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Teil 2 | 3 | Komposch & Horak | Eine Tiergr uppe zwischen Faszination und Ar achnophobie: Spinnen …
VIELFALT LAWINE | Das Kalktal b ei Hie au | GEOTag der Artenvie lfalt 2010 | Schriften des NP Ges äuse 6 (2011) | S. 88–108
2.3 Eine Tiergruppe zwischen Faszination und
Arachnophobie: Spinnen am 12. GEO-Tag der
Artenvielfalt in der Lawinenrinne Kalktal am
Fuße des Tamischbachturmes (NP Gesäuse)
(Arachnida: Araneae) Von Christian Komposch & Peter Horak
Sind nur einige der Begri e, die wir Menschen mit der Ordnung Araneae (Spinnen) ver-
binden, und welche – fachlich begründet oder nicht – sehr unterschiedliche Gefühlszu-
stände bei uns auslösen:
Begeisterung, Bewunderung, Respekt, Abscheu oder Angst!
Abb. 1 | Diese s junge Weibchen der Gr ünen Huschspinne (Micrommata virescens) macht ihrem Namen a lle Ehre
Foto: Ch. Komposch/Ö KOTEAM
ALLGEGENWÄRTIGE SPINNEN
Gift, Vielfalt, Kellerspinne, Schnelligkeit, Netzbau, Prädatoren, Allgegenwärtigkeit, Behaarung, Kreuz-
spinne, Sprungvermögen, Augen, Schwarze Witwen, Langbeinigkeit, Lauerjäger, Vogelspinnen, Fallen-
steller, Altweibersommer, Ameisenmimikry, Buntheit, Nachtaktivität, Dorn nger, Unberechenbarkeit …
…
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Komposch & Horak | Eine T iergruppe zwischen Faszination und Arachnophobie: Spinn en … | Teil 2 | 3
S. 88–108 | Schrif ten des NP Gesäuse 6 (2011) | GEOTag der Artenvie lfalt 2010 | Das Kalktal bei H ie au | VIELFALT LAWINE
Wo auch immer wir uns auf dieser Skala wieder nden – „kalt“ lassen Spinnen niemanden.
Spinnen wecken in uns Emotionen, ihr Vorhandensein oder nur der Gedanke an sie „wühlt“
uns auf oder setzt in vielen Fällen die wichtigste evolutionsbiologische Errungenschaft von
Homo sapiens außer Kraft: sein Denkvermögen. Es sei den psychologisch gebildeten Per-
sonen überlassen, die menschlichen Reaktionen und Gemütszustände zu klassi zieren, zu
analysieren und bei Bedarf in geordnete Bahnen zu lenken. Unwissenheit begünstigt je-
denfalls den Weg zur Arachnophobie, einer das Leben in vielfältiger Weise beeinträchti-
genden Krankheit.
Eine der zahlreichen Möglichkeiten, einen positiven Zugang zu Spinnen zu nden und zu-
mindest für 24 Stunden den „Weg der Spinne“ zu gehen, bieten die jährlichen GEO-Tage
der Artenvielfalt. Mögen sie auch steil und steinig wie jene im Nationalpark Gesäuse sein:
sie führen uns dem Licht der naturwissenschaftlichen Erkenntnis einen Schritt näher und
steigern dadurch letztlich unser Wohlbe nden.
Es wäre wohl vermessen, von Arachnophobikern Verständnis für ekstatische Glücksmo-
mente aufgrund außergewöhnlicher Begegnungen mit Spinnen zu verlangen. Die beiden
Autoren, begeisterte Vertreter der Arachnologenzunft, müssen diese heftigen Gefühlsre-
gungen an dieser Stelle jedoch eingestehen, zu bemerkenswert und überraschend waren
die Ergebnisse der spinnenkundlichen Aufsammlungen am Fuße des Tamischbachturmes.
Mit dem Versuch, diese Freude über das Vorgefundene im Sinne einer sachlich-populär-
wissenschaftlichen Publikation weitgehend zu unterdrücken, soll im diesjährigen Beitrag
von den unvergesslichen Fängen von Atypus, Acantholycosa & Co. am 12. GEO-Tag der Ar-
tenvielfalt berichtet werden.
Abb. 2 | Zora spinimana – eine seltene Ver treterin der sel bst Naturinteressi erten wenig bek annten Familie „Wandersp innen“ – ist,
weil besten s getarnt, auf diesem ver trockneten Laub blatt nur schwer zu entdec ken | Foto: Ch. Komposch/ÖKOTEAM
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Teil 2 | 3 | Komposch & Horak | Eine Tiergr uppe zwischen Faszination und Ar achnophobie: Spinnen …
VIELFALT LAWINE | Das Kalktal b ei Hie au | GEOTag der Artenvie lfalt 2010 | Schriften des NP Ges äuse 6 (2011) | S. 88–108
DATENLAGE DAS GLÜCK DER NATIONALPARKSPINNEN
Worin unterscheiden sich die Spinnengemeinschaften des Tamischbachturmes von jenen
der zahlreichen weiteren Gebirgsstöcke der Ennstaler Alpen?
Antwort: Sie haben das „Glück“, im Nationalpark Gesäuse zu liegen und durch die Natio-
nalparkverwaltung (Werner Franek, Daniel Kreiner und Lisbeth Zechner) in den Fokus von
Wissenschaft und Forschung gerückt worden zu sein. Neben dieser Form „literarischer Un-
sterblichkeit“ ist der primäre Vorteil darin zu sehen, dass die arachnologischen Besonder-
heiten – als „alpine treasures“ ausgewiesen (KOMPOSCH 2010) – eine besondere Berücksich-
tigung bei Managementplänen erfahren und dadurch die Überlebenswahrscheinlichkeit
der Nationalparkpopulationen signi kant erhöht wird.
