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Opioidabhängigkeit und Mehrfachabhängigkeit - eine übersicht

Authors:
  • University of Basel Psychiatric Clinics

Abstract

Zusammenfassung: Opioide wie Heroin werden illegal als Droge konsumiert. Eine Abhängigkeit von Opioiden entwickelt sich teilweise schnell, die psychische Bindung und das Verlangen nach der Droge sind typischerweise hoch. Die Erkrankung kann chronisch verlaufen, und eine Mehrfachabhängigkeit entwickelt sich nicht selten. Opioide wie Methadon, Buprenorphin, Morphin und Diacetylmorphin werden bislang erfolgreich in der opioidgestützten Behandlung eingesetzt. In der Übersicht werden die klinischen Merkmale und die Behandlung der Opioidabhängigkeit zusammengefasst und die Mehrfachabhängigkeit anhand der begleitenden Substanzabhängigkeiten beschrieben. Abstract: Opioids such as heroin are used as illicit drugs. Opioid use disorder can develop quickly, psychological binding as well as craving for the drug are typically strong. The disorder can take a chronic course and often evolves to polysubstance use. Opioids such as methadone, buprenor-phine, morphine and diacetylmorphine are used successfully in opioid maintenance treatment. This article provides an overview of clinical aspects and treatment of opioid use disorder, and the different characteristics of polysubstance use by describing the underlying substance use disorders.
1Suchtmed 21 (6) 1 – 8 (2019)
© ecomed MEDIZIN, ecomed-Storck GmbH, Landsberg
OPIOIDABHÄNGIGKEIT UND MEHRFACHABHÄNGIGKEIT | ÜBERSICHTSBEITRÄGE
Opioidabhängigkeit und Mehrfachabhängigkeit –
eine Übersicht
Marc Walter1, Marc Vogel2
1 Universitäre Psychiatrische Kliniken (UPK) Basel, Universität Basel, Schweiz
2 Psychiatrische Dienste Thurgau, Münsterlingen, Schweiz
Zusammenfassung
Opioide wie Heroin werden illegal als Droge konsumiert. Eine Abhängigkeit von Opioiden entwickelt sich teilweise schnell, die psychische
Bindung und das Verlangen nach der Droge sind typischerweise hoch. Die Erkrankung kann chronisch verlaufen, und eine Mehrfachabhän-
gigkeit entwickelt sich nicht selten. Opioide wie Methadon, Buprenorphin, Morphin und Diacetylmorphin werden bislang erfolgreich in
der opioidgestützten Behandlung eingesetzt. In der Übersicht werden die klinischen Merkmale und die Behandlung der Opioidabhängigkeit
zusammengefasst und die Mehrfachabhängigkeit anhand der begleitenden Substanzabhängigkeiten beschrieben.
Schlagworte: Opioid, Opioidabhängigkeit, opioidgestützte Behandlung, Mehrfachabhängigkeit, Psychotherapie
Abstract
Opioids such as heroin are used as illicit drugs. Opioid use disorder can develop quickly, psychological binding as well as craving for the drug
are typically strong. The disorder can take a chronic course and often evolves to polysubstance use. Opioids such as methadone, buprenor-
phine, morphine and diacetylmorphine are used successfully in opioid maintenance treatment. This article provides an overview of clinical
aspects and treatment of opioid use disorder, and the different characteristics of polysubstance use by describing the underlying substance
use disorders.
Keywords: Opioids, opioid dependence, opioid maintenance treatment, polysubstance use, psychotherapy
1 Opioide
Als Opioide werden Substanzen bezeichnet, die am Opioid-
rezeptor wirken. Es handelt sich dabei um eine heterogene
Gruppe von natürlichen oder synthetischen Substanzen, die
zum Teil auch vom Körper selbst produziert werden. Opia-
te hingegen sind Stoffe, die natürlicherweise im Schlafmohn
(Papaver somniferum) vorkommen, aber nicht zwingend
auch am Opioidrezeptor wirken. In der Praxis werden die
Begriffe oft überlappend verwendet, hier wird in der Folge
jedoch die korrekte Bezeichnung Opioide verwendet wer-
den (Freye 2016).
Opioidrezeptoren werden in die drei Subtypen μ, κ und δ
unterteilt, die komplexe unterschiedliche Wirkungen ver-
mitteln. Die Wirkungen wurden noch nicht abschließend
untersucht und sind teilweise gegenläufig (Valentino &
Volkow 2018). Opioide unterscheiden sich in ihrem Wirk-
profil im Wesentlichen durch ihre unterschiedliche Affinität
zu den verschiedenen Rezeptoruntertypen. Alle Rezepto-
ren scheinen analgetische Effekte zu vermitteln, vor allem
jedoch der μ-Rezeptor, der auch am besten untersucht ist.
Über ihn werden u. a. auch Euphorie und Abhängigkeit,
Stresscoping, Sedation und Atemdepression vermittelt. Die
abhängigkeitserzeugenden Effekte ergeben sich vereinfacht
aus der Inhibition GABAerger Interneurone und der damit
verbundenen Freisetzung von Dopamin im mesolimbischen
System. Aktivierung der μ-Rezeptoren ist mit Dysphorie,
vermehrtem Stresserleben und negativem Affekt assoziiert.
Weiterhin sind sie an der Vermittlung sedierender und atem-
depressiver Effekte beteiligt. Eine mögliche Hochregulation
des κ-Rezeptorsystems könnte die anhaltende Dysphorie
und ängstlich-depressive Stimmungslage erklären, die we-
sentlich an der negativen Verstärkung durch anhaltenden
Opioidkonsum beteiligt ist (Valentino & Volkow 2018).
δ-Rezeptoren sind mit Angstminderung und positiven Af-
fekten verbunden. Effektive Medikamente zur Behandlung
der Opioidabhängigkeit wirken als Agonisten, Partialago-
nisten oder Antagonisten an μ- und κ-Rezeptoren.
Kontaktadresse:
Prof. Dr. med. Marc Walter
Universitäre Psychiatrische Kliniken (UPK) Basel
Wilhelm Klein-Strasse 27
CH-4002 Basel
E-Mail: marc.walter@upk.ch
2Suchtmed 21 (6) 2019
2 Opioidabhängigkeit
Die Prävalenzraten des risikoreichen Opioidkonsums, wel-
cher weitgehend der Opioidabhängigkeit entspricht, waren
in den letzten Jahren in Deutschland und der Schweiz stabil
und liegen bei etwa 0,3 % (Europäische Beobachtungsstel-
le für Drogen und Drogensucht 2018). Männer sind etwa
zwei Mal häufiger betroffen als Frauen. Die Zahl der Men-
schen, die sich erstmalig wegen einer Opioidabhängigkeit
in Behandlung begeben, ist hingegen in Europa seit 2007
um die Hälfte zurückgegangen, was sich auch in einer sin-
kenden Inzidenz der Opioidabhängigkeit widerspiegelt
(Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogen-
sucht 2018). Bei der opioidabhängigen Population handelt
es sich nicht zuletzt aus diesem Grund um eine insgesamt
alternde Gruppe (Dürsteler-MacFarland et al. 2011), die
zunehmend auch unter altersassoziierten Erkrankungen
leidet.
Die Opioidabhängigkeit ist gekennzeichnet durch den
Vorrang des Opioidkonsums gegenüber anderen Ver-
haltensweisen und einer Reihe von Kernsymptomen:
übermächtiger Wunsch nach Opioidkonsum, fortgesetz-
ter Konsum trotz schädlicher Folgen, Vernachlässigung
anderer Interessen und Pflichten, Toleranzentwicklung,
Entzugssymptome oder Konsum mit dem Ziel, diese zu
mildern, sowie verminderte Kontrollfähigkeit in Bezug auf
Beginn, Ausmaß und Ende des Konsums. Sind mindestens
drei dieser Symptome im vergangenen Jahr vorhanden, so
kann die Diagnose nach ICD-10 gestellt werden, was im
Falle der Opioidabhängigkeit meist unkompliziert ist (Dil-
ling et al. 1991).
