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Pilotstudie zur Evaluation des Ansatzes „Drei Statt Dry“ zur
Behandlung alkoholabhängiger Menschen
Robert Stein, Finn Dittelbach, David Winkelmann, Alexander Nowarra & Reinhard Beyer
Stein, R., Dittelbach, F., Winkelmann, D., Nowarra, A. & Beyer, R. (2018).Pilotstudie zur
Evaluation des Ansatzes „Drei Statt Dry“ zur Behandlung alkoholabhängiger Menschen.
Empirische Evaluationsmethoden, Band 22, 21-43. Berlin: ZeE Verlag.
Zusammenfassung:
Bei der Interventionsstrategie „Drei Statt Dry“ besteht die zentrale Idee in der Abkehr von der
Abstinenzforderung bei der Behandlung der Alkoholabhängigkeit und dem Zulassen
alkoholischer Getränke nach festgelegten Regeln. Alkoholische Getränke können dabei in
beliebiger Menge getrunken werden, jedoch darf beim Alkoholgehalt eine prozentuale
Obergrenze (i.d.R. 3%) nicht überschritten werden. Dadurch wird ein Trinken bis in den
Alkoholrausch nur noch sehr schwer möglich, gleichzeitig werden die Betroffenen von der
Abstinenzforderung entlastet. Zusätzlich zu den Trinkregeln werden die Betroffenen mit einem
Erklärungsmodell zur Alkoholsucht vertraut gemacht. Dieses Modell geht davon aus, dass
beim Trinken alkoholischer Getränke ein „Rauscheintrittspunkt“ existiere, dessen
Wahrnehmung den Betroffenen
1
aber durch zu häufiges Überschreiten mit der Zeit verloren
gegangen sei. Die Wahrnehmung dieses Punktes, welcher Nicht-Betroffenen zur Regulation
ihres Trinkverhaltens diene, könne durch konsequente Anwendung der Trinkregeln wieder
sensibilisiert werden, so die Hypothese. Obwohl dieser Zusammenhang bisher nicht gesichert
ist, scheint das Verständnis der eigenen Sucht und die konkrete Aussicht auf „Heilung“ bei der
Anwendung des Ansatzes sehr bedeutsam zu sein. In einer zurzeit laufenden Pilotstudie soll
der Effekt dieser Interventionsstrategie geprüft werden. Zusätzlich interessiert die Frage, ob
diese Interventionsvariante nur für Klienten mit bestimmten Merkmalen geeignet ist (z.B.
intellektuell gut ansprechbar, hoch motiviert). In der Untersuchung wurde im ersten Schritt ein
Fragebogen entwickelt, mit dem das bisherige Trinkverhalten, verschiedene
Persönlichkeitseigenschaften und ausgewählte demographische Variablen vor Beginn der
Intervention erfasst wurden. Zusätzlich wurde ein Trinkprotokoll entworfen, das die Klienten
während der Intervention sorgfältig führen sollten. Die Intervention folgte dem Prinzip „Drei
Statt Dry“ und war in eine systemische Vorgehensweise eingebettet. An der Intervention und
der parallel stattfindenden Evaluationsstudie beteiligten sich bisher 15 Klienten. Erste
vorläufige Auswertungen über einen Interventionszeitraum von mindesten 8 Wochen zeigten
eine erhebliche Reduktion der Trinkmenge (Alkoholmenge) bei allen Klienten. Vorbereitet wird
eine differenzierte Auswertung unter Berücksichtigung der detaillierten Daten der
Trinkprotokolle und der Ergebnisse des Fragebogens zum bisherigen Trinkverhalten und den
Personeneigenschaften.
Schlüsselwörter: Abstinenz, , Alkoholabhängigkeit, Alkoholkrankheit, Autoregulative
Therapie, Drei Statt Dry, Kontrolliertes Trinken
1
„der Betroffene“ ist in vorliegendem Artikel bitte geschlechtsneutral zu verstehen.
Einleitung
„Schätzungsweise 9,5 Millionen Menschen zwischen 18 und 65 Jahren in Deutschland haben
Alkoholprobleme, das heißt, sie trinken Alkohol in gesundheitlich riskanten Mengen. Etwa 1,3
Millionen von ihnen sind alkoholabhängig.“ (BZgA, 2013)
Diese Zahlen machen eindrucksvoll deutlich, dass der Alkoholmissbrauch in Deutschland (und
nicht nur dort) ein gesellschaftlich tief verwurzeltes Problem ist. Trotz dieses Ausmaßes ist die
konventionelle Behandlung der Alkoholabhängigkeit in Deutschland meist wenig effektiv und
wenig flexibel. Man unterscheidet bezüglich der physischen Intervention prinzipiell zwischen
Abstinenz- und Reduktionstherapien - je nachdem, wie während der Therapie mit der Zufuhr
des Suchtstoffes verfahren wird. Bezüglich der psychischen Interventionen überwiegen die
Gruppentherapien, intensive Einzelbetreuung wird insgesamt gesehen eher selten angeboten.
Vorwiegend wird dabei nach verhaltenstherapeutischen Ansätzen verfahren, Therapieinhalte
sind dabei vorwiegend Aufklärung, Motivation oder Beschäftigung.
Da in den meisten Kliniken oder Suchthilfeeinrichtungen noch immer die strikte Abstinenz die
zwingende Vorrausetzung zur Therapie und gleichzeitig auch das vorgegebene Therapieziel
ist, liegt die Zugangsschwelle für die Betroffenen entsprechend hoch. Viele begeben sich
daher viel zu spät, oder gar nicht in eine Therapie. Die Situation noch verschlimmernd eilt der
Abstinenztherapie zudem der Ruf voraus, dass die Rückfallquote extrem hoch ist. Prof. Dr.
Thomas Hillemacher von der Medizinischen Hochschule Hannover stellt hierzu fest: "70
Prozent aller Alkoholabhängigen erleiden im ersten Jahr nach einer Therapie einen Rückfall,
im zweiten Jahr trinken sogar 90 Prozent wieder" (Spiegel ONLINE, 2012). Erschwerend
kommt hinzu, dass die rückfällig gewordenen Betroffenen typischerweise auch nach Jahren
der Abstinenz schon nach kürzester Zeit wieder zu ihren ursprünglichen, hohen Trinkmengen
zurückkehren. Aus Sicht des bestehenden Kranken- und Rentenversicherungssystems
verursacht die Alkoholsucht erhebliche Kosten, für die Betroffenen und deren Angehörigen
hingegen eine leidvolle Tragödie.
Um der unbefriedigenden Situation Rechnung zu tragen, werden von einigen Institutionen
bereits alternative, niedrigschwelligere Behandlungsformen angeboten. Eine der
verbreitetsten stellt hierbei das sogenannte „Kontrollierte Trinken“ (auch „KT“) nach Prof. Dr.
Joachim Körkel dar. Dieses Verfahren stellt dem Wesen nach eine „Reduktionstherapie“ dar.
Hierbei planen und protokollieren die Betroffenen Ihren Alkoholverbrauch und versuchen auf
diese Weise, Kontrolle über Ihre Trinkmengen zurückzugewinnen. Die Reduktion erfolgt dabei
selbstbestimmt. Vielen Betroffene fällt der Zugang zu dieser Methode leichter und sie lernen
ihren Alkoholkonsum im Sinne der Schadensbegrenzung besser zu kontrollieren. Allerdings
bleiben viele Betroffenen bezüglich ihres Alkoholkonsums auch mit dieser Methode weit über
den Empfehlungen der DHS (Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen), die einen Grenzwert
von 24g Alkohol/Tag für einen gesunden Mann und etwa die Hälfte dieses Wertes für einen
gesunde Frau festlegt. Ferner erfordert die ständige Planung und Kontrolle ein hohes Maß an
Selbstdisziplin und Durchhaltevermögen. Eigenschaften, die erfahrungsgemäß nicht jeder
Betroffene mitbringt.
