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Eine mehrperspektivische Betrachtung aus Sicht
von Schüler*innen, Lehrkräften und Schulleitungen
weiterführender Schulen in Hessen
DIGITALE
GESUNDHEITS-
KOMPETENZ
VON JUGENDLICHEN
Hintergrund und Aufbau der Studie
Was verstehen wir unter digitaler
Gesundheitskompetenz?
Kinder und Jugendliche wachsen heutzutage in
einer Welt auf, die durch eine hohe Nutzung digi-
taler Medien geprägt ist. So greifen Jugendliche
häufig auch auf das Internet als Informations-
quelle zurück. Daher kann davon ausgegangen
werden, dass das Internet vielfach auch zur Be-
antwortung gesundheitsbezogener Fragestellun-
gen genutzt wird.
Mit zunehmender Verfügbarkeit und Nutzung
digitaler Medien steigt auch der Bedarf, digi-
tale Informationen zum Thema Gesundheit zu
finden, zu verstehen, kritisch zu reflektieren und
im eigenen Alltag anwenden zu können. Diese
Fähigkeit wird auch als digitale Gesundheitskom-
petenz bezeichnet.
Was wollten wir wissen?
Bislang wissen wir noch wenig darüber, wie hoch
die digitale Gesundheitskompetenz bei Heran-
wachsenden ausgeprägt ist und in welchem Aus-
maß die Schule dieses Thema aufgreift. Daher
sollen im Rahmen der Studie folgende Fragen
beantwortet werden:
• Welche Schwierigkeiten haben Schüler*in-
nen beim Finden, Verstehen, Beurteilen und
Anwenden von Gesundheitsinformationen in
digitaler Form?
• Über welche digitale Medienausstattung ver-
fügen Schulen in Hessen?
• Welche Erfahrungen haben Lehrkräfte der
befragten Schulen mit den Themenfeldern
Medien und Gesundheit im Rahmen ihres
beruflichen Alltags gesammelt?
• Welche Möglichkeiten und Herausforderun-
gen lassen sich aus den Ergebnissen dieser
Studie zur Förderung der digitalen Gesund-
heitskompetenzen an Schulen ableiten?
Wer nahm an der Studie teil?
Die Befragungen wurden an weiterführenden,
allgemeinbildenden Schulen im Kreis Fulda, in
Wiesbaden sowie den jeweils angrenzenden
Landkreisen durchgeführt. Teilnehmen konnten
alle weiterführenden Schulformen: Hauptschule,
Realschule, kooperative/integrierte
Gesamtschule und Gymnasium.
2 Schulen
aus dem
Landkreis
Fulda
1 Schule
aus dem
Vogelsberg-
kreis
4 Schulen
aus der Stadt
Fulda
3 Schulen
aus dem
Rheingau-
Taunus-Kreis 1 Schule aus dem
Main-Taunus-reis
2 Schulen
aus
Wiesbaden
Hintergrund und Aufbau der Studie
Auswahl der Schulen
Lehrkräfte
Interview
Zusammenführung der Ergebnisse
Diskussion der Ergebnisse mit der Fachpraxis, Empfehlungen ableiten
Schulleitungen
Fragebogen zu Struktur
und Rahmenbedingungen
Schülerinnen und Schüler
der 7. bis 9. Klasse
Schriftliche Fragebögen
13
911
497
Hintergrund und Aufbau der Studie
Wie sind wir vorgegangen?
→
Schriftliche und mündliche Rekrutierung
von Schulen
→
Insgesamt 13 Schulen, davon 3 Realschulen,
5 Gesamtschulen und 5 Gymnasien
→
Befragung von drei Zielgruppen
(Schüler*innen, Lehrkräfte, Schulleitungen)
→
Unter Einsatz von quantitativen Methoden
(Befragung) und qualitativen Methoden
(Interviews)
Stichprobenbeschreibung der Schüler*innen
Alter
Die Mehrzahl der befragten Schüler*innen sind
14 Jahre (41,8 %) oder 15 Jahre (32,2 %) alt.
Schulform
Annähernd 38 % der befragten Jugendlichen
besuchen ein Gymnasium, gefolgt von Gesamt-
schüler*innen mit 34,5 % und Realschüler*innen
mit 25 %.
