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Situationsanalyse in der medienpädagogischen Mediatisierungsforschung: Kommunikative Figurationen des informellen Lernens

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Der Beitrag fragt nach den Konsequenzen der kommunikationswissenschaftlichen Mediatisierungstheorie für die medienpädagogische Theorieentwicklung und Forschung. Zentral dabei ist die Forderung, nicht mehr den Einfluss von Einzelmedien zu untersuchen, sondern vielmehr auf einer Meta-Ebene zu analysieren, wie sich unser kommunikatives Handeln und die sich daraus konstruierenden Handlungssituationen innerhalb einer zunehmend komplexeren Medienumgebung verändern. Als theoretische Basis und empirischer Analyseansatz wird dazu zunächst das Konzept der Kommunikativen Figurationen vorgestellt; im Anschluss wird die Situationsanalyse als geeignete Methode zur Rekonstruktion kommunikativer Figurationen vorgeschlagen und ihre Potenziale für die medienpädagogische Forschung anhand einer Beispielstudie zu den kommunikativen Figurationen des informellen Lernens verdeutlicht. Der Artikel soll so einen Beitrag zur medienpädagogischen Theorieentwicklung sowie zum medienpädagogischen Methoden-Diskurs leisten.
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Wolf, Karsten D., und Konstanze Wegmann. 2020. «Situationsanalyse in der medienpädagogischen Medi-
atisierungsforschung. Kommunikative Figurationen des informellen Lernens». Zeitschrift MedienPäd-
agogik (Jahrbuch Medienpädagogik 15), 79–119. https://doi.org/10.21240/mpaed/jb15/2020.03.05.X.
ISSN 1424-3636www.medienpaed.com
Jahrbuch Medienpädagogik 15:
Erziehungswissenschaftliche und medienpädagogische Online-Forschung:
Herausforderungen und Perspektiven
Herausgegeben von Johannes Fromme, Stefan Iske, Therese Leik, Steffi
Rehfeld, Jasmin Bastian, Manuela Pietraß und Klaus Rummler
This work is licensed under a Creative Commons
Attribution 4.0 International License
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
Situationsanalyse in der
medienpädagogischen
Mediatisierungsforschung
Kommunikative Figurationen des informellen Lernens
Karsten D. Wolf und Konstanze Wegmann
Zusammenfassung
Der Beitrag fragt nach den Konsequenzen der kommunikationswissen-
schaftlichen Mediatisierungstheorie für die medienpädagogische The-
orieentwicklung und Forschung. Zentral dabei ist die Forderung, nicht
mehr den Einfluss von Einzelmedien zu untersuchen, sondern vielmehr
auf einer Meta-Ebene zu analysieren, wie sich unser kommunikatives
Handeln und die sich daraus konstruierenden Handlungssituationen in-
nerhalb einer zunehmend komplexeren Medienumgebung verändern. Als
theoretische Basis und empirischer Analyseansatz wird dazu zunächst
das Konzept der Kommunikativen Figurationen vorgestellt; im Anschluss
wird die Situationsanalyse als geeignete Methode zur Rekonstruktion
kommunikativer Figurationen vorgeschlagen und ihre Potenziale für die
medienpädagogische Forschung anhand einer Beispielstudie zu den kom-
munikativen Figurationen des informellen Lernens verdeutlicht. Der Arti-
kel soll so einen Beitrag zur medienpädagogischen Theorieentwicklung
sowie zum medienpädagogischen Methoden-Diskurs leisten.
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Karsten D. Wolf und Konstanze Wegmann
Situational Analysis in Media Educational Mediatization
Research: Communicative Figurations of Informal Learning
Abstract
This article discusses consequences of mediatization theory for theory
development and research in the field of media education. The central
approach of mediatization is to analyse on a meta level, how our
communicative action and the thereby constructed situations of action
transform within an increasingly complex media environment, rather
than to focus on the research on one single medium. First, communicative
figurations are introduced as an analytical concept for opening these
media-related changes for analysis. Second, Situational Analysis is
proposed as a method for the reconstruction of communicative figurations.
Finally, the method’s potentials for research in media education are
illustrated using an exemplary study of the communicative figurations of
informal learning. This article aims to contribute to theory development
in the field of media education as well as to the methodological discourse
of media education research.
1. Einleitung – Mediatisierung und ihr Bezug zur
medienpädagogischen Theorieentwicklung
Wir leben in einer Zeit, in welcher der technische Fortschritt und
dessen Veränderungsgeschwindigkeit im Alltag besonders offen-
sichtlich bei den (digitalen) Informations- und Kommunikations-
technologien hervortreten. So konstatiert Benjamin Jörissen, dass
«Digitalisierung und mobile Vernetzung (…) unsere Lebenswelten
und ebenso die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen enorm
verändert» (Jörissen 2015, 101) haben. Dieser laufende Veränderungs-
prozess wird in Teilen der Kommunikations- und Medienwissen-
schaft (KMW) als Mediatisierung erforscht. Mediatisierung ist aller-
dings nicht als Beschreibung einer zunehmenden Verbreitung von
technischen Medien in der Gesellschaft und deren Beeinflussung
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Situationsanalyse in der medienpädagogischen Mediatisierungsforschung
durch diese zu verstehen, sondern stellt eine Meta-Theorie dar, mit
Hilfe derer wir erforschen können, wie sich unser kommunikatives
Handeln und die sich daraus konstruierenden sozialen Handlungs-
situationen durch Medien verändern; gleichzeitig aber auch, wie die-
se Medien im Wechselbezug durch Aneignung1 umgeformt werden
(Krotz 2007; Couldry und Hepp 2016). Mediatisierung ist ein Prozess,
der weit in die Anfänge der Moderne zurückverfolgt werden kann
und nicht linear, sondern widersprüchlich und lokal verschieden
verlaufen kann (Hjarvard 2013; Lundby 2014; Meyen 2009; Thomp-
son 1995).
Die Mediatisierungstheorie vermittelt zwischen den bisherigen
Extrempositionen der KMW «Wie wirken Medien auf Menschen» vs.
«Was machen Menschen mit Medien» (Hjarvard 2013, 2) auf unter-
schiedlichen Ebenen:
Makroebene: Medien beeinflussen unsere kommunikativen Prak-
tiken, Haltungen und Einstellungen in zunehmendem Masse. So
hat z.B. das Smartphone als kombiniertes Fotografie- und Ver-
netzungstool in Kombination mit Diensten wie Instagram zu ei-
ner neuen Form und Intensität der Selbstdarstellung (nicht nur)
Jugendlicher geführt;
Mikroebene: Menschen beeinflussen die Gestaltung und Weiter-
entwicklung von Medien durch ihre individuelle Aneignung. Sie
sind den Medien nicht ausgeliefert, sondern verfolgen ihre eige-
ne Agenda, z.B. durch einen kreativen Misuse der Medien, wel-
cher dann von den Medienproduzierenden aufgenommen wird.
So hatten Mobiltelefone zunächst nur eine Kamera eingebaut.
Durch das Aufkommen von Selfies wurde aber die Frontkamera
1 Der Begriff der «(Kommunikativen) Aneignung» bezeichnet den Vor-
gang des «Sich-zu-Eigen-Machens» von Medieninhalten/-produkten
(spezifischer «Medienaneignung») oder anderen Produkten, Alltags-
erfahrungen etc. in Abgrenzung zu Begriffen wie «Konsumption», die
eher von eindimensionalen Wirkungen von (Medien-)inhalten/-pro-
dukten auf Menschen ausgehen (vgl. zusammenfassend Hepp 2005).
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Karsten D. Wolf und Konstanze Wegmann
zu einem zunehmend unverzichtbaren Element moderner Smart-
phones. Aber auch durch das direkte Feedback ihrer Nutzung z.B.
durch Klick-Zahlen oder Uploads bestimmen sie Inhalte, Funk-
tionen und «Logiken» mit. Dies betrifft weniger die klassischen
Massenmedien, sondern vielmehr die partizipativen Medien des
Internets bzw. der Mobilkommunikation;
Mesoebene: Der Begriff der Mediatisierung zielt im Kern auf die
wechselseitige Beeinflussung von Medien, Kultur und Gesell-
schaft: Medien sind nahezu überall und durchdringen alle soziale
Sphären wie z.B. die Politik, die Religion, aber auch die Bildung.
Ebenso wie auf der Mikroebene sind Medien dabei nicht als zen-
trale Agenten des Wandels zu verstehen, sondern als ein Syste-
melement, welches beachtet und in Theorien integriert werden
muss, um kommunikative – und damit alle sozialen – Prozesse zu
analysieren, zu verstehen und zu modellieren. Gleichzeitig sind
Medien aber so tief in unsere Gesellschaft und Kultur integriert,
dass ein analytisches Herauslösen nicht mehr möglich erscheint.
Diese miteinander verschränkte Perspektive erzeugt eine hohe
Passung zu den Erkenntnisinteressen einer handlungsorientierten
Medienpädagogik (sensu Baacke 1973, 1999; Tulodziecki 2007; Hug-
ger 2012; vgl. auch den Entwurf einer integralen Medienpädagogik
von Schorb 2011, 92ff.; zur Dialektik zwischen Medienerziehung und
Medienaneignung in der Medienbildungsdebatte vgl. Wolf et al.
2011): Aus der Perspektive der Medienpädagogik gilt es, sowohl dys-
funktionale Einflüsse als auch ermächtigende Potentiale von Medi-
en auf der Makroebene zu identifizieren, um auf der Mikroebene die
Individuen im Sinne einer Subjektivation (Butler 2001; Jörissen 2017)
dabei zu unterstützen, die notwendigen (Medien-)Kompetenzen auf-
zubauen, um Medien für die eigenen Ziele erfolgreich einzusetzen
bzw. zu verändern. Die Mediatisierungstheorie ist für die Medien-
pädagogik deshalb so wichtig, weil sie ihr einen Theorierahmen zur
Verfügung stellt, mit dem erziehungs- und bildungswissenschaftli-
che Fragen zu den Aushandlungsprozessen auf der oben beschriebe-
nen Mesoebene erforscht und analysiert werden können.
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Situationsanalyse in der medienpädagogischen Mediatisierungsforschung
Ziel des Artikels ist es, vor dem Hintergrund der kommunika-
tionswissenschaftlichen Mediatisierungstheorie, die Potenziale der
Situationsanalyse für den medienpädagogischen Methoden-Diskurs
herauszustellen. Zur Verdeutlichung der Potenziale der Situations-
analyse, sowie des Ansatzes der kommunikativen Figurationen, für
die medienpädagogische Forschung wird eine eigene Beispielstudie
zu den kommunikativen Figurationen des informellen Lernens her-
angezogen. Im Folgenden wird zunächst auf die Grundelemente der
Mediatisierungsforschung eingegangen.