Craving, also das Verlangen nach Opioiden, ist ein häufiges
Phänomen und kann sowohl durch interne als auch externe
konditionierte drogenassoziierte Reize oder Stress ausge-
löst werden. Der Umgang mit diesem Phänomen ist einer
der Hauptbestandteile der psychosozialen Interventionen.
Die Entstehung der Opioidabhängigkeit wird begleitet von
strukturellen und funktionellen Veränderungen im Gehirn,
welche sich unter anderem in gestörter Informationsver-
arbeitung und Emotions-/Stressregulation äußern können.
Auch wenn die Abhängigkeit klinisch und anamnestisch
diagnostiziert wurde, sollte zu Beginn einer Behandlung im-
mer eine Urinprobe zur Bestätigung des aktuellen Konsums
erfolgen.
Während sich die Opioidabhängigkeit grundsätzlich
in jedem Lebensalter entwickeln kann, liegt der Beginn
häufig im Jugend- oder jungen Erwachsenenalter. Meh-
rere und vielschichtige bio-psycho-soziale Faktoren kön-
nen zu ihrer Entstehung beitragen. Zugrundeliegende
Risikofaktoren umfassen unter anderem sozioökonomi-
sche Marginalisierung, Sucht- oder andere psychische
Erkrankungen der Eltern, Peer-Group, traumatische
Erfahrungen und dissoziale Verhaltensmuster. Auch
genetische Anteile spielen eine große Rolle. Zwillings-
studien zeigen, dass bis zu 50 % des Risikos, eine Opioid-
abhängigkeit zu entwickeln, vererbt sind (Dick & Agra-
wal 2008).
Begleitende andere psychiatrische Erkrankungen sind die
Regel und kommen bei der großen Mehrheit der betroffe-
nen Patienten vor. Aufgrund des häufig frühen Beginns sind
sowohl die Entwicklung der Persönlichkeit, als auch die so-
ziale und berufliche Integration oft schwer eingeschränkt
und bedingen eine vielfältige und multidisziplinäre thera-
peutische Unterstützung.
Eine beeinträchtigte Impulskontrolle oder eine erhöhte
Impulsivität stellen wichtige Risikofaktoren für die Ent-
stehung einer Drogenabhängigkeit dar (Soyka et al. 2019).
Die Persönlichkeitsfaktoren Impulsivität und Aggressivität
scheinen ebenso wie der Faktor Drogenkonsum mit dem
Cluster „Externalisierung“ bei psychiatrischen Erkrankun-
gen zusammenzuhängen. Neben den Abhängigkeitserkran-
kungen werden auch die dissoziale Persönlichkeitsstörung
und ADHS zu den externalisierenden Störungen gezählt.
Vermutlich tragen gemeinsame genetische Faktoren zu ei-
ner Vulnerabilität für externalisierende Störungen bei. So
konnten z. B. Gene wie GABRA2 (GABAA-Rezeptor-Gen)
und CHRM2 (cholinerges System) als gemeinsame Risiko-
faktoren identifiziert werden, was einen Teil des gemeinsa-
men Auftretens dieser Störungen erklären könnte (Dick &
Agrawal 2008).
Nicht abschließend untersucht ist die Frage, wie häufig
der Gebrauch von Opioidanalgetika zu einer Opioid-
abhängigkeit im engeren Sinn führt. Im Rahmen von
chronischen Schmerzbehandlungen mit Opioiden sind
Häufigkeiten zwischen 1 % und 40 % beschrieben. Die-
se Zahlen sind abhängig davon, welche Diagnosekriterien
der Opioid abhängigkeit zugrunde gelegt werden (Wach-
holtz et al. 2015).
Folgeschäden der Opioidabhängigkeit sind in direkte und
indirekte Folgen zu unterteilen. Opioide selber sind ver-
gleichsweise wenig organtoxisch. Die atemdepressive Wir-
kung und damit verbundene Überdosisgefahr liegen jedoch
wesentlich der erhöhten Mortalität der betroffenen Patien-
tenpopulation zugrunde. Zu den Folgen gerade wiederhol-
ter Überdosen mit teils ausgeprägten Sauerstoffsättigungs-
abfällen im Blut gehören vermutlich auch neurokognitive
Einschränkungen, wobei diese aufgrund der komplexen
Krankheitsgeschichte oft nicht eindeutig kausal zuzuord-
nen sind. Reduktionen der grauen Hirnsubstanz konnten
bei langjähriger Opioidabhängigkeit in Querschnittsstudien
festgestellt werden (Walter et al. 2015). Daneben kommen
häufig sexuelle Funktionsstörungen und Obstipation als
Nebenwirkungen vor. Die indirekten Folgen ergeben sich
aus der Illegalisierung der Substanz und ihrer Beschaffung.
Der Konsum verunreinigter und gestreckter Drogen unter
unhygienischen Umständen, Beschaffungskriminalität und
Prostitution führen insbesondere beim i.v.-Konsum zu einer
Reihe von Folgeschäden, von denen einige in Tabelle 1
aufgelistet sind.
ÜBERSICHTSBEITRÄGE | OPIOIDABHÄNGIGKEIT UND MEHRFACHABHÄNGIGKEIT
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Tabelle 1: Folgeschäden der Opioidabhängigkeit
• Spritzenabszess
• Kachexie, schlechter Allgemeinzustand
• hohe Raten an Infektionserkrankungen, wie Hepatitis, HIV
• Tuberkulose
• Endokarditis, Herzerkrankungen
• Dissozialität, Kriminalität (Beschaffungskriminalität, Prostitution,
Delinquenz)
• Traumatisierungen
• wiederholte Überdosierungen
• Enzephalitis, CNS-Erkrankungen (St.n. Überdosis!)
• sexuelle Störungen, Dysfunktionen
• Obstipation
3 Behandlung
3.1 Entzugsbehandlung
Im Durchschnitt vergehen in Europa 11 Jahre seit dem Erst-
konsum, bis sich ein heroinabhängiger Mensch in Behand-
lung begibt (Europäische Beobachtungsstelle für Drogen
und Drogensucht 2018). Dies bedeutet, dass die Störung zu
diesem Zeitpunkt oft schon chronifiziert ist. Der Betroffene
hat meist bereits mehrere Entzüge in Eigenregie oder ande-
re Selbstbehandlungsversuche hinter sich. In Bezug auf die
Störung und deren Behandlung liegen auf Seiten der Patien-
ten nicht selten Missverständnisse vor und die Motivation
ist oft noch unsicher. Die Behandlung sollte daher möglichst
niederschwellig erfolgen. In Langzeituntersuchungen opio-
idabhängiger Patienten zeigt sich, dass die Patienten typi-
scherweise zwischen Phasen innerhalb und außerhalb einer
Behandlung wechseln. Die Dauer der Behandlungsphasen
nimmt mit der Zeit zu (Nordt et al. 2015). Die Mortalität
ist erhöht, insbesondere außerhalb und zu Beginn einer opi-
oidgestützten Behandlung (Sordo et al. 2017).
Der Opioidentzug ist durch zahlreiche körperliche oder
psychische Symptome gekennzeichnet, die in unterschied-
licher Kombination und Ausprägung auftreten können. Ein
Opioidentzugssyndrom liegt vor, wenn drei oder mehr der
in Tabelle 2 dargestellten, möglichst objektivierbaren
Symptome vorliegen, die nicht durch eine andere Ursache
hervorgerufen werden.
Die Frage, ab welcher Dosis und Einnahmedauer sich Opi-
oidentzugssymptome entwickeln, ist nicht abschließend ge-
klärt. Sinnvoll ist es in der klinischen Arbeit aber, davon
auszugehen, dass sie sich nach täglicher Einnahme von
Opioiden auch im Rahmen einer Schmerztherapie nach ca.
zwei bis drei Wochen entwickeln können. Sicher hängt dies
auch von der eingenommenen Substanz und ihrem Wirk-
profil ab. Das gilt auch für den Beginn des Auftretens von
Entzugssymptomen im Verhältnis zur letzten Einnahme.