Hintergrund und Aufbau der Studie
Geschlecht
Es besteht ein nahezu ausgeglichenes
Geschlechterverhältnis.
Klasse
Etwas mehr als die Hälfte der Schü-
ler*innen besucht die 9. Klassenstufe.
weiblich
48,9 %
Realschule
27,6 %
Gesamtschule
34,6 %
Gymnasium
37,8 %
unter 14
Jahren
19,7 %
16 - 17
Jahre
5,8 %
14 - 15
Jahre
74,2 %
männlich
51,1 %
7. Klasse
5 %
8. Klasse
43,7 %
9. Klasse
51,3 %
Allgemeine Medienverfügbarkeit
und -nutzung
Allgemeine Medienverfügbarkeit und -nutzung
In den qualitativen Lehrkräfte-Interviews wur-
den enorme Spannbreiten zum Medieneinsatz
an Schulen deutlich. Teils berichten Lehrkräfte
von erheblicher Skepsis bzw. Zurückhaltung
der Kolleg*innen, wenn es um den Einsatz von
neuen Medien im Unterricht geht –bis dahin,
dass beispielsweise in jedem Klassenraum vor-
handene Smartboards kaum genutzt würden.
Andere Befragte berichten, dass neue Medien
an ihrer Schule vom Lehrkräftekollegium sehr
offen angenommen und vielfältig zum Einsatz
gebracht werden. Als zentrale Herausforderung
wird die umfassende und erfolgreiche Schulung
der Lehrenden in technischen Fragen, aber auch
die mediendidaktische Ausbildung bezeichnet.
Paraphrase Int. 1, LK Gesamtschule:
Wir haben über den Förderverein Netbooks
angeschafft, aber sooo oft werden die von
Kollegen nicht benutzt. Das ist halt unge-
wohnt und macht mehr beziehungsweise
halt andere Arbeit.
Paraphrase Int. 8, LK Gymnasium:
An unserer Schule arbeiten wir inzwischen
mit Active-Boards statt Kreidetafeln und mit
einer Lernplattform zur Kommunikation.
Das klappt in unserem Kollegium sehr gut
und wird sehr gut angenommen.
Paraphrase Int. 10, LK Gesamtschule:
Ja, ein Medienkonzept haben wir, aber das
ist noch sehr schwergängig und wird Jahre
brauchen, bis das Fuß gefasst hat. Viele
Kollegen kämpfen sehr mit der Technik, und
dazu müssten sie ja auch noch wissen, wie
sie Medien im Unterricht sinnvoll einsetzen.
Da sind wir noch ganz lange nicht.
Anzahl der Schulen mit WLAN-
Zugang, der zur Unterrichtsgestal-
tung genutzt werden kann
„Etwas mehr als ein Fünftel
aller befragten Schulen (22 %)
geben an, über einen WLAN-Zugang
zu verfügen, der zur Unterrichtsge-
staltung genutzt werden kann.“
Anzahl der PC-Arbeitsplätze für die
Schüler*innen
Anzahl der Unterrichtsräume, die mit
PC-Arbeitsplätzen ausgestattet sind
Im Durchschnitt liegt das prozentuale Ver-
hältnis der Anzahl an Schüler*innen zu den
vorhandenen PC-Arbeitsplätzen bei 9,2 %.
Im Durchschnitt liegt das prozentuale Ver-
hältnis der Anzahl an Unterrichtsräumen zu
den PC-Arbeitsplätzen bei 20,5 %.
