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Ultraschall-Plattenwellen in komplexen Strukturen – Ein Minimalmodell

Authors:
  • Fraunhofer Research Institution for Large Structures in Production Engineering IGP

Abstract and Figures

Die kontinuierliche Strukturüberwachung mit Lamb-Wellen ist ein vielversprechender Ansatz, der langfristig den Wechsel von einer zeit- zu einer zustandsbasierten Flugzeugwartung ermöglichen kann. Durch die großflächige Ausbreitung der Lamb-Wellen können theoretisch große Bereiche mit wenigen Aktoren und Sensoren abgedeckt werden. Die hohe Dichte an Versteifungselementen in typischen Luftfahrtstrukturen führt allerdings – infolge von Interaktionen – zu komplexen Wellenfeldern. Dies erschwert die Identifikation und Ortung von Schäden bei der Analyse von Sensorsignalen. Neben experimentellen Untersuchungen kann vor allem die Simulation der Wellenausbreitungsvorgänge viel zu deren Verständnis beitragen. Eine Simulation größerer Strukturen ist jedoch mit etablierten Verfahren, wie etwa der FEM, nur unter erheblichem Aufwand zu realisieren. Die zur Schadensortung nötigen kurzen Wellenlängen und hohen Frequenzen erfordern eine kleinteilige Diskretisierung und eine hohe Anzahl an Zeitschritten. In den letzten Jahren wurden numerische und analytische Verfahren vorgestellt, die direkt an das spezielle Problem der Plattenwellen angepasst sind. Sowohl die FEM als auch spezialisierte Verfahren eignen sich hervorragend, um einzelne Effekte der Wellenausbreitung im Detail zu untersuchen. Allerdings ist eine Analyse großer komplexer Strukturen auf Basis der zurzeit verfügbaren Berechnungsmethoden nicht realisierbar. Es stellt sich die Frage, ob es möglich ist, die Wellenausbreitung in großen Luftfahrtstrukturen mit deutlich verringertem Aufwand abzubilden. Grundlage dessen kann nur eine starke Modellreduktion sein. Hierbei sind analytische Ansätze von besonderem Interesse, da diese die Wellenausbreitung in homogenen Flächen mit minimalem Aufwand simulieren können. Im Gegenzug stellen Inhomogenitäten ein besonderes Problem für diese Methoden dar. Ein Verfahren zur Vereinfachung von Inhomogenitäten ist demnach entscheidend für eine effiziente Modellierung großer Luftfahrtstrukturen. Das Kernthema dieser Arbeit ist ein Ansatz zur Vereinfachung solcher Inhomogenitäten und ein darauf aufbauendes Modell. Statt einer möglichst genauen Abbildung der transienten Abläufe wird hier eine Approximation angestrebt, die nur die für die Wellenausbreitung notwendigen Effekte wiedergibt. In diesem „Minimalmodell“ wird die Struktur in homogene und inhomogene Bereiche unterteilt. Zunächst werden die Bereiche auf Eigenschaften reduziert, die für die Wellenausbreitung relevant sind. Damit lassen sich die plattenartigen Strukturen als 2D-Modell abbilden und die Wellenausbreitung mit einem Raytracing-Algorithmus berechnen. Anschließend kann das Signal an einem Punkt in der Struktur aus der Überlagerung ebener Wellen bestimmt werden. Die Verifikation dieses Modells wird anhand experimenteller und numerischer Daten durchgeführt. Zentrale Fragestellung ist hierbei, ob die verwendeten Kennwerte geeignet sind reale, Interaktionsvorgänge abzubilden und wo die Anwendungsgrenzen des Modells liegen. Während die Laufzeiten einzelner Wellenpakete zuverlässig vorhergesagt werden können, zeigen die Amplituden stärkere Abweichungen. Verursacht wird dies nicht durch den Modellierungsansatz, sondern durch die Verfahren zur Charakterisierung der Struktur. Der angestrebte Effizienzgewinn zeigt sich an der Berechnungsdauer, die um drei Größenordnungen gegenüber der FEM verringert ist. Die Auswertung der Ergebnisse lässt darauf schließen, dass der gewählte Ansatz für eine effiziente Approximation von Wellenausbreitungsvorgängen in komplexen Strukturen geeignet ist. Es wird jedoch auch deutlich, wo die Grenzen und Verbesserungsmöglichkeiten des Verfahrens liegen. Insbesondere der Austausch der Methode zur Strukturcharakterisierung und der Wechsel von einem 2D-Modell zu einem Flächenmodell können die Genauigkeiten und die Flexibilität des Modells erhöhen, ohne die Effizienz negativ zu beeinflussen. Lamb wave based structural health monitoring (SHM) is a promising approach to continuously monitor the state of aircraft structures and identify damage. This technique can be an enabler for the long-term goal of condition based maintenance. In theory, few sensors and actuators suffice to cover large areas, due to the small attenuation of guided plate waves. However, the presence of stiffeners in aircraft structures results in wave interactions and thus a complex wave field, complicating damage detection. Signal analysis is for this reason one of the major technical challenges for the development of SHM systems. Apart from experimental investigations, simulations can be used to analyze and understand wave propagation. While simulations allow for an easy variation of model properties, they require a good balance of accuracy and efficiency to be useful. Well-established numerical methods like the FEM are able to model a large variety of geometries and physical problems. However, they are not suited for the simulation of Lamb wave propagation in large aircraft structures, as small wavelengths and high frequencies require a fine spatial and temporal discretization. Specialized numerical and analytic simulation approaches have been proposed in the last decades to solve wave propagation problems with greater efficiency. While these methods are ideal to examine individual effects of limited size, they are still not suited for large and complex structures. A simulation approach for wave propagation in aircraft structures with drastically reduced computation cost has to be based an equally drastic model reduction. Analytic methods are of special interest in this regard, as they are able to simulate wave propagation in homogeneous areas with little effort. On the contrary, inhomogeneities are especially challenging for these methods. An approach to model inhomogeneities with reduced complexity is thus a crucial step to enable the efficient simulation of large aerospace structures. The main topic of this thesis is an approach to simplify such inhomogeneities and a novel model based on these simplifications. A very efficient simulation is achieved by approximating the transient process with a superposition of a small number of effects relevant for wave propagation. This „minimal model“ divides the geometry into homogeneous and inhomogeneous parts. Properties of these parts are calculated in a pre-processing step and allow a reduction of the geometry to a 2D Model. Geometric information about the wave propagation within this model is calculated with ray tracing. Based on this information, time signals are determined by superimposing plane waves. Experimental and numerical results are used for verification of the proposed simulation approach. With these results, the suitability of the extracted properties and the limitations of the minimal model are assessed. While the time of flight of wave packets is in good agreement, their amplitudes show certain deviations. This is caused by the methods used during pre-processing to calculate the structural properties. Computation times are reduced by three orders of magnitude compared to FEM simulations, proving the efficiency of the proposed method. It is shown that the minimal model is generally suited to approximate wave propagation in complex structures. Limitations of the model in its current state are related to the geometries and inhomogeneities that can be modeled. Switching to more accurate pre-processing methods and changing the geometric representation into a surface model are the most promising steps to improve the minimal model without reducing its efficiency.
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Ultraschall-Plattenwellen in komplexen Strukturen
-
Ein Minimalmodell
Von der Fakultät für Maschinenbau
der Technischen Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig
zur Erlangung der Würde eines
Doktor-Ingenieurs (Dr.-Ing.)
genehmigte Dissertation
von: Christoph Heinze
aus: Wriezen
eingereicht am: 08.03.2018
mündliche Prüfung am: 08.06.2018
Gutachter: Prof. Dr.-Ing. Michael Sinapius
Prof. Dr.-Ing. Rolf Lammering
Vorsitzender: Prof. Dr.-Ing. Christian Hühne
2018
Vorwort
Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitar-
beiter des Instituts für Faserverbundleichtbau und Adaptronik des Deutschen Zentrums
für Luft- und Raumfahrt e. V. in der Außenstelle Hamburg. Obwohl ich als alleiniger Ver-
fasser aufgeführt bin, wäre diese Arbeit ohne die Unterstützung und den Beistand der im
Folgenden aufgeführten Personen nicht möglich gewesen.
Mein besondere Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Michael Sinapius, der mich in
unseren Gesprächen nicht nur fachlich unterstützt sondern mir auch durch kurze Phasen
der Resignation geholfen hat, die wie er beteuert jeden Doktoranden treffen. Eine bessere
Betreuung ist schwer vorstellbar. Des Weiteren möchte ich mich bei den Professoren Rolf
Lammering und Christian Hühne für die Übernahme des Zweitgutachtens und des Vorsitzes
der Prüfungskommission bedanken.
Bei meinem Vorgesetzten Dr. Peter Wierach möchte ich mich für das in mich gesetzte
Vertrauen und die gewährten Freiheiten bei meiner Forschungsarbeit bedanken. Meinen
Kollegen Dr. Artur Szewieczek, Dr. Daniel Schmidt, Dr. Wolfgang Hillger und Dr. Florian
Raddatz gilt mein Dank für die Unterstützung bei den experimentellen Untersuchungen
und für die interessanten Diskussionen, die mich mit neuen Denkanstößen immer voran
gebracht haben.
Ein Großteil dieser Arbeit ist im Transferzentrum MRO and Cabin Upgrade in Hamburg
entstanden. Die damaligen Mitarbeiter des Transferzentrums Dr. Juan Miguel Vivar Perez,
Christoph Dienel, Dr. Christian Hesse und Dr. Veatriki Papantoni sind nun nicht mehr
meine Kollegen, sondern inzwischen weit mehr. Gerne denke ich zurück an die Mittags-
pausen mit selbst gekochtem Essen und die gemeinsamen Zeit nach der Arbeit. Weiterhin
möchte ich unseren Gastgebern der Abteilung Luft- und Raumfahrtpsychologie für den
immer freundlichen und kompetenten Beistand bei den täglichen Herausforderungen der
Büroarbeit danken.
Für die nötige Abwechslung von dieser Mammutaufgabe haben meine Freundin Carolin
Mundt und unser Sohn Victor gesorgt. Danke für die Unterstützung in den letzten Jahren,
die vielen schönen Momente und die Rücksicht in arbeitsreichen Phasen! Nicht zuletzt
möchte ich meinen Eltern danken, die mir den Weg hierher ermöglicht haben. Ihr habt mich
erst auf den richtigen Kurs gebracht.
Hamburg, den 5. Dezember 2018 Christoph Heinze
iii
Kurzfassung
Die kontinuierliche Strukturüberwachung mit Lamb-Wellen ist ein vielversprechender
Ansatz, der langfristig den Wechsel von einer zeit- zu einer zustandsbasierten Flugzeug-
wartung ermöglichen kann. Durch die großflächige Ausbreitung der Lamb-Wellen können
theoretisch große Bereiche mit wenigen Aktoren und Sensoren abgedeckt werden. Die hohe
Dichte an Versteifungselementen in typischen Luftfahrtstrukturen führt allerdings infolge
von Interaktionen zu komplexen Wellenfeldern. Dies erschwert die Identifikation und
Ortung von Schäden bei der Analyse von Sensorsignalen.
Neben experimentellen Untersuchungen kann vor allem die Simulation der Wellenaus-
breitungsvorgänge viel zu deren Verständnis beitragen. Eine Simulation größerer Strukturen
ist jedoch mit etablierten Verfahren, wie etwa der FEM, nur unter erheblichem Aufwand zu
realisieren. Die zur Schadensortung nötigen kurzen Wellenlängen und hohen Frequenzen
erfordern eine kleinteilige Diskretisierung und eine hohe Anzahl an Zeitschritten. In den
letzten Jahren wurden numerische und analytische Verfahren vorgestellt, die direkt an das
spezielle Problem der Plattenwellen angepasst sind. Sowohl die FEM als auch spezialisierte
Verfahren eignen sich hervorragend, um einzelne Effekte der Wellenausbreitung im Detail
zu untersuchen. Allerdings ist eine Analyse großer komplexer Strukturen auf Basis der
zurzeit verfügbaren Berechnungsmethoden nicht realisierbar.
Es stellt sich die Frage, ob es möglich ist, die Wellenausbreitung in großen Luftfahrtstruk-
turen mit deutlich verringertem Aufwand abzubilden. Grundlage dessen kann nur eine
starke Modellreduktion sein. Hierbei sind analytische Ansätze von besonderem Interesse,
da diese die Wellenausbreitung in homogenen Flächen mit minimalem Aufwand simulieren
können. Im Gegenzug stellen Inhomogenitäten ein besonderes Problem für diese Methoden
dar. Ein Verfahren zur Vereinfachung von Inhomogenitäten ist demnach entscheidend für
eine effiziente Modellierung großer Luftfahrtstrukturen.
Das Kernthema dieser Arbeit ist ein Ansatz zur Vereinfachung solcher Inhomogenitäten
und ein darauf aufbauendes Modell. Statt einer möglichst genauen Abbildung der transien-
ten Abläufe wird hier eine Approximation angestrebt, die nur die für die Wellenausbreitung
notwendigen Effekte wiedergibt. In diesem Minimalmodell wird die Struktur in homogene
und inhomogene Bereiche unterteilt. Zunächst werden die Bereiche auf Eigenschaften re-
duziert, die für die Wellenausbreitung relevant sind. Damit lassen sich die plattenartigen
Strukturen als 2D-Modell abbilden und die Wellenausbreitung mit einem Raytracing-Algo-
rithmus berechnen. Anschließend kann das Signal an einem Punkt in der Struktur aus der
Überlagerung ebener Wellen bestimmt werden.
Die Verifikation dieses Modells wird anhand experimenteller und numerischer Daten
durchgeführt. Zentrale Fragestellung ist hierbei, ob die verwendeten Kennwerte geeignet
sind reale, Interaktionsvorgänge abzubilden und wo die Anwendungsgrenzen des Modells
liegen. Während die Laufzeiten einzelner Wellenpakete zuverlässig vorhergesagt werden
können, zeigen die Amplituden stärkere Abweichungen. Verursacht wird dies nicht durch
den Modellierungsansatz, sondern durch die Verfahren zur Charakterisierung der Struktur.
Der angestrebte Effizienzgewinn zeigt sich an der Berechnungsdauer, die um drei Größen-
ordnungen gegenüber der FEM verringert ist. Die Auswertung der Ergebnisse lässt darauf
schließen, dass der gewählte Ansatz für eine effiziente Approximation von Wellenausbrei-
tungsvorgängen in komplexen Strukturen geeignet ist. Es wird jedoch auch deutlich, wo
die Grenzen und Verbesserungsmöglichkeiten des Verfahrens liegen. Insbesondere der Aus-
tausch der Methode zur Strukturcharakterisierung und der Wechsel von einem 2D-Modell
zu einem Flächenmodell können die Genauigkeiten und die Flexibilität des Modells erhöhen,
ohne die Effizienz negativ zu beeinflussen.
v
Abstract
Lamb wave based structural health monitoring (SHM) is a promising approach to con-
tinuously monitor the state of aircraft structures and identify damage. This technique can
be an enabler for the long-term goal of condition based maintenance. In theory, few sensors
and actuators suffice to cover large areas, due to the small attenuation of guided plate waves.
However, the presence of stiffeners in aircraft structures results in wave interactions and
thus a complex wave field, complicating damage detection. Signal analysis is for this reason
one of the major technical challenges for the development of SHM systems.
Apart from experimental investigations, simulations can be used to analyze and under-
stand wave propagation. While simulations allow for an easy variation of model properties,
they require a good balance of accuracy and efficiency to be useful. Well-established nu-
merical methods like the FEM are able to model a large variety of geometries and physical
problems. However, they are not suited for the simulation of Lamb wave propagation in
large aircraft structures, as small wavelengths and high frequencies require a fine spatial
and temporal discretization. Specialized numerical and analytic simulation approaches
have been proposed in the last decades to solve wave propagation problems with greater
efficiency. While these methods are ideal to examine individual effects of limited size, they
are still not suited for large and complex structures.
A simulation approach for wave propagation in aircraft structures with drastically re-
duced computation cost has to be based an equally drastic model reduction. Analytic
methods are of special interest in this regard, as they are able to simulate wave propagation
in homogeneous areas with little effort. On the contrary, inhomogeneities are especially chal-
lenging for these methods. An approach to model inhomogeneities with reduced complexity
is thus a crucial step to enable the efficient simulation of large aerospace structures.
The main topic of this thesis is an approach to simplify such inhomogeneities and a
novel model based on these simplifications. A very efficient simulation is achieved by
approximating the transient process with a superposition of a small number of effects
relevant for wave propagation. This minimal model divides the geometry into homogeneous
and inhomogeneous parts. Properties of these parts are calculated in a pre-processing step
and allow a reduction of the geometry to a 2D Model. Geometric information about the wave
propagation within this model is calculated with ray tracing. Based on this information,
time signals are determined by superimposing plane waves.
Experimental and numerical results are used for verification of the proposed simulation
approach. With these results, the suitability of the extracted properties and the limitations
of the minimal model are assessed. While the time of flight of wave packets is in good
agreement, their amplitudes show certain deviations. This is caused by the methods used
during pre-processing to calculate the structural properties. Computation times are reduced
by three orders of magnitude compared to FEM simulations, proving the efficiency of the
proposed method. It is shown that the minimal model is generally suited to approximate
wave propagation in complex structures. Limitations of the model in its current state are
related to the geometries and inhomogeneities that can be modeled. Switching to more
accurate pre-processing methods and changing the geometric representation into a surface
model are the most promising steps to improve the minimal model without reducing its
efficiency.
vi
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 1
2 Motivation und Thesen 3
3 Geführte Wellen - Eigenschaften und Simulationsverfahren 7
3.1 Lamb-Wellen...................................... 7
3.2 Abgrenzung zu anderen Wellenarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
3.3 Eigenschaften geführter Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
3.4 AnregungundMessung............................... 10
3.5 DarstellungimB-Bild................................. 12
3.6 Phasengeschwindigkeit ............................... 14
3.7 Gruppengeschwindigkeit .............................. 14
3.8 Berechnungsverfahren für geführte Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
3.8.1 Transiente Verfahren in kommerzieller FE-Software . . . . . . . . . . . 19
3.8.2 Alternative Berechnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
3.8.3 Einordnung des Minimalmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
4 Interaktion von Lamb-Wellen mit Unstetigkeiten 27
4.1 Reduktion von Unstetigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
4.2 FEM-Simulation der Wellenausbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
4.2.1 Simulationsparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
4.2.2 Materialkennwerte .............................. 32
4.2.3 2D-Modell des Plattenquerschnitts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
4.2.4 3D-Modell................................... 33
4.2.5 Nicht-reflektierender Rand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
4.3 Bestimmung der Interaktionskennwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
4.4 Validierung mit analytischen Ergebnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
5 Minimalmodell zur Abbildung komplexer Geometrien 43
5.1 Funktionsprinzip ................................... 43
5.2 Annahmen, Randbedingungen und Grenzen des Modells . . . . . . . . . . . . 45
5.3 Raytracing ....................................... 50
5.3.1 Raytracing-Verfahren in unterschiedlichen Disziplinen . . . . . . . . . 51
5.3.2 Aufbau des 2D-Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
5.3.3 Ablauf des Raytracing-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
5.3.4 Brechung in isotropen Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
5.3.5 Brechung in anisotropen Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
5.3.6 Parameter des Raytracings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
5.4 Signalsynthese..................................... 64
6 Verifikation des Modellierungsansatzes 69
6.1 Ziele und Parameter der Versuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
6.2 Gruppengeschwindigkeit in anisotropen Laminaten . . . . . . . . . . . . . . . 72
6.2.1 Wellenfronten................................. 72
6.2.2 Richtungsdifferenz zwischen Phasen- und Gruppengeschwindigkeit . 73
6.2.3 Diskussion der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
vii
Inhaltsverzeichnis
6.3 Abgleich des Minimalmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
6.3.1 Aluminiumplatte ohne Unstetigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
6.3.2 Aluminiumplatte mit Ausfräsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
6.3.3 CFK-Platte................................... 86
6.3.4 Diskussion der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
7 Zusammenfassung und Ausblick 101
7.1 Zusammenfassung ..................................101
7.2 Ausblick ........................................102
A Kennwerte der Platten und Wandler 105
A.1 Materialdaten .....................................105
A.2 Laminataufbau ....................................106
A.3 Wellenfelder auf der Platte CFK06 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
Literatur 109
viii
Symbol- und Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungen:
A0erster antisymmetrischer Lamb-Wellen-Mode
S0erster symmetrischer Lamb-Wellen-Mode
SH0erster (symmetrischer) horizontaler Scherwellen-Mode
CA engl. Cellular Automata, Zelluläre Automaten
CMEP engl. complex modes expansion with vector projection
CFK Kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff
DGL Differentialgleichung
EFIT engl. Elastodynamic Finite Integration Technique
FCM engl. Finite Cell Method
FDFE engl. Frequency-Domain Finite-Element
FDM Finite-Differenzen-Methode
FDTD engl. Finite-Differences Time-Domain
FEM Finite-Elemente-Methode
LISA engl. Local Interaction Simulation Approach
MDoF engl. Master Degree of Freedom, Haupt-Freiheitsgrad
PSS engl. Point Source Synthesis, Punktquellensynthese
PZT Blei-Zirkonat-Titanat
SAFE engl. Semi-Analytical Finite Element Method
SBFEM engl. Scaled Boundary Finite Element Method
SCM engl. Spectral Cell Method
SEM Spektrale-Elemente-Methode
SH engl. shear-horizontal, horizontal polarisierte Scherwelle
SHM engl. Structural Health Monitoring
SMM Steifigkeitsmatrizen-Methode
SNR engl. signal-to-noise ratio, Signal-Rausch-Verhältnis
UD unidirektional
Formelzeichen:
aAnregungssignal
AAmplitude
APAmplitude des primären Wellenpakets
ARAmplitude des reflektierten Wellenpakets
ATAmplitude des transmittierten Wellenpakets
βsteifigkeitsproportionaler Anteil der Rayleigh-Dämpfung
bminimale Sensorabmessung
CDämpfungsmatrix
cpPhasengeschwindigkeit
cgGruppengeschwindigkeit
cLquasi-Longitudinalgeschwindigkeit in einer Platte
CRReflexionskoeffizient, analytisch
CTTransmissionskoeffizient, analytisch
dPlattendicke
δDämpfungsfaktor
ix
Inhaltsverzeichnis
DAmplitudenverteilung am Aktor
EElastizitätsmodul
fFrequenz
f0Mittenfrequenz, Anregungsfrequenz
FLastvektor
gberechnetes Signal eines Wellenpakets in der Signalsynthese
hRandbedingung in der Signalsynthese
IRReflexionskoeffizient
ITTransmissionskoeffizient
KSteifigkeitsmatrix
κWachstumsfaktor
lAbstand zwischen Aktor und Sensor
λWellenlänge
λmin kleinste vorhandene Wellenlänge
λRWellenlänge der Rayleigh-Welle
λTWellenlänge der Transversalwelle
Λlogarithmisches Dekrement
MMassenmatrix
nMAnzahl der auftretenden Moden bei einer Frequenz
npPulsanzahl
nφAnzahl an Strahlen am Aktor zu beginn des Raytracings
nRAnzahl an Strahlen in einem Interaktionsschritt des Raytracings
νQuerkontraktionszahl
φOrientierung in der Plattenebene
φAWinkelschritt zwischen den Strahlen am Aktor
φ
Winkeldifferenz zwischen den Richtungen von Phasen- und Gruppengeschwin-
digkeit
φStandardabweichung von φüber den Umfang
ϕWinkel zwischen einem Strahl und der Normalen einer Unstetigkeit
ϕPEinfallswinkel des primären Wellenpakets
ϕRAusfallswinkel des reflektierten Wellenpakets
ϕTAusfallswinkel des transmittierten Wellenpakets
qzurückgelegte Strecke eines Wellenpakets nach der Anregung
QSignal-Rausch-Verhältnis
ρDichte
rRadius
sLangsamkeit (engl. slowness)
tZeit
uVerschiebung
uVerschiebungsvektor
vWellenzahl
ξDämpfungsrate, Dämpfungsgrad
ZSchallkennimpedanz
x
1 Einleitung
Die kontinuierliche Strukturüberwachung ist aktuell ein vieldiskutiertes Thema in der Luft-
fahrtforschung, welches langfristig bedeutenden Einfluss auf die Wartung von Flugzeugen
haben kann. Für die Überwachung dünnwandiger Strukturen eignen sich vor allem Ultra-
schallverfahren mit geführten Wellen. Deren großflächige Ausbreitung kann theoretisch
große Bereiche mit wenigen Aktoren und Sensoren abdecken. Die hohe Dichte an Verstei-
fungselementen in typischen Luftfahrtstrukturen führt allerdings infolge von Interaktionen
zu komplexen Wellenfeldern, was die Identifikation und Ortung von Schäden erschwert.
Damit ist die Signalanalyse eines der größten Hindernisse auf dem Weg zu einem System,
welches mit minimalem Hardwareaufwand Schäden zuverlässig identifizieren kann.
Neben experimentellen Untersuchungen kann vor allem eine numerische Abbildung der
Wellenausbreitungsvorgänge viel zu deren Verständnis beitragen. Eine Simulation größerer
Strukturen ist mit etablierten Verfahren, wie etwa der Finite-Elemente-Methode (
FEM
),
nur unter erheblichem Aufwand zu realisieren. Die zur Schadensortung nötigen kurzen
Wellenlängen und hohen Frequenzen erfordern eine kleinteilige Diskretisierung und eine
hohe Anzahl an Zeitschritten. In den letzten Jahren wurden viele Verfahren vorgestellt,
die direkt an das spezielle Problem der Plattenwellen angepasst sind. Eine effizientere
Berechnung wird bei diesen spezialisierten Verfahren mit geringerer Flexibilität erkauft.
Hierbei ergeben sich Fragen bezüglich Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit dieser Methoden.
Sowohl die
FEM
als auch spezialisierte Verfahren eignen sich hervorragend, um einzelne
Effekte der Wellenausbreitung im Detail zu untersuchen. Allerdings gibt es Fragestellungen,
die eine Analyse großer Strukturbereiche erfordern. Ein Beispiel hierfür sind Optimierungs-
aufgaben, wie etwa der Entwurf von Wandlernetzwerken mit einer möglichst geringen
Dichte an Sensoren und Aktoren. Auch die Ermittlung von Referenzsignalen zur Identifika-
tion von schadensinduzierten Signaländerungen erfordert die Betrachtung des gesamten
Signalpfades und damit ausgedehnter Areale. Dies ist auf Basis der zurzeit verfügbaren
Berechnungsmethoden nicht realisierbar.
Es stellt sich die Frage, ob es möglich ist, die Wellenausbreitung in großen Luftfahrt-
strukturen mit deutlich verringertem Aufwand abzubilden. Grundlage dessen kann nur
eine starke Modellreduktion sein, wie in Kapitel 2 erläutert. Teil des sich anschließenden
Kapitel 3 ist eine Übersicht zu etablierten und neuartigen Berechnungsverfahren zur Abbil-
dung geführter Wellen. Für die Zielsetzung einer starken Modellreduktion sind analytische
Ansätze von besonderem Interesse, da diese die Wellenausbreitung in homogenen Flächen
mit minimalem Aufwand simulieren können. Im Gegenzug stellen Inhomogenitäten ein
besonderes Problem für diese Verfahren dar. Ein kennzeichnendes Merkmal von tragenden
Luftfahrtbauteilen sind jedoch versteifende Elemente. Deren Vereinfachung ist demnach
entscheidend für eine effiziente Modellierung großer komplexer Strukturen. Ein Ansatz
zur Reduktion sprunghafter Änderungen in der Struktur auf wenige Kennwerte wird in
Kapitel 4 diskutiert. Die Anwendung dieser Kennwerte zur Abbildung von Wellenausbrei-
tungsvorgängen erfordert ein geeignetes Modell, welches in Kapitel 5 vorgestellt wird. Statt
einer möglichst genauen Abbildung der transienten Abläufe wird hier eine Approximation
angestrebt, die nur die für die Wellenausbreitung notwendigen Effekte wiedergibt. Eine
Verifikation dieses Minimalmodells anhand experimenteller Messungen und numerischer Si-
mulationen ist in Kapitel 6 zu finden. Zentrale Fragestellung ist hierbei, ob die verwendeten
Interaktionskennwerte geeignet sind, reale Interaktionsvorgänge abzubilden und wo die
Anwendungsgrenzen des Modells liegen.
1
2 Motivation und Thesen
Die Ausbreitung longitudinaler Ultraschallwellen ist in Theorie und Praxis gut erforscht und
wird umfangreich eingesetzt, etwa zur Sonographie in der Medizin oder in der Werkstoffprü-
fung. Dagegen ist die Simulation geführter Wellen für den Einsatz in der kontinuierlichen
Strukturüberwachung (
SHM
,engl. Structural Health Monitoring) bisher fast ausschließlich
grundlagenorientiert. Das Ziel ist häufig ein besseres Verständnis bestimmter Effekte, wie
spontaner Modenkonversion, Abstrahlcharakteristik von Aktoren oder Wellenlaufzeiten
in bestimmten Bauteilen. Abhandlungen mit Bezug zu Lamb-Wellen und Simulation the-
matisieren in den meisten Fällen neue oder verbesserte Verfahren. Angestrebt wird eine
effizientere Berechnung im Vergleich zu kommerzieller Software, ohne Einschränkungen
bezüglich der Wellenausbreitung. Das geplante Einsatzgebiet solcher spezialisierter Simula-
tionsmethoden liegt jedoch praktisch immer im Bereich der Grundlagenforschung. Wichtige
Erkenntnisse zur Wellenausbreitung und -interaktion konnten bereits mit solchen Verfahren
gewonnen werden, jedoch beschränkt sich deren Einsatz bisher auf den Labormaßstab [1–3].
Zukünftig sind solche effizienten Berechnungsverfahren sehr wahrscheinlich ein Teil des
Entwicklungsprozesses von
SHM
-Systemen. Auch beim Anpassen eines Systems an eine
spezifische Struktur oder variable Umgebungsbedingungen kann die Simulation eine große
Rolle spielen. Ein Beispiel ist die Platzierung der Sensoren und Aktoren, so dass sich mit
minimalem Hardwareaufwand Schäden in allen relevanten Bereichen detektieren lassen.
Dies muss individuell auf einzelne Geometrien abgestimmt werden, da die Ausbreitung der
Wellen in komplexen Luftfahrtbauteilen nur schwer vorhersehbar ist. Es ist anzunehmen,
dass sich letztlich nur ein geringer Teil der zurzeit in Entwicklung befindlichen Methoden
im Bereich des SHM durchsetzen wird.
Neben den genannten Einsatzgebieten für die Wellensimulation existiert ein weiteres
Feld, das von der Wissenschaftsgemeinschaft bisher praktisch unbeachtet geblieben ist. Mit
dem Ziel von
SHM
Schäden online, also während des laufenden Betriebes, und zeitnah
nach deren Auftreten zu finden, werden sehr effiziente Algorithmen zur Signal- und Da-
tenverarbeitung nötig. Erschwerend kommt hinzu, dass für den Industrieeinsatz geeignete
Hardware nur stark begrenzte Rechenkapazitäten besitzt. Zu den wichtigsten Informa-
tionen bei der Interpretation der Sensorsignale gehören Daten zur Wellenausbreitung in
der Struktur. Während es verschiedene Ansätze zur Laufzeitberechnung gibt, die auch in
Einzelfällen effizient sind, scheint eine direkte Simulation der Wellenausbreitung aus den
genannten Gründen wenig erfolgversprechend. Es wird jedoch angenommen, dass eine
starke Modellvereinfachung möglich ist, mit der sich der Rechenaufwand minimieren lässt.
Grundlage dieser Vermutung sind Erfahrungen aus vorherigen Arbeiten im Bereich der
Lamb-Wellen und deren Simulation. Konkret handelt es sich dabei um die Möglichkeit die
Wellenausbreitung spektral als Übertragungsfunktion zu beschreiben und das beobachtete
Interaktionsverhalten an sprunghaften Plattenänderungen, welches räumlich stark begrenzt
ist [4, 5]. Diese sprunghaften Änderungen von Material oder Geometrie können als Diskon-
tinuität oder Unstetigkeit bezeichnet werden. Inhomogenität ist dagegen ein übergeordneter
Begriff, da er auch nicht-sprunghafte Änderungen mit einschließt.
Auf Basis einer Modellreduktion solcher Unstetigkeiten in Kombination mit einer ana-
lytischen Beschreibung der Wellenausbreitung sollte eine näherungsweise Abbildung der
Ausbreitungsvorgänge von Lamb-Wellen in komplexen Strukturen möglich sein. Die Be-
zeichnung komplex bezeichnet hier konkret plattenartige Strukturen mit sprunghaften Än-
derungen in den elastischen Parametern oder der Geometrie. Diese Beschreibung trifft
3
2 Motivation und Thesen
beispielsweise auf mehrfach versteifte
CFK
-Bauteile in der Luftfahrt zu. Hiermit ergibt
sich die Forschungsthese, die wissenschaftliche Fragestellung, die Lücke im Gebäude der
Wissenschaft, die in dieser Arbeit behandelt werden soll.
Forschungsthese
Unstetigkeiten in plattenartigen Faserverbundstrukturen
lassen sich für den Fall der Interaktion mit Lamb-Wellen
mit deutlich reduzierter Modellkomplexität approximieren.
Trifft ein Wellenpaket in Ausbreitungsrichtung auf eine solche Unstetigkeit, kommt es zur
Interaktion. Generell zeichnet sich eine Interaktion dadurch aus, dass sich die Ausbreitungs-
richtung eines Wellenpaketes ändert und weitere Wellenpakete entstehen. In Abhängigkeit
von der Unstetigkeit kann Transmission, Reflexion oder Modenkonversion auftreten. Die
ersten beiden Effekte sind aus vielen anderen technischen Disziplinen bekannt. Konvertierte
Moden entstehen an Unstetigkeiten, da bei Plattenwellen immer mehrere Wellenmoden
bei einer Anregungsfrequenz existieren. Aus der Beobachtung der geringen Anzahl an
unterschiedlichen Interaktionstypen bei vielen Unstetigkeiten ergibt sich die erste Arbeits-
hypothese.
1. Arbeitshypothese
Konstruktionsbedingte Unstetigkeiten können durch weni-
ge Interaktionstypen beschrieben werden. Dies sind haupt-
sächlich Reflexion, Transmission und Modenkonversion.
Bei Luftfahrtbauteilen besitzen viele Konstruktionselemente auf der plattenartigen Grund-
struktur, wie etwa Versteifungen, klare Grenzen. Diese stellen Unstetigkeiten dar, an denen
der Interaktionsvorgang lokalisiert ist. Ein Versteifungselement braucht folglich für den Fall
der Interaktion mit geführten Wellen nicht vollständig in Material und Geometrie modelliert
werden, sondern kann durch Linien mit entsprechenden Interaktionseigenschaften abge-
bildet werden. Sind die Unstetigkeiten der Struktur auf diese Weise reduziert, verbleiben
zwischen ihnen Flächen mit homogenen Eigenschaften.
2. Arbeitshypothese
Die Komplexität von Modellen lässt sich deutlich ver-
ringern, wenn sich Strukturen in homogene Flächen
mit Unstetigkeiten als Begrenzungen aufteilen lassen.
Für eine Modellreduktion müssen die Eigenschaften des Bauteils jedoch vorher in de-
taillierten Berechnungen, etwa mit der
FEM
, bestimmt werden. Allerdings können einmal
gewonnen Kennwerte in einer Datenbank hinterlegt und bei identischen Unstetigkeiten
wiederverwendet werden. Das Verhalten geführter Wellen ist nicht nur von Material, Geo-
metrie und Anregung abhängig, sondern wird auch durch Umgebungsbedingungen, wie
Temperatur, äußere Lasten und Feuchtigkeit, bestimmt. Datenbanken mit Interaktionskenn-
werten können um zusätzliche Dimensionen erweitert werden und damit entsprechende
Zusammenhänge abbilden.
Trotz der zunehmenden Verwendung von kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (
CFK
)
in der Luftfahrindustrie, werden die richtungsabhängigen Eigenschaften dieses Materials
bisher nicht genutzt und ausschließlich quasi-isotrope Laminate eingesetzt [6]. Für eine
Modellreduktion ergeben sich durch den Ausschluss beliebiger Anisotropie weitere Mög-
lichkeiten zur Vereinfachung. Bei der Auslegung solcher Laminate ist das Ziel ein nahezu
4
isotropes Verhalten bezüglich makroskopischer Parameter, die für die Konstruktion relevant
sind. Dies sind primär Steifigkeit und Festigkeit bei einachsiger Zug-/Druckbelastung [7].
Infolge der Anisotropie der Einzelschichten im Laminat sind bei der Wellenausbreitung
die einzelnen Auslenkungskomponenten miteinander gekoppelt. Somit ist auch in qua-
si-isotropen Laminaten eine Richtungsunabhängigkeit nur in Ausnahmefällen gegeben.
Entsprechend ist die dritte Arbeitshypothese zu prüfen.
3. Arbeitshypothese
Die Wellenausbreitung lässt sich trotz der vorge-
schlagenen Modellvereinfachungen in isotropen
und quasi-isotropen Plattenmaterialien abbilden.
Ein Vorteil von Lamb-Wellen bei der Detektion von Schäden ist die Sensitivität der Wellen
für Störugen mit Abmessungen im Bereich der angeregten Wellenlänge oder sogar darun-
ter [8]. Dies stellt jedoch gleichzeitig eine Herausforderung für die Simulation der Wellen
dar. Grundlage jedes Modells ist eine Vereinfachung gegenüber der Realität. Unterschiede
zwischen Modell und realer Geometrie im Bereich weniger Millimeter können aufgrund
dieser Sensitivität sichtbare Auswirkungen auf das Wellenfeld haben. Ein Modell wird
häufig anhand der Konstruktionspläne eines Bauteils erstellt. Einige Unterschiede entstehen
bereits bei diesem Schritt durch Vereinfachung und Annahmen, etwa der Homogenisierung
von Materialien. Weitere Abweichungen entstehen bei der Fertigung. Die Zufälligkeit dieser
Abweichungen sorgt für Diskrepanzen zwischen Modell und Struktur, die sich mit jedem
produzierten Bauteil ändern. Lernende Verfahren eignen sich für diese Fälle, da neu instal-
lierte
SHM
-Systeme die Eigenschaften einzelner Bauteile erfassen können. Ein schnelles
Näherungsverfahren, welches auf stark vereinfachten Modellen basiert, ist deutlich weniger
von einer exakten Abbildung der realen Struktur abhängig. Um dennoch eine gewünschte
Genauigkeiten zu erreichen, scheint die Anpassung eines Modells an ein Bauteil über eine
Lernphase erfolgversprechender als eine möglichst detailgetreue Wiedergabe des Verhaltens
einer idealen Geometrie auf Basis von Konstruktionsplänen.
5
3 Geführte Wellen - Eigenschaften und Simulationsverfahren
Eine Modellreduktion zur vereinfachten Simulation von Wellenausbreitungsvorgängen, wie
sie in Kapitel 2 vorgeschlagen wird, erfordert sowohl ein gutes Verständnis der auftretenden
physikalischen Effekte als auch Kenntnis der bereits existierenden Simulationsmethoden.
Zunächst soll in diesem Kapitel auf die wichtigsten Eigenschaften geführter Wellen und
speziell Lamb-Wellen eingegangen werden. Neben grundlegenden Merkmalen der Wellen
gehört dazu auch deren Anregung und Darstellung sowie die Berechnung von Ausbrei-
tungsgeschwindigkeiten. Zuletzt soll ein Überblick über die vielfältigen Möglichkeiten zur
Simulation geführter Wellen gegeben werden, die aktuell verfügbar sind oder erforscht
werden.
3.1 Lamb-Wellen
Lamb-Wellen sind geführte Wellen in dünnwandigen homogenen Strukturen. Die Bezeich-
nung geführt bezieht sich auf die Eigenschaft von Wellen einer Oberfläche zu folgen. An-
schaulicher ist dieser Begriff in Bezug auf Oberflächenwellen, wie etwa Rayleigh- oder Love-
Wellen, die einer freien Oberfläche folgen, statt sich beliebig tief in das Medium hinein
fortzupflanzen.
Lamb-Wellen wurden erstmals 1917 von Horace Lamb theoretisch beschrieben [9]. Für
einen großen Frequenzbereich experimentell nachgewiesen wurden Lamb-Wellen 1961 von
Worlton [10]. Die Grundlagen zum praktische Einsatz dieses Wellentyps in der zerstörungs-
freien Prüfung hat Viktorov 1967 gelegt, indem er viele Beobachtungen mit der Theorie in
Einklang brachte und Anleitung zur Anwendung dieses Wellentyps im Prüfbetrieb gab
[11]. Diese und die vorhergehenden Arbeiten von Firestone und Ling haben maßgeblich
zur Prägung des Begriffs der Lamb-Wellen in den fünfziger und sechziger Jahren des letz-
ten Jahrhunderts beigetragen [12]. Seit diesen Grundlagenuntersuchungen finden Lamb-
Wellen in immer mehr Einsatzgebieten Verwendung. Dazu zählen unter anderem analoge
Verzögerungsleitungen, Anwendungen in der zerstörungsfreien Prüfung und der Einsatz
als Transportmechanismus für kleinste Flüssigkeitsmengen in Mikropumpen [13].
3.2 Abgrenzung zu anderen Wellenarten
Im einem allseitig unbegrenzten Festkörper können sich nur Transversal- und Longitudinal-
wellen ausbreiten. In Platten reflektieren diese grundlegenden Wellentypen an den beiden
parallelen Grenzflächen und überlagern sich, wodurch theoretisch eine unbegrenzte Anzahl
unterschiedlicher Wellenmoden auftreten kann. Unterscheidungsmerkmale dieser Moden
sind das Schwingungsverhalten über der Plattendicke und der Verlauf der Ausbreitungsge-
schwindigkeit über der Frequenz, der sogenannten Dispersion.
In dieser Arbeit werden alle Wellentypen, die allein in Platten auftreten können, als
Plattenwellen bezeichnet. Diese Definition schließt andere geführte Wellen wie Oberflä-
chenwellen aus. Gleichzeitig werden Wellen einbezogen, die nicht mehr der Definition der
Lamb-Welle genügen, aber klar die Konsequenz der dünnwandigen Struktur sind. Dies ist
beispielsweise bei Platten aus anisotropen Materialien der Fall. Als Abgrenzung zu den
im Folgenden beschriebenen klassischen Plattenwellen, kann im Zusammenhang mit der
Strukturüberwachung auch von Ultraschall-Plattenwellen gesprochen werden.
7
3 Geführte Wellen - Eigenschaften und Simulationsverfahren
Wird zunächst von den klassischen analytischen Lösungen für ebene Flächentragwerke
ausgegangen, lassen sich nur drei Arten von Wellen in dünnwandigen Strukturen be-
rechnen [14]. Die wichtigsten Annahmen dieser Lösungen sind homogenes und linear-
elastisches Material, kleine Verformungen und das Fehlen von Schubverformungen über
den Plattenquerschnitt im Fall von Biegung. Auf Basis der Theorie für Scheiben ergeben
sich Longitudinal- und Scherwellen als zwei der drei Wellenarten. Hierbei handelt es sich
nicht um reine Longitudinalwellen, da es infolge der Plattenoberflächen zu Querkontrak-
tion kommt und Auslenkungen quer zur Ausbreitungsrichtung auftreten. Daher wird im
Zusammenhang mit Platten auch häufig von Quasi-Longitudinalwellen oder Dehnwellen
gesprochen. Bei den Scherwellen handelt es sich um horizontal polarisierte Transversal-
wellen. Diese spielen jedoch nur eine sehr untergeordnete Rolle in Theorie und Praxis. Als
dritter Typ können nach der Kirchhoff’schen Plattentheorie frequenzabhängige Biegewellen
berechnet werden. Bei niedrigen Anregungsfrequenzen lassen sich auf Basis dieser Theorien
die Eigenschaften der drei Wellentypen korrekt berechnet. Ein Großteil der Vereinfachungen
und Annahmen, die diesen klassischen Lösungen zu Grunde liegen, treffen auch auf den
Anwendungsfall der Lamb-Wellen zu. Dagegen ist die Verzerrung des Querschnitts bei
höheren Anregungsfrequenzen nicht mehr vernachlässigbar. In Abb. 3.1 wird ersichtlich,
dass die für dünne Platten bestimmten Kurven der Dehn- und Biegewelle mit steigender
Frequenz
f
von den Geschwindigkeiten
cp
der Lamb-Wellen abweichen und damit ihre
Gültigkeit verlieren.
Erst Horace Lamb fand eine analytische Lösung der Navier-Laméschen Differentialglei-
chung für ein von zwei planaren Flächen begrenztes, homogenes, isotropes, ideal elastisches
Kontinuum [9]. Damit wurde es möglich die Wellenausbreitung für höhere Frequenzen
zu beschreiben. Mit steigender Frequenz ändert sich nicht nur der Verlauf der Geschwin-
digkeitskurven, sondern es nimmt auch die Anzahl der Moden zu. Praktisch wird der
obere Frequenzbereich, in dem noch von Lamb-Wellen gesprochen werden kann, dadurch
begrenzt, dass eine Plattenwelle bei abnehmender Wellenlänge zu zwei Oberflächenwellen
übergeht. Eine klare Abgrenzung der Wellenarten ist dabei nicht möglich, da der Über-
gang kontinuierlich verläuft. Allgemeiner werden diese Wellen daher häufig als Rayleigh-
Lamb-Wellen zusammengefasst. Wann ein Übergang von Platten- zu Oberflächenwellen
erfolgt, kann jedoch abgeschätzt werden, wenn bedacht wird, dass bei Rayleigh-Wellen die
Auslenkungen mit wachsendem Abstand zur freien Oberfläche schnell abnehmen. In einer
Tiefe von einer Wellenlänge liegt die maximale out-of-plane Auslenkung bei nur noch etwa
20% im Vergleich zur Plattenoberfläche. Bei einer Plattendicke von mehr als der doppelten
Wellenlänge verringert sich die Interaktion zwischen den Wellen auf Ober- und Unterseite
weiter und eine unabhängige Ausbreitung wird möglich. Entsprechend finden sich in der
Literatur experimentell überprüfte Abschätzungen, nach denen reine Rayleigh-Wellen auf-
treten, wenn das Verhältnis von Plattendicke
d
zur Wellenlänge
λT
größer als 8
/π
ist [15, 16].