2. Grundelemente einer Mediatisierungsforschung
In der KMW werden – wie auch in der Mediensoziologie – zuneh-
mend Ansätze verfolgt, welche die sozialen Praktiken sowie die
Handlungsmöglichkeiten der Individuen im Sinne des Agency-Pa-
radigmas untersuchen (Sewell 1992). Sowohl in der Publikumsfor-
schung (Blumler und Katz 1974; Renckstorf und Wester 2001; Tei-
chert 1972) als auch in den Cultural Studies (Certeau 2002; Hall 1973)
wurden seit Anfang der 1970er Jahre Mediennutzende nicht mehr
als willfährige und von den Medien gesteuerte Objekte betrachtet,
sondern als handelnde und reflexionsfähige Personen. Dies geht
einher mit dem ersten Medienkompetenzmodell, welches von Dieter
Baacke als Gegenentwurf sowohl zur Bewahrpädagogik als auch zur
kritisch-materialistischen Medienpädagogik entworfen wurde (Baa-
cke 1973). Heute werden sowohl die Medienproduzierenden als auch
die Mediennutzende als Akteurinnen und Akteure verstanden, wel-
che mit Medien aktiv umgehen (Bonfadelli und Friemel 2014; Hase-
brink 2003; Napoli 2010; Neumann-Braun 2005). Spätestens mit dem
Aufkommen des Social Webs, aber eigentlich bereits mit der Demo-
kratisierung von Produktionsmitteln wie dem Kassettenrekorder,
dem Super-8-Film oder Videokameras, hat sich die klare Trennung
zwischen Produzierenden und Konsumierenden aufgelöst, wie es
Bruns mit dem Konzept des Produtzers (Produzent und Nutzer) be-
schreibt (Bruns 2008; Bruns und Schmidt 2011).
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Karsten D. Wolf und Konstanze Wegmann
Solch eine auf die Medienpraktiken fokussierte Forschung folgt
überwiegend einem praxeologischen Ansatz (Schatzki et al. 2001),
in dem die körperlich ausgeführten Praktiken bestimmend für die
Konstitution sozialer Welten sind. Das Interesse liegt dabei auf dem
«embodied doing», also dem in der physikalischen Gesamtheit des
Körpers erlebten Tun. Dieses Tun wird nach Giddens (1984) hoch-
kontextualisiert und häufig unbewusst in komplexen Handlungs-
situationen erlernt. Dieses praktische und überwiegend implizite
Handlungswissen ist den Handelnden gerade nicht diskursiv er-
schliessbar, formt aber einen elementaren Teil des Habitus einer
Person (Bourdieu 1992). Kommunikationspraxen sind somit verleib-
lichte («embodied») Praktiken der Mediennutzung (Couldry 2004,
125). Aus einer sozialkonstruktivistischen Sicht heraus (Bongaerts
2007) schliesslich können wir diese als komplexe und hochkontex-
tualisierte Handlungsmuster verstehen. Die Bedeutung von Kom-
munikationspraktiken hängt von sozialen Vereinbarungen ab und
konstruiert die menschliche Realität bzw. ihre soziale Welt (Keppler
2005; Knoblauch 2013). Dieser praxeologische Turn der Sozial- und
Kulturwissenschaften ermöglicht es, den wechselseitigen Prozess
der Durchsetzung von Medienlogiken im Sinne der direkten und in-
direkten Mediatisierung nach Hjarvard (2013) (Metaebene) mit der
Aneignung bzw. «Domestizierung» (Silverstone 2006) durch die In-
dividuen (Mikroebene) in Verbindung zu setzen.
Kommunikationsmedien institutionalisieren, objektivieren und
materialisieren Symbolsysteme und (Kommunikations-)Praktiken
(Berger und Luckmann 1967; Couldry und Hepp 2016; Fornäs 2000;
Knoblauch 2013). In diesem Sinne formen Medien durch ihre spezi-
fischen Handlungsmuster Kommunikation. Vor dem Hintergrund
einer tiefgreifenden Mediatisierung2 stellt sich deshalb die Frage,
welchen Einfluss diese Medien im Kontext komplexer Medienkons-
tellationen auf unsere Kommunikationsprozesse und damit auf die
2 Unter dem Begriff «tiefgreifende Mediatisierung» («deep mediatiza-
tion») verstehen Hepp und das CoFi Research Network (2017) eine –
insbesondere durch Digitalisierung vorangetriebene – Intensivierung
des Prozesses der Mediatisierung.
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Situationsanalyse in der medienpädagogischen Mediatisierungsforschung
soziale Konstruktion der Wirklichkeit haben und welche Bedeutung
dies für Bildungsprozesse hat.
Dies kann auf drei Ebenen betrachtet werden: auf der Ebene der
Medienumgebung, welche die aktuelle Gesamtheit aller zur Verfü-
gung stehenden Medien darstellt; der Ebene der Medienensembles,
welche die in einer «sozialen Domäne» («social domains», Hjarvard
2013, 17; siehe auch Hepp und Hasebrink 2017, 332f.) wie z.B. der Fa-
milie, der Schule oder der Arbeit genutzte Teilmenge der Medienum-
gebung beschreibt; schliesslich auf der Ebene des Medienrepertoires,
welche die Auswahl der Medien meint, die ein Individuum in seinen
alltäglichen Praxen einsetzt und sich aneignet (Hasebrink und Popp
2006; Hasebrink und Domeyer 2012). Dabei reichen diese Kommu-
nikationspraktiken auf allen Ebenen über eine Vielfalt von Medien
hinweg. Wenn wir z.B. für eine Klausur lernen, nutzen wir eigene
schriftliche Aufzeichnungen und mit dem Smartphone gemachte
Fotos von Folien aus Vorlesungen, Bücher, eBooks, PDFs, Videoauf-
zeichnungen von Vorlesungen, Online-Skripte, YouTube-Tutorials,
Lernsoftware und viele andere Medienformen. Diese Vielfalt und
ihre gegenseitigen Einflüsse sind in einer Analyse unserer Kommu-
nikationsprozesse zu berücksichtigen.
Typisch für Forschungsprojekte im Mediatisierungsparadigma
sind qualitative Methodenansätze, welche die u.a. in Einzel- und
Gruppeninterviews, Medientagebüchern, visuellen Artefakten,
Online-Texten, wie z.B. Kommentaren oder Blogbeiträgen, sowie
ethnografischen Studien gewonnenen Daten im Sinne der Groun-
ded Theory oder mittels der qualitativen Inhaltsanalyse sowie der
kritischen Diskursanalyse auswerten. Häufig werden Datenquellen
im Sinne von Multi-Site-Studien kombiniert, ebenso Forschungs-
methoden im Multi-Method-Design kombiniert und deren Daten
trianguliert. Schliesslich ist auch die Integration quantitativer For-
schungsmethoden denkbar, z.B. um die Durchdringung von Medien
in den Medienrepertoires einer grösseren Benutzendengruppe mit
standardisierten Befragungen zu erheben.
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Karsten D. Wolf und Konstanze Wegmann
Vergleichbar zu subjektorientierten medienpädagogischen For-
schungsansätzen (Schlör 2017) übernehmen Interviewpartnerinnen
und -partner dabei eine durchaus gestaltende Rolle. So werden zur
Bestimmung der Kommunikationsrepertoires in themenzentrier-
ten Interviews «qualitative Netzwerkkarten» von den Interviewten
zunächst selbst angefertigt, auf denen die Medien, Kommunikati-
onspartnerinnen und -partner und Kommunikationsfunktionen
ähnlich einer Concept Map visualisiert werden, um dann im Inter-
view zur weiteren Erörterung genutzt zu werden (Hepp et al. 2012,
89ff.). Diese zunächst eigenerstellten Visualisierungen, welche wir
hier in Anlehnung an die weiter unten vorgestellte Situationsana-
lyse als «messy communicative repertoire maps» bezeichnen, können
für die weitere Auswertung auf Basis der qualitativen Auswertung
strukturiert und geordnet werden («ordered communicative repertoire
maps»).
Um für das umfassende Konzept der Mediatisierungstheorie und
-forschung nun einen konkreten Analyseansatz zu bieten, schlagen
wir im Folgenden das Konzept der Kommunikativen Figurationen
vor und zeigen Möglichkeiten ihrer Erforschung auf.
3. Kommunikative Figurationen und ihre Erfor-
schung
Abweichend von bisherigen Ansätzen in der KMW zielt das vom
Communicative-Figurations-Research-Network entwickelte For-
schungsparadigma auf eine nicht-medienzentrierte Analyse kom-
munikativer Prozesse unter besonderer Berücksichtigung der Medien
(Hepp und CoFi Research Network 2017; Moores 2012; Morley 2009;
Krajina et al. 2014). Analyseeinheiten sind soziale Domänen. Diese
dienen nach Hepp und Hasebrink als «weiterer Oberbegriff für ver-
schiedenste soziale Zusammenhänge, für ‹sinnhafte Bereiche› der
Gesellschaft» (Hepp und Hasebrink 2017, 333). Diese Bereiche ska-
lieren «von Paaren, Gruppen, Gemeinschaften und Organisationen
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Situationsanalyse in der medienpädagogischen Mediatisierungsforschung
bis hin zu ganzen sozialen Feldern» (ebd., 333). Soziale Domänen um-
fassen u.a. Konzepte wie soziale Felder (Bourdieu 1993), (Sub)Syste-
me (Systemtheorie; Luhmann 2012, 4ff.), (kleine) Lebenswelten (So-
zialphänomenologie; Luckmann 1970, 587; Schütz 1967, 139ff.) oder
soziale Welten (Symbolischer Interaktionismus; Clarke 2011a, 384f.;
Shibutani 1955, 566).
Bezogen auf Bildung können soziale Domänen also ganze Schul-
systeme oder das System der beruflichen Ausbildung sein, aber auch
Schulen, Nachhilfeanbietende, Klassen und deren Peer-Vergemein-
schaftungen sowie die am Ende des Beitrages beschriebenen Media-
tisierungsvergemeinschaftungen des informellen Lernens. Wichtig
für die Analyse der Kommunikationsprozesse ist, dass die Akteurin-
nen und Akteure in den jeweiligen sozialen Domänen aufeinander
bezogene Praktiken teilen. Jede soziale Domäne besitzt deshalb eine
typische «Akteurskonstellation» (Schimank 2010, 202ff.), in der alle
relevanten Akteurinnen und Akteure sowie ihre Beziehungen zuei-
nander beschrieben werden.
Was heisst das für medienpädagogische Forschungsprojekte?
Ziel unserer theoretischen und empirischen Auseinandersetzung
mit dem Konzept der Kommunikativen Figurationen soll es sein, die
Veränderung bildungsbezogener sozialer Domänen nachvollziehbar
zu machen. Es geht also nicht darum, einseitig die Wirkung von z.B.
