Das Wachstum von Bäumen wird maßgeblich von der Wasserverfügbarkeit
beeinflusst. Da für Baden-Württemberg steigende Temperaturen, abnehmende
Sommerniederschläge und eine Zunahme der Dauer von Trockenperioden prognostiziert werden, ist Kenntnis über die Reaktion von Bäumen auf diesen Klimawandel unabdingbar für eine zukunftsfähige Forstwirtschaft. In Baden-Württemberg ist die Buche die wichtigste Laubbaumart und kommt flächendeckend vor. Die Tanne ist nach der Fichte die häufigste Nadelbaumart mit Vorkommen vorrangig in den Wuchsgebieten Schwarzwald und Südwestdeutsches Alpenvorland. Studien deuten darauf hin, dass Buchen in Baden-Württemberg in den letzten Jahrzehnten vor allem in tieferen Lagen bereits abnehmende Zuwächse aufweisen – mutmaßlich aufgrund zunehmender Aridität. Auch für die Tanne wird vermutet, dass diese zwar positiv auf zunehmende Temperaturen, nicht jedoch auf zunehmende Trockenheit reagiert. Untersuchungen aus anderen Regionen Europas kommen jedoch zu teils abweichenden Ergebnissen, sodass sich noch kein klares Bild ergibt.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll daher für Buchen und Tannen in Baden-Württemberg untersucht werden, (1) wie die Witterung generell das Radialwachstum beeinflusst, (2) welche langfristigen Trends, vor allem seit den 1980er Jahren, auftreten und (3) welche Reaktion das Radialwachstum auf Trockenperioden zeigt und wie diese durch verschiedene Eigenschaften der Trockenheit beeinflusst wird. Dazu wurden von (vor)herrschenden Bäumen auf Wald-Dauerbeobachtungsflächen der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg Bohrkerne gewonnen und die gemessenen Jahrringserien hinsichtlich der inter-annuellen Schwankungen der Jahrringbreiten und langfristiger Veränderungen des Zuwachsniveaus ausgewertet. Um die Reaktion auf Trockenheit zu untersuchen wurden zunächst basierend auf dem Standardised-Evapotranspiration-Precipitation-Index Trockenjahre ermittelt, für die dann Trockenstressindizes berechnet wurden. Da diese eine hohe Variabilität zwischen den Trockenjahren aufweisen, wurden für die Zuwachsreaktion im Trockenjahr (Resistenz) und die Veränderung des Zuwachses nach dem Trockenjahr im Vergleich zum Zuwachs im Trockenjahr (Erholung) Modelle aufgestellt, in die die verschiedenen Eigenschaften der Trockenperiode, die etwa deren Dauer, Intensität und zeitliches Auftreten quantifizieren, sowie verschiedene Eigenschaften des Baums im Trockenjahr als unabhängige Variablen eingingen.
Die Auswertung der Buchen zeigt, dass (1) das Radialwachstum von Buchen von der Wasserverfügbarkeit limitiert wird, wobei im Norden Baden-Württembergs vor allem die Niederschläge der vorangegangenen Herbst- und Wintermonate relevant sind und im Südosten Baden-Württembergs die Niederschläge des Frühsommers. So konnten auch (2) auf fast allen Untersuchungsflächen abnehmende Grundflächenzuwächse seit den 1980er bzw. 1990er Jahren festgestellt werden, doch wird neben zunehmender Trockenheit auch ein Einfluss der in diesem Zeitraum ebenfalls zunehmenden Bestandesgrundfläche nicht ausgeschlossen. Dennoch zeigen die Buchen (3) in Zeiten abnehmender Zuwächse im Vergleich zu Zeiträumen stabilen Zuwachsniveaus eine höhere Resistenz und Erholung, und schnell wachsende Buchen eine geringere Resistenz und Erholung als langsam wachsende Bäume, sodass hier ein Trade-Off zwischen oberirdischer Produktivität und Trockenheitstoleranz vermutet wird. Jedoch ist die Resistenz der Buchen auch dann höher, wenn die Trockenperiode in einen Zeitraum mittelfristig besserer Wasserversorgung fällt, was darauf hindeutet, dass vor allem eine zunehmende Frequenz von Trockenjahren negative Auswirkungen auf die Buche hat. Unerwartet ist der bedeutende Einfluss der Fruchtbildung auf die Resistenz der Buche – diese nimmt mit zunehmender Mastintensität im Trockenjahr substantiell ab. Dieses Ergebnis zeigt deutlich, dass eine fehlende Berücksichtigung der Fruktifikation zu Fehlinterpretationen der Trockenheitstoleranz der Buche führen kann.
