzbezogene Maßnahmen (Netztopologie-
maßnahmen) vor marktbezogenen Maßnahmen (Redispatch/Countertrading, Ab-/Zu-
schaltbare Lasten, Netz-/Kapazitätsreserven) vor zusätzlichen Reserven nach
§ 13 (1) S. 1-2 EnWG gezogen werden. Notfallmaßnahmen (Einspeisemanagement,
kaskadierte Anlagensteuerung) gemäß § 13 (2) EnWG stellen die Ultima Ratio dar. Gemäß
§ 14 EnWG gelten diese entsprechend für Verteilnetzbetreiber. Hieraus lässt sich ein
allgemeiner Vorrang von Marktmechanismen vor Notfallmaßnahmen ableiten.
Gemäß der Intention des SINTEG-Förderprogramms stehen „sichere, effiziente und
massengeschäftstaugliche Verfahren, innovative Technologien sowie Marktmechanismen für
flexible, intelligente Netze und Märkte“ im Fokus. [19] Dazu gehört auch die Entwicklung von
neuen Marktmechanismen für Netzengpassmanagement. Prinzipiell besteht eine Vielzahl an
möglichen Lösungsoptionen für marktbasierte Konzepte, die bereits in [20] oder [21] analysiert
wurden. Eine dieser Optionen stellt das Flex-Plattform Konzept dar, welche im Rahmen von
C/sells entwickelt wird. Das C/sells Flex-Plattform Konzept erweitert die marktbezogenen
Maßnahmen für Netzbetreiber aller Spannungsebenen und zielt auf einen effizienten Prozess
zur Anzeige und Vermittlung von Flexibilitätsoptionen zur Anwendung für das
Netzengpassmanagement ab. Die Nutzbarmachung der Flexibilität aus dezentralen, im
Verteilnetz angeschlossenen Anlagen, steht dabei im besonderen Fokus. Zu beachten ist,
dass in C/sells insgesamt drei Umsetzungen des Flex-Plattform Konzepts existieren (ReFlex
der Energienetz Mitte GmbH, comax der TenneT TSO GmbH und ALF der Forschungsstelle
für Energiewirtschaft e. V. gemeinsam mit der Bayernwerk AG). Allen drei Plattformen liegt
das gleiche Konzept zugrunde; aufgrund eines jeweils unterschiedlich gesetzten Fokus und
der Vielzahl an adressierten Netzengpasssituationen unterscheiden sie sich allerdings in
einzelnen Aspekten wie beispielsweise der Produktausgestaltung oder der Integration von
Kleinanlagen. Im nächsten Kapitel wird auf die spezifischen Prozesse der ALF Plattform
eingegangen.
Über die grundlegenden Prozesse im Flex-Plattform-Konzept gibt nachfolgende Abbildung 2-1
einen Überblick. Hierbei sind verschiedene Prozesse dargestellt: die der Flex-Plattform selbst
(dunkelblau), deren Zusammenspiel untereinander und die als technische Schnittstellen
(hellblau) bezeichnete Prozesse, die außerhalb der Flex-Plattform ablaufen.
2
Gemäß § 11 EnWG können Netzbetreiber ihre Netzplanung unter der Annahme durchführen,
dass die prognostizierte jährliche Stromerzeugung aus Photovoltaik- und Onshore-
Windkraftanlagen in ihrem Netzgebiet um bis zu 3 % je Anlage reduziert werden darf.
11. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2019
Seite 5 von 15
Abbildung 2-1: Überblick zum Aufbau und den Prozessen des C/sells-Flex-Plattform-Konzeptes
Das Konzept besteht aus sechs Flex-Plattform-Prozessen und zwei technischen
Schnittstellen. Nachdem ein potenzieller Flex-Anbieter (im Sinne des Einsatzverantwortlichen
(EIV) § 13a EnWG, [22]) sich für eine Teilnahme an der Flex-Plattform entschieden hat (1),
beginnt der Prozess der Registrierung (2). Die Registrierung von Flex-Anbietern und ihren
zugehörigen Flex-Optionen auf der Plattform ist Grundvoraussetzung, um Flexibilität auf der
Plattform zu vermarkten.
Als Flex-Anbieter können Betreiber von Erzeugungs-, Verbrauchs- und Speicheranlagen
auftreten, die ihre Einspeise- oder Entnahmeleistung bei Bedarf gezielt anpassen können.