So fanden bereits vor wenigen Jahren erste araneologische Untersuchungen der Lawinen-
rinnen Kalktal und Scheibenbauernkar statt (ÖKOTEAM 2007), die kurz darauf in den ehren-
amtlichen Kartierungsarbeiten im Zuge des 10. GEO-Tages der Artenvielfalt ihre Fortset-
zung fanden (KOMPOSCH & PLATZ 2009). Als erstes Zwischenergebnis konnte so eine Liste
von 89 Spinnenarten aus 21 Familien vorgelegt werden. Wenngleich einzelne Datensätze
auch zwischen 500 und 940 m Seehöhe in den beiden genannten Lawinenrinnen erhoben
wurden, lag der Fokus dieser Untersuchungen in höheren Lagen, den Gipfelbereich dieses
Abb. 3 | Der Be ginn der Tamischbachturm -Lawinenrinne n mit Blick auf das dem Ka lktal benachbar te Scheibenbau ernkar –
im Hintergrund Hie au | Foto: Ch. Komposch/ÖKOTE AM – NP Gesäus e, 26.07.2008
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markanten Kalkstockes einschließend. Die aktuellen Erhebungen konzentrierten sich – die
bisherigen ergänzend – auf den ennsnahen Sockel des Tamischbachturmes bei Hie au.
UNTERSUCHUNGSGEBIET UND METHODEN
Spinnenfang in den letzten Ausläufern des Tamischbachturmes
Das Untersuchungsgebiet des 12. GEO-Tages der Artenvielfalt im Nationalpark Gesäuse ist
die Südost anke des Tamischbachturm-Massivs bei Hie au in den Ennstaler Alpen nördlich
der Enns (Nördliche Kalkalpen, Steiermark, Österreich). Bearbeitete Teil ächen sind die La-
winenrinne Kalktal, deren Umgebung bis zur Jagdhütte oberhalb Zwanzenbichl, das linke
Ennsufer NW Hie au und der Hangfuß zwischen dem Kalktal und der Ortschaft Hie au. Die
kartierten Teil ächen und Biotope liegen in der Submontan- und unteren Montanstufe zwi-
schen 495 und 875 m (1.075 m).
Die spinnenkundlich bearbeiteten Teil ächen und Lebensraumtypen werden im Folgenden
charakterisiert. Als Sammelmethoden kamen Handfang (HF) bei Tag und bei Nacht, Bo-
densiebfang (BS), Kescherfang (KS) und Bodenfallenfang (BF) zur Anwendung. Die geo-
graphischen Koordinaten (nördl. Breite, östl. Länge) sind in Grad, Minuten und Sekunden
angegeben, das geodätische Datum ist WGS 84. Das Kürzel „UR“ bezieht sich auf die durch
die Nationalparkverwaltung de nierte Gliederung des Gebietes in 9 Untersuchungsräume.
Abb. 4 | Die Ends tation Ennsufer im Kalk tal – im Blockschu tt des untersten Abschn ittes der Lawinenri nne gelangen die öster-
reichweit tiefst gelegenen Nachweise mehrerer Spinnenarten | Foto: Ch. Komposch /ÖKOTEAM – NP Gesäuse, 29.05.2010
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Teil 2 | 3 | Komposch & Horak | Eine Tiergr uppe zwischen Faszination und Ar achnophobie: Spinnen …
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P1: Tamischbachturm (UR 4), 47°36’31’‘ N, 14°44’07’‘ E, 501 m, artenreiche Magerwiese mit Felselementen; 29.5.2010,
HF-Tag, Ch. Komposch leg.
P2: Tamischbachturm (UR 4), 47°36’30’‘ N, 14°44’07’‘ E, 498 m, Flussufer mit Fels, Block und klein ächigen Schotterbän-
ken, Genisten und Totholz; 29.5.2010, HF-Tag, Ch. Komposch leg.
P3: Tamischbachturm (UR 4), 47°36’30’‘ N, 14°44’03’‘ E, 495 m, moosige Quell ur an Felswand, Waldrand; Bergahorn-
Esche-Hasel-Laubstreu; 29.5.2010, BS, Ch. Komposch leg.
P4: Kalktal, Tamischbachturm (UR 2), 47°36’28’‘ N, 14°43’53’‘ E, 505 m, Kalk-Erosionsrinne mit Block und Schutt; 29.5.2010,
HF-Tag, Ch. Komposch, L. Wil ing, M. Mösslinger leg.
P5: Tamischbachturm, oberhalb Jagdhütte (UR 5.2), 47°36’57’‘ N, 14°43’42’‘ E, 1075 m, 29.5.2010, HF-Tag, R. Thaller leg.
P6: Tamischbachturm, Umgebung Jagdhütte (UR 5.1), 47°36’46’‘ N, 14°43’58’‘ E, 875 m, 29.5.2010, HF-Tag, R. Thaller leg.
P7: Hie au (UR 4), 47°36’37’‘ N, 14°44’29’‘ E, 518 m, Fels, Mauerwerk und Blocksteinschlichtungen (Spaltensystem);
29.5.2010, HF-Nacht, Ch. Komposch leg.
P8: Tamischbachturm (UR 4), 47°36’34’‘ N, 14°43’16’‘ E, 520 m, Fels, Waldrand, Wegrand, Wiese; 29.5.2010, HF-Tag, KS, P.