Auch pharmakologische Interventionsmöglichkeiten stoßen schnell an ihre Grenzen. Sie
begegnen eher den Symptomen der Alkoholabhängigkeit (z.B. Erleichterung des Entzuges,
Reduktion des Verlangens, Rückfall-Prophylaxe) als ihren eigentlichen Ursachen.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass in der Regel keine der erwähnten
Interventionsmöglichkeiten die Alkoholkrankheit tatsächlich zu heilen vermag. Vermutlich
deswegen entspricht es immer noch der vorherrschenden Lehrmeinung, dass eine Heilung
der „Alkoholkrankheit“ ohnehin nicht möglich sei - von schlecht dokumentierten Einzelfällen
einmal abgesehen. Die Abstinenztherapie bringt das Fortschreiten der Krankheit zwar effektiv
zum Stillstand (d.h. den körperlichen Verfall), heilt diese aber nicht. Nur die wenigsten schaffen
es, mit einem „geschärften Bewusstsein“ gegenüber ihrer Erkrankung im Anschluss an die
Therapie ein abstinentes Leben zu führen. Reduktionstherapien sind leichter zugänglich und
haben das Potential bei entsprechend motivierten Betroffenen den Schaden deutlich zu
begrenzen, führen aber in der Regel auch nicht zur Heilung - „mit der Erkrankung leben“ ist
hier das Ziel.
Drei Statt Dry
Einem anderen Prinzip folgt der in dieser Studie erstmalig erprobte Ansatz „Drei Statt Dry“
(Stein, 2014, 2016), der sowohl ein neuartiges Erklärungsmodell für die Entstehung der
Alkoholsucht beinhaltet als auch für eine neuartige Interventionsstrategie steht: Das Prinzip
der Autoregulation. Die etablierten Verfahren haben alle die Eigenschaft gemeinsam, dass die
Veränderung/Reduktion des Alkoholkonsums, die während der Therapie praktiziert wird, nicht
über die körpereigene Selbstregulation, sondern über die Einhaltung von externen Vorgaben
bzw. durch externe Umstände erreicht wird. Das heißt, die Einhaltung wird entweder über die
kognitive Einsicht der Betroffenen in diese Vorgaben, über externe Kontrolle dieser Vorgaben
(z.B. durch Klinikpersonal) oder aber über die äußeren Umstände erreicht (z.B. kein Zugang
zu Alkohol). Wenn man sich jedoch am Trinkverhalten Nicht-Betroffener orientiert, stellt man
fest, dass diese ihr Trinkverhalten in der Regel intuitiv, d.h. aus dem Körpergefühl heraus
steuern. Nicht-Betroffene folgen dabei zumeist keinen starren Regeln. Der „Drei Statt Dry“-
Ansatz (im Folgenden kurz „DSD“ genannt) stellt die Hypothese auf: „Selbstregulation kann
nur dann wiedererlernt werden, wenn auch selbst reguliert werden darf.“ Im Unterschied zu
anderen Verfahren wird die Alkoholabhängigkeit hier nicht als unheilbare Krankheit
angesehen, sondern als eine erworbene Störung der Selbstregulation, die dadurch ausgelöst
wurde, dass der Betroffene (aus welchen Gründen auch immer) für einen längeren Zeitraum,
zu oft zu viel Alkohol getrunken hat. DSD sieht diesen Prozess jedoch als reversibel an.
Die Lösung besteht dabei nicht darin die Trinkmengen des Betroffenen zu begrenzen – im
Gegenteil: Dies sind eher die Umstände, die zur Erhaltung der Abhängigkeit beitragen. Die
Wiederherstellung der körpereigenen Selbstregulation erfordert einen erlaubten „Lernbereich“,
die Trinkmenge muss daher nach wie vor selbstbestimmt und frei regulierbar sein. Dies wird
bei DSD durch eine prozentuale Obergrenze erreicht, die von den Betroffenen eingehalten
werden muss. Diese Obergrenze liegt bei gesunden Männern typischerweise bei 3%, bei
Frauen tendenziell eher bei 2 bis 2,5%. Generell müssen Geschlecht, Körpergewicht, Ethnie
und eventuelle Vorerkrankungen bei der Wahl der prozentualen Obergrenze berücksichtigt
werden. Diese Obergrenze kann temporär auch höher (d.h. im Bereich. 4-6%) gewählt werden,
um den Einstieg aus sehr schweren oder sehr langwährenden Alkoholabhängigkeiten zu
erleichtern. Nach einigen Wochen sollte jedoch auch in diesen Fällen auf niedrigprozentige
Höchstgrenzen (<= 3%) umgestellt werden. Die Betroffenen können ihre Getränke dabei
entweder selber mischen, oder auf fertige Mixgetränke zurückgreifen (z.B. sogenanntes
„Radler“, „Alsterwasser“, „Diesel“, Sekt- oder Wein-Mixgetränke), oder auch Leichtbier bzw.
verschiedene Cidre/Cider-Arten, deren Alkoholgehalte natürlicherweise im niedrigprozentigen
Bereich liegen.
Die beabsichtigte Wirkung dieser Prozentbeschränkung ist, dass das Erreichen eines
Rauschzustands erheblich erschwert wird, da die Betroffenen gegen ein anwachsendes
Völlegefühl trinken müssen. Hierdurch wird die Zufuhrgeschwindigkeit des Alkohols erheblich
reduziert und der Rauscheintritt verlangsamt. Schon innerhalb weniger Wochen verringert sich
in der Praxis die tägliche Alkoholzufuhr auf einen Bruchteil des Ausgangswertes, ohne dass
die Bertoffenen hierbei irgendwelche Mengenvorgaben einhalten müssen. Die Trinkreduktion
erfolgt autoregulativ, d.h. aus dem intuitiven Körpergefühl heraus. Zudem sind der
Entzugsstress und der emotionale Druck, die auf dem Betroffenen lasten, weit erträglicher, da
noch beliebig viel Alkohol getrunken werden darf, solange dieser der festgelegten
Prozentgrenze entspricht. Folgende therapeutisch wirksame Effekte werden dabei erzielt:
Erhöhung des Wasser/Alkohol-Verhältnisses der Getränke und somit der zugeführten
Flüssigkeitsmenge führen zur sofortigen Entlastung des Organismus
Langsamerer Rauscheintritt, seltenere und weniger intensive Rauschzustände
Kein „Erfüllungszwang“ im Sinne von starren Tages- oder Wochenzielen
Geringere Stigmatisierung, da in Gesellschaft „mitgetrunken“ werden darf
Kurzfristig: Deutliche Verringerung der konsumierten Alkoholmenge bereits nach
wenigen Wochen
Langfristig: „Resensibilisierung“ der Körperwahrnehmung für den Rauscheintritt ->
Wiederherstellung der Regulationsfähigkeit
Das Rauscheintrittspunkt-Modell
Der letzte der erwähnten Punkte, die langfristige Wirkung von DSD, beruht auf einem zur
Interventionsmethode gehörigen Erklärungsmodell zur Alkoholsucht, dem sog.