Hierbei werden die Stammdaten des EIV und seiner flexiblen technischen Einheit (TE)
übertragen. Die TE wird hinsichtlich ihrer netztechnischen Wirksamkeit durch die Netzbetreiber
verortet, auf deren Netzgebiet die zukünftige Flexibilitätserbringung durch die TE
Auswirkungen hat (beginnend beim Anschlussnetzbetreiber und anschließend alle
überlagerten Netzbetreiber). Nach Abschluss der Registrierung können entsprechend der
Anlagenverfügbarkeiten Gebote durch den Flex-Anbieter auf der Flex-Plattform eingestellt
werden (5). Bedarfsseitig wird Input durch die Netzbetreiber auf der Flex-Plattform eingestellt,
die mittels Netzzustandsprognosen und Sensitivitätsanalysen ihren Flexibilitätsbedarf sowie
potenzielle Einschränkungen für den Abruf von technischen Einheiten in ihrem Netzgebiet
ermitteln (3) und an die Plattform zur Koordination übertragen (4). Der Planungsprozess auf
der Plattform beinhaltet neben einer Benutzerschnittstelle zur Dateneingabe und zur
Visualisierung von verfügbaren Flexibilitätsangeboten (Frontend), der Datenverarbeitung
(Backend) insbesondere das Zusammenführen (Matching) von Angebot und Nachfrage zur
Behebung von Netzengpasssituationen und den energetischen Ausgleich (6). Nachdem der
Abruf entsprechend der Auswahl der technischen Einheiten übertragen wurde und erfolgt ist
(7), umfasst der abschließende Settlement-Prozess die dem Abruf nachgelagerten Funktionen
(8). Dazu zählt der Nachweis zur Erbringung der angeforderten Flexibilität, die Abrechnung,
der bilanzielle Ausgleich und die Erfüllung der Dokumentationspflichten, mit denen die
Prozesse des Flex-Plattform Konzepts abgeschlossen sind.
(8) Settlement
Start
Ende
Legende:
Flex-Plattform Prozesse
Technische Schnittstellen
(nic ht Teil der Fl ex-Plattform)
Berücksichtigung u. Übermittlung
netztechnischer Randbedingungen
(3)
Prozesse
Netzbetreiber
(1)
Prozesse
Flex
Anbieter
(5) Angebots-
einstellung
(7) Ausführung (Abruf)
(6)
Planungsprozess
(Frontend, Backend,
Matching)
(4)
NB-Koord.
(FlexBedarf,
netztechn.
Randbed.)
(2) Registrierung
L2
L1
11. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2019
Seite 6 von 15
Nachfolgend wird mittels eines e3-Value-Diagramms nach [23] ein Überblick zum
Zusammenspiel der am Prozess der Flex-Plattform beteiligten Akteure gegeben (vgl.
Abbildung 2-2). Dies umfasst die Interaktion der Netzbetreiber mit Flexibilitätsanbietern (EIV)
und die Koordination zwischen überlagerten und unterlagerten Netzbetreibern hinsichtlich
netztechnischen Randbedingungen über die Flex-Plattform.
Abbildung 2-2: Vereinfachtes e³-Value-Diagramm der Funktionen und Interaktionen der beteiligten
Akteure über die in C/sells entwickelten Flex-Plattformen ALF, ReFlex und comax
Als zentraler Vermittler steht die Flex-Plattform mit den Kernfunktionen des
Planungsprozesses (Matching, Frontend/Backend) und der Ausführung bzw. des
Flexibilitätsabrufs. Das System teilt sich dabei in ein Backend, in welchem alle internen
Plattform-Prozesse und -Funktionen stattfinden und ein Frontend, über welches den
beteiligten Akteuren Oberflächen und Schnittstellen zur Interaktion und Visualisierung zur
Verfügung stehen.
Auf der Flex-Plattform agieren prinzipiell zwei verschiedene Gruppen von Akteuren:
1. Als Flex-Nachfrager (Abbildung 2-2, rechts) wird der Netzbetreiber bezeichnet, der auf
der Flex-Plattform seine Nachfrage zur Lösung seines Netzengpasses einstellen kann.
2. Flex-Anbieter (Abbildung 2-2, links) bieten über die Flex-Plattform ihre Flexibilität an. Sie
stellen sog. Flex-Angebote auf der Plattform ein bzw. geben ihre Flex-Option zur Nutzung
frei, wenn sie selbst ihre Anlage nicht aktiv vermarkten. In letzterem Fall müssten keine
regelmäßigen (z. B. täglichen) Vermarktungsentscheidungen durch aktualisierte
Gebotseinstellungen getroffen werden; der Flexibilitätsabruf würde entsprechend vergütet.