Föttinger, P. Horak leg.
P9: Tamischbachturm (UR 2), 47°36’30’‘ N, 14°43’51’‘ E, 553 m, lichter und totholzreicher Wald und Gebüsch; 28.-29.05.2010,
BF, P. Horak leg.
P10: Hie au (UR 4), 47°36’29’‘ N, 14°43’59’‘ E, 500 m, Waldrand, Wiese, Wegrand, Flussufer; 29.5.2010, HF-Tag, H. Wagner leg.
P11: Kalktal (UR 2), 47°36’28’‘ N, 14°43’48’‘ E, 560 m, Kalk-Erosionsrinne; 29.5.2010, HF-Tag, KS, H. Wagner; J. Kahapka leg.
P12: Kalktal (UR 1), 47°36’35’‘ N, 14°43’42’‘ E, 690 m, Kalk-Erosionsrinne; 29.5.2010, HF-Tag, H. Wagner leg.
ARTENINVENTAR – Die Zahl des Tages lautet 77
Die gezielten araneologischen Aufsammlungen am 12. GEO-Tag der Artenvielfalt durch die
Autoren sowie die Auswertung von großen Teilen der Beifänge lassen uns eine Liste mit 77
Spinnenarten aus 21 Familien vorlegen.
Abb. 5 | Die Laufspinne Tibellus oblongus is t eine euryzonale Art, die also in allen Höhenstufen zu nden ist. Diese Spezies lebt
an naturnah en, lichten Standor ten mit hohem Gras | Foto: Ch. Komposch/ÖKOTE AM
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Tab. 1 | LISTE DER AUS DEM UNTERSUCHUNGSGEBIET NATIONALPARK GESÄUSE: TAMISCHBACHTURM,
KALKTAL, ENNSUFER BEI HIEFLAU, ORTSCHAFT HIEFLAU NACHGEWIESENEN SPINNENARTEN ARA
NEAE MIT NACHWEISHÄUFIGKEITEN.
Die Gefährdungseinstufung für die Steiermark (RL) basiert auf der Roten Liste gefährdeter Spinnen Kärntens
(KOMPOSCH & STEINBERGER 1999). Verwendete Gefährdungskategorien sind: 1 = vom Aussterben bedroht, R = ex-
trem selten oder sehr lokal verbreitet, 2 = stark gefährdet, G = Gefährdung anzunehmen, 3 = gefährdet, V =
Vorwar nstufe , ? = Forschungsbedarf, – = derzeit nicht gefährdet. Weitere Abkürzungen: P = Probennummer
(Handfänge). Die Nomenklatur folgt PLATNICK (2011)
Abb. 6 | Unter dem Lup enobjektiv o enbart auch die n ur 3 Millimeter große Ku gelspinne Therid ion varians
ihre markante Kö rperfärbung | Foto: Ch . Komposch/ÖKOTEAM
Nr. Familie | Art
Atypus piceus (Sulzer, 1776)
Pechschwarze Tapezierspinne
1
Atypidae | Tape ziers pin nen
Tot a lP12P11P10P9P8P7P6P5P4P3P2P1RL
112
Pholcus opilio noides (Schrank, 1781)
Kleine Zitterspinne
22121–
Pholcidae | Zitterspinnen
Dysdera ninnii Canestrini, 1868
3
Dysderidae | Sechsaugenspinnen
111–
Harpactea h ombergi (Scopoli, 1763)
411R
Harpactea l epida (C. L. Koch, 1838)
5514–
Nesticus cellulanus (Clerck , 1757)
Gemeine Höhlenspinne
6422–
Nesticidae | Höhlenspinnen
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Phylloneta sisyphia (Clerck, 1757)
15 11–
Theridion varians Hahn, 1831
16 211–
Diplocephalus helleri (L. Koch, 1869)
Hellers Doppelkopf
17
Linyphiidae | Baldachin- und Zwergspinnen
1R
Diplocephal us picinus (Blackwall, 1841)
18 33–
Dismodicus bifro ns (Blackwall, 1841)
19 11V
Dismodicus elevatus (C. L. Koch, 1838)
20 11?
Lepthyphantes leprosus (Ohler t, 1865)
21 11–
Ten uip hant es avipes (Blackw all, 1854)
22 11–
Tenuiphantes tenuis (Blackwall, 1852)
23 11–
Microneta viaria (Black wall, 1841)
24 33–
Neriene clathrata (Sundevall, 1830)
25 11–
Neriene radiata (Walckenaer, 1841)
26 41111–
Oedothorax agrestis (Blackwal l, 1853)
27 54V
Porrhomm a convexum
(Westring, 1851)
28 113
1
1
Nr. Familie | Art Tot a lP12P11P10P9P8P7P6P5P4P3P2P1RL
Parasteatoda lunata (Clerck, 1757)
7
Theridiidae | Kugelspinnen
817–
Parasteatoda simulans (Thorell, 1875)
811?