YouTube-Tutorials auf die Lernpraxis von Schülerinnen und Schü-
lern zu untersuchen, sondern vielmehr darum, 1) wie sich die Kom-
munikationspraxen des schulbezogenen Lernens von Schülerinnen
und Schülern im Kontext einer tiefgreifenden Mediatisierung ver-
ändern, indem sie z.B. in WhatsApp-Gruppen Lösungen teilen, im
Internet recherchieren, YouTube-Tutorials schauen und auf Lern-
plattformen Übungsaufgaben lösen; 2) welche Konsequenzen dies
wiederum für das soziale Subsystem Schule und die Gestaltung von
Klassenarbeiten, Unterricht und Leistungsüberprüfungen hat; 3)
welche Veränderungen die Medien dabei erfahren, um sich z.B. den
ausformenden Kommunikationspraxen anzupassen und neue Funk-
tionalitäten und Geschäftsmodelle zu entwickeln.
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Karsten D. Wolf und Konstanze Wegmann
Diese Netzwerke kommunikativer Praktiken werden von der
Bremer und Hamburger Forschungsgruppe in Rückgriff auf den
prozess-soziologischen Ansatz von Norbert Elias (1978) als kommu-
nikative Figurationen bezeichnet (Hepp und CoFi Research Network
2017). Das Elias’sche Konzept der Figuration entstand aus seiner
Auseinandersetzung mit zwei grundlegenden Problemen soziologi-
scher Analyse: zum einen der Autonomie des Einzelnen bei gleich-
zeitiger Kodependenz (Gegenabhängigkeit) von Individuum und
Gesellschaft, sowie der Unterscheidung zwischen sozialem Wandel
und strukturellem Wandel. Nach Elias kann jede strukturelle Verän-
derung als ein sich transformierender Zusammenhang zwischen In-
dividuen und Gesellschaft verstanden werden. Diese dynamischen
Relationen bezeichnet er als Figurationen, die für ihn «Netzwerke
von Individuen» sind (Elias 1978, 15). Aus einer kommunikations- und
medienwissenschaftlichen Perspektive beschreiben wir mit kommu-
nikativen Figurationen die kommunikativen Konstruktionsprozesse
sozialer Wirklichkeit innerhalb beliebiger sinnhafter Bereiche der
Gesellschaft durch spezifische Akteurskonstellationen und Medie-
nensembles. Kommunikative Figurationen können dabei sowohl die
Perspektive von Individuen, Vergemeinschaftungen als auch Orga-
nisationen umfassen. Wenn wir als Beispiel die Vergemeinschaftung
der Familie betrachten und deren crossmediale Handlungspraxen
beschreiben, wie z.B. die Nutzung des Smartphones und verschie-
dener Apps, das Festnetztelefonat mit den Grosseltern oder hand-
schriftliche Nachrichten am Kühlschrank, sowie deren Akteurskon-
stellation, wie z.B. die Mitglieder von Patchworkfamilien und ihre
wechselseitigen Kommunikationsbezüge, so ist zu erkennen, dass
diese kommunikativen Praxen zentral für den Zusammenhalt der
familiären Strukturen sind (Hasebrink 2014).
Zusammenfassend lässt sich jede kommunikative Figuration wie
folgt beschreiben (Hepp und Hasebrink 2017):
1. Strukturelle Basis jeder kommunikativen Figuration ist eine Ak-
teurskonstellation, ein Netzwerk von Akteurinnen und Akteure,
die in einer bestimmten Machtbalance und durch aufeinander
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Situationsanalyse in der medienpädagogischen Mediatisierungsforschung
bezogene kommunikative Praktiken wechselseitig miteinander
verbunden sind.
2. Jede kommunikative Figuration ist gekennzeichnet durch einen
Relevanzrahmen, der handlungsleitend für die Praktiken seiner
Akteurinnen und Akteure sowie deren wechselseitige Ausrich-
tung aufeinander ist. Dieser Relevanzrahmen definiert das «The-
ma» und entsprechend die Sinnorientierung der kommunikati-
ven Figuration.
3. Kommunikative Figurationen werden konstituiert durch kommu-
nikative Praktiken, die verwoben sind mit weiteren sozialen Prak-
tiken und sich auf ein Ensemble verschiedener Medien stützen.
Aus einer medienpädagogischen Forschungsperspektive können
wir festhalten: die Mediatisierungstheorie fügt ein Bindeglied zwi-
schen der Makroebene (Medien, Vergemeinschaftungen, Organisa-
tionen) und der Mikroebene (Individuum, Subjekt) ein, welches die
Analyse der wechselseitigen kommunikativen Konstruktion lern-
und bildungsbezogener Prozesse ermöglicht. Für aktuelle medien-
pädagogische Fragen nach einer diskursiven Vermittlung zwischen
Gesellschaft, Medien und Individuum (Subjektivation) ist dies ein
besonders vielversprechender Ansatz. Die Situationsanalyse nach
Adele Clarke scheint hier eine geeignete Methode zur Erfassung,
Analyse und visuellen Auf bereitung von kommunikativen Figura-
tionen.
4. Situationsanalyse nach Adele Clarke
Aus einer forschungsmethodologischen Perspektive kann man in
medienpädagogischen Forschungsprojekten zu kommunikativen Fi-
gurationen des Lernens und der Bildung an der in Mediatisierungs-
studien häufig verwendeten Grounded Theory Methodologie (GTM)
anschliessen. Wie wir hier im Folgenden herausstellen möchten, eig-
net sich aus unserer Sicht insbesondere eine Weiterentwicklung der
Grounded Theory (GT), nämlich die Situationsanalyse nach Adele
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Karsten D. Wolf und Konstanze Wegmann
E. Clarke (Clarke 2005), welche die GT um zentrale Aspekte erwei-
tert.3 Historisch betrachtet war die GT der erfolgreiche Versuch, im
Kontext eines quantitativen Forschungsparadigmas der Soziologie
der 1960er Jahre eine empirisch-qualitative Forschungsmethode zu
etablieren. Ein besonderes Anliegen war es, die damals vom quanti-
tativen Forschungsestablishment den qualitativen Methoden vorge-
worfene Subjektivität hermeneutischer Deutungen durch systema-
tische Datengewinnung und Analysemethoden zu entkräften sowie
die induktiven/abduktiven Prozesse der Theoriebildung zu doku-
mentieren und nachvollziehbar zu machen. Forschung im Stil der
GTM fokussiert insbesondere auf soziale Prozesse, nutzt als Daten
überwiegend Interviews, Beobachtungen und Feldnotizen, welche
über zu entwickelnde Kodiersysteme abstrahiert und systematisiert
werden, um schliesslich kleinteilig geschnittene Theorien (bezogen
auf die untersuchten Daten) zu entwickeln (Corbin und Strauss 2015).
Durch die Zusammenführung einer grösseren Anzahl von GT-Studi-
en mit ähnlichen Erkenntnisinteressen können formalere Theorien
mit einer grösseren sozialen Reichweite entwickelt werden. Beson-
dere Merkmale der GT sind – ähnlich wie beim Design Based Re-
search (Anderson und Shattuck 2012; Koppel 2017; Reinmann 2017)
– ein iteratives und überwiegend exploratives Vorgehen, in dessen
Verlauf die jeweilige Theorie entwickelt wird und gleichzeitig weite-
re bisher fehlende Analyseeinheiten identifiziert werden. GT ist also
weniger als ein eng definiertes methodisches Inventar zu verstehen,
sondern vielmehr als ein Forschungsstil.
Wieso nun eine neue Methode? Adele Clarke studierte und arbei-
tete seit den 1980er Jahren bei Anselm Strauss in den Pflegewissen-
schaften an der UCSF und übernahm später seinen Lehrstuhl. Dort
integrierte sie neben konstruktivistischen und interaktionistischen
Perspektiven zunächst feministische und später auch postmoderne,
3 Adele Clarke war Schülerin von Anselm Strauss, der einer der Begrün-
der der GT war (Glaser und Strauss 1967). Strauss war Schüler von Her-
bert Blumer, der den symbolischen Interaktionismus begründete (Blu-
mer 1969). Blumer bezog sich dabei auf seinen akademischen Lehrer
George Herbert Mead.
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Situationsanalyse in der medienpädagogischen Mediatisierungsforschung
poststrukturalistische und interpretative Perspektiven in ihre For-
schungsarbeit und entwickelte aus der folgenden Auseinanderset-
zung mit der GTM die Situationsanalyse (Clarke 2005; Clarke et al.
2018). Knapp zusammengefasst verfolgt sie damit die folgenden fünf
Hauptziele:
4.1 Rekonstruktion von Situationen
Das zentrale Untersuchungsziel der Situationsanalyse ist die Rekons-
truktion der Komplexität von Situationen.4 Dabei löst Clarke die Di-
chotomie von Situation und Kontext auf, welche sich in der GT noch
in der «Bedingungsmatrix» finden lässt. Sie argumentiert, dass die
Bedingungen der Situation in der Situation seien und diese so von
innen heraus konstituieren würden, statt sie von aussen zu beein-
flussen (Clarke et al. 2018). Im postmodernen Theoriebezug stellt sie
Komplexität, also z.B. Widersprüche, Heterogenitäten und Situiert-
heit, im Gegensatz zu klaren Kausalitätsbezügen heraus. Somit löst
sie sich vom Kodierparadigma des axialen Kodierens der GTM und
integriert in ihrer eigenen Version der situativen Bedingungsmatrix
– der Situationsmatrix – zwei zentrale neue Aspekte der Situations-
analyse, nämlich Diskurse und nicht-menschliche Aktanten.
4.2 Einbezug von Diskursen
Als weiteren Weg der Analyse struktureller Prozesse neben der ge-
nannten «Bedingungsmatrix» entwickelten Strauss (z.B. 1978) und
weitere die Sozialen Welten/Arenen Theorie, die Strauss selbst je-
doch nicht mit der GT verknüpfte. Clarke versteht die Situationsana-
lyse daher als eine methodologische Weiterentwicklung der GT und
Sozialen Welten/Arenen Theorie als solche sowie der Integration
4 Clarke bezieht sich auf das Situationskonzept des symbolischen Inter-
aktionismus nach Herbert Blumer, der eine Situation als den Moment
definiert, in dem die teilnehmenden Personen die jeweiligen Bedeu-
tungen gemeinsam aushandeln (Blumer 1973, 84). Die Situation wird
also erst durch Interaktionen der Teilnehmenden konstituiert, sie
existiert nicht unabhängig von den Akteurinnen und Akteuren.