Die Aufgaben und Rollen dieser Akteure gliedern sich bei Interaktion mit der Plattform in den
Ablauf und die Funktionalitäten der Plattform ein.
iInformation
Produkt / Dienstleistung / Vertrag
€Geld
Vergütung
Flexibilität
Flex-Abruf (Fahrplan)
Vergütung
Angebotsabgabe
Registrierung
Nutzungsfreigabe
Flexibilität
Registrierung
Flex-Abruf
(Leistungsbegrenzung)
Flex-Bedarf
Flexibilität
Abrufvergütung
nach Erbringung
Visualisierung
Limitierung
Flex-Bedarf
Abrufvergütung nach Erbringung
Visualisierung
Limitierung
Flexibilität
Netzbetreiber
n-ter Ordnung
Anschluss-
netzbetreiber
Flex-Anbieter
(Flex-Option mit
aktiver Vermarktung)
Flex-Anbieter
(Flex-Option ohne
aktive Vermarktung)
comax
(congestion management with flexibility
by cooperation of all actors in order to
maximize social welfare)
ALF
(Altdorfer Flexibilitätsmarkt)
ReFlex
(RegioFlexMarkt Dillenburg)
Flex-
Plattform
11. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2019
Seite 7 von 15
Wie beschrieben stellen die erläuterten Funktionen und Prozesse das Grundgerüst der in
C/sells entwickelten Umsetzungen zum Flex-Plattform Konzept dar. Im folgenden Kapitel soll
exemplarisch die Ausgestaltung des Altdorfer Flexmarkts (ALF) im Detail beschrieben werden.
3 Der Altdorfer Flexmarkt – eine prototypische Umsetzung
Der Altdorfer Flexmarkt (ALF) stellt die Implementierung der Flex-Plattform für den
Feldversuch der FfE in Zusammenarbeit mit Bayernwerk in Altdorf bei Landshut dar. ALF
versteht sich dabei als Markt- und Koordinationsplattform für dezentrale Flexibilität. Bei der
Umsetzung wird insbesondere auf die spezifischen Anforderungen eines Verteilnetzbetreibers
eingegangen.
3.1 Motivation und Zielsetzung
Die zukünftigen Herausforderungen im Verteilnetz sind neben dem zunehmenden Ausbau
erneuerbarer Energien geprägt von neuen elektrischen Verbrauchern wie Elektrofahrzeugen
und elektrischen Wärmeerzeugern. Neben den damit verbundenen Netzbelastungen aufgrund
potenziell hoher Gleichzeitigkeit bieten gerade diese Anlagen auch relevantes
Flexibilisierungspotenzial, welches netzentlastend wirken kann. Bislang fehlen jedoch auf
Seiten der Verteilnetzbetreiber ausreichende Möglichkeiten – außerhalb von
Notfallmaßnahmen – auf die vorhandene Flexibilität zuzugreifen. Gerade hinsichtlich
marktbezogener Maßnahmen sind die Möglichkeiten von Verteilnetzbetreibern im Vergleich
zu Übertragungsnetzbetreibern deutlich begrenzter. Nach Ausschöpfen aller netzseitigen
Maßnahmen steht ihnen lediglich die Abregelung von Verbrauchsanlagen nach den Vorgaben
in § 14a EnWG zur Verfügung. Diese erhalten im Gegenzug eine statische Verringerung von
Netzentgelten. [24], [25]
Zur Nutzung der im Verteilnetz vorhandenen Flexibilität versteht sich ALF daher als
Schnittstelle zwischen Netzbetreibern und Flexibilität im Netzgebiet. Das übergeordnete Ziel
liegt dabei darin, den Einsatz verfügbarer Flexibilität kostenoptimal, sicher und zuverlässig zu
gewährleisten. Netzbetreiber erhalten durch ALF folglich ein neues Werkzeug, in ihrer
Betriebsplanung flexibel auf Netzengpässe zu reagieren und somit ihren Bedarf an
Notfallmaßnahmen wie Einspeisemanagement zu reduzieren. ALF bietet so einen
Marktmechanismus für das Netzengpassmanagement, um die vorhandene Lücke bei
marktbezogenen Maßnahmen – insbesondere auf Seiten des Verteilnetzbetreibers – zu
schließen. Die Funktionen und Prozesse wurden daher unter Berücksichtigung der
entsprechenden Anforderungen entworfen (Kapitel 3.3)
Die Plattform ist prinzipiell offen konzipiert und auf sämtliche Spannungsebenen anwendbar.
Gerade für die Umsetzung im Feldversuch konzentriert sich die Anwendung allerdings auf
Anlagen in der Nieder- und Mittelspannungsebene. So soll gerade durch die Integration von
Kleinanlagen, welche bislang keine Möglichkeiten zur Flexibilitätsvermarktung hatten, ein
Marktzugang geboten werden (Kapitel 3.2). Bei der Pilotumsetzung im Feld liegt weiter ein
Fokus auf der Demonstration der Funktionsfähigkeit durch Integration der intelligenten
Messsysteme (iMSys) (siehe Kapitel 3.4).
11. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2019
Seite 8 von 15
Durch die Erschließung lokal verorteter Flexibilität können die Netze besser ausgelastet und
Einspeise- und Verbrauchsspitzen reduziert werden. Eine detaillierte Beschreibung des
Plattformkonzepts von ALF findet sich in [24].