Minimum:
5,0 %
Minimum:
2,0 %
Maximum:
14,2 %
Maximum:
100 %
22,2 77,8
12,5 87, 5
Gerätebesitz und tägliche Nutzungshäufigkeit (in Prozent)
Ja, in genügender Anzahl Nein oder nicht in genügender Anzahl
Verfügt Ihre Schule in den Unterrichts-/Klassenräumen zur
Unterrichtsgestaltung über:
Allgemeine Medienverfügbarkeit und -nutzung
Qualität der Internetverbindung
an der Schule (Schulnoten)
Ausstattung mit digitalen Medien
an der Schule (Schulnoten)
Beamer
Smartboards
Tablets
Laptops
87, 512,5
55,6 44,4
„Auf eine Spanne von 1 bis 6 be-
werten die befragten Schulen die
Qualität und Stabilität
der Internetverbindung
im Durchschnitt mit
einer 3,4.“
„Auf eine Spanne von 1 bis 6 be-
werten die befragten Schulen die
Ausstattung mit digi-
talen Medien im Durch-
schnitt mit einer 3,4.“
Medienausstattung und -nutzung der Schüler*innen
Allgemeine Medienverfügbarkeit und -nutzung
0,8
7,6 36,5 55,1
3,9 50,9 33,3 11,9
33,5 40,3 14,5 11,7
37,1 42,6 9,2 11,1
31,6 48,0 10,3 10,1
21,9 63,2 10,0 4,9
Gerätebesitz und tägliche Nutzungshäufigkeit (in Prozent)
Besitze ich nicht Nutzung bis unter
1h pro Tag
Nutzung 1h bis unter
3h pro Tag
Nutzung 3h oder
mehr pro Tag
Paraphrase Int. 5, LK Gesamtschule:
Manche zocken die halbe Nacht, das seh‘ ich
dann am nächsten Morgen im Unterricht,
die sind total übermüdet.
Paraphrase Int. 9, LK Gesamtschule:
Doch doch, die kleben schon an ihrem
Handy… das ist ständiger Begleiter.
Während die von uns befragten Lehrkräfte an
Gymnasien in den Familien ihrer Schüler*innen
eine hohe technische Verfügbarkeit von Compu-
tern bzw. Laptops vermuten, gehen die von uns
befragten Lehrkräfte an Gesamtschulen davon
aus, dass ihre Schüler*innen eher nur das Han-
dy oder eine Spielekonsole als internetfähiges
Medium nutzen können.
Die Bezeichnung der Heranwachsenden als „Ge-
neration Smartphone“ wird im Interview von et-
lichen Lehrkräften aufgegriffen. Sie beobachten,
dass das Smartphone Kommunikationsmuster
von Jugendlichen nachhaltig verändert, was sich
etwa in der Abschiedsformel „Wir schreiben“
ausdrückt.
Smartphone
Fernsehgerät
Spielekonsole
Computer
Tablet-PC
Laptop
Kommunikation (z. B. Chatten)
Film, Fernsehen, Streaming
Spiele
Lernen/Arbeiten für die Schule
Informationssuche
3,9
4,2
2,7
45,8 33,9 16,4
Für welche Aktivitäten nutzen Schüler*innen das Internet? (in Prozent)
(Fast) nie Wöchentlich Täglich bis zu 2h Täglich 2 oder mehr h
Aktivitäten im Internet
Allgemeine Medienverfügbarkeit und -nutzung
Paraphrase Int. 3, LK Realschule:
Die chatten. WhatsApp, Youtube, TikTok und
so. Bilder gucken und verändern, um Likes
zu bekommen.
Paraphrase Int. 10, LK Gesamtschule:
Gerade wenn die Onlinespiele machen ha-
ben die jeden Morgen locker 100 ungelese-
ne Nachrichten auf‘m Handy.
Die befragten Lehrkräfte rechnen Internetak-
tivitäten der Jugendlichen fast ausschließlich
den Kategorien Kommunikation/Chats, Beschäf-
tigung mit Social Media/Unterhaltung durch
Internetvideos und Online-Spielen zu. Ob und
in welchem Umfang sie auch Lernvideos für
schulische Arbeiten nutzen, ist den Befragten
weitgehend unklar.