„Rauscheintrittpunkt-Modell“. Dieses soll im Folgenden erläutert werden. Einleitend müssen
dazu kurz die sechs Kriterien der WHO (gemäß ICD-10) für Alkoholabhängigkeit vorgestellt
werden, da einige der Kriterien bedeutsam für das Modell sind:
Vorliegen eines starken Verlangens nach Alkohol (sog. „Craving“)
Kontrollverlust über die Menge
Entzugserscheinungen bei Stopp der Zufuhr
Aufbau einer Alkoholtoleranz (es werden immer größere Mengen benötigt)
Einengung des Denkens (Alkohol beherrscht den Lebensalltag)
Konsum trotz sozialer oder gesundheitlicher Folgeschäden
Das Modell beruht auf dem sogenannten „Rauscheintrittspunkt“, der, so die Hypothese, in der
Körperwahrnehmung eines gesunden Menschen existiert. Dieser Rauscheintrittpunkt (kurz
„REP“) beschreibt bei kontinuierlichem Alkoholkonsum den Bereich des Übergangs von der
Kontrolle zum Kontrollverlust, d.h. den Eintritt in den Rausch. Diese sehr individuelle Schwelle
entspricht einer bestimmten Blutalkoholkonzentration, die u.a. von Alter, Geschlecht, Ethnie,
Tagesform, der Vorgeschichte und vielen anderen Faktoren abhängig ist und bei dessen
Überschreitung das Rauschgefühl plötzlich überproportional stark zunimmt. Wird dieser Punkt
überschritten, gerät ein Mensch in einen Alkoholrausch, in dem sich seine Wahrnehmung und
sein Maß an Kontrolle über das eigene Verhalten erheblich einschränken. Nicht-Betroffene
bezeichnen diesen Punkt häufig als den Augenblick, in dem sie merken, dass es jetzt besser
wäre aufzuhören, wenn sie nicht betrunken werden wollen. Rausch ist im Allgemeinen
gekennzeichnet von Euphorie-Gefühl, sowie der Herabsetzung von Hemmschwellen, Ängsten
oder Schmerzempfinden. Es kommt allgemein zu Veränderungen der Wahrnehmung und
ihren Reaktionen darauf. Demnach überrascht es kaum, dass im Rausch die Selbstregulation
gestört zu sein scheint und Kontrollverluste auftreten. Interessant ist in diesem
Zusammenhang, dass dies offenbar für Betroffene wie für Nicht-Betroffene gleichermaßen gilt.
Auch Nicht-Betroffene geraten nach Überschreiten des Rauscheintrittpunktes in
Kontrollverluste. Letzterer ist somit kein exklusives Merkmal alkoholkranker Menschen. Der
Unterschied liegt vielmehr allein darin, wie häufig der Rauscheintrittspunkt überschritten wird
und wie häufig infolgedessen Kontrollverluste überhaupt auftreten können. Für Betroffene ist
die Überschreitung des Punktes der Regelfall, während sie bei Nicht-Betroffenen eher die
Ausnahme darstellt.
Abbildung1: Typischer Umgang Betroffener mit dem Rauscheintrittspunkt (REP)
Die Ursache für diesen Unterschied, so die Hypothese, liegt in der Wahrnehmung des
erwähnten Punktes, die bei Nicht-Betroffenen in aller Regel vorhanden ist, während sie beim
Betroffenen im Verlaufe der Monate oder Jahre des übermäßigen Trinkens verlernt bzw.
dissoziiert wurde. Betroffene haben in der Regel keine bzw. keine gute Wahrnehmung mehr
für diesen Bereich des Rauscheintritts. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass
Betroffene in der Regel die ersten alkoholischen Getränke des Tages „Craving“-bedingt sehr
schnell zu sich nehmen. Bildlich gesprochen, „katapultieren“ sie sich damit regelrecht hinter
den Rauscheintrittspunkt und somit in den Bereich des Kontrollverlustes.
Ähnlich wie beim Phänomen der Essstörungen, bei denen z.B. die Wahrnehmung des
Hungergefühls oder des Sättigungsgefühls übergangen und dissoziiert wird, geht bei
längerfristigem Alkoholmissbrauch die Wahrnehmung des Rauscheintrittspunktes verloren.
Die Betroffenen „gleiten“ gewissermaßen übergangslos in den Rausch, selbst wenn sie
langsam trinken. Nicht-Betroffene beschreiben den Rauscheintrittspunkt in unterschiedlicher
Weise, mal als leichtes Schwindelgefühl, mal als Kopfdrücken, mal als Müdigkeit oder einfach
nur als leichtes Unwohlsein. Dieses genügt jedoch, um den Alkoholkonsum zu verlangsamen
bzw. für diesen Tag gänzlich einzustellen. Hierauf beruht die erfolgreiche Selbstregulation der
Nicht-Betroffenen. Durch konsequente Anwendung der Drei Statt Dry© - Methode wird das
regelmäßige „Überspringen“ des Rauscheintrittspunktes effektiv verhindert (Stein, 2014,
2016). Wenn überhaupt, wird er vom Betroffenen nur sehr langsam überschritten. Dadurch
erhält dieser Bereich im Verlaufe der Wochen und Monate einen stark erhöhten
Wahrnehmungsfokus. Im Zusammenwirken mit der autoregulativen Entwöhnung von großen
Alkoholmengen kehrt das Körpergefühl für diesen Bereich stetig wieder zurück und das
vielzitierte „Suchtgedächtnis“ wird neu konditioniert. Es schleichen mit der Zeit quasi
„unerwartet“ abstinente Tage ein, die mit den Monaten immer häufiger werden. Ein sicheres
Anzeichen für einen Heilungsprozess. Im Idealfall spürt ein Betroffener nach 6-12 Monaten
Anwendung der Methode wieder den Rauscheintrittspunkt (die Zeit variiert individuell und ist
z.B. abhängig von der Dauer des Bestehens der Alkoholsucht sowie der Höhe der zuvor
konsumierten Mengen). Wenn der Rauscheintrittspunkt wieder deutlich wahrgenommen wird
und freiwillig abstinente Tage tendenziell wieder den Regelfall darstellen, kann der Betroffene
tatsächlich frei entscheiden, ob er weiter nach der Methode trinken möchte, abstinent leben
oder zu einem „normal-gemäßigten“ Alkoholkonsum ohne Prozentbeschränkung
zurückkehren möchte. DSD ist hierbei vollkommen zieloffen. Dennoch wird empfohlen, auf den
Verzehr von Spirituosen endgültig zu verzichten, da hier zu wenig „Regulationsbandbreite“
existiert und das Risiko hoch ist, ungewollt den Rauscheintritts zu überschreiten (was
getrunken ist, ist getrunken).
Gemäß dem Modell ist es eine weitere Eigenschaft des Rauscheintrittspunktes, dass dieser
im Verlaufe der Alkoholsucht immer weiter in Richtung höherer Blutalkoholkonzentrationen
driftet, da der Stoffwechsel reagiert und den Alkohol schneller abzubauen lernt. Ein Effekt, der
als eine sich aufbauende Alkoholtoleranz interpretierbar ist. Hohe Alkoholtoleranz führt
übrigens bei einigen Betroffenen zur Strategie des sogenannten „Pegeltrinkens“: Das
Erreichen des Rauschzustandes ist bereits so aufwändig, dass durch stetiges „Nachtrinken“
versucht wird, möglichst lang darin zu verbleiben. Die konsequente Anwendung der DSD -
Methode bewirkt einen sukzessiven Abbau der hohen Alkoholtoleranz beim Betroffenen und
somit eine Verschiebung des Rauscheintrittspunktes zurück zu niedrigeren
Blutalkoholkonzentrationen.