3.2 Einfacher Marktzugang für Kleinanlagen
Ein Alleinstellungsmerkmal des Altdorfer Flexmarkts ist die Berücksichtigung von kleineren
Anlagen wie Wärmepumpen, elektrische Speicherheizungen oder Elektrofahrzeuge, welche
insbesondere in der Niederspannung betrieben und bislang nicht aktiv vermarktet werden. Da
die Flexibilität dieser Anlagen durchaus erhebliches Potenzial bietet, wurde an der FfE eine
Methodik zur Integration solcher Kleinanlagen in einen zukünftigen Flexibilitätsmarkt
entwickelt. Zu diesem Zweck wurde die Produktart der Langzeitkontrahierung entwickelt,
welche durch Nutzungsfreigabe Betreibern solcher Anlagen einen möglichst einfachen Zugang
zu ALF gewährleistet. [25]
Mittels dynamischer, bedarfsspezifischer Aggregation und einer darauf basierenden
Verfügbarkeitsermittlung auf Basis von historischen Daten in Kombination mit tagesaktuellen
Witterungsprognosen wird eine bedarfsgerechte Anlagensteuerung ermöglicht. [26], [27]
Grundlage für eine einfache Integration war die Orientierung an bereits bestehenden
Mechanismen und Randbedingungen, wie sie aktuell bereits in § 14a EnWG für steuerbare
Verbrauchseinrichtungen in der Niederspannung gegeben sind. Diese Regelung stellt aktuell
die einzige Möglichkeit für Verteilnetzbetreiber dar, außerhalb der roten Ampelphase auf
Flexibilität zuzugreifen.
§ 14a EnWG verpflichtet Verteilnetzbetreiber, Letztverbrauchern in der Niederspannung (mit
separatem Zählpunkt) ein reduziertes Netzentgelt anzubieten, sobald diese im Gegenzug
netzdienlich steuerbar sind. Insgesamt erhalten auf diese Weise mehr als 1,4 Millionen
steuerbare Verbrauchseinrichtungen (insb. elektrische Speicherheizungen und
Wärmepumpen) ein reduziertes Netzentgelt. Bei Annahme typischer Jahresverbräuche
3
und
einer durchschnittlichen Netzentgeltreduktion für steuerbare Anlagen von 3,53 ct/kWh lassen
sich so aktuell jährlich entgangene Netzentgelterlöse von etwa 550 Millionen € approximieren,
welche auf die Netzentgelte der übrigen Netzkunden umgelegt werden. [17]
Da die Anlagenregelung nach der bisherigen technischen Umsetzung mittels
Rundsteuersignal nicht bedarfsspezifisch erfolgen kann und die Netzentgeltreduktion somit
pauschal ohne marktlichen Anreiz geschieht, kann der Wert als eine Referenz für das
Investitionsvolumen zur Erschließung von Kleinanlagen dienen.
3.3 Plattform Funktionen und Prozesse
Der Prozessablauf auf ALF basiert grundsätzlich auf den in Abbildung 2-1 beschriebenen
Prozessen. In der näheren Spezifikation von ALF wird nachfolgend auf die in Kapitel 3.1
genannten spezifischen Anforderungen und das technische Umsetzungskonzept
eingegangen, um die Spezifika von ALF, also die Produktausgestaltung, die Funktionen
3
Annahmen: Jahresarbeitszahlen und Anteile von Luft- (2,8/52 %) und Erdwärmepumpen
(3,5/48 %) nach [35] und [36] sowie der mittleren Wärmeerzeugung je Technologie nach [37]
11. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2019
Seite 9 von 15
Matching und Abruf unter Berücksichtigung der iMSys-Architektur detailliert zu beschreiben.
In Abbildung 3-1 ist die Systemlandschaft der verschiedenen Plattformfunktionen und deren
Schnittstellen dargestellt.
Abbildung 3-1: Systemlandschaft des Altdorfer Flexmarkts
Je Anbieter können prinzipiell mehrere Flex-Optionen registriert und angelegt werden. Nach
Eintragung einer neuen Flex-Option wird der jeweilige Anschlussnetzbetreiber aufgefordert,
die Verortung der Anlage innerhalb seines Netzgebietes zu übernehmen. Bei der
Angebotserstellung auf ALF wird zwischen Flex-Anbietern von Anlagen mit und ohne aktive
Vermarktung unterschieden. Für diese stehen jeweils unterschiedliche Produktarten zur
Verfügung:
1. Fahrplanprodukte für Anlagen mit aktiver Vermarktung. Dabei handelt es sich um direkt
oder über einen Aggregator vermarktete Anlagen, welche zu diesem Zweck über bereits
im Vorfeld geplante Arbeitspunkte, die sog. Baseline verfügen. Die Flex-Anbieter solcher
Anlagen können folglich ihr Angebot in Form einer Leistungs-Preiszeitreihe auf der
Plattform hochladen und ihre Flexibilität individuell anbieten.