Parasteatoda sp. 22
Dipoena melanogaster (C. L. Koch,
1837)
911G
Neottiura bimaculata (Linnaeus, 1767)
10 11–
Rugathodes bellicosus (Simon, 1873)
Blockschutt-Kugelspinne
11 22R
Steatoda bipunctata (Linnaeus,
1758) Fet tspin ne
12 112–
Theridion betteni Wiehle, 1960
13 55R
Phylloneta impressa (L. Koch, 1881)
14 11–
Meta menardi (Latreille, 1804)
Höhlenkreuzspinne
29
Tetragnathidae | Strecker- und Herbstspinnen
22V
Metellina me ngei (Blackwall, 1869)
30 1613111–
Metellina meria nae (Scopoli, 1763)
31 321–
Pachygnatha listeri Sundevall, 1830
32 11–
Tetragnatha montana Simon, 1874
33 422V
Tetragnatha pinicola L. Koch, 1870
34 15411–
Tet rag nat ha sp. 321
Aculepeira cerop egia (Walckenaer,
1802) Eichblatt-Radnetzspinne
35
Araneidae | Radnetzspinnen
141112–
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Nr. Familie | Art Tot a lP12P11P10P9P8P7P6P5P4P3P2P1RL
Araniella cucurbi tina (Clerck, 1757)
Kürbisspinnchen
36 33–
Araniella sp. 11
Hypsosinga sanguinea (C. L. Koch,
184 4)
37 312V
Mangora acalyph a (Walckenaer,
1802) Streifenkreuzspinne
38 15312–
Nuctenea umbratica (Clerck, 1757)
Spaltenkreuzspinne
39 22–
Acantholycosa lignaria (Clerck, 1757)
Holzliebende Stachelwolfspinne
40
Lyco sida e | Wolfspinnen
41211
Alopecosa pulveru lenta (Clerck,
1757)
41 4112–
Alopecosa trabalis (Cl erck, 1757)
42 211–
Arctosa maculata (Hahn, 1822)
Ge eckte Bärin
43 1G 1
Pardosa amentata (Clerck, 1757)
45 61311–
Pardosa lugubris (Walckenaer, 1802)
46 17113111–
Pardosa alacris (C. L. Koch, 1833)
44 235712134–
Pirata knorr i (Scopoli, 1763)
Gebirgsbach-Piratenspinne
48 1321310
Tro chos a ru rico la (De Geer, 1778)
49 2–
Pardosa morosa (L. Koch, 1870)
Flussufer-Wolfspinne
47 332
Pardosa sp. 11
2
Trochosa terricola Thorell, 1856
50 312–
Tro cho sa sp. 11
Xerolycosa nemoralis (Westring, 1861)
51 11–
Pisaura mirabilis (Clerck, 1757)
Listspinne
52
Pisauridae | Raub- oder Jagdspinnen
254714–
Agelenidae | Trichternetzspinnen
Malthonica sp.
53 321
Dictynidae | Kräuselspinnen
Lathys humilis (Blackwall, 1855)
54 11?
Amaurobiidae | Finsterspinnen
Amaurobius fenestralis (Stroem, 1768)
55 11–
Amaurobius ferox (Walckenaer,
1830 ) Kell ersp inne
56 11–
Corinnidae | Rindensackspinnen
Phrurolithus festivus (C. L. Koch, 1835)
57 11–
Phrurolithus minimus C. L. Koch, 1839
58 11–
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Nr. Familie | Art Tot a lP12P11P10P9P8P7P6P5P4P3P2P1RL
Clubionidae | Sackspinnen
Clubiona lutescens Westring, 1851
59 11–
Clubiona terrestris Westring, 1851
60 11–
Clubiona sp. 3111
Gnaphosidae | Plattbauchspinnen
Callilep is nocturna (Linnaeus, 1758)
Nächtliche Plattbauchspinne
61 11R
Gnaphosa bicolor (Hahn, 1831)
62 113
Zelotes su bterraneus (C. L. Koch, 1833)
63 11–
Zelotes sp. 11
Zoridae | Wanderspi nnen
Zora spinimana (Sundevall, 1833)
64 11–
Sparassidae | Riesenkrabbenspinnen
Micrommata virescens (Clerck, 1757)
Grüne Huschspinne
65 5113–
Philodromidae | Laufspinnen
Philodromus sp.
66 33
Tibellus obl ongus (Walckenaer, 1802)
67 211–
Thomisidae | Krabbenspinnen
Misumena vatia (Clerck, 1757)
Veränderliche Krabbenspinne
68 2111–
Xysticu s cristatus (Cl erck, 1757)
69 55–
Xysticus gallicus Simon, 1875
Gallische Krabbenspinne
70 211?
Xysticus luctuosus (Blackwall, 1836)
71 11R
Xysticu s sp. 22
Salticidae | Springspinnen
Evarcha falcata (Clerck, 1757)
72 1112413–
Heliophanu s cupreus (Walckenaer,
1802)
73 7241–
Heliophanus d ubius C. L. Koch, 1835
74 11R
Heliophanus sp. 615
Philaeus chrysops (Poda, 1761)
Prachtspringspinne
75 211R
Phlegra fasciata (Hahn, 1826)
76 4133
Salticus scenicus (Clerck, 1757)
Zebraspringspinne
77 11–
Total 34143012319418312183 22 22
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Erwartungsgemäß wird das Artenspektrum von Lycosiden und Linyphiiden mit je 12 nach-
gewiesenen Spezies dominiert. Platz drei nehmen die Theridiiden ein, gefolgt von Tetra-
gnathiden, Salticiden und Araneiden. Die hinsichtlich ihrer Individuenzahlen am häu gsten
gezählte Spinnenart ist die im gesamten Gebiet anzutre ende Listspinne (Pisaura mirabilis).
An der überraschenden zweiten Position liegt die Kleine Zitterspinne, die zwar nur punktu-
ell an regengeschützten Bereichen bei Totholzstapeln gefunden werden konnte, hier aber
in hohen Dichten. Die weiteren Ränge werden von den kommunen Wolfspinnen Pardosa
alacris und P. lug ubris eingenommen.