Teilweise vermuten die Lehrer*innen aufgrund
der immensen Vielzahl von Chats und die daran
geknüpfte Erwartung, auf Nachrichten inner-
halb kurzer Zeit antworten zu wollen/zu sollen
Überforderungsphänomene bei den Jugend-
lichen. Nach Einschätzung mancher Befragten
nimmt Stress durch Internetkommunikation bei
manchen Heranwachsenden gesundheitsbeein-
trächtigende Dimensionen an.
35,8
17,1
43,3
57,0
43,1
31,5
33,3
30,5
26,2
11,0
16,9
25,2
12,4
9,8
Paraphrase Int. 5, LK Realschule:
Gewicht ist immer ein Thema, auch für die
Jungs, wenn sie pumpen gehen.
Körperliche Aktivität, Sport
Ernährung, Nahrungsmittel
Figur, Bodybuilding
Beauty, Schönheit
Körperliche Beschwerden, Symptome
Manchmal Selten/nie
Häufig
Gesundheitsbezogene
Informationssuche im Internet
Gesundheitliche Themen, zu denen Schüler*innen im Internet nach
Informationen suchen (in Prozent)
Perspektive der Lehrkräfte
In einigen Bereichen decken sich die Einschätzun-
gen der befragten Lehrkräfte zur Internetrecher-
che im Kontext gesundheitsrelevanter Themen
mit den Angaben der befragten Schüler*innen.
Deutlich abweichend schätzen die interviewten
Lehrer*innen die aktive Suche nach körperlichen
Beschwerden bzw. Symptomen ein: Hier gehen sie
überwiegend davon aus, dass diese Fragen an El-
tern oder den Hausarzt/die Hausärztin gerichtet
werden statt selbst das Internet zu befragen.
Gesundheitsbezogene Informationssuche im Internet
Paraphrase Int. 1,
LK Gesamtschule:
Na ja, vielleicht recherchieren sie
zu Sexualität und Verhütung und
so. Da können sie für sich sein
und müssen niemanden fragen.
Paraphrase Int. 8. LK Gymnasium:
Ich glaub die gucken, wann sie wel-
chen Alkohol trinken dürfen.
Paraphrase Int. 8,
LK Gymnasium:
… oder so Hauptpfle-
ge-Tipps. Ja, das kann
ich mir vorstellen.
32,2 33,8 34,0
18,1 28,7 53,2
16,7 23,5 59,8
13,0 19,8 67,2
5,3 23,4 71,3
Paraphrase Int. 2,
LK Gymnasium:
Ich denk mir schon,
dass die sich im
Internet zu psychi-
schen Problemen
austauschen.
Psychische
Gesundheit
Aussehen Alkohol
Sexualität/
Verhütung
Diäten
Dass die Information auf dem neusten Stand ist.
Dass man schnell das Wichtigste erfährt.
Dass die Information überprüft ist.
Dass das Thema umfassend behandelt wird.
Dass die Information aus offiziellen Quellen stammt.
Dass verschiedene Meinungen dargestellt werden.
Suchmaschinen (z. B. Google)
Wikipedia oder andere Online-Lexika
Soziale Medien (z. B. Facebook, Instagram)
YouTube
Nachrichtenportale (von Zeitungen, TV-Sendern)
Welche Quellen nutzen Schüler*innen, um sich über gesundheitliche
Themen zu informieren? (in Prozent)
Gesundheitsbezogene Informationssuche im Internet
Einige Lehrkräfte erzählen im Interview, sie
wüssten davon, dass manche Schüler*innen
auch mit sehr problematischen Internetseiten
in Berührung kämen. Beispielhaft nennen sie
hier Webseiten zum Thema Bulimie oder Mager-
sucht, auf denen Peers Tipps geben, wie man
das eigene Essverhalten noch besser verheim-
lichen kann. Die Befragten betonen im Kontext
dessen die Bedeutsamkeit des kritischen Aus-
tauschs mit den Heranwachsenden, der auch
ethische Grenzen im Internet aufgreift.
Welche Dinge sind Schüler*innen (eher oder sehr) wichtig, wenn sie im
Internet nach Informationen suchen? (in Prozent)
89,8
80,1
60,6
59,0
24,2
87, 5
85,0
82,5
80,1
79,8
Mehrfachnennungen möglich
Mehrfachnennungen möglich
67, 4
?