2. Langzeitkontrahierung für Anlagen ohne aktive Vermarktung. Dabei ist von Seiten des
Flex-Anbieters lediglich die Freigabe zur Nutzung der Flex-Option unter definierten
Randbedingungen notwendig (siehe Abschnitt 3.2).
Aktiver EMT
(Simulierte) LeitwartePrognosedienste
PV-
Prognose Temperatur-
Prognose
Nachfrage-
register
Angebots-
register
Matching
Abruf-
register
Erbringungs-
register
Steuerbox
mME
SMGW
(wettbewerblicher)
Messstellenbetreiber
Flexibilitätsplattform
Flex-Option
mit aktiver
Vermarktung
Flex-Option
ohne aktive
Vermarktung Langzeit-
kontra-
hierung
Fahrplan-
produkte
Flex-Anbieter
mME
SMGW
11. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2019
Seite 10 von 15
Die Bedarfsprognose und Erstellung der Nachfrage geschieht auf Seiten des Flex-
Nachfragers, der auf Basis von Netzsimulationen unter Einbeziehung von Prognosediensten
mögliche Engpässe in seinem Netz identifiziert und daraus einen Bedarf an Flexibilität ableitet.
Die Übergabe der Nachfrage erfolgt in Form eines Leistungswertes mit Netzzuordnung,
zugehörigem Erbringungszeitpunkt und -dauer sowie optional eines Maximalpreises.
Nach erfolgreicher Abgabe von Angebot und Nachfrage erfolgt das Mapping im Sinne einer
Filterung aller für die Nachfrage in Frage kommenden Angebote und die spezifische
Aggregation der Angebote mit Langzeitkontrahierung bei Nutzung von externen
Prognosediensten. Dies stellt eine spezifische Funktion von ALF dar, die auf den Fokus auf
Kleinanlagen ohne aktive Vermarktung zurückzuführen ist (siehe Kapitel 3.2). [28]
Die Allokation von Flex-Nachfrage und Flex-Angebot erfolgt schließlich im Matching. Da Flex-
Anbieter mehrere Randbedingungen (z. B. Sperrzeiten zwischen Abrufen, maximale/minimale
Abrufdauer, Anzahl erlaubter Abrufe pro Tag) mit ihren Angeboten vorgeben können, sind
Angebote und Nachfragen auf ALF sehr spezifisch. Ein Matching über Standardkontrakte, wie
sie üblicherweise an Strombörsen (z. B. EPEX SPOT) gehandelt werden, ist daher nur schwer
möglich, da welche auch zu einer Anbietereinschränkung auf ALF führen könnte. Für einen
lokalen Markt wie in ALF vorhergesehen, ist es aber wichtig, dass es so wenige
Anbietereinschränkungen wie möglich gibt, um Liquidität im Marktgebiet zu gewährleisten. Der
Schlüsselindikator für das Matching ist also nicht nur der Preis, sondern auch andere Kriterien
wie die verschiedenen Randbedingungen oder die Lokalität im Netz. Diese Marktstruktur wird
nach [29] als „matching markets“ bezeichnet. Die Lokalität der Flex-Optionen wird bereits in
einer vorgelagerten Filterfunktion (Mapping) berücksichtigt. Für ein effektives Matching
müssen die oben genannten Randbedingungen zusätzlich zu der effektiven Leistung und den
Kosten jeder Flex-Option berücksichtigt werden. ALF nutzt deshalb eine gemischt-ganzzahlige
Optimierung über den gesamten Erbringungszeitraum, um eine kostenoptimale Nutzung der
vorhandenen Flexibilität unter Berücksichtigung aller Restriktionen zu gewährleisten. [30]
Der Abruf der kontrahierten Anlagen erfolgt schließlich über die Infrastruktur der intelligenten
Messsysteme (iMSys) unter Einbeziehung der relevanten Akteure wie aktive Externe
Marktteilnehmer (aEMT) und wettbewerblicher Messstellenbetreiber (wMSB). Technisch
werden dabei Smart Meter Gateway (SMGW), moderne Messeinrichtung (mME) bzw.
Steuerbox genutzt (siehe Kapitel 3.4).
Den letzten Schritt stellt das Settlement dar, zu dessen Zweck in ALF ebenfalls die iMSys-
Architektur genutzt wird: Mittels Tarifanwendungsfällen (TAF) werden die notwendigen
Informationen über das SMGW zum Zwecke der Dokumentation, des Erbringungsnachweises
und der Abrechnung abgerufen.