Eventuelle Rückfälle, die im Sinne einer Prozentüberschreitung bei DSD durchaus auch
auftreten, wirken sich in der Praxis weit weniger bedrohlich aus, als z.B. Rückfälle aus der
Abstinenz. Rückfälle aus der Abstinenz führen in kürzester Zeit wieder zum alten
Trinkverhalten und den alten Trinkmengen, da sich das Suchtgedächtnis während der
Abstinenzzeit nicht wesentlich verändert hat. Rückfälle innerhalb von DSD stellen hingegen
nur einen kleinen Rückschritt dar, da sich das Suchtgedächtnis mit der Dauer der
Anwendung von DSD bereits sukzessive verändert hat. Wird die Methode nach dem Rückfall
einfach fortgesetzt, ist nichts verloren. Rückfälle werden in der Terminologie von DSD daher
abgemildert als „Rückblicke“ bezeichnet.
Das Rauscheintrittspunkt-Modell vermittelt den Betroffenen ein tiefes Verständnis über die
Entstehung ihrer eigenen Alkoholsucht und bietet im Alltag immer wieder Orientierung im
Umgang mit Alkohol. Es leistet einen wichtigen Beitrag zur Vorbeugung gegeneine erneute
Alkoholabhängigkeit und ist somit ein integraler Bestandteil von DSD.
Fragestellungen und Hypothesen
Das Ziel dieser Arbeit stellt zum einen die erstmalige Untersuchung der Wirksamkeit des
Therapiekonzeptes Drei Statt Dry© dar (Stein, 2014, 2016). Darüber hinaus sollen
Risikofaktoren und Personenmerkmale exploriert werden, welche den Therapieerfolg
beeinflussen könnten. Aus dieser generellen Zielstellung der Untersuchung lassen sich
folgende spezielle Fragestellungen und Hypothesen ableiten:
Fragestellung 1:
Hat die Therapiemethode „Drei Statt Dry“ © nach Stein (2014, 2016) einen Effekt auf das
Trinkverhalten der Betroffenen?
Hypothese 1:
H0: Die Therapiemethode „Drei Statt Dry“ © hat keinen Einfluss auf den Alkoholkonsums der
Betroffenen über sieben Wochen.
H0: µ1 = µ2 = … = µ7
H1: Die Therapiemethode „Drei Statt Dry“ © hat einen Einfluss auf den Alkoholkonsums der
Betroffenen über sieben Wochen.
H1: µ1 ≠ µ2 ≠ … ≠ µ7
Fragestellung 2 zu relevanten Personen- bzw. Störungsvariablen:
Hängt der Effekt der Therapiemethode „Drei Statt Dry“ © von verschiedenen Personen- bzw.
Störungsmerkmale ab?
Hypothese 2.1:
H0: Das Alter der Betroffenen hat keinen Einfluss auf den Effekt der Therapie über sieben
Wochen.
H0: µ1 = µ2 = … = µ7
H1: Das Alter der Betroffenen hat einen Einfluss auf den Effekt der Therapie über sieben
Wochen.
H1: µ1 ≠ µ2 ≠ … ≠ µ7
Hypothese 2.2:
H0: Das Geschlecht der Betroffenen hat keinen Einfluss auf den Effekt der Therapie über
sieben Wochen.
H0: µ1 = µ2 = … = µ7
H1: Das Geschlecht der Betroffenen hat einen Einfluss auf den Effekt der Therapie über sieben
Wochen.
H1: µ1 ≠ µ2 ≠ … ≠ µ7
Hypothese 2.3:
H0: Das Bildungsniveau der Betroffenen hat einen Einfluss auf den Effekt der Therapie über
sieben Wochen.
H0: µ1 = µ2 = … = µ7
H1: Das Bildungsniveau der Betroffenen hat keinen Einfluss auf den Effekt der Therapie über
sieben Wochen.
H1: µ1 ≠ µ2 ≠ … ≠ µ7
Hypothese 2.4:
H0: Die Höhe der erfassten Neurotizismuswerte der Betroffenen hat keinen Einfluss auf den
Effekt der Therapie über sieben Wochen.
H0: µ1 = µ2 = … = µ7
H1: Die Höhe der erfassten Neurotizismuswerte der Betroffenen hat einen Einfluss auf den
Effekt der Therapie über sieben Wochen.
H1: µ1 ≠ µ2 ≠ … ≠ µ7
Hypothese 2.5:
H0: Der Schweregrad der Alkoholabhängigkeit, gemessen an aktuellen komorbid auftretenden
Erkrankungen, hat keinen Einfluss auf den Therapieerfolg über sieben Wochen.
H0: µ1 = µ2 = … = µ7
H1: Der Schweregrad der Alkoholabhängigkeit, gemessen an aktuellen komorbid auftretenden
Erkrankungen, hat einen Einfluss auf den Therapieerfolg über sieben Wochen.
H1: µ1 ≠ µ2 ≠ … ≠ µ7
Hypothese 2.6
H0: Der Schweregrad der Alkoholabhängigkeit, gemessen an der zusätzlichen Abhängigkeit
nach Nikotin, hat keinen Einfluss auf den Therapieerfolg über sieben Wochen.
H0: µ1 = µ2 = … = µ7
H1: Der Schweregrad der Alkoholabhängigkeit, gemessen an der zusätzlichen Abhängigkeit
nach Nikotin, hat einen Einfluss auf den Therapieerfolg über sieben Wochen.
H1: µ1 ≠ µ2 ≠ … ≠ µ7
Hypothese 2.7
H0: Der Schweregrad der Abhängigkeit, gemessen an der selbsteingeschätzten Dauer der
Abhängigkeit, hat keinen Einfluss auf den Effekt der Therapiemethode über sieben Wochen.
H0: µ1 = µ2 = … = µ7
H1: Der Schweregrad der Abhängigkeit, gemessen an der selbsteingeschätzten Dauer der
Abhängigkeit, hat einen Einfluss auf den Effekt der Therapiemethode über sieben Wochen.
H1: µ1 ≠ µ2 ≠ … ≠ µ7
Methodik der Untersuchung
Studiendesign und Untersuchungsablauf
Zur Erfassung der demographischen Merkmale, des Schweregrads der Alkoholabhängigkeit
und der Neurotizismuswerte bearbeiteten die Betroffenen vor der Intervention einen
Fragebogen zu diversen relevanten Merkmalen des Verlaufs und aktuellen Status der
Alkoholerkrankung sowie zu verschiedenen Personenmerkmalen (siehe Abschnitt
Messinstrumente/ Fragebogen). Im Anschluss nahmen die Betroffenen an dem Intensiv –
Workshop unter Anleitung des Therapeuten Alexander Nowarra teil. Nach Beendigung des
Intensiv-Workshops dokumentierten die Betroffenen über sieben Wochen hinweg, mithilfe
standardisierter Trinkprotokolle, ihren individuellen Alkoholkonsum.