So setzen aufgrund der unterschiedlichen Halbwertszeiten
Entzugssymptome bei Einnahme von Heroin bereits nach
ca. 8 Stunden ein, während dies bei Methadon erst nach
etwa 24 Stunden der Fall ist. Auch tritt die maximale Aus-
prägung des Entzuges bei Heroin bereits nach 36–48 Stun-
den ein, bei Methadon ist dies etwa nach 3 Tagen der Fall.
Möchte man den Opioidentzug standardisiert erfassen,
so steht hierfür eine Reihe von validierten Instrumenten
zur Verfügung, z. B. die Clinical Opiate Withdrawal Scale
(COWS).
Tabelle 2: Opioidentzugssyndrom
Objektive Symptome Subjektive Symptome
• Nasenlaufen oder Niesen
• Tränenfluss
• Gähnen
• Piloerektion, kalte Haut oder
wiederholte Schauer
• Diarrhoe
• Übelkeit oder Erbrechen
• Husten
• Tachykardie oder
Hypertonie
• Pupillenerweiterung
• leichter Tremor
• Reizbarkeit
• Nervosität,
Antriebssteigerung
• Schlafstörungen
• Verlangen nach einem
Opioid
• Muskelschmerzen oder
-krämpfe
• Magenkrämpfe
• depressive Verstimmung
Vorgehen der Wahl bei der Opioidentzugsbehandlung ist
der medikamentengestützte Entzug, bei dem ein Opioida-
gonist in absteigender Dosierung über Tage bis wenige Wo-
chen verordnet wird. Es bieten sich Substanzen mit länge-
rer Wirkdauer wie Methadon, Levomethadon, retardiertes
Morphin (SROM) und Buprenorphin an, wobei Methadon
als kostengünstige Standardmedikation gelten kann.
Bei Patienten in opioidgestützter Behandlung orientiert
man sich bei der Anfangsdosis an der täglich eingenomme-
nen Opioiddosis, die immer extern bestätigt werden sollte.
Ein initiales Drogenscreening zur Verifizierung des Opioid-
konsums ebenso wie zur Identifikation möglicher anderer
eingenommener Substanzen ist zwingend notwendig. Bei
unbekannter oder nicht bestätigter Dosis sowie bei Patien-
ten außerhalb der opioidgestützten Behandlung wird eine
Gabe von 10–30 mg Methadon am ersten Tag empfohlen
(Vogel et al. 2010). Nach ca. 4 Stunden kann bei eindeuti-
gen Entzugssymptomen eine erneute Gabe von 10–20 mg
erfolgen. Hierbei gilt es aber zu beachten, dass Methadon
aufgrund der langen Halbwertszeit auch bei Dosen, die zu
Beginn scheinbar problemlos vertragen werden, kumulieren
und zu Überdosen führen kann. Das Risiko ist dabei typi-
scherweise an Tag 2 und 3 am höchsten. Das Vorgehen in
der Entzugsbehandlung ist damit prinzipiell das gleiche wie
in der Etablierung einer opioidgestützten Behandlung
Der partielle Buprenorphin µ-Rezeptor-Agonist Buprenor-
phin eignet sich ebenfalls zur Behandlung des Opioident-
zugssyndroms. Mit der Gabe von Buprenorphin sollte aller-
dings bis zum Auftreten von objektiven Entzugssymptomen
gewartet werden, da sonst durch den Partialagonismus Ent-
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zugssymptome ausgelöst werden können. Die Behandlung
des Opioidentzugs mit SROM ist klinisch ebenfalls effektiv,
es liegen aber weniger Studien vor.
Im stationären Rahmen lassen sich Opioidentzugssympto-
me erfahrungsgemäß besser beherrschen, meist kann der
eigentliche Entzug innerhalb einer Woche abgeschlossen
werden, aber auch ein etwas langsameres Herabdosieren
ist möglich. Abhängig von der ursprünglichen Dosierung
können pro Tag ca. 10 mg Methadon meist ohne größere
Probleme abgesetzt werden. Im ambulanten Rahmen sollte
die Abdosierung langsamer erfolgen.
Während der Behandlung empfiehlt es sich, die Ausprä-
gung der Entzugssymptome standardisiert zu erfassen, z. B.
mit der COWS, sowie Kreislauf, Bewusstsein und andere
relevante Parameter regelmäßig zu kontrollieren. Gerade
bei unfreiwilligen Aufenthalten kann es vorkommen, dass
Patienten im Opioidentzug heimlich eingebrachte Drogen
einnehmen, so dass es unerwartet zu schweren Intoxikatio-
nen kommen kann.
Aufgrund der häufigen Abbrüche von Opioidentzugsbe-
handlungen werden immer wieder Schnellentzüge durch
Gabe von Opiatantagonisten wie Naloxon in Vollnarkose
vorgeschlagen, bei dem die Betroffenen den Entzug prak-
tisch „verschlafen“. Von diesen Verfahren ist aufgrund
mangelnder Evidenz und einer Reihe von Nachteilen aber
abzuraten.
3.2 Substitutionsbehandlung
Derzeit sind Methadon bzw. R-Methadon (Levometha-
don), Buprenorphin bzw. Buprenorphin in Kombination
mit Naloxon, retardiertes Morphin (SROM) sowie als Son-
derfall Diacetylmorphin für die Substitutionsbehandlung
zugelassen (Soyka et al. 2019).
Die opioidgestützte Behandlung mit Opioidagonisten
(OGB) gehört zu den am besten untersuchten Therapiefor-
men in der Medizin und ihre grundsätzliche Wirksamkeit
ist sehr gut belegt. Alle evidenzbasierten Behandlungsleitli-
nien der Opioidabhängigkeit empfehlen sie mittlerweile als
Therapie der ersten Wahl. Grundsätzlich sollte die medika-
mentöse Behandlung immer mit psychosozialen Interven-
tionen kombiniert werden (Vogel et al. 2010). Begleitende
psychische Störungen („Komorbiditäten“) sollten integra-
tiv sowohl psychopharmakologisch als auch –therapeutisch
mitbehandelt werden. Ebenso benötigen viele Patienten Un-
terstützung bei der Wiedereingliederung in Bezug auf Ar-
beit, Wohnen und finanzielle Angelegenheiten. Die Vielfalt
der Problemfelder setzt unbedingt eine gute interdisziplinä-
re Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Institutio-
nen der Suchthilfe voraus.
In ihrer Wirksamkeit unterscheiden sich die angegebenen
Substanzen mit Ausnahme des Diacetylmorphins nur we-
nig, wobei Methadon und Buprenorphin besser untersucht
sind als retardiertes Morphin (SROM) (Mattick et al.
2014). Wichtig ist eine ausreichend hohe Dosierung, bei der
Entzugserscheinungen und Substanzverlangen unterdrückt
werden, ohne dass eine übermäßige Sedation besteht. Die
jeweils optimale Dosierung kann interindividuell stark va-
riieren und muss klinisch gefunden werden.
Der Umgang mit Beikonsum ist eines der zentralen Themen
in der OGB. Ist dieser nicht mit Sanktionen verbunden, so
berichten Patienten in der Regel offen über die eingenom-
menen nicht verordneten Substanzen. Der Beikonsum wird
so zugänglich für psychoedukative, motivierende und the-
rapeutische Interventionen. Drogenscreenings bringen nur
selten einen Mehrwert. Es kann daher aus medizinischer
Sicht auf regelmäßige Urintests verzichtet werden. Eine In-
dikation für solche Screenings besteht aber zu Beginn einer
OGB, bei unklaren Intoxikationen oder behördlich ange-
ordneten Maßnahmen. Manchmal können sie auch thera-
peutisch unterstützend eingesetzt werden.
Ebenso sollte der nicht verordnete parenterale Konsum
von Opioiden mit dem Ziel der Risikominderung thera-
peutisch angegangen werden. Das verbreitete Versetzen
von flüssigem Methadon mit Sirup ist wenig hilfreich und
kann zu erheblichen Komplikation führen, wenn die Flüs-
sigkeit trotzdem injiziert wird. Stattdessen ist es sinnvoll,
die Dosis des Opioidagonisten zu überprüfen und ggf. auf
eine effektive Dosis zu steigern. Manchmal kann auch ein
Wechsel des Substituts oder des Bezugsmodus angezeigt
sein. Sollten diese Maßnahmen in Verbindung mit psycho-
therapeutischen Interventionen keine Besserung erbringen,
so kann der Wechsel in die heroingestützte Behandlung sta-
bilisierend wirken – so diese in der Nähe angeboten wird. In
Tabelle 3 sind verschiedene Argumente aufgeführt, die
für die Etablierung einer Substitutionsbehandlung spre-
chen.