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Karsten D. Wolf und Konstanze Wegmann
beider (Clarke et al. 2018). Sie arbeitet zudem einige Parallelen zwi-
schen Strauss’ Soziale Welten/Arenen Theorie und der Diskurstheo-
rie Foucaults heraus. Foucault geht davon aus, dass Macht in Form
von Diskursen zirkuliere und durch die alltäglichen Praktiken der
Menschen – z.B. durch ihr Handeln gemäss den Vorstellungen einer
gesellschaftlichen Norm («technology of the self», Foucault 1988) –
reproduziert und so in seiner Wahrheit und scheinbaren Natürlich-
keit immer wieder bestätigt und verfestigt werde. Individuen sowie
Kollektive würden durch Diskurse konstituiert werden, indem sie
selbst aktiv gemäss diskursiv zirkulierenden Vorstellungen handeln
würden (ebd.). Clarke et al. (2018) argumentieren, dass Diskursfor-
mationen wie auch soziale Welten aus widersprüchlichen Diskursen
bestehen würden, die dort permanent ausgehandelt, gewertet und
positioniert werden. Sowohl Diskursformationen als auch soziale
Welten können demnach als Zusammenschlüsse von machtvolleren
bzw. einflussreicheren und weniger machtvollen Personen, die ge-
wisse Interpretationen, Werte und Normen teilen, verstanden wer-
den. Als Konsequenz dieser Überlegungen erweitert Clarke die GTM
im Rahmen der Situationsanalyse explizit um den analytischen Ein-
bezug von Diskursen und die Analyse von Diskurspositionen. Wie
auch Foucault – verdeutlicht durch seinen Begriff des Dispositif5
fokussiert Clarke in der Situationsanalyse die Analyse von Relatio-
nen (Machtbeziehungen, Bedeutungszuweisung etc.) zwischen ein-
zelnen Elementen (Diskursen, Medien, Personen), nicht die Analyse
der Elemente an sich (Clarke et al. 2018).
4.3 Einbezug Nicht-menschlicher Elemente und Aktanten
Als nächsten Schritt ergänzt Clarke die GT – und die Soziale Wel-
ten/Arenen Theorie – um die poststrukturalistische Beschäftigung
mit der Handlungsfähigkeit des Nicht-Menschlichen in Anlehnung
an den Pragmatismus, den Interaktionismus und die Science &
Technology Studies (STS), insbesondere die Actor-Network-Theory
5 Verstanden als «the system of relations that can be established bet-
ween these [Diskurse, Institutionen, Gesetze, Moralvorstellungen etc.;
eigene Anm.] elements» (Foucault 1980).
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Situationsanalyse in der medienpädagogischen Mediatisierungsforschung
(ANT), die u.a. von Latour (1987) entwickelt wurde (Clarke et al. 2018).
Dabei betont Clarke, dass Objekte im Pragmatismus und Interakti-
onismus seit jeher berücksichtigt werden würden und in diesen Ar-
beiten – wie auch bei Foucault und in der Situationsanalyse – die
Analyse der Relationen zentral sei. Jedoch seien Objekte dabei nie
explizit einbezogen und die Analyse ihrer Handlungsfähigkeit nicht
methodologisch ausgearbeitet worden. Auch Böschen et al. (2015)
weisen darauf hin, dass sich die meisten Publikationen zur Material
Agency – verschiedener Disziplinen und bezogen auf unterschied-
liche soziale Phänomene6 – auf die Konzeptualisierung, nicht aber
auf Möglichkeiten einer methodologischen Annäherung fokussieren
würden. Dabei sei es sowohl die zentrale Anforderung als auch die
zentrale Schwierigkeit für die empirische Auseinandersetzung mit
Material Agency, Wege zu finden, die Verstrickung von materieller
und menschlicher Handlungsfähigkeit zu untersuchen.
Kirchhoff (2009) stellt zwei Positionen innerhalb der Material-
Agency-These entgegen: Konstituieren ein materielles Objekt und
ein/e menschliche/r AkteurIn gemeinsam eine Aktivität und erfül-
len sie dabei die gleichen Funktionen, verstehe der weak view das
materielle Objekt und den/die menschliche/n AkteurIn als kausal
gekoppeltes System, demzufolge auch das materielle Objekt bei der
Analyse der betreffenden Aktivität berücksichtigt werden müsse.
Der strong view, dem er u.a. die ANT zuordnet, gehe unter den glei-
chen Bedingungen einen Schritt weiter und konstatiere, dass es kei-
nen auf ihrer ‹Materialität› basierenden prinzipiellen Unterschied
zwischen den beiden geben müsse. Kategorien wie «technologisch»
und «sozial» werden hierbei als fliessend verstanden, der Fokus liegt
auf der Relationalität zwischen den Kategorien, die entsprechende
Handlung wird als Ergebnis der Kooperation innerhalb des Netz-
werks betrachtet (Latour 1999). Zu nennen ist hier auch die Mate-
rial Engagement Theory (MET; Malafouris 2013). Der MET zufolge
6 Beispiele für Auseinandersetzungen mit Material Agency lassen sich
u.a. bezogen auf Mensch-Maschine-Interaktion (z.B. Fink und Weyer
2014), Tourismus (z.B. Ren 2010), Arbeitsplatz (z.B. Suchman 2007) und
Umweltbewegungen (z.B. Lockie 2004) finden.
94
Karsten D. Wolf und Konstanze Wegmann
übernehmen geschaffene (materielle) Umgebungen «an active role
in the structure of agency» (Ransom 2017, 2). Diese explizite Ein-
bindung nicht-menschlicher Elemente und Aktanten, wie sie in den
hier erwähnten strong views vertreten werden, stellt nicht nur eine
wichtige Passung zwischen Situational Analysis und der Mediatisie-
rungsforschung her, sondern gibt auch wichtige Impulse für die me-
dienpädagogische Forschung und Theoriebildung.
Die zunehmende Verbreitung von softwarebasierten Medien
lässt den Unterschied zwischen menschlichen Akteurinnen und Ak-
teuren sowie nicht-menschlichen Aktanten noch kleiner erscheinen.
Software kann als durch den menschlichen Akt des Programmie-
rens in (Programm-)Code encodierte Agency verstanden werden.
Wenn ein Programm läuft, stellt sich die Frage, wer AkteurIn oder
Aktant ist. Die laufende Software? Oder der/die Programmiere-
rIn? Und da sich die Software ja in der Hardware materialisiert (als
Prozessor-Design, als in Chipdesigns implementierte Algorithmen
z.B. zur Video-Komprimierung und -Dekomprimierung) bzw. als
Software-Download oder -Update die Praxen der Hardwarenutzung
verändern kann (z.B. durch eine neue App auf dem Smartphone oder
eine neue Funktion in einem Update) müssen alle technischen Medi-
en in die Analyse aufgenommen werden.
Die Situationsanalyse scheint hier eine geeignete Methode, um
alle in der Situation – und speziell für die Interaktion in der Situati-
on (siehe Strübing 2018) – relevanten Elemente (‹nicht-menschliche›
und ‹menschliche›) als kommunikative Figuration herauszuarbeiten
und in ihren Relationen analytisch greifbar zu machen. Unter Ein-
bezug der Diskurs-Theorie nach Foucault werden dabei auch explizit
Machtverhältnisse berücksichtigt und analysierbar gemacht.
Analytisch besonders vielversprechend für Fragen der Medien-
pädagogik scheinen hier u.a. Fragen nach dem damit einhergehen-
den ‹Empowerment›. Tutorials oder Erklärvideos (siehe Definitionen
Wolf 2015) beispielsweise, haben das Potential, Laien-Produzierende
95
Situationsanalyse in der medienpädagogischen Mediatisierungsforschung
durch ihre eigene Handlung – ermöglicht durch Medien – zu einer
Art Expertinnen- und Experten-Status zu verhelfen bzw. diesen zu
kommunizieren, während sich Nutzende durch ihre selbstbestimm-
te Aneignung der auf diese Weise medial kommunizierten Kompe-
tenzen oder Wissensinhalte potenziell selbst zu Expertinnen und
Experten bilden können. Dabei werfen diese mit der Mediatisierung
einhergehenden Möglichkeiten der Mediennutzung neue Fragen
nach dem veränderten Verhältnis formalen und informellen Lernens
und den sich so (potenziell) transformierenden Machtverhältnissen
zwischen Expertinnen und Experten (z.B. Lehrpersonen) und Laien
(z.B. Schülerinnen und Schüler) auf. Eine weitere Frage ist, wie (bzw.
ob) sich die Handlungsfähigkeit von Produzierenden, Medien und
Nutzende unterscheidet, wie sie sich wechselseitig beeinflusst, wer
also wie zur Handlungsfähigkeit aller anderen Elemente einer Situ-
ation beiträgt.
4.4 Identifikation von impliziten / zum Schweigen gebrach-
ten / versteckten Akteurinnen und Akteure
Im gesamten Forschungsprozess der Situationsanalyse sollte sich
der/die Forschende immer wieder die Fragen stellen, was oder wer
zusätzlich relevant sein könnte, aber noch nicht genannt wurde, und
warum diese/r AkteurIn, dieser nicht-menschliche Aktant, diese Dis-
kursposition keine Erwähnung findet. Clarke (z.B. 2005) nennt diese
Akteurinnen, Akteure und Aktanten implicated/silent actors/actants.
Dies können zum einen Personen sein, die physisch anwesend sind,
aber nicht erhört, sondern ignoriert und/oder übersehen werden;
zum anderen Personen, die physisch nicht anwesend sind, aber in-
nerhalb der sozialen Welt diskursiv konstruiert werden. Die zentra-
len analytischen Fragen dabei sind «Whose constructions of whom/
what exist? Which are taken as the ‹real› constructions or the ones
that matter most in the situation by the various participants? Which
are contested? Whose are ignored? By whom?» (Clarke et al. 2018,
77). Das Konzept der implicated actors and actants sollte dabei als
Ausgangslage dienen, um die Machtverhältnisse innerhalb sozialer
96
Karsten D. Wolf und Konstanze Wegmann
Welten sowie die Situiertheit von weniger machtvollen Akteurin-
nen, Akteure und Aktanten und die Konsequenzen, die dies für alle
Akteurinnen, Akteure und Aktanten innerhalb der Situation hat, zu
analysieren.
4.5 Visualisierung durch Karten
Alle bisherigen Überlegungen integrierend, entwickelt Clarke drei
Typen von Maps, die das Material im Analyse-Prozess zugänglich
machen sollen: Situationsmaps, Soziale Welten/Arenen Maps und Po-
sitionsmaps. Diese visuelle Darstellung lehnt sich an soziologische
Karten der Chicago School of Sociology und damit auch an die So-
zialen Welten/Arenen von Strauss an. Diese im nächsten Kapitel zu
beschreibenden Karten dienen insbesondere der Unterstützung des
Forschungsprozesses, können jedoch auch zur Ergebniskommuni-
kation beitragen.
Die Praxis des Mappings innerhalb der Situationsanalyse wird
im Folgenden entlang einer Beispielstudie von Wolf und Wudarski
(2017) verdeutlicht.
5. Maps der kommunikativen Figurationen des in-
formellen Lernens
Das Ziel der hier exemplarisch beschriebenen Studie «Kommuni-
kative Figurationen des informellen Lernens» (Wolf und Wudarski
2017) war die Untersuchung des autodidaktisch-informellen Lernens
von Amateurinnen und Amateuren in zwei ausgewählten Domänen.
Das Projekt war explizit als eine interdisziplinäre Kombination aus
Medien- und Kommunikationsforschung sowie Bildungsforschung
konzipiert (sensu Drotner und Erstad 2014). Als Lerndomänen dien-
ten zwei Praxisdomänen DIY (Do It Yourself) / MAKER sowie MOG
(Multiplayer-Online-Gaming), welche sich durch überwiegend infor-
melle Lernkulturen und eine hohe Beteiligung von Amateurinnen
und Amateuren beschreiben lassen, welche aber unterschiedlich
97
Situationsanalyse in der medienpädagogischen Mediatisierungsforschung
enge Bezüge zur Digitalisierung haben (Wolf und Wudarski 2017,
131f.).
