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Die Spuren der Handschrift
im Gehirn
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1/2020 · lehrer nrw
Das Schreiben mit Stift und Papier hat auch
im digitalen Zeitalter seine Berechtigung und
ist kein überkommenes Relikt. Dies erläuterte
der Psychologe und Hirnforscher Prof. Dr. Mar-
kus Kiefer in einem Vortrag auf dem Mülhei-
mer Kongress von lehrer nrw.
Vor über 5.000 Jahren begannen Menschen in Mesopo-
tamien und Ägypten, Gedanken, Fakten oder Verträge
mit Schriftzeichen festzuhalten. Sie ritzten mit einem Stift
Symbole in den Ton oder malten mit Schilfrohr oder Fe-
der Zeichen auf Papyrus und Pergament. Später wurde
mit Füller, Bleistift oder Kugelschreiber auf Papier ge-
schrieben. Auch wenn diese Schreibwerkzeuge im Lauf
der Zeit durch Druckerpresse und Schreibmaschine er-
gänzt wurden, war die Schriftsprachkultur über Tausen-
de von Jahren hinweg durch Handschreiben geprägt.
In den letzten Jahren hat sich die Art des Schreibens
jedoch massiv gewandelt. Digitale Schreibgeräte wie
Computer, Tablets oder Mobiltelefone ersetzen zuneh-
mend die Handschrift. Aufgrund der Allgegenwart von
digitalen Geräten in Privathaushalten kommen Kinder-
gartenkinder zunehmend durch Tippen auf digitalen
Geräten in Kontakt mit der Schriftsprache. Gleichzeitig
ist ein auch politisch gewollter Trend vorhanden, digita-
le Geräte an Kindergärten, Grundschulen und weiter-
führenden Schulen in großem Umfang einzuführen, be-
fördert nicht zuletzt durch den DigitalPakt Schule von
Bund und Ländern. Da Lese- und Schreibfähigkeit wich-
tige Voraussetzungen für den Schul- und Berufserfolg
darstellen, ist es wichtig, die Folgen der Digitalisierung
des Schreibens für diese Fähigkeiten aufgrund wissen-
schaftlicher Erkenntnisse abzuschätzen. Klar ist jetzt
schon, dass häufiges Tippen auf einer Tastatur anstelle
von Handschreiben mit einer verringerten Feinmotorik
einhergeht, wie eine Arbeitsgruppe um den Dortmun-
der Psychologen Herbert Heuer herausgefunden hat.
Schreiben im digitalen Zeitalter
Fakt ist: Aufgrund der zunehmenden Digitalisierung
des Alltags wird immer mehr auf digitalen Geräten
getippt und immer weniger mit Stift und Papier ge-
schrieben. Es gibt sogar Stimmen, die dafür plädieren,
den »Tod der Handschrift« aktiv herbeizuführen, indem
Kinder Handschreiben erst gar nicht mehr in der
Grundschule erlernen, sondern die Schriftsprache per
Tippen auf einem Laptop oder Tablet-Computer erwer-
ben. So wird im SZ Magazin (06/2012) argumentiert,
dass das Erlernen einer flüssigen Handschrift für Kin-
der ein mühsamer Prozess sei, der viel Unterrichtszeit
beanspruche. Gleichzeitig habe die Handschrift im
Erwachsenenalter eine immer geringere Bedeutung.
Auch brächten die Kinder immer weniger feinmotori-
sche Fähigkeiten mit, die für das Handschreiben unab-
dingbar sind. Da Kindern das Tippen auf einer Tasta-
tur leichter falle als das Schreiben mit Stift und Papier,
seien digitale Schreibgeräte für den Schriftspracher-
werb von Vorteil. Wenn das mühsame Erlernen einer
Handschrift an den Grundschulen entfalle, könne
auch mehr Unterrichtszeit für textgestalterische Aspek-
te oder für andere Unterrichtsinhalte verwendet wer-
den, so das Argument.