Tabelle 3: Argumente für die opioidgestützte Behandlung
• hohe Mortalität und Infektionsrisiko (Hepatitis, HIV)
• hohe Inzidenz psychiatrischer und körperlicher Erkrankungen
• fehlende Anbindung der Patienten an das Suchthilfesystem
• Dissozialität, schlechte soziale Integration
• Beschaffungskriminalität, Prostitution
• bessere therapeutische Erreichbarkeit für begleitende
Interventionen
In Deutschland regelt das Betäubungsmittelgesetz (BtMG)
den Einsatz und den generellen Umgang mit Betäubungs-
mitteln. Die Opioide fallen unter Anlage III des BtMG. Ihre
Abgabe regelt die Betäubungsmittel-Verschreibungsverord-
nung (BtMVV). Take-home-Abgaben des Substitutionsmit-
tels sind nach BtMVV grundsätzlich bis zu 7 Tage möglich,
wenn sich der Patient in einer stabilen Substitutionsbehand-
lung befindet. Diese eigenverantwortliche Einnahme setzt
u. a. eine regelmäßige Wahrnehmung von Arztkontakten,
ÜBERSICHTSBEITRÄGE | OPIOIDABHÄNGIGKEIT UND MEHRFACHABHÄNGIGKEIT
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eine abgeschlossene Einstellung auf das Substitutionsmittel
und den Ausschluss von Selbst- und Fremdgefährdung vo-
raus. Auch sollte der Patient keine weiteren psychotropen
Substanzen konsumieren, die zusammen mit dem Substi-
tutionsmittel zu einer schwerwiegenden gesundheitlichen
Gefährdung führen könnten. Im Rahmen der Take-home-
Vereinbarungen sollte der Arzt aus medizinischer Sicht in
der Regel einmal pro Woche persönlichen Kontakt mit dem
Patienten haben, um den Behandlungsverlauf beurteilen
und entsprechende Anpassungen vornehmen zu können
(Soyka et al. 2019).
3.3 Psychosoziale Behandlung
Als psychosoziale Behandlungen werden allgemein alle In-
terventionen bezeichnet, die den Einfluss und die Wechsel-
wirkungen der sozialen Umgebung mit einer Person, ihrem
psychischen Funktionsniveau und ihrer Gesundheit aner-
kennen und zu verändern suchen.
In der Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen haben
sich zahlreiche psychosoziale Behandlungen als hilfreich
und effektiv herausgestellt. Diese psychosozialen Behand-
lungen beinhalten neben den suchtspezifischen Psycho-
therapien auch Selbsthilfegruppen, sozialarbeiterische
Beratungsarbeit mit individuellem Case-Managing, Milieu-
therapie und multidimensionale Familientherapie (Walter
et al. 2015).
Wie bei anderen Abhängigkeitserkrankungen ist in der
Behandlung der Opioidabhängigkeit die therapeutische
Grundhaltung entscheidend. Sie sollte empathisch, wert-
schätzend und akzeptierend sein. Die Gesprächsführung
sollte strukturierend sein, sich an den Grundzügen des
Motivational Interviewing orientieren und Behandlungs-
bereitschaft fördern. Eine aktive Grundhaltung ist von
Vorteil. Es sollten auf Augenhöhe mit den Patienten mög-
lichst konkrete und realistische Ziele vereinbart werden,
deren Erreichbarkeit auch überprüfbar ist. Ein prob-
lem- und lösungsorientiertes Vorgehen ist daher sinnvoll
und trägt durch positive Erfahrungen zur Förderung der
Selbstwirksamkeit und der Aktivierung bestehender Res-
sourcen und Fähigkeiten bei. Es gilt, die Ansätze der indi-
viduellen Problemlage des Patienten anzupassen und ent-
sprechende Selbstmanagement-Strategien zu erarbeiten.
Rolle und Ausprägung des Substanzkonsums sollten dabei
berücksichtigt werden.
Die Umgestaltung der individuellen Lebensweise, der Auf-
bau psychosozialer Ressourcen und verlässlicher Beziehun-
gen, die Steigerung der Lebensqualität sowie die soziale Re-
integration stellen häufige Therapieziele dar. Das Erlernen
von Skills, also Fähigkeiten im Umgang mit verschiedenen
Symptomen und Problemen, steht dabei im Vordergrund.
Die Therapie wird häufig ambulant durchgeführt, je nach-
dem sollten aber stationäre Entgiftungen niederschwellig
angeboten werden. Gerade abstinenzorientierte Entwöh-
nungstherapien finden auch heute noch über lange Zeit-
räume (z. B. 3 Monate bis 1 Jahr) im stationären Rahmen
statt. Oft haben sie arbeitspraktische und rehabilitative An-
teile, die auch zu einer Stabilisierung des Selbstwertgefühls
beitragen sollen. Wichtig ist die ambulante Weiterbehand-
lung nach stationären Therapien. Gruppentherapien sind
sowohl ambulant wie auch stationär von herausgehobener
Bedeutung. Das Gleiche gilt für Selbsthilfegruppen wie die
Narcotics Anonymous.
Zu Beginn der Therapie stehen vor allem niederschwelli-
ge Themen im Fokus, wie der Aufbau der therapeutischen
Beziehung und Behandlungsmotivation und Ansätze zur
Überlebenssicherung und Verminderung von Risikoverhal-
ten („Harm reduction“). Hier geht es insbesondere um die
Reduktion von Infektionserkrankungen wie HIV oder He-
patitis C, aber auch um eine Beendigung von delinquenten
Verhaltensweisen. Das Angebot schadensmindernder Maß-
nahmen variiert stark zwischen Settings im internationalen
Vergleich. Im Verlauf kommen andere Ziele hinzu, die in
der Regel eine Verminderung des illegalen Substanzkon-
sums beinhalten, keineswegs aber notwendigerweise auf
eine Abstinenz abzielen müssen.
Die suchtspezifischen Psychotherapien umfassen ein gro-
ßes Spektrum verschiedener Interventionen. Hierzu gehö-
ren vor allem kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze
und motivationsfördernde Techniken, aber auch systemi-
sche und psychodynamische Psychotherapien. Der hohe
Anteil an komorbiden psychiatrischen Störungen muss
bei der Therapieauswahl beachtet werden. Die Evidenz ist
dabei im Vergleich zu anderen Abhängigkeitserkrankun-
gen wie der Alkoholabhängigkeit weniger umfangreich.
Zudem werden in den Studien Opioid-, Kokain-, Amphe-
tamin- und Mehrfachabhängigkeit oft unter „Drogen-
abhängigkeit“ zusammengefasst, was die Aussagekraft
einschränkt.
Als evidenzbasierte suchtspezifische Psychotherapieformen
können derzeit besonders die Motivierende Gesprächsfüh-
rung und das Kontingenzmanagement genannt werden.
Diese Psychotherapieformen weisen den höchsten Evi-
denzgrad auf und wurden auch bei der Opioidabhängig-
keit untersucht (Walter et al. 2015). Es muss aber beachtet
werden, dass die Opioidabhängigkeit häufig mit weiteren
Abhängigkeitserkrankungen, z. B. von Kokain, Benzo-
diazepinen, Alkohol, Tabak oder Cannabis, einhergeht. Die
Mehrfachabhängigkeit bei Opioidabhängigkeit ist eher
die Regel als die Ausnahme. Bei der Mehrfachabhängig-
keit sind laut Metaanalysen die Effekte suchtspezifischer
psychotherapeutischer Interventionen in der Regel gering,
und bei bestehender Substitutionsbehandlung ist es un-
klar, ob psychotherapeutische Interventionen einen zu-
sätzlichen Effekt erzeugen. Während ein Cochrane-Review
keinen zusätzlichen Effekt ermitteln konnte (Amato et al.