Hierbei ist die zu Grunde gelegte Wellenlänge
λT
die der Transversalwelle im unbegrenzten
Volumen. Die Rayleigh-Wellenlänge λRkann in Abhängigkeit der Querkontraktionszahl ν
näherungsweise mit Gleichung 3.1 berechnet werden [11].
λR=0, 87 +1, 12 ·ν
1+ν·λT(3.1)
Bei für Metallen üblichen Werten von
ν=
0, 3 ergibt sich damit, dass von Rayleigh-Wellen
gesprochen werden kann, wenn
d/λR>
2, 7. Für hohe Frequenzen fallen die Phasenge-
schwindigkeiten der fundamentalen Moden S
0
und A
0
mit denen der Rayleigh-Wellen
zusammen (siehe Abb. 3.1). Bei diesen Moden kann entsprechend für Wellenlängen, die
größer als d/2, 7 sind, die Bezeichnung Lamb-Welle verwendet werden.
Zusätzlich zu den eigentlichen Lamb-Wellen können in einer Platte horizontale Scher-
wellen (
SH
,engl. shear horizontal) auftreten. Diese
SH
-Wellen schwingen quer zur Ausbrei-
8
3.2 Abgrenzung zu anderen Wellenarten
tungsrichtung in der Plattenebene und besitzen keine Auslenkung normal zur Oberfläche,
da sie keine Volumenänderungen erzeugen. Sie sind folglich experimentell nur schwer
nachweisbar und zurzeit noch von geringer praktischer Bedeutung. Gelegentlich werden
SH-Wellen zu den Lamb-Wellen gezählt, allerdings besitzen Lamb-Wellen per Definition
nur Auslenkungen in Ausbreitungsrichtung sowie in Richtung der Plattennormalen [9].
0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4
f·d[MHz·mm]
0
2
4
6
8
10
cR
cp[km/s]
S1
A1
A0
S0
cL
cB
SH0
Abbildung 3.1:
Dispersionskurven einer Aluminiumplatte: Quasi-Lon-
gitudinalwelle (
cL
), Biegewelle (
cB
), Rayleigh-Welle (
cR
),
Lamb-Wellen (A
0
, S
0
, A
1
, S
1
) und Scherwelle (
SH0
)
Solche klaren Aussagen sind nur bei isotropen Plattenmaterialien möglich. Bei anisotro-
pen Werkstoffen sind, bis auf wenige Ausnahmen, alle Bewegungsrichtungen miteinander
gekoppelt. Folglich genügen die Wellenmoden dann nicht mehr den Definitionen von
Lamb- oder SH-Wellen und können höchstens anhand ihrer Hauptauslenkungsrichtung
einem bestimmten Typ zugeordnet werden. Um diesen Umstand klar zu machen, werden
gelegentlich Begriffe wie quasi-SH-Mode verwendet. Insbesondere bei Platten aus koh-
lenstofffaserverstärktem Kunststoff (
CFK
), in denen mehrere Schichten aus anisotropem
Material mit unterschiedlichen Ausrichtungen geschichtet sind, können reine Lamb- oder
SH-Wellen nur in wenigen Ausbreitungsrichtungen auftreten, die Symmetrieachsen des
Materials darstellen. Die Unterscheidung in symmetrische und antisymmetrische Moden
kann beibehalten werden, solange ein Laminat symmetrisch bezüglich der Mittelebene
aufgebaut ist. Diese Einteilung ist auch für SH-Moden möglich. Luftfahrtbauteile aus Ver-
bundmaterial sind üblicherweise symmetrisch aufgebaut. Nicht-symmetrisch aufgebaute
Plattenbereiche können allerdings unter anderem in Folge einseitig aufgebrachter Verstei-
fungselemente auftreten. Hier kann je nach Ausprägung der Symmetrie noch von quasi-
symmetrischen bzw. -antisymmetrischen Moden gesprochen werden, um dies voneinander
zu unterscheiden. In dieser Arbeit werden jedoch ausschließlich isotrope Materialien und
symmetrisch aufgebaute Laminate betrachtet. Aufgrund der untersuchten Fragestellung ist
eine Unterscheidung zwischen reinen und quasi-Lamb-Wellen nicht erforderlich und auch
im Bezug auf
CFK
-Platten werden alle Plattenwellen im betrachteten Frequenzbereich als
Lamb-Wellen bezeichnet.
9
3 Geführte Wellen - Eigenschaften und Simulationsverfahren
3.3 Eigenschaften geführter Wellen
In Abb. 3.1 auf der vorherigen Seite sind bereits einige wichtige Merkmale von Lamb-Wellen
zu erkennen. Die als Dispersion bezeichnete Frequenzabhängigkeit der Phasengeschwindig-
keit sorgt für ein Auseinanderlaufen der aus mehreren Frequenzanteilen zusammengesetzten
Wellenpakete. Wie in diesem Dispersionsdiagramm dargestellt, ist bezogen auf die Phasenge-
schwindigkeit eine Änderung der Frequenz äquivalent zu einer Änderung der Plattendicke.
Daher wird häufig das Produkts aus Frequenz
f
und Dicke
d
auf der Abszissenachse aufge-
tragen. Praktisch erfolgt eine Parametervariation jedoch sehr viel häufiger über der Frequenz
als über der Plattendicke. Daher wird im Folgenden der Einfachheit halber nur von einer
Frequenzabhängigkeit gesprochen. Die Phasengeschwindigkeit
cp
bezeichnet die Geschwin-
digkeit, mit der sich in einem Wellenpaket Punkte gleicher Phase ausbreiten, und wird näher
in Abschnitt 3.6 erläutert. Sie ist zu unterscheiden von der Gruppengeschwindigkeit, mit
der sich die Ausbreitung des gesamten Wellenpakets beschreiben lässt (siehe Abschnitt 3.7).
Lamb-Wellen lassen sich anhand der Schwingungen bezogen auf die Plattenmittelebene
als symmetrisch und antisymmetrisch klassifizieren. Die Reihenfolge ihres Auftretens im
Dispersionsdiagramm bestimmt dabei die Ordnung der Moden. Der S
0
- und der A
0
-Mode
werden hierbei als fundamentaler symmetrischer bzw. antisymmetrischer Mode bezeichnet.
Moden höherer Ordnung, wie der A
1
- und der S
1
-Mode treten ab bestimmten Grenzfrequen-
zen auf. Da die fundamentalen Moden keine untere Grenzfrequenz besitzen, sind bei einer
Anregungsfrequenz immer mindestens zwei Lamb-Wellenmoden im Wellenfeld vorhanden.
Durch den multimodalen Charakter der Lamb-Wellen kommt es bei ihrer Interaktion mit
Inhomogenitäten in den meisten Fällen zu einer teilweisen Umwandlung in die anderen
Moden, der sogenannten Modenkonversion. Eine Ausnahme stellen dabei Inhomogenitäten
dar, die symmetrisch bezüglich der Plattenmittelebene sind [2]. Auch bei der Anregung
muss im Allgemeinen mit mindestens zwei Wellenfronten - eine je Mode - gerechnet wer-
den. Mithilfe von Aktoren, die an die Wellenlänge angepasst sind, ist es möglich einzelne
Moden zu verstärken oder abzudämpfen, so dass von einer modenselektiven oder sogar
monomodalen Anregung gesprochen werden kann [17].
Die Merkmale, mit denen sich Moden bei einer Frequenz hauptsächlich unterscheiden,
sind die Phasengeschwindigkeit bzw. Wellenlänge und die Dehnungsverteilungen über dem
Plattenquerschnitt [11]. Plattenwellen setzen sich im Allgemeinen aus Schwingungsanteilen
in allen drei Raumrichtungen zusammen. Ein Punkt der Platte schwingt daher auf einer
Ellipse, die beliebig im Raum liegen kann und die sich als Unterscheidungsmerkmal für die
Moden nutzen lässt [18, 19]. Mit der Frequenz steigt der Einfluss der Materialdämpfung auf
die Amplitude der Wellen [20, 21]. Die resultierende geringe Reichweite der Lamb-Wellen ist
wenig dienlich für
SHM
-Systeme, deren Zweck eine Überwachung großer Strukturbereiche
mit wenigen Sensoren ist. Weiterhin treten bei steigender Anregungsfrequenz zusätzliche
Moden höherer Ordnung auf, die eine Analyse von Signalen und Wellenfeldern erschweren.
Ein dritter Grund für das Vermeiden hoher Anregungsfrequenzen ist die Interaktion der
Wellen mit der Mikrostruktur, also den Faserbündeln, sobald die Wellenlängen zu der
Größenordnung dieser Inhomogenitäten passen [1, 22]. Aus den genannten Gründen wird
bei Untersuchungen zur Anwendung von Lamb-Wellen für
SHM
in den meisten Fällen die
Frequenz auf den Bereich begrenzt in dem keine höheren Moden auftreten. In Abb. 3.1 auf
der vorherigen Seite liegt diese Grenze bei etwa f·d=1, 5 MHz·mm.
3.4 Anregung und Messung
Lamb-Wellen werden im Allgemeinen als Ultraschall, also ab etwa 20 kHz angeregt. Entspre-
chend eignen sich dafür klassische Ultraschallwandler aus der zerstörungsfreien Prüfung
10
3.4 Anregung und Messung
zur Anregung, aber auch für die punktuelle oder flächige Messung [23, 24]. Piezoelektrische
Keramiken aus Blei-Zirkonat-Titanat (
PZT
) sind jedoch weiter verbreitet in der
SHM
-For-
schung, da sie sich flexibel als Sensoren oder Aktoren verwenden lassen und gleichzeitig
kostengünstig sind. Weiterhin lassen sich die mechanischen Eigenschaften der spröden Kera-
mik für den anwendungsnahen Einsatz durch eine spezielle Ummantelung verbessern [25].
Ein Nachteil der Keramiken ist ihr nichtlineares Verhalten in weiten Bereichen des möglichen
Anregunsspektrums infolge der Eigenfrequenzen, die zusätzlich mit ihren Eigenformen
für eine ungleichmäßige Abstrahlung der Plattenwellen sorgen können [26]. Die selektive
Anregung einzelner Moden kann durch eine geeignete Aktorkonfiguration erreicht wer-
den [17]. Eine Möglichkeit hierzu ist die kollokale Anordnung der Wandler, dass heißt eine
symmetrische Anordnung auf den gegenüberliegenden Plattenflächen. Eine Alternative,
die nur eine Anregung auf einer Plattenseite benötigt, sind auf die Wellenlänge der Moden
angepasste Aktoren. Ein verbreitetes kontaktloses Messverfahren ist die Laservibrometrie,
welche häufig in Form scannender Systeme umgesetzt wird, um eine Visualisierung der
flächigen Wellenausbreitung zu ermöglichen [19, 27, 28]. Mit Lasern ist prinzipiell auch eine
kontaktlose Anregung geführter Wellen möglich, wobei hierbei mit einer Schädigung der
bestrahlten Oberfläche zu rechnen ist [16]. Eine weitere etablierte Methode zur flächigen
Messung ist die luftgekoppelte Ultraschalltechnik [24]. Beide Verfahren haben spezifische
Vor- und Nachteile. Luft-Ultraschall ermöglicht prinzipiell eine rauschärmere und schnellere
Messung. Allerdings kann die Messung, infolge des Luftspalts zwischen Ultraschallsensor
und Platte, durch Signalanteile aus der Umgebung des eigentlichen Messpunktes beein-
flusst werden [18]. Laservibrometrie erfordert dagegen eine Behandlung der untersuchten
Oberfläche mit reflektierendem Material, erlaubt aber gleichzeitig einen größeren Abstand
zur analysierten Struktur und ist sensitiver für die Schwingungsrichtung des Messpunktes.
Als Anregungssignale werden für die Strukturüberwachung häufig Burst-Signale ver-
wendet, da die entstehenden kurzen Wellenpakete eine bessere Ortung von Schäden ermög-
lichen. Dies ist vergleichbar mit der Wahl einer kurzen Pulslänge in der Ultraschallprüfung,
um das räumliche Auflösungsvermögen zu verbessern [29]. Für eine Analyse der Wel-
lenausbreitung über einen großen Frequenzbereich eignet sich dagegen eine breitbandige
harmonische Anregung, beispielsweise mit einem periodic chirp, in Kombination mit einer
Fourier-Transformation der Ergebnisse [26]. Eine solche Analyse ist für Fragestellungen
zum Systemverhalten im Frequenzbereich ein geeigneter Ansatz. Da
SHM
-Systeme auf der
Auswertung von Laufzeiten zur Schadensdetektion basieren, liegen die Herausforderungen
allerdings mehrheitlich im Verständnis des Systemverhaltens im Zeitbereich. Aus diesem
Grund konzentriert sich diese Arbeit auf transiente Prozesse und es wird auf Burst-Signale
zur Anregung zurückgegriffen. Beim verwendeten Anregungssignal
a
handelt es sich um
ein sinusförmiges Signal, das mit einem Sinusfenster überlagert ist.
a(t) =
sin πf0
npt·cos 2πf0tnp
2 wenn tnp
f0
0 wenn t>np
f0.(3.2)
Das Signal
a
ist eine Funktion der Zeit
t
, der Mittenfrequenz
f0
und der Pulsanzahl
np
.
Durch eine Verschiebung um
np/
2 ist das Signal auf der Zeitachse symmetrisch bezüglich
seines Zentrums mit der maximalen Amplitude bei
t=np/
2
f0
. Entscheidend für die Wahl
eines geeigneten Signals im Rahmen des
SHM
ist neben der Mittenfrequenz die Pulsanzahl.
Mit der Pulsanzahl erhöht sich die Signalstärke und ermöglicht damit eine großflächigere
Ausbreitung der Wellen. Eine kürzeres Signal vereinfacht jedoch die Laufzeitbestimmung im
Rahmen der Schadensdetektion, führt allerdings auch zu einem breiteren Frequenzspektrum
und damit zu einer größeren Anfälligkeit des Signals für Dispersion [19]. In Abb. 3.2a ist ein
Anregungssignal bei einer Mittenfrequenz von 100kHz und einer Länge von drei Pulsen
11
3 Geführte Wellen - Eigenschaften und Simulationsverfahren
dargestellt. Diese Pulsanzahl hat sich für
SHM
als guter Kompromiss zwischen Signallänge,
Dispersionsverhalten und Amplitudenhöhe herausgestellt.
Im Minimalmodell, das in Kapitel 5 vorgestellt wird, erfolgt die Berechnung der Zeit-
signale durch Überlagerung einzelner Frequenzschritte. Indem das Frequenzband auf
0, 5
·f0f
2
·f0
begrenzt wird, wie in Abb. 3.2b dargestellt, reduziert sich die Anzahl der
Berechnungsschritte deutlich. In Abb. 3.2a ist zu erkennen, dass diese Begrenzung nur ge-
ringe Auswirkungen auf den Zeitbereich hat. Die gewählten Bandgrenzen stellen also einen
geeigneten Kompromiss zwischen Signaltreue und einer Begrenzung des Frequenzbereichs
dar.
Für den Abgleich des Minimalmodells in Kapitel 6 werden numerische Simulationen und
experimentelle Messungen herangezogen. Dabei wird für die experimentelle Validierung auf
die Kombination von
PZT
-Aktoren zur Anregung und einem Laservibrometer zur Messung
der Lamb-Wellen zurückgegriffen. Um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten,
sind die Anregungssignale im entwickelten Minimalmodell, den Simulationen und den
Versuchen identisch. Weiterhin werden die Mess- und Simulationsergebnisse mit einem
Bandpass gefiltert, der die oben genannten Bandgrenzen als Grenzfrequenzen verwendet
(siehe auch Abschnitt 6.1).
vollständiges Spektrum
bandbegrenztes Spektrum
0 10 20 30 40 50 60
t [µs]
-1
0
1
a [-] (normiert)
(a)
Zeitsignal
50 100 150 200 250 300 350 400
f [kHz]
0
0
1
|A| [-] (normiert)
(b)
Amplitudenspektrum
Abbildung 3.2:
Anregungssignal für
f0
=100 kHz und
np
=3
3.5 Darstellung im B-Bild
Als Wellenpaket oder Wellengruppe werden die aus der Überlagerung mehrerer harmo-
nischer Schwingungen entstehenden transienten, also zeitlich begrenzten, Wellenzüge be-
zeichnet. Bei den betrachteten geführten Wellen kommt neben der zeitlichen Änderung
auch immer eine räumliche Ausbreitung dazu. Für die Visualisierung der Abhängigkeit von
beiden Dimensionen eignet sich das aus der Ultraschallprüfung bekannte B-Bild bei dem
Zeitsignale entlang einer Linie aufgezeichnet und Amplituden farblich kodiert werden [30].
Mit dem in Abschnitt 5.4 beschriebenen Verfahren lassen sich solche B-Bilder analytisch
bestimmen. Abb. 3.3 zeigt exemplarisch eine solches B-Bild der Wellenausbreitung in einer
Aluminiumplatte mit Dickenänderung auf halber Strecke. Am linken Rand erfolgt eine
monomodale Anregung des S
0
-Modes wodurch der langsamere A
0
-Mode erst nach der
Interaktion mit der Dickenänderung erscheint. Die Geschwindigkeit der Moden lässt sich
anhand der Steigung der Wellenzüge abschätzen.
In Abb. 3.3 sind zusätzlich zum B-Bild die Signale für ein festen Ort bzw. einen Zeitpunkt
dargestellt. Die Signale sind mit einer Einhüllenden überlagert, da sich damit Wellenpakete
12
3.5 Darstellung im B-Bild
besser abzeichnen. Bei der Annahme eines linearen Systems bleiben die bei der Anregung
in die Platte eingebrachten Frequenzen erhalten, auch beim Übergang in Plattenbereichen
mit anderen Dicken oder Materialien. Die Wellenlängen ändern sich hingegen entsprechend
der Dispersionseigenschaften des Plattenbereichs. Dies ist gut zu erkennen beim Vergleich
des räumlichen mit dem zeitlichen Signal. Im Zeitsignal sind die Moden anhand ihrer
Schwingungscharakteristik nicht zu unterscheiden. Im räumlichen Signal zeichnet sich
der Unterschied in den Wellenlängen insbesondere für die unterschiedlichen Moden ab.
Beim dispersiven A
0
-Mode ist zusätzlich die kürzere Wellenlänge im rechten Plattenbereich
sichtbar.
800150 x[mm]
0
130
250
t[µs]
A (t=130 µs) [-]
A(x=150 mm) [-]
S0
S0S0
S0S0
S0A0
S0A0
10,5 0-0,5
0,5
0
-0,5
-1
0
1
A [-]
Abbildung 3.3:
B-Bild der Wellenausbreitung bei monomodaler Anregung des S
0
-
Modes sowie Signale mit Einhüllender in zeitlicher und räumlicher
Dimension; Linien im B-Bild markieren die Position des Signale
Die von einer Quelle, wie etwa einem Aktor, erzeugten Wellenpakte werden in der Li-
teratur als primär bezeichnet, um sie von Wellenpaketen zu unterscheiden, die zu einem
späteren Zeitpunkt durch die Interaktion der Wellen mit der Struktur entstehen. Häufig
wird der transmittierte Anteil der Welle weiterhin zur primären Welle gezählt. In dieser
Arbeit findet diese Unterscheidung hingegen relativ zur aktuell betrachteten Unstetigkeit
statt. Alle einfallenden Wellen, auch wenn diese bereits die Folge einer vorhergehenden
Interaktion sind, zählen als primäre Wellen. Analog können alle aus der Interaktion ent-
stehenden Wellen als sekundär bezeichnet werden. Dies gilt nicht nur für Reflexion und
Modenkonversion, sondern auch für die Transmission der primären Welle. In Abb. 3.3 ist der
S
0
-Mode zwischen Aktor und Unstetigkeit das primäre Wellenpaket während die restlichen
vier zu den sekundären Wellen zählen.
13
3 Geführte Wellen - Eigenschaften und Simulationsverfahren
3.6 Phasengeschwindigkeit
Die Phasengeschwindigkeit
cp
beschreibt die Ausbreitung eines Punktes gleicher Phase einer
harmonischen, also monofrequenten, Welle. Die zum
SHM
genutzten Wellenpakete sind
hingegen transiente Schwingungsvorgänge mit einem begrenzten Frequenzspektrum. Im
dispersiven Fall bestehen Wellenpakete folglich aus einer Überlagerung unterschiedlicher
Wellenlängen
λ
. In dieser Arbeit wird vorwiegend mit der Frequenz
f
und Wellenzahl
v
gearbeitet, während viele Publikationen die Kreisfrequenz
ω=
2
πf
und die Kreiswellenzahl
k=2πvverwenden.
cp=λ·f(3.3)
λ=1
v(3.4)
Die frequenzabhängigen Phasengeschwindigkeiten eines Mediums können auf Basis der
Dispersionsgleichungen nur numerisch bestimmt werden. Dies gelang, wie bereits erwähnt,
als erstem Horace Lamb 1917 [9] in isotropem Material. Eine Erweiterung auf geschichtete
Verbünde wurde erst mit der Transfermatrix-Methode möglich [31–33]. Dieser Ansatz ist
jedoch unter bestimmten Umständen instabil, wodurch bei höheren Frequenzen keine oder
falsche Geschwindigkeiten berechnet werden. Eine Weiterentwicklung ohne diesen Nachteil
stellt die Steifigkeitsmatrix-Methode (
SMM
) dar [34, 35]. Ein Vergleich beider Ansätze findet
sich in [18]. In dieser Arbeit werden die Dispersionskurven auf Basis der letztgenannten
Methode berechnet [36]. Damit können die Phasengeschwindigkeit für nahezu beliebige
Platten aus anisotropen Schichten berechnet werden. Infolge der Anisotropie ist bei solchen
Platten die Phasengeschwindigkeit nicht nur von der Anregungsfrequenz, sondern auch
von der Ausbreitungsrichtung abhängig. Als Ergebnis des numerischen Verfahrens ergibt
sich eine Punkteschar für vorher definierte Winkel- und Frequenzschritte. Dispersions-
kurven müssen nachträglich innerhalb der Punkteschar identifiziert und den einzelnen
Wellenmoden zugeordnet werden. Im betrachteten Frequenzbereich, in dem nur die drei
fundamentalen Moden
A0
,
S0
und
SH0
auftreten, ist dies mit geringem Aufwand möglich,
da sich die Kurven in diesem Bereich noch nicht schneiden.
Als Beispiel für Dispersionskurven sind in Abb. 3.4 die Phasengeschwindigkeiten einer
Verbundplatte in Abhängigkeit von Frequenz und Richtung abgebildet, das heißt, einmal
mit einen festen Winkel (links) und einmal mit einer festen Frequenz (rechts). Für dieses
Darstellung wird die Platte mit der Bezeichnung CFK02 verwendet, da deren stark aniso-
tropes Laminat zu einer ausgeprägten Richtcharakteristik führt. Der Laminataufbau der
verwendeten Platten ist in Tabelle A.3 auf Seite 106 dokumentiert.
3.7 Gruppengeschwindigkeit
Die Gruppengeschwindigkeit beschreibt die Geschwindigkeit, mit der sich die Hüllkurve
eines Wellenpaketes fortbewegt. Daher wird sie häufig mit dem Transport von Energie in
Verbindung gebracht. Dies gilt allerdings nur im Idealfall einer Wellenausbreitung ohne
Energieverlust [37]. Materialdämpfung und Energieabstrahlung in das Umgebungsmedi-
um sind in realen Bauteilen jedoch immer vorhanden. Solche Einflüsse können für die
im Rahmen dieser Arbeit entwickelten Verfahren vernachlässigt werden, da die Gruppen-
geschwindigkeit dort allein einer ersten Approximation der Wellenlaufzeiten dient. Die
entsprechenden Anwendungen der Gruppengeschwindigkeit finden sich in Abschnitt 4.3
und Abschnitt 5.4. Zusätzlich dient die Gruppengeschwindigkeit in dieser Arbeit als In-
dikator für den Einfluss von Anisotropie auf die Wellenausbreitung und der Beurteilung
14
3.7 Gruppengeschwindigkeit
0200 400 600 800
f[kHz]
0
2
4
6
8
10
cp[km/s]
A0
SH0
S0
(a) cp(f)
für
φ
=0
2
4
6
8
90°
180°
270°
A0
SH0
S0
cp[km/s]
(b) cp(φ)
für
f
=200 kHz
Abbildung 3.4:
Dispersionskurven für die Platte CFK02 in Abhängig-
keit von der Frequenz und der Ausbreitungsrichtung
der Anwendungsgrenzen des Minimalmodells (siehe Abschnitt 6.2). Während sich die Pha-
sengeschwindigkeit mit den im vorherigen Abschnitt besprochenen Verfahren für nahezu
beliebige Laminate bestimmen lässt, wird die Verteilung der Gruppengeschwindigkeit in
anisotropen Laminaten nur in wenigen Literaturquellen behandelt. Aus diesem Grund soll
im Folgenden näher auf deren Berechnung eingegangen werden.
Im Allgemeinen fallen die Richtung von Gruppen- und Phasengeschwindigkeit nicht
zusammen. Stattdessen steht der Vektor der Gruppengeschwindigkeit orthogonal auf der
richtungsabhängigen Kurve der Langsamkeit [38, 39]. Die Langsamkeit
s
ist ein Begriff aus
der Seismologie und entspricht dem Kehrwert der Phasengeschwindigkeit cp.
s=1
cp
(3.5)
Gebräuchlicher ist dieser Begriff unter seinem englischsprachigen Äquivalent slowness.
Beispiele für richtungsabhängige Langsamkeitskurven einer anisotropen Platte finden sich
in Abb. 3.6a auf Seite 18. Während sich Phasengeschwindigkeit und Langsamkeit betrags-
mäßig unterscheiden, sind sie bezüglich ihrer Ausbreitungsrichtung identisch. Die Richtung
von Phasen- und Gruppengeschwindigkeit
φ
und
φg
eines materiellen Punktes fallen jedoch
nur für den Spezialfall eines isotropen Materials zusammen, da hier die Geschwindig-
keitskurven kreisförmig sind. Dies ist in Abb. 3.5a anhand der Langsamkeit bei einem
Frequenzschritt dargestellt. Ein Punkt auf der Langsamkeitskurve lässt sich entweder in
kartesischen Koordinaten mit
sx
und
sy
oder in Polarkoordinaten mit dem Betrag
s
und dem
Winkel
φ
beschreiben. Im anisotropen Fall sind
φ
und
φg
nur in Ausnahmefällen identisch,
da sich die Langsamkeit über den Winkel ändert. Der Vektor der Gruppengeschwindig-
keit steht orthogonal auf der Langsamkeitskurve und fällt im Allgemeinen nicht mit der
Richtung der Phasengeschwindigkeit zusammen (Abb. 3.5b).
Die Gruppengeschwindigkeit
cg
lässt sich in zwei Komponenten, eine parallel die ande-
re orthogonal zum winkelabhängigen Vektor der Langsamkeit unterteilen. Im Folgenden
werden diese als
cgk
bzw.
cg
bezeichnet. Äquivalent ist die Darstellung der Gruppenge-
schwindigkeit als
cgx
und
cgy
im kartesischen Koordinatensystem der Platte möglich. Der
15
3 Geführte Wellen - Eigenschaften und Simulationsverfahren
cg=cgk
s
φ
sx
sy
cgx
cgy
sx(φ)
sy(φ)φg
(a)
isotrop
cg
s
cg
cgk
φ
φg
sx
sy
(b)
anisotrop
Abbildung 3.5:
Vektor der Gruppengeschwindigkeit orthogonal auf Langsamkeitskurven
gesuchte Wert fürdie Geschwindigkeit, mit der sich eine Wellengruppe ausbreitet, entspricht
dem Betrag des Vektors und ergibt sich genau wie dessen Richtung
φg
aus den einzelnen
Komponenten.
cg=qc2
gk+c2
g=qc2
gx +c2
gy (3.6)
φg=arctan cgy
cgx (3.7)
In isotropen Materialien ist die Phasengeschwindigkeit nicht richtungsabhängig und der
orthogonale Anteil entfällt. In diesem Fall ist
cg
=
cgk
. Die (parallele) Gruppengeschwindig-
keit ist definiert als die partielle Ableitung der Frequenz fnach der Wellenzahl v[40].
cgk=f
v(3.8)
Ohne Dispersion, wenn also die Kurve der Phasengeschwindigkeit über der Frequenz
keine Steigung aufweist, fallen Phasen- und Gruppengeschwindigkeit zusammen. Dies trifft
beispielsweise näherungsweise für den S
0
-Mode im unteren Frequenzbereich zu. Mithilfe
der Gleichungen (3.3) bis (3.5) lässt sich die Wellenzahl
v
in Abhängigkeit der bekannten
Phasengeschwindigkeit bzw. Langsamkeit ausdrücken.
v=f
cp
=f·s(3.9)
Die parallele Komponente von
cg
beim Frequenzschritt
n
kann jetzt auf Basis der nume-
rischen Ausgangsdaten für
cp
und
f
näherungsweise mit der Finite-Differenzen-Methode
berechnet werden [41]. Hierbei bezeichnen
f+
und
f
die angrenzenden Schritte ober- bzw.
unterhalb der betrachteten Frequenz fn.
cgk(fn) = f+f
f+·s(f+)f·s(f)(3.10)
16
3.7 Gruppengeschwindigkeit
Die Gruppengeschwindigkeit eines Modes besitzt, genau wie die Phasengeschwindigkeit,
einen stetigen Verlauf über der Frequenz. Obwohl Wellenpakete durch ein Frequenzspek-
trum beschrieben werden (Abb. 3.2b), genügt in den meisten Fällen ein einzelner Wert, um
die Geschwindigkeit der Gruppe zu beschreiben. Hiebei handelt es sich um die Gruppenge-
schwindigkeit der Mittenfrequenz
f0
. In [19] findet sich ein Vergleich zwischen theoretischer
Gruppengeschwindigkeit und der experimentell bestimmten Geschwindigkeit des Ampli-
tudenmaximums. Eine minimale Abweichung zwischen beiden Werten ist sichtbar, aber
die Ursachen hierfür werden nicht geklärt. Auch für den Fall, dass eine solche geringe
Abweichung existiert, ist sie für die oben erwähnten Anwendungsfälle der Gruppenge-
schwindigkeiten in dieser Arbeit vernachlässigbar.
In anisotropen Materialien verläuft die Kurve der Langsamkeit im Allgemeinen nicht
senkrecht zur Ausbreitungsrichtung der Phasengeschwindigkeit. Damit ist zusätzlich die
orthogonale Komponente der Gruppengeschwindigkeit erforderlich, um den Geschwindig-
keitsvektor komplett zu bestimmen. Dieser Anteil lässt sich bei einer festen Frequenz aus
den in Abb. 3.5b dargestellten geometrischen Zusammenhängen berechnen.
tan(φφg) = cg
cgk
(3.11)
tan(φ) = sy
sx
(3.12)
Der Winkel
φg
kann anhand der Steigung der Langsamkeit bei einem Winkel
φ
bestimmt
werden. Diese ergibt sich aus dem Differentialquotient d
sy(φ)/
d
sx(φ)
und entspricht dem
negativen Kehrwert der Steigung der Gruppengeschwindigkeit mg.
tan(φg) = cgy
cgx
=dsx(φ)
dsy(φ)=mg(3.13)
Mithilfe des Additionstheorems für trigonometrische Funktionen sowie den Gleichun-
gen (3.7) und (3.13) ergibt sich der orthogonale Anteil der Gruppengeschwindigkeit allein
aus der Langsamkeit bei einem Winkel φund der Steigung an dieser Stelle der Kurve.
cg=cgk·sy/sxmg
1+sy/sx·mg
(3.14)
Alternativ kann
cg
auch über die Wellenzahl berechnet werden, was letztlich zu identi-
schen Ergebnissen führt [38].
cg=cgk·1
v
v
∂φ (3.15)
Als numerische Näherungslösung bietet sich hier wie bereits bei Gleichung 3.10 die Finite-
Differenzen-Methode an. Der orthogonale Anteil der Gruppengeschwindigkeit beim Win-
kelschritt
φn
ergibt sich aus dem parallelen Anteil und den Wellenzahlen der angrenzenden
Winkelschritte.
cg(φn) = cgk(φn)·1
v(φn)
v(φ+)v(φ)
φ+φ(3.16)
In Abb. 3.6a sind die auf diese Weise berechneten Vektoren der Gruppengeschwindigkeit
exemplarisch auf der Langsamkeitskurve des SH
0
-Modes abgebildet. Deren Länge ist um
den Faktor 0,04 skaliert, um eine der Langsamkeit ähnliche Größenordnung zu erreichen.
Wird
cg
stattdessen vom Koordinatenursprung aus aufgetragen, entstehen die Verläufe in
Abb. 3.6b.
17
3 Geführte Wellen - Eigenschaften und Simulationsverfahren
0,25
0,5
0,75
1
90°
180°
270°
A0
SH0
S0
s[s/km]
cg
(a) s(φ)
mit den
cg
-Vektoren auf
der Kurve des SH
0
-Modes
4
6
8
90°
180°
270°
A0
SH0
S0
cg[km/s]
2
(b) cg(φ)
Abbildung 3.6:
Langsamkeit
s
und Gruppengeschwindigkeit
cg
in Abhängigkeit
der Ausbreitungsrichtung für die Platte CFK02 bei
f
=200 kHz
Die Gruppengeschwindigkeit kann genutzt werden, um die Wellenfront einer Welle zu
beschreiben. Die Wellenfront ergibt sich aus allen Punkten mit gleicher Laufzeit vom Ur-
sprungsort der Welle und eignet sich zur einfachen Visualisierung von Wellenfeldern. Für
den Fall eines Modes mit geringer Dispersion entspricht die berechnete Wellenfront ansatz-
weise der vorderen Front der Welle. Diese ist hauptsächlich in experimentellen Analysen
der Wellenlaufzeit von Relevanz und in Ausbreitungsrichtung durch den vordersten Punkt
der Welle mit einer messbaren Auslenkung definiert. Die Front der Welle besitzt eine Aus-
breitungsgeschwindigkeit, die sich stärker von der Gruppengeschwindigkeit unterscheidet,
je stärker die Dispersion eines Modes ist. Ist das Anregungssignal zeitlich symmetrisch, wie
in Abb. 3.2a auf Seite 12, entspricht die Wellenfront näherungsweise dem Maximum des
Wellenpakets, wenn die halbe Signallänge von der Laufzeit abgezogen wird.
In Abschnitt 6.2 werden auf diese Weise berechnete Wellenfronten für quasi-isotrope
und stark anisotrope
CFK
-Laminate diskutiert. Weiterhin erfolgt dort ein Vergleich der
berechneten Wellenfronten mit flächigen Messungen der Wellenausbreitung. Im Zuge dessen
wird auch geklärt, inwiefern das in dieser Arbeit vorgestellte Minimalmodell für Laminate
mit unterschiedlich stark gerichteten Materialeigenschaften geeignet ist.
3.8 Berechnungsverfahren für geführte Wellen
Wellenausbreitungsvorgänge sind in vielen wissenschaftlichen Gebieten von Bedeutung.
Durch sehr unterschiedliche Anforderungen in den einzelnen Disziplinen existieren eine
Vielzahl von analytischen und numerischen Berechnungsansätzen. Zu den am weitesten
verbreiteten numerischen Verfahren, die auch für transiente dynamische Prozesse geeignet
sind, gehört die Finite-Elemente-Methode (
FEM
) [42–44]. Ein Überblick der verschiedenen
Simulationsmöglichkeiten in kommerziellen
FEM
-Programmen zur Abbildung geführter
Wellen findet sich im folgenden Abschnitt. Allerdings stoßen diese klassischen Ansätze
bei großen Luftfahrtstrukturen schnell an ihre Grenzen. Eine Zusammenfassung aktueller
Alternativen zur FEM schließt sich daher in Abschnitt 3.8.2 an.
18
3.8 Berechnungsverfahren für geführte Wellen
3.8.1 Transiente Verfahren in kommerzieller FE-Software
In diesem Abschnitt werden Berechnungsmethoden vorgestellt, die in kommerzieller FE-
Software verfügbar sind und sich prinzipiell für die transiente Abbildung von Lamb-Wellen
eignen. Die diskutierten Vor- und Nachteile beziehen sich auf einige gängige Softwarepa-
kete (Abaqus, ANSYS, LS-DYNA). Für FEM-Berechnungen wird im Rahmen dieser Arbeit
ANSYS verwendet [45]. Auf dem Markt existiert allerdings eine Vielzahl kommerzieller
und freier Alternativen, so dass der Überblick an dieser Stelle nicht vollständig sein kann.
Erläuterungen zu den Grundlagen der Finite-Elemente-Methode und speziell den einzelnen
Lösungsansätzen finden sich in [42–44]. Für einen ersten Vergleich der Leistungsfähigkeit
dieser Ansätze wird ein zweidimensionales Querschnittsmodell einer
CFK
-Platte mit Ome-
ga-Stringer in ANSYS simuliert. Die untersuchte Geometrie ist in Abb. 4.1 dargestellt und die
Simulationsparameter folgen, soweit zutreffend, Abschnitt 4.2.1. Auf detaillierte Ausführun-
gen zu Aufbau und Konfiguration der Modelle soll an dieser Stelle jedoch verzichtet werden,
da die ausgeführten Simulationen nur dem prinzipiellen Methodenvergleich dienen.
Explizite und implizite transiente Verfahren
Herkömmliche transiente Verfahren lösen
die Bewegungsgleichungen nacheinander für alle relevanten Zeitschritte. Die gängigste
Methode verwendet dazu die implizite Zeitintegration nach Newmark. Hierbei muss das
zugrunde liegende Gleichungssystem zu jedem Zeitschritt erneut komplett gelöst werden.
Dabei wird die Steifigkeitsmatrix invertiert, um einen neuen Gleichgewichtszustand zu
berechnen. In Folge ist das implizite Verfahren zwar unbedingt stabil, aber zeitaufwändig.
Dies bedeutet, dass die Wahl der Zeitschrittweite prinzipiell frei ist und allein Einfluss auf
die Genauigkeit hat. Für verwertbare Signale muss allerdings zusätzlich das Abtasttheorem
erfüllt werden.
Im Gegensatz dazu muss bei expliziten Verfahren nur die Massenmatrix invertiert werden.
Da bei diesen Verfahren eine diagonale Massenmatrix verwendet wird, ist diese Operation
trivial. Für eine stabile Rechnung müssen die verwendeten Zeitschritte jedoch unter einem
kritischen Wert liegen und sind häufig sehr klein. Gerade für nicht-lineare Probleme eig-
nen sich explizite Verfahren, da bei impliziten Lösungsverfahren jeder Zeitschritt mehrere
aufwändige Iterationen erfordert bis das Gleichgewicht gefunden ist.
Ein Vorteil der impliziten transienten Analyse ist, dass dabei im Vergleich zur expliziten
Variante mehr Möglichkeiten der Modellierung zur Verfügung stehen. Dazu gehört unter
anderem der Einsatz von coupled field Elementen, also Elementen in denen mehrere physi-
kalische Felder gekoppelt werden. Den gängigen FE-Programmen fehlt diese Option bei
expliziten Simulationen. Dies ist bei geführten Wellen für die Abbildung piezoelektrischer
Materialien relevant, die als Aktoren und Sensoren dienen und elektrische und mechanische
Freiheitsgrade verknüpfen. Die etablierten FE-Programme erlauben die Implementierung
eigener finiter Elemente, wodurch sich dieser Nachteil prinzipiell umgehen lässt [46]. Alter-
nativ ist es möglich piezoelektrische Aktoren durch Kräfte oder auch mithilfe einer analogen
thermischen Dehnung zu approximieren.
Methode der reduzierten Systemmatrizen
Reduzierte Systemmatrizen (Masse, Steifig-
keit und falls vorhanden Dämpfung) verringern den Rechenaufwand erheblich, da zunächst
die Berechnung der Ergebnisse nur an ausgewählten Knoten, den Master Degree of Freedom
(
MDoF
), erfolgt. Werden allerdings Ergebnisse an anderen Knoten benötigt ist ein expansion
pass nötig, der wiederum recht rechenintensiv ist. Die Aufteilung der Knoten erfolgt mit
der statischen Kondensation (Guyan-Reduktion), die nur im statischen Fall exakt ist. Bei
dynamischen Rechnungen ist die Genauigkeit von Anzahl und Position der
MDoF
abhän-
gig. Allerdings können innerhalb eines Modells nicht gleichzeitig elektrische Freiheitsgrade
19
3 Geführte Wellen - Eigenschaften und Simulationsverfahren
und Verschiebungsfreiheitsgrade als
MDoF
gewählt werden. Verschiebungs-MDoF sind
zwangsweise nötig, um die Wellenausbreitung abbilden zu können. Durch die fehlenden
elektrischen MDoF ist keine Anregung piezoelektrischer Wandler möglich und alternativ
bleibt nur eine Anregung mit Kräften. Da
MDoF
so gewählt werden müssen, dass alle
interessierenden Verformungen dargestellt werden können, sind bei Wellenausbreitungs-
vorgängen entsprechend viele
MDoF
nötig [44]. Es müssen
MDoF
über die gesamte Platte
verteilt sein, um die Wellenausbreitung bei Verwendung der reduzierten Systemmatrizen ab-
bilden zu können. Eine zu geringe Anzahl führt zu falschen Ausbreitungsgeschwindigkeiten
und zu Reflexionen in Bereichen, die frei von Unstetigkeiten sind. In den Vergleichsrech-
nungen hat sich gezeigt, dass mindestens 10% der Knoten als
MDoF
definiert sein müssen,
um korrekte Ergebnisse zu erhalten. In dieser Konfiguration liegen die Rechenzeiten inklu-
sive des expansion pass im Bereich der impliziten Analyse. Damit besitzt die Methode der
reduzierten Systemmatrizen keinen Vorteil bei der Berechnung der transienten Wellenaus-
breitung. Zusätzlich ist die direkte Verwendung von Piezoelementen zur Wellenanregung
nicht möglich.
Modensuperposition
Mit einer Superposition der Eigenmoden der Struktur kann deren
dynamisches Verhalten auch im transienten Fall beschrieben werden und stellt die bessere
Alternative zur veralteten Methode der reduzierten Systemmatrizen dar [44]. Die Modensu-
perposition ist wesentlich effizienter als die vorgenannten Verfahren. Allerdings müssen
vor der eigentlichen transienten Analyse die Eigenformen der Struktur im relevanten Fre-
quenzbereich ermittelt werden. Um die Zeitsignale an den Knoten zu erhalten, ist zusätzlich
nach der transienten Rechnung ein expansion pass nötig. In den Vergleichsrechnungen hat
sich ergeben, dass die Modensuperposition trotz dieser zwei zusätzlichen Schritte um den
Faktor fünf schneller sein kann als eine implizite Rechnung. Allerdings treten im gesamten
Zeitbereich Vibrationen mit geringer Amplitude auf. Dieses Rauschen kann Moden mit
geringer Amplitude leicht überlagern, so dass sich diese nicht mehr auswerten lassen. Die
Modensuperposition ist eine interessante Alternative zur Abbildung von transienten Vor-
gängen. Allerdings besitzt sie einige Einschränkungen bei der Modellierung, wie etwa der
Abbildung von Dämpfung. Außerdem ist auch bei dieser Methode keine Anregung der
Lamb-Wellen mit piezoelektrischen Elementen möglich.
Diskussion
Etablierte FE-Softwarepakete bieten viele Vorteile, insbesondere bei der Mo-
dellierung und Vernetzung komplexer Geometrien, der Abbildung unterschiedlicher Ma-
terialklassen und Nichtlinearitäten oder der kombinierten Simulation verschiedener phy-
sikalischer Effekte, wie Temperatureinflüssen oder Piezoelektrizität. Zusätzlich sind sie
durch jahrelange iterative Verbesserungen zuverlässig und gut dokumentiert. Allerdings
stoßen die verwendeten Methoden bei der Simulation von geführten Wellen schnell an
ihre Grenzen. Die Ursachen liegen in der Komplexität der Aufgabe und lassen sich in vier
Kategorien einteilen.
1.
Lamb-Wellen legen große Strecken infolge geringer Dämpfung zurück, wodurch
große Modelle erforderlich sind.
2.
Um die kleinste auftretende Wellenlänge abzubilden, ist eine entsprechend feine
räumliche Diskretisierung nötig.
3.
Infolge der hohen Anregungsfrequenzen ist eine gleichermaßen feine Diskretisierung
im Zeitbereich erforderlich.
4.
Anisotropie und eine große Zahl an Unstetigkeiten, d. h. Konstruktionselementen wie
etwa Stringern, erhöhen die Modellkomplexität weiter.
20
3.8 Berechnungsverfahren für geführte Wellen
Dennoch hat die
FEM
auch bei der Simulation geführten Wellen ihre Berechtigung. Durch
ihre Flexibilität eignet sie sich für detaillierte Betrachtungen einzelner räumlich und zeit-
lich begrenzter Effekte. Aus diesem Grund wird in Kapitel 4 für die Untersuchungen zur
Interaktion von Lamb-Wellen mit Unstetigkeiten ein FEM-Verfahren eingesetzt.
Die
FEM
ist nur einer, wenn auch wahrscheinlich der meistgenutzte, von vielen Ansät-
zen zur numerischen Simulation physikalischer Phänomene. Genauso wie die
FEM
ihren
Ursprung in der Strukturmechanik hat, lassen sich häufig auch andere Verfahren auf spezi-
fische natur- und ingenieurswissenschaftliche Disziplinen zurückführen. Mittlerweile ist
eine solche Einordnung nur noch schwer möglich, da eine Vielzahl von Verfahren existiert
und diese in unterschiedlichen Fachrichtungen verwendet werden. Neben der Anpassung
und Weiterentwicklung existierender Verfahren werden auch regelmäßig neue Ansätze zur
numerischen Simulation vorgeschlagen. Einen Überblick zu Berechnungsansätzen, die sich
neben der
FEM
zur Abbildung von Wellenausbreitungsvorgängen eignen, soll der nächste
Abschnitt geben.
3.8.2 Alternative Berechnungsverfahren
In diesem Abschnitt werden Alternativen zur etablierten und in Form vieler Softwarelösun-
gen verfügbaren
FEM
vorgestellt, die für die Berechnung der Wellenausbreitung geeignet
sind. Hierzu zählen sowohl Weiterentwicklungen der klassischen FE-Algorithmen als auch
eigenständige Methoden. Die folgenden Ansätze sind größtenteils aus anderen Anwen-
dungsfeldern bekannt und für die Berechnung von Lamb-Wellen adaptiert. Entsprechende
Verfahren stammen aus aktuellen Forschungsvorhaben und Algorithmen sind selten frei
oder kommerziell als Software verfügbar. Als spezialisierte Verfahren bieten sie gegenüber
etablierten Produktlösungen höhere Lösungsgeschwindigkeiten oder gesteigerte Genau-
igkeit bei meistens geringerer Flexibilität bezüglich der modellierbaren Geometrien oder
Effekte.