Zönotische Analyse
Die Ennsufer nordwestlich von Hie au zeigen aufgrund ihrer Uferverbauung, wasserwirt-
schaftlichen Nutzung und damit verbundenem stark gestörten Ab uss- und Geschiebere-
gime eine verarmte Spinnenfauna hinsichtlich ihrer Diversität, Präsenz stenotoper Arten
und Abundanzen derselben. Die ursprünglich vorhandene ripikole Uferfauna musste an-
spruchsloseren hygrophilen Arten wie Pardosa lugu bris, Tro cho sa ter ric ola oder Pirata knorri
weichen. Reste einer ehemaligen Flussuferfauna zeigen sich im Vorhandensein der gefähr-
deten Wolfspinne Arctosa maculata und der euryzonalen Zwergspinne Oedothorax agrestis.
Hervorzuheben ist der Fund der normalerweise über 1.200 m Seehöhe lebenden Linyphiide
Diplocephalus helleri, die in der Schluchtstrecke der Enns gute Bedingungen vor ndet.
Abb. 7 | Die Listspinne (Pis aura mirabilis) ist die einzige Raubspinne des Untersuchungsgebietes | Foto: Ch. Komposch/ÖKOTE AM
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Von den feucht-kühlen
Schotter- und Felsele-
menten sind es nur
wenige Dutzend Meter
hinauf in den untersten
Abschnitt der kalkstein-
gefüllten Erosionsrinne
des Kalktales. Die beiden
Flaggschi arten dieser
Zönose sind die ripiko-
le Schotterbesiedlerin
Pardosa morosa und der
Tot ho lzi nd ik ato r Acantho-
lycosa lignaria. Weitere
Wolfspinnen, die in die-
sem Biotopmosaik der
Lawinenrinne gute Lebens-
Abb. 8 | Die Ennsufer der Restwasserstrecke oberhalb von Hie au beherbergen auf-
grund der wasserwirtschaftlichen Nutzung nur mehr Reste der ursprüngli-
chen ripikol en Fauna | Foto: Ch. Komposch/ÖKOTEA M – Gesäuse, 29.05. 2010
Abb. 9 | Strecker spinnen, so wie diese junge Tetragnatha m ontana, sind meist in Gewässernähe zu nden, wo sie ihre Radnetze
mit o ener Nabe (Netzzentrum) bauen | Foto: Ch. Komposch/ÖKOT EAM
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bedingungen nden, sind Pardosa alacris, P. amentata und – wie schon vom Ennsufer be-
kannt – Pardosa lugubris und Pirata knorri. Die schattig-feuchte und laubholz-bestockte
Quell ur ist zum einen Habitat für die häu gen Bodenstreu-Linyphiiden Diplocephalus pi-
cinus, Microneta viaria und Tenuipha ntes avipes, zum anderen werden die Felswände und
-spalten von der Höhlenspinne Nesticus cellulanus, der Höhlenkreuzspinne (Meta menardi)
und ihrer kleineren Schwester Metellina merianae besiedelt. Mit Pirata knorri und Oedotho-
rax agrestis leben hier auch Charakterarten alpiner Bachufer.
Die den Weg abschnittweise ankierenden artenreichen Mager- und Fettwiesen beherber-
gen „klassische“ Wiesenarten wie Pisaura mirabilis, Alopecosa pulverulenta, Neriene radiata
oder Evarcha falcata, können aber in den magersten und vegetationsärmsten Teilberei-
chen mit arachnologischen Besonderheiten aufwarten, allen voran Zelotes subterraneus
und Atypus piceus.
Der nur wenige hundert Meter entfernt liegende Ortsrand von Hie au weist bereits eine
völlig andere Spinnenfauna auf, die von synanthropen und hemisynanthropen Taxa domi-
niert wird – darunter unsere gut bekannten Stadt- und Hausspinnen Steatoda bipunctata,
Parasteatoda (vormals Achaearanea) lunata, Amaurobius ferox, Lepthyphantes leprosus und
Ageleniden.
Abb. 10 | Von der ge fährdeten und hinsi chtlich der besied elten Schotterb änke anspruchsvoll en Ge eckten Bärin ( Arctosa macu-
lata) konnte in diesem Enns abschnitt ein Einzel tier nachgewiesen wer den | Foto: Ch. Komposch/ÖKOTEA M
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Abb. 11 | Auch die häu gen un d weit verbreiteten Ar ten wie die Baldachi nspinne Neriene radi ata, eine typische Krautschichtbe-
siedleri n, wollen beim GEO -Tag der Artenvi elfalt mit Aufmerk samkeit bedacht wer den
Abb. 12 | Die schön gezeichnete Kugelspinne Paras teatoda luna ta besiedelte in hoher Individuendichte die regengeschützten
Bereiche von Holzstapeln am Wegrand | Fotos: Ch. Komposch/ÖKOTEAM
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BEMERKENSWERTE ARTEN – Vogelspinnen und Totholzspinnen im Gesäuse!
Pechschwarze Tapezierspinne (Atypus piceus)
ARACHNOLOGISCHER SENSATIONSFUND NR. 1!
Neu für das Nationalparkgebiet! Zweiter Fund für die Obersteiermark.