?
?
???
Informationssuche (in Prozent)
Ich weiß, wie ich im Internet nützliche Gesund-
heitsinformationen finde.
77,8
Ich weiß, wie ich das Internet nutzen kann, um
Antworten auf meine Fragen rund um das The-
ma Gesundheit zu bekommen.
87,9
Ich weiß, welche Quellen für Gesundheitsinfor-
mationen im Internet verfügbar sind.
50,2
Ich weiß, wo im Internet ich nützliche Gesund-
heitsinformationen finden kann.
63,3
Ich weiß, wie ich Informationen aus dem Internet
so nutzen kann, dass sie mir weiterhelfen.
87,0
Wenn ich gesundheitsbezogene Entscheidungen
auf Basis von Informationen aus dem Internet
treffe, fühle ich mich dabei sicher.
37, 3
Informationsbewertung (in Prozent)
Ich bin in der Lage, Informationen, die ich im
Internet finde, kritisch zu bewerten.
75,3
Ich kann im Internet zuverlässige von fragwürdi-
gen Informationen unterscheiden.
72,0
Digitale Gesundheitskompetenz
im Überblick
Digitale Gesundheitskompetenz im Überblick
Stimme nicht zu/
weder noch
Stimme zu/
stimme voll zu
Stimme nicht zu/
weder noch
Stimme zu/
stimme voll zu
Digitale Gesundheitskompetenz
unter der Lupe
Digitale Gesundheitskompetenz unter der Lupe
Suche nach digitalen Gesundheitsinformationen
41,2 schwierig 58,8 einfach
Wie einfach oder schwierig ist es für dich,
•
die richtigen Begriffe oder Suchanfragen
zu verwenden, um die Informationen zu
finden, die du suchst?
Wie einfach oder schwierig ist es für dich,
•
deine Frage oder dein gesundheitliches
Anliegen klar zu formulieren?
Inhalt digitaler Gesundheitsinformationen
33,0 schwierig 67,0 einfach
Wie einfach oder schwierig ist es für dich,
•
zu entscheiden, ob Informationen mit
kommerziellem Interesse geschrieben
worden sind (z. B. von Personen, ein Pro-
dukt verkaufen möchten)?
Zuverlässigkeit digitaler Gesundheitsinformationen
41,8 schwierig 58,2 einfach
Wie einfach oder schwierig ist es für dich,
•
zu entscheiden, ob die Informationen, die
du gefunden hast, auf dich zutreffen?
Persönliche Relevanz digitaler Gesundheitsinfor-
mationen
44,3 schwierig 55,7 einfach
Wie oft …
•
teilst du private Informationen über dich
(z. B. Name oder Adresse) mit?
Preisgabe privater Informationen im Internet
28,1 71,9 nie/selten
manchmal/
häufig
Um detaillierte Hinweise zur Ausprägung der
digitalen Gesundheitskompetenz zu erlangen,
wurden die befragten Schüler*innen um ihre
Einschätzung gebeten, wie einfach oder schwer
ihnen der Umgang mit digitalen Gesundheits-
informationen in fünf Teilbereichen fällt. Dabei
weisen die befragten Jugendlichen am häufigs-
ten Schwierigkeiten in den Bereichen des Su-
chens und der kritischen Bewertung von digita-
len Gesundheitsinformationen auf (jeweils 42%).
Hingegen geben sie an, selten private Informa-
tionen im Internet preiszugeben.