In den letzten Jahrzehnten wurde eine große Zahl spezialisierter Verfahren vorgeschlagen,
die eine effizientere Simulation der Wellenausbreitung insbesondere in Luftfahrtstrukturen
ermöglichen. An dieser Stelle soll nur ein Überblick zum weiten Feld der Simulationsan-
sätze für die Wellenausbreitung gegeben werden. Eine detaillierte Auseinandersetzung
mit diesem Thema findet sich in [47]. Für einen Großteil der hier vorgestellten Methoden
existieren aktuell keine etablierten deutschen Bezeichnungen, weswegen auf die englischen
Begriffe zurückgegriffen wird.
FEM-basierte Verfahren
Die Mehrheit der für spezielle Anwendungen entwickelten nu-
merischen Verfahren basiert auf der
FEM
unter Verwendung angepasster Ansatzfunktionen.
FE-Verfahren sind im Vergleich zu anderen Methoden sehr flexibel bei der Abbildung
beliebiger Geometrien, inklusive unterschiedlichster Defekte, Sensoren und Aktoren.
Kommerzielle
FEM
-Software verwendet hauptsächlich Elemente mit linearen oder qua-
dratischen Ansatzfunktionen, wobei die Genauigkeit der Lösung durch die Anzahl der
finiten Elemente gesteuert wird. Alternativ dazu können auch Ansatzfunktionen höherer
Ordnung verwendet werden, was in einer schnelleren Konvergenz der Lösung bei weniger
Freiheitsgraden resultiert. Die Auswahl der Ansatzfunktionen hängt von der zu analysie-
renden Aufgabe ab. Für die Wellenausbreitung wird hauptsächlich die Spektrale-Elemente-
Methode (
SEM
) verwendet [48–50]. Ein Vergleich verschiedener
FEM
-Verfahren höherer
Ordnung findet sich in [51]. Die
FEM
ist prinzipiell dazu geeignet nahezu beliebig komplexe
Strukturen abzubilden. Dennoch können die erforderlichen Netze bei einer komplexen
heterogenen Mikrostruktur, wie etwa Strukturschäumen in Sandwich-Bauteilen, extrem
aufwändig bei der Erstellung als auch der Berechnung sein. Dies gilt für die herkömmliche
21
3 Geführte Wellen - Eigenschaften und Simulationsverfahren
FEM
genauso wie auch für die Verfahren höherer Ordnung. Hier setzt die Spectral Cell
Method (
SCM
) an, die die Finite Cell Method (
FCM
) mit den Ansätzen der spektralen
Elemente verbindet [52, 53]. Der Vorteil hierbei ist, dass das Netz nicht mehr der Geometrie
folgen muss, sondern darüber hinaus geht und damit aus regelmäßigen rechteckigen Zel-
len bestehen kann. Ein adaptives Integrationsverfahren unterteilt die Zellen automatisch,
wodurch die Geometriegrenzen in den Zellen wiedergegeben werden. Die Bereiche der
Zelle, die außerhalb des Bauteils liegen, werden numerisch wie ein extrem weiches Material
behandelt.
Für die Analyse von Inhomogenitäten besonders geeignet ist das Verfahren Frequency-
Domain Finite-Element (
FDFE
) [3, 54]. Die Möglichkeiten zur Modellierung sind vergleich-
bar mit herkömmlichen
FEM
-Ansätzen im Zeitbereich, wodurch die Abbildung unterschied-
lichster Störungen möglich ist. Da ein Berechnungsvorgang nur für einen Frequenzschritt
durchgeführt wird, ergibt sich ein Geschwindigkeitsvorteil gegenüber der
FEM
. Gleichzeitig
bedeutet dies, dass die Ergebnisse jeweils einem eingeschwungenen Zustand der Struktur
bei harmonischer Anregung entsprechen.
Analytische und semi-analytische Verfahren
Trotz des Effizienzgewinns
FEM
-basierter
Verfahren ist die Abbildung realistischer Luftfahrtstrukturen weiterhin mit extremem Re-
chenaufwand verbunden. Von den in der Diskussion von Abschnitt 3.8.1 aufgeführten vier
Ursachen, führt bereits die Kombination der ersten beiden zu einer immensen Anzahl an
Freiheitsgraden. Analytische und semi-analytische Verfahren umgehen dieses Problem, in-
dem eine Diskretisierung komplett vermieden wird oder zumindest in deutlich geringerem
Umfang erforderlich ist. Insbesondere für homogene Bereiche sind solche Berechnungsan-
sätze geeignet. Sollen allerdings beliebige Inhomogenitäten Teil des Modells sein, ist eine
Kombination mit rein numerischen Verfahren erforderlich. Der Geschwindigkeitsvorteil
semi-analytischer Verfahren sinkt allerdings rapide mit steigender Anzahl der Inhomogeni-
täten, unter anderem weil die Kosten pro Freiheitsgrad größer sind als bei der
FEM
[55]. Die
Semi-Analytical Finite Element Method (
SAFE
) nutzt eine FEM-Diskretisierung der Platte
nur in Dickenrichtung während die Wellen in Ausbreitungsrichtung analytisch beschrieben
werden [2, 56]. Die Scaled Boundary Finite Element Method (
SBFEM
) funktioniert in ho-
mogenen Plattenbereichen sehr ähnlich [57]. Inhomogenitäten lassen sich allerdings direkt
und ohne die Kombination mit einer zweiten Methode abbilden, indem zusätzlich der Rand
eines entsprechenden Bereichs diskretisiert wird. Eine rein analytische Beschreibung der
Wellenausbreitung in ebenen homogenen isotropen Platten unter beliebigen Belastungen
findet sich in [58, 59]. Zusätzlich wird dieser Ansatz mit spektralen Elementen kombiniert,
um piezoelektrische Aktoren abzubilden. Eine Erweiterung dieser hybriden analytisch-
spektralen Methode auf gekrümmte Platten inklusive beliebiger Inhomogenitäten, die mit
spektralen Elementen nachgebildet werden, wird in den Veröffentlichungen in Aussicht
gestellt.
Finite-Differenzen-Methode
Eine weitere Klasse numerischer Verfahren stellt die Finite-
Differenzen-Methode (
FDM
) dar. Ableitungen der das System beschreibenden Differential-
gleichungen werden hierbei durch Differenzenquotienten benachbarter Punkte approximiert.
Modelle müssen sich damit aus äquidistanten Gitterpunkten zusammensetzen. Für die Ab-
bildung hochdynamischer Prozesse, wie der Wellenausbreitung, ist ein sehr dichtes Netz
aus Punkten nötig. Zusätzlich erschweren die rechteckige Struktur der einzelnen Zellen
eine Modellierung beliebiger Geometrien. Durch eine Kombination der FDM mit zellulären
Automaten (
CA
,engl. Cellular Automata) ist eine deutlich flexiblere Geometriegestaltung
möglich [60]. Ein weiterer Nachteil der
FDM
sind unter bestimmten Bedingungen auftre-
tende Stabilitätsprobleme, etwa bei sprunghaften Materialänderungen oder dem Auftreten
22
3.8 Berechnungsverfahren für geführte Wellen
unterschiedlicher Wellenartenmit stark unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Insbesondere
der erste Punkt wird mit der Weiterentwicklung zum Local Interaction Simulation Approach
(
LISA
) behoben [61–63]. Dieser Ansatz bietet zusätzlich den Vorteil gut parallelisierbar zu
sein. Ist dies möglich, lässt sich ein deutlicher Geschwindigkeitsvorteil gegenüber
FEM
-
basierten Verfahren beobachten [64].
LISA
ist jedoch weiterhin instabil, wenn die Aus-
breitungsgeschwindigkeit der Wellen und die Zellabmessungen nicht genau aufeinader
abgestimmt sind. Dies ist insbesondere ein Problem bei geführten Wellen, da immer mehrere
Wellentypen auftreten und die Zellen nur auf eine Geschwindigkeit angepasst sein können.
Die Instabilität äußert sich in einer langsamen Degradation der Wellenform. Die Rate der
Degradation hängt vom Verhältnis zwischen der höchsten Geschwindigkeit - auf die das
Modell abgestimmt ist - und den übrigen auftretenden Geschwindigkeiten ab [61]. Ein
Lösungsansatz ist die Abwandlung von LISA zum Spring Model, welches zusätzlich weitere
Eigenschaften, wie Dämpfung abbilden kann [65]. Eine weitere Möglichkeit die Stabilität
des Ansatzes zu erhöhen, sind angepasste Materialparameter, so dass sich die Geschwin-
digkeitsunterschiede zwischen den einzelnen Wellentypen verringern [64]. Ein Nachteil im
Vergleich zur
FEM
bleibt jedoch weiterhin, dass sich nicht beliebige Geometrien abilden
lassen. Eine Variante der FDM, die hauptsächlich bei elektromagnetischen Simulationen
Verwendung findet, ist als Finite-Differences Time-Domain (
FDTD
) bekannt [66]. Alternative
Bezeichnungen sind Staggered-Grid Finite-Difference und Velocity-Stress Finite-Difference.
Bei dieser Methode sind, im Gegensatz zur FDM, die physikalischen Variablen nicht alle
auf den Gitterpunkten konzentriert, sondern können je nach Anforderung in einer Zelle
verteilt sein. Es existieren gewissermaßen zueinander versetzte Gitter für verschiedene
Variablen. Bestimmte Differentialquotienten können damit über kürzere Gitterintervalle
gebildet werden. Dies bewirkt praktisch eine Verdoppelung der räumlichen Auflösung,
ohne die Punktedichte zu erhöhen. Gleichzeitig muss die zeitliche Auflösung verdoppelt
werden, um die Stabilität der Berechnung beizubehalten. Allerdings überwiegt insbesondere
in zwei- und dreidimensionalen Modellen der Vorteil der erhöhten räumlichen Auflösung
den Zusatzaufwand der feineren zeitliche Diskretisierung. Nichtlineare Effekte lassen sich
bei dieser Methode mit geringem Mehraufwand in das Modell implementieren, wodurch
sie geeignet ist, um beispielsweise die Ausbreitung von Lamb-Wellen in nichtlinearen Ma-
terialien abzubilden [67]. Die Elastodynamic Finite Integration Technique (
EFIT
) ist der
FDTD ähnlich, unter anderem im Modellaufbau und der Verwendung versetzter Gitter
[68, 69]. EFIT ist vergleichsweise aufwändig in der Berechnung, bietet jedoch zusätzliche
Möglichkeiten bei der Modellierung heterogener Materialien. In Kombination mit dem
analytischen Verfahren der Punktquellensynthese (
PSS
,engl. Point Source Synthesis) für
homogene Bereiche lässt sich die Effizienz des Verfahrens in speziellen Fällen signifikant
erhöhen [70, 71].
Raytracing
Raytracing ist ein Standardverfahren in der Optik zur Berechnung der Licht-
ausbreitung mithilfe von Strahlen. Auch in der Akustik und der Hochfrequenztechnik
wird dieses Verfahren eingesetzt, häufig um die Verteilung von Wellen in großen Volumen
und Flächen zu bestimmen. Die Ausbreitung von Wellen innerhalb der Erde, sei es zur
Vermessung der Bodenbeschaffenheit in der Seismik oder zur Analyse von Erbebenwellen
in der Seismologie, wird im Regelfall ebenfalls mit verschiedenen Raytracing-Varianten
berechnet. Für die Abbildung von Plattenwellen mithilfe dieser Technik gibt es bisher jedoch
nahezu keine Beispiele. Ausführungen zur Geschichte, Anwendungsfeldern und Raytracing-
Ansätzen finden sich in Abschnitt 5.3 auf Seite 50.
Diskussion
In Abb. 3.7 findet sich in der oberen Hälfte eine grobe Einordnung der disku-
tierten Berechnungsverfahren während in der unteren Hälfte Kriterien aufgeführt sind, die
23
3 Geführte Wellen - Eigenschaften und Simulationsverfahren
bei der Auswahl einer Simulationsmethode, je nach Aufgabenstellung, relevant sein können.
Die Effekte und Eigenschaften, die ein Verfahren abbilden kann, sind häufig gut in der Lite-
ratur dokumentiert. Betrachtungen zur Genauigkeit und Zuverlässigkeit erfolgen dagegen
meist erst nachdem sich eine Methode etabliert hat und sich ihr weitere Forscher widmen. In
den meisten Fällen sind die Arbeiten an diesen Verfahren noch als Grundlagenforschung ein-
zuordnen und Programme oder Algorithmen für potentielle Anwender entsprechend nicht
verfügbar. Einzig die zugrundeliegende Theorie ist in akademischen Veröffentlichungen gut
dokumentiert. Ohne ein tiefgreifendes mathematisches und mechanisches Verständnis ist
diese jedoch nur unter großem Zeitaufwand für konkrete Anwendungen umsetzbar. In der
anwendungsbezogenen Forschung und Entwicklung wären dagegen Programmbibliotheken
oder frei zugänglicher Quellcode zweckmäßig. Damit ist eine effiziente Implementierung
neuer Verfahren in bestehende Systeme möglich bei gleichzeitig beibehaltener Flexibilität.
Die benutzerfreundlichste Variante ein Verfahren verfügbar zu machen, ist ein direkt ein-
satzbereites Programm inklusive Benutzeroberfläche und Dokumentation. Diese Variante
bietet im Vergleich die wenigsten Möglichkeiten zur individuellen Anpassung und eignet
sich folglich nur für die im Programm vorgesehenen Anwendungsfälle.
Diese Übersicht soll keine vollständige Liste aller Simulationsmethode für geführte Wellen
sein. Die hier vorgestellte Auswahl der verbreitetsten Ansätze genügt, um die Möglichkeiten
aktueller Verfahren zu verdeutlichen und aufzuzeigen, wieso im Rahmen dieser Arbeit
ein alternativer Ansatz vorgeschlagen wird. Dabei wird ersichtlich, dass es eine Vielzahl
von geeigneten Berechnungsansätzen mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen gibt. Rein
numerische Verfahren sind eher für die Analyse spezieller Effekte in begrenzten Bereichen
geeignet, da sich komplexe heterogene Geometrien abbilden lassen. Ein Beispiel ist die
sogenannte quasi-kontinuierliche Modenkonversion, die durch die Interaktion von Wellen
mit der Mikrostruktur von Verbundmaterialien, also Fasern und Matrixharz, verursacht wird
[22]. Für die Simulation der Wellenausbreitung in großen Flächen mit wenigen bis keinen
Hindernissen sind dagegen semi-analytische Verfahren vorzuziehen. Es existieren jedoch
zurzeit keine Beispiele für Simulationen von Luftfahrtbauteilen, wie sie im Rahmen des
SHM
überwacht werden sollen. Bei der herkömmlichen
FEM
liegt die Ursache hierfür in der
fehlenden Effizienz. Alternative Berechnungsverfahren könnten für einige Anwendungsfälle
geeignet sein, sind allerdings aktuell noch zu unausgereift, um in Entwicklungsprozessen
verwendet zu werden. Soll ein Verfahren für eine praktische Anwendung gewählt werden,
ist eine Auswahl anhand der Literatur nicht ohne weiteres möglich. Eine erhöhte Effizienz,
also eine Speicherersparnis oder verringerte Berechnungsdauer, wird beispielsweise von
jedem Verfahren beansprucht. Grenzen und Defizite eines Verfahrens werden hingegen in
der Literatur selten thematisiert.
3.8.3 Einordnung des Minimalmodells
Das im Rahmen dieser Arbeit entwickelte Minimalmodell, welches in Kapitel 5 beschrie-
ben wird, lässt sich nur schwer als analytisch oder numerisch kategorisieren. Auch die
Bezeichnung hybrid ist nicht passend, da diese bei der Kombination von analytischen mit
numerischen Methoden verwendet wird, wie beispielsweise in [59]. Die meisten der in
Abschnitt 3.8.2 genannten Verfahren basieren auf physikalisch begründeten Differential-
gleichungen (
DGL
), wobei der gewählte Lösungsansatz für die
DGL
eine Einordnung des
Verfahrens ermöglicht. Im Gegensatz dazu ist das Minimalmodell eine Kombination empiri-
scher Funktionen, die jeweils einzelne Effekte wiedergeben. Die Mehrheit der verwendeten
Ansätze lässt sich analytisch lösen, für einzelne Aspekte sind jedoch nur numerische Lösun-
gen bekannt. De facto ist der Ablauf des Modells jedoch komplett numerisch. Bereits die
Ausgangsdaten sind numerischer Natur, liegen also nicht als funktionaler Zusammenhang
sondern als diskretisierte Daten vor. Bei einem Vergleich der Merkmale der einzelnen Me-
24
3.8 Berechnungsverfahren für geführte Wellen
Frequency-Domain
FEM (FDFE)
Semi-Analytical
FEM (SAFE)
Spectral-Cell-
Methode (SCM)
Finite-Cell-
Methode (FCM)
Quellcode,
Bibliotheken
Raytracing
Spring Model
EFIT + PSS
Verfügbarkeit
Theorie
Stabilität
Konvergenz
Gültigkeitsbereich
Nichtlinearitäten
Piezolektrizität
2D-/3D-Modelle
Anisotropie
Laminate
higher order FEM
Spectral-Element-
Methode (SEM)
Finite-Elemente-
Methode (FEM)
Scaled Boundary
FEM (SBFEM)
Hybrid Analytical-
Spectral Method
analytisch und
semi-analytisch
Punktquellen-
synthese (PSS)
Elastodynamic
Finite Integration
Technique (EFIT)
Finite-Differences
Time-Domain
(FDTD)
Finite-Differenzen-
Methode (FDM)
Local Interaction
Simulation
Approach (LISA)
Cellular
Automata (CA)
Berechnungs-
verfahren
Berechnung der
Wellenausbreitung
Anforderungen,
Herausforderunge
Aufwand für
Implementierung
Aktoren und
Sensoren
Eigenschaften
und Effekte
komplexe
Geometrien
Zuverlässigkeit,
Genauigkeit
Experimenteller
Abgleich
Open-Source/
kommerzielle
Programme
Abbildung 3.7:
Übersicht zu Berechnungsverfahren und Aus-
wahlkriterien für die Simulation geführter Wellen
thoden gleicht das Minimalmodell jedoch am ehesten analytischen oder semi-analytischen
Verfahren. Ähnlich wie in diesen Verfahren, ist im Minimalmodell das simulierte Medium
nur an den Orten unterteilt, an denen auch physikalisch eine Grenze vorhanden ist (siehe
2.
Arbeitshypothese
). Eine zusätzliche Diskretisierung aufgrund numerischer Anforderungen,
wie den finiten Elementen der FEM, ist nicht nötig.
Im Gegensatz sowohl zu den etablierten als auch den alternativen Berechnungsansätzen,
wird mit dem Minimalmodell eine stärkere Approximation der Wellenausbreitung ange-
strebt. Grundlage dieser Zielstellung ist die
Forschungsthese
, die eine Vereinfachung von
Unstetigkeiten vorschlägt. Der gewählte Ansatz zur Vereinfachung eröffnet viele Möglich-
keiten zur Beschleunigung des Berechnungsvorgangs und wird im nachfolgenden Kapitel
behandelt. Ähnlich wie bei einem Großteil der alternativen Berechnungsverfahren, kann
das Minimalmodell der Grundlagenforschung zugeordnet werden. Da der vorgestellte
Ansatz neu ist, kann innerhalb dieser Arbeit nur dessen prinzipielle Eignung zur effizienten
Abbildung von Lamb-Wellen und eine begrenzte Anzahl an Einflussgrößen untersucht
25
3 Geführte Wellen - Eigenschaften und Simulationsverfahren
werden. Vor einer möglichen Umsetzung als Entwicklungswerkzeug sind daher weitere
Analysen bezüglich diverser Aspekte wie Genauigkeit, Zuverlässigkeit und Modellierung
und Optimierung durchzuführen.
26
4 Interaktion von Lamb-Wellen mit Unstetigkeiten
Eine zentrale Feststellung des vorherigen Kapitels ist, dass die Simulation der Wellenaus-
breitung in komplexen Strukturen trotz einer Vielzahl möglicher Modellierungsansätze
weiterhin mit erheblichem Aufwand verbunden ist. Eine der aufgeführten Ursachen hierfür
ist die hohe Modellkomplexität infolge einer große Zahl an Unstetigkeiten. Wie in der
Forschungsthese
angenommen, sollte durch eine vereinfachte Abbildung dieser Unstetig-
keiten eine deutliche Modellreduktion möglich sein. Bei der Interaktion von Wellen mit
Unstetigkeiten lässt sich nur eine vergleichsweise geringe Anzahl an Effekten beobachten.
Aus diesem Grund wird in der
1. Arbeitshypothese
angenommen, dass eine gleichermaßen
geringe Anzahl an Kennwerten genügt, um die Unstetigkeiten zu beschreiben.
Entsprechend dieser Annahmen, ist das Thema dieses Kapitels die Reduktion konstruk-
tionsbedingter Unstetigkeiten auf einige wenige Kennwerte, mit denen sich die Auswir-
kungen der Unstetigkeiten auf die Wellenausbreitung näherungsweise abbilden lässt. Im
ersten Abschnitt findet sich die Definition des in dieser Arbeit verwendeten Begriffs der
Unstetigkeit und die daraus abgeleiteten Kennwerte. Für die Interaktionen von Wellen
mit Unstetigkeiten sind nur in Ausnahmefällen analytische Lösungen bekannt. Aus die-
sem Grund wird in dieser Arbeit auf die Finite-Elemente-Methode (
FEM
) zurückgegriffen,
deren Flexibilität es erlaubt verschiedene Effekte, Materialeigenschaften und Geometri-
en zu simulieren. Entsprechend befasst sich der zweite Abschnitt mit der Auswahl der
Simulationsparameter und dem Aufbau der Modelle. Der dritte Abschnitt beschreibt die Be-
stimmung der Interaktionskennwerte aus den Simulationsergebnissen, bevor abschließend
ein Abgleich der gewählten Methode mit einer analytischen Lösung erfolgt.
4.1 Reduktion von Unstetigkeiten
In einer Struktur, die sich in Ausbreitungsrichtung einer Welle nicht verändert, lässt sich
der wegabhängige Wandel eines Wellenpaketes mit zwei Effekten beschreiben. Ein Wel-
lenpaket ändert sich über die zurückgelegte Strecke einerseits aufgrund von Dispersion
und andererseits durch Energieverluste. Dispersion ist eine Folge der unterschiedlichen
Phasengeschwindigkeiten der einzelnen Frequenzanteile. Dies hat in den meisten Fällen im
Zeitbereich eine Verbreiterung des Wellenpakets bei gleichzeitiger Amplitudenreduktion
zur Folge, während das Frequenzspektrum unverändert bleibt. Direkt auf die Amplitude
der einzelnen Frequenzanteile im Spektrum wirken sich diverse Schwächungseffekte aus.
Dazu gehört die Streuung der Wellenenergie innerhalb der Geometrie, die Abstrahlung in
angrenzende Medien und Materialdämpfung [21, 72].
Eine Änderung des Bauteils in Geometrie oder Material stellt eine Inhomogenität dar.
Sprunghafte Änderungen werden in dieser Arbeit als Unstetigkeiten bezeichnet und stellen
eine Untermenge der Inhomogenitäten dar. Trifft eine Welle auf eine Unstetigkeit findet
eine Interaktion statt. Sehr viele bauteilbedingte Inhomogenitäten können auf plattenartigen
Strukturen als sprunghafte Änderung idealisiert werden. Dazu gehört der Übergang zwi-
schen zwei angrenzenden Bauteilen oder der Rand eines Versteifungselements, wie einem
Stringer. Allerdings können Bereichsgrenzen im Bauteil, die in den Konstruktionsvorga-
ben als Linie definiert sind, in der realen Struktur als stetige Übergänge ausgeprägt sein.
Ein Beispiel sind Harzansammlungen an den Innenkanten einer Materialaufdickung. Bei
solchen produktionsbedingten Abweichungen muss prinzipiell mit einem Einfluss auf die
Wellenausbreitung gerechnet werden. Inwiefern dieser Einfluss relevant und damit eine
27
4 Interaktion von Lamb-Wellen mit Unstetigkeiten
Abbildung in Modellen nötig ist, hängt jedoch von der untersuchten Fragestellung ab. Die
Wahl einer geeigneten Modellierung von äußeren und inneren Grenzen eines Bauteils stellt
eine generelle Herausforderung der Modellbildung dar. Allerdings geht dieses sehr um-
fangreiche Thema über den Rahmen dieser Arbeit hinaus und es werden vorerst nur ideal
linienhafte Bereichsgrenzen betrachtet. Die Möglichkeiten zur Abbildung ausgedehnter
inhomogener Bereiche mit der entwickelten Methode wird in den Abschnitten 5.2 und 7.2
diskutiert.
Bei sprunghaften Änderungen von Material oder Geometrie ist die Interaktion geführter
Wellen auf diese Bereichsgrenzen konzentriert. In Abb. 4.1 ist die Ausbreitung von Lamb-
Wellen durch ein Bauteil am Beispiel einer
CFK
-Platte mit Omega-Stringer dargestellt.
Die Abbildung ist das Ergebnis einer numerischen Berechnung, wie sie in Abschnitt 4.2.3
beschrieben wird. Im zugehörigen B-Bild wird sichtbar, wie der angeregte
S0
-Mode mit dem
Stringer interagiert. Deutlich zu erkennen ist hier, neben der Transmission der S
0
-Welle, die
Konversion zum langsameren A
0
-Mode an den äußeren Rändern und den Übergängen vom
Fuß zur Seite des Stringers. Auf dem Weg einer Welle durch die Platte erzeugt der Stringer
damit vier Unstetigkeiten, an denen die Interaktion konzentriert ist.
0
150
t [µs]
x [mm] 400
200
-1
0
1
A [-]
-1
0
1
A [-]
Abbildung 4.1:
Querschnitt eines Omega-Stringers und B-Bild der
out-of-plane-Auslenkung bei Anregung des S
0
-Modes
Beim Auftreffen von Plattenwellen auf eine Unstetigkeit lassen sich generell drei Interak-
tionstypen beobachten. Transmission und Reflexion sind Phänomene, die - bis auf wenige
Ausnahmen - bei allen Wellenartenbekannt sind. Lamb-Wellen gehören zu den Wellentypen
bei denen zusätzlich Modenkonversion möglich ist. Hierbei wird an einer Grenzfläche ein
Teil der Energie in andere Moden umgewandelt, die bei der gleichen Frequenz auftreten.
Diese konvertierten Moden breiten sich genau wie die reflektierten und transmittierten
Anteile in beide Richtungen von der Grenzfläche aus. Demnach können die aus Konversion
entstandenen Wellenpakete auf die gleiche Weise als reflektiert und transmittiert eingeord-
net werden. Auf der beobachteten geringen Zahl an Interaktionsvarianten basiert die
1.
Arbeitshypothese.
Ein zusätzlicher Effekt, der die Wellenausbreitung bei einem Bereichsübergang beein-
28
4.1 Reduktion von Unstetigkeiten
flusst, ist die Brechung. Die Änderung der Ausbreitungsrichtung nach der Interaktion wird
jedoch nicht durch Kennwerte der Unstetigkeiten beschrieben, sondern durch die Phasen-
geschwindigkeiten in den beiden angrenzenden Plattenbereichen. Details zum Vorgehen
insbesondere bei anisotropen Materialien, finden sich in Abschnitt 5.3.3 auf Seite 54.
Da die Unstetigkeiten stark lokalisiert sind, wird angenommen, dass bei einer Interaktion
keine Energieverluste auftreten, sondern sich Verluste auf ungestörte Plattenbereiche be-
grenzen. Auch im Fall komplexer Bauteile, wie dem abgebildeten Omega-Stringer, führt
die sichtbare Abzweigung von Wellen in die Seite des Stringers nicht zu einem Verlust von
Energie. Stattdessen stellt dies einen zusätzlichen Ausbreitungspfad neben der Plattenebene
dar. Diese Arbeit beschränkt sich jedoch zunächst auf Unstetigkeiten mit maximal zwei
angrenzenden Plattenbereichen. Bei dieser Klassifizierung entspricht der Rand einer Platte
einer Unstetigkeit mit nur einem angrenzenden Plattenbereich. Prinzipiell müssen zwei
Bereiche nicht im gleichen Winkel aufeinander treffen. Mit der in diesem Kapitel beschrie-
benen Methode kann gleichermaßen eine Unstetigkeit in Form eines Knicks in der Platte
approximiert werden, auch wenn dies in der Arbeit nicht explizit behandelt wird.
SHM
-Systeme verwenden Burst-Signale, die kurze Wellenpakete zur Folge haben und
eine Lokalisierung von Schäden ermöglichen (siehe auch Abschnitt 3.4). Entsprechend ist es
sinnvoll die Interaktion anhand solcher Signale zu untersuchen und transiente Simulationen
zu verwenden. In Anlehnung an die Reflexions- bzw. Transmissionsfaktoren, wie sie bei-
spielsweise aus der Akustik [73] oder der Optik [74] bekannt sind, werden in dieser Arbeit
die Interaktionskennwerte einer Unstetigkeit aus den Amplituden
A
der Wellenpakete
bestimmt:
IR io =AR o
APi
(4.1)
IT io =AT o
APi
(4.2)
i,o=1, 2, ..., nM
Die Interaktionskoeffizienten für Reflexion
IR
und Transmission
IT
ergeben sich aus dem
Amplitudenverhältnis von reflektierten bzw. transmittiertem (sekundären) Wellenpaket (
AR
bzw.
AT
) zum einfallenden (primären) Wellenpaket
AP
. Bei der Interaktion eines Wellenpa-
ketes können potentiell alle
nM
Moden entstehen, die bei der angeregten Frequenz auftreten
(siehe auch Abb. 3.3 auf Seite 13). Damit ist es nötig für ein primäres Wellenpaket des Mo-
des
i
die Interaktionskennwerte aus den sekundären Wellenpaketen zu bestimmen, die auch
wieder einem Mode
o
zugeordnet sind. Im Fall von
i=o
wird allgemein von Transmission
und Reflexion gesprochen, bei
i6=o
dagegen von Modenkonversion. Die in dieser Arbeit
aufgestellte
Forschungsthese
enthält die Annahme, dass sich Unstetigkeiten der Geometrie
für den Fall der Lamb-Wellenausbreitung durch sehr wenige Kennwerte beschreiben lassen.
Um deren Anzahl gering zu halten, sind die Kennwerte für die Mittenfrequenz statt für
jeden Frequenzschritt eines spezifischen Anregungsspektrums definiert. Dies wird unter
der Annahme festgelegt, dass zukünftige
SHM
-Systeme voraussichtlich nur mit einem oder
einer geringen Zahl unterschiedlicher Anregungssignale arbeiten.
Mit beliebigen Anregungssignalen kombinierbar wäre dieser Ansatz, wenn statt eines
Kennwertes eine frequenzabhängige Übertragungsfunktion verwendet wird. Allerdings
variieren die Interaktionskoeffizienten innerhalb eines schmalen Frequenzspektrums, wie
dem von Burst-Signalen, nur geringfügig [75]. Damit kann angenommen werden, dass
ein signalspezifischer Kennwert ein akzeptabler Kompromiss aus Genauigkeit und Berech-
nungsaufwand ist. Sollen dagegen frequenzabhängige Interaktionskoeffizienten bestimmt
werden, ist eine Analyse der Unstetigkeiten im Frequenzbereich erforderlich. Zwei Möglich-
keiten sind die in Abschnitt 3.8.2 auf Seite 21 erwähnten Verfahren SAFE und FDFE. Dem
29
4 Interaktion von Lamb-Wellen mit Unstetigkeiten
zweiten Ansatz sehr ähnlich, aber direkt in kommerzieller
FEM
-Software realisierbar, ist die
harmonische Analyse in Kombination mit nicht reflektierenden Rändern [76]. Auch mit dem
SAFE-Verfahren sind bereits entsprechnede Analysen dokumentiert [2]. Ein erst vor kurzem
veröffentlichter Ansatz mit der Bezeichnung complex modes expansion with vector projection
(
CMEP
) soll eine analytische Beschreibung beliebiger Unstetigkeiten ermöglichen [75]. In
der zitierten Abhandlung wird ein Dickensprung in einer Aluminiumplatte untersucht.
Laut den Autoren sollen zukünftige Publikationen zu dieser Methode auch komplexere
Inhomogenitäten und anisotrope Materialien behandeln. Ein Vorteil der Verfahren im Fre-
quenzbereich ist, dass auch Informationen zur Phasenänderung am Übergang gewonnen
werden, die bei den hier vorgestellten Kennwerten fehlen.
Die in dieser Arbeit verwendeten Interaktionskennwerte hängen nicht nur von Signal-
spektrum und Wellenmode ab, sondern müssen wie zu erwarten auch für alle Übergänge
im Modell bestimmt werden, für identische Übergänge jedoch nur einmalig. Diese gelten
nur als identisch, wenn dabei sowohl das Material beider angrenzenden Bereiche als auch
die Geometrie gleich sind. Als weitere Abhängigkeit der Interaktionskennwerte müssen
auch die einzelnen Schwingungsrichtungen unterschieden werden, da die Auslenkungs-
komponenten für jeden Mode stark voneinander abweichen. Hier werden die Komponente
in Ausbreitungsrichtung
u1
(in-plane) und die Komponente senkrecht zur Plattenoberfläche
u3(out-of-plane) unterschieden.
Im Minimalmodell sind Inhomogenitäten als eindimensionale Hindernisse approximiert,
wodurch die Querschnittsgeometrie nicht vom Einfallswinkel abhängt. Insbesondere bei
isotropem Material kann daher davon ausgegangen werden, dass auch richtungsunabhängi-
ge Interaktionskennwerte ausreichend sind, um die Amplitudenänderung zu beschreiben.
Aufgrund der schwach ausgeprägten Anisotropie quasi-isotroper Laminate werden Inho-
mogenitäten solcher Platten auf die gleiche Weise approximiert. Bei stärkerer Anisotropie
ist hingegen zu erwarten, dass die Orientierung der Welle zur Unstetigkeit eine größere
Rolle spielt. Da in Luftfahrstrukturen bisher fast ausnahmslos quasi-isotrope Laminate Ver-
wendung finden, ist das Minimalmodell bisher nicht auf Materialien mit stark gerichteten
Eigenschaften ausgelegt. Ungeachtet der Winkelunabhängigkeit der Interaktionskennwerte
muss dennoch differenziert werden, von welcher Seite eine Welle auf ein Hindernis trifft.
Die Unstetigkeiten im Minimalmodell sind immer einer Fläche zugeordnet und bilden deren
Rand. Unterschieden wird dementsprechend, ob eine einfallende Wellen von innen oder
von außen auf eine Bereichsgrenze trifft. Zusammenfassend gibt es sieben Variablen über
die eine Zuordnung zwischen einem Interaktionsvorgang und einem Interaktionsparameter
möglich ist:
Anregungssignal / -spektrum (Mittenfrequenz f0)
Unstetigkeit (geometrisches Objekt im Modell)
Schwingungsrichtung (u1,u3)
Wellenmode der einfallenden (primären) Welle
Wellenmode der austretenden (sekundären) Welle
Richtung der primären Welle relativ zur Bereichsgrenze (innen, außen)
Richtung der sekundären Welle relativ zur primären (Reflexion, Transmission)
Üblicherweise wird bei der Strukturüberwachung mit einem festen Anregungssignal gear-
beitet und, wie in Abschnitt 3.3 erwähnt, der Frequenzbereich eingeschränkt, so dass nur
30
4.2 FEM-Simulation der Wellenausbreitung
die fundamentalen Moden A
0
und S
0
im Modell auftreten (d. h.
nM
=2). Mit diesen Ein-
schränkungen verbleiben für eine Unstetigkeit fünf Variablen, die jeweils nur zwei Zustände
annehmen können. Neben der Schwingungsrichtung sind dies jeweils für die primäre und
die sekundäre Welle deren Mode und Richtung.Pro Unstetigkeit ergeben sich also 2
5
=32
Kennwerte, die die Änderung der Amplitude am Übergang für ein Anregungsspektrum
beschreiben.
4.2 FEM-Simulation der Wellenausbreitung
Die numerische Simulation der Ausbreitung von Plattenwellen wird aus den in Abschnitt 3.8.1
auf Seite 19 genannten Gründen auf Basis der impliziten transienten Analyse durchgeführt.
Im Folgenden wird näher auf die verwendeten Modelle und die Kennwerte der Simulation
eingegangen. Die
FEM
wird in dieser Arbeit hauptsächlich als Hilfsmittel zur Bestimmung
der Interaktionskennwerte, aber auch zum Abgleich des Minimalmodells in Kapitel 6 be-
nutzt. Da die Modellierung und die Simulationsparameter in beiden Fällen sehr ähnlich
sind, wird in diesem Abschnitt auch kurz auf den zweiten Anwendungsfall eingegangen.
Für die numerische Simulation wird das kommerzielle
FEM
-Softwarepaket ANSYS 17.2
genutzt. Grundlage für die Programmwahl sind neben Verfügbarkeit und Funktionsum-
fang haupsächlich die vorhandenen Erfahrungen aus Vorarbeiten [4, 77]. Der erste Teil
dieses Abschnitts beleuchtet Simulationsparameter, die entscheidenden Einfluss auf die
Genauigkeit und Effizienz der transienten Simulation haben. Der zweite Teil beleuchtet die
Bestimmung der Materialkennwerte, da dies bei Faserverbundmaterial nicht trivial ist. Es
schließt sich eine Beschreibung der zwei- und der dreidimensionalen Modelle an, die der
Simulation der Interaktion eines Wellenpakets mit einer Bereichsgrenze bzw. dem Abgleich
mit dem Minimalmodell dienen. Der letzte Teil dieses Abschnitts beschäftigt sich mit nicht-
reflektierenden Rändern, die eine Verringerung der Modellabmessungen sowohl in 2D- als
auch 3D-Modellen ermöglichen.
4.2.1 Simulationsparameter
Die räumliche und zeitliche Diskretisierung des Modells sind essentiell für die Einstellung
von Genauigkeit und Berechnungsaufwand transienter FE-Simulationen. Die übliche Emp-
fehlung bei impliziten transienten Berechnungen sind 20 Zeitschritte für eine Periodendauer
der maximalen Anregungsfrequenz [44]. Mit der Beschränkung des Frequenzbereichs auf
2
·f0
ergibt sich eine Obergrenze von
t=
1
/
40
f0
. Bei der Elementlänge gibt es unterschied-
liche Empfehlungen, die von 10 bis 20 Knoten für die kleinste vorhandene Wellenlänge
λmin
reichen [78]. Für die Festlegung der Elementlänge muss also
λmin
bekannt sein und somit
sind zunächst die Dispersionskurven des Plattenmaterials zu berechnen. Bei der Ermittlung
der kürzesten auftretenden Wellenlänge braucht nur der A
0
-Mode einbezogen werden,
da dieser im gesamten Frequenzbereich langsamer und damit auch kurzwelliger ist als
jeder andere Mode (vgl. Abb. 3.1 und 3.4 auf Seite 9 und auf Seite 15). Unter Verwendung
von rechteckigen Elementen mit quadratischer Ansatzfunktion haben sich fünf Elemen-
te, also zehn Knoten, für die kleinste Wellenlänge als ausreichend erwiesen. Bei den für
die Simulation in ANSYS verwendeten Elementtypen handelt es sich im 2D-Modell um
PLANE183 und PLANE223, während 3D-Modelle mit SOLID186 und SOLID226 vernetzt
sind. Hierbei dient der jeweils zweite Elementtyp der Modellierung von Strukturbereichen
mit piezoelektrischen Eigenschaften. Als Gleichungslöser wird der sogenannte sparse direct
solver benutzt, welcher auf dem Gauß’schen Eliminationsverfahren basiert [45]. Dieser Löser
kombiniert eine gute Lösungsgeschwindigkeit mit hoher Stabilität, benötigt jedoch deutlich
mehr Speicher als iterative Gleichungslöser. Für die untersuchten Modelle ist der vorhan-
31
4 Interaktion von Lamb-Wellen mit Unstetigkeiten
dene Arbeitsspeicher (RAM) jedoch ausreichend, um den sparse direct solver einzusetzen.
Beim gewählten impliziten Verfahren muss, im Gegensatz zur expliziten Analyse, in jedem
Zeitschritt die Massenmatrix invertiert werden. Durch eine Konzentration der Massen auf
die Knoten entsteht eine diagonale Matrix, die sich deutlich einfacher invertieren lässt. Der
durch diese Vereinfachung verursachte Fehler stellt sich, infolge der geringen Element-
abmessungen in den verwendeten Modellen, als vernachlässigbar heraus. Die gewählten
Parameter für Elementabmessungen und Zeitschrittweite sowie der Einfluss der diagonali-
sierten Massenmatrix wurden bereits in einer vorherigen Arbeit validiert [77]. Im Rahmen
dieser Untersuchungen hat sich auch herausgestellt, dass es erforderlich ist alle Schichten
des Laminats einzeln abzubilden, statt die Platte mithilfe eines homogenisierten Materials
zu approximieren. Andernfalls zeigt insbesondere der A
0
-Mode bereits bei niedrigen Fre-
quenzen deutlich zu hohe Ausbreitungsgeschwindigkeiten. Grundlage dieser Erkenntnis
ist ein Vergleich der Dispersionskurven von zwei Modellen der selben Platte; einmal mit
modellierten Einzelschichten und einmal mit nach der klassischen Laminattheorie homo-
genisiertem Material. Da diese Theorie auf der Kirchhoff’schen Plattentheorie beruht, sind
die auftretenden Abweichungen vergleichbar mit denen zwischen Lamb-Wellen und den
nach der Plattentheorie berechneten Wellen (siehe Abb. 3.1). Für das FE-Modell bedeutet die
Modellierung der Einzelschichten eine größere Anzahl an Elementen über die Plattendicke
und damit einen erhöhten Berechnungsaufwand verglichen mit isotropem Material.
4.2.2 Materialkennwerte
Die für die Wellenausbreitung relevanten elastischen Materialkennwerte werden von den
Herstellern der Verbundplatten nur im Ansatz zur Verfügung gestellt. Häufig sind in den
Datenblättern nur der E-Modul in Faserrichtung sowie die Dichte angegeben. Um ein trans-
versal-isotropes Material, wie die
UD
-Lagen, im Bezug auf linear elastische Schwingungen
vollständig zu charakterisieren, sind allerdings neben der Dichte fünf weitere Kenngrö-
ßen erforderlich. Auf Basis der Kennwerte von Fasern und Harz ist es jedoch möglich
homogenisierte Eigenschaften einer Lage zu berechnen. Diese Arbeit folgt dabei den vali-
dierten halbempirischen Näherungsgleichungen in Kapitel 8 aus [7]. Für die Matrix werden
Kennwerte eines generische Duromerharzes angenommen. Exakte Werte sind hier nicht
erforderlich, da die Unterschiede in den mechanischen Kennwerten zwischen einzelnen
Harzsystemen im Vergleich zur Faser vernachlässigbar sind. Die Faser hat den deutlich stär-
keren Einfluss durch ihre sehr viel höhere Steifigkeit und ihren größeren Anteil am Verbund.
In den verwendeten
UD
-Schichten HexPly M21 34% T800S liegt der Faservolumengehalt bei
58%. Allerdings werden auch für die Fasern herstellerseitig nur wenige Kennwerte genannt
[79]. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die Kennwerte der Faser noch aufwändiger zu
bestimmen sind als die des Verbundes. Ansätze zur Bestimmung von Materialparametern
finden sich jedoch in der wissenschaftlichen Literatur, woher auch die fehlenden Werte
entnommen sind [80]. Die Kennwerte der
CFK
-Schichten und der anderen im Rahmen
der Arbeit verwendeten Materialien finden sich in Tabellen A.1 und A.2 auf Seite 105. Im
lokalen kartesischen Koordinatensystem der Einzelschicht folgen die Richtungen 1 und 2
der Plattenebene, wobei die 1-Richtung in
UD
-Schichten parallel zur Faser verläuft. Der
Lagenaufbau der Platten mit den Orientierungen der einzelnen Schichten findet sich in
Tabelle A.3 auf Seite 106.
Die auf diese Weise bestimmten Werte der Verbundmaterialien können nur eine Näherung
sein. Insbesondere die Berechnung der Schubmoduln ist mit einer großen Unsicherheit be-
haftet. Eine zuverlässigere Charakterisierung des Materials ist jedoch nur mit aufwändigen
Materialtests möglich. Da die auf den theoretischen Materialkennwerten basierenden Berech-
nungen und Simulationen gut mit Messergebnissen übereinstimmen (siehe beispielsweise
Abb. 6.1 bis 6.5 auf den Seiten 73–75), wird auf eine experimentelle Materialcharakterisierung
32
4.2 FEM-Simulation der Wellenausbreitung
verzichtet.