Atypus piceus, eine der drei Vogelspinnenverwandten in der österreichischen Fauna, ist
zwar die am weitesten verbreitete Art der Gattung im Bundesgebiet, dieses inneralpine
Auftreten im Ennstal ist allerdings eine bisher nicht bekannte und nur schwer für möglich
gehaltene Erweiterung des Areals dieser Tapezierspinnenart. Die bisherigen Funde in der
Steiermark liegen – mit einer einzigen Ausnahme, nämlich Mühlau/Haller Mauern (WIEHLE
& FRANZ 1954) – im Südöstlichen Alpenvorland (KROPF & HORAK 1996; Karte S. 102). Dieses
Vordringen entlang der großen Alpentäler belegen THALER & KNOFLACH (2002) für das Inntal,
hier selbst für Seehöhen bis 800 bzw. 900 m. Als Habitate nennen diese Autoren Felsen-
heiden, Trockenrasen, Wiesenraine und Kiefern-Handwälder. Die Art gilt österreichweit als
VU – Vulnerable (Komposch in prep.).
Abb. 13 | De dónde eres? Das Auftreten der Pechschwarzen Tapezierspinne (Atyp us piceus) im Nationalpark Gesäuse war die
große zoogeographische Überraschung dieses GEO-Tages | Foto: Ch. Komposch/ÖKOTEAM
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Abb. 14 | Der ausgegraben e Schlauch der Pechschw arzen Tapezierspin ne hat eine Länge von ins gesamt 18 Zentimetern, de r im
Erdreich steckende Wohnschlauch hat dabei einen Anteil von 10 Zentimetern. Der oberird ische Fangschlauch konnte
direkt neben einem Felsen in einer Mager wiese entdeckt werden | Foto: Ch. Komposch/ÖKOTEA M, NP Gesäuse, 29.5. 2010
Holzliebende Stachelwolfspinne (Acantholycosa lignaria)
ARACHNOLOGISCHER SENSATIONSFUND NR. 2!
Neufund für den Nationalpark Gesäuse! Erster sicherer Nachweis für die Steiermark (vgl.
BUCHAR & THALER 1997)!
Acantholycosa lignaria ist eine der seltensten Wolfspinnen Österreichs: BUCHAR & THALER
(1994) kennen aus dem Bundesgebiet lediglich vier alte und drei neue Fundorte. KROPF &
HORAK (1996) führen – trotz der (von Wang determinierten und damit unsicheren) – Mel-
dungen durch WIEHLE & FRANZ (1954) diese Art in ihrer Checkliste nicht an. In der aktuellen
Roten Liste Österreichs wird dieses Taxon als CR – Critically Endangered eingestuft (Kom-
posch in prep.).
Wie der wissenschaftliche Artname bereits verrät, ist diese Spezies in ihrem Vorkommen
an Totholz gebunden. BUCHAR & THALER (1994) kennen diese fallengängige Wolfspinne nur
lokal von gefällten oder geworfenen Stämmen in der Subalpinstufe der Alpen und aus
Hochmooren des Mühlviertels. Totholz ist aber gerade der Parameter, für den die heutige
Im Untersuchungsgebiet gelang
der Nachweis eines einzigen
Schlauches mit einem Weibchen
in der Hangböschung oberhalb
des Wirtschaftsweges, welcher
parallel zum linken Ennsufer von
Hie au zum Kalktal führt (UR 4).
Habitat war hier eine artenreiche
Magerwiese, wobei der 18 cm lan-
ge Schlauch – 10 cm befanden
sich davon als Wohnröhre unter
der Erde – direkt neben einem
Felsen lag. Die Artbestimmung
wurde mittels Vulvenpräparati-
on durchgeführt. Trotz Nachsu-
che konnten in der näheren Um-
gebung keine weiteren Fang-
schläuche gefunden werden.
Die Klärung der Frage, ob in der
Umgebung von Hie au vitale Po-
pulationen der Pechschwarzen
Tapezierspinne vorhanden sind
oder ob diese Lokalität einen iso-
lierten Vorposten im suboptima-
len Klimabereich darstellt, bleibt
zukünftigen Untersuchungen
vorbehalten.
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Forstwirtschaft – trotz der riesigen Fläche an Forsten im Bundesgebiet – keinen Platz zu
nden scheint. Da sich die Forstwirtschaft in Österreich auch aus den Nationalparken nicht
freiwillig zurückziehen will, bleibt auch in diesen – doch nicht ganz – der Natur vorbehal-
tenen Flächen ein Überleben von Acantholycosa lignaria und weiteren Totholzbewohnern
fraglich. Die blockigen und dynamischen Bereiche der Lawinenrinnen des Nationalparks
Gesäuse stellen eines dieser Refugien für bestimmte totholzbewohnende Arten dar. Je-
weils ein Männchen und Weibchen wurden mittels Barberfallen bzw. Handfang im un-
teren Bereich des Kalktales (UR2: P4, P9, P11) zwischen 500 und 560 m Seehöhe gefangen.
Eine genauere Analyse der Vitalität der Population, der Habitatnutzung und kleinräumigen
Verbreitung des hochrangigen Schutzgutes „Holzliebende Stachelwolfspinne” im Gebiet
wäre lohnend!
Abb. 15/16
Die Holzliebende Stachelwolfspinne
(Acantholycosa lignaria) wird hiermit
erstma ls für den National park Gesäuse
gemeldet! Diese sel tene Art benötigt
totholzre iche Habitate und ist inf olge
unserer all gegenwärtigen Fo rstwirtscha ft
österreichweit vom Aussterben bedroht .