Basierend auf diesen Ideen haben einige Pilotschu-
len in der Stadt Sollentuna in Schweden den Schrift-
spracherwerb per Handschrift in der ersten Klasse der
Grundschule abgeschafft. Das Erlernen der Hand-
schrift erfolgt erst in der zweiten Klasse. Evaluationsbe-
funde der wissenschaftlichen Begleitung dieser Schu-
len durch ein Team um Annika Genlott und Åke Grön-
lund zeigen, dass der computergestützte Unterricht, in
dem die Kinder auf einer Tastatur Schreiben per Tip-
pen erlernen, dem traditionellen Unterricht per Hand-
schreiben in Bezug auf Schreib- und Leseleistung der
Kinder überlegen ist. Interessanterweise war dies aber
nur dann der Fall, wenn der digitale Unterricht in ein
aufwändiges pädagogisches Konzept eingebettet war,
in dem reichhaltige Interaktionen zwischen den Kin-
dern untereinander und zwischen den Kindern und
den Lehrkräften vorgesehen waren. Wurde der Laptop
ohne dieses pädagogische Konzept in den Klassen
zum Schreiben verwendet, waren die Leistungen der
Kinder im digitalisierten Unterricht mit denen der
Kinder im traditionellen Unterricht vergleichbar bzw. in
manchen Bereichen (zum Beispiel Mathematik) sogar
schwächer.
Dies zeigt, dass vor allem das pädagogische Konzept für
den Lernerfolg entscheidend ist und nicht die Verwendung
eines digitalen Gerätes im Unterricht. Obwohl es keine ein-
deutige Evidenz für den Vorteil des Tippens auf digitalen
Geräten für den Schriftspracherwerb gibt, wird Handschrei-
ben immer wieder als Kulturtechnik aus vergangenen Jahr-
hunderten belächelt, die im Unterricht des digitalen Zeital-
ters keinen Platz mehr hat. Gibt es wissenschaftlich fundier-
te Gründe für das Beibehalten der Handschrift im Schulun-
terricht, die über Sentimentalität hinausgehen?
Qualität motorischer Programme
beim Handschreiben vs. Tippen
Bei der Beurteilung von Vor- und Nachteilen von Schreibgerä-
ten für den schulischen Unterricht sollten allerdings nicht nur
die höheren Anforderungen an die Feinmotorik beim Schrei-
ben mit Papier und Stift im Vergleich zum Tippen auf einer
Computertastatur betrachtet werden. Genauso wichtig, wenn
nicht gar wichtiger, ist die Qualität der kognitiven Prozesse,
die beim Schriftspracherwerb oder auch beim flüssigen
Schreiben durch ein Schreibgerät gleichsam beiläufig aus-
gelöst werden. Hier ist zu beachten, dass beim Handschrei-
ben jeder einzelne Buchstabe durch eine spezifische Schreib-
bewegung geformt werden muss. Das motorische Programm
beim Schreiben greift somit die Gestalt der Buchstaben auf.
Das hat zur Konsequenz, dass die durch das Handschreiben
angelegte motorische Gedächtnisspur die visuelle Gedächt-
nisspur zur Buchstabenform unterstützen kann. Die Bewe-
gung beim Tippen auf einer Tastatur variiert zwar räumlich
je nach gedrückter Taste, steht aber in keinem inhaltlichen
Zusammenhang mit der Buchstabenform. Der Informations-
gehalt der beim Schreiben angelegten motorischen Ge-
dächtnisspur ist somit beim Tippen auf einer Tastatur gerin-
ger als beim Schreiben mit Stift und Papier. Hat diese reich-
haltige Gedächtnisspur, die beim Handschreiben angelegt
wird, eine Bedeutung für Lesen und Schreiben?
Denken und Gedächtnis verkörpert
in Sinnes- und Handlungserfahrung
Um diese Frage verständlicher beantworten zu können, wol-
len wir zunächst die grundlegende Bedeutung von Sinneser-
fahrungen für Denken und Sprache betrachten. Moderne ko-
gnitionswissenschaftliche Ansätze zeigen, dass die Qualität
unserer Sinnes- und Handlungserfahrungen einen entschei-
denden Einfluss auf Gedächtnis, Sprache und Denken hat.
Nach der Vorstellung des ’verkörperten’ Denkens (’embodied’
cognition) ist unser Wissen nicht abstrakt, sondern wesentlich
aus Wahrnehmung und Handlung abgeleitet – eine Grund-
idee, die jeder Lehrkraft zum Beispiel im Zusammenhang mit
handlungsorientiertem Unterricht vertraut ist. Das erworbene
Wissen ist in neuroanatomischer Nähe zu den entsprechen-
den sensorischen und motorischen Bereichen im Gehirn ab-
gespeichert. So ist das Wissen, dass ein Hund vier Beine hat,
nach diesen Ansätzen in anatomischer Nähe der visuellen
Hirnrinde abgespeichert. Das Wissen, dass man einen Hund
streicheln kann, ist dagegen in anatomischer Nähe der moto-
rischen Hirnrinde abgelegt.