3.4 Integration in die iMSys-Architektur
Für die Übertragung von Mess- und Schaltsignalen zwischen der Flexibilitätsplattform und den
verschiedenen Flex-Optionen wird auf iMSys und Steuerboxen zurückgegriffen
(vgl. Abbildung 3-1). Ein intelligentes Messsystem besteht dabei aus einem SMGW sowie
einer mME, die als „eine Messeinrichtung, die den tatsächlichen Elektrizitätsverbrauch und die
tatsächliche Nutzungszeit widerspiegelt und über ein SMGW sicher in ein
Kommunikationsnetz eingebunden werden kann“, definiert ist [31]. Die moderne
11. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2019
Seite 11 von 15
Messeinrichtung ersetzt primär den bisher überwiegend verwendeten Ferrariszähler und
übernimmt dessen Basisfunktion – die geeichte Messung verbrauchter Energie. Neben der
modernen Messeinrichtung stellt das SMGW die zweite Komponente des iMSys dar und
repräsentiert dabei die Kommunikationseinheit. Als Kernfunktionalität steht die Erhebung,
Zeitstempelung, Verarbeitung, Übermittlung, Speicherung und Löschung von Messwerten und
zugehöriger Daten im Vordergrund, wobei Datenschutz, Datensicherheit und Interoperabilität
zu gewährleisten sind. Gemäß [31] werden iMSys verpflichtend bei Einspeiseanlagen ab einer
installierten Leistung von 7 kW, Verbrauchern ab einem Jahresenergiebedarf von 10.000 kWh
sowie Anlagen, welche am Flexibilitätsmechanismus nach § 14a EnWG teilnehmen,
schrittweise verbaut. [32]
Die unterschiedlichen Plattformfunktionen und –prozesse greifen dabei auf diverse
Funktionalitäten der iMSys-Architektur zurück. Diese sind als Mindestanforderungen in [33]
beschrieben, wodurch vermieden werden kann, dass die Plattform Prozesse bzw. Daten
benötigt, welche durch die iMSys-Architektur nicht bereitgestellt werden können. So werden in
Bezug auf die einzelnen Flex-Optionen Messdaten benötigt, welche je nach
Plattformteilprozess in unterschiedlicher Auflösung und Frequenz zu übertragen sind. Die zu
Grunde liegende Beschreibung der einzelnen Tarifanwendungsfälle (TAF) sind in [33] zu
finden, wobei die folgende Aufzählung die Adaption der für die Plattform benötigten TAF
enthält:
TAF 7: Zählerstandsgangmessung:
Für die Abrechnung, den Erbringungsnachweis und die Dokumentation ist für die
Abrufdauer der Flex-Option der zugehörige Last- bzw. Erzeugungsgang auszuwerten.
Historische Lastgänge werden ggf. für eine Verbesserung der Verfügbarkeitsprognose
der Flex-Option verwendet.
TAF 9: Ist-Einspeisung einer Erzeugungsanlage:
Für die Zustandsermittlung der Flex-Option vor dem Schalten sowie dem Nachweis
durch Abruf des Messwertes nach dem Schalten wird der jeweilige Leistungswert der
Verbrauchs- bzw. Erzeugungsanlage vor und nach dem Schaltvorgang benötigt.
TAF 10: Abruf von Netzzustandsdatenerhebung:
Für die Ermittlung des Flex-Bedarfs des Anschlussnetzbetreibers werden u. a. die
Schwellwerte an neuralgischen Punkten im Netz definiert (bspw. Netzspannung), um
Überlastungen frühzeitig zu detektieren.
Die SMGWs der ersten Generation unterstützen nach [34] die TAF 1, 2, 6 und 7. Die für die
Plattformumsetzung zusätzlich notwendigen TAF 9 und 10 sind in Testgeräten zum Teil
bereits vorhanden und sollen schrittweise in den weiteren Gerätegenerationen umgesetzt
werden.
Neben den verschiedenen Messdaten, welche über die beschriebenen TAF übermittelt
werden, ist die Übertragung und Umsetzung von Schaltsignalen der zweite wesentliche
Bestandteil der Nutzung der iMSys-Architektur für die Umsetzung des Altdorfer Flexmarkts.
Für den hierfür notwendigen transparenten Kanal zwischen der Schaltvorrichtung beim
Probanden und der Flex-Plattform respektive aEMT sind in [33] verschiedene
Kommunikationsszenarien beschrieben. Die Generierung eines Fahrplanes bzw. eine Abfolge
von Schalthandlungen erfolgt in dem vorgestellten Konzept im Rahmen der Flex-Plattform,
11. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2019
Seite 12 von 15
wodurch auch die Kommunikationsinitiierung durch die Plattform respektive aEMT erfolgt.
Somit findet das in [33] beschriebene Kommunikationsszenario HKS 4 „Transparenter Kanal
initiiert durch EMT“ Anwendung.
Die beschriebene Kopplung der Flex-Plattform mit der iMSys-Architektur stellt sicher, dass für
die Umsetzung im Feld keine zusätzliche proprietäre Schalt- und Messtechnik zu verbauen ist
und somit das Potenzial zur Skalierbarkeit sowie zur Interoperabilität gegeben ist.