2011), fanden sich in verschiedenen randomisiert-kontrol-
lierten Studien geringe bis moderate Effekte (Dutra et al.
2008).
OPIOIDABHÄNGIGKEIT UND MEHRFACHABHÄNGIGKEIT | ÜBERSICHTSBEITRÄGE
Suchtmed 21 (6) 2019
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4 Mehrfachabhängigkeit
Bei den von einer Opioidabhängigkeit betroffenen Patien-
ten liegen in aller Regel weitere Komorbiditäten vor. Dabei
handelt es sich einerseits um andere Abhängigkeitserkran-
kungen, andererseits um psychiatrische Störungsbilder aus
anderen Bereichen. Bei 70–80 % der Opioidabhängigen
besteht eine begleitende Abhängigkeit von Kokain oder
anderen Stimulanzien, Benzodiazepinen und/oder Alkohol
(Grella et al. 2009). Im langjährigen Verlauf zeigen sich Än-
derungen im Konsummuster. Patienten in OGB konsumie-
ren mit zunehmender Behandlungsdauer seltener Kokain,
der Alkoholkonsum nimmt jedoch eher zu. Die Substanzen
können gleichzeitig oder abwechselnd eingenommen wer-
den (Herdener et al. 2017).
Aufgrund des oft abwertenden Gebrauchs des Begriffs „Po-
lytoxikomanie“ empfiehlt es sich, stattdessen von „Mehr-
fachabhängigkeit“ zu sprechen.
Gerade die Kombination mit anderen sedierenden Substan-
zen wie Sedativa oder Alkohol birgt das Risiko einer Über-
dosis und damit verbundener Atemdepression. Besonders der
intravenöse Kokain- oder Amphetaminkonsum kann zu sub-
stanzinduzierten Psychosen führen, welche die Behandlung
erschweren können. Eine gute therapeutische Beziehung ver-
bunden mit regelmäßigen Kurzkontakten bei der Abgabe des
Substituts im Ambulanzsetting kann dabei hilfreich sein, um
eine antipsychotische Behandlung zu etablieren. Die Reduk-
tion des Beikonsums sollte insbesondere bei solchen Kompli-
kationen integrativer Bestandteil der Behandlungsziele sein.
Der erste Schritt der Behandlung der Mehrfachabhängigkeit
bei opioidabhängigen Patienten besteht in der Etablierung
der OGB. Sind die Patienten bereits in opioidgestützter Be-
handlung, sollte diese optimiert werden. So sollte zunächst
die Dosierung des Opioidagonisten geprüft und angepasst
werden. Häufig liegt diese zu niedrig. Dies kann einerseits
an nicht gerechtfertigten Bedenken der Behandelnden ge-
genüber höheren Dosen liegen. Andererseits werden höhere
Dosen auch oft von Patienten abgelehnt, die im Hinblick
auf eine Dosisreduktion stärkere Entzugssymptome fürch-
ten. Bei fehlendem Ansprechen auf eine Dosisoptimierung
oder Nebenwirkungen, die eine Optimierung verunmögli-
chen, kann der Wechsel auf ein anderes Substitut angezeigt
sein. Weiterhin sollten Bezugsmodus und Darreichungs-
form überprüft werden. In der Folge werden Behandlungs-
optionen bei einzelnen Substanzklassen skizziert.
4.1 Kokain
Einer begleitenden Kokainabhängigkeit sollte zunächst
psychotherapeutisch begegnet werden. In erster Linie ist
die Wirksamkeit verhaltenstherapeutischer Verfahren be-
legt. Es kommen vor allem die kognitive Verhaltensthe-
rapie sowie verstärkerbasierte Verfahren wie das Kontin-
genzmanagement zum Einsatz. Als finanziell günstige und
gleichzeitig effektive Verstärker können im Rahmen der
opioidgestützten Behandlung auch Mitgaben des Substituts
eingesetzt werden.
Es besteht keine klare Evidenz für psychopharmakologi-
sche Behandlungsoptionen. Analog zur Substitutionsbe-
handlung kann eine Off-label-Therapie mit Stimulanzien
besonders bei komorbidem ADHS versucht werden. So war
bei Patienten im engmaschigen Setting der heroingestütz-
ten Behandlung eine Behandlung mit retardiertem Dexam-
phetamin mit einer Reduktion des Kokainkonsums ver-
bunden (Nuijten et al. 2016). Für Methylphenidat werden
zwar vereinzelt positive Erfahrungen berichtet, eine Studie
konnte jedoch keinen zusätzlichen Nutzen bei kokainab-
hängigen Patienten in OGB mit gruppenbasierter kogniti-
ver Verhaltenstherapie nachweisen (Dürsteler et al. 2015).
Ein Behandlungsversuch mit Stimulanzien sollte nur nach
sorgfältiger Abwägung der Risiken und der vorhandenen
Alternativen und genauer Aufklärung der Patienten erfol-
gen. Die Stimulanzienabgabe sollte nach Möglichkeit kont-
rolliert erfolgen, idealerweise zusammen mit dem Substitut.
Frequenz und Menge des Kokainkonsums sind als Zielpa-
rameter regelmäßig zu evaluieren.
4.2 Benzodiazepine
Je nach Setting liegt bei ungefähr der Hälfte der opio-
idabhängigen Patienten ein anhaltender Beigebrauch von
Benzodiazepinen (BZD) vor (Vogel et al. 2011). Er ist mit
traumatischen Kindheitserfahrungen ebenso wie mit psy-
chiatrischen Komorbiditäten assoziiert. Von besonderer
Bedeutung sind BZD aufgrund der gesteigerten Gefahr der
Atemdepression in Kombination mit Opioiden. Bei der Ex-
ploration des BZD-Konsums sollten möglichst immer auch
die subjektiven Einnahmemotive berücksichtigt werden.
So setzt die Mehrheit der Patienten BZD zur Behandlung
von körperlichen oder psychischen Symptomen ein, z. B.
Schlafstörungen, Entzugssymptome oder Angstzustände.
Sie werden aber auch eingesetzt, um die Effekte anderer
Substanzen, z. B. Kokain, abzumildern. Besonders bei pa-
renteralem Gebrauch können sie auch selbst ein High-Ge-
fühl auslösen. Je nach zugrundeliegender Motivation kann
also die Behandlung komorbider psychischer Störungen
oder des Beigebrauchs anderer Substanzen zu einer Abnah-
me des BZD-Konsums beitragen. Gerade bei hochdosisge-
brauchenden Mehrfachabhängigen hat sich klinisch auch
ein Substitutionsansatz bewährt, bei dem mitunter hohe
Dosen eines langsam anflutenden, lang wirksamen BZD
(z. B. retardiertes Alprazolam, Clonazepam) verschrieben
werden. Die Abgabe sollte kontrolliert erfolgen und der
Erfolg regelmäßig überprüft werden. Ein allmählicher be-
gleiteter Abbau über einen längeren Zeitraum sollte dem
Patienten empfohlen werden, wird jedoch nicht immer er-
folgreich sein. Während der unkontrollierte BZD-Gebrauch
mit schlechteren Behandlungsergebnissen der OGB assozi-
iert ist, scheint dies für verordnete BZD nicht zwingend der
Fall zu sein. Die Evidenz ist aber insgesamt unzureichend.
ÜBERSICHTSBEITRÄGE | OPIOIDABHÄNGIGKEIT UND MEHRFACHABHÄNGIGKEIT
Suchtmed 21 (6) 2019
7
4.3 Alkohol
Bis zu zwei Drittel der opioidabhängigen Patienten leiden in
ihrem Leben auch an einer Alkoholabhängigkeit. Der Bei-
gebrauch von Alkohol nimmt über die Dauer der OGB im
Gegensatz zu anderen Substanzen eher zu. Der Alkoholkon-
sum sollte daher regelmäßig mit dem Patienten thematisiert
und evaluiert werden. Ebenso wie bei nicht-opioidabhän-
gigen Patienten sollte eine qualifizierte Entzugsbehandlung
im stationären Rahmen angeboten werden. Eine Entzugsbe-
handlung kann aber auch ambulant erfolgen und beispiels-
weise die tägliche Abgabe der Entzugsmedikation mit dem
Substitut beinhalten. Ein Vorteil der OGB besteht darin,
dass auch abstinenzunterstützende Medikation wie Acam-
prosat oder ggf. Disulfiram kontrolliert abgegeben werden
kann und somit eine regelmäßige Einnahme gewährleistet
wird. Es ist aber zu beachten, dass Opiatantagonisten wie
Naltrexon oder Nalmefen bei opioidgebrauchenden Patien-
ten Entzugssymptome auslösen und somit während einer
laufenden OGB zur Alkoholbehandlung kontraindiziert
sind.