Der therapeutische Rahmen
Da bei Alkoholabhängigkeit nicht nur eine starke körperliche, sondern immer auch eine
psychische Abhängigkeit vorliegt, wurde DSD in der vorliegenden Pilotstudie in ein
systemisch-intensivtherapeutisches Konzept integriert. Ein therapeutischer Rahmen ist sehr
wichtig, da ein Ansatz wie DSD zunächst motiviert und angeleitet werden muss, damit die
Betroffenen diesen überhaupt verstehen und für sich annehmen. Zusätzlich müssen die für
den jeweiligen Betroffenen typischen, trink-auslösenden Situationen therapeutisch bearbeitet
und systemisch unwirksam gemacht werden. Hierbei werden die Betroffenen einer 3-4 tägigen
Intensivtherapie unterzogen, an der in der Regel der jeweilige Lebenspartner oder eine andere
enge Bezugsperson teilnimmt. Hieraus erwächst eine Vielzahl von Vorteilen für den
therapeutischen Prozess. Zum einen erhält der Betroffene Unterstützung für die Umsetzung
der Therapieziele im privaten Umfeld, zum anderen sind sowohl die Eigen- als auch die
Fremdwahrnehmung des abhängigen Verhaltens und deren Spezifika zugänglich. Oftmals ist
es auch die Beziehungsdynamik an sich, die starken Einfluss auf das Trinkverhalten hat.
Besonders charakteristisch für diese Therapieform sind die enorme Problemfokussierung, die
hohe Sitzungsdichte und der extrem hohe Grad an Individualisierung. Das systemische
Vorgehen beinhaltete vorwiegend ressourcen- und lösungsorientierte Strategien, aber auch
konstruktivistische Ansätze. In der vorliegenden Pilotstudie sind alle Probanden innerhalb
dieses Therapierahmens behandelt worden.
Messinstrumente
Zur Untersuchung der Fragestellungen wurden von den Betroffenen vor der Intervention ein
Fragebogen sowie im Anschluss an die Intervention wöchentlich Trinkprotokolle bearbeitet.
Abhängige Variable (Innersubjektvariable)
Als Maß für die Wirksamkeit der Therapie wurde in dieser Untersuchung der
Therapiefortschritt, gemessen an der individuellen Trinkmengenreduktion, erhoben. Dieser
wurde mittels standardisierter Trinkprotokolle, wie sie auch zu Dokumentationszwecken in der
systematischen Trinkreduktion eingesetzt werden, erfasst (Körkel, 2008).
Unabhängige Variablen (Zwischensubjektfaktor)
Darüber hinaus wurden durch einen selbstkonstruierten Fragebogen demographische
Merkmale, der Schweregrad der Abhängigkeit und ausgewählte Persönlichkeitsmerkmale der
Betroffenen erfasst.
Es sei an dieser Stelle gesagt, dass der Fragebogen breiter angelegt und als Basis für weitere
Untersuchungen konzipiert wurde. Die Items des Fragebogens setzten sich teils aus nicht
validierter selbstentwickelten Fragen und teils validierten Items bestehender Fragebögen wie
dem NEO-FFIs (Borkenau & Ostendorf, 1993) zusammen. Der Fragebogen besteht insgesamt
aus 70 Items von den in der vorliegenden Arbeit 10 Items untersucht wurden.
Fragebogen
Im folgenden Abschnitt sollen nun die hier verwendeten Items des Fragebogens vorgestellt
werden.
Fragebogenitems zur Demographie:
Mit den Fragen eins, zwei und vier des Fragebogens wurden die demographische Merkmale
Alter, Geschlecht und Bildungsniveau erhoben. Um ein einheitliches Antwortverhalten der
Betroffenen, insbesondere in Bezug auf den höchsten Bildungsabschluss, zu gewährleisten
und damit einhergehend die Objektivität dieser Studie zu erhöhen, wurden den Betroffenen
jeweils sechs Antwortkategorien vorgegeben. Auch für das Alter wurden vorab Altersgruppen
von „unter 18 Jahren“ bis „über 60 Jahren“ in 10 Jahresschritten gebildet, aus denen die
passende Kategorie auszuwählen war.
Fragebogenitems zum Schweregrad der Abhängigkeit:
In Anlehnung an Thüte (2017) wurde ebenfalls die Schwere der Abhängigkeit als potentieller
Risikofaktor untersucht. Laut Thüte (2017) sind sowohl die Dauer der Abhängigkeit
(Chronifizierung), als auch die Anzahl weiterer komorbider Störungen und Folgeerkrankungen
wichtige Parameter für den Schweregrad der Abhängigkeit. Die Chronifizierung wird durch
Item 14 des Fragebogens mittels der selbsteingeschätzten Dauer der Abhängigkeit in Jahren
erhoben. Das siebte Item erfasst den Schweregrad der Abhängigkeit, gemessen anhand der
Anzahl der komorbid auftretenden Erkrankungen, welche im Zusammenhang mit der
Alkoholabhängigkeit stehen könnten. Da es eine Vielzahl an potentiellen Folgeerkrankungen
gibt, werden den Betroffenen bei diesem Fragebogen acht typische Krankheitsbilder
vorgegeben. Darüber hinaus haben die Betroffenen die Möglichkeit, weitere Erkrankungen
handschriftlich zu ergänzen. Das Item 15 des Fragebogens erfasst, ob die Betroffenen
Raucher oder nicht-Raucher sind. Ferner hatten die Betroffenen die Möglichkeit, anhand
vorgegebener Kategorien die Anzahl der täglich konsumierten Zigaretten anzugeben. Da sich
die Stichprobe zur einen Hälfte aus Rauchern und zur anderen Hälfte aus Nicht-Rauchern
zusammensetzt, wurde diese zusätzliche Information in der Auswertung des Fragebogens
nicht berücksichtigt.
Fragebogenitems zu den Persönlichkeitsmerkmalen:
Bereits sehr gut untersucht ist das Persönlichkeitsmerkmal „Gewissenhaftigkeit“. Für dieses
konnten Hampson (2006) mit seinen Kollegen nachweisen, dass Betroffene mit hoher
Gewissenhaftigkeit erfolgreicher zu therapieren sind. Weniger gut untersucht ist hingegen das
Persönlichkeitsmerkmal „Neurotizismus“. Neurotische Betroffene nutzen Alkoholkonsum als
Copingstrategie, um negative Emotionen zu bewältigen und um positive Gefühle zu
intensivieren (Cooper, 1994). In Hinblick darauf, dass neurotische Menschen häufig negative
Emotionen verspüren, kann sich Neurotizismus ebenfalls als Störvariable für den
Therapieerfolg herausstellen. Dieser Fragebogen erfasst Neurotizismus anhand vier
ausgewählter Items (Item 33 bis 36) des NEO - FFI (Borkenau & Ostendorf, 1993). Die
Betroffenen beantworteten die Items auf einer fünfstufige Likert Skala, auf der die Person ihre
Zustimmung oder Ablehnung ausdrücken können. Typischerweise entsprechen im NEO – FFI
zwölf Items dem Persönlichkeitsmerkmal Neurotizismus. Die Reduktion der Items ist
zugunsten der Ökonomie und zu Lasten der Reliabilität/ Validität gewählt worden. Es sei an
der Stelle darauf hinzuweisen, dass bereits Kurzversionen vom NEO-FFI mit teilweise nur zwei
Items pro Merkmal (insgesamt 10 Items), wie dem BFI-10 ausreichen, um
Persönlichkeitsmerkmale wie Neurotizismus zuverlässig zu erfassen (Rammstedt, 2012).