4 Zusammenfassung und Ausblick
In diesem Beitrag wurde zunächst das Konzept einer Flex-Plattform zum netzdienlichen
Handel in den heutigen Marktrahmen eingeordnet. Dabei wurde gezeigt, dass netzdienlicher
Handel konzeptionell ein sinnvolles ergänzendes Element neben dem zentralen Handel mit
Systemdienstleistungen (Regelleistungsmarkt) und mit Strom (Strombörse) ist.
Im Rahmen des Projekts C/sells werden hierzu verschiedene Konzepte entwickelt und erprobt.
Die Ergebnisse sollen schließlich als Musterlösung dienen, welche skalierbar und großflächig
eingesetzt werden kann, um langfristig fester Bestandteil des Energiesystems zu werden.
Gemeinsam mit Bayernwerk wird ALF in Altdorf und Umgebung angewandt und die Anbindung
und Integration von Probanden in das System erprobt. Das Ziel ist dabei, wertvolle
Erkenntnisse unter anderem hinsichtlich des quantifizierbaren Flexibilitäts-Bedarfs
und -Potenzials, der Teilnahmebereitschaft von Probanden oder dem Rollenverständnis für
einen standardisierten Datenaustausch zu gewinnen. Bei der Implementierung sollen die
angewandten Partizipationsansätze sowohl ein Verständnis für die Herausforderungen,
insbesondere aber auch hinsichtlich der innovativen Lösungsansätze für das Energiesystem
der Zukunft schaffen.
11. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2019
Seite 13 von 15
5 Literatur
[1]
Bundesregierung: Energiekonzept für eine umweltschonende, zuverlässige und
bezahlbare Energieversorgung, 2010.
https://archiv.bundesregierung.de/resource/blob/656922/779770/794fd0c40425ac
d7f46afacbe62600f6/energiekonzept-final-data.pdf?download=1, abgerufen am:
14.01.2019
[2]
Brauner, G.: Energiesysteme: regenerativ und dezentral. Strategien für die
Energiewende. Wiesbaden: Springer Vieweg 2016
[3]
Koirala, B. P., Koliou, E., Friege, J., Hakvoort, R. A. u. Herder, P. M.: Energetic
communities for community energy: A review of key issues and trends shaping
integrated community energy systems. Renewable and Sustainable Energy
Reviews 56 (2016), S. 722–744
[4]
Arbeitsstand Definition Energiezelle, VDE ETG ITG Arbeitskreis
Energieversorgung 4.0, 2018
[5]
Smart Grids-Plattform Baden-Württemberg e.V.: C/sells Überblick - Modellregion
Süddeutschland. http://www.smartgrids-bw.net/csells/csells-
ueberblick/modellregion-sueddeutschland/, abgerufen am: 27.06.2018
[6]
Smart Grids-Plattform Baden-Württemberg e.V: C/sells - Das Schaufenster für die
nachhaltige Energiewende, 2018. https://www.csells.net/de/, abgerufen am:
13.11.2018
[7]
Varian, H. R.: Grundzüge der Mikroökonomik. Berlin, Boston: De Gruyter 2016
[8]
Parag, Y. u. Sovacool, B. K.: Electricity market design for the prosumer era.
Nature Energy 1 (2016) 4, S. 16032
[9]
Mengelkamp, E., Staudt, P., Garttner, J., Weinhardt, C. u. Huber, J.: Quantifying
Factors for Participation in Local Electricity Markets. 2018 15th International
Conference on the European Energy Market (EEM). IEEE 2018 - 2018, S. 1–5
[10]
Mengelkamp, E., Gärttner, J., Rock, K., Kessler, S., Orsini, L. u. Weinhardt, C.:
Designing microgrid energy markets. Applied Energy 210 (2018), S. 870–880
[11]
Regulatory Options for Local Reserve Energy Markets: Implications for
Prosumers, Utilities, and other Stakeholders. FCN Working Paper 12/2014,
Rosen, C. u. Madlener, R., Aachen 2014
[12]
Kalkbrenner, B. J., Yonezawa, K. u. Roosen, J.: Consumer preferences for
electricity tariffs. Does proximity matter? Energy Policy 107 (2017), S. 413–424
[13]
Niessen, S.: Lokale Märkte für Synergie in Symbiose mit heutigen Strukturen.
Energiewirtschaftliche Tagesfragen (2017) Ausgabe November 2017, S. 29–32
[14]
European Energy Exchange AG: EEX Händlerprüfung, 2019.
https://www.eex.com/de/schulungen/eex-haendlerpruefung, abgerufen am:
14.01.2019
11. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2019
Seite 14 von 15
[15]
Dynamische Bestimmung des Regelleistungsbedarfs, Abschlussbericht,
Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik, Kassel 2015
[16]
Regelenergie durch Wind- und Photovoltaikparks, Abschlussbericht, Mackensen,
R., Saint-Drenan, Y.-M., Fritz, R., Asanalieva, N., Widdel, M. u. Hahler, M., 2017
[17]
Monitoringbericht 2018. Bonn: Bundesnetzagentur, 2018.