(in Prozent)
Digitale Gesundheitskompetenz
und Medienbildung aus Sicht der
Lehrkräfte
Der Begriff der Gesundheitskompetenz ist den
befragten Lehrkräften eher nicht unmittelbar
vertraut. Aus den Interviews lässt sich aber ein
Gesundheitsbild der Befragten nachzeichnen,
das auf die Auseinandersetzung mit körper-
lichen Signalen und Bedürfnissen, die Acht-
samkeit gegenüber Stress und Leistungserwar-
tungen sowie insgesamt eine gute Selbst- und
Gesundheitsfürsorge abstellt. Erweitert man die
Fragestellung auf Gesundheitskompetenz im
digitalen Raum, betonen die befragten Lehrkräf-
te die Bedeutung der Fähigkeit, Informationen
nicht nur zu finden, sondern sie auch im Hinblick
auf Relevanz für die eigene Fragestellung kri-
tisch zu prüfen. Damit verbinden die Befragten
ihr Zielbild für digitale Gesundheitskompetenz
deutlich mit zuvor formulierten Anforderungen
einer guten Medienkompetenz. Auch hier steht
die Fähigkeit zur kritischen Prüfung von Inhal-
ten im Vordergrund.
Auf eine Kurzformel gebracht bedeutet digitale
Gesundheitskompetenz für die befragten Lehr-
kräfte die Verbindung gesundheitsbewusster
Selbstfürsorge mit ausgeprägter Medienkom-
petenz.
Die Medienkompetenz Heranwachsender ist
nach Ansicht aller befragten Lehrkräfte aller-
dings noch nicht ausreichend ausgeprägt:
Digitale Gesundheitskompetenz unter der Lupe
Gesundheits-
bewusste
Selbstfürsorge
Digitale
Gesundheits-
kompetenz
Medien-
kompetenz
Die Lehrkräfte sehen bei den Jugendlichen
wenig Fähigkeit/Bereitschaft, intensiv nach
Quellen zu suchen und diese auf Qualität zu
prüfen. Sie griffen gern auf die erste Quelle
zu und hielten diese für richtig bzw. „wahr“.
Auch die Seriosität/Vertrauenswürdigkeit ei-
ner Website einzuschätzen falle ihnen schwer.
Wichtig wäre den befragten Lehrkräften,
dass Jugendliche den Umgang mit neuen
Medien in lebenspraktischen Fragen erler-
nen: Welche Spuren hinterlasse ich mit mei-
nen Daten? Welche und warum werden diese
gesammmelt? Zahle ich mit dem Handy
oder lasse ich es? Wie kann ich mein Handy
sinnvoll für mich nutzen?
Die größte Herausforderung der Medien-
bildung sei die Entwicklung von (Selbst-)
Reflexivität im Umgang mit Internetinhalten
und dem eigenen Verhalten im Internet.
!
Technische
Anwendungen bereiten
den Jugendlichen keine
Schwierigkeiten
Aspekte der
Bildnutzungsrechte,
Datensicherheit und
ethische Fragestellun-
gen brauchen pädago-
gische Begleitung
In Kurzform zusammengefasst
In Kurzform zusammengefasst
1. Medienverfügbarkeit und -nutzung
• Die Spannweite der an Schulen eingesetzten
digitalen Medien ist groß und reicht von klas-
sischen PC-Arbeitsplätzen über Beamer bis
hin zu Smartboards und Tablets. Eine hohe
Heterogenität lässt sich auch hinsichtlich der
Qualität der Ausstattung und der Stabilität
der Internetverbindung feststellen. In Schul-
noten ausgedrückt reicht diese von 1 bis 6
(Durchschnitt: 3,4).
• Die Medienausstattung der befragten Heran-
wachsenden selbst ist insgesamt sehr hoch,
wobei sowohl das Smartphone als auch das
Fernsehgerät die höchste tägliche Nutzungs-
zeit aufweisen.
• Im Hinblick auf die erfragten Internetaktivi-
täten überwiegen bei den Jugendlichen die
Kommunikation (z. B. Chatten) sowie der
Fernsehkonsum (z. B. Streaming), die von
jeweils mehr als 75 % der Befragten täg-
lich mindestens bis zu zwei Stunden genutzt
werden.
2. Gesundheitsbezogene
Informationssuche
• Beschäftigen sich die Jugendlichen im digi-
talen Raum mit gesundheitlichen Fragestel-
lungen, dann vor allem in Hinblick auf alltags-
nahe Themen wie körperliche Aktivität/Sport,
Ernährung oder auch Körperbild/Figur.