Stichprobenbeschreibung
Die Fragebogenerhebung ergab ordinal- oder nominalskalierte Daten. Die Daten der
Trinkprotokolle hingegen sind intervallskaliert. Durch die unterschiedlichen Skalenniveaus ist
die Berechnung einheitlicher Mittelwerte sowie Standabweichungen nicht sinnvoll. Daher
werden die vorliegenden nominalskalierten Merkmale durch den Modus und die Spannweite,
die ordinalskalierten Merkmale zusätzlich durch den Median und intervallskalierte Merkmale
zusätzlich durch das arithmetische Mittel (M), Standardabweichung (SD) und den
Standardfehler des Mittelwertes (SEM) beschrieben.
Tab. 1: Deskriptive Statistik der Pilotstichprobe
Teilnehmerakquise
Die Basis für die empirische Untersuchung bildet eine Stichprobe von 14 freiwillig
teilnehmenden Betroffenen, welche über eine Onlineanzeige auf die Studie aufmerksam
wurden. Die Betroffenen wurden im Vorfeld der Teilnahme aufgeklärt, dass neben der
Therapie über Fragebögen und Trinkprotokolle Daten erfasst werden und diese für
wissenschaftliche Zwecke eingesetzt werden. Neben ausführlicher Informationen hatten die
Betroffenen Gelegenheit, Fragen zum Vorhaben und den erhobenen Daten zu stellen.
Demographische Merkmale der Teilnehmer
An der Untersuchung nahmen insgesamt 5 weibliche und 9 männliche Betroffene teil. Die
Betroffenen in dieser Stichprobe befinden sich alle im berufsfähigen Alter, wobei der Modus
zwischen 50 und 59 Jahren und die Spannweite zwischen unter 18 Jahren und über 60 Jahren
liegen. Auffällig bei dieser Stichprobe ist das überdurchschnittlich hohe Bildungsniveau. 60 %
der Betroffenen haben ein Studium an einer Fach– oder Hochschule absolviert. Nur ein
Betroffener hat keinen Schulabschluss (Abb.3) erreicht.
Alter Geschlecht
Schul-
abschluss
Folge-
krankheiten
NEO-FFI
1. Item (N)
NEO-FFI
2. Item (N)
NEO-FFI
3. Item (N)
NEO-FFI
4. Item (N)
Dauer der
Abhängig-
keit
Raucher
Gültig 14 14 14 14 14 14 14 14 14 14
Fehlend 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
1,50 2,14 3,00 3,86 4,14
,310 ,294 ,419 ,345 ,329
1,160 1,099 1,569 1,292 1,231
1,50 2,00 3,00 4,00 4,50
4 1 6 2 1 1 4 5 3 1 & 2
40 - 49 Männlich FH & HS 2 1 1 4 5 5-9 Jahre
2 1 1 0 1 1 1 1 1 1
6 2 6 4 4 5 5 5 6 2
Modalwert
Minimum
Maximum
* Die Itemnum merierun g des NEO-FFIs bezieht sich auf die Reih enfolge in dem bei gefügten Fragebogen. Es ha ndelt sich um di e Items 33-36.
Bedeutung Modalwert
Deskriptive Statistik der Pilotstichprobe
N
Mittelwert
Standardfehler
Median
Standardabweichung
Abbildung 2: Häufigkeitsverteilung der Schulabschlüsse und des Alters
Schweregrad der Alkoholabhängigkeit
Durchschnittlich schätzten die Betroffenen die Dauer ihre Abhängigkeit auf 5 und 9 Jahren. In
dieser Stichprobe zeigt sich ein signifikanter Geschlechterunterschied in Bezug auf dieses
Merkmal. Die männlichen Betroffenen gaben eine durchschnittliche Dauer von 5 bis 9 Jahren,
wohingegen Frauen die Dauer ihrer Abhängigkeit auf 1 bis 4 Jahren schätzten. Es ist
hinlänglich bekannt, dass die Alkoholabhängigkeit häufig komorbid auftritt (Kushner et al.,
1996). Dies bestätigt sich auch in dieser Stichprobe. Durchschnittlich geben die Betroffenen
neben der Alkoholabhängigkeit ein bis zwei (M = 1.5, SD = 1.16) weitere Störungen an. Auch
in diesem Merkmal unterscheiden sich Männer signifikant von Frauen. Männer haben in dieser
Stichprobe durchschnittlich 1.89 (SD = 1.17) zusätzliche Störungen, wohingegen Frauen nur
von 0.8 (SD = 0.84) Erkrankungen berichten. Dazu gab die Hälfte der Betroffenen an, Raucher
zu sein.
Abbildung 3: Häufigkeitsverteilung weitere Erkrankungen (links) und Dauer der Abhängigkeit
(rechts)
Neurotizismus
Die Betroffenen in dieser Stichprobe erzielen auf einer fünfstufigen Likertskala einen
durchschnittlichen Neurotizismuswert von 3.13 Punkten (SD = 0.87). In diesem Merkmal gibt
es keinen signifikanten Unterschied zwischen Frauen und Männern. Der Vergleich dieser
Werte mit Normwerten ist durch die Verkürzung des Fragebogens nicht zulässig.
Abbildung 4: Neurotizismus: Häufigkeitsverteilung (links) und Itemstreuung (rechts)
Strategie der Datenauswertung
Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine Längsschnittstudie mit sieben
Messwiederholungen. Auf dieser Grundlagewurde eine repeated-measures (split-plot)
analysis of variance (ANOVA) verwendet. Aufgrund des geringen Stichprobenumfangs wurde
auf den Vergleich mit einer Kontrollgruppe verzichtet. Stellvertretend wurden Merkmale
innerhalb der Therapiestichprobe differenziert und verglichen. Um Interaktionen zwischen
Therapiemethode und den unabhängigen Variablen zu untersuchen, wurde die Stichprobe in
möglichst gleichgroße Teilstichproben eingeteilt. Diese Einteilung geschah jeweils nach Höhe
der Merkmalsausprägung, sodass sich Teilstichproben mit niedrigen und mit hohen
Merkmalsausprägungen ergaben.
Zur Berechnung einer ANOVA müssen die folgenden zentralen Voraussetzungen erfüllt sein
(Kleinbaum, 2008):
Die abhängige Variable ist intervallskaliert,
Unabhängigkeit der Messungen,
Die unabhängige Variable ist unabhängig und nominalskaliert,
Die abhängige Variable ist normalverteilt innerhalb jedes Messzeitpunktes,
Es befinden sich keine Ausreißer in den Gruppen,
Homoskedastizität ist gegeben.
Die abhängige Variable wurden entsprechend den zentralen theoretischen Voraussetzungen
auf Normalverteilung mittels Kolmogorov-Smirnov-Test getestet (Anhang A.3). Die
Homoskedastizität wurde mittels Mauchly-Test geprüft. Die Irrtumswahrscheinlichkeit wurde
entsprechend gängiger Konventionen auf p ≤ 0.05 als signifikant und auf p ≤ 0.01 als
hochsignifikant festgelegt.
Ergebnisse der Hypothesentestung
Wie eingangs erwähnt, wurde eine ANOVA berechnet. Die Berechnung erfordert die
Einhaltungen verschiedener zentraler theoretischer Voraussetzungen. Diese wurden für alle
Hypothesen überprüft. Die Überprüfung der Varianzhomogenität ergab, dass keine Sphärizität
angenommen werden kann und dass „Greenhouse-Geisser“-Epsilon nicht grösser als .75 ist.
In Folge dessen wurden die Freiheitsgrade der Varianzanalyse entsprechend gängiger
Konventionen „Greenhouse-Geisser“ korrigiert (Girden, 1992). Im kommenden Abschnitt
werden den Hypothesen die passenden Befunde der Varianzanalyse zugeordnet.