4.4 Tabak
Über 90 % der opioidabhängigen Patienten im deutsch-
sprachigen Raum sind tabakabhängig. Lange schien dies
angesichts des risikoreichen Konsums anderer Substanzen
wie Opiate oder Kokain zweitrangig. Dies erwies sich je-
doch als Trugschluss. Aufgrund der im Rahmen der OGB
verbesserten Überlebensraten handelt es sich um eine al-
ternde Patientenpopulation, bei der die Tabakfolgeerkran-
kungen zunehmende Bedeutung erlangen. Nicht selten füh-
ren chronisch obstruktive Lungenerkrankungen, vor allem
die COPD, oder Karzinome der Lunge zu einer erheblichen
Einschränkung der Lebensqualität oder zum Tod. Es ist
daher wichtig, auch opioidabhängigen Patienten frühzeitig
entsprechende Interventionen anzubieten. Es kommen so-
wohl verhaltenstherapeutische (Gruppen-)Ansätze zur An-
wendung wie auch eine pharmakologische Behandlung mit
Nikotinersatz, Vareniclin oder Bupropion.
4.5 Cannabis
Auch der Cannabisgebrauch wird bei mehrfachabhängigen
Patienten oft als nachrangig angesehen. Die verfügbare Evi-
denz ist widersprüchlich und die beschriebenen Assoziatio-
nen reichen für die OGB von einer eingeschränkten bis zu
einer verbesserten Haltequote und reduziertem bis erhöh-
tem Opioidbeikonsum (Zielinski et al. 2016). Es ist zu hof-
fen, dass die aktuell verstärkten Forschungsbemühungen,
vor allem aus Ländern mit Regulation des medizinischen
oder Freizeitgebrauchs, zu einer weiteren Klärung der Rolle
von Cannabis beitragen werden. Bis zum Vorliegen einer
klaren Evidenz empfiehlt sich ein pragmatisches Vorgehen.
Bei Vorliegen einer Schwangerschaft oder einer eindeutig
cannabisinduzierten Psychose sollte vom Cannabiskonsum
abgeraten werden. Patienten mit chronischen Lungener-
krankungen sind über die negativen pulmonalen Konse-
quenzen des Cannabisrauchens aufzuklären und sollten zu
einem Stopp oder zumindest Reduktion motiviert werden.
Berichten Patienten vom Einsatz von Cannabis zur Selbst-
medikation, z. B. bei chronischen Schmerzen, sollten positi-
ve und negative Effekte abgewogen und Alternativen erör-
tert werden. Nicht in jedem Fall wird der Konsum pauschal
abzulehnen sein, und es ist wichtig, individuelle Lösungen
für die vorliegende Problematik zu suchen.
5 Komorbide psychische Störungen
Bei der Mehrheit der opioidabhängigen Patienten liegt min-
destens eine weitere psychische Störung vor, was es in der
Behandlung zu berücksichtigen gilt. Treten Abhängigkeit
und andere psychische Störungen gemeinsam auf, werden
sie auch als „Doppeldiagnosen“ bezeichnet. Die häufigs-
ten psychischen Komorbiditäten sind affektive Störungen,
Persönlichkeitsstörungen, ADHS und posttraumatische Be-
lastungsstörungen (PTBS), aber auch Angststörungen und
Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis sind
deutlich häufiger als in der Allgemeinbevölkerung. Etwa
die Hälfte der Patienten leidet mindestens einmal im Leben
an einer schweren depressiven Episode. Bis zu zwei Drittel
der Patienten erfüllen die Kriterien für eine Persönlichkeits-
störung. Hier sind vor allem die emotional instabile sowie
die antisoziale Persönlichkeitsstörung zu nennen. Die PTBS
kommt bei ca. 25–50 % aller Suchtpatienten vor (Walter &
Gouzoulis-Mayfrank 2019). Auch traumatische Kindheits-
erfahrungen sind überdurchschnittlich häufig und sind mit
dem Konsum von weiteren Substanzen assoziiert. Ferner
gibt es Hinweise darauf, dass opioidabhängige Patienten
häufiger unter komorbiden Persönlichkeitsstörungen leiden
als andere suchterkrankte Personen. Bis zu 20 % der Pa-
tienten leiden an komorbidem ADHS im Erwachsenenalter.
Doppeldiagnosen sind mit einer schlechteren Prognose und
einem schlechteren Verlauf der Abhängigkeitserkrankung
verbunden. Umso wichtiger sind eine adäquate Diagnostik
und störungsspezifische Behandlung. Die Behandlung der
Abhängigkeitserkrankung und der komorbiden Störung
sollte wenn möglich integrativ erfolgen, also am Besten in
der gleichen Behandlungsstelle. Auf diese Weise gelingt es
eher, Wechselwirkungen zwischen beiden zu berücksichti-
gen. So kann der Substanzkonsum sowohl Folge als auch
Ursache der komorbiden Störung sein. Entsprechend kann
eine Symptomreduktion der einen Störung auch zur Verbes-
serung der anderen führen.
6 Fazit und Ausblick
Bei der Opioidabhängigkeit handelt es sich um eine chro-
nische Suchterkrankung, die in der Regel von weiteren
substanzgebundenen Störungen und psychischen Komorbi-
ditäten begleitet wird und schwere Beeinträchtigungen der
OPIOIDABHÄNGIGKEIT UND MEHRFACHABHÄNGIGKEIT | ÜBERSICHTSBEITRÄGE
Suchtmed 21 (6) 2019
8
Betroffenen und ihres Umfelds nach sich ziehen kann. Mit
der opioidgestützten Behandlung steht eine gut untersuchte
und effektive Therapie der ersten Wahl zur Verfügung, die
immer auch psychosoziale Therapiemaßnahmen beinhalten
sollte. Insgesamt handelt es sich aufgrund der in Europa
sinkenden Inzidenz um eine alternde Patientengruppe, de-
ren Bedürfnisse sich ändern. Die Therapieangebote sollten
dieser Entwicklung angepasst werden.
In Zukunft wird sich zeigen, ob die evidenzbasierten
suchtspezifischen Psychotherapieverfahren adäquat in den
klinischen Alltag implementiert werden können. Dazu soll-
ten die wirksamsten Wirkkomponenten identifiziert und
neue Kombinationsbehandlungen evaluiert werden. An-
gesichts des geringen Anteils Betroffener, der bisher vom
Suchthilfesystem tatsächlich erreicht wird, werden in Zu-
kunft vor allem computergestützte und online-basierte The-
rapieangebote und mögliche Frühinterventionen opioidab-
hängiger Patienten wichtiger werden (Krausz et al. 2014).
Weiterhin gilt es, die Bekanntheit und Verfügbarkeit vor-
handener Behandlungsalternativen der Opioidabhängig-
keit, insbesondere zur Diversifikation der opioidgestützten
Behandlung (retardierte Morphine, Diacetylmorphin), zu
verbessern. Es bleibt abzuwarten, ob die Entwicklung von
Depotpräparaten oder möglicher neuer Opioidagonisten
mit geringerem Abhängigkeitspotenzial in der Zukunft eine
Verbesserung der Behandlung ermöglichen wird.