> Bild recht s im Portrait
V Bil d unten ein Weibchen mit Kokon
Fotos: Ch. Komposch /ÖKOTEAM
NP Gesäuse, 29.5. 2010
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Kugelspinne (Dipoena melanogaster)
KNOFLACH & THALER (1998) weisen darauf hin, dass sämtliche Fundorte dieser überwiegend
mittels Klop ang nachgewiesenen Kugelspinne in Österreich Wärmestandorte waren.
KROPF & HORAK (1996) weisen die Art mit einem einzigen Fund aus Bad Gleichenberg erst-
mals für die Steiermark nach. Der aktuelle Nachweis eines Weibchens gelang am diesjäh-
rigen GEO-Tag mittels eines Keschers an einem Waldrand (P8).
Blockschutt-Kugelspinne (Rugathodes bellicosus)
Als Charakterart alpiner und subalpiner Blockschuttlebensräume ist ein Auftreten am Tal-
boden des Ennstales erwähnenswert. Allerdings ist dieses ausnahmsweise Auftauchen an
deutlich tiefer gelegenen Lokalitäten bereits bekannt: KNOFLACH & THALER (1998) kennen
diese Spezies von einer Blockhalde in Warmbad Villach auf 550 m und von Lunz bei 600 bis
800 m. Der aktuelle Fund bei nur 520 m Seehöhe (P8) unterbietet diese Extremwerte aus
Kärnten und Niederösterreich noch um einige Dutzend Meter.
Flussufer-Wolfspinne (Pardosa morosa)
Diese anspruchsvolle, ripikole Wolfspinne wurde auf den o enen Kalkblock- und Schutt-
ächen im untersten Bereich der Kalktal-Erosionsrinne (P4) gefangen. Bei den Tieren aus
dem Gebiet (1 Männchen, 2 Weibchen) handelt es sich um sehr große und dunkle Tiere,
ein genitalmorphologischer Vergleich mit Individuen von den Schotterbänken der Oberen
Drau in Kärnten ließ jedoch keine Unterschiede erkennen.
Feinspinne (Lepthyphantes leprosus)
Freilandfunde dieser häu g synanthrop in Gebäuden anzutre enden Art (THALER 1995) sind
die Ausnahme. In P7 wurde ein Weibchen an einer Mauer in Form einer Blocksteinschlich-
tung am Rand der Ortschaft Hie au während der Nachtexkursion entdeckt.
Ameisenfressende Plattbauchspinne (Callilepis nocturna)
Auch diese thermophile Plattbauchspinne tritt konstant und abundant an den Wärme-
standorten des Inntales auf (THALER & KNOFLACH 2004), wobei dieses ökologische Verhal-
ten im Freiland gut auf die Standortverhältnisse im Ennstal übertragbar sein dürfte. Diese
Plattbauchspinne ist als Ernährungsspezialist dafür bekannt, sehr große Ameisen wie Ross-
ameisen (Camponotus vagus), welche die Spinne um ein Vielfaches an Größe und Gewicht
übertre en, problemlos überwältigen zu können (HELLER 1974, GRIMM 1985, V. Borovsky in
litt.). Camponotus ligniperda konnte im Gebiet durch H. Wagner (in diesem Band) nachge-
wiesen werden.
Gallische Krabbenspinne (Xysticus gallicus)
Xysticus gallicus lebt im Alpenraum zwischen 1.400 und 2.100 m – lediglich vom östlichen
Alpenrand und Klagenfurter Becken liegen einzelne Funde aus tieferen Lagen vor (THALER
& KNOFLACH 2004). Am GEO-Tag wurden zwei Weibchen im untersten Bereich der Kalktal-
Erosionsrinne (P4, P10) in nur 500 m Seehöhe gefangen … und stellen damit die tiefst ge-
legenen Fundlokalitäten in Österreich dar.
Krabbenspinne (Xysticus luctuosus)
Diese in weiten Teilen Österreichs verbreitete und dennoch selten gefundene Thomiside
wird von THALER & KNOFLACH (2004) als euryzonal – die Art tritt von der Kollin- bis in die
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Subalpinstufe (2.070 m) auf – und temperat bzw. boreal bezeichnet. Der aktuelle Nachweis
gelang mittels Barberfallen in einem totholzreichen, lichten Wald (P9) auf 555 m Seehöhe.
Prachtspringspinne (Philaeus chrysops)
Die mediterran-expansive Springspinne (THALER 1997) tritt in Mitteleuropa nur an Wärme-
standorten auf. Ist das Au nden von Philaeus chrysops an geeigneten Blockstandorten in
Südkärnten meist eine Bestätigung der Erwartungshaltung, stellt der aktuelle Nachweis
aus dem Kalktal (P8, P11; 520–560 m) einen bemerkenswert inneralpinen Vorposten dar.
Abb. 17 | Der „P fau” unter den Kalkta lspinnen ist das rot-schwar z-orange gefär bte Männchen der Prachtspringspinn e (Philaeus
chrysops); es ist mit Si cherheit eines der a u älligsten Tie re dieser Lawinenrinn e | Foto: Ch. Komposch/ÖKOTEAM
DISKUSSION – Artenreiche, wärmeliebende und gefährdete Kalktal-Spinnen
Biodiversität
Parallelen zeigen sich hier zur Weberknechtfauna: auch bei den Spinnen wurde mit 77 Spe-
zies das bislang zweitbeste Ergebnis hinsichtlich der Artenzahl eingefahren, lediglich von
den intensiven Aufsammlungen am Johnsbach und an der Enns (KOMPOSCH et al. 2008)
überboten. Die auf Basis aktueller Aufsammlungen aus dem Nationalpark Gesäuse bekann-
ten Spinnenarten erhöht sich damit auf 260!