Die grundlegende Frage der Studie war, ob und auf welche Weise
Amateurinnen und Amateure in einer sich verändernden Medien-
umgebung neue Zugänge der Selbstexpertisierung wahrnehmen
oder schaffen. Der Diskurs zu diesem Thema reicht von euphorischen
Beschreibungen einer potentiellen Ermächtigung (Ito et al. 2009;
Thomas und Brown 2011; Gee 2013) bis hin zu kulturpessimistisch-
ablehnenden Positionen (Keen 2007; Carr 2011; Lanier 2013; Selwyn
2013) und empirischen Studien, welche zumindest Zweifel an der
Breite des Phänomens aufkommen lassen (Gibbons 2008; Ragnedda
und Muschert 2013; Lane 2009; Friesen und Lowe 2012). Basierend
auf dem theoretischen Modell kommunikativer Figurationen sollten
mittels einer Kombination von GTM und Situationsanalyse folgende
Ziele erreicht werden:
Figurative Rekonstruktion der Selbstexpertisierung in zwei Do-
mänen;
Vergleich dieser Figurationen zwischen den Inhaltsdomänen;
Identifikation von (Diskurs-)Arenen des informellen Lernens;
Identifikation von Diskurspositionen.
Da sowohl Situationsanalyse als auch GTM keine Vorgaben zur
Datensammlung machen, ist zunächst zu klären, welche Datener-
hebungsformen sich zur empirischen Erforschung kommunikativer
Figurationen des Lernens anbieten. Als mögliche Formen wurden
zunächst identifiziert: (1) Interviews mit Lernenden; (2) Teilnehmen-
de Beobachtung in analogen Lernkontexten; (3) Netnographische
Analysen von mediatisierten Lernkollektiven; (4) (Online-)Fragebo-
generhebungen in abgegrenzten Lernkollektiven und Communities;
(5) Lern- und Medientagebücher bzw. automatisiertes Tracking di-
gitaler Nutzungsprozesse; (6) Digital Methods, insbesondere Data
Scraping, also das Sammeln von Daten wie z.B. Kommentaren, Likes
oder Playlists auf digitalen Online-Medien.
98
Karsten D. Wolf und Konstanze Wegmann
Zentrale Datenerhebungsmethoden in der hier beschriebenen Stu-
die waren überwiegend Interviews, teilnehmende Beobachtung und
Netnographie. Nur so konnten sowohl die analoge, passiv-digitale
als auch die aktiv-digitale Nutzung rekonstruiert werden. Interviews
sind dabei besonders geeignet, die Breite individueller Kommuika-
tionsrepertoires zu erschliessen (Klein et al. 2016). Die teilnehmen-
de Beobachtung ist für das Erfassen impliziter und nicht-bewusster
Lern- und Mediennutzungsprozesse wichtig. So hatten z.B. Ler-
nende in der Domäne DIY-Trendsportarten in Interviews von einer
kritischen Einstellung zu sozialen Medien sowie einer reduzierten
Nutzung berichtet, in der teilnehmenden Beobachtung in offenen
Werkstätten oder Skateparks wurde jedoch offensichtlich, dass ins-
besondere Filme sowie Informationen über neues «Gear» laufend auf
mobilen Geräten angeschaut, geposted, geliked und kommentiert
wurden und für das Erlernen neuen Wissens oder als Inspiration für
neue Lernprojekte eine zentrale Rolle einnehmen. Netnographische
Analysen erkunden die digitalen Spuren der Lernkommunikation
mediatisierter Lernkollektive (Wolf und Breiter 2014): Individuen
dokumentieren online ihre Problemlöse-Prozesse, machen diese so-
mit für andere findbar und helfen sich dadurch gegenseitig. Über
die Online-Analyse dieser Kommunikationspraxen lassen sich ins-
besondere die öffentlichen und weit verbreiteten Teile kommuni-
kativer Figurationen in Form der Kommunikationsensembles und
Akteurskonstellationen nachzeichnen sowie Diskurse analysieren.
Fragebogenerhebungen, Tagebücher und Data Scraping wurden
in der hier vorgestellten Studie nicht genutzt, sie dienen insbeson-
dere einer datenmässigen quantitativen Unterfütterung der bereits
vorgestellten Erhebungsmethoden, indem z.B. durch eine Online-
Erhebung die Häufigkeit der Nutzung einzelner Elemente eines do-
mänenspezifischen Medienensembles erhoben wird. Data Scraping
kann allerdings auch als Basis für weitere qualitative Analysen ge-
nutzt werden, wenn z.B. Diskussionen in Foren zu Lernthemen für
eine qualitative Inhaltsanalyse oder eine kritische Diskursanalyse
extrahiert werden.
99
Situationsanalyse in der medienpädagogischen Mediatisierungsforschung
Im Folgenden werden die einzelnen Arten von Maps anhand von
Ergebnissen der Studie von Wolf und Wudarksi (2017) vorgestellt
und veranschaulicht.
5.1 Situationsmaps/-karten des informellen Lernens
Clarke benennt ein ganzes Set möglicher Elemente einer Situation.
Für diese sollen im Folgenden einige wenige Beispiele aus den Si-
tuationsmaps der Lerndomänen DIY_MAKER und MOG (Wolf und
Wudarski 2017) gegeben werden:
Individuelle menschliche Elemente / Akteurinnen und Akteure: dies
sind zunächst natürlich alle Interviewpartnerinnen und -partner,
aber auch deren Kommunikations-, Lernpartnerinnen und -part-
ner, besonders bekannte Personen, wie z.B. «Let’s Play»-YouTube-
rinnen und YouTuber oder Tutorial-Produzierende;
1. Nicht-menschliche Elemente / Aktanten: dies können z.B. Trainings-
Bots in Spielen sein, Selektionsalgorithmen auf YouTube, Fablabs,
Live-Streaming, Spielmechanismen, vielfältige Medienformate
und Onlinedienste wie z.B. Twitch oder TeamSpeak;
2. Kollektive menschliche Elemente / Akteurinnen und Akteure: Face-
book-Gruppen, Spielefirmen, Clans, Hersteller, Forenmitglieder,
Vereinsmitglieder;
3. Implizite / zum Schweigen gebrachte Akteurinnen und Akteure / Ak-
tanten: weibliche Spielerinnen;
4. Diskursive Konstruktionen individueller oder kollektiver menschlicher
Akteurinnen und Akteure: süchtige Videospielerinnen und -spieler,
Celebrity-Gamerinnen und -Gamer, «Nerds», kreative Makerin-
nen und -Maker, profitorientierte Computerspiel-Publisher;
5. Diskursive Konstruktionen nicht-menschlicher Aktanten: spielzeit-
verlängernde Computerspielgestaltung, Jugendschutz;
6. Politische/wirtschaftliche Elemente: In-App-Purchases, Maker-Ko-
dex, Datenschutz;
7. Soziokulturelle / symbolische Elemente: Gender, Hacker-/Maker-
Kultur;
100
Karsten D. Wolf und Konstanze Wegmann
8. Temporale & räumliche Elemente: offene Werkstätten, E-Sport-
Events;
9. Zentrale Streitpunkte und Debatten: Kommerzialisierung, Teilen;
10. Verwandte / zugehörige Diskurse: Gewalt in Spielen; und
11. ggf. andere Elemente.
In der Analyse kommunikativer Figurationen sind die ersten
Versionen der Situationsmaps zunächst ein Annähern an die zu be-
trachtende Figuration. Aus unserer Sicht erscheint die Erstellung von
Situationsmaps in jeder GTM-Studie – und insbesondere bei medienpä-
dagogischen Forschungsprojekten – sinnvoll, da sie bei der Strukturie-
rung des Untersuchungsraumes sowie dem Theoretical Sampling
wertvolle Dienste leisten, auch wenn man die Situationsmap nur für
die Analyse nutzt und weitere Arten von Maps der Situationsanalyse
nicht erstellt. Um nun diese Figurationen innerhalb ausgewählter
Lerndomänen aus einer situativen Perspektive zu rekonstruieren
bzw. zwischen diesen zu vergleichen, bedarf es Multi-Site-Studien,
also eines Untersuchungsdesigns, welches eine Datenerhebung an
verschiedenen «Orten» (Material) umfasst. Dies ist notwendig, um
getrennte Teile einer Figuration zu entdecken. In der Studie von
Wolf und Wudarski waren dies neben überwiegend teilnehmenden
Beobachtungen und ad-hoc-Interviews in Clan-Häusern/-Wohnun-
gen, E-Sport Events, Fablabs, offene Workshops und Fachgeschäfte
sowie Netnographie auf einer Vielzahl von Webseiten und in Apps.
Zum Beispiel konnten Wolf und Wudarski (2017) in der Domäne
des Handarbeitens ältere Lernende identifizieren, welche nur ana-
loge Medien wie gedruckte Zeitschriften und Bücher, mündliche
Kommunikation mit Familienmitgliedern und Freundinnen in Pri-
vathaushalten sowie mit Besitzerinnen und Besitzern bzw. Ange-
stellten in Strickwarenläden bzw. -abteilungen zum Lernen nutzten.
Eine andere Gruppe überwiegend junger, ausschliesslich weiblicher
Lernerinnen wurde über YouTube auf das Stricken aufmerksam,
nutzte dann wachsende digitale Medienrepertoires wie z.B. Pinte-
rest, Blogs und Craftsy, aber keinerlei analoge Medien. Um eine um-
fassende Beschreibung der Konfiguration zu entwickeln, war es also
101
Situationsanalyse in der medienpädagogischen Mediatisierungsforschung
im Sinne eines Theoretical Samplings notwendig, «analoge» Orte
zu erkunden, um wichtige Offline-Bereiche einer Lernfiguration zu
entdecken, und umgekehrt (siehe auch Positionsmaps weiter unten).
Auch fanden Wolf und Wudarski dort Lernende, welche Online-Me-
dien nur passiv nutzten, diese jedoch ausdruckten und in ihre ana-
logen informellen Lerngruppen einführten. In sich anschliessenden,
vertiefenden Interviews mit jüngeren Lernenden mit eigenen You-
Tube-Channels oder Blogs konnte herausgearbeitet werden, dass
diese teilweise aktiv das Wissen z.B. ihrer älteren «Nonliner»-Ver-
wandten in analogen Kommunikationskontexten erkundeten oder
alte Bücher aus dem Antiquariat suchten, um dieses Wissen dann
wieder auf ihren YouTube-Kanälen oder Blogs in Form von Tutorials
zu teilen.