Nach Modellen der verkörperten Kognition sind Denken
und Sprache in ihrem Wesen in früheren Sinneswahrneh-
mungen verankert, auch wenn deren Reaktivierung beim
Denken oder bei der sprachlichen Kommunikation nicht
notwendigerweise mit einem bewussten Wiedererleben der
Sinnesempfindungen einhergehen muss. Zahlreiche neuro-
wissenschaftliche Untersuchungen belegen mittlerweile,
dass beim Denken und beim Verstehen von Sprache Berei-
che im Gehirn aktiv sind, die für Sehen, Hören, Schmecken
und Motorik zuständig sind. Verhaltenspsychologische
Studien zeigen, dass abstrakte Zahlbegriffe selbst beim
Erwachsenen noch eng mit Fingerbewegungen, die beim
Abzählen verwendet werden, verknüpft sind.
Von großer Bedeutung ist die reichhaltige Sinneserfah-
rung beim Wissenserwerb. So konnten wir in einer Trai-
nings-Studie mit unbekannten, neu zu erlernenden Objekt-
begriffen (’nobjects’) nachweisen, dass im Gehirn eine mo-
torische Gedächtnisspur nur dann für den Objektbegriff an-
gelegt wird, wenn die Lernenden sinnvolle Handlungen mit
dem Objekt vollziehen, nicht aber wenn sie eine sinnfreie
Zeigebewegung zu dem Objekt ausführen. Außerdem wur-
den die Objektbegriffe schneller gelernt, wenn eine sinnvol-
le Handlung während des Lernens durchgeführt wurde.
Diese Befunde zeigen, dass eine zusätzliche motorische
Gedächtnisspur, das Lernen der Bedeutung von neuen
Wörtern befördert.
Handschrift aktiviert motorische
Bereiche des Gehirns
Lassen sich diese Befunde zu Objektbegriffen auch auf das
Erlernen von Buchstaben per Handschrift übertragen? Zahl-
reiche Studien von den Psychologen Marieke Longcamp
und Jean-Luc Velay von der Universtiät Marseille haben
gezeigt, dass nicht nur visuelle, sondern auch motorische
Bereiche des Gehirns aktiv werden, wenn Erwachsene, die
traditionellerweise Handschreiben gelernt haben, Buchsta-
ben betrachten. Diese Aktivierung in den motorischen Berei-
chen des Gehirns wurde auch beobachtet, wenn Erwachse-
ne unbekannte Buchstaben aus einem asiatischen Alpha-
bet per Handschrift erlernen. Die motorische Aktivierung
blieb aber aus, wenn beim Lernen die unbekannten Buch-
staben auf einer Tastatur getippt werden.
In ähnlicher Weise beobachtete ein Forscherteam um Karin
James von der Indiana Universität in einer Trainingsstudie
bei fünfjährigen Kindern nur dann eine Aktivierung in motori-
schen Gehirnbereichen beim Betrachten von Buchstaben,
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wenn sie diese zuvor per Handschreiben gelernt hatten.
Auch hier blieb die motorische Aktivierung beim Be-
trachten der Buchstaben aus, wenn die Kinder die Buch-
staben beim Lernen auf einer Tastatur getippt hatten. In-
teressanterweise hatte das Handschreiben beim Lernen
auch einen positiven Einfluss auf die Verarbeitung der
Buchstaben im Sehsystem der Kinder. Nur wenn die
Buchstaben mit Stift auf Papier beim Lernen geschrieben
wurden, zeigte sich nach dem Training eine Aktivierung
in einem Bereich des Sehsystems der linken Hirnhälfte, in
dem bei Erwachsenen bekanntermaßen Buchstaben
verarbeitet werden.
Die Befunde lassen vermuten, dass Handschreiben
eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass sich bei
Kindern die für das Buchstabenerkennen typischen
Schaltkreise des Gehirns herausbilden. Im Einklang
mit den oben beschriebenen Modellen der verkörper-
ten Kognition zeigt sich, dass für Buchstaben, die mit
Handschreiben erlernt wurden, nicht aber für Buchsta-
ben, die per Tippen trainiert wurden, neben der visuel-
len Gedächtnisspur eine motorische Gedächtnisspur
angelegt wird. Ist diese zusätzliche motorische Ge-
dächtnisspur, die beim Handschreiben angelegt wird,
in der Tat förderlich für das Lesen und Schreiben Ler-
nen bei Kindern nach dem Motto ’Doppelt genäht hält
besser’?