Die Auswertung der Tannen zeigt, dass (1) auf das Radialwachstum die Witterung nur in geringem Maße einen Einfluss ausübt und entgegen der Erwartungen hier ebenfalls vor allem der Niederschlag eine wichtige Rolle spielt und nicht die Temperatur. Die Tannen weisen (2) langfristig auffällige Zuwachstrends auf, die weitgehend mit denen anderer Untersuchungen in Europa vergleichbar sind, vor allem hinsichtlich einer Zuwachsdespression mit sehr schmalen Jahrringen in den 1970er Jahren, auf die ein beispielloser Anstieg der jährlichen Zuwächse folgt, der in den 1990er Jahren bzw. im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts kulminiert. Aufgrund der hohen Heterogenität der Verläufe innerhalb der einzelnen Untersuchungsflächen wird jedoch davon ausgegangen, dass nicht Klimaveränderungen allein, sondern auch hier Veränderungen der Bestandesstruktur einen maßgeblichen Einfluss haben. Auch die Tannen (3) reagieren mit einem geringeren Zuwachseinbruch auf Trockenheit, wenn die mittelfristige Wasserversorgung gut ist. Für die Erholung ist vor allem das zeitliche Auftreten der stärksten Trockenheit relevant, vor allem in Kombination mit dem anschließenden Wiederanstieg der Wasserverfügbarkeit. Auch bei den Tannen weisen schnell wachsende Bäume eine geringere Resistenz und Erholung auf als
langsam wachsende.
Insgesamt geben die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit einen umfassenden Überblick über das Radialwachstum von Buchen und Tannen in Baden-Württemberg und den Einfluss der Witterung auf verschiedenen Ebenen und liefert daher einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des Stammdickenwachstums dieser beiden wichtigen Baumarten unter den bereits zu beobachtenden und zukünftigen Klimaveränderungen. Bezüglich der Buchen ist vor allem die großräumige Übereinstimmung der inter-annuellen Schwankungen der Jahrringbreite trotz teils stark abweichender langfristiger Trends erstaunlich. Hier liefert die vorliegende Arbeit einen Hinweis darauf, dass abgesehen von der Höhenlage auch die geografische Lage eine Rolle für die Entwicklung des Radialwachstums spielt – möglicherweise aufgrund unterschiedlicher intra-annueller Niederschlagsverteilungen und gerade vor dem Hintergrund deren Veränderungen im Zuge des Klimawandels.
Bezüglich der Reaktion des Radialwachstums von Buchen und Tannen in Baden-Württemberg auf Trockenheit zeigt die vorliegende Arbeit die erste umfassende Untersuchung zur Variabilität der Zuwachsreaktion zwischen Trockenjahren und zu den zugrundeliegenden Einflussfaktoren. Dabei wird deutlich, dass weder die Trockenperioden verschiedener Jahre miteinander vergleichbar sind noch die Zuwachsreaktionen der Bäume, da sowohl die Intensität und das zeitliche Auftreten innerhalb der Vegetationsperiode als auch die Eigenschaften der Bäume und vor allem das zeitgleiche Auftreten von starker Fruktifikation diese beeinflussen. Wenn also die Toleranz gegenüber Trockenheit zwischen verschiedenen Jahren, Beständen und Baumarten verglichen werden soll, ist es notwendig, sämtliche Einflussfaktoren zu berücksichtigen.