4.2.3 2D-Modell des Plattenquerschnitts
Die transiente Analyse von Wellenausbreitungsvorgängen ist, wie bereits in Abschnitt 3.8.1
erwähnt, rechenintensiv. Für die Analyse des Interaktionsverhaltens zwischen Wellen und
Unstetigkeit wird der Berechnungsaufwand durch die Reduktion der Geometrie auf den
Querschnitt der Platte verringert. Die Ebene des Querschnitts liegt dabei normal zur un-
tersuchten Unstetigkeit. Die Randbedingung eines ebenen Dehnungszustands verhindert
Verformungen normal zur abgebildeten Fläche, wodurch das Modell einer Platte entspricht,
die in die Richtungen orthogonal zum Querschnitt unendlich ausgedehnt ist. Um die Ana-
lyse der Interaktion zu vereinfachen, wird ein Hindernis in seine einzelnen Grenzflächen
aufgeteilt und diese separat simuliert. Dadurch können sich Wellenpakete nach der Interak-
tion ungestört ausbreiten und infolge unterschiedlicher Ausbreitungsgeschwindigkeiten
trennen. Ein zusätzlicher Vorteil eines zweidimensionalen Modells bei der Analyse des Inter-
aktionsverhaltens ist der Wegfall von Amplitudenverlusten aufgrund von Streuung. Durch
den Wegfall der Streuung ändert sich die Amplitude der Wellenpakete bei der Ausbreitung
nur infolge von Dispersion, wodurch es möglich wird Wellen auch in einem gewissen
Abstand zur Unstetigkeit zu analysieren. In Abb. 4.2 ist dies beispielhaft an einer Aufdi-
ckung dargestellt. Die zwei entstehenden Modelle sind von der Geometrie her identisch,
dennoch müssen beide Simulationen durchgeführt werden, um die beiden Richtungen
abzudecken, aus denen das primäre Wellenpaket auf die Störung treffen kann. Ein nicht-
reflektierender Rand (siehe Abschnitt 4.2.5) ermöglicht eine zusätzliche Modellreduktion,
da sich Randreflexionen verhindern lassen ohne große Auslaufbereiche zu modellieren. Die
Materialkennwerte der Einzelschichten müssen für den Einsatz im 2D-Modell entsprechend
ihrer Orientierung im Laminat manuell transformiert werden, da dies, im Gegensatz zur 3D-
Simulation, nicht direkt in der FEM-Software einstellbar ist. Dazu werden die bis zu neun
Konstanten einer Schicht in eine 6
×
6 Steifigkeitsmatrix in Voigt-Notation überführt, die
anschließend um die Achse normal zur Plattenebene rotiert wird [81].
Dämpfung
Anregung
Dämpfung
Unstetigkeit Dämpfung
Anregung
Dämpfung
Unstetigkeit
Plattenbereich mit Aufdickung
Modell 1 Modell 2
Abbildung 4.2:
Querschnitt einer Platte mit Aufdickung
und 2D-Modelle für beide Unstetigkeiten
4.2.4 3D-Modell
Für einen Abgleich der Ergebnisse und zur Abschätzung der Leistungsfähigkeit des Mini-
malmodells wird neben experimentellen Messungen auch eine Simulation der Platte mit
einem dreidimensionalen Modell durchgeführt. Der hohe numerische Aufwand von 3D-
33
4 Interaktion von Lamb-Wellen mit Unstetigkeiten
Simulationen wird bei
CFK
-Laminaten durch die erforderliche Modellierung der Einzel-
schichten weiter erhöht. Daher werden in dieser Arbeit 3D-FEM-Berechnung auf Platten
aus isotropen Materialien beschränkt. Für anisotrope Materialien basiert die Validierung
der entwickelten Methode auf experimentellen Ergebnissen. In Abb. 4.3 ist exemplarisch ein
Bereich des Modells der Aluminiumplatte mit Ausschnitt dargestellt, die in Abschnitt 6.3.2
Verwendung findet. Nicht abgebildet sind die Symmetrie-Randbedingungen an der Schnitt-
kante der Platte, mit deren Hilfe die Modellgröße halbiert werden kann. Das FE-Netz
besteht ausschließlich aus Hexaedern, die bei einer vergleichbaren Netzdichte eine höhere
Genauigkeit bieten als Tetraeder.
Die Verformung des Aktors wird primär mittels Schub in die Platte übertragen. In realen
Anwendungen ist die Ankopplung der Wandler nicht ideal, das heißt infolge der elastischen
Eigenschaften einer Koppelschicht ist die Schubübertragung verlustbehaftet [17]. Durch
den Einsatz von Piezokompositen bei den Versuchen existiert zusätzlich eine Polymerhülle
um die Keramik [82]. Für die Kraftübertragung ist jedoch nur die Schicht zwischen Aktor
und Platte relevant, weswegen im Modell die restliche Ummantelung vernachlässigt wird.
Im
FEM
-Modell ist der Einfluss von Klebung und Ummantelung in einer dünnen Polymer-
Schicht zusammengefasst. Als Materialeigenschaften dienen erneut die Kennwerte des
generischen Duromers, die bereits bei der Berechnung der Plattenmaterialien Verwendung
finden (siehe Abschnitt 4.2.2 und Tabelle A.1).
Abbildung 4.3:
Ein Ausschnitt des 3D-Modells und Nahansicht des Aktors
4.2.5 Nicht-reflektierender Rand
Plattenwellen haben die Besonderheit sich infolge geringer Streuung über weite Strecken
auszubreiten. Theoretisch können
SHM
-Systeme daher große Strukturbereiche mit wenigen
Aktoren und Sensoren überwachen. Insbesondere bei der Simulation von Teilbereichen der
Struktur ist diese Eigenschaft dagegen ungünstig, da unerwünschte Reflexionen am Mo-
dellrand eine Auswertung erschweren können. In der verwendeten FEM-Software besteht
standardmäßig keine Möglichkeit bei einer transienten Analyse eine unbegrenzte Geometrie
abzubilden. Der einfachste Ansatz Reflexionen zumindest zu verzögern, besteht in der Mo-
dellierung eines langen Auslaufbereichs, der jedoch mit deutlich erhöhtem Rechenaufwand
erkauft wird. Erschwerend kommt hinzu, dass bei einer Anregungsfrequenz mehrere Wel-
lenmoden mit stark unterschiedlichen Ausbreitungsgeschwindigkeiten auftreten können.
In den meisten Fällen werden direkt am Aktor alle Moden gleichzeitig angeregt. Selbst bei
einer speziell angepassten monomodalen Anregung entstehen die restlichen Moden bei In-
teraktionen der Wellenpakete mit Unstetigkeiten im Bauteil. Ein Auslaufbereich kann dann
von schnelleren Moden bereits komplett durchquert worden sein, während ein langsamer
Mode den zu untersuchenden Bereich noch nicht verlassen hat. Damit ist das Hinzufügen
eines solchen Auslaufbereichs nur bedingt praktikabel.
34
4.2 FEM-Simulation der Wellenausbreitung
In diesem Abschnitt wird der Ansatz eines absorbierenden Randbereiches vorgestellt.
Die hierbei verwendete exponentiell ansteigende Dämpfung kann Reflexionen mit weni-
gen Elementen am Rand des Modells minimieren. Diese Methode hat den Vorteil, dass sie
praktisch in jeder
FEM
-Umgebung und für beliebige Geometrien und Materialien mit gerin-
gem Modellierungsaufwand realisiert werden kann. Weiterhin eignet sie sich sowohl für
harmonische als auch transiente Berechnungen mit einem begrenzten Anregungsspektrum.
Der absorbierende Rand erfordert eine gewisse Anzahl an finiten Elementen, um optimal
zu funktionieren. Die Elemente liegen außerhalb des interessierenden Modellbereichs und
erhöhen damit die Modellkomplexität ohne direkt zur Lösung beizutragen. Allerdings er-
fordert die absorbierende Randschicht, im Vergleich zu einem Auslaufbereich mit ähnlicher
Wirkung, eine deutlich geringere Ausdehnung. Detaillierte Ausführungen zum Einsatz
der absorbierenden Randschicht und eine Übersicht zu anderen Ansätzen zum Abbilden
offener Ränder findet sich in [76]. Dort wird auch aufgezeigt, wie mithilfe dieser Technik
der eingeschwungene Zustand einer unbegrenzten Geometrie nachgebildet werden kann.
Der hier verwendete absorbierende Rand ist eine Abwandlung eines Ansatzes von Liu
und Quek Jerry [83]. Ein großer Vorteil der dort vorgestellten Randschicht ist ihre Fähig-
keit unterschiedliche Wellenarten unabhängig von ihrer Einfallsrichtung zu absorbieren,
ohne dass spezielle Anpassungen notwendig sind. Potentiell ist diese Methode flexibler
als in dem Artikel beschrieben und nicht nur für harmonische Berechnungen geeignet.
Im Folgenden wird gezeigt, wie solche Ränder in Simulationen von Lamb-Wellen in ge-
schichteten Faserverbunden bei transienten Berechnungen mit ANSYS verwendet werden
können. Dieser Ansatz sollte jedoch in praktisch jedem FE-Programm realisierbar sein. Eine
entscheidende Modifikation gegenüber dem ursprünglichen Ansatz ist der Einsatz von
Rayleigh-Dämpfung statt einer komplexen Steifigkeit. Dabei wird nur der steifigkeitspro-
portionale Anteil, die sogenannte
β
-Dämpfung verwendet, die in ANSYS direkt für jedes
Material definiert werden kann. Die Bewegungsgleichung (4.3) der
FEM
für den Fall der
transienten Analyse enthält neben der Dämpfungsmatrix
C
, die Steifigkeitsmatrix
K
, die
Massenmatrix
M
, den Vektor der Knotenverschiebungen
u
und den Vektor der von außen
auf das System einwirkenden Kräfte
F
[42]. Die Dämpfungsmatrix
C
ergibt sich, für den Fall
einer steifigkeitsproportionalen Dämpfung, aus der Multiplikation des Dämpfungswerts
β
mit der Steifigkeitsmatrix K.
M ¨u +C ˙u +Ku =F. (4.3)
C=βK(4.4)
Zu beachten ist hierbei, dass Gleichung (4.4) für einen im gesamten Modell identischen Wert
für
β
gilt. Unterscheidet sich sich die Dämpfung für jedes Material im Modell, muss jedem
Element eine dem Material entsprechender
β
-Wert zugewiesen werden, bevor die Dämp-
fungsmatrix zusammengesetzt wird. Im verwendeten Modell existiert Dämpfung nur in der
Randschicht, die
n
Elemente lang ist. Dort steigt der Wert für
βk
zur äußeren Modellgrenze
hin mit jedem Element
k
an, wie in Gleichung (4.5) definiert. Durch das exponentielle Wachs-
tum ist die relative Änderung der Materialkennwerte zwischen benachbarten Elementen nur
gering und unerwünschte Interaktionen an den Elementgrenzen lassen sich vermeiden. Die
übrigen Kennwerte bleiben dabei unverändert und ein Einsatz bei geschichteten anisotropen
Materialien ist ohne weiteres möglich. Die Variable
β0
entspricht dem Verlustfaktor des
ersten Bereichs, während der Faktor
κ
die Änderungsrate der Dämpfung über die Elemente
bestimmt.
βk=β0·κk1,k=1, 2, ..., n(4.5)
Der Verlustfaktor
β0
berechnet sich in Abhängigkeit der Frequenz und der Dämpfungs-
rate
ξ
, die wiederum über
Λ
einen Bezug zu den Amplituden der Schwingung herstellt
35
4 Interaktion von Lamb-Wellen mit Unstetigkeiten
[84]. Das logarithmische Dekrement
Λ
beschreibt die Amplitudenabnahme von zwei auf-
einander folgenden Maxima
A1
und
A2
einer monofrequenten Schwingung und lässt sich
entsprechend aus Signalen bestimmen.
β0=2·ξ
ω=ξ
πf0(4.6)
ξ=Λ
p(2π)2+Λ2mit Λ=ln A1
A2(4.7)
Im Gegensatz zum Artikel von Liu und Quek Jerry, wird vorgeschlagen die Dämpfungs-
rate
ξ
statt den Koeffizienten
β0
konstant über der Frequenz zu lassen. Dies hat den Vorteil,
dass die Amplitudenänderung zwischen zwei aufeinander folgenden Maxima unabhängig
von der Frequenz ist. Infolge dieser Anpassung ist jedoch
βk
von der Anregungsfrequenz
f0
abhängig und der Verlustfaktor scheint nur auf einen Einsatz bei harmonischer Anregung
ausgelegt zu sein. Jedoch können auch im transienten Fall sehr gute Ergebnisse erzielt
werden, wie weiter unten gezeigt wird.
Mit dieser Anpassung ergibt sich der Verlustfaktor
βk
für jedes der
n
Elemente in Abhän-
gigkeit der Anregungsfrequenz
f0
, einer konstanten Dämpfungsrate
ξ
und der ebenfalls
konstanten Basis κdes exponentiellen Wachstums.
βk=ξ
πf0·κk1,k=1, 2, ..., n(4.8)
Im FE-Modell wird die Änderung der Dämpfung über den Rand durch die Definition
eines neues Materials für jeden der
n
Abschnitte realisiert. Bei geschichteten Platten ist
es erforderlich zusätzliche Materialien für jede Schicht zu definieren. Für eine
CFK
-Platte
sind in Abb. 4.4 die einzelnen Materialien farblich hervorgehoben. Zu beachten ist bei
dieser Darstellung, dass das verwendete Farbspektrum begrenzt ist. Dies hat zur Folge,
dass sich Farben zum Rand hin wiederholenden ohne zum gleichen Material zu gehören.
Während Materialeigenschaften im kartesischen Koordinatensystem (
x
,
y
,
z
) festgelegt
werden, eignen sich Polarkoordinaten (
r
,
φ
,
z
) für eine richtungsabhängige Auswertung der
Wellenausbreitung.
Dämpfung
r
φ
x
z
y
Abbildung 4.4:
3D-Modell einer CFK-Platte mit nicht-reflektieren-
dem Rand. Farben markieren einzelne Materialien.
Bei einer transienten Anregung besitzt das endliche Anregungssignal ein breites Fre-
quenzspektrum um die zentrale Anregungsfrequenz
f0
, während
β
bei einer Simulation
36
4.2 FEM-Simulation der Wellenausbreitung
nur an eine Frequenz angepasst werden kann. Dies wirkt zunächst wie ein Widerspruch für
den wirkungsvollen Einsatz des absorbierenden Rands, allerdings muss die Randschicht
nicht exakt auf eine Frequenz eingestellt sein, um zu funktionieren. Vielmehr sorgt das
Anpassen des Dämpfungsfaktors für ähnliches Dämpfungsverhalten bei wechselnden Anre-
gungsfrequenzen. Prinzipiell funktioniert eine einmal definierte Schicht für einen breiten
Frequenzbereich. In dieser Arbeit werden Ergebnisse im Allgemeinen gefiltert, wodurch
das Spektrum auf den Bereich von 0,5
·f0
bis 2
·f0
begrenzt ist. Der Rand wird für die Be-
rechnung von Lamb-Wellen im Bereich von 50..500 kHz eingesetzt. Dabei haben sich für die
absorbierende Randschicht Werte von
ξ=
0, 03
s1
und
κ=
1, 3 bei einer Länge des Randes
von 20 Elementen als wirksam erwiesen.
Die Wirkung des nicht-reflektierenden Randes wird an einer kreisförmigen
CFK
-
UD
-
Platte mit 1 mm Dicke demonstriert. Unter Ausnutzung des Symmetrie wird nur ein Viertel
der Platte modelliert. Der ungestörte Plattenbereich besitzt einen Radius
r
von 50 mm. Mit
einem Kräftepaar im Plattenzentrum und orthogonal zur Oberfläche ist eine monomodale
Anregung möglich. Die Anregung erfolgt mit einem Sinus-Burst bei 100kHz. Die Auswer-
tung erfolgt in 45
-Richtung, da hier die Wellenmoden Schwingungskomponenten in allen
drei Raumrichtungen besitzen. Abbildung 4.5 zeigt die Ausbreitung des
A0
-Modes bei
einer Platte ohne und mit absorbierendem Rand. Während im ersten Fall eine vollständige
Reflexion stattfindet, bewirkt ein Rand aus 50 Elementen ein Abklingen der Schwingungen
vor dem Ende der Geometrie bei
r
=100 mm. Allerdings genügen bereits 20 Elemente für
die Nachbildung eines offenen Randes, da Schwingungen, die den Modellrand erreichen,
reflektieren und auf dem Rückweg erneut gedämpft werden.
0
100
20
40
60
80
t [µs]
0 50
r [mm]
25
(a)
ohne (0 Elemente)
0
100
20
40
60
80
t [µs]
0 50
r [mm]
25 75 100
-1
0
1
A [-]
(b)
mit 50 Elementen
Abbildung 4.5:
B-Bilder der Wellenausbreitung bei monomodaler Anregung
des A
0
-Modes ohne und mit absorbierender Randschicht
Für einen direkten Vergleich sind für das selbe Modell in Abbildung 4.6 die Zeitsignale der
Auslenkung in radialer Richtung für unterschiedlich lange Absorptionsschichten dargestellt.
Der Auswertepunkt bei
r
=25 mm liegt auf halbem Weg zwischen Anregung und Ende der
regulären Platte. Bei fehlender Randschicht (0 Elemente) treten bereits bei 60
µ
s bzw. 40
µ
s
Reflexionen auf. Ein offener Rand wird durch einen Auslaufbereich von 200mm angenähert.
Damit wird die Reflexion zwar verzögert, jedoch ist sie im Fall des schnelleren
S0
-Modes
am Ende des Zeitsignals bei 80
µ
s sichtbar und erzeugt die Abweichung zum Signal mit
absorbierender Randschicht. Wie die Ergebnisse zeigen, sind für die transiente Analyse 20
Elemente ausreichend, um eine unbegrenzte Platte abzubilden. Eine noch größere Anzahl
an Elementen bringt keine nennenswerte Verbesserung.
37
4 Interaktion von Lamb-Wellen mit Unstetigkeiten
0 20 40 60 80 100
t [µs]
-1
-0,5
0
0,5
1
u [mm]
(a)
A
0
-Mode angeregt
offen
0 Ele.
20 Ele.
50 Ele.
0 20 40 60 80 100
t [µs]
-10
-5
0
5
10
u [mm]
(b)
S
0
-Mode angeregt
Abbildung 4.6:
Zeitsignal in Abhängigkeit der Anzahl der Elemente der absor-
bierenden Randschicht und Vergleich mit einem offenen Rand.
Radiale Auslenkung an der Plattenoberfläche bei
r
=25 mm.
4.3 Bestimmung der Interaktionskennwerte
Als Ergebnis der transienten FE-Simulation des Interaktionsvorgangs von Wellen mit einer
Unstetigkeit werden Verschiebungen in Abhängigkeit der Simulationszeit, also Zeitsignale,
ausgegeben. Um die in Abschnitt 4.1 beschriebenen Interaktionskennwerte zu berechnen,
müssen die Amplituden aller an der Interaktion beteiligten Wellenpakete bestimmt werden.
Als Ergebnis der Simulation werden Signale über einen Großteil der Modelllänge gespei-
chert, was eine freie Wahl der Auswerteposition bei der folgenden Analyse ermöglicht.
Damit ergeben sich für ein Modell B-Bilder in Abhängigkeit des angeregten Modes (A
0
bzw.
S
0
), der Verschiebungsrichtung (in-plane bzw. out-of-plane) und Plattenfläche (Ober- bzw.
Unterseite). In Abb. 4.7a ist die in-plane-Verschiebung auf der Plattenoberseite der Platte
CFK06 bei monomodaler Anregung des S
0
-Modes dargestellt. Infolge des symmetrischen
Aufbaus aller verwendeten Laminate lassen sich die Moden durch Addition und Subtraktion
der Verschiebungen von Ober- und Unterseite entsprechend Tabelle 4.1 trennen. Infolge
der Modentrennung existieren für jede Simulation zwei Datensätze. Der erste Datensatz
umfasst primäre, reflektierte und transmittierte Wellen (Abb. 4.7b) während der zweite nur
die konvertierten Anteile enthält. (Abb. 4.7c).
0
150
30
60
90
120
t [µs]
0 600
x [mm]
300
(a)
Plattenunterseite
0
150
30
60
90
120
t [µs]
0 600
x [mm]
300
(b)
Addition
0
150
30
60
90
120
t [µs]
0 600
x [mm]
300
(c)
Subtraktion
-1
0
1
A [-]
Abbildung 4.7:
B-Bilder der in-plane Verschiebung (u
1
) bei Anregung der S
0
-Modes
38
4.3 Bestimmung der Interaktionskennwerte
Addition Subtraktion
u1(in-plane) S0A0
u3(out-of-plane) A0S0
Tabelle 4.1:
resultierende Moden bei Addition und Subtraktion der Ver-
schiebung von Ober- und Unterseite einer symmetrischen Platte
Für die Bestimmung der Interaktionskennwerte sind die Amplituden der einzelnen
Wellenpakete erforderlich (siehe Abschnitt 4.1). Die Identifizierung der Wellenpakete erfolgt
in Signalen an je einer Position vor und hinter der Unstetigkeit. Die
x
-Koordinate wird
anhand der B-Bilder so gewählt, dass sich die einzelnen Wellenpakete nicht überlagern.
Gleichzeitig sollten diese Auswertepunkte jedoch möglichst nah an der Unstetigkeit liegen,
um Einflüsse infolge der Wellenausbreitung, wie Dispersion, zu minimieren. In den meisten
Fällen ist infolge der Modentrennung beidseitig der Unstetigkeit nur jeweils ein Wellenpaket
vorhanden und eine Auswertung kann in räumlicher Nähe zur Unstetigkeit erfolgen. Nur
bei der direkten Reflexion ist durch die Interferenz mit dem primären Wellenpaket ein
größerer Abstand erforderlich.
t [µs]
u1[nm]
050 100 150
0,6
0
-0,6
(a)
250 mm
t [µs]
u1[nm]
050 100 150
0,3
0
-0,3
–; u1(A0)
+; u1(S0)
–; u3(S0)
+; u3(A0)
(b)
350 mm
Abbildung 4.8:
Signale vor und hinter der Unstetigkeit in Abhängigkeit von
Addition (+) bzw. Subtraktion (–) und Auslenkungsrichtung
Die Laufzeit eines Wellenpakets innerhalb eines Zeitsignals lässt sich über die Gruppen-
geschwindigkeit abschätzen (siehe Abschnitt 3.7). Die Amplitude des Wellenpakets wird
aus dem Maximum der Einhüllenden bestimmt. Es kann vorkommen, dass ein Wellenpa-
ket infolge von Dispersion, Interaktion oder Interferenz seine ideale Sinus-Form verliert
und sich mehrere nahe beieinander liegende Maxima ausbilden. Für die beiden Verschie-
bungskomponenten
u1
und
u3
müssen die Laufzeiten der Maxima jedoch identisch sein.
Mit dieser Information lässt sich das gesuchte Maximum eingrenzen. Sollten weiterhin
mehrere Maxima in Frage kommen, folgt als letzte Maßnahme ein Vergleich mit einem ideal
sinusförmigen Wellenpaket. Die Bewertung der verbliebenen Maxima basiert dabei auf der
Standardabweichung zwischen beiden Signalformen. Prinzipiell eignet sich dieses Vorge-
hen auch für unsymmetrisch aufgebaute Laminate, wobei die Trennung der Moden durch
Addition und Subtraktion dann nicht möglich ist. Als Folge dessen kommt es insbesondere
nahe der Unstetigkeit vermehrt zur Überlagerung der einzelnen Wellenmoden. In diesem
Fall müssen für eine Trennung der Wellenpakete die Auswertepunkte in einem größeren
Abstand zur Unstetigkeit gewählt werden.
39
4 Interaktion von Lamb-Wellen mit Unstetigkeiten
4.4 Validierung mit analytischen Ergebnissen
In vielen technischen Disziplinen existieren gebräuchliche analytische Lösungen für die
Interaktion von Wellen mit bestimmten Unstetigkeiten. Beispielsweise ist in der Akustik der
Übergang von Schallwellen an Materialgrenzen ein häufig behandeltes Problem. Hier wer-
den Reflexions- und Transmissionskoeffizienten als Schalldruckverhältnis von ausfallenden
zu einfallenden Wellen definiert [85]. Ähnliche Fragestellungen werden auch in der Seismo-
logie untersucht, allerdings wird dort statt dem Druck die Verschiebung verwendet [86].
Folglich sind die dort genutzten Berechnungsansätze besser für einen Vergleich mit dem in
dieser Arbeit genutzten Verfahren geeignet. Für ein einfaches System aus zwei aneinander
grenzenden unendlich ausgedehnten Bereiche aus homogenem isotropem Material sind
die in der Seismologie verwendeten Reflexions- und Transmissionskoeffizienten mit den
in Abschnitt 4.1 beschriebenen Interaktionskennwerten vergleichbar. Diese Koeffizienten
werden auf Basis der Schallkennimpedanz
Z
berechnet. Die Impedanz eines Materials
ergibt sich aus der Dichte
ρ
und der Wellengeschwindigkeit
c
. Für den Vergleich dieser
analytischen Lösung mit dem gewählten numerischen Ansatz wird der
S0
-Mode herangezo-
gen, da sich im unteren Frequenzbereich dessen Phasengeschwindigkeit gut mit der quasi-
Longitudinalgeschwindigkeit der Platte cLnähern lässt (siehe Abb. 3.1 auf Seite 9).
Z=ρ·cL(4.9)
cL=sE
ρ(1ν2)(4.10)
Hierbei sind
E
und
ν
der E-Modul und die Querkontraktionszahl des Plattenmaterials.
Nach [86] ergeben sich die Koeffizienten für Reflexion
CR
und Transmission
CT
zwischen
Medium 1 und 2 im verlustfreien Fall zu:
CR=Z2Z1
Z2+Z1(4.11)
CT=2Z1
Z2+Z1(4.12)
Für den Vergleich mit den aus der
FEM
bestimmten Interaktionskennwerten müssen
diese Koeffizienten teilweise modifiziert werden. Sollte das zweite Medium eine geringere
Impedanz aufweisen als das erste, ergibt sich ein negativer Reflexionskoeffizient, was eine
180
Phasenänderung anzeigt. Aus den FEM-Ergebnissen wird allerdings keine Phasenin-
formation entnommen, weswegen im Folgenden der Betrag von
CR
verwendet wird. Damit
ist ein Vergleich mit den in Abschnitt 4.1 definierten Interaktionskennwerten möglich, die
auf dem Amplitudenverhältnis von ausfallenden zu einfallenden Wellen basieren.
IR=|CR|=AR
AP
(4.13)
Da der Transmissionskoeffizient keinen negativen Wert annehmen kann, ist für diesen
keine Anpassung nötig.
IT=CT=AT
AP
(4.14)
40
4.4 Validierung mit analytischen Ergebnissen
Für den Vergleich zwischen analytisch und numerisch bestimmten Interaktionskennwer-
ten wird eine Aluminiumplatte mit zwei Bereichen verwendet. Während die Materialkenn-
werte in der ersten Hälfte konstant sind, wird in der zweiten Hälfte die Steifigkeit variiert. In
der
FEM
-Simulation erfolgt am äußeren Rand des ersten Bereichs eine monomodale Anre-
gung des S
0
-Modes bei 100 kHz. Da die Unstetigkeit eine reine Materialänderung und damit
symmetrisch bezüglich der Plattenmittelebene ist, kommt es nicht zur Modenkonversion
und es treten nur Reflexion und Transmission auf. Die Simulationsergebnisse werden wie
im vorherigen Abschnitt beschrieben ausgewertet, um die erforderlichen Amplituden zu
erhalten und die Interaktionskennwerte nach Gleichungen (4.1) und (4.2) zu berechnen.
E2/E1[-]
IR[-]
0,8
0,4
0,2
004812
0,6
(a)
Reflexion
E2/E1[-]
IT[-]
numerisch
analytisch
1,6
1,2
0,8
0,404812
(b)
Transmission
Abbildung 4.9:
Vergleich von analytisch und numerisch bestimmten
Interaktionskennwerten bei Variation der Steifigkeit
Wie in Abb. 4.9 zu erkennen ist, sind die numerischen Ergebnisse nahezu identisch zur
analytischen Lösung. Erst bei einem hohen Steifigkeitsverhältnis weichen die Kennwerte
für Reflexion minimal voneinander ab. Das gewählte Verfahren zur Berechnung der In-
teraktionskennwerte für den Einsatz im Minimalmodell ist damit zumindest für diesen
vereinfachten Fall valide. Da analytische Lösungen für komplexere Unstetigkeiten nicht
bekannt sind, ist ein Abgleich für diese nur experimentell möglich.
41
5 Minimalmodell zur Abbildung komplexer Geometrien
In Kapitel 4 wird entsprechend der
1. Arbeitshypothese
ein Ansatz erläutert, mit dem sich
der Einfluss von Unstetigkeiten auf die Wellenausbreitung mit wenigen Kennwerten erfas-
sen lässt. Eine solche Charakterisierung von Strukturelementen ist jedoch nur von Nutzen,
wenn gleichzeitig eine Möglichkeit besteht, das reduzierte Element in bestehende Simula-
tionsmethoden zu integrieren oder sich damit alternative Modellierungsansätze eröffnen.
Ohne eine solche Möglichkeit lässt sich die
Forschungsthese
dieser Arbeit nicht bestätigen.
In diesem Kapitel wird daher mit dem Minimalmodell ein neuer Ansatz zur Simulation
von Plattenwellen auf Basis der reduzierten Inhomogenitäten vorgestellt. Nachdem im
ersten Abschnitt der grundsätzliche Ablauf des Verfahrens erläutert wird, geht der zweite
Abschnitt auf die Randbedingungen und Grenzen des Ansatzes ein. Die Ausbreitung der
Lamb-Wellen in der Geometrie wird innerhalb des Minimalmodells mithilfe eines Raytra-
cing-Algorithmus berechnet, dessen Arbeitsweise das Thema des dritten Abschnitts ist. Im
letzten Abschnitt wird dargelegt, wie die beim Raytracing gewonnenen geometrischen In-
formationen der Wellenausbreitung in der Signalsynthese zur Berechnung von Zeitsignalen
verwendet werden.
5.1 Funktionsprinzip
Die Charakterisierung der Unstetigkeiten im vorherigen Kapitel basiert auf der
FEM
, wes-
wegen es plausibel erscheint, die gewonnenen Erkenntnisse zur Modellreduktion bei eben
dieser Methode anzuwenden. Die übliche Herangehensweise, mit der neue Funktionen
in der
FEM
realisiert werden, ist die Entwicklung angepasster finiter Elemente durch Ver-
änderung der Ansatzfunktionen. Für eine Implementierung der beschriebenen Interak-
tionskennwerte auf diese Weise müsste jedoch zunächst ein geeigneter Ansatz bekannt
sein. Alternativ ist eine vereinfachte Modellierung denkbar, indem die Freiheitsgrade des
Konstruktionselements mit den Freiheitsgraden der Plattenstruktur abgebildet werden.
Dafür wäre eine lokale Anpassung von Masse, Steifigkeit und eventuell Dämpfung in der
Platte nötig. Das Vorgehen würde damit Reduktionstechniken wie der Guyan-Reduktion
gleichen (siehe Abschnitt 3.8.1). Dabei wäre jedoch eine erneute Transformation der auf die
Welleninteraktion bezogenen Kennwerte in physikalische Kenngrößen nötig. Beide Ansätze
hätten den Vorteil, mit der
FEM
auf eine ausgereifte Methodik aufzusetzen, die gleichzei-
tig die Wellenausbreitung in den homogenen Plattenbereichen abbilden kann. Allerdings
sind, wie in Abschnitt 3.8.2 festgestellt, FE-Modelle insbesondere bei der Abbildung großer
ungestörter Flächen nicht besonders effizient, was im Widerspruch zur Modellreduktion
steht. Entsprechend ist es konsequent, nicht nur die Inhomogenitäten zu vereinfachen,
sondern auch eine alternative Beschreibung für die Wellenausbreitung in den ungestörten
Plattenbereichen zu suchen. Diese Erkenntnis ist der Ursprung der 2. Arbeitshypothese.
Für eine effiziente Simulation wird ein Ansatz gewählt, der die Prinzipien der geometri-
schen Optik und ebener Wellen zur Beschreibung der Wellenausbreitung in den plattenar-
tigen Flugzeugstrukturen nutzt. Eine Kombination der im vorherigen Kapitel definierten
Interaktionskennwerte mit einem Raytracing-Verfahren und einer Methode zur Signalsyn-
these erlaubt es, das Zeitsignal an einem Punkt der Struktur zu berechnen. Im Gegensatz
zur
FEM
ist es dazu nicht erforderlich, das transiente Verhalten im gesamten Modell zu
berechnen. Ebenso ist keine Diskretisierung der Struktur im klassischen Sinn erforderlich.
Statt einer Unterteilung der gesamten Geometrie in etwa gleichgroße Elemente, besteht das
43
5 Minimalmodell zur Abbildung komplexer Geometrien
Modell im entwickelten Verfahren nur aus vergleichsweise wenigen Linien und Flächen.
Die Flächen repräsentieren Bereiche mit homogenen Eigenschaften und werden durch die
Linien begrenzt. Die Linien geben wiederum die Position von Unstetigkeiten der Struktur
wieder, an denen geführte Wellen interagieren können. Abb. 5.1 zeigt exemplarisch, wie
eine komplexe Struktur in ein solches zweidimensionales Modell überführt und auf Basis
von Raytracing und der Signalsynthese ein Signal berechnet werden kann.
Diese starke Modellreduktion bieten ein enormes Potential zur Geschwindigkeitssteige-
rungen bei der Berechnung von Wellenausbreitungsvorgängen in komplexen Strukturen.
Um dieses Potential zu nutzen, sind auch weitere Bestandteile des Verfahrens im Sinn
einer möglichst hohen Effizienz ausgelegt. Es wird dabei angestrebt das Modell auf die
Eigenschaften der Struktur zu reduzieren, die nötig sind, um die Ausbreitung von Platten-
wellen abzubilden. Hieraus ergibt sich die Definition des in dieser Arbeit genutzten Begriffs
Minimalmodell:
Ein Minimalmodell verwendet möglichst wenige Eigenschaften eines Systems,
um Vorgänge in diesem System mit minimiertem Berechnungsaufwand zu
simulieren.
Zu beachten ist hierbei, dass der Berechnungsaufwand der Simulation auch durch pas-
sende Programmiertechniken weiter reduziert werden kann. Der Aspekt einer möglichst
effizienten Programmierung soll in dieser Arbeit jedoch nur am Rand behandelt werden.
Zentrale Themen sind dagegen einzelne physikalische Effekte der Wellenausbreitung, deren
vereinfachte Abbildung und Implementierung in das Modell. Durch diese Kombination ver-
schiedener Approximationsverfahren, aus denen sich das Minimalmodell zusammensetzt,
ist die erreichbare Genauigkeit des Modells schwer vorhersehbar.
Das entwickelte Berechnungsverfahren besteht aus einzelnen Prozessen, wie in Abbil-
dung 5.2 dargestellt. Dem eigentlichen Minimalmodell sind dabei Schritte vorangestellt,
mit denen erforderliche Kennwerte für die Berechnung der Wellenausbreitung bestimmt
werden. Dies ist vergleichbar mit dem Pre-Processing anderer Berechnungsverfahren, bei
denen beispielsweise im Fall der
FEM
der Aufbau und die Vernetzung des Modells statt-
findet. Beim Pre-Processing des Minimalmodells ist in einem ersten Schritt die Aufteilung
(a)
CAD-Modell [87]
(b)
Raytracing im
2D-Modell
Zeit
Amplitude
(c)
Signal an einem Punkt
der Struktur als Ergeb-
nis der Signalsynthese
Abbildung 5.1:
Modellreduktion und Signalberechnung
am Beispiel einer Türumgebungsstruktur
44
5.2 Annahmen, Randbedingungen und Grenzen des Modells
der Bauteilgeometrie in homogene Flächen und Unstetigkeiten erforderlich. Anschließend
können auf Basis der elastischen Materialkennwerte und der Geometrie des Bauteils die
Interaktionsparameter der Unstetigkeiten mithilfe der
FEM
bestimmt werden (siehe Kapi-
tel 4). Die Flächen zwischen den Unstetigkeiten sind über ihre Dispersionseigenschaften
charakterisiert, deren Berechnung mit der Steifigkeitsmatrix-Methode (
SMM
) erfolgt (sie-
he Abschnitt 3.6 auf Seite 14). Diese beiden Schritte sind innerhalb des Gesamtprozesses
am aufwändigsten, sowohl bezüglich der Modellierung als auch von der reinen Berech-
nungsdauer. Die so ermittelten Kennwerte können in einer Datenbank gespeichert und für
identische Grundmaterialien und Inhomogenitäten wiederverwendet werden. Sind diese
Daten für eine zu untersuchende Struktur bereits in einer Datenbank hinterlegt, reduziert
sich das Pre-Processing auf die Modellierung und der Gesamtaufwand des Verfahrens
sinkt drastisch. Mithilfe eines Raytracing-Algorithmus werden die kürzesten Pfade zwi-
schen einem Aktor und einer Sensorposition identifiziert. Diese Pfade repräsentieren die
zurückgelegten Wege der vom Aktor ausgehenden Wellenpakete. Für andere Punkte auf
der Struktur, an denen die Zeitinformation gesucht wird, müssen die Wellenpfade erneut
bestimmt werden. Durch die Reduktion der plattenartigen Geometrie auf ein 2D-Modell
ist das Raytracing nur mit geringem Berechnungsaufwand verbunden. Das Modell besteht
aus Flächen, die die Bereiche mit homogenen Eigenschaften wiedergeben. Die einzigen für
die Wellenausbreitung relevanten Kennwerte dieser Flächen sind die vorher bestimmten
Phasengeschwindigkeiten und gegebenenfalls Dämpfungseigenschaften. Die Ränder der
Flächen stellen Unstetigkeiten dar, die als Linien abgebildet werden. Der Einfluss dieser
Bereichsgrenzen auf die Wellenausbreitung ist in den in Kapitel 4 beschriebenen Interakti-
onskennwerten erfasst. Die sich an das Raytracing anschließende Signalsynthese nutzt die
vorher gewonnenen Kennwerte und Pfade, um ein Zeitsignal an einem Punkt der Struktur
zu berechnen. Die Signale entstehen aus der Überlagerung einzelner Wellenpakete, wobei
Lamb-Wellen als ebene Wellen approximiert werden. Durch diese Vereinfachung benötigt
auch die Signalsynthese nur geringe Rechenkapazitäten.
5.2 Annahmen, Randbedingungen und Grenzen des Modells
Mit dem Ziel einer starken Modellreduktion werden für das Minimalmodell verschiedene
Annahmen getroffen, die zwar eine effiziente Berechnung ermöglichen, aber gleichzeitig die
Genauigkeit des Modells und damit dessen Einsatzmöglichkeiten einschränken. Im folgen-
den Abschnitt sollen die getroffenen Annahmen Randbedingungen und deren Bedeutung
für die Berechnung der Wellenausbreitung diskutiert werden.
Inhomogenitäten
Die Aufteilung der Geometrie in einzelne Abschnitte mit jeweils ho-
mogenen Eigenschaften verbietet eine Modellierung von graduellen Änderungen in Geo-
metrie oder Material, wie etwa kontinuierliche Dickenänderungen. Eine näherungsweise
Abbildung solcher Bereiche mit einer Unterteilung in kleine Einzelflächen ist theoretisch
denkbar, allerdings nicht im Sinn einer starken Modellreduktion. Effizienter wäre dagegen
ein Wechsel auf eine Zeitschritt-basierte Variante des Raytracing-Algorithmus innerhalb
des inhomogenen Bereiches [88]. Eine weitere Alternative ist die Homogenisierung von
Flächen mit ungleichförmigen Eigenschaften. Ein Beispiel für einen Fall, in dem eine solche
Homogenisierung sinnvoll und umsetzbar ist, findet sich in Abschnitt 6.3.2.
CFK
-Laminate
werden mit Bezug auf die Wellenausbreitung als homogen angesehen, besitzen jedoch eine
Mikrostruktur aus Fasern und Matrixharz. Untersuchungen haben gezeigt, dass die statisti-
sche Verteilung der Faserbündel (Rovings) ab einer bestimmten Frequenz zu sogenannter
spontaner oder kontinuierlicher Modenkonversion führt [22]. Eine direkte Abbildung sol-
cher Effekte, die auf der Mikrostruktur basieren, ist mit dem Minimalmodell derzeit nicht
45
5 Minimalmodell zur Abbildung komplexer Geometrien
Modellgeometrie
Inhomo-
genitäten homogene
Bereiche
SMMFEM
Raytracing
Signalsynthese
Zeitsignal
Geometrie
Material
Pfade
Pre-Processing
Minimalmodell
Dispersions-
kurven
Interaktions-
parameter
Prozess
Daten
Abbildung 5.2:
Ablaufplan des Minimalmodells ausgehend von bekann-
ten Materialkennwerten und geometrischen Abmessungen
realisierbar. Eine Auswirkung flächiger Modenumwandlung ist ein Energieverlust der
ursprünglich angeregten Wellenpakete des S
0
-Modes. Dieser Effekt ähnelt anderen entfer-
nungsabhängigen Schwächungseffekten, wie Streuung und Materialdämpfung, und lässt
sich folglich auf die gleiche Weise in das Minimalmodell implementieren. Das aus der
flächigen Modenkonversion entstehende A
0
-Wellenfeld kann hingegen vom Minimalmodell
nicht wiedergegeben werden.
Geometrie
Die Berechnung der Wellenpfade mithilfe eines 2D-Modells ist nur für platten-
artige Strukturen geeignet. Konstruktionselemente dürfen nicht aus der Plattenebene heraus-
ragen, da sonst alternative Ausbreitungswege für die Wellen entstehen, die im vorgestellten
2D-Modell nicht abgebildet werden können. Der Einfluss solcher Abzweigungen lässt sich
nur teilweise in das Modell integrieren indem die abgeleitete Wellenenergie als Verlust in
die Interaktionsparameter einfließen. Allerdings ist der vorgestellte Ansatz ohne größere
Modifikationen in einem aus 2D-Flächen zusammengesetzten dreidimensionalen Modell
umsetzbar, was eine Modellierung von Strukturen mit größerer geometrischer Vielfalt er-
möglicht. Viele Bauteile in der Luftfahrt weisen einfache oder mehrachsige Krümmungen
auf. Solche Plattenkrümmungen können nicht direkt in dem für das Raytracing verwende-
te 2D-Modell abgebildet werden. Praktisch betrifft dies jedoch nur mehrfach gekrümmte
Bauteile, da sich einfach gekrümmte Geometrien als Abwicklung modellieren lassen. Der
46
5.2 Annahmen, Randbedingungen und Grenzen des Modells
Einfluss der Krümmung auf die Dispersionseigenschaften und damit die Wellenausbreitung
ist erst relevant, wenn das Verhältnis des Krümmungsradius zur Plattendicke kleiner als
10:1 ist [89]. Für solche Bereiche ist es nötig angepasste Dispersionskurven zu berechnen.
Dabei ist wieder relevant ob solche Änderungen der Krümmung graduell oder diskret sind,
um festlegen zu können, ob eine Modellierung mit dem Minimalmodell möglich ist.
Raytracing
Die Abbildung der Wellenausbreitung in der plattenartigen Struktur durch
das in Abschnitt 5.3 beschriebene Raytracingverfahren basiert auf der sogenannten high
frequency approximation [90]. Dabei wird angenommen, dass die auftretenden Wellenlängen
λ
klein gegenüber den kleinsten geometrischen Abmessung im Bauteil ist, also die Wellen eine
hohe Frequenz besitzen. Die Genauigkeit sinkt, falls Elemente in der Struktur kleiner sind als
λ/
2. Bei entsprechend kleinen Abmessungen werden Effekte wie Beugung und Interferenz
relevant, deren Einfluss auf die Wellenausbreitung mit dieser Theorie nicht abgebildet
werden kann. Die Ausbreitung der Lamb-Wellen kann dann auf Basis der geometrischen
Optik mit Strahlen angenähert werden, die normal zur Wellenfront stehen. Grundlage
der geometrischen Optik ist das Fermatsche Prinzip aus dem sich vier Axiome ergeben
[91]. Diese sind speziell auf Aufgaben der technischen Optik, also die Ausbreitung von
Lichtstrahlen, ausgelegt. Der Ansatz, Wellen mit Strahlen zu vereinfachen, wird jedoch
auch in anderen naturwissenschaftlichen Disziplinen eingesetzt. Vielfältige Anwendungen
und Abwandlungen dieses Prinzips bei mechanischen Wellen finden sich beispielsweise
bei der Seismologie [92–94]. Im Folgenden werden diese Axiome für die Anwendung des
Raytracings auf die Ausbreitung von Lamb-Wellen angepasst.
1. Axiom:
Die Strahlen zur Repräsentation der Lamb-Wellen verlaufen in
homogenem Material geradlinig. Dies gilt sowohl für isotrope als
auch anisotrope Materialien.
2. Axiom:
An der Grenze zwischen zwei homogenen Gebieten werden
Lamb-Wellen im Allgemeinen nach dem Reflexionsgesetz re-
flektiert und nach dem Brechungsgesetz gebrochen.
3. Axiom:
Der Strahlengang ist umkehrbar, die Wellenrichtung auf einem
Strahl ist belanglos.
4. Axiom:
Die Strahlen durchkreuzen einander, ohne sich gegenseitig zu
beeinflussen.
Das erste Axiom ist eine wichtige Voraussetzung für den Einsatz von Strahlen zur Ab-
straktion geführter Wellen. Insbesondere kann damit der Weg einer Welle zwischen zwei
Punkten in einem homogenen Bereich mit einer einzigen Geraden abgebildet werden, wo-
durch ein effizienter Algorithmus erst möglich wird. Im Gegensatz dazu ist innerhalb
eines inhomogenen Mediums eine Diskretisierung des Strahlengangs nötig, um gekrümmte
Ausbreitungswege abbilden zu können. Ein wichtiger Unterschied zwischen Licht oder
anderen Wellenarten gegenüber Lamb-Wellen ist der Raum bzw. das Medium in dem die
Ausbreitung stattfindet. In den meisten physikalischen Disziplinen ist dies ein Volumen,
also ein dreidimensionaler Raum. Eine Volumengrenze ist dann gleichzusetzen mit einer
Materialgrenze. Bei Plattenwellen wird das Ausbreitungsmedium dagegen häufig als zwei-
dimensional betrachtet. Inhomogenitäten in diesem Medium können allerdings nicht nur
reine Materialübergänge sein, sondern auch Änderungen in der vernachlässigten dritten
47
5 Minimalmodell zur Abbildung komplexer Geometrien
Raumrichtung. Entsprechend bezieht sich das angepasste zweite Axiom nicht nur auf die
Grenze zwischen zwei Materialien, sondern bezieht auch geometrische Änderungen mit ein.
Gleichzeitig wird impliziert, dass Übergänge diskret, in einem zweidimensionalen Medium
also eindimensionale Linien sind. Die scheinbare Einschränkung der Interaktion der Wellen
auf Reflexion und Brechung bzw. Transmission ist keine, da auch die konvertierten Moden
nach den gleichen Regeln berechnet werden können. Es muss dazu beachtet werden, dass
bei jeder Frequenz mehrere Phasengeschwindigkeiten für die einzelnen Moden existieren.
Reflexion und Brechung lassen sich bei isotropen Materialien direkt mit dem bekannten
Gesetzen berechnen. Für den Einsatz des Minimalmodells bei anisotropen Materialien ist
ein angepasster Algorithmus implementiert. Eine detaillierte Beschreibung des Vorgehens
folgt in Abschnitt 5.3.