Stift, Tastatur oder Tablet Stylus
beim Schreiben lernen
Um diese Frage zu beantworten, wurde bei Kindergar-
tenkindern eine Reihe von Trainingsstudien durchge-
führt, in denen die Kinder Buchstaben per Handschrei-
ben mit Stift und Papier oder per Tippen auf einer
Computertastatur lernten. In den Studien wurden Kin-
dergartenkinder und keine Schulkinder als Probanden
gewählt, da diese noch nicht in einem Unterricht Lesen
und Schreiben gelernt haben. Nur so besteht über-
haupt eine Chance, die Wirkung der verschiedenen
Schreibgeräte zu unterscheiden. Die Befunde, unter an-
derem auch von unserer Arbeitsgruppe, legen nahe,
dass Handschreiben im Vergleich zum Tippen das
Buchstabenerkennen, Wortschreiben- und -lesen ver-
bessert. Obwohl Handschreiben motorisch anspruchs-
voll ist, fand sich in keiner Studie ein Vorteil für das Tip-
pen auf der Tastatur. Allerdings waren in diesen Studi-
en die Stichprobengröße und die Anzahl der trainier-
ten Buchstaben gering sowie der Trainingszeitraum
kurz (ein Tag bis vier Wochen), so dass die Aussage-
kraft der Studien begrenzt ist.
Um belastbare Daten zu erhalten, führten wir eine
umfangreiche Studie mit 147 Kindergartenkindern
durch, die innerhalb von sieben Wochen sechzehn
Buchstaben und daraus gebildete Wörter lernten.
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Wie werden Buchstaben und Lerninhalte
am nachhaltigsten verinnerlicht?
Mit Stift und Papier, auf der virtuellen Tastatur eines Tab-
lets oder mit einem Stylus auf dem Touchscreen? Forscher
der Universität Ulm stellten fest, dass Stift und Papier als
Schreibwerkzeug die meisten Vorteile und die geringsten
Nachteile haben.
Fotos: Universität Ulm
:
18 1/2020 · lehrer nrw
Eine Trainingsgruppe schrieb die Buchstaben mit Stift und
Papier, und eine zweite Gruppe tippte die Buchstaben auf
der virtuellen Tastatur eines Tablet-Computers. Da Hand-
schreiben mit einem Stylus auf einem Tablet zunehmend
an Bedeutung gewinnt, lernte eine dritte Trainingsgruppe,
die Buchstaben mit diesem Gerät zu schreiben. Die Kinder
lernten die Buchstaben anhand von standardisierten
Sprachspielen kennen, die sich nur hinsichtlich des
Schreibwerkzeugs unterschieden. Lese- und Schreibfähig-
keit auf Buchstaben- und Wortebene wurde vor und nach
dem Training mit Tests erhoben.
Es zeigte sich, dass Handschreiben mit Stift und Papier
im Vergleich zum Tippen auf der Tastatur Buchstabener-
kennen und visuell-räumliche Fähigkeiten fördert. Schreib-
training mit Stylus auf dem Touchscreen führte dagegen
zu schlechteren Leistungen als das Tastaturtraining beim
Wortlesen und Wortschreiben, vermutlich aufgrund der rut-
schigen Oberfläche des Touchscreens, die hohe Anforde-
rungen an die Bewegungskontrolle stellt. Die Kinder der
Stift-und-Papier-Gruppe unterscheiden sich beim Wortlesen
und Wortschreiben nicht von den Kindern der Tastatur-
Gruppe.