In dem Projekt wurden aus den Situationsmaps verschiedene
«Schnitte» angefertigt, welche insbesondere zur Analyse der Medie-
nensembles dienten. Situationsmaps sind gute Werkzeuge, um die
Situationen zu «befragen», allerdings eignen sie sich bei hinreichen-
der Komplexität weniger zur Darstellung in ihrer Ganzheit. Bezogen
auf eine spezifische Fragestellung, wie z.B. die Konstituierung von
domänenspezifischen Medienensembles in ihrer Widersprüchlich-
keit, Heterogenität oder Fragmentierung, sind sie sehr hilfreich.
Ausgehend von kommunikationsbezogenen Situationsmaps
der einzelnen Interviewpartnerinnen und -partner verdichtet man
schrittweise zu einem hochaggregierten Schnitt durch die kollektive
Situation. Abbildung 1 zeigt als Beispiel einen Vergleich der hochag-
gregierten Medienensembles der beiden Lerndomänen DIY_MAKER
und MOG. Durch die Erstellung und Analyse der Situationsmaps
umfassen diese nicht nur «klassische» oder «digitale» Medien wie
Bücher, Facebook oder Webseiten. Vielmehr werden weitere nicht-
menschliche Elemente / Aktanten sowie temporale und räumliche
Elemente als Teil des Medienensembles verstanden. So konstituieren
im DIY_MAKER-Medienensemble Ebay und Online-Shops, aber auch
Kataloge, Pinterest, Thingiverse sowie Repositorien, Werkstätten
102
Karsten D. Wolf und Konstanze Wegmann
und Messen kollektive Lernräume. Eine Werkstätte im Kontext des
informellen Lernens ist somit nicht nur ein Raum zur direkten Kom-
munikation, sondern ein Medium zur reziproken oder produzierten
Medienkommunikation, in dem z.B. die dort angeordneten und zur
Verfügung gestellten Geräte als Aktanten für die informellen Lern-
prozesse dienen, man face-to-face voneinander lernt, Tutorials pro-
duziert oder durch die sich in Produktion befindlichen Projekte der
anderen Akteurinnen und Akteure zu eigenen Lernprozessen ange-
regt wird.
Weitere «Dimensionen» einer Situationsmap des informellen
Lernens sind die Akteurinnen und Akteure / Aktanten sowie deren
kommunikativen Praxen. Zu der obigen Darstellung könnte man
also die Medienaktivität hinzufügen und als einen ersten einfachen
analytischen Schritt zwischen konsumptiver und produzierender
Nutzung von Medien (aktiv/passiv) unterscheiden, also z.B. Lesen
vs. Schreiben von Twitter-Beiträgen oder Lesen vs. Bearbeiten von
Wiki-Artikeln. Innerhalb des hier betrachteten Kommunikations-
ensembles waren diese Aktivitätstypen weitaus differenzierter. So
kann z.B. das Schreiben eines Blogs das einfache Posten von Beiträ-
gen sein, es kann aber auch intensive Interaktion mit anderen Blog-
gerinnen, Blogger und Lesenden über Kommentare, Backlinks oder
Blogparaden bedeuten. So können auch bei gleicher Zusammenset-
zung eines Medienensembles unterschiedliche Nutzendengruppen
anhand ihrer verschiedenen Nutzungsaktivitäten der gleichen Me-
dien identifiziert werden.
103
Situationsanalyse in der medienpädagogischen Mediatisierungsforschung
Abb. 1.:
MOG Medienensemble
Medienumgebung
DIY_MAKER Medienensemble
YouTube
Twitch/live streaming
Pinterest
Teamspeak
Facebook
Clan & Fan Websites
Websites der Game Publisher
Blogs
Spiele
Öentliche Werkstätten
Messen
Läden Bücher
gedruckte Zeitschrien
Private Werkstätten
Kurse
Foren
Instagram Gaming Konferenzen
Twitter
In-Game Chat
Wettbewerbe
Co-Workspaces
Handbücher
Repositorien
Google
Mods & Bots
Special Interest
News Websites
RSS & Kuratierung
Tutorial-Videos
Online-Shops
Ebay
Kickstarter
Rankings & Statistik-Datenbanken
Trailers
Betas
Patchnotes
Let‘s Play Videos
Instructables
Video Produktreviews
e-Books
Thingiverse
Online-Kurse
Kataloge
Anleitung
Hochaggregierte Map der Medienensembles der beiden Lerndomänen
DIY_MAKER und Multiuser Online Gaming (MOG). Quelle: Wolf und Wu-
darski 2017; eigene Übersetzung.
Die Situationsmap scheint insgesamt eine geeignete Methode zu
sein, um die Zusammenhänge zwischen allen hier in Einzelschritten
erhobenen Elementen zu integrieren und die Daten so für die Ana-
lyse greifbarer zu machen. Speziell die Verstrickung von Menschen
und Kommunikationsmedien in ihren Handlungen könnte mithilfe
einer Situationsmap abgebildet und so analytisch zugänglicher ge-
macht werden.
5.2 5.2 Soziale Welten/Arenen Maps des informellen Lernens
Soziale Welten/Arenen Maps umfassen alle Diskurse, Identitäten,
geteilte Werte, Handlungsorte, Beziehungen etc., die im Verlauf ei-
nes Projektes herausgearbeitet werden. Clarke et al. (2018, 148) defi-
nieren Soziale Welten als
«groupings of varying sizes, each of which has ‹a life of its own›
that is distinctively collective […]. Participants in social worlds
generate shared perspectives that form the basis for both indi-
vidual and collective identities.»
Dabei gibt es nicht nur Differenzen zwischen sich unterscheidenden
sozialen Welten («interworld differences»), sondern auch innerhalb
einer sozialen Welt («intraworld differences») bezüglich einzelner
Perspektiven und Eigenschaften. Diese Unterschiede können zu
104
Karsten D. Wolf und Konstanze Wegmann
Aufspaltungen führen, die Bucher (1962) als Segmente oder Subwel-
ten bezeichnet. Arenen bestehen aus vielfältigen sozialen Welten.
In ihnen werden vielfältige Probleme diskutiert und Konflikte aus-
getragen (Strauss 1978). Da in Arenen viele unterschiedliche soziale
Welten aufeinandertreffen, können Arenen, die über einen langen
Zeitraum bestehen, als ‹Orte› vielfältiger und komplexer Diskurse
verstanden werden. Um eine spezifische soziale Welt verstehen zu
können, ist es unerlässlich 1) die Arenen zu verstehen, in die die soziale
Welt eingebunden ist; 2) die anderen sozialen Welten zu verstehen, auf
die sie in den Arenen trifft, sowie die Diskurse, die dort verhandelt werden
(Clarke et al. 2018).
Soziale Welten/Arenen Maps werden auf Basis des Datenmate-
rials des gesamten Projektes erstellt. Wird während des Prozesses
bereits mit der Erstellung dieser Maps begonnen, sollten diese im
weiteren Verlauf immer wieder überarbeitet und die ursprünglichen
Maps zur Nachvollziehbarzeit des Auswertungsprozesses auf be-
wahrt und Memos verfasst werden. In ihrer Untersuchung sozia-
ler Arenen fokussierten Wolf und Wudarski (2017) die Akteurinnen
und Akteure in den kommunikativen Figurationen des informellen
Lernens und deren Diskurse: Lernende als individuelle Akteurinnen
und Akteure, Gruppen von gemeinsam problemlösenden Lernenden
als kollektive Akteurinnen und Akteure, kommerzielle Akteurinnen
und Akteure wie Verlage und Trainingsanbietende.
In der MOG-Akteurskonstellation werden die meisten (relevan-
ten) Spiele von kommerziellen Firmen produziert. MOG stellen ei-
nen grossen Markt für Computerspiele dar, erfordern aber neben
der kostspieligen Entwicklung auch weitere ressourcenintensive
Dienste wie Server. Selbst aus der Gemeinschaft der Spielenden
entwickelte «Community-Mods» (nicht kommerzielle Spielerwei-
terungen) wurden kommerzialisiert, so wie das populäre MOBA
Defense of the Ancients (Dota) oder das FPS Counter Strike. Durch
ihre wettbewerbsorientierte Struktur sind MOGs besonders für die
105
Situationsanalyse in der medienpädagogischen Mediatisierungsforschung
Umsetzung als E-Sport mit hohen Preisgeldern geeignet. Zusam-
men mit einer professionellen Presseberichtserstattung hat sich in
der Akteurskonstellation von MOG dadurch eine starke Diskursa-
rena der Kommerzialisierung entwickelt, in der mittlerweile auch
spielefremde Marken als Sponsoren agieren. Beispielhafte Diskurse
sind z.B. der Streit um neue Geschäftsmodelle der Spieleindustrie
in Form von F2P (Free 2 Play), DLC (Downloadable Content) und IAP
(In-App-Purchases) und ihre Auswirkungen auf die Gestaltung von
Spielen. Es finden sich verschiedene Positionen von Kritik aus dem
Journalismus (Spielepresse) bezüglich der Zerstörung des Spiels-
passes bis hin zu Optimierungsdiskussionen der Spieleentwickler.
Aktuell wurde in dieser Diskursarena sogar der Gesetzgeber aktiv,
als das Verbot von sogenannten «Loot-Boxen» diskutiert und in eini-
gen Ländern rechtlich umgesetzt wurde.
Eine weitere Diskursarena ist das Meta-Game. In dieser wer-
den alle Spielmechanismen und deren Änderung diskutiert. Spiele-
Entwickelnde befinden sich im Zentrum sowohl der Kommerziali-
sierungs- und der Meta-Game-Arena. Ihre Aufgabe ist es, die Spie-
le für die Spielenden (Spass) und die Produktionsfirmen (Gewinn)
möglichst attraktiv zu gestalten. Im Zentrum der Diskursarena
des Lernens befinden sich ernsthafte bzw. wettbewerbsorientierte
Amateurspielerinnen und -spieler, welche untereinander ihr Wissen
austauschen, und kommerziell orientierte Twitch-Streamerinnen,
-streamer und Let’s Play-Produzierende auf YouTube. Gelegenheits-
spielerinnen und -spieler (casual player) und nicht wettbewerbsori-
entiere Hobbyspielerinnen und -spieler beteiligen sich weniger an
lernrelevanten Meta-Game-Diskursen. Mit einem höheren Wissen
über das Meta-Game werden auch Spielende einflussreicher auf den
Meta-Game-Diskurs und können dadurch die Entwicklung von zu-
künftigen Patches und Spielen beeinflussen. Hier finden sich dann
auch indirekt mit dem Spielen berührte Akteurinnen und Akteure,
wie z.B. Eltern, Partnerinnen und -partner bzw. ein jeweils fehlen-
des soziales Umfeld, welche Teil des Meta-Game-Diskurses zu Sucht/
Exzessivem Spielen sind. In Abbildung 2 sind die in drei relevanten
106
Karsten D. Wolf und Konstanze Wegmann
Diskursarenen, Kommerzialisierung, Meta-Game und Lernen, be-
teiligten Akteurinnen und Akteure angeordnet. Horizontal ergeben
sich verschiedene Machtpositionen von Spielen über Analysieren hin
zu Beeinflussen und Definieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass
sich die Akteurinnen und Akteure über Lernen von einfachen Casu-
al Players zu einflussreichen Let’s Player-innen entwickeln können,
und dass die einzelne Machtposition von Millionen von Spielenden
über geteilte ablehnende Positionen z.B. zum DLC/IAP in der Sum-
me zu neuen Machtbalancen führen können (z.B. durch Kaufboykott
bzw. niedrigere Umsatzzahlen), welche dann zu Korrekturen auf Sei-
ten der Game Publisher und damit der Spieleentwickler führen.