Interessenkonflikt
Manuskript
Eingereicht am 17.10.2019, akzeptiert am 4.11.2019
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ÜBERSICHTSBEITRÄGE | OPIOIDABHÄNGIGKEIT UND MEHRFACHABHÄNGIGKEIT
Suchtmed 21 (6) 2019
... Häufig auftretende Komorbiditäten im Zusammenhang mit einer Opioidabhängigkeit sollten im Einsatz bedacht werden. Dazu zählen unter anderem [12]: ▪ Konsum weiterer Suchtmittel wie Alkohol, Kokain, Benzodiazepine ▪ Infektionen mit über Blut übertragbaren Krankheiten ▪ Persönlichkeitsstörungen ▪ verringerte Impulskontrolle Therapie Die Therapie richtet sich nach der Klinik und den ermittelten Vitalparametern des Patienten. Als Antidot einer vital bedrohlichen Opioidintoxikation wird Naloxon als kompetitiver Opioid-Antagonist verwendet. ...
... Zudem werden polyvalente Gebrauchsmuster (Mischkonsum) berichtet, da typischerweise Alkohol, illegale Drogen und Pharmaka parallel oder abwechselnd konsumiert werden [4,21]. Zugleich führt der dauerhafte polyvalente Drogengebrauch häufig zu chronischer Mehrfachabhängigkeit (CMA; [20]) und wird oftmals auch während einer Substitution fortgeführt: In den Stichproben der oben genannten Studien variiert der Anteil an substituierten Befragten mit Beikonsum von Alkohol und anderen Drogen zwischen 40 % in Frankfurt [21] und 50% in verschiedenen deutschen Städten, die im Rahmen der sog. DRUCK-Studie [4] untersucht wurden. ...
Article
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Zusammenfassung Hintergrund Angehörige offener Drogenszenen sind von diversen sozialen und gesundheitlichen Risikolagen betroffen. Die Studie untersucht, welche Substanzen und Konsumformen in der Bremer Drogenszene verbreitetet sind sowie die damit assoziierten Probleme, Risiken und Hilfebedarfe. Methoden Im Rahmen dieser qualitativen Studie wurden 50 teilnehmende Beobachtungen in Drogenszenen in vier Bremer Stadtteilen, 36 leitfadengestützte, problemzentrierte Interviews mit Szeneangehörigen sowie 8 Expert*inneninterviews mit Fachkräften aus der Sucht- und Wohnungslosenhilfe durchgeführt. Ergebnisse Die körperliche, psychische und soziale Situation von Angehörigen der Bremer Drogenszene ist von erheblichen Risiken und Belastungen geprägt. Der lange Zeit auf wenige deutsche Großstädte beschränkte Konsum von Crack hat sich auch in Bremen etabliert. Von den Befragten werden verschiedene niedrigschwellige und risikomindernde Maßnahmen benannt, die das Bremer Suchthilfesystem weiterentwickeln könnten. Schlussfolgerung Das Bremer Suchthilfesystem sollte u. a. durch verlängerte Öffnungszeiten von Hilfsangeboten, eine Ausweitung der psychosozialen Betreuung sowie die Einrichtung einer Diamorphin-Ambulanz weiterentwickelt werden.
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Mu opioid receptor agonists are among the most powerful analgesic medications but also among the most addictive. The current opioid crisis has energized a quest to develop opioid analgesics that are devoid of untoward effects. Since their discovery in the 1970’s, there have been major advances in our understanding of the endogenous opioid systems that these drugs target. Yet many questions remain and the development of non-addictive opioid analgesics has not been achieved. However, access to new molecular, genetic and computational tools have begun to elucidate the structural dynamics of opioid receptors, the scaffolding that links them to intracellular signaling cascades, their cellular trafficking and the distinct ways that various opioid drugs modify them. This mini-review highlights some of the chemical and pharmacological findings and new perspectives that have arisen from studies using these tools. They reveal multiple layers of complexity of opioid receptor function, including a spatiotemporal specificity in opioid receptor-induced cellular signaling, ligand-directed biased signaling, allosteric modulation of ligand interactions, heterodimerization of different opioid receptors, and the existence of slice variants with different ligand specificity. By untangling these layers, basic research into the chemistry and pharmacology of opioid receptors is guiding the way towards deciphering the mysteries of tolerance and physical dependence that have plagued the field and is providing a platform for the development of more effective and safer opioids.
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Objective To compare the risk for all cause and overdose mortality in people with opioid dependence during and after substitution treatment with methadone or buprenorphine and to characterise trends in risk of mortality after initiation and cessation of treatment. Design Systematic review and meta-analysis. Data sources Medline, Embase, PsycINFO, and LILACS to September 2016. Study selection Prospective or retrospective cohort studies in people with opioid dependence that reported deaths from all causes or overdose during follow-up periods in and out of opioid substitution treatment with methadone or buprenorphine. Data extraction and synthesis Two independent reviewers performed data extraction and assessed study quality. Mortality rates in and out of treatment were jointly combined across methadone or buprenorphine cohorts by using multivariate random effects meta-analysis. Results There were 19 eligible cohorts, following 122 885 people treated with methadone over 1.3-13.9 years and 15 831 people treated with buprenorphine over 1.1-4.5 years. Pooled all cause mortality rates were 11.3 and 36.1 per 1000 person years in and out of methadone treatment (unadjusted out-to-in rate ratio 3.20, 95% confidence interval 2.65 to 3.86) and reduced to 4.3 and 9.5 in and out of buprenorphine treatment (2.20, 1.34 to 3.61). In pooled trend analysis, all cause mortality dropped sharply over the first four weeks of methadone treatment and decreased gradually two weeks after leaving treatment. All cause mortality remained stable during induction and remaining time on buprenorphine treatment. Overdose mortality evolved similarly, with pooled overdose mortality rates of 2.6 and 12.7 per 1000 person years in and out of methadone treatment (unadjusted out-to-in rate ratio 4.80, 2.90 to 7.96) and 1.4 and 4.6 in and out of buprenorphine treatment. Conclusions Retention in methadone and buprenorphine treatment is associated with substantial reductions in the risk for all cause and overdose mortality in people dependent on opioids. The induction phase onto methadone treatment and the time immediately after leaving treatment with both drugs are periods of particularly increased mortality risk, which should be dealt with by both public health and clinical strategies to mitigate such risk. These findings are potentially important, but further research must be conducted to properly account for potential confounding and selection bias in comparisons of mortality risk between opioid substitution treatments, as well as throughout periods in and out of each treatment.
Article
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Nach der grossen „Heroin-Welle“ der 80er und 90er Jahre in der Schweiz und der Etablierung erfolgreicher Substitutionsbehandlungen zur Therapie und Schadensminderung in vielen westlichen Nationen sind in den letzten Jahren die ersten evidenzbasierten Leitlinien zur Behandlung der Opioidabhängigkeit erschienen. In dieser Übersichtsarbeit werden die medikamentösen und psychosozialen Behandlungsstrategien der Opioidabhängigkeit anhand dieser aktuellen Leitlinien beschrieben und diskutiert. Wie bei allen Abhängigkeitserkrankungen umfassen die Störungen durch Opioide die akute Intoxikation, den schädlichen Gebrauch, die Abhängigkeit sowie die Entzugssyndrome. Zudem sind die Diagnostik und Behandlung komorbider psychischer Störungsbilder erforderlich, um die Prognose der Opioidabhängigkeit entscheidend verbessern zu können. In der Akutphase der Behandlung erfolgt zunächst der sogenannte „Beikonsumentzug“. Bereits in dieser Phase sollten die Patienten für eine Substitutionsbehandlung motiviert werden. Das Abstinenzziel kann in einer frühen oder stabilen Krankheitsphase sinnvoll sein. Die Substitutionsbehandlung mit Methadon oder Buprenorphin stellt derzeit die Therapie der ersten Wahl dar. Die Substitution mit slow-release Morphin findet derzeit noch im off-label use statt. Die Substitution mit Diacetylmorphin (Heroin) gilt nach abgebrochenen oder erfolglosen Therapie- und Substitutionsversuchen als eine wichtige Behandlungsalternative. Motivierende Gesprächsführung sowie störungsspezifische Psychotherapieverfahren, die komorbide Persönlichkeitsstörungen und depressive Störungen parallel zur Abhängigkeitserkrankung integriert behandeln, zeigen erste positive Effekte auf den Verlauf der Opioidabhängigkeit. Nachdem die Rahmenbedingungen für eine Behandlung der Opioidabhängigkeit in der Schweiz geschaffen worden sind, werden zukünftig neurobiologische und psychotherapeutische Forschung wichtig sein, um die Therapie der Opioidabhängigkeit weiter verbessern und ausbauen zu können.