Abbildung 5: Mauchly-Test auf Sphärizität
Abbildung 6: Test der Innersubjekteffekte
Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass in Anbetracht der kleinen Stichprobe (N = 14)
die Ergebnisse der Hypothesentestung vorläufigen Charakter tragen. Neben der
Signifikanzprüfung wird die korrigierte und standardisierte Effektstärke Eta2 angegeben. Diese
ist die konventionelle Einheit für die Effektstärke bei der Berechnung von ANOVAs. Sie dient
als Indikator für die Größe und die Richtung der Unterschiede bzw. der Zusammenhänge. Ein
zentraler Nachteil des partiellen Eta2 ist, dass es die aufgeklärte Varianz immer überschätzt
(Ellis, 2010). Die Verzerrung wird kleiner, je größer der Stichprobenumfang wird.
Mauchly-Test auf Sphärizitäta
Trinkmengenreduktion (mg) über sieben Messzeitpunkte (Wochen)
Innersubjekteffekt
Mauchly-W
Näherungsweise
Chi-Quadrat
df
Sig.
Epsilonb
Greenhouse-
Geisser
Huynh-Feldt (HF)
Untergrenze
Faktor1
,000
140,296
20
,000
,205
,215
,167
Testet die Nullhypothese, dass die Fehlerkovarianzmatrix der orthonormalisierten transformierten abhängigen Variablen proportional zu
einer Identitätsmatrix ist.
Hypothese 1 – Haupteffekt Therapie
Die erste Hypothese untersucht den Haupteffekt der Therapie, also in wieweit sich das
Konsumverhalten der Betroffenen im Verlauf der sieben Wochen verändert. Die
Nullhypothese besagt, dass die Therapiemethode Drei Statt Dry © zu keiner Veränderung
des Alkoholkonsums führt. Im vorliegenden Fall beträgt der F-Wert 25,726 (df = 1,229) und
der dazugehörige p-Wert 0.005. Somit kann die Nullhypothese zugunsten der
Alternativhypothese verworfen werden. Die Behandlung mit der Therapiemethode Drei statt
Dry © führt zu einer signifikanten Reduktion des Alkoholkonsums in dieser Stichprobe. Die
Effektstärke „partielles Eta2“ nach Ellis (2010) liegt bei 0.66 und entspricht einem starken
Effekt.
Abbildung 7: Trinkmengenreduktion alle Betroffenen (links) und durchschnittlicher
Alkoholkonsum (rechts) in mg.
Hypothese 2.1 – Einfluss des Lebensalters
Bei den weiteren Hypothesen werden mögliche Interaktionseffekte zwischen dem
Konsumverhalten und den beschriebenen Merkmalen untersucht.
In Hypothese 2.1 wurde der Einfluss des Alters der Betroffenen auf den Therapieerfolg
erhoben. Die Nullhypothese besagt, dass das Alter der Betroffenen keinen Einfluss auf den
Therapieerfolg hat. Die Berechnungen ergaben einen F-Wert von .538 (df = 1.212) und einen
dazu passenden P- Werte von 0.51. Auf Grundlage dieser Daten kann die Nullhypothese
nicht verworfen werden. Die Berechnung der Effektstärke ergab ein partielles Eta2 vom 0.04.
Dies entspricht einem kleinen Effekt dahingehend, das jüngere Betroffene in die Stichprobe
stärker ihren Alkoholkonsum reduzieren (Ellis, 2010).
Auffällig bei dieser Verteilung sind die relativ großen Zwischensubjekteffekte. Die
Berechnungen ergaben einen Eta2 von 0.61 welches einer großen Effektstärke (Ellis, 2010)
zwischen älteren und jüngeren Betroffenen entspricht. Dies bedeutet, dass obwohl jüngere
Betroffene stärker Ihren Alkoholkonsum reduzieren Sie dennoch erheblich größere Mengen
Alkohol zu sich nehmen.
Abbildung 8: Trinkmengenreduktion in mg aufgeteilt nach Alter
Hypothese 2.2 – Einfluss des Geschlechts
Hypothese 2.2 prüft den Einfluss des Geschlechts der Betroffenen auf den Therapieerfolg.
Die Nullhypothese besagt, dass das Geschlecht der Betroffenen keinen Einfluss auf den
Therapieerfolg habe. Der F- Wert liegt bei 1.28 (df = 1,21) und der dazu passende P-Wert
ergab 0.29. Somit wird die Nullhypothese beibehalten. Die Effektstärke „partielles Eta2“ nach
Ellis (2010) liegt bei 0.10 und entspricht einem mittleren Effekt dahingehend, dass Männer
stärker ihren Alkoholkonsum reduzieren als Frauen.
Abbildung 9: Trinkmengenreduktion in mg aufgeteilt nach Geschlecht
Hypothese 2.3 - Einfluss des Bildungsgrades
Die vierte Hypothese untersucht den Einfluss des Bildungsgrades der Betroffenen auf den
Therapieerfolg. Die Nullhypothese besagt, dass das Bildungsniveau, gemessen am höchsten
Schulabschluss, der Betroffenen keinen Einfluss auf den Therapieerfolg besitzt. Die
Berechnungen ergaben einen F-Wert von 0.56 (df = 1.15) und einen passenden P-Wert von
0,49. Somit wird die Nullhypothese beibehalten. Das partielles Eta2 beträgt 0.04. Dies
entspricht einer kleinen Effektstärke dahingehend, dass ein hoher Bildungsabschluss sich
negativ auf die Reduktion des Alkoholkonsums auswirkt (Ellis, 2010).
Abbildung 10: Trinkmengenreduktion in mg aufgeteilt nach Schulabschluss
Hypothese 2.4 - Einfluss von Neurotizismus/ emotionale Stabilität
In Hypothese 2.4 wird der Einfluss von Neurotizismus auf den Therapieerfolg geprüft. Die
Nullhypothese besagt, dass die Höhe der Neurotizismuswerte der Betroffenen keinen Einfluss
auf den Therapieerfolg besitzt. Die Berechnungen ergaben einen F- Wert von 0.56 (df = 1.15)
und einen P-Wert von 0.49. Die Effektstärke beträgt bei diesem Merkmal ein „partielles Eta2
von 0.04. Die entspricht einer kleinen Effektstärke dahingehend, dass Betroffene mit niedrigen
Neurotizismuswerten ihren Alkoholkonsum durch die DSD Intervention stärker reduzieren
(Ellis, 2010). Dieser P-Wert liegt allerdings über dem angenommen kritischen Wert, weshalb
die Nullhypothese bestand behält.
Abbildung 11: Trinkmengenreduktion in mg in Abhängigkeit vom Grad des Neurotizismus
Hypothese 2.5 – Einfluss Schwergrad der Alkoholabhängigkeit (Folgeerkrankungen)
In Hypothese 2.5 wurde der Schwergrad der Alkoholabhängigkeit gemessen an weiteren
Folgeerkrankungen untersucht. Die Nullhypothese besagt, dass die zusätzlich komorbid
auftretenden Erkrankungen keinen Einfluss auf den Therapieerfolg haben. Die Berechnungen
ergaben einen F-Wert von 0.226 (df = 1,213) und einem passenden P-Wert von 0,69. Dieser
P-Wert liegt über den angenommen kritischen Wert. Auf dieser Grundlage wird die
Nullhypothese beibehalten.