Das dritte Axiom kann nahezu unverändert für das Raytracing-Verfahren übernommen
werden. Bei der Berechnung der Pfade hat die Richtung der Strahlen keinen direkten Einfluss.
Erst in der anschließenden Signalsynthese ist die zeitliche Abfolge der Interaktionen und
damit die Richtung der Strahlen von Bedeutung. Auch das vierte Axiom trifft für Lamb-
Wellen im gleichen Maß zu wie auf Lichtstrahlen. Das Axiom ist gleichzusetzen mit dem
Superpositionsprinzip, das auf der Annahme eines linearen Systemverhaltens basiert. Erst
damit wird es möglich den komplexen Vorgang der Wellenausbreitung in einzelne Aspekte
zu unterteilen und das Endergebnis durch Überlagerung der Einzelergebnisse zu erhalten.
Signalsynthese
Die Berechnung von Zeitsignalen erfolgt mithilfe der Gleichung für ebe-
ne Wellen und wird im Einzelnen in Abschnitt 5.4 beschrieben. In diese Signalsynthese
fließen Informationen aus drei vorherigen Berechnungsschritten ein. Das Raytracing lie-
fert die geometrischen Angaben des zurückgelegten Weges eines Wellenpaketes. Dazu
gehören Entfernungen, Richtungen, durchquerte Materialien und die Punkte, an denen
Interaktionen stattfinden. Anhand der Entfernung kann die Amplitudenreduktion durch
geometrische Streuung und weiterer Schwächungseffekte berechnet werden. Die zweite
Datenquelle der Signalsynthese sind die Dispersionskurven der einzelnen Plattenbereiche.
Die zu verwendenden Phasengeschwindigkeiten hängen von den durchquerten Materialien,
dem Frequenzspektrum des Anregungssignals und bei anisotropem Material auch von der
Richtung des Strahls ab. Die letzten Größen, die in die Signalberechnung einfließen, sind
die Kennwerte der Unstetigkeiten, mit denen Strahlen interagieren.
Der Ansatz der Signalsynthese auf Basis ebener Wellen entspricht den Anforderungen
des Minimalmodells an eine möglichst effiziente Berechnung der Wellenausbreitung. Für
isotrope Materialien ist die Abbildung eines Wellenpaketes mit einer ebenen Welle zulässig.
Hier sind nur Auslenkungen in Ausbreitungsrichtung und normal zur Plattenfläche mög-
lich. In anisotropen Materialien sind die einzelnen Schwingungskomponenten allerdings
gekoppelt und tangentiale Schwingungen können auftreten [18]. Die zusätzliche tangentiale
Komponente sorgt dafür, dass ein Wellenpaket an einem Punkt nicht mit einer einzelnen
ebenen Welle beschrieben werden kann. Eine analytische Beschreibung geführter Wellen in
beliebigen anisotropen Platten ist zurzeit nur in Form von Dispersionskurven möglich. Für
die Abbildung der Wellenausbreitung im Zeitbereich sind dagegen bisher keine Lösungen
vorhanden. Es ist anzunehmen, dass bei einer Approximation von Wellenpaketen mit ebenen
Wellen die Genauigkeit des Verfahrens mit steigendem Grad der Anisotropie abnimmt. Die
Auswirkungen von Anisotropie auf die Wellenausbreitung kann innerhalb der vorliegenden
Arbeit nur im Ansatz gezeigt werden (siehe Abschnitt 6.2). Auf weiterführende Analysen
zum Einfluss beliebiger Anisotropie wird jedoch verzichtet, da das Hauptaugenmerk dieser
Arbeit auf isotropen und quasi-isotropen Materialien liegt.
48
5.2 Annahmen, Randbedingungen und Grenzen des Modells
Wellenmoden
Bei einer Anregungsfrequenz treten prinzipiell mindestens drei Wellenmo-
den gleichzeitig auf. Durch eine Begrenzung der Anregungsfrequenz und die Vernachlässi-
gung horizontaler Scherwellen, brauchen im entwickelten Modell nur der erste symmetri-
sche und der erste antisymmetrische Mode berücksichtigt zu werden (siehe Abschnitt 3.3).
Prinzipiell ist eine Erweiterung des Verfahrens um weitere Wellenmoden möglich, da deren
Ausbreitungsverhalten aus den Dispersionsdiagrammen bekannt ist. Allerdings treten wei-
tere symmetrische und antisymmetrische Moden erst bei höheren Frequenzen auf, wodurch
zusätzliche Effekte für die Wellenausbreitung relevant werden können. Hierzu zählt neben
stark erhöhter Materialdämpfung auch die Interaktion der Wellen mit der Mikrostruktur von
Verbundmaterialien. Horizontale Scherwellen werden hingegen erst mit starker Anisotropie
relevant, für die das Minimalmodell in seiner aktuellen Form nicht ausgelegt ist.
Ein weiterer Faktor, der bei anisotropem Material von Bedeutung sein kann, ist der Effekt
der Fokussierung der Wellenenergie. Ausgehend von einem Aktor wird mehr Wellenenergie
in die Richtungen ausgesandt, in der vermehrt die Fasern liegen. Die Energie folgt also dem
Faserverlauf, wodurch in Richtung hoher Phasengeschwindigkeit auch hohe Amplituden
auftreten [20, 95]. Dieser Effekt wird vorerst nicht im Minimalmodell analytisch nachgebil-
det, da er hauptsächlich bei stark anisotropen Materialien von Bedeutung ist. Allerdings
ist es im Minimalmodell möglich, eine richtungsabhängige Amplitude für die am Aktor
erzeugten Wellen zu definieren, um den Einfluss einer ungleichmäßigen Abstrahlung der
Piezokeramiken abzubilden. Damit lässt sich dieser Fokussierungseffekt näherungsweise
abbilden.
Amplitudenverteilung am Aktor
Die Amplitude der am Aktor erzeugten Wellenpakete
ist nicht nur vom Anregungssignal abhängig, das in Form seines Frequenzspektrum in die
Berechnung der Signale einfließt. Insbesondere der Aktor selbst besitzt einen entscheidenden
Einfluss auf die Stärke der Signale. Verschiedene Effekte sorgen für eine frequenz-, richtungs-
und modenabhängige Abstrahlung der Wellenenergie. Im folgenden Abschnitt soll eine
kurze Übersicht zu diesen Effekten gegeben werden und welche Bedeutung sie für das
Minimalmodell haben. Detaillierte Ausführungen und weitere Quellen zu diesem Thema
finden sich in [17].
Die Intensität der Anregung eines Wellenmodes hängt stark von der Korrelation zwischen
der anzuregenden Wellenlänge und der Abmessung der Piezokeramik ab. Die anzuregende
Wellenlänge ist hierbei die Wellenlänge eines Modes bei der gewählten Anregungsfrequenz
und ist aus den Dispersionskurven bekannt. Wenn die halbe Wellenlänge eines Modes das
ungerade Vielfache der Abmessung einer Piezokeramik ist, wird dieser Mode besonders
stark angeregt, während bei geraden Vielfachen das Gegenteil der Fall ist. Dies gilt allerdings
nur bei einer idealisierten Anbindung der Keramik an die Platte. Die Dicke der Klebschicht
oder eventueller Kapselungen bestimmt, wie viel des Keramikquerschnitts effektiv Ver-
formungen in die Platte überträgt. Nur bei runden Keramiken auf isotropem Material ist
eine gleichmäßige Abstrahlung in alle Richtungen zu erwarten. Auch Eigenformen führen
im Allgemeinen zu einer gerichteten Abstrahlung. Eine Ausnahme stellen Eigenformen
ohne Schwingungsknoten entlang des Umfangs runder Keramiken dar. Nicht kreisförmige
Keramiken oder anisotrope Plattenmaterialien haben eine richtungsabhängige Anregung
zur Folge, da die Korrelation zwischen Aktorabmessung und anzuregender Wellenlänge
winkelabhängig ist. Letztlich ergibt sich ein Abstrahlverhalten, das von Anregungsfrequenz,
Aktorform und Dispersionseigenschaften der Platte abhängt. Da sich diese Zusammenhänge
analytisch beschreiben lassen, ist deren Implementierung in das Minimalmodell prinzipiell
möglich. In Hinblick auf die
Forschungsthese
und die Komplexität des Aktorverhaltens
wird auf eine Modellierung jedoch verzichtet. Der Einfluss des Wandlers auf die Anregung
lässt sich jedoch im Rahmen der Signalsynthese abbilden, wenn entsprechende Kenngrößen
49
5 Minimalmodell zur Abbildung komplexer Geometrien
bekannt sind (siehe Abschnitt 5.4).
Ein zweiter physikalischer Effekt mit Einfluss auf das Abstrahlverhalten von Aktoren sind
die Eigenformen der Keramiken. Durch die Kopplung von elektrischen und mechanischen
Eigenschaften in piezokeramischen Materialien, werden die auftretenden Eigenfrequenzen
als elektromechanische Resonanzen bezeichnet. Wird ein Aktor an einem solchen Resonanz-
punkt betrieben, treten starke Amplitudenüberhöhungen auf, die andere Effekte, wie den
vorher erwähnten Zusammenhang zwischen Wellenlänge und Aktorquerschnitt, deutlich
überlagern. Während sich bei frei schwingenden Keramiken sowohl Eigenformen als auch
-frequenzen gut vorhersagen lassen, ist dies beim gekoppelten System aus Aktor und Platte
nur schwer möglich. Insbesondere die bereits erwähnten Koppelschichten spielen hierbei
eine entscheidende Rolle, da deren Eigenschaften selten genau bekannt sind. Neben der
Beeinflussung der Anregungsamplitude, kann in Abhängigkeit der Eigenform eine starke
Richtwirkung der Abstrahlung beobachtet werden. Die genaue Ausrichtung der Eigen-
formen und damit der Richtungen, in die die Abstrahlung der Wellen verstärkt erfolgt,
lässt sich insbesondere bei rotationssymmetrischen Keramiken schwer vorhersagen. Die
Orientierung der Eigenformen wird bereits von kleinsten Störungen, wie beispielsweise
Lötpunkten, beeinflusst. Eine Übersicht zu Keramikeigenformen und deren Einfluss auf
Wellenfelder findet sich in [96] und ausführliche experimentelle Ergebnisse in [26]. Eine
frequenz- und richtungsabhängige Anregung kann prinzipiell in das Minimalmodell einge-
bracht werden. Allerdings ist, wie bereits erwähnt, die Berechnung der elektromechanischen
Resonanzen und der damit einhergehenden Eigenformen nicht trivial. Speziell die Ausrich-
tung der Eigenform lässt sich zurzeit nicht zuverlässig vorhersagen. Aus diesem Grund
wird das Amplitudenverhältnis der angeregten Moden experimentellen oder numerischen
Vergleichsergebnissen entnommen. Dies betrifft ausschließlich die Amplitude der primären
Moden am Aktor. Die zeitliche Änderung der Wellenpakete, insbesondere durch räumliche
Ausbreitung und Interaktion mit Unstetigkeiten, bildet das Minimalmodell ab.
Diskussion
Wie aus den Ausführungen in diesem Abschnitt deutlich wird, erfordert die
Modellreduktion gemäß der Definition des Minimalmodells eine Vielzahl von Annahmen.
Für einige der daraus folgenden Einschränkungen des Minimalmodells kann zurzeit keine
Lösung angeboten werden. Insbesondere die Berechnung der Wellenausbreitung in stark
anisotropen Plattenmaterialien stellt hierbei eine Herausforderung dar. Ein Teil der rele-
vanten Einflüsse, wie richtungsabhängige Phasengeschwindigkeiten und damit eine nicht-
kreisförmige Wellenausbreitung, sind im Modell enthalten. Die verwendete Methode zur
Signalberechnung als Überlagerung ebener Wellen ist bei allgemeiner Anisotropie jedoch
nicht mehr gültig. Allerdings ist der Aufbau von
CFK
-Laminaten in der Luftfahrtindustrie
in der Mehrheit quasi-isotrop. Bei solchen Laminaten sind viele der Effekte, die spezifisch
für Anisotropie sind, nur schwach oder gar nicht ausgebildet. Es wird daher davon aus-
gegangen, dass in diesen Materialien die Einflüsse der Anisotropie auf die Genauigkeit
gering sind, und eine näherungsweise Vorhersage der Wellenausbreitung in komplexen
Luftfahrtstrukturen nach aktuellen Fertigungsmethoden möglich ist.
5.3 Raytracing
Die Signalsynthese zur Berechnung des Zeitsignals an einem Punkt erfordert nicht nur
Kenntnisse der Dispersions- und Interaktionseigenschaften eines Bauteils. Es muss anhand
der Geometrie auch der zurückgelegte Weg jedes Wellenpaketes zwischen Aktor- und
Sensorposition bestimmt werden. Zu diesem Zweck wird im Minimalmodell ein Raytra-
cing-Verfahren verwendet. Auf die Ursprünge und Anwendungsfelder der Raytracing-
50
5.3 Raytracing
Technik wird zu Beginn dieses Abschnitts eingegangen. Das beim implementierten Ray-
tracing-verfahren verwendete 2D-Modell und der generelle Programmablauf werden im
Anschluss beschrieben. Während die Interaktionskennwerte die Amplitudenänderung an
einer Unstetigkeit wiedergeben, wird die Richtungsänderung der Wellen während des
Ausbreitungsvorgangs mit dem Raytracing berechnet. Zwei Abschnitte beschäftigen sich
daher mit der Brechung von Strahlen an Unstetigkeiten in isotropen bzw. anisotropen Plat-
ten. Zuletzt werden einige Parameter diskutiert, die Einfluss auf die Genauigkeit und den
Aufwand des Raytracing-Algorithmus haben.
5.3.1 Raytracing-Verfahren in unterschiedlichen Disziplinen
Die Abstraktion von Wellen jeglicher Art durch Strahlen ist eine intuitive und entspre-
chend weit verbreitete Technik. Die frühesten belegten Fälle der Abstraktion von Wellen
mit Strahlen befassen sich mit optischen Phänomenen, also der Ausbreitung von Licht. Die
Grundlagen der Strahlverfolgung beschreibt bereits Albrecht Dürer im 16. Jh. [97, 98]. Der
Maler und Mathematiker nutzte Strahlen, um möglichst realistische Zentralprojektionen zu
konstruieren (siehe Abb. 5.3b). Ein weiteres frühes Beispiel für den Einsatz von Strahlen zum
Verständnis der Lichtausbreitung ist die Camera obscura oder Lochkamera. Leonardo da
Vinci verglich als erster das Auge mit einer Camera obscura und versuchte dessen Funktions-
weise zeichnerisch mit Strahlen zu erklären (siehe Abb. 5.3a) [99]. Doch erst mit der exakten
mathematischen Beschreibung der Brechung wurde die Entwicklung komplexer optischer
Systeme möglich. Auch wenn bereits Ibn Sahl im Jahr 984 das Phänomen der Brechung ge-
nau beschrieb und nach ihm weitere Gelehrte die Gesetzmäßigkeit unabhängig entdeckten,
erfolgte eine weite Verbreitung dieser Erkenntnis erst durch die Veröffentlichungen von
Descartes und Fermat im 17. Jh. [100–102]. Die Funktionsweise optischer Instrumente wurde
in den folgenden Jahrhunderten häufig zeichnerisch mit Strahlen bestimmt, da eine rein
mathematisch formelle Berechnung deutlich aufwändiger ist. Aus der Geschichte heraus
ist nachvollziehbar, wieso die Optik eine Pionierrolle bei der Entwicklung des Raytracings
einnimmt. Doch auch andere Disziplinen haben sich diese Technik zu eigen gemacht und
individuelle Verfahren entwickelt. Der folgende Abschnitt soll einen kurzen Überblick zum
Einsatz des Raytracings in wissenschaftlichen und technischen Disziplinen geben.
Es gibt viele Möglichkeiten die einzelnen Ansätze zum Raytracing zu klassifizieren. Ein
Unterscheidungsmerkmal ist die Art der Unterteilung der Strahlen, die meistens vom zu
durchquerenden Medium abhängt. In homogenen Medien genügt ein Strahlsegment für
eine beliebig lange gerade Strecke, bis zum Kontakt mit einer Grenze des Mediums. An-
wendungsbeispiel sind die Visualisierung von dreidimensionalen Computerszenen oder
die räumlichen Ausbreitung von Funkwellen. In inhomogenen Medien ist dagegen eine
Aufteilung in Zeitschritte notwendig, um gekrümmte Ausbreitungsstrecken abbilden zu
können. Ein Beispiel hierfür ist die kontinuierliche Änderung der Luftdichte in der Atmo-
sphäre und damit auch des Brechungsindex, der zu einer Ablenkung von Lichtstrahlen
führen kann. Raytracing wird hierbei genutzt, um durch solche terrestrische Refraktion
verursachte Abweichungen in astronomischen Beobachtungen zu korrigieren [103]. In op-
tischen Systemen, wie Mikroskopen, sind die Medien homogen oder die zurückgelegten
Wege des Lichts häufig vergleichsweise kurz und Einflüsse durch inhomogene Medien spie-
len keine nennenswerte Rolle. Entsprechend muss hier eine Veränderung des Strahlweges
erst an der Grenze eines Mediums berechnet werden [104]. Luftfahrtstrukturen können als
abschnittsweise homogen beschrieben werden. Material- und Geometrieübergänge bilden
hierbei die Abschnittsgrenzen. Dementsprechend bieten sich auch hier eine Aufteilung des
Strahlengangs anhand der Interaktionen mit Hindernissen an.
In der Funktechnik ist Raytracing eine gängige Technik zur Vorhersage der Netzabde-
ckung. Die Technik wird sowohl für kurze Strecken, z.B. für WLAN in Gebäuden, als auch
51
5 Minimalmodell zur Abbildung komplexer Geometrien
(a)
Auge als Came-
ra Obscura [99]
(b)
Konstruktion der Zentralprojekti-
on eines Würfels mit Schatten [97]
Abbildung 5.3:
historische Skizzen zur Anwendung von Strah-
len zum Verständnis optischer Probleme
bei großflächigen Netzen, z.B. bei der Platzierung von Mobilfunkmasten, verwendet [105–
107]. Auch hier wird die Ausbreitung der elektromagnetischen Wellen mit Strahlen appro-
ximiert, die erst beim Auftreffen auf ein Hindernis ihre Richtung ändern. Die verwendete
Technik wird häufig als ray launching bezeichnet, da eine große Zahl von Strahlen am Sender
gestartet wird, um anschließend anhand der Verteilung der Strahlen die Netzabdeckung
beurteilen zu können.
Raytracing und verwandte Verfahren werden nicht nur im wissenschaftlichen Bereichen
eingesetzt, sondern auch als Visualisierungsverfahren für 3D-Computergrafiken. Gegenüber
anderen Berechnungstechniken für räumliche Szenen ist Raytracing ein Ansatz, der an
physikalische Gesetze angelehnt ist [108]. Durch die Implementierung der aus der Optik
bekannten Gesetze lassen sich diffuse Beleuchtung, weiche Schatten, Transparenz und
weitere Effekte realisieren, die zu einer realitätsnahen Darstellung beitragen.
Die Abstraktion mechanischer Wellen mit Strahlen ist hauptsächlich in der Geophysik
verbreitet, aber auch bei akustischen Fragestellungen bekannt. Der Zweck der Berechnungen
und die untersuchten Medien unterschieden sich bei beiden Gebieten stark voneinander.
Die Seismologie verfolgt das Ziel den Aufbau des Erdinneren anhand des Verlaufs von
Erbebenwellen zu bestimmen. Das untersuchte Medium ist nicht vollständig bekannt und
soll basierend auf vereinzelten Messpunkten am Rand des Mediums nachvollzogen werden.
Dazu wird der kürzeste Pfad zwischen einer Quelle und einem Messpunkt gesucht, indem
der Pfad und damit das Medium variiert werden [109]. Erschwert wird eine Lösung durch
den mehrschichtigen Aufbau der Erde aus inhomogenen Materialien. Ein ähnliches Anwen-
dungsgebiet ist die Seismik, bei der Wellen angeregt werden, um die Zusammensetzung
des Untergrunds zu bestimmen [110]. Dies dient beispielsweise der Erkundung von Roh-
stoffvorkommen oder Untergrundstudien für Bauwerke. Bei akustischen Anwendungen ist
das Medium im Allgemeinen bekannt. Häufig wird die Position eines Reflektors gesucht,
etwa bei Materialprüfung mit Ultraschall oder Sonaranwendungen. Die Herausforderun-
gen bestehen hier in mehrfachen Reflexionen in Bauteilen, anisotropem Material oder sich
52
5.3 Raytracing
bewegenden Medien [111, 112].
Im Bereich der Plattenwellen findet Raytracing bisher kaum Anwendung. Lamb-Wellen
eignen sich für die zerstörungsfreie Ultraschallprüfung von Platten und Rohren [113–115].
Entsprechend finden sich hier auch einige wenige Fälle in denen Raytracing genutzt wird.
Strahlverfolgung wird beispielsweise für Tomographietechniken benutzt [116]. Damit ist
eine Visualisierung von Schäden in Platten unter Verwendung von Lamb-Wellen möglich.
Solche Untersuchungen beziehen sich hauptsächlich auf isotrope Materialien, wobei es eini-
ge wenige Versuche an anisotropen Platten gibt [117]. Das Ziel einer solchen Tomographie
ist die Charakterisierung von Schäden innerhalb eines kleinen Strukturbereichs als System
zur zerstörungsfreien Prüfung. Hierbei wird eine Vielzahl an Wellenpfaden über der zu
untersuchenden Fläche analysiert. Bei jedem der Pfade handelt es sich um eine gerade oder
leicht gekrümmte Verbindung zwischen einem Aktor und einem Sensor. Eine großflächige
Ausbreitung der Wellen oder Interaktionen mit konstruktionsbedingten Unstetigkeiten sind
nicht Teil entsprechender Verfahren.
Ein direkter Einsatz von Raytracingverfahren in der Forschung und Entwicklung von
Lamb-Wellen-basiertem
SHM
ist nahezu unbekannt. Allein in der Arbeit von Ong und
Chiu [118] wird ein einfacher Raytracing-Algorithmus genutzt, mit dem eine Fokussierung
der Wellen auf einen zu überwachenden Ort erprobt wird. Das im Artikel genutzte Pro-
gramm unterteilt die Wellenausbreitung in einzelne Zeitschritte. Die zurückgelegte Strecke
eines Strahlsegments wird anhand der Gruppengeschwindigkeit berechnet, während das
Brechungsverhalten bei einer Dickenänderung auf der Phasengeschwindigkeit der beiden
aneinander grenzenden Plattenbereiche basiert. Begründet wird die Entscheidung zur Seg-
mentierung der Strahlen mit dem Hinweis auf die begrenzte Größe von Bauteilen und
damit, dass der Ausbreitungsvorgang der Wellen wichtig sei. Für die durchgeführten Un-
tersuchungen zur Fokussierung der Wellenenergie ist diese Begründung allerdings nicht
korrekt. Es wird nur der Strahlengang bis zu einer Bohrung gesucht und der eigentliche
Prozess der Wellenausbreitung ist nicht von Interesse. Weiterhin ist in homogenem Material
die Ausbreitungsrichtung der Wellen geradlinig und eine Unterteilung der Strahlen unnötig.
Ein Verfahren mit durchgehenden Strahlen, die erst beim Auftreffen auf ein Hindernis ihre
Richtung ändern, würde einen geringeren Berechnungsaufwand besitzen, ohne die Genau-
igkeit der Lösung zu verändern. Mit der begrenzten Größe des Bauteils, der geringen Menge
an Strahlen und nur wenigen Variationen der Berechnung wäre der zu erwartende Ge-
schwindigkeitsvorteil eines alternativen Verfahrens jedoch gering, da auch das verwendete
Verfahren als sehr schnell beschrieben wird.
5.3.2 Aufbau des 2D-Modells
Das Modell, das dem verwendeten Raytracing-Verfahren zu Grunde liegt, ist zweidimen-
sional. Es besteht aus Flächen mit homogenen Materialeigenschaften und Linien, die diese
Flächen begrenzen. Die Linien entsprechen hierbei den Unstetigkeiten der Struktur. Im
2D-Modell werden die einzelnen Flächen mit ihren durch Geraden begrenzen Rändern
als Primitive bezeichnet. Geometrisch handelt es sich um Polygone deren Geraden sich
nicht kreuzen. In den meisten Fällen sind dies einfache Rechtecke, andere Formen sind
jedoch möglich (Abb. 5.4a). Neben der Geometrie sind den Primitiven weitere Eigenschaften
zugeordnet. Dazu gehören die Interaktionskennwerte, ein Name und die Materialnummer
der eingeschlossenen Fläche. Primitive dürfen in und neben anderen Primitiven liegen
(Abb. 5.4b und 5.4c). Geteilte Außenlinien sind in der aktuellen Version des Modells nicht
vorgesehen, aber prinzipiell realisierbar und sinnvoll für eine freiere Geometriegestaltung.
Allerdings ist dafür eine grundlegend andere Zuordnung von Flächen und Linien erfor-
derlich. Eine solche Umstellung des Modellaufbaus ist bisher jedoch nicht erforderlich, da
die in dieser Arbeit untersuchten Beispiele keine geteilten Außenlinien erfordern. Jedes
53
5 Minimalmodell zur Abbildung komplexer Geometrien
Modell besitzt als erstes Primitiv eine Grundplatte auf die das Raytracing begrenzt ist.
Sich kreuzende Außenlinien sind nur zwischen der Grundplatte und übrigen Primitiven
zulässig. Da die Linien der Grundplatte den Modellrand bilden, sind Bereiche der Primitive
außerhalb der Platte nicht für das Raytracing relevant (Abb. 5.4d). Hiermit lassen sich
Elemente auf der Platte abbilden, die bis an den Plattenrand reichen, ohne dass gemeinsame
Linien erforderlich sind. Zwischen anderen Primitiven sind Überschneidungen dagegen
nicht sinnvoll, da innerhalb der sich ergebenden Schnittfläche und den zugrunde liegenden
Primitiven jeweils andere Eigenschaften zu erwarten sind.
(a)
verschiedene Formen
von Primitiven
(b)
Grundplatte mit
nebeneinander
liegenden Primitiven
(c)
Grundplatte mit
übereinander
liegenden Primitiven
(d)
Rand der Grund-
platte entspricht
dem Modellrand
Abbildung 5.4:
Primitive als Grundelemente des Raytracing-Modells
5.3.3 Ablauf des Raytracing-Verfahrens
Das Raytracingverfahren dient als Teil des Minimalmodells der Vorhersage der Wellenaus-
breitung in einer komplexen Struktur. Das Raytracing ist hierbei jedoch nur ein Zwischen-
schritt, der geometrische Informationen liefert, während die Berechnung der Zeitsignale erst
in der anschließenden Signalsynthese erfolgt. Die Berechnung der Signale erfolgt immer
nur für einen Punkt in der Struktur. Dies hat den Nachteil, dass für Ergebnisse an weiteren
Punkten jeweils eigene Rechnungen nötig sind, aber gleichzeitig den Vorteil, dass nur die
Punkte berechnet werden müssen, an denen wirklich Ergebnisse benötigt werden. In vielen
anderen Verfahren, wie etwa der
FEM
, werden hingegen immer Ergebnisse an allen Knoten
des Modell berechnet. Dies ist einer der wichtigsten Gründe für den entscheidenden Ge-
schwindigkeitsvorteil des Minimalmodells gegenüber anderen Berechnungsmethoden. Zur
Berechnung der Zeitsignale muss bekannt sein, welche Wellenpakete eine Sensorposition
durchqueren und welchen Weg diese Pakete ausgehend vom Aktor durch die Struktur
genommen haben. In Anlehnung an das Fermatsche Prinzip sind die relevanten Pfade
zwischen Aktor und Sensor die Strecken mit der kürzesten Laufzeit. Innerhalb eines homo-
genen Bereiches entspricht die Strecke mit der kürzesten Laufzeit der kürzesten Verbindung
zwischen zwei Punkten. Erst wenn mehrere Bereiche mit unterschiedlichen Phasengeschwin-
digkeiten im Modell vorhanden sind, kann an den Übergängen Brechung auftreten und ein
Unterschied zwischen kürzesten und schnellsten Pfaden auftreten. Durch Reflexion sind
mehrere Wege zwischen beiden Punkten möglich und es existiert nicht nur ein einzelner
schnellster Pfad. Um diese Wege zu finden, werden viele Strahlen an der Aktorposition
ausgesandt. Die verwendete Technik ähnelt damit den beispielsweise in der Funktechnik
verwendeten ray launching [119]. Mit der Annahme homogener Flächen und damit gerad-
liniger Wellenausbreitung kann der Weg eines Wellenpakets innerhalb einer Fläche mit
54
5.3 Raytracing
einem einzigen Strahlsegment beschrieben werden und eine Unterteilung der Ausbreitung
in einzelne Zeitschritte ist beim Raytracing nicht nötig.
Der Kern des Raytracings ist die Verfolgung von am Aktor ausgesandten Strahlen durch
die Struktur, um Pfade zum Sensor zu finden. Dabei interagieren die Strahlen an den
Grenzen der Primitive, wodurch weitere Strahlen entstehen können. Der prinzipielle Ablauf
ist in Abb. 5.5 dargestellt und wird im Folgenden näher erläutert.
Geometrie,
Primitive
Interaktionsstufen
Strahlen S
Primitive P
Koordinatentransformation
P im Weg von S?
nein
ja
Schnittpunkte
nächster Schnittpunkt
ist Interaktionspunkt IP
Länge von S anpassen
neue Strahlen am IP
P = Sensor?
nein
ja
Pfad speichern
ählicher Pfaden entfernen
Pfade
Dispersions-
kurven
Strahlen am Aktor
Schleife
Prozess
Daten
Bedingung
Abbildung 5.5:
Ablaufplan des Raytracings
Zu Beginn des Algorithmus müssen die Strahlen definiert werden, die vom Aktor ausge-
hen. Für eine zuverlässige Abdeckung der untersuchten Geometrie ist eine große Zahl an
Strahlen erforderlich. Genauere Erläuterungen zur Festlegung der Strahldichte folgen in
Abschnitt 5.3.6. Die Definition eines Strahls erfolgt anhand kartesischer Koordinaten mit
zwei Koordinatenpaaren, Ursprung und Richtungsvektor der Gerade. Über den Betrag des
Richtungsvektors ist gleichzeitig die Länge des Strahls bekannt. Prinzipiell sind für die
Definition der Strahlen auch Polarkoordinaten geeignet, was jedoch keinen unmittelbaren
Vor- oder Nachteil gegenüber kartesischen Koordinaten hat. Da die Beschreibung der be-
rechneten Geometrien in kartesischen Koordinaten intuitiver ist, wird hier dieses System
bevorzugt. In jedem Interaktionsschritt werden Schnittpunkte für die im vorhergehenden
Schritt erzeugten Strahlen gesucht. Im ersten Interaktionsschritt sind dies die Strahlen am
55
5 Minimalmodell zur Abbildung komplexer Geometrien
Aktor. Um einen Schnittpunkt zu berechnen, sind sämtliche Geraden aller Primitive mit
allen Strahlen zu vergleichen. Statt Schnittpunkte des aktuellen Strahls mit den Geraden
aller Primitive zu berechnen, werden zuvor alle Primitive aussortiert, die nicht auf dem
Weg des Strahls liegen. Dazu erfolgt eine Koordinatentransformation von Geometrie und
Strahl, so dass der Strahl parallel zur
x
-Achse ist. Anschließend lassen sich alle Primitive
ausschließen, deren y-Koordinate komplett unter- oder oberhalb des Strahls liegen. In glei-
cher Weise kann anhand der
x
-Koordinate mit Primitiven vorgegangen werden, die nicht in
Richtung des Strahls liegen. Von den anschließend bestimmten Schnittpunkten ist nur der
mit der kürzesten Entfernung zum Strahlursprung relevant, da die weiter entfernten Punkte
von näher liegenden Linien verdeckt werden. Bevor ein Interaktions- und damit Endpunkt
bekannt ist, besitzen Strahlen eine Länge von eins. Nachdem ein Interaktionspunkt feststeht,
wird die Länge entsprechend angepasst, ohne die Richtung des Strahls zu ändern. Falls
es sich nicht um den letzten Interaktionsschritt handelt, erzeugt der Algorithmus neue
Strahlen für den folgenden Schritt. Im Allgemeinen wird pro Mode ein reflektierter und ein
transmittierter Strahl erzeugt. Hierbei bestimmen die Phasengeschwindigkeiten der beiden
aneinander grenzenden Flächen, wie stark die neuen Strahlen gebrochen werden (siehe
Abschnitt 5.3.4).
Liegt der Schnittpunkt auf dem Primitiv des Sensors, handelt es sich um einen der ge-
suchten Pfade. Durch die endliche Größe des Sensors ist es möglich, dass sich zunächst
mehrere nahezu parallele Pfade zum Sensor ergeben. Diese Pfade repräsentieren das gleiche
Wellenpaket und müssen auf einen Pfad reduziert werden. Dafür ist es notwendig ange-
messene Kriterien für die Ähnlichkeit von Pfaden festzulegen. Ein Unterscheidung mittels
eines Skalars pro Pfad, etwa der Gesamtlänge oder der Orientierung des Strahls am Aktor,
genügt dafür nicht. Symmetrien in der Struktur oder mehrfache Reflexionen können zu einer
scheinbaren Ähnlichkeit führen. Stattdessen werden, nach einer Vorauswahl anhand der
Strahlsegmente, direkt die Koordinaten der einzelnen Strahlen verglichen. Die Bewertung
der Ähnlichkeit zweier Koordinaten basiert auf der Sensorgeometrie. Der maximal mögliche
Abstand zwischen zwei Interaktionspunkten an einem Sensor entspricht dessen größter
Abmessung. Die Toleranz für ähnliche Koordinaten ist daher auf diesen Wert festgelegt.
Als Ergebnis des Raytracing ergeben sich Pfade, die jeweils den Weg eines Wellenpakets
vom Aktor zum Sensor wiedergeben. Neben den zurückgelegten Wegen enthalten die Pfade
auch Daten zu den durchquerten Primitiven und der Zugehörigkeit jedes Pfadabschnitts zu
einem Wellenmode. Diese Informationen fließen in die sich anschließende Signalsynthese
ein (siehe Abschnitt 5.4).
5.3.4 Brechung in isotropen Materialien
Bei einem Schnittpunkt an einem anderen Primitiv als dem Sensor, entstehen neue Strahlen
in Abhängigkeit der auftretenden Moden und deren Phasengeschwindigkeiten. In isotropen
Materialien kann die Richtung der neu entstehenden Stahlen, genau wie in der Optik, direkt
mit dem bekannten Brechungsgesetz beschrieben werden.
sin ϕP
c1=sin ϕRi
c1i
=sin ϕTi
c2i
i=1, 2, ..., nM(5.1)
Ausgangspunkt ist dabei der Einfallswinkel
ϕP
und die Phasengeschwindigkeit
c1
der
einfallenden primären Welle im ersten Bereich. Entsprechend sind
ϕR
,
ϕT
und
c2
die Aus-
fallswinkel der reflektierten und transmittierten Strahlen sowie die Phasengeschwindigkeit
im zweiten Bereich. Im Gegensatz zur Optik kann hier neben Transmission und Reflexion
auch Modenkonversion auftreten. Dies hat zur Folge, dass für jeden der
nM
Moden ein
reflektiertes und ein transmittiertes Wellenpaket entstehen kann. Für den häufig genutz-
ten unteren Frequenzbereich in dem nur A
0
- und S
0
-Mode auftreten, bedeutet dies bis zu
56
5.3 Raytracing
vier neue Wellenfronten pro Interaktion, wie in Abb. 5.6) dargestellt ist. Die Indizes der
Phasengeschwindigkeit bezeichnen hierbei zuerst den Bereich und danach den Wellen-
mode. Austrittswinkel und mögliche Totalreflexion sind für jeden Strahl individuell zu
bestimmen. Nur bei Reflexion des gleichen Modes in isotropem Material sind Ein- und
Ausfallswinkel immer identisch. Bei Ausfallswinkeln von über 90
tritt Totalreflexion auf
und ein zugehöriges Wellenpaket wird nicht ausgebildet.
Bereich 1
Bereich 2
ϕP
ϕR1
ϕR2
ϕT1
ϕT2
Abbildung 5.6:
Brechung eines Strahls an einem Bereichsüber-
gang bei Auftreten von Modenkonversion
Für das Raytracing bedeutet die Brechung der Strahlen an Übergängen eine größere
Varianz im Pfadverlauf selbst bei einfachen Geometrien. Dies ist in Abb. 5.7 exemplarisch
für ein Modell aus zwei Bereichen mit unterschiedlichen Plattendicken dargestellt. Die
große Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den Moden verursacht eine starke Brechung bei
Modenkonversion (siehe auch Abb. 3.1 auf Seite 9). Auch für den A
0
-Mode ist aufgrund
seines dispersiven Verhaltens Brechung sichtbar. Durch den geringeren Unterschied in
der Phasengeschwindigkeit ist die resultierende Winkeländerung klein gegenüber der
Modenkonversion. Der S
0
-Mode ist im betrachteten Frequenzbereich nur schwach dispersiv,
wodurch keine sichtbare Brechung entsteht.
Sensor
Aktor
Bereich 1 Bereich 2
A0
S0
Abbildung 5.7:
Auswirkung von Brechung auf die gefundenen Pfade im Raytracing
Bei den bisherigen Betrachtungen wird von einer einzigen Frequenz ausgegangen, bei der
die Phasengeschwindigkeiten aus den Dispersionskurven und damit die Berechnungswin-
kel bestimmt werden. Eine transiente Anregung besitzt jedoch ein Frequenzspektrum, wie in
57
5 Minimalmodell zur Abbildung komplexer Geometrien
Abschnitt 3.4 auf Seite 10 erwähnt. Infolge des dispersiven Verhaltens geführter Wellen tritt
eine unterschiedliche Brechung der einzelnen Frequenzanteile auf. Dies ist vergleichbar mit
dem Auffächern von weißem Licht in einem Prisma [74]. Um dies im Raytracing sichtbar zu
machen, werden in den folgenden Abbildungen die am Aktor erzeugten Ausgangsstahlen
durch Strahlenbündel ersetzt. In den Bündeln wird jeder Frequenzschritt des Anregungs-
spektrums durch einen separaten Strahl repräsentiert. Den Strahlen ist in Abhängigkeit ihrer
Frequenz eine Farbe zugeordnet, wobei die Farbskala dem Farbspektrum des sichtbaren
Lichts ähnelt. Im Gegensatz zum Licht basiert die Darstellung des Raytracings auf subtrakti-
ver Farbmischung und eine Überlagerung der einzelnen Farbanteile resultiert in dunklen
statt hellen Flächen.
Auf einer isotropen Platte mit zwei unterschiedlich dicken Bereichen werden Strahlen-
bündel in 5
Abstand zu einander vom Aktor in der linken Hälfte ausgesandt. Für eine
isolierte Betrachtung der auftretenden Effekte ist die Interaktion auf Transmission inklusive
Brechung und Totalreflexion beschränkt. Das dispersive Verhalten des A
0
-Modes hat ein
Auffächern der Strahlen in Abb. 5.8a zur Folge, vergleichbar mit den erwähnten Dispersi-
onsprismen in der Optik. Bei größeren Einfallswinkeln ist zusätzlich Totalreflexion an der
Unstetigkeit zu beobachten. Für den S
0
-Mode tritt, wie zu erwarten, keiner dieser Effekte
auf.
x [m]
y [m]
0 0,4 0,8 1,2
0
0,2
0,4
0,8
1,0
1,2
(a)
A
0
-Mode
x [m]
y [m]
0 0,4 0,8 1,2
0
0,2
0,4
0,8
1,0
1,2
(b)
S
0
-Mode
50
100
150
200
f [kHz]
Abbildung 5.8:
Brechung beim Übergang in einen dickeren Plattenbereich un-
ter Berücksichtigung der Frequenzanteile im Anregungssignal
Für dispersive Moden und große Einfallswinkel sind deutliche Richtungsunterschiede
zwischen einzelnen Frequenzanteilen eines Strahlenbündels zu erkennen. Die scheinbar gra-
vierenden Auswirkungen dieses Effekts auf die Pfade werden durch zwei Faktoren abgemil-
dert. Die hohe Strahldichte, mit der der Algorithmus die Pfade zwischen Aktor und Sensor
sucht, sorgt durch Überlagerung für eine gleichmäßige Verteilung aller Frequenzanteile. Ein
anschaulicher Vergleich aus der Optik ist die Fotografie. Trotz der wellenlängenabhängigen
Brechung des Lichts in den Linsensystemen erscheinen die Bilder farbtreu. Nur in Berei-
chen mit hohem Kontrast ist zu erkennen, dass die Lichtstrahlen der einzelnen spektralen
Anteile nicht parallel zueinander sind. In Fotos äußert sich dies in Form der sogenannten
chromatischen Aberration. Der resultierende Farbfehler erzeugt beispielsweise rote und blaue
Ränder auf beiden Seiten von dunklen Objekten. Auch in der hier verwendeten Variante
des Raytracings lässt sich ein ähnlicher Effekt sichtbar machen, indem ein dichter Fächer an
Strahlen statt einzelner Strahlenbündel an der Unstetigkeit gebrochen wird. Der Großteil
der Fläche in Abb. 5.9a erscheint durch Überlagerung der Frequenzanteile schwarz. Die
58
5.3 Raytracing
spektrale Natur des Strahlenbündels wird erst nach der Brechung in Form roter und blauer
Farbränder sichtbar. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass an einem Punkt der Struktur trotz
frequenzabhängiger Brechung in den meisten Fällen alle Frequenzanteile zu erwarten sind.
Weiterhin spricht gegen eine Abbildung der einzelnen Frequenzen beim Raytracing
die Wichtung der Frequenzanteile im Anregungsspektrum. Abseits der Mittenfrequenz
f0
fallen die Amplituden zu höheren und niedrigeren Frequenzen hin deutlich ab, wie im
Amplitudenspektrum in Abb. 5.9c zu sehen ist (siehe auch Abschnitt 3.4). Wird dies in die
Darstellung des Raytracings mit einbezogen, bildet die Mittenfrequenz den Schwerpunkt
jedes Strahlenbündels und es ist nahezu kein Auffächern infolge von Brechung zu erkennen
(Abb. 5.9b).
x [m]
y [m]
0 0,4 0,8 1,2
0
0,2
0,4
0,8
1,0
1,2
(a)
chromatische Aberration
x [m]
y [m]
0 0,4 0,8 1,2
0
0,2
0,4
0,8
1,0
1,2
(b)
Amplitude skaliert mit Spektrum
50
100
150
200
f [kHz]
|A| [-]
10
(c)
Spektrum
Abbildung 5.9:
Brechung des A
0
-Modes beim Übergang in einen dickeren Plattenbereich
unter Berücksichtigung der Frequenzanteile im 100 kHz Anregungssignal
Zusätzlich zu den genannten Punkten ist zu bedenken, dass eine spektrale Abbildung den
Berechnungsaufwand um die Zahl der Frequenzschritte vervielfacht. Mit dem vergleichswei-
se schmalen Spektrum des Anregungssignals und der schwachen Streuung der Strahlen am
Übergang ist nur ein geringer Einfluss auf die Genauigkeit des Minimalmodells zu erwarten.
Daher wird, auch im Hinblick auf die Definition des Minimalmodells in Abschnitt 5.1, für
das Raytracing ein Wellenpaket mit einem einzelnen Strahl approximiert. Wie bereits bei
den Interaktionskennwerten, wird als zugehörige Frequenz eines Strahls die Mittenfrequenz
f0verwendet, bei der das Spektrum die maximale Amplitude besitzt.
5.3.5 Brechung in anisotropen Materialien
Eine allgemeingültige analytische Lösung für die Bestimmung des Brechungswinkels geführ-
ter Plattenwellen am Übergang zweier anisotroper Bereiche ist nicht bekannt. Es existieren
Lösungsvorschläge für einige Spezialfälle, wie der Ausbreitung von horizontalen Scher-
wellen in leicht anisotropen Materialien [120]. Auf Basis konvexer Langsamkeitskurven
für zwei aneinander grenzende anisotrope Halbräume findet sich ein grafischer Ansatz in
[121]. Auch für die Transmission akustischer Wellen durch eine Schicht aus inhomogenem
anisotropem Material existieren Lösungen [122].
Ein passender Ansatz für das verwendete Raytracing konnte in der Literatur nicht identi-
fiziert werden. Daher wird im Folgenden ein eigenes Verfahren vorgestellt. Auch in anisotro-
pem Material gilt weiterhin das Brechungsgesetz nach Gleichung (5.1). Allerdings sind die
Phasengeschwindigkeiten selbst vom Winkel
φ
der Ausbreitung abhängig. Über die Orien-
tierung der Unstetigkeit auf der Platte können Ausbreitungsrichtung und Brechungswinkel
59
5 Minimalmodell zur Abbildung komplexer Geometrien
ϕ
ineinander umgerechnet werden. Der Einfachheit halber wird hier angenommen, dass
der Ausfallswinkel mit dem Winkel der Ausbreitungsrichtung übereinstimmt, womit
φ
=
ϕ
gilt. Weiterhin wird auf eine Unterscheidung einzelner Interaktionsarten und Wellenmoden
verzichtet. Analog zur einfallenden (primären) Welle
P
ist der ausfallenden (sekundäre)
Welle der Index Szugeordnet.
sin ϕS=sin ϕP·cS(ϕS)
cP(ϕP)(5.2)
Die Phasengeschwindigkeit der ausfallenden Wellen
cS
in Abhängigkeit des Ausfalls-
winkels ist nicht über einen funktionalen Zusammenhang definiert. Stattdessen sind die
Phasengeschwindigkeiten, wie in Abschnitt 3.6 beschrieben, als numerischer Datensatz
hinterlegt, weswegen keine geschlossene Formel für
ϕS
angegeben werden kann. Als nume-
rische Lösung bietet sich eine Variation des gesuchten Winkels an. Mathematisch entspricht
dies einer Nullstellensuche, bei der ein Rest Bminimiert wird.