[18]
Spitzenkappung – ein neuer planerischer Freiheitsgrad - Möglichkeiten zur
Berücksichtigung der Spitzenkappung bei der Netzplanung in Verteilnetzen -
FNN-Hinweis. Berlin: Forum Netztechnik / Netzbetrieb im VDE (FNN), 2017.
[19]
SINTEG – Schaufenster intelligente Energie - Ein Programm zur Förderung von
Schaufensterregionen für die Energieversorgung der Zukunft. Berlin:
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), 2018.
[20]
Bogensperger, Alexander; Lienert, Christoph; Zeiselmair, Andreas; Köppl, Simon;
Estermann, Thomas: Flexibilitätsintegration als wichtiger Baustein eines
effizienten Energiesystems - Eine FfE-Kurzstudie im Rahmen der Projekte MONA
2030 und C/sells. München: Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V., 2017
[21]
Ropenus, Stephanie: Smart-Market-Design in deutschen Verteilnetzen. Berlin:
Agora Energiewende, 2017
[22]
Frein, Christina: Rollenmodell für die Marktkommunikation im deutschen
Energiemarkt - Anwendungshilfen - Strom und Gas. Berlin: BDEW
Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V., 2016.
[23]
Gordijn, Jaap: Value-based Requirements Engineering - Exploring Innovative e-
Commerce Ideas. Amsterdam: Vrije Universiteit Amsterdam, 2002
[24]
Zeiselmair, Andreas et al.: Altdorfer Flexmarkt (ALF) - Konzeptbeschreibung,
Zielsetzung, Funktionsweise und Prozesse des Altdorfer Flexmarkts. München:
Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V., 2018.
[25]
Zeiselmair, Andreas et al.: Erschließung von Kleinanlagen nach § 14a EnWG zur
Flexibilitätsvermarktung. In: et - Energiewirtschaftliche Tagesfragen 03/2019.
Essen: etv Energieverlag GmbH, 2019.
[26]
Fünfgeld, Christian et al.: Bestimmung von Lastprofilen für unterbrechbare
Verbrauchseinrichtungen. Cottbus: Energieressourcen-Institut e.V., 2002.
[27]
Uhrig, Martin Dipl.-Ing.: Apekte zur Integration stationärer und mobiler
Batteriespeicher in die Verteilnetze. Karlsruhe: Karlsruher Institut für Technologie
(KIT), 2017
[28]
Estermann, Thomas et al.: Approach to determine the effect of local flexibility
options within the framework of a smart market platform in: 8th Solar Integration
Workshop. Stockholm: Energynautics GmbH, 2018.
[29]
Roth, Alvin: The Theory and Practice of Market Design - Prize Lecture. In: The
Sveriges Riksbank Prize in Economic Sciences in Memory of Alfred Nobel 2012;
Stockholm: Harvard University, Cambridge, MA, USA, Harvard Business School,
Boston, MA, USA, 2012.
11. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2019
Seite 15 von 15
[30]
Morey, Mathew: Power Market Auction Design: Rules and Lessons in Market-
based Control for the New Electricity Industry. Washington D.C.: Edison Electric
Institute (EEI), 2001.
[31]
Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende. Ausgefertigt am 2016-08-29; Berlin:
BMWi, 2016.
[32]
Bogensperger, Alexander; Estermann, Thomas; Samweber, Florian; Köppl,
Simon; Müller, Mathias; Zeiselmair, Andreas: Smart Meter - Umfeld, Technik,
Mehrwert. München: Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V., 2018.
[33]
Technische Richtlinie BSI TR-03109-1 - Anforderungen an die Interoperabilität der
Kommunikationseinheit eines intelligenten Messsystems. Bonn: Bundesamt für
Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), 2013.
[34]
FNN-Hinweis: Lastenheft Logmeldungen zur Einbindung von SMGw-G1-Geräten.
Berlin: Forum Netztechnik / Netzbetrieb im VDE (FNN), 2016.
[35]
Russ, Christel et al.: Feldmessung Wärmepumpen im Gebäudebestand. Freiburg:
Fraunhofer - Institut für Solare Energiesysteme (ISE), 2010
[36]
Günther, Danny; Miara, Marek et al.: WP Monitor - Feldmessung von
Wärmepumpenanlagen. Freiburg: Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme
(ISE), 2014
[37]
Conrad, Jochen et al.: Modelling the Private Households Sector and the Impact
on the Energy System. 41st IAEE conference 10-13 June 2018, Groningen, The
Netherlands.