Abbildung 12: Trinkmengenreduktion in mg aufgeteilt nach weiteren Erkrankungen
Hypothese 2.6 - Einfluss einer zusätzlichen Nikotinabhängigkeit
In Hypothese 2.6 wird der Einfluss einer zusätzlichen Nikotinabhängigkeit auf den
Therapieerfolg untersucht. Die Nullhypothese besagt, dass die zusätzliche
Nikotinabhängigkeit keinen Einfluss auf den Therapierfolg hat. Die Berechnungen ergaben
einen F-Wert von 0.81 (df = 1) und einem P – Wert von 0.37. Das partielle Eta2 beträgt 0.07,
welches einer mittleren Effektstärke. Dies bedeutet das Raucher in Folge der DSD Intervention
ihren Alkoholkonsum stärker reduzieren, als Nichtraucher. Es handelt sich hierbei um einen
mittleren Effekt (Ellis, 2010). Der P-Wert liegt allerdings oberhalb des kritische Wertes, somit
wird die Nullhypothese beibehalten.
Abbildung 13: Trinkmengenreduktion in mg in Abhängigkeit vom Grad der Nikotinabhängigkeit
Hypothese 2.7 – Einfluss der Chronifizierung
Hypothese 2.7 untersucht einen weiteren Aspekt des Schwergrades der Abhängigkeit. Die
Nullhypothese besagt, dass voranschreitende Chronifizierung, gemessen an der Dauer der
Abhängigkeit keinen Einfluss auf den Therapieerfolg hat. Die Berechnungen ergaben einen F
-Wert von 0,05 (df =1.22) und einen dazu passenden P-Wert von 0.87. Dieser P-Wert liegt
über den angenommen kritischen Wert, weshalb die Nullhypothese beibehalten wird.
Abbildung 14: Trinkmengenreduktion in mg in Abhängigkeit von der Dauer der
Alkoholerkrankung der Betroffenen
Interpretation der Hypothesentestung
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich der Alkoholkonsum der teilnehmenden
Betroffenen an der DSD Therapie hoch signifikant reduziert hat. Der Therapieerfolg ist zudem
robust gegenüber den untersuchten Personenmerkmalen Alter, Geschlecht, Bildungsniveau
und Neurotizismus und den Störungsmerkmalen Dauer der Abhängigkeit, Anzahl komorbider
Erkrankungen und der zusätzlichen Abhängigkeit von Nikotin. Mögliche Merkmale, die den
Therapieerfolg beeinflussen, lassen sich auf Grundlage dieser Untersuchung lediglich anhand
der Effektstärken vermuten. Dieser Befund sollte aber in Folgeuntersuchungen erneut erhoben
und geprüft werden.
Limitation und Diskussion
Das Ziel dieser Untersuchung war es, einen ersten Wirksamkeitsnachweis für die
Therapiemethode DSD zu erstellen. Dabei wurde zusätzlich untersucht, ob es Personen- und
Störungsmerkmale gibt, welche den Therapieerfolg positiv oder negativ beeinflussen. Die
Ergebnisse dieser Studie können wegen verschiedener methodischer Defizite noch nicht
verallgemeinert werden. In erster Linie stellt diese Untersuchung eine empirische Grundlage
für weitere Forschung dar. Zum Verständnis der eingeschränkten Aussagekraft dieser
Befunde, werden im Folgenden einige der wesentlichen Limitationen dieser Untersuchung
erläutert.
Messzeitpunkte und Betrachtungszeitraum
Der Ausgangswert des Alkoholkonsums in dieser Studie entspricht der Folgewoche nach
Abschluss des Intensiv-Workshops. Dieser Wert entspricht sicherlich nicht der Konsummenge
vor der Therapie, da anzunehmen ist, dass zu diesem Zeitpunkt bereits eine Reduktion des
Alkoholkonsums stattgefunden hat und der Alkoholkonsum bereits nach Vorgaben der DSD
Methode erfolgt. Um eine Rückmeldung über den Effekt der Therapie zu erhalten, sollte in der
Eingangsdiagnostik ebenfalls der Alkoholkonsum vor der Therapie erfasst werden.
Wie in Abschnitt 5 (Wirksamkeit der Therapie) dargestellt, ist es eine gängige Konvention, die
Wirksamkeit der Alkoholabhängigkeit über einen Zeitraum von sechs, zwölf und 24 Monaten
zu untersuchen. Um eine Vergleichbarkeit mit diesen Untersuchungen herzustellen, sollte in
weiteren Studien der Erhebungszeitraum entsprechend erweitert werden.
Stichprobe und Setting
Neben dem geringen Stichprobenumfang ist auch der Umstand, dass die Untersuchung nur
durch einen Therapeuten betreut wurde, problematisch. Es ist vorstellbar, dass die
individuellen Fähigkeiten des Therapeuten den Therapierfolg zusätzlich oder im Extremfall
alleinig beeinflussen. Möglicherweise führt die Art der Probandenakquise zu einer weiteren
Verzerrung der Ergebnisse.
In dieser Studie wurden freiwillige Betroffene mittels einer Online Anzeige akquiriert. Es
handelt sich somit nicht um eine randomisierte Stichprobe, was wiederum das Risiko einer
systematischen Verzerrung birgt. Speziell in dieser Stichprobe ist anzunehmen, dass es sich
um Betroffene mit ausgeprägter Änderungsbereitschaft handelt.
Messinstrument
Mit Ausnahme der Items 33 bis 36 handelt es sich um nicht-validierte Items eines
selbstkonstruierten Fragebogens. Um zuverlässig die zugrundeliegenden Konstrukte mit
entsprechenden Konfidenzintervallen anzugeben, bedarf es einer Validierung dieses
Fragebogens.
Literatur:
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the interpretation of research results. Cambridge University Press, S.31-42.
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Hampson, S. E., Andrews, J. A., Barckley, M., Severson, H. H. (2006): Personality predictors
of the development of elementary school children's intentions to drink alcohol. The mediating
effects of attitudes and subjective norms. In: Psychology of Addictive Behaviors 20 (3), S. 288.
Hampson, S. E., Goldberg, L. R., Vogt, T. M., & Dubanoski, J. P. (2006). Forty years on:
Teachers’ assessments of childrens’ personality traits predict self-reported health behaviors
and outcomes at midlife. Health Psychology, 25, 57–64.
Körkel, Joachim (2008): Damit Alkohol nicht zur Sucht wird - kontrolliert trinken. 10 Schritte für
einen bewussteren Umgang mit Alkohol. Stuttgart: TRIAS.
Küfner, H., & Feuerlein, W. (2012). In - Patient Treatment for Alcoholism: A multicentre
evaluation study: Springer Science & Business Media.
Rammstedt, B., Kemper, C. J., Klein, M. C., Beierlein, C., & Kovaleva, A. (2012). Eine kurze
Skala zur Messung der fünf Dimensionen der Persönlichkeit: Big-Five-Inventory-10 (BFI-10).
Stein, R. (2014). Drei Statt Dry – Systemische Selbsthilfe für Alkoholiker. Systhema, 28, 193-
200.
Stein, R. (2016). Drei Statt Dry – Ein Systemisch orientiertes Verfahren zur Reduktion der
Alkoholabhängigkeit. Kontext, 47, 35-47.
Online-Quellen
Spiegel ONLINE (2012). Wie die Tröpfchen-Therapie Trinkern hilft. URL:
http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/alkoholentzug-kontrolliertes-trinken-ist-
besser-als-abstinenz-a-844209.html
BZgA (2013). "Alkohol? Kenn dein Limit." - Informationstour der BZgA zu Gast an der
Universität Kiel. URL: https://www.bzga.de/?sid=1016