B(ϕS) = arcsin sin ϕP·cS(ϕS)
cP(ϕP)ϕSfür B(ϕS)0 (5.3)
Ein effizientes Verfahren für die Nullstellensuche bei numerischen Daten ist die Bisek-
tion. Dies setzt jedoch einen monotonen Funktionsverlauf von
B(ϕS)
voraus, der nur bei
Geschwindigkeitsverteilungen
cS(ϕS)
isotroper und quasi-isotroper Platten gegeben ist. Der
Wertebereich des Brechungswinkels beträgt 0
ϕ<
90
und entspricht dem Intervall
für die erste Iteration der Bisektion. Für
sin ϕP·cS(ϕS)/cP(ϕP)>
1 ergeben sich komplexe
Werte für
B(ϕS)
, die bei der Nullstellensuche ausgeschlossen werden können. Ist
B(ϕS)
an beiden Intervallgrenzen komplexwertig oder besitzt die gleichen Vorzeichen, findet
Totalreflexion statt. Für den Fall stärkerer Anisotropie sind Verläufe von
B(ϕS)
möglich, die
nicht monoton sind. Das Bisektionsverfahren lässt sich nicht mehr direkt einsetzen und es
können mehrere (reellwertige) Schnittpunkte existieren.
Als Beispiel für den Einfluss von Anisotropie auf das Bisektionsverfahren und damit
Brechung und Strahlenverlauf wird ein Übergang von einem isotropen in einen stark aniso-
tropen Plattenbereich analysiert. Abb. 5.10a zeigt die richtungsabhängigen Phasengeschwin-
digkeiten von Aluminium und einer unidirektionalen CFK-Platte. Für diese Beispielrech-
nung werden Platten aus beiden Materialien unter einem Winkel von 45
zusammengefügt,
wobei der Materialübergang eine Unstetigkeit darstellt. Am Aktor im isotropen Bereich
links unten werden Strahlen des S
0
-Modes im 5
-Schritten ausgesandt (Abb. 5.10b). Durch
die 45
Neigung der Unstetigkeit kommen für die einzelnen Strahlen sehr unterschiedliche
Bereiche der Geschwindigkeitsverteilung zum Tragen. Infolgedessen werden die einzelnen
Strahlen am Übergang sehr unterschiedlich gebrochen und es ist keine Symmetrie beim
Brechungsverhalten sichtbar.
Verläufe der Funktion
B(ϕS)
sind in Abb. 5.10c für zwei unterschiedliche Ausbreitungs-
winkel
φ
des einfallenden Strahls dargestellt. Bei den bisher betrachteten
CFK
-Platten tritt
innerhalb eines 90
-Intervalls nur eines der lokalen Maxima oder Minima der Geschwin-
digkeitsverteilungen auf. Dadurch kann die Funktion
B(ϕS)
bis zu zwei Nulldurchgänge
besitzen. Hiervon scheint nur der kleinere Winkel physikalisch sinnvoll. Ein Effekt ähnlich
der Doppelbrechung in der Optik kann ausgeschlossen werden [74]. Hierfür müssten sich
Wellenpakete aus unterschiedlich polarisierten Anteilen zusammensetzen, was in Festkör-
pern bei transversalen Volumenwellen vorkommt. Die Doppelbrechung solcher Wellen wird
beispielsweise in der Seismologie zur Anisotropiebewertung von Gesteinen genutzt [123].
Bei Plattenwellen entsprechen die unterschiedlichen Polarisationsrichtungen den einzelnen
Wellenmoden, die sich bereits getrennt voneinander ausbreiten. Aus diesem Grund ist eine
60
5.3 Raytracing
weitere Aufteilung der Wellenpakete an Bereichsübergängen ausgeschlossen. Auf weiter-
führende Analysen der zusätzlichen Nullstellen wurde verzichtet, da diese nur bei starker
Anisotropie auftreten und sich diese Arbeit auf quasi-isotrope Laminate beschränkt (siehe
3.
Arbeitshypothese
). Infolge des beschriebenen Verlaufs der Geschwindigkeitsverteilungen
ändert sich die Monotonie von
B(ϕS)
innerhalb eines 90
-Intervalls nur maximal zwei
mal. Mithilfe einer groben Unterteilung des Intervalls lässt sich die Position der Nullstelle
eingrenzen. Anschließend kann das Bisektionsverfahren auf den relevanten Intervallbereich
mit monotonem Verlauf angewendet werden.
Aluminium
UD-CFK
6
90°
270°
0
12
cp[km/s]
(a)
Phasengeschwindigkeit
0 1
0
1
x [m]
y [m]
φ
Aluminium
UD-CFK
(b)
Raytracing
90
-30
30
60
90
6030
φ=110
-600
φ=10
Re(B) []
ϕS[]
reell
komplex
(c)
Realteil von
B(ϕS)
Abbildung 5.10:
Brechung des S
0
-Modes beim Übergang
von einer Aluminium- in eine CFK-Platte
5.3.6 Parameter des Raytracings
Im Folgenden wird anhand eines einfachen Beispiels auf einzelne Parameter eingegangen,
die Einfluss auf die Effizienz und Genauigkeit des Raytracings haben. In Abb. 5.11a ist
das Modell einer Platte mit zwei Versteifungselementen dargestellt. Platte, Versteifungen
und Sensor sind als rechteckige Primitive modelliert. Der Aktor dient nur als Quelle der
Strahlen, interagiert jedoch nicht mit diesen und ist daher auch kein Primitiv. Die isotropen
Materialien innerhalb der Primitive sind in dieser Darstellung durch unterschiedliche
Grautöne hervorgehoben. Beim Raytracing sind die einzigen für die Wellenausbreitung
relevanten Materialkennwerte die Phasengeschwindigkeiten in Abhängigkeit von Frequenz,
Material, Wellenmode und Ausbreitungsrichtung. In diesem Berechnungsschritt spielen die
Phasengeschwindigkeiten jedoch nur bei der Brechung an Bereichsübergängen eine Rolle
und sind für die Ausbreitung innerhalb der Flächen nicht relevant. Hierfür genügen beim
Raytracing die geometrischen Informationen der Struktur.
Anzahl der am Aktor erzeugten Strahlen
Wie bereits in Abschnitt 5.3.3 erwähnt, ist
eine hohe Strahldichte erforderlich, um größere Flächen abzudecken. Aus diesem Grund
erscheinen die Strahlen in Abb. 5.11b nicht als Linien sondern als rote Farbflächen. Die
Anzahl der benötigten Strahlen, um alle Pfade zum Sensor zu finden, lässt sich nur schwer
vorhersagen. In den meisten Fällen ist am Aktor eine Abstrahlung über 360
erforderlich.
Nur wenn in einer Richtung weder Sensoren liegen noch Reflexionen zu erwarten sind,
kann dort auf Strahlen verzichtet werden. Entscheidender für die Effizienz des Raytracings
61
5 Minimalmodell zur Abbildung komplexer Geometrien
Aktor
Sensor
x [m]
y [m]
0 0,4 0,8 1,2
0
0,2
0,4
0,8
1,0
1,2
(a)
Modell
x [m]
y [m]
0 0,4 0,8 1,2
0
0,2
0,4
0,8
1,0
1,2
(b)
Raytracing und gefundene Pfade
Abbildung 5.11:
Raytracing in einer Platte mit zwei Versteifungen
ist allerdings der Winkelschritt zwischen den am Aktor ausgesandten Strahlen. In einer
ungestörten Fläche kann anhand des Abstands zwischen Aktor und Sensor
l
und der
kleinsten Sensorabmessung
b
bestimmt werden, wie groß der Winkelschritt
φA
maximal
sein darf.
φA<arctan b
l
φ
l
b
Sensor
Aktor
Ist die Differenz zwischen zwei Strahlen größer als
φA
besteht die Möglichkeit, dass
kein Strahl Kontakt zum Sensor bekommt. Soll ein Signal an einer beliebigen Koordinate
auf der Struktur bestimmt werden, ohne dass dort ein physischer Sensor vorhanden ist,
muss im Raytracing-Modell dennoch ein Sensor als Ziel modelliert sein. In diesem Fall
kann die Abmessung des Sensors frei gewählt werden und es lässt sich theoretisch durch
die Wahl einer größeren Sensorabmessung die Zahl der erforderlichen Strahlen reduzieren.
Da die Größe des Sensors im Gegensatz zur Strahlanzahl keinen Einfluss auf den Berech-
nungsaufwand hat, erscheint dies zunächst als eine einfache Methode zur Steigerung der
Effizienz. Allerdings muss bei einer Erhöhung von
b
gleichzeitig mit einer Verringerung der
Genauigkeit gerechnet werden. Die Kontaktpunkte der Strahlen am Sensor liegen immer
an dessen Rand. Eine Vergrößerung der Sensorabmessungen hat damit eine Streuung der
Punkte zur Folge, deren Überlagerung das Gesamtsignal bildet.
Im Gegensatz zum dargestellten Zusammenhang ist die Länge lnicht nur vom Abstand
zwischen Aktor und Sensor abhängig, sondern wird durch Reflexion und Brechung der
Strahlen von der gesamten Geometrie und der Anzahl der Interaktionen in der Struktur
bestimmt. Zusätzlich sorgen Brechungseffekte dafür, dass sich die Winkeldifferenz benach-
barter Strahlen nach einer Interaktion ändern kann. Diese beiden Faktoren machen eine
genaue Festlegung des Winkelschritts a priori nahezu unmöglich. Letztlich ist zu erwarten,
dass die Länge
l
ungefähr der Länge des längsten Pfades entspricht, der sich im Raytracing
ergibt. In den bisher untersuchten Geometrien hat sich ein Wert für
φA
von 0,05
bis 0,1
als wirksam erwiesen, um alle Pfade zwischen Aktor und Sensorposition zu finden. Ein
fortgeschrittliches Raytracing-Verfahren, das dieses Problem löst, ist das wavefront-oriented
ray tracing [124]. Indem statt einer festen Anzahl an Startstrahlen ein minimaler Abstand
benachbarter Strahlen definiert wird, lassen sich geschlossene Wellenfronten im Zeitbereich
abbilden. Ziel ist hierbei häufig die Analyse des Erdinneren im Rahmen der Reflexionss-
62
5.3 Raytracing
eismik. Zu Beginn einer solchen Berechnung sind nahe der Quelle nur wenige Strahlen
erforderlich. Weitere Strahlen werden während der Ausbreitung nur bei Unterschreitung des
festgelegten Abstands hinzugefügt. Dieser Ansatz eignet sich insbesondere für inhomogene
Medien mit wenigen Reflektoren. Bei einer größeren Anzahl an Reflektoren stellt allerdings
die Kontrolle des Strahlabstands eine Herausforderung dar.
Einsatz der Interaktionskennwerte im Raytracing
An Bereichsgrenzen können Strahlen
reflektieren oder transmittieren. Dennoch sind die Interaktionskennwerte der Übergänge
für das Raytracing nicht zwingend erforderlich, da sie auf die Wellenpfade keine Auswir-
kung haben. Mit der Einbeziehung der Kennwerte lässt sich allerdings die Gesamtzahl der
Strahlen und damit der Berechnungsaufwand reduzieren. Im Allgemeinen reduziert sich
die Amplitude eines Wellenpakets durch jede Interaktion, wodurch Wellenpakete nach einer
gewissen Anzahl an Interaktionen gegenüber anderen Signalanteilen irrelevant sind. Damit
brauchen beim Raytracing nur Strahlen erzeugt zu werden, die nach einer Interaktion einen
definierten Grenzwert überschreiten. In praktischen Anwendungen ist der limitierende
Faktor für die eindeutige Identifikation einer Information in einem Signal häufig das Si-
gnal-Rausch-Verhältnis. Durch den analytischen Charakter des Minimalmodells existiert
kein Grundrauschen, das als Grenzwert dienen könnte. Allerdings lässt sich anhand der
Verbindungslinie zwischen Aktor und Sensor eine zu erwartende Amplitude an der Sensor-
position abschätzen. Dieser direkte Pfad weist neben der kürzesten Strecke in den meisten
Fällen auch die geringste Anzahl an Interaktionen auf. Auf Basis dieses zu erwartenden
stärksten Signalanteils kann ein unterer Grenzwert definiert werden. Zusätzlich zur Ver-
ringerung der Strahlanzahl ermöglicht das Einbeziehen der Interaktionskennwerte in das
Raytracing eine Visualisierung der Amplitudenänderung über die einzelnen Bereiche der
Platte. In Abb. 5.11b wird beispielsweise die Amplitudenreduktion infolge der Transmission
in angrenzende Plattensegmente sichtbar.
Interaktionsschritte, Strahlanzahl und Effizienz des Verfahrens
Als Resultat des Ray-
tracings ergeben sich Pfade zwischen Aktor und Sensor, die die Wege der Wellenpakete
innerhalb die Struktur wiedergeben. Durch die Beschränkung auf den S
0
-Mode ist die
Anzahl der gefundenen Pfade in Abb. 5.11b verhältnismäßig gering. Außerdem findet keine
sichtbare Brechung an den Übergängen statt, da die Phasengeschwindigkeit des S0-Modes
in weiten Bereichen konstant ist (siehe Abb. 3.1 auf Seite 9). Ein weiterer Grund für die über-
schaubare Anzahl an Pfaden ist die Beschränkung auf vier Interaktionsschritte in diesem
Beispiel. Beim Raytracing durchläuft ein Strahl innerhalb eines Berechnungsdurchgangs
eine begrenzte Zahl an Interaktionen, inklusive Sensorkontakt, bevor er endet. Die Anzahl
dieser Schritte ist von zentraler Bedeutung für die Effizienz des Algorithmus, da bei jeder
Interaktion potentiell für jeden Mode zwei neue Strahlen entstehen, deren Schnittpunkte
im folgenden Schritt berechnet werden müssen. Die maximale Anzahl an Strahlen
nR
im
aktuellen Interaktionsschritt
s
ist abhängig von der Anzahl der Moden
nM
und der Anzahl
der Winkelschritte nφ=360/φAder am Aktor ausgesandten Strahlen.
nRs=nφ·(2·nM)s1(5.4)
Die benötigte Berechnungszeit und der Speicherbedarf des Raytracings sind proportional
zur Anzahl der Strahlen, die sich in Summe über alle Interaktionsschritte ergibt. Folglich
steigt der Simulationsaufwand linear mit den Winkelschritten, jedoch exponentiell mit
den Interaktionsschritten. Damit ist insbesondere die Zahl der maximal zu berechnenden
Interaktionsschritte mit Sorgfalt zu wählen. Die benötigte Anzahl für eine Simulation ist
abhängig von der untersuchten Struktur und den Positionen von Aktor und Sensor. Ähnlich
63
5 Minimalmodell zur Abbildung komplexer Geometrien
dem oben beschriebenen Vorgehen zur Abschätzung einer zu erwartenden Signalstärke, lässt
sich auch die Anzahl der benötigten Interaktionsschritte anhand der direkten Verbindung
zwischen Aktor und Sensor näherungsweise quantifizieren. Für diese Verbindung muss
zusätzlich zur Anzahl der auf dem Weg liegenden Unstetigkeiten ein weiterer Schritt für
die Interaktion mit dem Sensor berechnet werden. Alle darüber hinausgehenden Schritte
ermöglichen alternative Pfade mit Reflexionen in der Struktur. In den bisher untersuchten
Geometrien hat sich die Zahl der Unstetigkeiten auf der direkten Verbindung plus drei als
ausreichende Schrittanzahl erwiesen. Darüber hinausgehende Schritte liefern nur einen
minimalen Beitrag zum Signal. Für eine Simulation der Platte in Abb. 5.11b sind damit fünf
Interaktionsschritte empfehlenswert.
5.4 Signalsynthese
In der Signalsynthese werden ebene Wellen überlagert, um Wellenpakete abzubilden. Das
Signal an einem Punkt in der Geometrie ergibt sich wiederum aus der Überlagerung der
einzelnen Wellenpakete, deren Ausbreitungspfade in der Struktur das Ergebnis des vorher-
gehenden Raytracings sind. Die Superposition harmonischer Wellen zu einem Gesamtsignal
erfordert lineares Systemverhalten. Wie bereits in Abschnitt 5.2 erwähnt, sind bei allgemei-
ner Anisotropie die einzelnen Auslenkungskomponenten gekoppelt und ein analytischer
Ansatz zur Berechnung der Wellenausbreitung im Zeitbereich unbekannt. Eine separate
Berechnung der Signalanteile für die einzelnen Schwingungskomponenten ist unter Verwen-
dung ebener Wellen näherungsweise möglich. Hierfür müssen innerhalb der Signalsynthese
einige Parameter für die interessierende Auslenkungsrichtung bekannt sein. Dazu gehören
die Interaktionskennwerte der Unstetigkeiten, die Amplitudenverteilung am Aktor und
gegebenenfalls Dämpfungskennwerte des Materials.
Aufgrund des verwendeten Auswerteverfahrens beschreiben die Interaktionskennwerte
ausschließlich die Amplitudenänderung an den Unstetigkeiten, enthalten jedoch keine
Phaseninformation. Nicht jede Interaktion hat Einfluss auf die Phase der Welle (siehe
Abschnitt 4.4). Dennoch muss beim Vergleich mit Ergebnissen aus anderen Quellen im
Allgemeinen mit einer Phasendiskrepanz gerechnet werden. Prinzipiell ist es möglich Pha-
senänderungen an Unstetigkeiten mit in die Signalsynthese zu integrieren. Dafür müssten
jedoch die Interaktionskennwerte inklusive der Phaseninformationen mit alternativen -
vorzugsweise analytischen - Verfahren gewonnen werden.
Für eine effiziente Berechnung von Zeitsignalen in den betrachteten Strukturen bietet sich
die Lösung der Bewegungsgleichung für ebene Wellen an [85]. Wellenpakete ergeben sich
durch die Überlagerung harmonischer ebener Wellen unterschiedlicher Frequenzen [125].
Mit Gleichung (5.5) können ebene Wellen in einer ungestörten Platte beschrieben werden.
Das Signal
g(t)
eines Wellenpaketes nach einer zurückgelegten Strecke
q
ergibt sich aus der
Überlagerung von nFrequenzschritten fk.
g(t) =
n
k=1
A(fk)·exp i2πfkq
cp(fk)t (5.5)
Die frequenzabhängige Amplitude
A(f)
wird vom Spektrum des Anregungssignals be-
stimmt. Die Phasengeschwindigkeit
cp
ist nicht nur von der Frequenz sondern auch von
Wellenmode, Ausbreitungsrichtung und Material abhängig, was hier allerdings für eine
bessere Lesbarkeit nicht in der Gleichung aufgeführt ist. Gleichung (5.5) gilt jedoch nur
innerhalb eines ungestörten Plattenbereichs. Für eine Abbildung der Wellenausbreitung
über Bereichsgrenzen hinaus ist eine Erweiterung um Randbedingungen und den Ein-
fluss der Interaktionskennwerte nötig. Unter Annahme einer Gleichheit der Signale an der
64
5.4 Signalsynthese
Bereichsgrenze lässt sich eine Randbedingung h(f)definieren.
h(f) =
m
s=1 qs
cs
p(f)qs
cs+1
p(f)!(5.6)
Über die Randbedingungen fließen geometrischen Informationen zum Weg der Wellen
durch die Struktur in die Signalsynthese ein. Hierbei handelt es sich um die Pfade zwischen
Aktor und Sensor aus dem Raytracing. In Abb. 5.12 ist dargestellt, wie ein solcher Pfad durch
Unstetigkeiten in Segmente unterteilt ist. In dieser Darstellung ist der Pfad begradigt. Die
m
Unstetigkeiten liegen an den Positionen
qs
auf dem Pfad des Wellenpakets. Die Indizes 0
und
m+
1 bezeichnen Anfang und Ende des Pfads und damit gleichzeitig den Rand von
Aktor bzw. Sensor. Jedem Pfadsegment ist ein Primitiv und darüber auch materialspezifische
Dispersionesigenschaften zugeordnet. Die Phasengeschwindigkeiten
cs
p
and
cs+1
p
gehören
zu den Primitiven in denen die einfallende bzw. ausfallende Welle verläuft.
Aktor Sensor
q
q0qs
ss 1s+1
0m+1m
cs
pcs+1
p
Abbildung 5.12:
Aufteilung eines Pfads in Segmente durch Unstetigkeiten
Zusätzlich zu den Randbedingungen wird die Amplitude des Anregungsspektrums um
den Interaktionskennwert
Is
der jeweiligen Unstetigkeit
s
modifiziert. Damit ergibt sich eine
Lösung für die Ausbreitung ebener Wellen in einer abschnittsweise homogenen Platte.
g(t) =
m
s=1
Is·
n
k=1
A(fk)exp i2πfk qm+1
cm+1
p(fk)t+h(fk)!! (5.7)
Gleichung (5.7) ist für die Berechnung des Zeitsignals am Rand des Sensors bei der
Position
qm+1
notiert, da dies der üblichen Zielstellung des Minimalmodells entspricht.
Die Gleichung ist jedoch auch dazu geeignet das zum Strahl gehörende Wellenpaket an
beliebigen Punkten entlang des Pfades vom Aktor zum Sensor zu berechnen. Je nach Postion
sind die zurückgelegte Strecke
q
und die Anzahl
m
der Unstetigkeiten auf dieser Strecke
anzupassen. Der Realteil von Gleichung (5.7) entspricht dem Zeitsignal eines Wellenpaketes
an einem Punkt. Die Überlagerung aller Wellenpakete von allen Pfaden ergibt letztlich das
komplette Zeitsignal.
Alternativ zum Raytracing können Pfade auch manuell festgelegt werden. Dies eignet
sich insbesondere zur Abbildung einfacher Ausbreitungsstrecken und beschleunigt den
Gesamtberechnungsprozess deutlich, da das Raytracing im Allgemeinen aufwändiger ist
als die Signalsynthese. Dieses Vorgehen wird im Folgenden genutzt, um eine Vielzahl von
Zeitsignalen entlang einer Strecke zu berechnen. Das hieraus resultierende B-Bild der Wel-
lenausbreitung wird zur Visualisierung der Arbeitsweise des Signalsynthese-Algorithmus
verwendet. Die Ausbreitung von A
0
- und S
0
-Mode in einer störungsfreien Platte beginnend
beim Anregungspunkt am linken Bildrand ist in Abb. 5.13a zu sehen. Beim Plattenmaterial
handelt es sich um 1 mm dickes Aluminium, dass am linken Rand mit einem Burst-Signal
nach Gleichung (3.2) mit 100 kHz und drei Pulsen angeregt wird. Da keine Unstetigkeit im
Modell ist, genügt für dieses Beispiel bereits Gleichung (5.5). Wie zu erwarten, zeigt der
antisymmetrische Mode deutlich dispersives Verhalten, was sich über die Laufzeit in einem
65
5 Minimalmodell zur Abbildung komplexer Geometrien
Auseinanderlaufen des Wellenpakets bei gleichzeitiger Amplitudenreduktion äußert. Der
symmetrische Mode verändert sich dagegen nicht, da Phasen- und Gruppengeschwindigkeit
nahezu identisch sind.
Für den zweiten Bereich in Abb. 5.13b werden die Eigenschaften der rechte Hälfte des
Modells verändert. In diesem Bereich sind gegenüber der linken Hälfte die Phasenge-
schwindigkeiten beider Wellenmoden um 40% reduziert. Infolge des Übergangs entstehen
transmittierte, reflektierte und konvertierte Wellen. Hieraus wird ersichtlich, wieso in einer
Struktur bereits wenige Inhomogenitäten zu einem äußerst komplexen Wellenfeld führen
können. Die geringere Phasengeschwindigkeit des A
0
-Modes im zweiten Bereich äußert sich
durch eine veränderte Steigung der Wellengruppe. An der Unstetigkeit wird die Energie der
primären Welle auf die sekundären Wellen aufgeteilt, was in entsprechend reduzierten Am-
plituden resultiert. Die Signalsynthese liefert damit Ergebnisse, die vergleichbar mit denen
anderer Methoden sind. Ein detaillierter Vergleich mit numerischen und experimentellen
Ergebnissen folgt im nächsten Kapitel.
0
200
300
t [µs]
0 100 200 400
x [mm]
100
300
(a)
ungestörte Ausbreitung
0
200
300
t [µs]
0 100 200 400
x [mm]
100
300
(b)
Interaktion
-1
0
1
A [-]
Abbildung 5.13:
B-Bilder der Wellenausbreitung auf Basis der Signalsynthese
Das Ergebnis des Raytracing-Beispiels aus Abb. 5.11 sind fünf Pfade zwischen Aktor
und Sensor. Mit der Signalsynthese ergibt sich für dieses Beispiel an der Sensorposition
das Signal in Abb. 5.14a. Dieses ist vergleichbar mit Informationen, die mit Sensoren in
einem SHM-Netzwerk, numerischen Methoden oder anderen Zeitbereichs-Verfahren an
einem Punkt in der Struktur gewonnen werden können. Es handelt sich um einen reinen
Amplitudenverlauf über der Zeit. In diesem Beispiel lassen sich scheinbar drei Wellenpakete
erkennen. Ohne weiterführende Informationen ist jedoch eine Zuordnung zu einem Mode
oder dem Ursprung der Wellenpakete nicht möglich. Die Signalsynthese erzeugt jedoch,
neben dem überlagerten Gesamtsignal, auch einzelne Signale für jedes Wellenpaket. Da-
mit wird in Abb. 5.14b ersichtlich, dass es sich um fünf Wellenpakete handelt. Neben den
Amplituden sind mit dem Pfad zusätzliche Daten zu jedem Wellenpaket hinterlegt, die die
zurückgelegte Strecke in der Struktur und den Wellenmode jedes Pfadsegments enthalten.
Die einzelnen Wellenpakete sind farblich den Pfaden in Abb. 5.14c zugeordnet. Die Pfade
drei und fünf haben identische Wellenpakete zur Folge, was durch die geometrische Ähn-
lichkeit der Pfade in Kombination mit dem linearen Systemverhalten verursacht wird. Dass
die Reihenfolge der Strecken nicht identisch ist, hat keinen Einfluss auf das Signal, was
66
5.4 Signalsynthese
bereits im 3. Axiom in Abschnitt 5.2 definiert ist. Häufig ist im Sensorsignal nur ein begrenz-
ter Zeitbereich von Interesse. Daher ist es sinnvoll, die Berechnung von Signalanteilen zu
vermeiden, die außerhalb dieses Bereichs liegen. Hierfür wird die Gruppengeschwindigkeit
verwendet, mit der sich näherungsweise die Laufzeit der Wellenpakete vorhersagen lässt
(siehe Abschnitt 3.7).
0 250
t [µs]
A [-]
0,6
0,3
0
-0,3
-0,6
(a)
überlagerte Wellenpakete
0 250
t [µs]
A [-]
1
2
3
4
5
0,6
0,3
0
-0,3
-0,6
(b)
einzelne Wellenpakete
x [m]
y [m]
0 0,4 0,8 1,2
0
0,2
0,4
0,8
1,0
1,2
(c)
Pfade
Abbildung 5.14:
Zeitsignale an der Sensorposition
In die Signalsynthese können zusätzliche Effekte einbezogen werden, die sich auf die
Amplitude der Wellenpakete auswirken. Im folgenden sind drei solcher Effekte aufgeführt,
die von der Geometrie, dem Material und dem Aktor verursacht werden. Diese werden
im Folgenden als
p1
,
p2
und
p3
bezeichnet. Diese Einflüsse variieren innerhalb des Anre-
gungsspektrums nicht über der Frequenz. Zur Modifikation von Gleichung (5.7) genügt
daher eine Multiplikation von
g(t)
mit den benötigten Faktoren, um einzelne Einflüsse auf
die Amplitude abzubilden. Vergleichbare Effekte, wie beispielsweise Energieverluste durch
absorbierende Umgebungsmedien, können auf ähnliche Weise implementiert werden. Das
Minimalmodell ist durch solche Modifikationsmöglichkeiten flexibel an unterschiedliche
Anforderungen anpassbar.
p1=1
q(5.8)
p2=
m+1
s=1
exp(δs(φ)(qsqs1)) (5.9)
p3=D(φ,Mode)(5.10)
Der Faktor
p1
beschreibt mit der geometrischen Streuung der Wellenenergie über der Flä-
che einen Schwächungseffekt, der insbesondere im Nahbereich des Aktors großen Einfluss
67
5 Minimalmodell zur Abbildung komplexer Geometrien
auf die Amplitude hat. Die Amplitudenabnahme ist dabei abhängig von der zurückgelegten
Strecke
q
ab dem Punkt der Anregung. Da dies eine rein geometrische Abhängigkeit be-
schreibt, ist nur die Gesamtstrecke vom Aktor bis zur Sensorposition relevant. Ein weiterer
Schwächungseffekt ist die Materialdämpfung
p2
. Mit dem Dämpfungsfaktor
δ
lässt sich
die Amplitudenänderung zwischen zwei Punkten anhand des logarithmischen Dekrements
beschreiben (siehe auch Gleichung (4.7) in Abschnitt 4.2.5). Diese ist im Gegensatz zu
p1
für
einzelne Strukturbereiche separat zu definieren. Entsprechend sind Informationen bezüglich
der vom Wellenpaket durchquerten Plattenbereiche auf Basis des Pfads erforderlich. In
Abb. 5.12 ist ersichtlich, dass die Anzahl der Pfadsegmente um eins größer ist als die Anzahl
der Unstetigkeiten
m
. Die Positionen
q0
und
qm+1
entsprechen der Aktor- bzw. der Sensor-
position. Im Fall von anisotropen Materialien muss
p2
zusätzlich als richtungsabhängig
angenommen werden. Die Dämpfung von Lamb-Wellen in
CFK
variiert über der Frequenz
nur geringfügig. Erst ab dem hoch dispersiven Bereich des S
0
-Modes tritt eine verstärkte
Dämpfung auf [21]. Dieser Bereich wird allerdings bei
SHM
-Verfahren im Allgemeinen
vermieden. Ähnlich der Definition der Interaktionskennwerte in Abschnitt 4.1 wird daher
angenommen, dass im schmalen Frequenzband der Anregung ein Dämpfungsfaktor für
die Mittenfrequenz
f0
näherungsweise genügt. Der dritte Faktor
p3
beschreibt den Einfluss
des Aktors auf das Wellenfeld. Aktoren besitzen immer modenselektive Eigenschaften und
können unter bestimmten Umständen richtungsabhängig abstrahlen (siehe Abschnitt 5.2).
Dies kann mithilfe eines einfachen Faktors
D
mit den entsprechenden Abhängigkeiten in
das Modell eingebracht werden.
Um die Materialdämpfung in den Plattenbereichen sowie die Modenselektivität und
Richtcharakteristik der Aktoren im Minimalmodell mit einzubeziehen, müssen die entspre-
chenden Kennwerte bekannt sein. Dämpfungsfaktoren sind in den meisten Fällen - wie
auch in dieser Arbeit - das Resultat experimenteller Untersuchungen (siehe Abschnitt 6.3.3).
Dagegen lässt sich der Großteil der vom Aktor verursachten Einflüsse auf die Amplitude
analytisch beschreiben [17]. Eine entsprechende Erweiterung des Minimalmodells ist da-
her prinzipiell möglich, vorläufig wird im Bedarfsfall jedoch auch hier auf experimentell
bestimmte Kennwerte zurückgegriffen (siehe Kapitel 6).
Die mit der Signalsynthese bestimmten Zusatzinformationen der Zeitsignale ermöglichen,
im Vergleich zu herkömmlichen Simulationsverfahren, alternative Einsatzmöglichkeiten des
Minimalmodells. Eine Anwendungsoption für das Minimalmodell ist die Unterstützung
der Analyse gemessener Signale. Durch einen Vergleich von berechneten und experimentel-
len Signalen können Signalbestandteile zuverlässig einzelnen Wellenpaketen und Moden
zugeordnet werden. Da zusätzlich die zurückgelegten Wege der Wellenpakete bekannt sind,
ist im begrenzten Umfang auch eine Lokalisierung von Defekten möglich. Verändert sich
ein Wellenpaket, ist eine Strukturveränderung auf dem zugehörigen Pfad zu erwarten.
68
6 Verifikation des Modellierungsansatzes
In diesem Kapitel erfolgt auf Basis experimenteller und numerischer Daten ein Abgleich der
in dieser Arbeit behandelten Ansätze und Annahmen zur Modellierung von Wellenausbrei-
tungsvorgängen. Im Zuge dessen soll die prinzipielle Eignung des entwickelten Minimal-
modells zur Abbildung geführter Wellen überprüft und dessen Genauigkeit abgeschätzt
werden. Im ersten Abschnitt werden zunächst die Randbedingungen der numerischen
Simulationen und der Messungen geklärt. Es folgt eine Verifikation des in Abschnitt 3.7
vorgestellten Ansatzes zur Berechnung der Gruppengeschwindigkeit anhand flächiger
Messungen auf unterschiedlichen
CFK
-Platten. Hierbei wird gleichzeitig der Einfluss der
Anisotropie auf die Wellenausbreitung untersucht und auf die
3. Arbeitshypothese
einge-
gangen. Kernthema der Arbeit ist jedoch, wie in Kapitel 2 diskutiert, die Vereinfachung
von Inhomogenitäten (siehe Kapitel 4) und das darauf aufbauende Minimalmodell (siehe
Kapitel 5). Für den Abgleich dieses Ansatzes werden mit dem Minimalmodell berechnete
Signale mit numerischen und experimentellen Ergebnissen verglichen. Die entsprechenden
drei Abschnitte unterscheiden sich in der Komplexität der analysierten Strukturen, was eine
Beurteilung einzelner Aspekte der Modellreduktion erlaubt.
6.1 Ziele und Parameter der Versuche
Das Minimalmodell liefert Zeitsignale an ausgewählten Punkten in der Struktur. Entspre-
chend ist es sinnvoll, als Referenz auf etablierte Verfahren zurückzugreifen, die ebenfalls
Ergebnisse im Zeitbereich liefern. In diesem Kapitel wird daher auf transiente numerische
FE-Berechnungen und Messungen mit einem Laservibrometer zurückgegriffen. Als Abgren-
zung zur numerischen Simulation werden die Ergebnisse des Minimalmodells im Folgenden
als analytisch bezeichnet, obwohl eine solche Einordnung nicht unproblematisch ist, wie
bereits im letzten Absatz von Abschnitt 3.8.2 diskutiert.
Anregung
Die Anregung erfolgt bei allen drei Verfahren mit identischen Burst-Signalen
anhand Gleichung (3.2) auf Seite 11 mit drei Pulsen bei einer Mittenfrequenz von 100kHz.
Bei dieser Frequenz wird für die transiente FE-Simulation eine Zeitschrittweite von 0,2
µ
s
und eine Simulationszeit von 300
µ
s gewählt, womit sich 1500 Berechnungsschritte ergeben.
Die maximale Elementlänge der Hexaeder ist auf 2 mm festgelegt. Weitere Simulationspara-
meter und der prinzipielle Modellaufbau sind in Abschnitt 4.2 beschrieben.
Im FE-Modell und den experimentellen Untersuchungen werden zur Anregung runde
Piezokeramiken genutzt. Diese besitzen einen Durchmesser von 10mm bei einer Dicke
von 0,2 mm und bestehen aus dem Material PIC255 dessen Materialkennwerte für die FE-
Simulation in Tabelle A.2 aufgeführt sind. Im Minimalmodell werden Aktoren nicht direkt
nachgebildet, sondern nur die Amplitude der Moden bei der Anregung anhand experimen-
teller Daten in ein korrektes Verhältnis gesetzt. Hierdurch wird der Einfluss der Wandler
auf die Amplitude der angeregten Wellenpakete bei einer bestimmten Anregungsfrequenz
abgebildet (siehe Gleichung (5.10) in Abschnitt 5.4).
Material und Aufbau der Platten
Die
Forschungsthese
dieser Arbeit bezieht sich auf die
Vereinfachung von Unstetigkeiten der Struktur zum Zweck der Modellreduktion. Ein bedeu-
tender Aspekt dieses Kapitels ist daher der Abgleich des entwickelten Simulationsansatzes
69
6 Verifikation des Modellierungsansatzes
an Geometrien mit Unstetigkeiten. Dem voraus geht jedoch eine Analyse von Ausbreitungs-
vorgängen auf Platten ohne Unstetigkeiten. Anhand von Wellenfeldern auf quasi-isotropen
und stark anisotropen Laminaten wird der Ansatz zur Berechnung der Gruppengeschwin-
digkeit validiert und gleichzeitig die
3. Arbeitshypothese
überprüft. Der anschließende
Abgleich des Minimalmodells erfolgt in drei Schritten mit jeweils unterschiedlichen Platten.
Auch hier wird mit einer störungsfreien Platte begonnen, jedoch Aluminium als Platten-
material genutzt, um die prinzipielle Eignung des Minimalmodells zur Wiedergabe von
Lamb-Wellen zu prüfen. Als zweiter Schritt folgt ein Vergleich von Ergebnissen auf einer
Aluminiumplatte mit einem eingefrästen inhomogenen Bereich. Hierbei sind insbesondere
zwei Aspekte mit Bezug zur Interaktion mit Unstetigkeiten von Interesse; die Abbildung der
sekundären Wellenpakete mit der Signalsynthese und die Amplitudenanpassung auf Basis
der Interaktionskennwerte. Im letzten Schritt wird die Komplexität der Berechnung durch
die Verwendung einer quasi-isotropen
CFK
-Platte erhöht, die eine Dickenänderung als
Unstetigkeit besitzt. Die Kennwerte aller eingesetzten Materialien und der Laminataufbau
der verwendeten
CFK
-Platten finden sich in Anhang A. Um Effekte unabhängig und im
Detail untersuchen zu können, sind die einzelnen Geometrien möglichst einfach aufgebaut.
Plattengeometrien und Versuchsparameter, die spezifisch für die Geometrien sind, werden
im zugehörigen Abschnitt beschrieben.
Experimentelle Datenerfassung
Die Messung mit dem Laservibrometer erfolgt auf der
Unterseite der Platten, da die Aktoren und deren Verkabelung auf der Oberseite die Da-
tenerfassung stören. Für eine gute Signalqualität ist es erforderlich die zu vermessende
Oberfläche mit einer Retroreflexfolie zu beschichten. Vermessen wird jeweils die gesamte
Platte, wobei die Messpunkte auf einem quadratischen 2 mm-Raster liegen. Dies resultiert
in 128 331 Messpunkten für jede Platte. Mit einer Abtastfrequenz von 3,4 MHz und 3000
Zeitschritten ergeben sich Signale mit einer Länge von etwa 882
µ
s. In der Standardkonfi-
guration befindet sich das Laservibrometer senkrecht über der Plattenmitte und es wird
die out-of-plane-Komponente der Verformung gemessen. Durch eine Messung desselben
Wellenfeldes aus drei unterschiedlichen Richtungen lassen sich näherungsweise alle drei
Auslenkungskomponenten berechnen. Detaillierte Ausführungen zur flächigen Messung
mit dem Laservibrometer und den Versuchsparametern finden sich in [19].
Datengenerierung
Zur Verifikation des Berechnungsansatzes für die Gruppengeschwin-
digkeit werden Wellenfronten bestimmt, die die flächige Ausbreitung der Wellen bei punkt-
förmiger Anregung wiedergeben. Diese Wellenfronten werden mit gemessenen Wellen-
feldern von fünf störungsfreien
CFK
-Platten verglichen. Der jeweilige Zeitpunkt dieser
Momentaufnahmen ist dabei so gewählt, dass sich die auftretenden Wellen möglichst weit
ausbreiten können ohne mit den Plattenrändern zu interagieren.
Für den Abgleich der Zeitsignale des Minimalmodells werden insgesamt drei Platten-
konfigurationen genutzt, die sich in Material und Unstetigkeiten unterscheiden. Auf zwei
Aluminiumplatten werden für eine Beurteilung kontinuierlicher Wellenausbreitungsvor-
gänge Signale entlang einer definierten Strecke erzeugt. Damit ergeben sich B-Bilder auf
Basis experimenteller, numerischer und analytischer Daten. Im Minimalmodell erfolgt die
Berechnung der Zeitsignale mit der Signalsynthese, die Zeitsignale auf Basis ebener Wellen
approximiert (siehe Abschnitt 5.4). Bei der Berechnung von Signalen entlang einer geraden
Strecke kann auf den Einsatz des Raytracings verzichtet werden, was den Berechnungsvor-
gang beschleunigt. Auf der
CFK
-Platte werden dagegen Signale an verteilten Punkten auf
der Platte verglichen und das komplette Minimalmodell ist erforderlich. Wie bereits in Ab-
schnitt 4.2.4 geschrieben, erfolgt keine FE-Simulation der Wellenausbreitung in Laminaten.
Daher beschränkt sich der Vergleich bei der
CFK
-Platte auf analytische und experimentelle
70
6.1 Ziele und Parameter der Versuche
Ergebnisse.
Datenaufbereitung
Bei den Mess- und FEM-Ergebnissen werden unerwünschte Störun-
gen im Signal, wie beispielsweise Rauschen, mit einem inversen Tschebyscheff-Filter re-
duziert. Dessen Grenzfrequenzen liegen bei der doppelten und halben Mittenfrequenz
der Anregung. Eine Konsequenz solcher Filterprozesse ist eine frequenzabhängige Pha-
senverschiebung, die einen Abgleich mit anderen Signalen erschwert. Diese lässt sich bei
einem Zeitsignal vermeiden, indem es zwei mal mit halber Ordnung gefiltert wird, wobei
das Signal für einen der Filtervorgänge in seiner Reihenfolge umgekehrt wird. Bei den
Ergebnissen der Signalsynthese entfallen solche Nachbearbeitungsschritte, da das Spektrum
des Anregungssignals direkt entsprechend der Grenzfrequenzen beschnitten ist (siehe Ab-
schnitt 3.4). Bei allen drei Verfahren gibt es einen individuellen Versatz zwischen Signal-
und Anregungsbeginn. Die Ergebnisse von Messung und
FEM
sind entsprechend auf der
Zeitachse verschoben und an die des Minimalmodells angepasst.
Bemerkung zum analytischen und numerischen Berechnungsaufwand
Um einen
Eindruck zum Berechnungsaufwand des entwickelten Simulationsansatzes im Vergleich
zur
FEM
zu erhalten, werden in den entsprechenden Abschnitten die Dauer der einzelnen
Berechnungen und der Speicherbedarf aufgeführt. Solche Zahlen sind aus unterschiedlichen
Gründen nur bedingt als Vergleichsinstrument geeignet. Insbesondere Berechnungszeiten
variieren deutlich mit der eingesetzten Hardware. Obwohl dies prinzipiell für beide Ver-
fahren gilt, bedeutet dies nicht zwangsweise, dass die Verfahren in gleicher Weise mit der
Hardware skalieren. Beispielsweise sind die Lösungsverfahren der
FEM
in vielen Fällen
auf eine Nutzung mehrerer Prozessoren ausgelegt. Bei der dem Minimalmodell zugrunde
liegenden Software Matlab in der Version R2016b ist dies nur bei ausgewählten Subroutinen
gegeben und erfordert andernfalls speziell angepasste Algorithmen zur Parallelisierung. Bei
der
FEM
ist die Berechnungsdauer zusätzlich vom Lösungsverfahren, dem verwendeten
Softwarepaket und der Softwareversion abhängig. Bei einer transienten Simulation steigt
die Berechnungsdauer zusätzlich linear mit der Zahl der Zeitschritte. Ein stabilerer Indi-
kator für die Komplexität einer FE-Berechnung ist dagegen die Anzahl der Freiheitsgrade
des Modells, die direkt proportional zum Speicherbedarf der Simulation ist. Auch für das
Minimalmodell können Berechnungszeit und Speicherbedarf als Kriterien für den Aufwand
der Berechnung herangezogen werden. Einfluss hat hierbei unter anderem die zugrunde
liegende Software Matlab. Gleichzeitig wird die Geschwindigkeit maßgeblich durch die
Programmstruktur bestimmt, die bisher nur in einem geringen Maß optimiert ist. Zusätzlich
ist zu beachten, dass die Schritte innerhalb des Pre-Processing einen zusätzlichen Aufwand
darstellen, der sich nur schwer beziffern lässt (siehe Abschnitt 5.1). Diese vorangestellten
Schritte sind allerdings nur erforderlich, falls die Eigenschaften der zu untersuchenden
Struktur oder einzelner Komponenten nicht bereits in einer Datenbank hinterlegt sind.
71
6 Verifikation des Modellierungsansatzes
6.2 Gruppengeschwindigkeit in anisotropen Laminaten
In Abschnitt 3.7 wird ein Ansatz zur Berechnung der richtungsabhängigen Gruppenge-
schwindigkeit in beliebigen Laminaten vorgestellt. Die damit bestimmbaren Wellenfronten
sollten die Wellenausbreitung in homogenen Platten wiedergeben können. Zur Validierung
dieses Ansatzes werden im Folgenden die berechneten Wellenfronten mit experimentell
erfassten Wellenfeldern auf den störungsfreien
CFK
-Platten CFK01, CFK02, CFK03, CFK04
und CFK10 verglichen. Darauf aufbauend erfolgt anschließend eine Beurteilung des Ein-
flusses der Anisotropie auf die Wellenausbreitung, indem die Richtungen von Phasen- und
Gruppengeschwindigkeit gegenübergestellt werden. Hierbei wird zusätzlich zu den fünf
Platten die rechte Hälfte der Platte CFK06 analysiert, da diese in Abschnitt 6.3.3 genutzt
wird. Die einzelnen Platten weisen dabei unterschiedlich starke Anisotropie auf, wobei
drei der sechs in Tabelle 6.1 gelisteten Laminate quasi-isotrop aufgebaut sind. Im Zuge
dessen kann auf die in der
3. Arbeitshypothese
angenommene Begrenzung eingegangen
werden, die für das Minimalmodell quasi-isotrope Materialien einbezieht bzw. allgemeine
Anisotropie ausschließt.
Bezeichnung Laminataufbau Bemerkung
CFK01 [-4504590]squasi-isotrop
CFK02 [ 090090]s
CFK03 [ 0-60060]s
CFK04 [ 0300-30]s
CFK06 (rechts) [-4504590]2squasi-isotrop
CFK10 [-4590450450-4590]squasi-isotrop
Tabelle 6.1:
CFK-Platten mit quasi-isotropem und stärker anisotropem Laminataufbau
6.2.1 Wellenfronten
Für den Abgleich des Ansatzes zur Berechnung der Gruppengeschwindigkeit werden Wel-
lenfronten, wie in Abschnitt 3.7 beschrieben, berechnet und über experimentell erfasste
Momentaufnahmen der Wellenausbreitung gelegt. Die Laservibrometer-Messung erfolgt
senkrecht zur Plattenoberfläche, womit die erfassten Amplituden die out-of-plane-Auslen-
kung wiedergeben. Um die Koordinaten der Wellenfront zu erhalten, wird die berechnete
Gruppengeschwindigkeit mit der Laufzeit der Welle multipliziert. Da in den Versuchen die
Anregung des Aktors und der Messbeginn um etwa 10
µ
s zueinander zeitverzögert sind, ist
die Laufzeit nicht identisch mit dem angegebenen Zeitpunkt der jeweiligen Momentaufnah-
me des Wellenfeldes. Für die Validierung sind die Laufzeiten der analytisch bestimmten
Wellenfronten entsprechend reduziert.