Abb. 2.:
Spieleentwickler
Game Publisher
Casual Players
Spielepresse
Clan/Gilden Anführer
Hobbyspieler
Ernsthae/kompetitive Amateurspieler
e-Sport Pro-Gamers
Let‘s play YouTubers
Twitch live streamers
e-Sport Sponsoren
e-Sport Organisatoren
Spielejournalisten
500,000,000+
10,000,000+
10,000+
100+
1,000+
mod devs
Autoren von Premium Guides
Autoren von Walkthroughs & Guides
Anti-Spiel
Advokaten
Eltern &
Partner
analysieren
spielen
definieren
beeinflussen
Kommerzialisierung
Lernen
Meta-Game
Akteurinnen und Akteure des Lernens und relevante Diskursarenen
beim Multiplayer Online Gaming. Quelle: Wolf und Wudarski 2017; eige-
ne Übersetzung.
Im Vergleich dazu formen sich bei DIY_MAKER (siehe Abbildung
3) deutlich egalitärere Akteurskonstellationen heraus, da es weder
Ranglisten noch andere wettbewerbsorientierte Elemente gibt. Zum
Beispiel erklärte eine vegane Foodbloggerin, dass sie das meiste von
den Kommentaren und Ideen ihrer Lesenden lerne, die oft ihre Re-
zepte veränderten, erweiterten und ihr neues Wissen über Kommen-
tare teilten. Zwar fand sich auch in dieser Lerndomäne eine Soziale
Arena der Kommerzialisierung, die aber viel kleiner ist und eine ge-
ringere Machtposition aufweist als bei MOG. Während die Compu-
terspielebranche riesig ist (so machte z.B. das Spiele-Unternehmen
107
Situationsanalyse in der medienpädagogischen Mediatisierungsforschung
Electronic Arts laut eigenen Angaben 4,85 Mrd. $ Umsatz in 2017),
sind wichtige MAKER-Projekte wie z.B. die Physical-Computing-
Plattform Arduino Open Source Projekte, welche nicht primär auf
eine kommerzielle Umsatz- oder Gewinnmaximierung zielen. Da
es sehr viele unterschiedliche Interessen und Projekte in DIY_MA-
KER gibt, sind darüber hinaus die involvierten Firmen kleiner und
wenig bestimmend. Die zentrale Diskursarena in der DIY_MAKER-
Akteurskonstellation ist «Teilen und Gemeinschaft», da die meisten
Innovationen und Lernressourcen kollaborativ erstellt werden, so
dass selbst die kommerzielle DIY_MAKER-Presse an diesen Aktivi-
täten des Teilens teilnimmt.
Abb. 3.:
Anbieter
Kontributoren in oen
Hardware/Sowareprojekten
FabLab Mitglieder
Organisatoren von Messen
Pro-Tutorial-Autoren
Kommerzialisierung
Lernen
Pro-Blogger
Ausbilder
Teilen /
Vergemeinschaung
Likers/Followers
Kuratoren
Organisatoren von
Maker Fairs
Pro-Innovatoren
Crowdsourcers
Werkzeugfirmen
Mitarbeiter
in Läden DIY_Maker-Presse
Faszinierte Nicht-Machende
Innovative Community-
Mitglieder
Etsy/DaWanda Entrepreneure
Ladenbesitzer
Käufer fertiger
Maker-Produkte
Inspirierte Machende
Individuelle Innovatoren
100,000,000+
100,000+
10,000+
1,000+
Betreiber von
Repositorien
Innovation
Anwendung
Amateur Blogger
F&E Ingenieure
Akteurskonstellation in der Lerndomäne DIY_MAKER. Quelle: Wolf und
Wudarski 2017; eigene Übersetzung.
5.3 Positionsmaps des informellen Lernens
Positionsmaps widmen sich vollständig der Visualisierung von ver-
schiedenen Diskurspositionen – auch der nicht genannten – inner-
halb der relevanten Diskurse und der Herausarbeitung von Ähnlich-
keiten und Unterschieden. Ziel ist es dabei, die Diskurse zu ihren
eigenen Bedingungen und in ihren eigenen Worten abzubilden.
Positionsmaps tragen so dazu bei, die Heterogenität und Konflikte
innerhalb eines Diskurses deutlich zu machen und die gegensätzli-
chen Perspektiven der Beteiligten zu systematisieren. Als hilfreiche
108
Karsten D. Wolf und Konstanze Wegmann
Fragen für die Analyse von Diskursen nennen Clarke et al. (2018)
u.a. Warum sprechen Menschen darüber? Warum scheint es für sie so
wichtig zu sein? und Wer innerhalb meines Datenmaterials nimmt eine
gegensätzliche Position ein? Warum? Wie kann das Verhältnis zwischen
den Positionen beschrieben werden? Insgesamt liegt der Fokus bei Po-
sitions- sowie Soziale Welten/Arenen Maps – in Abgrenzung zu ei-
ner positivistischen Ausrichtung der Grounded Theory nach Strauss
und Glaser – auf der Rekonstruktion und Herausarbeitung von Kom-
plexität, insbesondere Variationen und Differenzen (Clarke 2011b).
Während also Situationsmaps vor allem der Darstellung der
Komplexität dienen, fokussieren Positionsmaps eher auf die poig-
nante Gegenüberstellung, aber auch die Identifizierung möglicher
von den Forschenden selbst übersehener bzw. nicht entdeckter
Positionen, was im Sinne des theoretischen Sampling der GTM zu
weiteren Suchbewegungen im untersuchten Forschungsfeld anre-
gen sollte. Nachfolgend ist in Abbildung 4 ein einfaches Beispiel für
die Positionsmaps der Expertisierungsmotivation in Multiplayer-
Online-Games dargestellt. Die Expertisierungsmotivation in MOG
ist aus vielerlei Perspektiven interessant. So ist es für Spieleprodu-
zierende wichtig, ein Spiel entwickeln zu lassen, welches herausfor-
dernd, aber erlernbar ist. Pädagoginnen und Pädagogen beobachten
häufig fasziniert die Energie, die von ihren Schülerinnen und Schü-
ler in das Erlernen eines Spieles gesteckt wird und fragen sich, was
sie daraus für ihren Unterricht lernen können; für «Serious Games»-
Entwickelnde ist es das zentrale Ziel ihrer Lernspiele.
Aus der Social Arena Map wurden dazu zwei dominante Diskur-
sarenen, Wettbewerb und Kommerzialisierung/Kosten, herausgelöst
und auf der Positionsmap vier Positionen auf Basis des Datenmate-
rials identifiziert. Die hier dargestellte Positionsmap in Abbildung 4
hätte wahrscheinlich auch aus einer qualitativen typisierenden In-
haltsanalyse entwickelt werden können – so nah sind die Positionen
an typischen Interviewpositionen – vorausgesetzt, die Analysedi-
mensionen wären vorgegeben gewesen.
109
Situationsanalyse in der medienpädagogischen Mediatisierungsforschung
+Besser werden um ein/e
stärkere/r Spieler/in zu sein
Trainieren, um zu gewinnen
Wettbewerb
-Mehr vom Spiel erleben Viel Spielen ohne zu bezahlen
- Kommerzialisierung / Kosten +
Tab. 1.: Positionsmap «Diskursive Positionen der Expertisierungsmotivation in
MOG». Quelle: eigene Darstellung.
Die Positionsmap in Abbildung 5 dagegen zeigt für DIY_MAKER
durch die explizite Aufnahme des Kommerzialisierungs-Diskurses
Positionen, die erst im Laufe der Situationsanalyse durch Theoreti-
cal Sampling identifiziert wurden. So erscheint Teilen und Kommer-
zialisierung zunächst widersprüchlich zu sein. Durch die gezielte
Erweiterung der Analyse konnten allmählich mehrere Positionen
identifiziert werden. So dient z.B. das offene Repository «Thingi-
verse» mit 3D-Druck-Konstruktionen der Druckerfirma MakerBot
zunächst einmal der Steigerung des Nutzwertes von 3D-Druckern
(also dem Produkt der Firma MakerBot, obwohl die Druck-Konstruk-
tionen auch mit anderen 3D-Druckern der Konkurrenz genutzt wer-
den können). In beiden Maps zeigen sich die Vielfältigkeit und auch
mögliche Widersprüche in den beiden Lerndomänen, was genau die
Zielsetzung einer Situationsanalyse ist.
+Zu einer besseren Gesell-
schaft beitragen
Customer Education & Empo-
werment zur Marktentwick-
lung
Teilen / Verge-
meinschaftung
Gemeinsam Projekte bewäl-
tigen, die man einzeln nicht
schafft
Crowdsourcing erfolgreich
umsetzen
-Dinge haben, die man sich
sonst nicht leisten kann oder
die es so nicht gibt
Eigene Ideen vermarkten
- Kommerzialisierung / Kosten +
Tab. 2.: Positionsmap «Diskursive Positionen der Expertisierungsmotivation in
DIY/MAKER». Quelle: eigene Darstellung.
110
Karsten D. Wolf und Konstanze Wegmann
6. Zusammenfassung und Ausblick
In diesem Beitrag wurden zunächst die Konsequenzen der kommu-
nikationswissenschaftlichen Mediatisierungstheorie für die medi-
enpädagogische Theorieentwicklung hinterfragt. Das besondere Po-
tenzial dieses Ansatzes liegt in der Hervorhebung der Betrachtung
von Medien als Systemelementen auf einer Mesoebene, welche nicht
mehr aus der kommunikativen Konstruktion der Gesellschaft – und
damit auch der Bildung – analytisch herausgelöst werden können.
Ein Denken und Forschen über Bildung ohne Medien scheint vor die-
sem Hintergrund nicht mehr sinnvoll.
Herausgearbeitet werden konnte ebenso, dass nach vielen sozi-
alwissenschaftlichen «Turns» die praxeologischen, situativen und
sozialkonstruktivistischen Ansätze der Mediatisierungstheorie eine
gute Passung haben zu den Erkenntnis- und Modellierungsinte-
ressen sowohl der subjekt- und handlungsbezogenen als auch der
kritischen und bildungsorientierten Ansätze der Medienpädagogik.