• Hingegen vermuten die befragten Lehrkräfte,
dass sich Jugendliche im Internet häufiger
mit den Themen Sexualität und Verhütung
sowie mit psychischen Problemen beschäfti-
gen.
3. Digitale Gesundheitskompetenz
• Mit Blick auf die digitale Gesundheitskompe-
tenz geben die befragten Jugendlichen die
größten Schwierigkeiten in den Bereichen des
Suchens und Findens, der Bewertung der Zu-
verlässigkeit und der persönlichen Relevanz
von digitalen Gesundheitsinformationen an.
• Weniger häufig stellen die befragten Jugend-
lichen den Schutz und die Anonymität eige-
ner Daten im Internet in Frage (z. B. durch
Preisgabe persönlicher Informationen).
• Die Medien- und digitale Gesundheits-
kompetenz stehen aus Sicht der befragten
Lehrkräfte in enger Verbindung. Sie deuten
digitale Gesundheitskompetenz im Kern als
gesundheitsbezogene Selbstfürsorge, die im
digitalen Raum durch gute Medienkompetenz
wirksam werden kann.
Was nun? Anregungen für die Diskussion
Was nun?
Anregungen für die Diskussion
• Bei der Suche nach gesundheitsbezogenen
Informationen überwiegen bei den befragten
Jugendlichen alltagsnahe und lebensweltbe-
zogene Themen (u. a. Bewegung, Ernährung).
Genau für diese Themenbereiche ist die Infor-
mationsdichte im Internet sehr hoch und die
Informationsqualität zum Teil ungewiss. Wie
können Heranwachsende unterstützt werden,
die Qualität von gesundheitsbezogenen und
gesundheitsrelevanten Informationen kritisch
zu bewerten und wie sollten digitale Informa-
tionssysteme gestaltet werden, um eine hohe
Informationsqualität zu ermöglichen?
• Es findet sich eine deutliche Diskrepanz
zwischen der Selbsteinschätzung der digita-
len Gesundheits- und Medienkompetenz der
Schüler*innen und der Fremdeinschätzung
durch die Lehrkräfte. Ist diese Diskrepanz
das Ergebnis einer Kompetenzüberschätzung
der Heranwachsenden oder eher auf eine
pessimistische Einschätzung der Lehrkräfte
zurückzuführen?
• Was können die einzelnen Schulen dazu bei-
tragen, eine gesundheitssensible, konstruk-
tiv-medienkritische, aber offene Haltung bei
den Jugendlichen (weiter-)zu entwickeln?
• Ist die Förderung von digitaler Gesundheits-
kompetenz eine Aufgabe von Schule? Wenn
ja: Wie kann das gesundheitsbezogene Anlie-
gen von digitaler Gesundheitskompetenz mit
dem Kernauftrag von Schule (d. h. Bildungs-
auftrag) verbunden werden? Wie ließe sich
die digitale Gesundheitskompetenz mit den
an Schulen vorhandenen Medienkompetenz-
rahmen verbinden und fördern?
• Welcher schulischen Voraussetzung (z. B.
Ausstattung, Kompetenzen von Lehrkräften
und nicht-unterrichtendem Personal) bedarf
es, um die digitale Gesundheitskompetenz im
Kontext von Schule zu fördern?
Das Projekt wurde im Rahmen des Förderprogramms „Forschung für die Praxis“
durch das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst gefördert.
Zitiervorschlag
Dadaczynski, K., Rathmann, K., Schricker, J., May, M., Kruse, S., Janiczek, O. & Quilling, E.
(2020). Digitale Gesundheitskompetenz von Jugendlichen. Eine mehrperspektivische Betrach-
tung aus Sicht von Schüler*innen, Lehrkräften und Schulleitungen weiterführender Schulen in
Hessen. Verfügbar unter: www.hs-fulda.de/digks [Zugriff am: Datum einfügen].
Gestaltung: KUNSTFLIEGEREI Grafikdesign Franziska Kaus