Anhand der Abb. 6.1 bis 6.5 lässt sich feststellen, dass die berechneten Wellenfronten sehr
gut zu den gemessenen Wellenfeldern passen. Geringe Abweichungen sind speziell für den
A
0
-Mode zu erkennen, insbesondere bei der Platte CFK03 in Abb. 6.2. Hierbei handelt es
sich allerdings um scheinbare Abweichungen, da sich in den gemessenen Wellenfeldern
die Wellenfront der Gruppengeschwindigkeit nicht direkt optisch abzeichnet. Die sicht-
baren Linien in den Wellenfeldern entsprechen Halbschwingungen gleicher Phase. Deren
Verläufe folgen also der Phasengeschwindigkeit, während die berechneten Wellenfronten
auf der Gruppengeschwindigkeit basieren. Der Unterschied in den Verläufen von Phase
und Gruppe ist gut an der äußeren Grenze des A
0
-Modes bei den Platten CFK01, CFK03
und CFK04 erkennbar. Bei diesen wird der Rand des kurzwelligen Bereichs nicht durch
eine Front gleicher Phase begrenzt. Im Gegensatz dazu erscheint beim S
0
-Mode die vorde-
re Wellenfront in den meisten Fällen als geschlossen. Unter Beachtung des Unterschieds
72
6.2 Gruppengeschwindigkeit in anisotropen Laminaten
zwischen Gruppe und Phase ist zu erkennen, dass die berechneten Wellenfronten einen
gleichmäßigen Abstand zum Rand der jeweiligen Wellengruppe besitzen und somit der
Gruppengeschwindigkeit folgen.
Bemerkenswert ist die Sichtbarkeit des
SH
-Modes bei Platten mit stark gerichteten Eigen-
schaften, wie CFK02 und CFK04. Von isotropen Materialien ist bekannt, dass horizontale
Scherwellen keine out-of-plane-Auslenkung besitzen. Dieser Wellentyp ist daher im Normal-
fall mit Ultraschall oder den üblicherweise verwendeten Laservibrometern, die senkrecht
zur Plattenoberfläche messen, nicht erfassbar. In anisotropen Laminaten sind die Lösungen
der Bewegungsgleichung für Lamb-Wellen und horizontalen Scherwellen gekoppelt und al-
le Moden können Schwingungskomponenten in allen drei Raumrichtungen aufweisen [126].
Relevant ist dieser theoretische Zusammenhang jedoch offensichtlich erst bei Laminaten mit
ausgeprägter Anisotropie. In den
CFK
-Platten mit quasi-isotropem Laminataufbau CFK01
und CFK10 sind die Verläufe der Wellenfronten nahezu kreisförmig und SH-Wellen mit
der Messung per Laservibrometer nicht zu erkennen. Somit scheint die häufig getroffene
Vereinfachung horizontale Scherwellen bei
SHM
-Verfahren zu vernachlässigen, nicht nur
bei isotropen sondern auch bei quasi-isotropen Platten zulässig zu sein.
6.2.2 Richtungsdifferenz zwischen Phasen- und Gruppengeschwindigkeit
In der Signalsynthese wird das Zeitsignal an einem Punkt aus der Überlagerung ebener
Wellen bestimmt, deren Ausbreitungsrichtung der Phasengeschwindigkeit folgt (siehe Ab-
schnitt 5.4). Zusätzlich wird in der
3. Arbeitshypothese
angenommen, dass mit dem Mini-
malmodell auch eine Abbildung quasi-isotroper Platten möglich ist. Allerdings sind, wie in
Abschnitt 3.7 diskutiert, die Richtung der Phasen- und der Gruppengeschwindigkeit nur
0 100 200 300 400 500 600 700 800
x [mm]
0
100
200
300
400
500
y [mm]
-1 01Messung
A0
SH0
S0
analytisch
analytisch
analytisch
Abbildung 6.1:
Gemessenes Wellenfeld auf der quasi-isotropen Platte CFK01 nach
55
µ
s bei Anregung in der Plattenmitte mit einer Frequenz von
f
=100 kHz überlagert mit analytisch bestimmten Wellenfronten
73
6 Verifikation des Modellierungsansatzes
-1 01Messung
A0
SH0
S0
analytisch
analytisch
analytisch
0 100 200 300 400 500 600 700 800
x [mm]
0
100
200
300
400
500
y [mm]
Abbildung 6.2:
Gemessenes Wellenfeld auf der stark anisotropen Platte CFK02 nach
50
µ
s bei Anregung in der Plattenmitte mit einer Frequenz von
f
=100 kHz überlagert mit analytisch bestimmten Wellenfronten
-1 01Messung
A0
SH0
S0
analytisch
analytisch
analytisch
0 100 200 300 400 500 600 700 800
x [mm]
0
100
200
300
400
500
y [mm]
Abbildung 6.3:
Gemessenes Wellenfeld auf der stark anisotropen Platte CFK03 nach
60
µ
s bei Anregung in der Plattenmitte mit einer Frequenz von
f
=100 kHz überlagert mit analytisch bestimmten Wellenfronten
74
6.2 Gruppengeschwindigkeit in anisotropen Laminaten
0 100 200 300 400 500 600 700 800
x [mm]
0
100
200
300
400
500
y [mm]
-1 01Messung
A0
SH0
S0
analytisch
analytisch
analytisch
Abbildung 6.4:
Gemessenes Wellenfeld auf der stark anisotropen Platte CFK04 nach
60
µ
s bei Anregung in der Plattenmitte mit einer Frequenz von
f
=100 kHz überlagert mit analytisch bestimmten Wellenfronten
-1 01Messung
A0
SH0
S0
analytisch
analytisch
analytisch
0 100 200 300 400 500 600 700 800
x [mm]
0
100
200
300
400
500
y [mm]
Abbildung 6.5:
Gemessenes Wellenfeld auf der quasi-isotropen Platte CFK10 nach
55
µ
s bei Anregung in der Plattenmitte mit einer Frequenz von
f
=100 kHz überlagert mit analytisch bestimmten Wellenfronten
75
6 Verifikation des Modellierungsansatzes
in Materialien mit isotropen Eigenschaften identisch. Quasi-isotrope Platten verhalten sich
jedoch ausschließlich makroskopisch und bei einachsiger Belastung richtungsunabhängig.
Mit Bezug auf die Ausbreitung von Lamb-Wellen können sie dagegen als schwach anisotrop
beschrieben werden. Um den Einfluss der Anisotropie auf die Richtung der Gruppenge-
schwindigkeit zu analysieren, wird im Folgenden die Winkeldifferenz
φ
zwischen den
Richtungen von Phasen- und Gruppengeschwindigkeit verwendet.
φ=φ(cg)φ(cp)(6.1)
Eine Quantifizierung für die einzelnen Platten und Moden erfolgt anhand der Standard-
abweichung
φ
über die
n
Winkelschritte in die der Vollkreis aufgeteilt ist. Infolge der
drehsymmetrischen Materialeingenschaften in der Plattenebene ist der Mittelwert von
φ
Null und die Standardabweichung ist identisch mit dem quadratischen Mittel.
φ=s1
n
n
i=1
φ2
i(6.2)
Für den Vergleich werden sechs
CFK
-Platten mit unterschiedlichen Laminataufbauten
herangezogen. Zu den bereits erwähnten fünf Platten mit den Nummern 01, 02, 03, 04
und 10, kommt noch die Platte CFK06 hinzu, die aus zwei gleichgroßen Plattenbereichen
mit unterschiedlichen Dicken besteht. In den folgenden Abbildungen bezieht sich die
Bezeichnung 06 auf die rechte Hälfte der Platte, da die linke Hälfte identisch zur Platte
CFK01 ist (siehe Tabelle A.3 auf Seite 106). CFK01, CFK06 und CFK10 sind quasi-isotrop
aufgebaut, während die verbleibenden Laminate stärker gerichtete Eigenschaften besitzen.
In Abb. 6.6 bis 6.8 sind neben der Winkeldifferenz
φ
, mit den zugehörigen Werten
für die Abweichung
φ
in der Legende, auch die Kurven der Gruppengeschwindigkeit
dargestellt. Dabei wird ersichtlich, dass ein hoher Wert für
φ
mit einer stark gerichteten
Wellenausbreitung korreliert. Der dargestellte Winkelbereich für
φ
ist auf 180
begrenzt,
da sich die Kurvenverläufe infolge der symmetrischen Platteneigenschaften wiederholen.
Vergleicht man die einzelnen Moden miteinander, zeigt der A
0
-Mode die geringsten Un-
terschiede zwischen den einzelnen Platten. Eine Ursache dafür ist die Abhängigkeit des A
0
-
Modes von der Schubsteifigkeit, infolge seiner primär transversalen Schwingungskompo-
nenten [19]. Die Schubsteifigkeit wird wiederum stark von den Kennwerten der Polymerma-
trix beeinflusst, die isotrope Eigenschaften aufweist [7]. Die Schwingungskomponenten des
S
0
- und SH
0
-Modes liegen hingegen hauptsächlich in der Plattenebene, wodurch die starke
Richtwirkung der Fasern zum Tragen kommt. Die auf makroskopischer Ebene angestrebte
Isotropie bei den quasi-isotropen Laminaten führt zumindest bei diesen beiden Moden nähe-
rungsweise zu einer Richtungsunabhängigkeit. Bei niedrigen Frequenzen ähneln die Moden
noch Dehn- oder Biegewellen und man kann ihnen bevorzugte Schwingungsrichtungen
zuordnen (siehe Abschnitt 3.2). Mit steigender Frequenz wird die Auslenkungsverteilung
über den Plattenquerschnitt und auf die einzelnen Raumrichtungen immer komplexer
[18]. Damit ist zu erwarten, dass die geführten Wellen mit steigender Frequenz auch in
quasi-isotropen Laminaten nicht mehr der makroskopischen Isotropie folgen. Die Verläufe
der Standardabweichung über der Frequenz in Abb. 6.9 bestätigen diese Vermutung für
den SH
0
- und den S
0
-Mode. Allerdings sind die Abweichungen im Vergleich zu den stark
anisotropen Platten weiterhin sehr gering innerhalb des betrachteten Frequenzbereichs.
6.2.3 Diskussion der Ergebnisse
Anhand der Ergebnisse wird ersichtlich, dass sich die Richtung von Phasen- und Grup-
pengeschwindigkeit in quasi-isotropen Platten nur geringfügig voneinander unterscheidet.
76
6.2 Gruppengeschwindigkeit in anisotropen Laminaten
φ[°]
90
45
0
-45
-90
φ(cp)[°]
045 90 135 180
(a)
Winkeldifferenz
01, φ=11
10, φ=5
06, φ=5
04, φ=22
03, φ=14
02, φ=9
0
1
2
90°
cg[km/s]
(b)
Gruppengeschwindigkeit
Abbildung 6.6:
Differenz, Abweichung und Gruppenge-
schwindigkeit des A
0
-Modes bei
f
=100 kHz
φ[°]
90
45
0
-45
-90
φ(cp)[°]
045 90 135 180
(a)
Winkeldifferenz
01, φ=0
10, φ=0
06, φ=0
04, φ=24
03, φ=13
02, φ=53
0
4
8
90°
cg[km/s]
(b)
Gruppengeschwindigkeit
Abbildung 6.7:
Differenz, Abweichung und Gruppenge-
schwindigkeit des SH
0
-Modes bei
f
=100 kHz
φ[°]
90
45
0
-45
-90
φ(cp)[°]
045 90 135 180
(a)
Winkeldifferenz
01, φ=0
10, φ=0
06, φ=0
04, φ=33
03, φ=12
02, φ=22
0
5
10
90°
cg[km/s]
(b)
Gruppengeschwindigkeit
Abbildung 6.8:
Differenz, Abweichung und Gruppenge-
schwindigkeit des S
0
-Modes bei
f
=100 kHz
77
6 Verifikation des Modellierungsansatzes
0 100 200 300 400 500
f [kHz]
0
10
20
30
40
50
60
φ[°]
01
02
03
04
06
10
(a)
A
0
f [kHz]
0 100 200 300 400 500
0
10
20
30
40
50
60
φ[°]
(b)
SH
0
0 100 200 300 400 500
f [kHz]
0
10
20
30
40
50
60
φ[°]
(c)
S
0
Abbildung 6.9:
Standardabweichung in Abhängigkeit der Frequenz
Diese erste Erkenntnis ist für das Minimalmodell von großer Bedeutung, da dort keine
Unterscheidung zwischen den beiden Richtungen stattfindet. Die stärkste Abweichung
weist hierbei noch der A
0
-Mode auf. Welchen Einfluss dies auf das Minimalmodell hat,
lässt sich jedoch nicht eindeutig feststellen, da keine Methode bekannt ist, mit der sich
einzelne Ausbreitungsrichtungen anhand experimenteller Daten bestimmen lassen. Die
zweite wichtige Erkenntnis ist, dass der SH
0
-Mode in quasi-isotropen Laminaten keine
Auslenkungskomponenten aufweist, die - nach aktuellem Stand - für
SHM
-Systeme rele-
vant sind und damit eine Vernachlässigung des Modes im Minimalmodell zulässig ist. Im
Gegensatz dazu zeigen die gewonnenen Ergebnisse auch, dass die Effekte, die in Materialien
mit ausgeprägter Richtcharakteristik auftreten, mit dem gewählten Ansatz für das Mini-
malmodell nicht abbildbar sind. Damit können die in der
3. Arbeitshypothese
getroffenen
Einschränkungen bezüglich des Materials als gerechtfertigt angesehen werden.
6.3 Abgleich des Minimalmodells
In den nächsten drei Abschnitten werden Ergebnisse des Minimalmodells direkt mit nu-
merischen und experimentellen Daten verglichen. Die in der Luftfahrt eingesetzten Struk-
turmaterialien besitzen isotrope oder quasi-isotrope Eigenschaften, weswegen das im Rah-
men dieser Arbeit entwickelte Minimalmodell bisher auf solche Materialien beschränkt
ist. Entsprechend werden für die Validierung des Minimalmodells im Folgenden isotrope
Aluminiumplatten und eine CFK-Platte mit quasi-isotropem Laminataufbau verwendet.
6.3.1 Aluminiumplatte ohne Unstetigkeit
Zunächst wird eine Platte aus der Aluminiumlegierung AlMg3 mit einer Dicke von 4mm
als repräsentatives Beispiel für die Wellenausbreitung in isotropem Material verwendet.
Ohne zusätzliche Unstetigkeiten können sich die Wellenmoden ungestört ausbreiten bis
sie auf den Rand treffen. B-Bilder werden mit jedem der drei Verfahren für eine 500 mm
lange Strecke zwischen Aktor und Plattenrand erzeugt. Die Abmessungen der Platte, die
Koordinaten des Aktors und die Position des B-Bildes sind in Abb. 6.10 dargestellt.
Die Messung mit dem Laservibrometer erfolgt nacheinander aus drei Richtungen. Damit
lassen sich die einzelnen Auslenkungskomponenten im dreidimensionalen Raum berechnen.
Für die Auswertung wird die Verschiebungsrichtung
u1
gewählt, die in der Plattenebene
parallel zur
x
-Achse liegt, da damit sowohl S
0
- als auch A
0
-Mode sichtbar sind. Für die FE-
Simulation muss aufgrund der symmetrischen Geometrie nur ein Viertel der Platte model-
liert werden, womit sich der Berechnungsaufwand stark reduziert. An den Schnittkanten
werden dazu Symmetrierandbedingungen festgelegt. Das FE-Modell besitzt 554 749 Knoten
78
6.3 Abgleich des Minimalmodells
x [mm]
Aktor
(500, 400)
y [mm]
d=4 mm
0 1000
800
0
Abbildung 6.10:
Geometrie der Aluminiumplatte ohne Unstetigkeit
und benötigt 18 GB Speicher. Unter Verwendung von acht Prozessoren ergeben sich etwa
sechs Stunden als reine Berechnungszeit ohne Pre- und Post-Processing. Die Berechnung des
B-Bildes mit der Signalsynthese benötigt dagegen 12 Sekunden bei einem Speicherbedarf
von 1,5 GB.
Die B-Bilder in Abb. 6.11 zeigen ein sehr ähnliches Verhalten der Wellenpakete bezüg-
lich der zeitlichen und räumlichen Änderung bei der Ausbreitung über der Platte. Klar
zu erkennende Effekte sind die Reflexion der Moden am rechten Plattenrand sowie das
dispersive Verhalten des A
0
-Modes. Dies bestätigt die prinzipielle Eignung des gewählten
Ansatzes zur Synthese von Zeitsignalen auf Basis ebener Wellen. In dieser Darstellungsform
sichtbare Abweichungen der analytischen Ergebnisse haben ihren Ursprung größtenteils in
der bewusst reduzierten Geometrieabbildung. Da die Ausbreitung entlang einer geraden
Strecke isoliert betrachtet werden soll, ist im analytischen Modell nur der rechte Plattenrand
mit einbezogen. In Abb. 6.11b und 6.11c treten zusätzliche Wellenfronten auf, die eine Folge
der Reflexion des S0-Modes an den übrigen Plattenrändern sind.
0
200
500 1000
x [mm]
t [µs]
(a)
analytisch
0
200
500 1000
x [mm]
t [µs]
(b)
numerisch
0
200
500 1000
x [mm]
t [µs]
(c)
gemessen
-1
0
1
A [-]
Abbildung 6.11:
B-Bilder der Wellenausbreitung in der
Aluminiumplatte ohne Unstetigkeit
Für einen detailliertere Analyse der Ergebnisse werden Zeitsignale bei
x
=750 mm in
Abb. 6.12 verglichen. Diese Position wird gewählt, da dort die Interferenz zwischen den
79
6 Verifikation des Modellierungsansatzes
Wellenfronten gering ist. Grundsätzlich unterscheiden sich die Signalamplituden der einzel-
nen Verfahren sehr deutlich voneinander, weswegen die Ergebnisse normiert sind. Durch
eine zusätzliche Einhüllende heben sich individuelle Wellenpakete in den Signalen hervor.
Insgesamt ist eine sehr gute Übereinstimmung bezüglich Position und Phasenlage der ersten
drei Wellenpakete zu beobachten. Die Ähnlichkeit der Wellenpakete des reflektierten S
0
-
Modes deutet auf eine gute Wegstabilität des Algorithmus hin. Die Reflexion am Plattenrand
ist vollständig und die auftretende Amplitudenreduktion einzig eine Folge der geometri-
schen Streuung. Die abweichenden Signalanteile ab etwa 200
µ
s werden durch die bereits
erwähnten Reflexionen an den Plattenrändern bei
y
=0 und
y
=800 mm verursacht, die im
analytischen Modell nicht enthalten sind. Die Unterschiede zwischen numerischen und
experimentellen Daten sind hierbei eine Folge leicht unterschiedlicher Position des Aktors.
Dieser befindet sich im FE-Modell ideal mittig auf der Platte. Damit kann an der Position des
B-Bildes eine konstruktive Überlagerung auftreten, die zu einer vergleichsweise hohen Am-
plituden führt. Durch einen geringen Versatz der Aktors in
y
-Richtung auf der experimentell
analysierten Platte kann diese konstruktive Überlagerung dort nicht stattfinden.
Bei den ersten drei Wellengruppen betreffen Unterschiede zwischen den einzelnen Metho-
den hauptsächlich die Breite der Wellenpakete. Speziell in den Messdaten sind diese erhöht,
was auf ein Nachschwingen der Piezokeramik zurückzuführen ist. Bei der FE-Simulation
wird ein Nachschwingen der Keramik nicht explizit mechanisch verhindert, aber durch eine
Begrenzung der elektrischen Freiheitsgrade stark reduziert. Eine weitere Ursache für breitere
Wellenpakete kann auch die Geometrie der Wandler sein. Piezokeramiken übertragen ihre
Verformung über Schubspannungen in die Platte, die an den Kanten der Keramik konzen-
triert sind [127]. Betrachtet man einen Aktor im Querschnitt, ergeben sich damit praktisch
zwei dicht beieinander liegende Quellen. Übliche Wandler sind nur wenige Millimeter breit
und die beiden Wellenpakete überlagern sich zu einem einzigen. Nur bei größeren Aktoren,
höheren Frequenzen und kurzen Anregungssignalen sind getrennte Wellengruppen zu
erwarten. Da es sich beim Ursprung eines Strahls im Minimalmodell um eine Punktquelle
handelt, bildet die Signalsynthese dagegen nur eine Kante des Aktors ab. In [128] findet
sich ein Vergleich von Aktoren, die zum einen als Punktquelle und zum anderen flächig
modelliert werden. Hierbei sind die Wellenpakete bei Anregung über eine Punktquelle ge-
ringfügig kürzer. In [77] und [17] wird unter anderem der Einfluss der Segmentanzahl von
Interdigitalwandlern auf ihre modenselektiven Eigenschaften untersucht. Hierbei führen
mehr Segmente zu einem insgesamt größeren Wandler und es können längere Wellenpakete
beobachtet werden. Die mit einem Durchmesser von 10mm sehr geringen Abmessungen
des Aktors und die vergleichbare Breite von numerisch und analytisch berechneten Wel-
lenpaketen legen allerdings nahe, dass der Einfluss der Wandlergeometrie auf die Breite
vernachlässigbar ist.
Die Fähigkeit der Signalsynthese ein Wellenpaket in Form und Amplitude auch nach
größeren zurückgelegten Strecken korrekt vorherzusagen, also dessen Wegstabilität, kann
anhand des Amplitudenverlaufs über dem Weg abgeschätzt werden. Hierzu ist in Abb. 6.13
das Maximum der Einhüllenden jedes Zeitsignals über der
x
-Achse aufgetragen. Die Daten-
sätze der einzelnen Verfahren sind analog zum Signal in Abb. 6.12 normiert. Am Anfang
und Ende der Kurven sowie bei etwa 850 mm sind starke Schwankungen sichtbar, da hier
einzelne Wellenpakete interferieren. In den Messdaten ist zusätzlich ein geringes Rauschen
zu erkennen. In allen Kurven zeichnet sich deutlich die Amplitudenreduktion durch Streu-
ung ab. Da der A
0
-Mode die höhere Amplitude aufweist, dominiert dieser den Verlauf der
Kurven. Das dispersive Verhalten dieses Wellenmodes führt zu einer zusätzlichen Reduktion
der maximalen Amplitude des Wellenpakets über die Ausbreitungsstrecke, ohne dass ein
Energieverlust stattfindet. Obwohl weitere Verlusteffekte, wie etwa Abstrahlung in Luft
und Materialdämpfung sowohl im analytischen als auch dem numerischen Modell nicht
berücksichtigt werden, ähneln sich die Verläufe stark.
80
6.3 Abgleich des Minimalmodells
1
0
-1
A [-]
0 50 100 150 200
t [µs]
numerisch
gemessen
analytisch
S0
A0
S0(Reflexion)
Abbildung 6.12:
Zeitsignale bei
x
=750 mm, normiert
numerisch
500 600 700 800 900 1000
0
2
3
4
gemessen
x [mm]
analytisch
A [-]
1
Abbildung 6.13:
Maximale Amplitude der Einhüllenden der Zeitsignale ent-
lang der
x
-Achse, normiert zur Amplitude bei
x
=750 mm
6.3.2 Aluminiumplatte mit Ausfräsung
Für den Abgleich der Wellenausbreitung auf einer isotropen Platte mit Inhomogenität wird
4 mm starkes Aluminium innerhalb eines rechteckigen Bereichs in der Dicke reduziert. Eine
Ausfräsung wird als Alternative zu einer Aufdickung verwendet, da damit die Fertigung
einer gleichmäßigen Klebschicht und deren Modellierung vermieden werden kann. Wie
bereits bei der Platte ohne Unstetigkeit im vorherigen Abschnitt, werden erneut mit den
drei Verfahren Signale entlang einer geradlinigen Strecke aufgezeichnet bzw. berechnet.
Damit lässt sich der Ausbreitungsvorgang durch die Platte inklusive eines typischen In-
teraktionsvorgangs analysieren. Plattenabmessungen sowie die Positionen von Aktor und
B-Bild finden sich in Abb. 6.14. Die untersuchte 600 mm lange Strecke beginnt am Rand
des Aktors und verläuft orthogonal zum Rand der Unstetigkeit. Die Ausfräsung sorgt für
zwei Unstetigkeiten auf dieser Strecke. Die Längen der resultierenden drei Abschnitte des B-
Bildes sind in der Abbildung aufgeführt.
Im Bereich der Ausfräsung soll - laut Fertigungsvorgabe - die Materialdicke auf die Hälfte
reduziert sein. Allerdings weicht in Messungen die Gruppengeschwindigkeit des A
0
-Modes
von Dispersionskurven einer 2 mm Aluminiumplatte ab, was auf eine niedrigere Restdicke
hinweist. Da der S
0
-Mode unbeeinflusst ist, können als Ursache für diese Abweichung
veränderte elastische Materialeigenschaften infolge der mechanischen Bearbeitung aus-
geschlossen werden. Mithilfe einer Ultraschall-Dickenmessung entlang der Strecke des B-
Bildes ergibt sich eine durchschnittliche Restdicke von 1,64 mm (siehe Abb. 6.15). Diese passt
81
6 Verifikation des Modellierungsansatzes
1200500 700
1000
x [mm]
y [mm]
d=4 mm
d=2 mm
50
950
Aktor
(358, 500)
137 200 263
00
Abbildung 6.14:
Geometrie der Aluminiumplatte mit ausgefräster Fläche
zu den gemessenen Geschwindigkeiten und wird für die analytischen und numerischen
Modelle verwendet.
500 550 600 650 700
0
1
2
3
4
d [mm]
x [mm]
Fertigungsvorgabe
homogenisierte Dicke
Ultraschall-Messung
Abbildung 6.15:
Plattendicke bei
y
=500 mm im Bereich der Ausfräsung
Gegenüber der Platte ohne Unstetigkeit, wird in diesem Abschnitt die out-of-plane-Ver-
schiebung
u3
ausgewertet. In Folge dessen ist mit einer höheren Amplitudendifferenz
zwischen A
0
- und S
0
-Mode zu rechnen. Für die Erfassung der
u3
-Komponente mit dem La-
servibrometer genügt ein Messvorgang senkrecht zur Plattenoberfläche ohne nachträgliche
Transformation der Verschiebungsrichtungen. Die Geometrie weist nur eine Symmetrieachse
auf, die zur Reduktion des FE-Modells verwendet werden kann. Zusätzlich besitzt die Platte
größere Abmessungen, wodurch sich insgesamt die Größe des Modells mit 1,57 Millionen
Knoten in etwa verdreifacht. Im gleichen Maß steigt auch der Speicherbedarf auf 55GB
und die Berechnungsdauer auf 19 Stunden. Der Aufwand für die analytische Berechnung
des B-Bildes mit der Signalsynthese steigt auf 55 Sekunden, durch die größere Anzahl an
Wellenfronten infolge der beiden Unstetigkeiten. Dem gegenüber bleibt der Speicherbedarf
82
6.3 Abgleich des Minimalmodells
in etwa gleich, da die Zahl der Zeitschritte identisch und die Länge des B-Bildes nahezu
unverändert ist.
Die B-Bilder in Abb. 6.16 ähneln sich erneut stark. Bei genauer Betrachtung sind geringe
Unterschiede in der Länge der Wellenpakete zu erkennen, wie bereits im vorherigen Ab-
schnitt diskutiert. Zusätzlich fällt beim direkten Vergleich mit den berechneten B-Bildern auf,
dass in den Messergebnissen zusätzliche Interaktionen innerhalb des ausgefrästen Bereichs
auftreten. Etwa in der Mitte dieses Bereichs konvertiert der primäre S
0
-Mode in den A
0
-
Mode, während der primäre A
0
-Mode teilweise reflektiert. Dies ist auf die ungleichmäßige
Oberfläche zurückzuführen, welche in einer inhomogenen Plattendicke resultiert und im
analytischen und im numerischen Modell nicht nachgebildet wird.
x [mm]
0
200
t [µs]
363 963
(a)
analytisch
x [mm]
0
200
t [µs]
363 963
(b)
numerisch
363 963
x [mm]
0
200
t [µs]
(c)
gemessen
-1
0
1
A [-]
Abbildung 6.16:
B-Bilder der Wellenausbreitung in der Aluminiumplatte mit Ausfräsung
Ein direkter Vergleich der Signale erfolgt an vier Positionen entlang der Strecke des B-Bil-
des, um Veränderungen der Wellen über beide Unstetigkeiten zu verfolgen (Abb. 6.17). Die
gewählten Positionen liegen in Abständen von 50 mm, 149mm, 250 mm und 350 mm vom
Aktor. Die Datensätze der einzelnen Verfahren sind so normiert, dass jeweils das Maximum
des Signals bei
x
=413 mm den Wert eins hat. Für das zweite Signal wird ein Abstand von
149 mm statt 150 mm gewählt, da der Messpunkt bei 150 mm reduzierte Amplituden im
Vergleich zum restlichen Messfeld aufweist. Reduzierte Amplituden oder starkes Rauschen
können in gemessenen Signalen gelegentlich auftreten, wenn der Strahl des Laservibrome-
ters an der Plattenoberfläche unvollständig reflektiert wird. Solche fehlerhaften Messpunkte
sind im B-Bild (Abb. 6.16c) als Streifen und im Amplitudenverlauf (Abb. 6.17) als Einbrü-
che der Kurve zu erkennen. Da die out-of-plane-Verschiebung
u3
analysiert wird, gehören
die sichtbaren Wellenpakete nahezu ausschließlich zum A
0
-Mode. Die durch die Unstetig-
keiten transmittierte Wellenfront dominiert hierbei die Signale an allen Positionen. In den
Abbildungen ist es mit A
0
ohne weiteren Zusatz markiert, während andere ausgewählte
Wellenpakete eine zusätzliche Beschreibung besitzen.
An allen vier Positionen sind gute Übereinstimmungen zwischen den drei Verfahren bei
Amplitude und Position der Wellenpakete zu erkennen. Sichtbare Unterschiede betreffen
hauptsächlich Phase und Amplitude einiger Wellenpakete bei den Ergebnissen der Signal-
synthese. Die Phasenlage des transmittierten A
0
-Modes passt über die gesamte Strecke zu
den Ergebnissen der anderen beiden Verfahren. Nur innerhalb des ausgefrästen Bereichs,
also bei 512 mm und 613mm, sind leichte Abweichungen zu erkennen. Die Reflexionen des
A
0
-Modes an den Unstetigkeiten zeigen dagegen eine deutliche Phasendifferenz zu den
numerischen und experimentellen Signalen. Wie in Abschnitt 5.4 beschrieben, enthalten die
mit der
FEM
bestimmten Interaktionskennwerte keine Phaseninformation und die beobach-
teten Abweichungen sind zu erwarten. Es ist vielmehr bemerkenswert, dass die analytisch
und experimentell bestimmten Wellenpakete in Abb. 6.17d nach der Interaktion mit beiden
83
6 Verifikation des Modellierungsansatzes
0 200
-1
1
t [µs]
A [-]
A0
A
0
(Reflexion)
(a) x
=413 mm
0 200
-1
1
t [µs]
A [-]
A0
A
0
(Konversion,
Reflexion)
(b) x
=512 mm
0 200
-1
1
t [µs]
A [-]
A0
A
0
(Reflexion)
(c) x
=613 mm
0 200
-1
1
t [µs]
A [-]
A0
A
0
(Konversion)
(d) x
=713 mm
numerisch gemessenanalytisch
Abbildung 6.17:
Zeitsignale an verschiedenen x-Positionen
Unstetigkeiten nahezu keine Phasendifferenz aufweisen.
Die zweite erkennbare Abweichung der synthetischen Signale sind leicht reduzierte
Amplituden des transmittierten A
0
-Modes hinter der ersten Unstetigkeit. Für eine Analyse
der Amplitudenentwicklung entlang der Strecke des B-Bildes ist in Abb. 6.18 erneut der
Amplitudenverlauf dargestellt. Auffällig ist hierbei zunächst die erhöhte Amplitude im
mittleren Bereich, was durch die Verteilung einer ähnlichen Schwingungsenergie auf einen
deutlich reduzierten Querschnitt verursacht wird. Die ungleichmäßige Oberfläche innerhalb
der Ausfräsung sorgt zusätzlich dafür, dass bei den Messergebnissen der Kurvenverlauf
nicht kontinuierlich abfällt, obwohl dies aufgrund der Streuung der Wellen über die Platte
der Fall sein sollte.
numerisch
363 500 600 700 800 900
0
0,5
1
1,5
2
gemessen
x [mm]
analytisch
A [-]
963400
Abbildung 6.18:
Maximale Amplitude der Einhüllenden der Zeitsi-
gnale entlang der
x
-Achse, normiert bei
x
=413 mm
84
6.3 Abgleich des Minimalmodells
Anhand der Amplitudenverläufe ist deutlich zu erkennen, dass die analytisch bestimmten
Signale nach der Transmission in den zweiten Bereich eine zu geringe Amplitude aufweisen.
Verursacht wird dies mit hoher Wahrscheinlichkeit durch nicht exakt zutreffende Inter-
aktionskennwerte. Andere Auslöser können weitgehend ausgeschlossen werden, da die
Mehrheit der Signalcharakteristiken gut von der Signalsynthese wiedergegeben wird. Zu
beachten ist hierbei, dass der Amplitudenverlauf vom primären/transmittierten A
0
-Mode
dominiert wird, da dieser die höchste Amplitude aufweist. Betrachtet man hingegen die Wel-
lenpakete individuell, lässt sich feststellen, dass die Kennwerte für andere Interaktionsarten
besser vorhergesagt werden. Die Reflexion des A
0
-Modes in Abb. 6.17a passt nahezu perfekt
zu den Messergebnissen. Dies trifft auch auf die Reflexion des A
0
-Modes von der zweiten
Unstetigkeit zu, wenn das transmittierte A
0
-Wellenpaket in Abb. 6.17c passend zur Mes-
sung skaliert wird. Weiterhin stimmen die Amplituden der beiden aus Modenkonversion
entstandenen A
0
-Wellenpakete in Abb. 6.17d zu den Messergebnissen. Damit scheint allein
der berechnete Interaktionskennwert für die Transmission des A
0
-Modes fehlerhaft zu sein,
während die restlichen Kennwerte gut zu den numerischen und experimentellen Ergebnis-
sen passen. Obwohl die FE-Modelle zur Berechnung der Kennwerte und der abgebildeten
Zeitsignale ähnlich sind (siehe Abschnitt 4.2), weisen die numerisch bestimmten Signale
keine solchen Abweichungen auf. Dies deutet darauf hin, dass sowohl die Modellierung des
ausgefrästen Bereichs mit einer homogenisierten Dicke zulässig ist als auch der gewählte
Modellierungsansatz und die Simulationsparameter korrekt sind. Der größte Unterschied
zwischen beiden FE-Modellen liegt in der Wahl der Dimension. Während für die Berechnung
der Zeitsignale ein 3D-Modell genutzt wird, basiert die Bestimmung der Interaktionskenn-
werte auf einem 2D-Modell des Plattenquerschnitts. Ein zweidimensionales Modell ist nicht
nur weniger rechenintensiv sondern weist auch keine Streuung auf, was vorteilhaft für die
Analyse der Interaktion ist. Um den Einfluss der Modell-Dimensionalität zu untersuchen,
werden die Interaktionskennwerte erneut mit zwei verschiedenen 3D-Modell berechnet. Das
erste Modell bildet die Wellenausbreitung in einer ausgedehnten Platte ab, vergleichbar mit
dem Modell zur Bestimmung der Zeitsignale. In diesem Fall muss der Einfluss der Streuung
aus den Ergebnissen herausgerechnet werden. Um Fehler, die durch diese Umrechnung
entstehen können, auszuschließen, wird in einem zweiten Modell die Wellenausbreitung
mit einem Modell eines Plattenstreifens berechnet. Durch eine gleichmäßige Anregung über
die gesamte Breite des Streifens in Kombination mit Symmetrierandbedingungen ergibt sich
eine ebene Wellenfront, die nicht durch Streuung beeinflusst wird.
Die mit den unterschiedlichen Modellen berechneten Interaktionskennwerte sind in
Abb. 6.19 dargestellt. Für einen direkten Vergleich sind die Kennwerte in Relation zur 2D-
Simulation angegeben. Wie in Abschnitt 4.1 beschrieben, existieren mehrere Abhängigkeiten
für die Interaktionskennwerte. Hierbei unterscheiden sich die beiden Diagramme in der
Richtung, aus der die primäre Welle auf die Unstetigkeit trifft. Aus den Abbildungen ergibt
sich, dass die Werte aus den 3D-Simulationen in einem Bereich von
±
30% streuen, im
Durchschnitt aber über denen aus der 2D-Simulation liegen.
Die oben beschriebenen Amplitudendiskrepanz der analytischen zu den numerischen und
experimentellen Ergebnisse betrifft den Interaktionskennwert beim angeregten Mode A
0
, der
u
3
-Verschiebungskomponente und der Transmission in die Ausfräsung hinein (Abb. 6.19a).
Speziell für diesen Fall liegt der Kennwert beider 3D-Modelle etwa 9% über dem aus dem
2D-Modell. Der Amplitudenunterschied zwischen analytischen und numerischen bzw.
experimentellen Signalen liegt innerhalb der ausgefrästen Fläche jedoch im Bereich von
15% bis 30%. Ein weiteres Indiz dafür, dass die 3D-Modellen nicht grundsätzlich bessere
Ergebnisse liefern, ist der Koeffizient für die Reflexion des A
0
-Modes. Dieser ist gegenüber
dem 2D-Modell etwa 20% höher, was im Widerspruch zu den Ergebnissen in Abb. 6.17 steht.
Denn, wie weiter oben beschrieben, gibt die Signalsynthese mit den Interaktionskennwerten
aus der 2D-Simulation die Amplitude des reflektierten A0-Modes sehr gut wieder.
85
6 Verifikation des Modellierungsansatzes
R T R T KRKTR T R T
KRKTKRKTKRKT
2D
3D Streifen
3D
A0/ u1S0/ u1A0/ u3S0/ u3
I/I (2D) [-]
0,7
0,8
0,9
1,0
1,1
1,2
1,3
(a)
primäres Wellenpaket auf 4 mm
R T R T KRKTR T R T
0,7
0,8
0,9
1,0
1,1
1,2
1,3 2D
3D Streifen
3D
A0/ u1S0/ u1A0/ u3S0/ u3
KRKTKRKTKRKT
I/I (2D) [-]
(b)
primäres Wellenpaket auf 1,64 mm
Abbildung 6.19:
Interaktionskennwerte
I
in Abhängigkeit vom angeregten Mode
(A
0
, S
0
), Auslenkung (
u1
,
u3
) und Interaktionstyp (R - Reflexion,
T - Transmission, K
R
/K
R
- Konversion reflektiert/transmittiert)
Die Streuung zwischen Interaktionskennwerten, die mit unterschiedlichen Modellen
berechnet werden, lässt darauf schließen, dass keines der Modelle ideal zur Bestimmung der
gesuchten Kennwerte ist. Das 2D-Modell scheint jedoch von den verfügbaren Alternativen
am besten geeignet, da die meisten Interaktionskennwerte die experimentellen und nume-
rischen Resultate gut wiedergeben. Zusätzlich verursacht das 2D-Modell den geringsten
Berechnungsaufwand und erfordert kein nachträgliches Entfernen des Streuungseffekts.
Für zukünftige Anwendungen des Minimalmodells ist jedoch ein Wechsel auf ein alter-
natives Verfahrens zur Bestimmung der Interaktionskennwerte anzustreben, wie das in
Abschnitt 4.1 erwähnte CMEP.
6.3.3 CFK-Platte
Auf den beiden Aluminiumplatten erfolgt die Auswertung entlang einer Linie, was eine
Berechnung der Wellenausbreitung allein mit der Signalsynthese und eine Darstellung
86
6.3 Abgleich des Minimalmodells
in B-Bildern ermöglicht. Im Folgenden werden dagegen einzelne Punkte verteilt über ei-
ne Platte analysiert, wodurch für eine Berechnung von Zeitsignalen alle Subroutinen des
Minimalmodells erforderlich sind. In diesem Abschnitt wird erneut die out-of-plane Ver-
schiebungskomponente
u3
ausgewertet. Die Geometrie der verwendeten Platte mit der
Bezeichnung CFK06 ist in Abb. 6.20 inklusive der Positionen von Aktoren und Auswerte-
punkten dargestellt.
0 440 880
580
291 391220 491 591 660
92
191
289
392
492
0
d=2 mmd=1 mm
Aktor 1Aktor 2
x [mm]
y [mm]
Abbildung 6.20:
Geometrie der Platte CFK06 mit Positio-
nen der Aktoren und Auswertepunkte
Die Platte CFK06 besteht aus zwei Hälften, wobei die rechte Seite durch eine Wieder-
holung des Lagenaufbaus die doppelte Dicke gegenüber der linken Seite besitzt (siehe
Tabelle A.3 auf Seite 106). Das resultierende Laminat ist in beiden Fällen quasi-isotrop.
Dennoch weichen die Wellenfronten des A
0
-Modes von der Kreisform ab (siehe Abb. 6.6
auf Seite 77). Entsprechend muss für das Minimalmodell von richtungsabhängigem Aus-
breitungsverhalten in der Platte ausgegangen werden.
Der Vergleich der Signale erfolgt an 20 Positionen auf der Platte. Durch die unabhän-
gige Anregung auf der linken und der rechten Plattenhälfte ergeben sich insgesamt 40
Signale pro Verfahren. Die Auswertepunkte sind nahe der Unstetigkeit konzentriert, da
das Interaktionsverhalten an diesem Bereichsübergang von besonderem Interesse ist. Eine
größere Entfernung zur Unstetigkeit führt primär zu geringeren Amplituden infolge von
Schwächungseffekten. Für einen Vergleich der analytischen mit den experimentellen Er-
gebnissen müssen die Auswertepunkte nach Möglichkeit auf Messpunkten der flächigen
Laservibrometer-Messung liegen. Zu beachten ist hierbei, dass die Positionen von Aktoren
und Sensoren nicht in einem gleichmäßigen Raster liegen. Ein Grund dafür ist die leicht
asymmetrische Position der Aktoren, was eine Folge der manuellen Klebung ist. Zusätzlich
weisen einige Signale der Laservibrometer-Messung ein starkes Rauschen auf und sind
nicht auswertbar. Um diese fehlerhaften Messpunkte zu vermeiden, werden einzelne Koor-
dinaten der ursprünglich gleichmäßig verteilten Auswertepunkte leicht versetzt. Zuletzt
ist zu beachten, dass das Gitter der Laservibrometer-Messpunkte gegenüber der Platte
leicht verschoben und verzerrt ist. Wird dies korrigiert, liegen die Messpunkte nicht mehr
exakt auf dem ursprünglichen 2 mm-Raster der Messung. Die angegebenen Koordinaten
87
6 Verifikation des Modellierungsansatzes
geben so weit wie möglich die reale Geometrie wieder und werden in dieser Form auch im
Minimalmodell genutzt.
Bei
CFK
ist aufgrund der Kunststoffmatrix der Einfluss der Materialdämpfung auf die Wel-
lenausbreitung höher als bei Metallen. Zusätzlich muss auch bei den Dämpfungskennwerten
mit einer Richtungsabhängigkeit gerechnet werden, da die Fasern Vorzugsrichtungen beim
Transport von Wellenenergie induzieren [72]. In den Momentaufnahmen der gemessenen
Wellenausbreitung in Abb. 6.21 ist dies als Amplitudeneinbruch in der Wellenfront des A
0
-
Modes - insbesondere in die 0
°
- und 180
°
-Richtungen - erkennbar. Ein vergleichbarer Effekt
kann auch bei einer Anregung auf der linken Seite der Platte beobachtet werden.
0 440 880
580
220 660
0
y [mm]
x [mm]
(a)
150
µ
s
0 440 880
580
220 660
0
y [mm]
x [mm]
(b)
300
µ
s
-1
0
1
A [-]
Abbildung 6.21:
Momentaufnahme der gemessenen Wellenausbrei-
tung bei Anregung auf der rechten Plattenhälfte
Dieser signifikante Einfluss kann mit Gleichung (5.9) auf Seite 67 in das Modell eingebracht
werden, wenn der Dämpfungsfaktor
δ
bekannt ist. Die Beschreibung des Dämpfungsverhal-
tens eines Bauteils und die Bestimmung entsprechender Parameter ist im Allgemeinen sehr
aufwändig. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass Energiedissipation durch ver-
schiedene Effekte verursacht werden kann, die sich schwer isoliert messen lassen [129]. Für
die untersuchten Verbundplatten ist aufgrund der Anisotropie sowohl eine Frequenz- als
auch Richtungsabhängigkeit der gesuchten Kenngrößen zu erwarten. Allerdings lassen sich
solche Abhängigkeiten analytisch beschreiben, wenn angenommen wird, dass der Effekt
steifigkeitsproportional ist und die viskosen Materialkennwerte einer Einzelschicht bekannt
sind. Werden die Dämpfungskennwerte nach dieser Methode berechnet, treten besonders
hohe Dämpfungswerte in stark dispersiven Bereichen eines Wellenmodes auf [17]. Dieses Er-
gebnis steht jedoch im Widerspruch zu den gemessenen Amplitudenverteilungen. Während
die Momentaufnahmen in Abb. 6.21 einen deutlichen Amplitudenabfall insbesondere in
0
°
- und 180
°
-Richtung zeigen, ist die berechnete Geschwindigkeitsverteilung beider Moden
infolge des quasi-isotropen Laminats nahezu winkelunabhängig (Abb. 6.6 und 6.8). Damit
scheint dieser analytische Ansatz ungeeignet zur Beschreibung des Dämpfungsverhaltens
auf der untersuchten Platte CFK06 zu sein.