Als eine paradigmatische Theorieentwicklung wurde das Konzept
der kommunikativen Figurationen der Bremer und Hamburger For-
schungsgruppe «Communicative Figurations» (Hepp und CoFi Re-
search Network 2017) als Form einer nicht-medienzentrierten Ana-
lyse kommunikativer Prozesse unter besonderer Berücksichtigung
der Medien vorgestellt. Wie diese Position aus der Medienpädagogik
aufzugreifen ist, beschreibt der Beitrag anhand eines Forschungs-
projektes zum informellen Lernen (Wolf und Wudarski 2017). Dabei
wird die forschungsmethodologische Frage in den Vordergrund
gerückt. Anknüpfend an die GTM wird der Ansatz der Situations-
analyse nach Adele Clarke beschrieben, welcher eine entscheidende
Erweiterung der GTM vornimmt, die eine hohe Passung zum Er-
kenntnisinteresse und theoretischen Bezugsrahmen unseres For-
schungsinteresses aufweist. Basierend auf dem Ziel, die Komplexität
und Widersprüchlichkeit von Situationen herausarbeiten zu wollen,
werden in der Situationsanalyse Diskurse und nicht-menschliche
Elemente und Aktanten in die Analyse einbezogen. Dieser auch für
die Kommunikationswissenschaft neue Ansatz integriert also Fra-
gen nach Human/Material Agency und Dis-/Empowerment in die
111
Situationsanalyse in der medienpädagogischen Mediatisierungsforschung
Forschungsmethodik und sucht explizit nach impliziten oder ver-
steckten Akteurinnen und Akteuren. Hierfür werden Visualisie-
rungen in Form von Maps/Karten zur Darstellung der qualitativen
Auswertungsmethoden vorgeschlagen, die die Diskussion von Er-
gebnissen erleichtern können.
In der Darstellung der Ergebnisse konnte innerhalb dieses Bei-
trages nur eine Annäherung an die Vielschichtigkeit der Methode
geleistet werden, um erste Potentiale der Methodik zu verdeutlichen.
Insbesondere halfen die Situationsmaps beim Analysieren des Da-
tenmaterials sowie beim Theoretical Sampling in einer komplexen
Multi-Site-Studie. Die Integration von Theorien zur Material Agency
und zum Material Engagement erweitert die bisherigen methodi-
schen Ansätze der kommunikationswissenschaftlichen qualitativen
Netzwerkanalyse, um die kommunikativen Konstruktionsprozesse
der beteiligten Akteurinnen, Akteure und Aktanten systematischer
zu analysieren. Schliesslich führt die Diskursanalyse der Sozialen
Arenen sowie der Positionsmaps zu einer in der Medienpädagogik
äusserst wichtigen kritischen Auseinandersetzung mit den Aus-
handlungsprozessen zwischen Menschen, Kommunikationspraxen,
Bildung und Medien. Insofern bietet die Situationsanalyse sowohl
für kommunikations- und medienwissenschaftliche als auch für
medienpädagogische Forschungsprozesse, am besten jedoch für de-
ren Kombination, eine äusserst interessante methodische Plattform.
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Ausgehend von unseren drei ethnografischen Dissertationsprojekten untersuchen wir in diesem Beitrag, inwiefern die Situationsanalyse einen geeigneten Zugang zur Analyse der Materialität digitaler Artefakte bieten kann. So zeigt es sich als eine grundsätzliche Herausforderung in dem der Situationsanalyse zugrundeliegenden methodologischen Anspruch, das Nicht-Menschliche über die Mapping-Verfahren angemessen zu berücksichtigen. Wir unternahmen vor diesem Hintergrund den Versuch, die Verfahren der Situationsanalyse zur Erforschung der Materialität digitaler Artefakte zu erweitern.
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"To adequately capture and analyze mediatized socialization processes poses significant challenges for research. On the one hand, socialization is a complex and lengthy process in which different actors are involved. This process spreads over different social spaces of experience. On the other hand, the media conditions that frame this process have changed and differentiated considerably in the recent past. This article discusses which methodological requirements the increasing mediatization of children‘s worlds poses to socialization research. It discusses these against the background of an often one-sided or shortened view of research on the processes of growing up. It contrasts this with the theoretical approach of communicative figurations as a possibility of comprehensive access to socialization. The implications and challenges of the approach to empirical research are demonstrated by its constituent features. The article advocates the use of qualitative longitudinal methods in order to take into account the complexity of the research subject." (Abstract)
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Schon seit mehr als zehn Jahren sind digitale Spiele in Deutschland als Kulturgut anerkannt und Computerspielen wird im Kontext des medienpädagogischen Diskurses – wenn auch eher vereinzelt – als spezifisch situierte medial-kulturelle Praktik thematisiert, die als „eine kulturell geprägte, aktive und soziale Auseinandersetzung mit dem Spiel als Artefakt, Regelwerk und Geschichte“ zu denken ist. Immer offensichtlicher wird, dass Spielen durchaus nicht alleine Spielen ist und die Auseinandersetzung mit dem Artefakt Computerspiel einen gemeinschaftlichen, einen sozialen und einen kulturellen Aspekt impliziert. So verweisen Begriffe wie ‚Gaming Culture‘ oder auch ‚Videospielkultur‘ darauf, dass sich in und um digitale Spiele Kulturformationen herausbilden, die von Spieler*innen hervorgebracht, gelebt, reproduziert und transformiert werden.
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Der vorliegende Beitrag erörtert, in welcher Weise soziales Handeln unter den Bedingungen von Digitalisierung und Digitalität, hier spezifiziert auf mediatisiertes Lehr- und Lernhandeln, als Praktiken im Sinne einer praxeologischen Perspektive aufgefasst und durch eine (partizipative) mediendidaktische Brille interpretiert werden können. Dafür werden praxistheoretische bzw. praxeologische Begriffe und Grundlagen ausgeführt und aus mediendidaktischer Perspektive betrachtet. Fazit ist hierbei, dass über diese Perspektive eine theoretische Anbindung der partizipativen Mediendidaktik an soziologische Überlegungen möglich ist.
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Ausgehend von aktuellen medialen Entwicklungen und den Veränderungen der Mediennutzungsmuster von Jugendlichen versucht der Artikel den Medienbildungsbegriff systematisch mit den Komplexen Medienerziehung, Medienaneignung, Medienliteralität und Medienkompetenz zu verbinden, indem Medienbildung mit jeweils zwei dieser Komplexe in Beziehung gesetzt wird. Als zentrales Ergebnis dieser Betrachtung scheint es notwendig, den individuen-zentrierten und vorwiegend institutionalisierten Ansatz der Selbstgestaltung innerhalb der Medienbildung um vielfältige und informelle Formen selbstorganisierten sozialen Lernens in Online-Vergemeinschaftungen wie Social Networks zu erweitern. Beim Medienhandeln in einer partizipativen und kollektiven (Online-)Kultur geht es nicht mehr vornehmlich um die Gestaltung des eigenen Selbst, sondern um eine relationale und gemeinsame Gestaltung im Sinne einer Unsgestaltung der Teilnehmenden.
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In der Medienpädagogik findet zur Zeit ein theoretischer Konsolidierungsprozess statt. Er folgt der Entwicklung der Medien und ist Ausdruck der Tatsache, dass Medienpädagogik nicht mehr ihre Existenz begründen muss, sondern als wissenschaftliche Disziplin anerkannt wird und sich ergo um theoretisches Rüstzeug für die Bewältigung ihrer empirischen wie praktischen Aufgaben bemühen muss. Dabei bezieht sie sich auf den wissenschaftlichen Diskurs um Medien. Dieser Diskurs, der in der Erziehungswissenschaft erst in Ansätzen, in den anderen Sozialwissenschaften schon intensiver und am intensivsten in der Kommunikationswissenschaft geführt wird, bemüht sich Schritt zu halten mit der noch immer schnellen Medienentwicklung hin zur vollständigen Omnipräsenz und Omnipotenz der Medien.
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An examination of young people's everyday new media practices—including video-game playing, text-messaging, digital media production, and social media use. Conventional wisdom about young people's use of digital technology often equates generational identity with technology identity: today's teens seem constantly plugged in to video games, social networking sites, and text messaging. Yet there is little actual research that investigates the intricate dynamics of youths' social and recreational use of digital media. Hanging Out, Messing Around, and Geeking Out fills this gap, reporting on an ambitious three-year ethnographic investigation into how young people are living and learning with new media in varied settings—at home, in after-school programs, and in online spaces. Integrating twenty-three case studies—which include Harry Potter podcasting, video-game playing, music sharing, and online romantic breakups—in a unique collaborative authorship style, Hanging Out, Messing Around, and Geeking Out is distinctive for its combination of in-depth description of specific group dynamics with conceptual analysis.
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This open access volume is about how to research the influence of our changing media environment. Today, there is not one single medium that is the driving force of change. With the spreading of various technical communication media such as mobile phone and internet platforms, we are confronted with a media manifold of deep mediatization. But how can we investigate its transformative capability? This book answers this question by taking a non-media-centric perspective, researching the various figurations of collectivities and organizations humans are involved in. The first part of the book outlines a fundamental understanding of the changing media environment of deep mediatization and its transformative capacity. The second part focuses on collectivities and movements: communities in the city, critical social movements, maker, online gaming groups and networked groups of young people. The third part moves institutions and organizations into the foreground, discussing the transformation of journalism, religion, politics, and education, whilst the fourth and final part is dedicated to methodologies and perspectives.
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The term ›Post-digital culture‹ describes a condition where digitality is deeply embedded not only into the medial aspects of everyday life, but also into the infrastructural and material layers of culture. The conditions of processes of subjectivation are transformed through the digital designs on multiple levels. Aesthetic education is discussed as a particular doorway to relate to transformations of the sensual, medial and material conditions of subjectivation through digital designs.
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An account of the different ways in which things have become cognitive extensions of the human body, from prehistory to the present. An increasingly influential school of thought in cognitive science views the mind as embodied, extended, and distributed rather than brain-bound or “all in the head.” This shift in perspective raises important questions about the relationship between cognition and material culture, posing major challenges for philosophy, cognitive science, archaeology, and anthropology. In How Things Shape the Mind, Lambros Malafouris proposes a cross-disciplinary analytical framework for investigating the ways in which things have become cognitive extensions of the human body. Using a variety of examples and case studies, he considers how those ways might have changed from earliest prehistory to the present. Malafouris's Material Engagement Theory definitively adds materiality—the world of things, artifacts, and material signs—into the cognitive equation. His account not only questions conventional intuitions about the boundaries and location of the human mind but also suggests that we rethink classical archaeological assumptions about human cognitive evolution.
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This handbook on Mediatization of Communication uncovers the interrelation between media changes and changes in culture and society. This is essential to understand contemporary trends and transformations. “Mediatization” characterizes changes in practices, cultures and institutions in media-saturated societies, thus denoting transformations of these societies themselves. This volume offers 31 contributions by leading media and communication scholars from the humanities and social sciences, with different approaches to mediatization of communication. The chapters span from how mediatization meets climate change and contribute to globalization to questions on life and death in mediatized settings.The book deals with mass media as well as communication with networked, digital media. The topic of this volume makes a valuable contribution to the understanding of contemporary processes of social, cultural and political changes.The handbook provides the reader with the most currentstate of mediatization research.