In der Gesamtschau der Ergebnisse sind Stift und Papier
das Schreibwerkzeug mit den meisten Vorteilen und den
geringsten Nachteilen. Schreiben mit Stift und Papier fördert
das Erkennen von Buchstaben sowie nicht-sprachliche visu-
ell-räumliche Fähigkeiten, da die Kinder beim Handschrei-
ben sich die räumliche Anordnung der Striche bei einem
Buchstaben präzise merken müssen. Dies ist beim Tippen
auf einer Tastatur nicht der Fall. Das Schreiben mit dem
Stylus auf dem Touchscreen eines Tablets weist im Vergleich
zu Stift und Papier sowie Tastatur das ungünstigste Leis-
tungsprofil auf. Wahrscheinlich erfordert die Kontrolle der
Schreibbewegungen auf der rutschigen Tabletoberfläche
viel Aufmerksamkeitskapazität, welche den Lernerfolg redu-
ziert. Möglicherweise ändert sich diese Bewertung, wenn zu-
künftig Tabletoberflächen produziert werden können, die ei-
ne papierähnliche Reibung beim Schreiben aufweisen. Bis
dahin lässt sich sagen, dass Stift und Papier im Vergleich zu
digitalen Geräten die für den Lernerfolg günstigsten, aber
auch die mit Abstand preiswertesten und wartungsärmsten
Werkzeuge für das Schreiben Lernen darstellen.
Handschrift vs. Tippen beim Notieren:
Die Entdeckung der Langsamkeit
Aber nicht nur beim Erwerb der Schriftsprache in der
Grundschule, sondern auch beim Notieren während des
Unterrichts, nachdem das Schreiben erlernt wurde, scheint
Handschreiben mit Stift und Papier im Vergleich zum Tip-
pen auf einer Laptoptastatur Vorteile zu haben. Die Psycho-
logen Pam Mueller und Daniel Oppenheimer von der Uni-
versität Princeton bzw. der Universität Kaliforniens in Los
Angeles wiesen in einer experimentellen Studie bei Studie-
renden nach, dass auf einem Laptop getippte Vorlesungsno-
tizen zwar länger waren und mehr Wörter beinhalteten als
handschriftliche. Allerdings schnitten die Studierenden, die
handschriftliche Notizen gemacht hatten, in Verständnis-
tests besser ab als die Studierenden in der Laptopgruppe.
Der Grund für den Vorteil der handschriftlichen Notizen
beim Verständnis beruhte auf der Art der Niederschrift mit
dem jeweiligen Schreibgerät: Getippte Notizen stellten wort-
getreue Wiedergaben der Vorlesung dar. Handschriftliche
Notizen, deren Anfertigung im Vergleich zum Tippen auf-
grund der geringeren Schreibgeschwindigkeit langsamer
erfolgte, beruhten dagegen auf Zusammenfassungen der
Inhalte. Diese aktive Auseinandersetzung mit dem Lernin-
halt beim Handschreiben führte offensichtlich zu einem tie-
feren Verständnis. Diese Studie zeigt: Langsamkeit hat
manchmal durchaus Vorteile. Wenn es um Verständnis und
nicht um wortgetreue Protokolle geht, sind Stift und Papier
dem Laptop beim Anfertigen von Notizen überlegen.
Die Handschrift ist tot?
Es lebe die Handschrift!
Handschreiben mit Stift und Papier ist somit keine veraltete
Kulturtechnik aus den letzten Jahrtausenden, sondern hat
eine kognitionswissenschaftliche fundierte Berechtigung
als Schreibmethode im schulischen Unterricht. Im Vergleich
zu digitalen Schreibgeräten weist Handschreiben sowohl
im Elementarbereich als auch im weiteren Verlauf des Bil-
dungsprozesses einige nennenswerte Vorteile auf. Dies
zeigt, dass der Einsatz digitaler Geräte im Schulunterricht
keinen Selbstzweck darstellt, sondern ein pädagogisches
Konzept erfordert, das einen Mehrwert gewährleistet.
Gleichzeitig ist mehr Forschung zu Stärken und Schwächen
eines digitalen Unterrichts im Vergleich zu analogen Unter-
richtsmethoden nötig, insbesondere zu Langzeiteffekten
über Jahre hinweg. Unstrittig ist die Bedeutung eines Fachs
Informatik in den höheren Klassenstufen: Programmier-
kenntnisse, Wissen über die Hardware eines Computers und
Strategien für einen sicheren und sinnvollen Umgang mit
digitalen Medien sind von wichtiger Bedeutung in unserem
digitalen Zeitalter.
DIE AUTOREN
Markus Kiefer: Universität Ulm, Klinik für Psychiatrie
und Psychotherapie III, Sektion für Kognitive Elektro-
physiologie.
Carmen Mayer: Universität Ulm, Klinik für Psychiatrie
und Psychotherapie III, Sektion für Kognitive Elektro-
physiologie. TransferZentrum für Neurowissenschaft
und Lernen.
Petra A. Arndt: Universität Ulm, TransferZentrum
für Neurowissenschaft und Lernen.
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