Article
Background: Although the beneficial effects of opioid substitution for the reduction of heroin use are well established, its effect on other substance use is unclear. We aimed to evaluate short-term and long-term changes in substance use in opioid-dependent patients on opioid substitution therapy. We focused on frequent use of heroin, cocaine, benzodiazepines, and alcohol under naturalistic conditions (ie, with non-selected patients and clinical practice as usual) over 17 years. Methods: This was a treatment case register analysis. Data were obtained from the treatment case register of the canton of Zurich, Switzerland, which included information for 8962 patients (122 399 case report forms) who received substitution therapy with methadone or buprenorphine between 1998 and 2014. The main focus of our study was to evaluate long-term changes in frequent substance use of patients on opioid substitution therapy, together with the associations between individual, treatment, and environmental factors and substance use, including short-term changes at first treatment entry. Data were analysed using a generalised estimating equation that accounted for individual, treatment, and environmental factors. Frequent use was defined as substance use on at least 5 days per week. Findings: The most frequent use of heroin (odds ratio [OR] 5·30, 95% CI 4·63-6·08; p<0·0001), cocaine (2·30, 1·95-2·71; p<0·0001) and, to a lesser extent, benzodiazepines (1·34, 1·17-1·54; p<0·0001) and alcohol (1·21, 1·08-1·35; p=0·0007), was found in previously untreated individuals compared with patients already receiving treatment 6 months after starting opioid substitution therapy, corroborating a strong effect of initiating substitution therapy. Frequency of substance use was associated with the year of evaluation: frequent use of heroin (OR per decade 0·56, 0·52-0·60; p<0·0001) and cocaine (0·63, 0·58-0·68; p<0·0001) significantly decreased between 1998 and 2014, while frequent alcohol use increased (1·15, 1·08-1·23; p<0·0001). In 2014, frequent alcohol use was observed in 990 (22·5%) of 4400 patients on opioid substitution therapy. Interpretation: Frequent use of alcohol during opioid substitution therapy significantly increased during the observation period, whereas there was a decline in frequent use of heroin and cocaine. Given the high infection rates with hepatotoxic viruses and the increasing liver-related mortality rates in patients on opioid substitution therapy, these findings suggest that frequent alcohol use increasingly constitutes a therapeutic challenge in opioid substitution therapy. Funding: None.
Article
Summary Background Heroin-assisted treatment is effective for methadone treatment-refractory heroin-dependent patients, but continued comorbid cocaine dependence remains problematic. Sustained-release dexamfetamine is a promising agonist pharmacotherapy for cocaine dependence and we aimed to assess its acceptance, efficacy, and safety. Methods In this multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled trial, patients who were treatment-refractory, as indicated by at least two earlier failed treatments aimed at reducing or abstaining from cocaine use, and who regularly (≥8 days/month) used crack-cocaine were enrolled from four heroin-assisted treatment centres in the Netherlands. Eligible patients were randomly assigned (1:1) to receive either 12 weeks of daily, supervised prescription of 60 mg/day oral sustained-release dexamfetamine or placebo in addition to co-prescribed methadone and diacetylmorphine. Randomisation was done by the collaborating pharmacist, using a computer-generated random number sequence with stratification by treatment centre in blocks of four per stratum. Randomisation was masked to patients, staff , and researchers throughout the study. The primary outcome was the number of self-reported days of cocaine use during study treatment, assessed every 4 weeks. Primary and safety analyses were done in the intention-to-treat population. The study was registered with the European Union Drug Regulating Authorities Clinical Trials (EUdraCT 2013-004024-11) and with The Netherlands Trial Register (NTR2576). Findings Between Aug 8, 2014, and Feb 27, 2015, 111 patients were assessed for eligibility, of whom 73 were enrolled and randomised; 38 patients were assigned to the sustained-release dexamfetamine group and 35 to the placebo group. Sustained-release dexamfetamine treatment resulted in significantly fewer days of cocaine use than placebo treatment (mean 44·9 days [SD 29·4] vs 60·6 days [24·3], respectively [95% CI of difference 3·1–28·4]; p=0·031; Cohen’s standardised effect size d=0·58). One or more adverse events were reported by 28 (74%) patients in the dexamfetamine group and by 16 (46%) patients in the placebo group. Most adverse events were transient and well-tolerated. Interpretation Sustained-release dexamfetamine is a well accepted, eff ective, and safe agonist pharmacotherapy for comorbid treatment-refractory cocaine dependence in heroin-dependent patients in heroin-assisted treatment. Future research should aim to replicate these findings in chronic cocaine-dependent and other stimulant-dependent patients in more routine treatment settings, including strategies to optimise treatment adherence like medication management interventions and contingency management. http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(16)00205-1
Article
Opioid therapy is one component of an effective pain management regimen for patients with chronic pain and the majority of these patients use their medications responsibly. However, there are a growing number of these patients who develop an opioid use disorder and in some cases require opioid replacement therapy. Managing these patients is complex and the underlying mechanisms of pain and addiction are not well understood. Developing an effective interdisciplinary treatment program for the individual with pain and an opioid use disorder will depend on enhancing our knowledge of the psychophysiology of pain and addiction. Authors gathered key empirical and theoretical papers examining the psychophysiology of comorbid pain and opioid misuse disorders. This article reviews the current theory of the effect of pain on patients with pain and concomitant addiction, the psychophysiology of pain, opioid use and addiction, and future research in this area. Individuals with a history of opioid misuse have greater levels of hyperalgesia which may be due to alterations in psychophysiological pathways. More research is needed into the psychophysiological biomarkers among individuals with comorbid pain and addiction in order to develop better treatment approaches and improve outcomes among this difficult to treat population. Copyright © 2014 Elsevier Ireland Ltd. All rights reserved.
Article
Despite significant advances in psychosocial treatments for substance use disorders, the relative success of these approaches has not been well documented. In this meta-analysis, the authors provide effect sizes for various types of psychosocial treatments, as well as abstinence and treatment-retention rates for cannabis, cocaine, opiate, and polysubstance abuse and dependence treatment trials. With a comprehensive series of literature searches, the authors identified a total of 34 well-controlled treatment conditions-five for cannabis, nine for cocaine, seven for opiate, and 13 for polysubstance users-representing the treatment of 2,340 patients. Psychosocial treatments evaluated included contingency management, relapse prevention, general cognitive behavior therapy, and treatments combining cognitive behavior therapy and contingency management. Overall, controlled trial data suggest that psychosocial treatments provide benefits reflecting a moderate effect size according to Cohen's standards. These interventions were most efficacious for cannabis use and least efficacious for polysubstance use. The strongest effect was found for contingency management interventions. Approximately one-third of participants across all psychosocial treatments dropped out before treatment completion compared to 44.6% for the control conditions. Effect sizes for psychosocial treatments for illicit drugs ranged from the low-moderate to high-moderate range, depending on the substance disorder and treatment under study. Given the long-term social, emotional, and cognitive impairments associated with substance use disorders, these effect sizes are noteworthy and comparable to those for other efficacious treatments in psychiatry.
psychosocial combined with agonist maintenance treatments versus agonist maintenance treatments alone for treatment of opioid dependence. cochrane database Syst rev: cd004147 dick dM, agrawal a (2008). the genetics of alcohol and other drug dependence
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Gender and comorbidity among individuals with opioid use disorders in the neSarc study
europäische beobachtungsstelle für drogen und drogensucht (2018). europäischer drogenbericht 2018: trends und entwicklungen. Luxemburg freye e (2016). Opioide in der Medizin. 9. auflage. Lengerich: pabst Science publishers Grella ce, karno Mp, Warda uS, niv n, Moore aa (2009). Gender and comorbidity among individuals with opioid use disorders in the neSarc study. addict behav 34: 498-504