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Gebautes Wohlbefinden.
Raum- und Naturkonzepte spiritualisierter Wellness
Abstract
Welche Vorstellungen von Natur und welches Konzept von Raum werden in zeitge-
nössischen Wellnessthermen und Spas baulich umgesetzt? Mit einem materialbezo-
genen, religionswissenschaftlichen Ansatz, unter Zuhilfenahme tourismuswissen-
schaftlicher Theorien, werden Naturbilder und Raumkonstruktionen in Wellnessan-
geboten untersucht.
Themenbezogene Wellnessanlagen werden oft mit künstlicher Inszenierung assozi-
iert, welche zunächst im Widerspruch zu den Begriffen der ‚Authentizität‘ und ‚Na-
türlichkeit‘ zu stehen scheint. Der Artikel zeigt jedoch auf, wie gerade diese Aspekte
in dem medialen Selbstbild und der Architektur von Wellnessthermen in Deutschland
betont und mit naturbezogenen Metaphern und Wortschöpfungen der Werberhetorik
vermittelt werden.
In Erlebnislandschaften stellt sich die Frage nach der Definition eines Naturraums
neu: In Wechselwirkung von inszenierter Landschaft, werbepsychologisch gesteiger-
ter ‚Natursehnsucht‘ und Wünschen der Besucher*innen überlagern sich fiktiver
Raum und realer Ort. Damit wird eine räumliche Situation kreiert, die auf das au-
ßeralltägliche Erleben einer spiritualisierten Wellness zielt.
Nach der Bäderkrise der 1990er Jahre findet in Deutschland eine Umorientierung
vom Sport- und Erlebnisbad zum seit der Mitte der 2000er Jahre entstehenden Frei-
zeit- und Kulturbad statt. Deren Konzepte und Architekturen zitieren internationale
Bäderkulturen. Diese Raumcollage kreiert in der Zusammenschau von Images eine
Repräsentation verschiedener Reiseziele und ermöglicht eine postmoderne Zi-
tierstrategie: Spolien vervollständigen die Architekturkulisse. Kunstwerke werden
neben Kulissen platziert. Benennung und Zitate bilden die Relation zu realen Orten.
Die inszenatorische Raumgestaltung soll, entsprechend der Selbstbetitelungen, an
Idealvorstellungen von Naturräumen – von ‚Stränden’ über ‚Oasen‘ bis zu ‚Paradie-
sen‘ – erinnern. Als ästhetische Umsetzung von Weltentwürfen kann dies in Form
einer Erlebnislandschaft auch sinnvermittelnde Funktionen übernehmen. In der Viel-
schichtigkeit der fiktiven, räumlichen und sinnstiftenden Gestaltungselemente und
Werbeslogans manifestiert sich der Ansatz einer spiritualisierten Wellness. Die so-
ziologisch orientierte Freizeitwissenschaft bezeichnet den Trend eines holistischen
bis spirituellen Ansatzes der Wellness inzwischen als paradigmatisch für den Wandel
von einer Erlebnis- hin zu einer Sinn-Gesellschaft. In dieser Entwicklung wandelt
sich das Konzept der Wellness, unter der Selbstbetitelung als ‚Self-ness‘ und ‚Mind-
ness‘, zur Optimierung von Konzepten von Geist, Seele oder Persönlichkeit im Ein-
klang mit dem eigenen Körper und der Umwelt.
Die kreative Kompetenz dieser ‚Sinnkonstruktion‘ soll dabei nicht auf Konsumismus
reduziert, sondern, im Sinn einer Transformation weltanschaulicher Vorstellungen,
nach der Selbstdefinition von ‚Natürlichkeit‘ und ‚Authentizität‘ befragt werden. In
den Räumen der Wellnessthermen und Spas werden Natur, Orte, Gebäude und welt-
anschaulicher Hintergrund als Images rekontextualisierbar und reproduzierbar. Sie
sind Produkte der Zuschreibung und Rezeption, im Wechselspiel zwischen Marke-
ting-Sehnsüchten und den rezipierenden Blicken.
Religion, Raum und Natur. Religionswissenschaftliche Erkundungen.
Marburger Religionswissenschaft im Diskurs Bd. 1.
Hg. v. Bärbel Beinhauer-Köhler, Edith Franke, Christa Frateantonio, Alexander
Nagel (LIT: Berlin 2017)
ISBN-10 : 3643125941 ISBN-13 : 978-3643125941
Autorin
Celica Fitz ist Kunsthistorikerin und Religionswissenschaftlerin, sie forscht zu
religionsbezogener Kunst der Moderne und Gegenwart in aktuellen Kunstaus-
stellungen und ist als Kuratorin und Autorin tätig. Derzeit ist sie Wissenschaftli-
che Mitarbeiterin am Institut für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart
an der Philipps-Universität Marburg.