Thermophile Zönosen
Inmitten des schluchtartig-schmalen Gesäuse-Ennstales, welches hier an beiden Seiten von
malerisch schro en Kalkstöcken ankiert wird, ist auch aufgrund der inneralpinen Lage die
Erwartungshaltung für das Entdecken wärmeliebender Spinnenarten grundsätzlich niedrig.
Umso erstaunlicher ist der Umstand, dass nicht nur einzelne Spezies sondern ganze Spin-
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nengemeinschaften der GEO-Tag-Aufsammlungen als thermophil zu charakterisieren sind:
Unter den „prominentesten“ Wärmebedürftigen seien an dieser Stelle die Tapezierspinne
Atypus piceus, Zitterspinne Pholcus opilionoides, Sechsaugenspinne Harpactea hombergi, Ku-
gelspinne Dipoena melanogaster und die beiden Springspinnen Heliophanus dubius bzw.
Philaeus chryso ps gena nnt. Folgli ch ver wunde rt es nicht, dass es sich be i diese n sechs Ar ten
um Neufunde für den Nationalpark handelt! Das Auftreten dieser Thermophilen im Kalktal
weist die Süd anke des Tamischbachturmes als einen besonderen Wärmestandort mit ei-
ner außergewöhnlichen Tierwelt aus.
Sonderlebensraum Lawinenrinnen
Lawinenrinnen, insbesondere jene des Gesäuses, sind durch eine teilweise hohe Vertikal-
ausdehnung von der Alpin- bis in die Submontanstufe gekennzeichnet. Die Arbeitshypo-
these besagt, dass diese Sonderstandorte nicht zuletzt auch durch ihre hohe Dynamik azo-
nale Tiergemeinschaften aufweisen sollten.
Ein Indiz für diese Brücken- oder zumindest „Rutschenfunktion“ zwischen der Gipfelregion
des Tamischbachturmes und des Talbodens der Enns ist der Fund der Blockschutt-Kugel-
spinne (Rugathodes bellicosus) im untersten Bereich des Kalktales auf nur 520 m Seehöhe!
Ähnliches gilt für die montan und subalpin lebende Krabbenspinne Xysticus gallicus, die in
der Lawinenrinne auf nur 500 m nachgewiesen werden konnte.
Endemismus
Endemiten stellen aufgrund ihrer Einzigartigkeit die höchsten und wichtigsten Schutzgüter
der einzelnen Bundesländer sowie der Republik Österreich dar. Das Gesäuse zeichnet sich
Abb. 18 | Der Spezial-Biotop „Lawinenrinne” ist vom Umweltparameter „Dynamik“ geprägt und durch reichliches Vorhanden-
sein der (von der Spinnenfauna begehrten) Requisiten „Totholz” sowie vegetationso ene Block- und Schutt ächen
charakterisiert | Foto: Ch. Komposch/ÖKOT EAM
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nicht nur durch einen Endemitenreichtum aus, es ist der Endemiten-Hot-Spot Österreichs
(RABITSCH & ESSL 2009)! KOMPOSCH (2010) dokumentiert in seiner aktuellen Spinnentierüber-
sicht insgesamt 12 Endemiten und Subendemiten Österreichs für das Nationalparkgebiet.
Die Aufsammlungen im Kalktal wiesen keine (sub)endemischen Spinnenarten auf; weiter-
führende intensivere Kartierungen sollten jedoch den einen oder anderen Endemiten ans
Tageslicht förder n.
Gefährdung und Schutz
Sonderlebensräume wie Lawinenrinnen oder dealpine Blockstandorte sind durch die le-
diglich punktuelle Ausdehnung im Bundesgebiet dafür prädestiniert, einen hohen Anteil
an stenotopen, seltenen und gefährdeten Taxa aufzuweisen. So überrascht der mit 35 %
beachtlich hohe Anteil an Rote-Liste-Arten (Einstufung auf Basis der Liste von KOMPOSCH &
STEINBERGER 1999) für diesen dynamischen Sonderbiotop bzw. dessen Lebensraummosaik
nicht unbedingt, belegt aber klar den hohen naturschutzfachlichen Wert seiner hoch an-
gepassten und gefährdeten Spinnengemeinschaften.
Dank
Ein Danke an Petra Föttinger, Thomas Frieß, Jördis Kahapka, Gernot Kunz, Markus Mösslinger,
Wolfgang Paill, Reinhard Thaller, Heri Wagner und Alois Wil ing für ihre wertvolle und moti-
vierte Sammelhilfe! Großen Dank sprechen wir Jörg Klauber für die aufmerksame Durchsicht
und sprachliche Verfeinerung des Manuskripts aus. Die wie immer hervorragende Organisation
des 12. GEO-Tages der Artenvielfalt inklusive dieser schönen Publikationsmöglichkeit übernah-
men Daniel Kreiner und Elisabeth Werschonig von der NP Gesäuse GmbH – ein nochmaliges
Dankeschön auch an dieser Stelle!
Literatur
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THALER, K.; KNOFLACH, B. 2004: Zur Faunistik der Spinnen (Araneae) von Österreich: Gnaphosidae,
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Anschriften der Verfasser:
Mag. Dr. Christian Komposch
ÖKOTEAM – Institut für Tierökologie und Naturraumplanung
Bergmanngasse 22 | A-8010 Graz
mailto: c.komposch@oekoteam.at
Website: http://www.oekoteam.at
Dr. Peter Horak
Ragnitzstraße 163 /23 | A-8047 Graz
mailto: p.horak@aon.at