Stattdessen wird auf die flächigen Laservibrometer-Messungen zurückgegriffen, um di-
rekt die gesuchten Kennwerte in Abhängigkeit der Ausbreitungsrichtung für die analysierte
Frequenz von 100 kHz zu erhalten. Als Basis dient die Verteilung der maximalen Amplitude
in der Nähe der Aktoren, wie sie in Abb. 6.22a dargestellt ist. Die Kreise sind hierbei die
Grenzen der ausgewerteten Fläche. Wie in Abschnitt 5.4 beschrieben, basiert die Bestim-
mung von
δ
auf der Amplitudenänderung in Ausbreitungsrichtung. Ausgehend von einem
Aktor werden unter verschiedenen Winkeln Linien ausgewertet. Entlang einer Linie liegen
n
Messpunkte, die jeweils den Abstand
q
vom Rand des Aktors besitzen. Für eine isolierte
88
6.3 Abgleich des Minimalmodells
Betrachtung der Materialdämpfung wird in einem ersten Schritt die Amplitudenabnahme
infolge der Streuung über der Fläche herausgerechnet (siehe Gleichung (5.8) auf Seite 67).
Anschließend erfolgt die Berechnung der Dämpfung auf Basis des logarithmischen Dekre-
ments zwischen zwei benachbarten Punkten. Der Mittelwert aller
n
1 Schritte einer Linie
ergibt den Dämpfungsfaktor für eine Ausbreitungsrichtung φ.
δ(φ) = 1
n1·
n1
k=1
1
qk+1qk·ln Amax (qk)
Amax (qk+1)(6.3)
Da eine Unterscheidung der Moden aufgrund der großen Zahl an Signalen und der
Komplexität des Wellenfeldes nur schwer möglich ist, wird stattdessen die maximale Am-
plitude
Amax
jedes Messpunkts ausgewertet. Dieses Maximum entspricht dem A
0
-Mode,
wodurch Kennwerte für den S
0
-Mode aus anderen Quellen bestimmt werden müssen. Aus
der Literatur ist bekannt, dass der S
0
-Mode unterhalb seines hoch dispersiven Bereichs eine
deutlich kleinere Materialdämpfung aufweist [17]. Eine Vernachlässigung der Dämpfung
des S
0
-Modes führt jedoch zu stärkeren Abweichungen von den experimentellen Daten.
Infolge dessen werden für beide Moden identische Dämpfungskennwerte verwendet. In
Abb. 6.22b sind die richtungsabhängigen Kennwerte beider Plattenhälften dargestellt. Wie
erwartet, ergeben sich deutlich erhöhten Werte in 0
°
- und 180
°
-Richtung. Zusätzlich fällt die
stärker ausgeprägte Richtcharakteristik der linken gegenüber der rechten Plattenhälfte auf.
0 440 880
580
220 660
0
y [mm]
x [mm]
(a)
gemessene maximale Amplitude
0
1
A [-]
0
0,012
90° δ[1/mm]
links
rechts
(b)
Dämpfungsfaktor
Abbildung 6.22:
Dämpfungsfaktor anhand der maxima-
len Amplitude für beide Plattenhälften
Eine
FEM
-Simulation der
CFK
-Platte erfordert eine Modellierung der Einzelschichten,
wie bereits in Abschnitt 4.2.3 erwähnt. Damit steigt die Zahl der Freiheitsgrade etwa um
den Faktor fünf gegenüber dem Modell der Aluminiumplatte mit Ausfräsung. Eine Extra-
polation auf Basis der Daten der beiden Aluminiumplatten ergibt eine Berechnungsdauer
von etwa 100 Stunden. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass der Speicherbedarf in
gleicher Weise steigt. Die damit theoretisch erforderlichen 275 GB übersteigen die Größe
des heutzutage üblicherweise verbauten Arbeitsspeichers in Workstations. Eine teilweise
Auslagerung der Daten auf die Festplatte ist zwar möglich, verringert jedoch die Effizienz
des Lösungsverfahrens drastisch und ist deshalb nicht empfehlenswert. Eine Alternative ist
der Wechsel auf andere Lösungsverfahren, die zwar langsamer sind, aber weniger Speicher
89
6 Verifikation des Modellierungsansatzes
erfordern. Aufgrund des zu erwartenden Berechnungsaufwands, wird in diesem Abschnitt
auf einen Vergleich mit numerischen Daten verzichtet.
Auch der Berechnungsaufwand für das Minimalmodell steigt im Vergleich zur den beiden
vorherigen Beispielen, da die gewählte Konfiguration zusätzlich zur Signalsynthese auch
den Einsatz des Raytracings erfordert. Es wird eine Winkelschrittweite von
φA=
0, 1
verwendet, womit im ersten Schritt des Raytracings etwa 3600 Strahlen vorhanden sind.
In vier Interaktionsschritten müssen insgesamt über 1,2 Millionen Strahlen berechnet wer-
den. Vergleichsrechnungen mit
φA=
0, 05
oder fünf Interaktionsschritten ergeben keine
sichtbare Veränderung der Signale. Es wird daher angenommen, dass die gewählten Modell-
parameter in einer ausreichenden Genauigkeit resultieren. Für die rechteckigen Sensoren
wird eine Kantenlänge von 2 mm gewählt, die dem Messraster entspricht. Mit diesen Pa-
rametern benötigt die Berechnung des Zeitsignals an einem der gewählten Punkte auf der
CFK
-Platte 4 Minuten und 18 Sekunden. Hierbei wird ein Nachteil des Minimalmodells
im Gegensatz zu
FEM
-basierten Verfahren deutlich. Obwohl die Bauteilgeometrie als auch
die Anregung und damit das Wellenfeld identisch sind, muss für jeden der 20 Auswerte-
punkte eine neue Berechnung durchgeführt werden. FE-Verfahren liefern dagegen in einem
Berechnungsvorgang Ergebnisse an allen Knoten.
Für den direkten Vergleich der Signale vom Minimalmodell und der Messung werden
diese normiert und mit einer Einhüllenden versehen (Abb. 6.24 bis 6.27). Die Anordnung
der Abbildungen entspricht hierbei der Anordnung der Auswertepunkte auf der Platte
(Abb. 6.20). Verglichen mit den Ergebnissen auf den Aluminiumplatten korrelieren die
Daten weniger gut. Obwohl einige Signale auf den ersten Blick erhebliche Differenzen
zeigen, betreffen die Abweichungen hauptsächlich die Amplituden. Zu jedem vom Mini-
malmodell bestimmten Wellenpaket existiert ein entsprechendes lokales Maximum in den
experimentellen Daten. Das globale Maximum in allen analytisch bestimmten und den meis-
ten gemessenen Signalen entspricht dem primären/transmittierten A
0
-Mode, wie er auch in
Abb. 6.21 zu sehen ist. Ein zeitlicher Versatz tritt bei diesem Wellenpaket vermehrt bei den
Messpunkten auf, die weiter vom Aktor entfernt sind. Dies deutet auf fehlerhaft berechnete
Phasengeschwindigkeiten hin. Allerdings korreliert dieser Versatz nicht eindeutig mit dem
Abstand zum Aktor, wodurch auch andere Ursachen in Frage kommen. Da die Maxima nur
geringfügig zueinander verschoben sind, kann dies auch durch minimale Unterschiede in
den Positionen der Auswertepunkte zum Messgitter verursacht sein.
Deutlich sichtbare Unterschiede zwischen experimentellen und analytischen Daten fallen
in vielen Fällen mit einem erhöhten Rauschanteil im Messsignal zusammen. Beispiele dafür
finden sich in den Abbildungen 6.25d, 6.25e, 6.25f und 6.26e. Diese Beobachtung soll mithilfe
des Signal-Rausch-Verhältnis (
SNR
,engl. signal-to-noise ratio) quantifiziert werden. Eine
exakte Berechnung dieses Kennwerts erfordert die zuverlässige Trennung der relevanten
Signalanteile vom Rauschen, was nicht direkt anhand der gegebenen Zeitsignale möglich
ist. Stattdessen dient das Amplitudenspektrum des ungefilterten Signals als Grundlage der
Analyse. Die Amplitude des Rauschanteils
ARauschen
wird anhand des quadratischen Mittels
des gesamten Spektrums bestimmt (siehe Gleichung (6.2) auf Seite 76). Für die Amplitude
des Signals
ASign al
wird hingegen nur der Bereich von 50kHz bis 200 kHz ausgewertet, da
dieser dem Anregungssignal entspricht (siehe Abb. 3.2 auf Seite 12). Der Signal-Rausch-
Abstand Qergibt sich aus dem Verhältnis der Quadrate dieser Amplituden.
Q=A2
Sign al
A2
Rauschen
(6.4)
Die resultierenden
SNR
-Werte aller Messpunkte sind in Tabelle 6.2 aufgeführt, wobei
die Anordnung erneut der Positionierung der Auswertepunkte auf der Platte folgt. Insbe-
sondere mit steigendem Abstand zum Aktor und entlang der Orientierungen mit erhöhter
90
6.3 Abgleich des Minimalmodells
Materialdämpfung sinkt
Q
, was sich analog in den Signalen als ein verstärktes Rauschen
äußert. An diesen Positionen besitzen Wellenpakete in der Regel eine vergleichsweise gerin-
ge Amplitude. In Kombination mit der Normierung aller Signale wirkt das breitbandige
Rauschen dadurch als dominanter Signalanteil, den das Minimalmodell nicht wiedergibt.
Ursächlich für diese Art von Abweichung ist jedoch das Messverfahren.
y,x 291 391 491 591
492 2,0 0,68 2,2 1,1
392 7,1 33,6 0,7 1,2
285 18,1 16,3 1,4 0,8
191 17,7 58,8 5,1 0,3
92 13,6 11,8 20,4 0,3
(a)
Anregung links
y,x 291 391 491 591
492 6,0 1,5 33,1 36,6
392 0,7 16,3 14,2 60,8
289 0,9 3,3 1,0 24,3
191 1,8 23,8 11,3 91,0
92 1,6 6,4 10,0 0,9
(b)
Anregung rechts
Tabelle 6.2:
Signal-Rausch-Verhältnis
Q
der gemessenen Signale
Eine Bewertung der beschriebenen Unterschiede zwischen analytisch und experimen-
tell bestimmten Signalen erfolgt anhand der relativen Abweichung von Amplituden und
Laufzeiten. Hierzu müssen zunächst Wellenpakete identifiziert werden und anschließend
eine Zuordnung zwischen experimentellen und analytischen Wellenpaketen erfolgen. In-
folge des beobachteten Rauschens, ist eine eindeutige Identifikation von Wellenpaketen
auf Basis der Messdaten nicht möglich. Stattdessen wird hierfür auf die Ergebnisse des
Minimalmodells zurückgegriffen, da hier zusätzlich zum Gesamtsignal jedes Wellenpaket
einzeln vorliegt. Mithilfe dieser Einzelsignale lassen sich Positionen festlegen, an denen
innerhalb der gemessenen Signale Maxima gesucht werden. Sind die Maxima definiert,
können die Abweichungen bezüglich Amplitude und Laufzeit bestimmt werden. Hierzu
wird der Betrag der Differenz von experimentellen und analytischen Werten gebildet und in
das Verhältnis zur den experimentellen Wert gesetzt.
relative Abweichung =|Minimalmodell Experiment|
Experiment (6.5)
Die Diagramme in Abb. 6.23 zeigen die Abweichungen aller Maxima bezüglich Amplitu-
de und Laufzeit. Jeder Datenpunkt lässt sich über Symbol und Farbe einem Auswertepunkt
zuordnen. Als Alternative zum arithmetischen Mittel werden die Werte mithilfe des Me-
dians zusammengefasst, da damit der Einfluss einzelner Ausreißer verringert wird. Die
Verteilung der Werte bestätigt die beobachteten Diskrepanzen bezüglich der Amplitude.
Hierbei konzentrieren sich die Abweichungen größtenteils zwischen 0 und 100%, liegen
aber teilweise auch weit darüber. Der Median befindet sich je nach Ort der Anregung bei
60% bzw. 68%. Bei den Laufzeiten liegen die Werte dagegen immer unterhalb von 30% mit
einem Median von weniger als 3%.
Anhand ausgewählter Signale soll im Folgenden eine detaillierter Abgleich zwischen den
gemessenen und den berechneten Signalen erfolgen. Zunächst wird mit dem Auswerte-
punkt an den Koordinaten (291, 191) ein Signal gewählt, das bei Anregung auf der linken
Plattenseite gute Übereinstimmungen aufweist (Abb. 6.24g). Die Nähe zum Aktor und die
geringe Dämpfung in Richtung des direkten Pfads zwischen Aktor und Messpunkt führt zu
einer hohen Amplitude des primären A
0
-Wellenpaketes. In Folge dessen ist kaum Rauschen
im Messsignale zu erkennen, was mit dem vergleichsweise hohen Signal-Rausch-Abstand
von
Q
=17,7 korreliert. Statt des Gesamtsignals zeigt Abb. 6.28 die mit dem Minimalmodell
berechneten individuellen Wellenpakete und die zugehörigen Pfade. Der Übersichtlichkeit
91
6 Verifikation des Modellierungsansatzes
Median Zeit: 0,024
Median Amplitude: 0,68
00,30,250,20,150,10,05
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
|tMtE|
tE
[-]
|AMAE|
AE
[-]
(a)
Anregung links
Median Zeit: 0,028
Median Amplitude: 0,60
00,30,250,20,150,10,05
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
|tMtE|
tE
[-]
|AMAE|
AE
[-]
(b)
Anregung rechts
Abbildung 6.23:
relative Abweichung der Ergebnis-
se des Minimalmodell vom Experiment
92
6.3 Abgleich des Minimalmodells
wegen sind nur Pfade dargestellt, deren Signalanteile eine Amplitude von mindestens 1%
des Signalmaximums überschreiten. In der Legende ist für jedes Wellenpaket der Winkel
des Strahlsegments am Aktor und der Mode für alle Segmente angegeben. Die ersten bei-
den Pfade (-54
°
|A
0
) und (-54
°
|S
0
) besitzen nur ein Segment und entsprechen damit der
direkten Verbindung zwischen Aktor und Sensor, die durch die primären Wellenfronten
zurückgelegt wird. Der letzte Pfad (-172
°
|S
0
-S
0
-A
0
) besteht in diesem Beispiel dagegen
aus drei Segmenten. Zunächst wird der primäre S
0
-Mode am linken Plattenrand reflektiert,
bevor an der Unstetigkeit eine Modenkonversion zum A0-Mode stattfindet.
Eine Zuordnung einzelner Bestandteile des experimentell bestimmten Signals zu Wel-
lenfronten, Moden und zurückgelegten Strecken ist aktuell nur durch eine manuelle Aus-
wertung des animierten Wellenfeldes möglich. Eine Darstellung dieser Animation ist zwar
in der vorliegenden Publikationsform nicht möglich, in Anhang A.3 befindet sich jedoch
eine Auswahl an Standbildern, um die Nachvollziehbarkeit der hier getroffenen Aussagen
zu gewährleisten. Es lässt sich feststellen, dass die berechneten Wellenpakete eine passen-
de Entsprechung im experimentellen Signal besitzen, die auch bezüglich der genannten
Merkmale übereinstimmen. Neben einem geringen zeitlichen Versatz liegt der größte Un-
terschied erneut in den Amplitudendifferenzen. Das Wellenpaket (-170
°
|A
0
-A
0
) ab 400
µ
s
ist die Reflexion des A
0
-Modes vom linken Plattenrand. In den Messdaten kann dieser
Ausbreitungspfad ebenfalls nachvollzogen werden. Der Abschnitt dieser Wellenfront der
den Auswertepunkt überquert unterliegt allerdings einem ausgeprägten Amplitudenabfall
infolge von Materialdämpfung. Die im Minimalmodell verwendete richtungsabhängige
Dämpfung ist demnach für diese Ausbreitungsrichtung zu niedrig. Ein weiterer Unterschied
ist im Signalbereich zwischen 450
µ
s und 500
µ
s erkennbar, in dem das Minimalmodell kei-
ne relevanten Amplituden berechnet. In den Messergebnissen ist dagegen eine doppelte
Reflexion des A
0
-Modes in der Innenkante bei den Koordinaten (440, 0) sichtbar. Im Mini-
malmodell wird diese Reflexion nicht erfasst, da der entsprechende Strahl vorher vom Aktor
ausgehend mit dem Sensor interagiert. Im Minimalmodell verdeckt das Primitiv des Sensors
demnach einen der relevanten Pfade.
Größere Abweichungen zeigen sich unter anderem am Auswertepunkt (591, 392) bei Anre-
gung auf der linken Plattenseite (Abb. 6.25d). Wie bereits zuvor, lassen sich auch in Abb. 6.29
zu jedem analytisch bestimmten Wellenpaket Entsprechungen im gemessenen Wellenfeld
finden. Im gemessenen Signal sind kleinere Wellenpakete jedoch schwer zu identifizieren,
da sich das Signal durch ein gewisses Grundrauschen auszeichnet. Dass diese Störung
eine Folge des Messverfahrens ist, lässt sich an den Signalanteilen zu Beginn der Messung
erkennen. Der transmittierte S
0
-Mode hat die geringste Laufzeit zwischen Aktor und Sensor.
Dementsprechend sollten vor seiner Ankunft bei etwa 90
µ
s keine Ausschläge im Signal
vorhanden sein. Die sichtbar schlechte Signalqualität korreliert mit dem niedrigen SNR
von
Q
=1,2. Nur stärker ausgeprägte Wellenpakete heben sich von diesem Rauschen ab und
lassen sich bezüglich der Amplitude analysieren. Dies trifft auf den transmittierten A
0
-Mode
(14
°
|A
0
-A
0
) sowie den aus der Modenkonversion des primären S
0
-Modes entstandenen
A
0
-Mode (23
°
|S
0
-A
0
) zu. Amplitudenunterschiede zwischen gemessenen und berechne-
ten Wellenpaketen lassen sich hier nicht allein auf eine inkorrekte Dämpfungsverteilung
zurückführen, da beide Pfade nahezu identische sind und im Modell ähnlicher Dämpfung
unterliegen. Die Ursache für die Abweichung ist stattdessen bei den Interaktionskennwerten
zu suchen, die für die Modenkonversion zu hoch oder für die Transmission zu niedrig sind.
Von generell fehlerhaften Interaktionskennwerten ist nicht auszugehen, da in Abb. 6.24
bis 6.27 die berechneten Amplituden tendenziell mit den gemessenen übereinstimmen;
insbesondere wenn Auswertepunkte und Anregung auf der gleichen Plattenseite liegen.
Vielmehr ist anzunehmen, dass die berechneten Kennwerte, wie bereits in Abschnitt 6.3.2
diskutiert, einer begrenzten Streuung unterliegen.
Die Beobachtungen aus diesen beiden Signalen treffen in ähnlicher Form auch auf die üb-
93
6 Verifikation des Modellierungsansatzes
(a)
(291, 492)
(b)
(391, 492)
(c)
(291, 392)
(d)
(391, 392)
(e)
(291, 285)
(f)
(391, 285)
(g)
(291, 191)
(h)
(391, 191)
(i)
(291, 92)
(j)
(391, 92)
gemessenanalytisch
Abbildung 6.24:
Signale auf der linken Plattenhälfte bei Anregung auf der linken
Plattenhälfte, normierte Amplitude
A
(-1 bis 1) über Zeit
t
(0 bis 600
µ
s)
94
6.3 Abgleich des Minimalmodells
(a)
(491, 492)
(b)
(591, 492)
(c)
(491, 392)
(d)
(591, 392)
(e)
(491, 285)
(f)
(591, 285)
(g)
(491, 191)
(h)
(591, 191)
(i)
(491, 92)
(j)
(591, 92)
gemessenanalytisch
Abbildung 6.25:
Signale auf der rechten Plattenhälfte bei Anregung auf der linken
Plattenhälfte, normierte Amplitude
A
(-1 bis 1) über Zeit
t
(0 bis 600
µ
s)
95
6 Verifikation des Modellierungsansatzes
(a)
(291, 492)
(b)
(391, 492)
(c)
(291, 392)
(d)
(391, 392)
(e)
(291, 289)
(f)
(391, 289)
(g)
(291, 191)
(h)
(391, 191)
(i)
(291, 92)
(j)
(391, 92)
gemessenanalytisch
Abbildung 6.26:
Signale auf der linken Plattenhälfte bei Anregung auf der rechten
Plattenhälfte, normierte Amplitude
A
(-1 bis 1) über Zeit
t
(0 bis 600
µ
s)
96
6.3 Abgleich des Minimalmodells
(a)
(491, 492)
(b)
(591, 492)
(c)
(491, 392)
(d)
(591, 392)
(e)
(491, 289)
(f)
(591, 289)
(g)
(491, 191)
(h)
(591, 191)
(i)
(491, 92)
(j)
(591, 92)
gemessenanalytisch
Abbildung 6.27:
Signale auf der rechten Plattenhälfte bei Anregung auf der rechten
Plattenhälfte, normierte Amplitude
A
(-1 bis 1) über Zeit
t
(0 bis 600
µ
s)
97
6 Verifikation des Modellierungsansatzes
t [µs]
A [-]
0 100 200 300 400 500 600
1
0,5
0
-1
-0,5
(a)
gemessenes Signal und berechnete Wellenpakete
0 440 880
0
580
x [mm]
y [mm]
(b)
Pfade
gemessen
-54° | A0
-54° | S0
-170° | A0-A0
-21° | S0-A0
-14° | A0-A0
-172° | S0-S0-A0
Abbildung 6.28:
Signale und Pfade bei (291, 191), Anregung links
rigen Signale zu. Ein Effekt der sich dagegen auf Basis der vorhandenen Daten nur schwer
nachweisen lässt, ist die fehlerhafte Überlagerung von zwei oder mehr Wellenpaketen.
Zu erwarten ist, dass eine inkorrekt abgebildete Interferenz zu deutlichen Abweichungen
zwischen experimentellen und analytischen Signalen führen kann. Hierbei bestimmt die
Phasenlage der beteiligten Wellenpakete in Kombination mit der Position des Auswerte-
punktes, ob es zu einer konstruktiven oder destruktiven Interferenz kommt. Bereits geringe
Positionsunterschiede von weniger als einer halben Wellenlänge können erheblichen Ein-
fluss auf die resultierende Amplitude haben. Abweichungen infolge von Interferenz lassen
sich allerdings nur schwer nachvollziehen, da bei den experimentell bestimmten Signalen
die hierfür erforderlichen Informationen bezüglich der beteiligten Wellenpakete fehlen.
Unabhängig vom verwendeten Berechnungsverfahren erfordert die korrekte Abbildung
dieses Effekts eine sehr präzise Modellierung, die insbesondere bei komplexen Strukturen
nur schwer zu realisieren ist. Ein Umstand, der jedoch spezifisch für das Minimalmodell
ist, sind die fehlenden Informationen hinsichtlich der Phasenänderungen bei Interaktionen.
Damit kann es selbst bei einer exakten Modellierung des Bauteils unter Umständen zu
einer fehlerhaften Überlagerung und damit zu Amplitudenabweichungen im Gesamtsignal
kommen.
98
6.3 Abgleich des Minimalmodells
t [µs]
A [-]
0 100 200 300 400 500 600
1
0,5
0
-1
-0,5
(a)
gemessenes Signal und berechnete Wellenpakete
0 440 880
0
580
x [mm]
y [mm]
(b)
Pfade
gemessen
171° | S0-S0-A0
145° | S0-S0-S0-A0
14° | A0-A0
16° | S0-S0
23° | S0-A0
41° | A0-A0-A0
55° | A0-A0-A0
64° | S0-S0-A0
Abbildung 6.29:
Signale und Pfade bei (591, 392), Anregung links
6.3.4 Diskussion der Ergebnisse
Der Abgleich des Minimalmodells mit numerischen und experimentellen Ergebnissen zeigt
sowohl das Potential als auch die Grenzen des Verfahrens in seiner aktuellen Form. Bei isotro-
pen Plattenmaterialien können mit der Signalsynthese Wellenpakete bezüglich Laufzeit und
Form nahezu fehlerfrei wiedergegeben werden. Verbesserungspotential besteht dagegen
insbesondere im Bereich der Interaktionskennwerte. Deren Berechnung mit der
FEM
ist mit
Unsicherheiten behaftet, was zu Amplitudendiskrepanzen infolge von Interaktionen führen
kann. Zusätzlich enthalten die Kennwerte keine Phaseninformation, womit sich entspre-
chende Abweichungen bei den Wellenpaketen ergeben. Bezogen auf einzelne Wellenpakete
stellt dies kein Problem dar, da das Minimalmodell als Näherungsverfahren primär für
die Vorhersage von Amplituden und Laufzeiten ausgelegt ist. Allerdings können fehlende
Phaseninformationen bei der Überlagerung der Wellenpakete zu fehlerhaften Amplituden
im Gesamtsignal führen. Die vom Minimalmodell verwendeten Interaktionskennwerte
scheinen prinzipiell geeignet, um Amplitudenänderungen an Unstetigkeiten abzubilden,
was die
1. Arbeitshypothese
bestätigt. Auch Phasenänderungen lassen sich in der Signal-
synthese abbilden, wenn die erforderlichen Informationen ermittelt werden können. Ein
wichtiger Schritt zur Verbesserung des Verfahrens wäre demnach der Wechsel vom bisher
genutzten
FEM
-basierten Ansatz zu einer Alternative, die beide Interaktionseigenschaften
zuverlässig bestimmen kann (siehe Abschnitt 4.1).
Insbesondere bei Verbundwerkstoffen mit Kunststoffmatrix ist Materialdämpfung ein
zusätzlicher Faktor mit entscheidendem Einfluss auf die Amplitude. Die Dämpfungsei-
99
6 Verifikation des Modellierungsansatzes
genschaften zeigen auch bei Platten mit quasi-isotropem Laminataufbau eine starke Rich-
tungsabhängigkeit. Um Amplitudenänderungen während der Wellenausbreitung mit hoher
Genauigkeit abbilden zu können, müssen die Dämpfungseigenschaften mit einer entspre-
chenden Genauigkeit vorliegen. Analytische Ansätze scheinen allerdings nicht geeignet, um
stark ausgeprägte Richtcharakteristiken wiederzugeben. Eine experimentelle Bestimmung
der gesuchten Kennwerte auf Basis des Wellenfeldes ist prinzipiell möglich, jedoch mit
erhöhtem Aufwand verbunden. Andere Schwächungseffekte müssen entfernt und einzelne
Wellenpakete identifiziert werden, um Kennwerte in Abhängigkeit der Moden zu erhalten.
Ohne diese Möglichkeiten lassen sich die Dämpfungseigenschaften der Materialien aktuell
nur näherungsweise angegeben. Im Vergleich mit ungedämpften Materialien liefern diese
vereinfachten Kennwerte jedoch eine gesteigerte Genauigkeit.
Die Berechnung der Wellenausbreitung mithilfe des Minimalmodells erweist sich als ein
sehr wirkungsvoller Ansatz, der mit vergleichsweise geringem Aufwand gute Übereinstim-
mungen bezüglich der Wellenlaufzeiten erzielt. Die beobachteten Abweichungen bezüglich
der Amplitude lassen sich in vielen Fällen auf Teilaspekte des verwendeten Verfahrens
zurückführen und sind demnach mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht die Folge eines fehler-
haften Modellierungsansatzes. Dies spricht dafür, dass die Abbildung von plattenartigen
Strukturen als Kombination von homogenen Flächen und linienhaften Unstetigkeiten so-
wohl für isotrope wie auch quasi-isotrope Materialien möglich ist. Damit kann nicht nur die
2. Arbeitshypothese
sondern auch die
3. Arbeitshypothese
als bestätigt angesehen werden.
Der Abgleich mit experimentellen und numerischen Ergebnissen zeigt jedoch auch Gren-
zen und Verbesserungsmöglichkeiten im Bereich der Modellbildung. Eine Herausforderung
stellen insbesondere flächige Strukturbereiche mit inhomogenen Eigenschaften dar. Lässt
sich der Einfluss einer solchen Fläche auf die Wellenausbreitung nicht homogenisieren, ist
eine Abbildung mit dem vorgestellten Verfahren in seiner aktuellen Form nicht oder nur
mit deutlich erhöhtem Aufwand möglich. Zusätzlich verliert das Minimalmodell seinen
Effizienzvorsprung gegenüber
FEM
-basierten Verfahren, wenn Signale für eine größere
Anzahl an Punkten auf der Struktur bestimmt werden sollen. Ein weiterer Nachteil der
verwendeten Raytracingimplementierung ist die Notwendigkeit, Strahlziele als Primitive
zu modellieren. Diese Sensorprimitive können in Ausnahmefällen zu einer Verdeckung von
relevanten Pfaden führen. Beide Punkte lassen sich allerdings durch eine Umgestaltung des
Programmablaufs beheben. Möglichkeiten das Verfahren in diesen Punkten anzupassen
werden in Abschnitt 7.2 diskutiert.
100
7 Zusammenfassung und Ausblick
7.1 Zusammenfassung
Eine kontinuierliche Strukturüberwachung mithilfe von Lamb-Wellen stellt einen vielver-
sprechenden Ansatz dar, um Inspektions- und Wartungsvorgänge zukünftig bedarfsge-
recht durchführen zu können. Allerdings wird die Entwicklung von
SHM
-Systemen durch
einen Mangel an effizienten Simulationswerkzeugen gehemmt. Die Größe und Komplexität
aktueller Luftfahrtstrukturen stellt eine besondere Herausforderung für etablierte Berech-
nungsmethoden, wie der
FEM
, dar. Die geringen Wellenlängen der Lamb-Wellen und die
transiente Natur der dynamischen Prozesse führt zu einer hohen Zahl von Freiheitsgra-
den und Zeitschritten. Fortschrittliche Verfahren, die wie die
FEM
auf eine Diskretisierung
setzen, sind trotz höherer Effizienz weiterhin nicht geeignet, um eine großflächige Wellenaus-
breitung abzubilden. Analytische und semi-analytische Verfahren vermeiden das Problem
der Diskretisierung homogener Strukturbereiche, verlieren jedoch stark an Effizienz mit
einer zunehmenden Zahl an Unstetigkeiten.
Die Grundannahme dieser Arbeit ist, dass sich der Einfluss von Unstetigkeiten auf die Wel-
lenausbreitung mit einem stark reduzierten Modell wiedergeben lässt (
Forschungsthese
).
Hierzu wird ein Ansatz gewählt, der Unstetigkeiten bezüglich ihrer Interaktionsarten Trans-
mission, Reflexion und Modenkonversion beschreibt (
1. Arbeitshypothese
). Eine starke
Modellreduktion wird jedoch erst durch eine Aufteilung der Geometrie in homogene Be-
reiche und Unstetigkeiten möglich (
2. Arbeitshypothese
). Hierbei werden im Modell nur
die Kennwerte hinterlegt, die minimal erforderlich sind, um die Wellenausbreitung zu
beschreiben. Zur Simulation aktueller Luftfahrtstrukturen ist dieses Minimalmodell sowohl
für isotrope Materialien auch quasi-isotrope Laminate ausgelegt (
3. Arbeitshypothese
). Die
Ausbreitung der Wellen in einer plattenartigen Struktur wird mithilfe von Raytracing in
einem 2D-Modell abgebildet. Als Ergebnis sind die Pfade der Wellenausbreitung zwischen
einer Aktor- und einer Sensorposition bekannt. Jeder Pfad entspricht einem Wellenpaket,
dessen Verhalten im Zeitbereich mit der Signalsynthese bestimmt werden kann. Das Zeit-
signal an der Zielposition ergibt sich anschließend aus der Überlagerung der einzelnen
Wellenpakete jedes Pfades. Die vorgeschlagene Methodik zeichnet sich durch einen drastisch
reduzierten Berechnungsaufwand verglichen mit
FEM
-basierten Verfahren aus. Nachteile
des gewählten Simulationsansatzes sind eine geringere Flexibilität bei der Modellierung
und das Erfordernis einer vorhergehenden Berechnung der benötigten Kennwerte.
Eine Herausforderung des gewählten Ansatzes stellt insbesondere die Berechnung der In-
teraktionskennwerte der Unstetigkeiten dar. Mit Hilfe einer detaillierten FE-Simulation des
Interaktionsvorgangs werden Parameter bestimmt, die die Amplitudenänderung bei Trans-
mission, Reflexion und Modenkonversion beschreiben. Ein Vergleich der Ergebnisse des
Minimalmodells mit experimentell und numerisch bestimmten Signalen zeigt Abweichun-
gen insbesondere bezüglich der Amplitude, die größtenteils durch eine Streuung der Inter-
aktionskennwerte verursacht wird. Für diesen Vergleich werden sowohl Aluminiumplatten
als auch quasi-isotrope
CFK
-Platten verwendet. Im Fall von
CFK
ist richtungsabhängige
Dämpfung ein zusätzlicher Einflussfaktor, der sich merklich auf die Amplitude auswirkt,
aber nur schwer zu bestimmen ist. Laufzeiten der Wellenpakete werden dagegen auf beiden
Plattenmaterialien vom Minimalmodell zuverlässig vorhergesagt. Es lässt sich feststellen,
dass das Prinzip des Minimalmodells trotz der beobachteten Abweichungen geeignet ist,
um Wellenausbreitungsvorgänge in quasi-isotropen Platten abzubilden. Die auftretenden
101
7 Zusammenfassung und Ausblick
Diskrepanzen sind keine Folge des zugrundeliegenden Berechnungsansatzes, sondern wer-
den durch die Verfahren verursacht, die die Kennwerte bestimmen. Unabhängig davon,
weist das Minimalmodell Limitierungen bezüglich der modellierbaren Geometrien auf.
Insbesondere mehrfach gekrümmte Strukturen und Geometrien, die Wellenpfade außerhalb
der Grundplatte ermöglichen, lassen sich mit der im Rahmen dieser Arbeit entwickelten
Programmversion nicht abbilden. Entsprechende Geometrien können prinzipiell mit dem ge-
wählten Ansatz simuliert werden, was jedoch eine Anpassung des Raytracing-Modells und
der zugrundeliegenden Algorithmen erfordert. Die Beschränkung auf linienhafte Inhomoge-
nitäten lässt sich hingegen nur schwer aufheben. Flächige Inhomogenitäten können beliebig
komplex sein und stellen damit für jedes Simulationsverfahren eine Herausforderung dar.
Für das Minimalmodell in seiner aktuellen Form ist nur die Homogenisierung als Modellie-
rungsansatz umsetzbar. Ein alternativer Ansatz zur Abbildung flächiger Inhomogenitäten
und andere Möglichkeiten zur Verbesserung des Minimalmodells werden im folgenden
Ausblick diskutiert. Trotz der genannten Limitierungen können die Arbeitshypothesen und
damit auch die Forschungsthese als bestätigt angesehen werden.
7.2 Ausblick
Das in dieser Arbeit vorgestellte Minimalmodell stellt einen vollkommen neuartigen Ansatz
zur näherungsweise Vorhersage von Wellenausbreitungsvorgängen in Luftfahrtstrukturen
dar. Durch diese Neuartigkeit existiert eine Vielzahl an Variablen, deren Einfluss auf Genau-
igkeit und Effizienz des Verfahrens unbekannt ist. In dieser Arbeit kann nur ein kleiner Teil
dieser Einflussgrößen behandelt werden und es besteht ein entsprechend großes Potential
für weiterführende Untersuchungen und Verbesserungen dieser Simulationstechnik.
Die Berechnung von Zeitsignalen mit dem Minimalmodell erweist sich als effizienter
Ansatz, der insbesondere bezüglich Laufzeiten gute Ergebnisse liefert. Die Berechnung
von Amplituden ist dagegen deutlich fehleranfälliger. Die Ursachen hierfür sind nicht
im Simulationsansatz des Minimalmodells sondern im Pre-Processing zu suchen (siehe
Abb. 5.2 auf Seite 46). Eine deutliche Verbesserung der Genauigkeit der Ergebnisse ist zu
erwarten, wenn statt der
FEM
eine alternative Methode zur Berechnung der Interaktionspa-
rameter verwendet wird. Eine Auswahl an prinzipiell geeigneten Berechnungsverfahren
ist in Abschnitt 4.1 aufgeführt. Neben der zu erwartenden erhöhten Genauigkeit bieten
diese Verfahren zusätzlich spektrale Informationen sowohl bezüglich der Amplituden- als
auch der Phasenänderungen an der Unstetigkeit. In diese Arbeit wird angenommen, dass
Unstetigkeiten linienhaft sind, also keine Ausdehnung in Querrichtung haben und als Kon-
sequenz die Interaktionskennwerte unabhängig von der Richtung des Welleneinfalls sind.
Da Übergänge in realen Strukturen immer eine gewisse Ausdehnung besitzen, wäre es
sinnvoll diesen Einfluss in zukünftigen Arbeiten zu untersuchen. Hierbei ist sowohl der
Einfluss einer Approximation als Linie als auch eine eventuelle Richtungsabhängigkeit von
Interesse.
Auch die richtungsabhängige Materialdämpfung von
CFK
-Laminaten hat einen entschei-
denden Einfluss auf die Amplituden der Signale. Die verwendeten Kennwerte auf Basis von
Messwerten sind jedoch mangelhaft, da unter anderem nicht zwischen den Moden unter-
schieden wird. Die Bestimmung geeigneter Dämpfungswerte stellt ein generelles Problem
bei der Modellierung von Verbundmaterialien dar und ist nicht spezifisch für das Mini-
malmodell. Dennoch stellt sich die Frage, ob es möglich ist, die erforderlichen Kennwerte
zuverlässiger zu ermitteln. Denkbar ist neben einem analytischen Vorgehen, vergleichbar mit
dem in Abschnitt 6.3.3 erwähnten Ansatz, auch eine detailliertere experimentelle Analyse
des Dämpfungsverhaltens.
Das Minimalmodell selbst kann ebenfalls in vielen Aspekten verbessert werden. Dies
102
7.2 Ausblick
führt jedoch nicht primär zu einer Erhöhung der Genauigkeit, sondern ermöglicht eine
größerer Flexibilität bei der Modellierung und eine weiter gesteigerte Effizienz. Bereits
bei einer professionellen Umsetzung des bestehenden Programmcodes in einer höheren
Programmiersprache, wie C++, statt der verwendeten Skriptsprache Matlab, kann mit
einer erhöhten Simulationsgeschwindigkeit gerechnet werden. Weiterhin bestehen beim
Programmablauf des Minimalmodells Möglichkeiten zur Optimierung. Beispielsweise ver-
wendet der Raytracing-Algorithmus eine Vielzahl an Schleifen, deren Durchläufe einen
Großteil der Berechnungsdauer ausmachen. Dies kann unter Umständen auch mit Matrix-
operationen gelöst werden und den Prozess deutlich beschleunigen. Hierbei ist jedoch mit
einem Anstieg des Speicherbedarfs zu rechnen.
Einschränkungen des Minimalmodells bezüglich der abbildbaren Geometrien basieren
hauptsächlich auf dem beim Raytracing verwendeten 2D-Modell. Dieses erlaubt nur die
Wellenausbreitung in einer Ebene, wodurch keine Strukturelemente zulässig sind, die zu
Wellenpfaden außerhalb dieser Ebene führen. Ein Beispiel für ein solches Element ist der
Omega-Stringer in Abb. 4.1 auf Seite 28. Mit einem Wechsel von einem 2D-Modell zu
einem Flächenmodell könnte dieses Problem gelöst werden, ohne dass Leistungseinbußen
zu befürchten sind. Das Zusammenfügen einzelner zweidimensionaler Flächenelemente
im dreidimensionalen Raum erlaubt die Abbildung einer Vielzahl von Geometrien. Die
einzelnen Flächen entsprechen hierbei den in Abschnitt 5.3.2 beschriebenen Primitiven. Die
Flächen geben weiterhin plattenartige Strukturbereiche wieder, was das Flächenmodell von
einem vollwertigen 3D-Modell unterscheidet. Damit einhergehend ist es sinnvoll Primitive
nur noch nebeneinander anzuordnen. Im bisher verwendeten 2D-Modell liegen diese häufig
übereinander, was eine Zuordnung eines Strahls zu einem Primitiv deutlich erschwert,
sobald der Strahl aus einem Primitiv austritt. Für ein so aufgebautes Modell muss die
Verbindung benachbarter Primitive als zusätzliche Topologieinformation hinterlegt sein.
Zusätzlich sind für ein solches Flächenmodell Interaktionskennwerte zu definieren, die
Unstetigkeiten mit mehreren angrenzenden Primitiven wiedergeben.
Der bisherige Ablauf des Raytracing erfordert für jede Sensorposition, an der Signale
berechnet werden sollen, einen kompletten Durchlauf des Minimalmodells (siehe Abb. 5.5
auf Seite 55). Hierdurch ist eine Berechnung vieler Signale innerhalb einer Struktur sehr zeit-
aufwändig. Die Definition mehrerer Sensoren in einem Durchlauf ist nicht empfehlenswert,
da diese als Primitive modelliert sind und zu einer Verdeckung von Pfaden führen können.
Eine Alternative ist der komplette Verzicht auf eine Modellierung der Sensoren. Stattdessen
kann im Anschluss an das Raytracing für jeden Strahl der Abstand zu den Sensorpositionen
überprüft werden. Liegt dieser Abstand unterhalb einer zu definierenden Toleranz, ergibt
sich ein neuer Pfad.
Die Abbildung flächiger Inhomogenitäten mit dem Minimalmodell ist möglich, wenn
die relevante Eigenschaft innerhalb dieser Fläche mit einer stetigen Funktion beschrieben
werden kann. Ein Beispiel hierfür ist eine kontinuierliche Dickenänderung. Tritt ein Strahl
während des Raytracings in eine solche Inhomogenität ein, muss der Strahlverlauf innerhalb
der Fläche mit einem Zeitschritt-basierten Variante des Raytracings bestimmt werden. Der
Einsatz eines so angepassten Raytracings führt zu weiteren Fragestellungen, wie etwa die
Wahl einer geeigneten Zeitschrittweite. Als Resultat eines solchen Verfahrens ergibt sich
innerhalb der Inhomogenität ein gekrümmter Strahlverlauf, der aus geraden Segmenten
zusammengesetzt ist. Die zusätzliche Segmentierung eines Pfads erfordert während der Sig-
nalsynthese einen zusätzlichen Rechenschritt pro Segment. In Abhängigkeit der gewählten
Zeitschrittweite kann dies einen deutlichen Anstieg des Rechenaufwands bedeuten. Folg-
lich ist der Einsatz eines Zeitschritt-basierten Raytracings mit Hinblick auf eine maximale
Effizienz des Minimalmodells zu vermeiden. Stattdessen sollten inhomogene Flächen nach
Möglichkeit homogenisiert oder alternative Ansätze gesucht werden.
103
A Kennwerte der Platten und Wandler
A.1 Materialdaten
Die Kennwerte der Materialien in Tabelle A.1 werden sowohl für die FEM-Simulationen als
auch die Berechnung der Dispersionseigenschaften der Platten verwendet. Die Kennwerte
des piezoelektrischen Materials PIC255 in Tabelle A.2 sind nur für die Modellierung von
Aktoren in der numerischen Simulation relevant.
Material ρ E1E2=E3ν12=ν13 ν23 G12 =G13 G23
HexPly UD
M21 34% T800S 1,579 171,15 7,32 0,275 0,353 4,84 2,70
Aluminium 2,7 70 0,34
Matrixharz
(Duromer) 1,272 3 0,3
Kohlefaser
Toray T800S 1,804 294 8 0,256 0,3 27,3
Tabelle A.1:
Plattenmaterialien (
E
und
G
in GPa,
ρ
in g/cm
3
)
Cij [GPa] ei j [N/Vm]
i,j 1 2 3 4 5 6 1 2 3
1 123,0 76,70 70,25 0 0 0 0 0 -7,15
2 76,70 123,0 70,25 0 0 0 0 0 -7,15
3 70,25 70,25 97,11 0 0 0 0 0 13,70
4 0 0 0 23,15 0 0 0 0 0
5 0 0 0 0 22,26 0 0 11,9 0
6 0 0 0 0 0 22,26 11,9 0 0
(a)
Steifigkeit
C
und piezoelektrischer Ladungsmodul
e
ij [-] ρ[kg/m3]
i,j 1 2 3
1 930 0 0 7800
2 0 930 0
3 0 0 857
(b)
relative elektrische Permeabilität
e
und Dichte
ρ
Tabelle A.2:
Kennwerte des piezokeramischen Werkstoffs PIC255
polarisiert in Dickenrichtung 3, Kleinsignalbereich
105
A Kennwerte der Platten und Wandler
A.2 Laminataufbau
Für die Verifikation der vorgestellten Berechnungsansätze werden neben zwei Aluminium-
sechs
CFK
-Platten verwendet. Der Laminataufbau und die resultierende Plattendicke der
CFK
-Platten sind in Tabelle A.3 gelistet. Von diesen besitzt nur die Platte CFK06 eine Inho-
mogenität. Die Unstetigkeit in Form einer Dickenänderung wird durch eine Verdoppelung
des Laminats auf der rechten Plattenhälfte realisiert. Die Platten CFK01, CFK06 und CFK10
sind quasi-isotrop aufgebaut, während die restlichen drei Platten CFK02, CFK03 und CFK04
Laminate mit stärkerer Anisotropie besitzen. Das Laminat der linke Hälfte der Platte CFK06
entspricht dem der Platte CFK01.
Bezeichnung Laminataufbau Dicke [mm]
CFK01 [-4504590]s1,02
CFK02 [ 090090]s1,02
CFK03 [ 0-60060]s1,02
CFK04 [ 0300-30]s1,02
CFK06 (links) [-4504590]s1,02
CFK06 (rechts) [-4504590]2s2,04
CFK10 [-4590450450-4590]s2,04
Tabelle A.3:
Laminataufbau der CFK-Platten aus HexPly UD M21 34% T800S
A.3 Wellenfelder auf der Platte CFK06
In Abschnitt 6.3.3 erfolgt ein Vergleich von mit dem Minimalmodell berechneten und mit
einem Laservibrometer gemessenen Signalen. Dieser Abgleich basiert auf bestimmten Merk-
malen der Wellenpakete, wie zurückgelegter Strecke, Laufzeit und Wellenmode. Während
diese Daten im Minimalmodell zusätzlich zu den eigentlichen Signalen in den Ergebnis-
sen vorhanden sind, müssen vergleichbare Informationen manuell aus den Messungen
bestimmt werden. Hierzu werden Videos der flächigen Wellenausbreitung ausgewertet.
Um die Nachvollziehbarkeit der im entsprechenden Abschnitt getroffenen Aussagen zu
gewährleisten, sind in Abb. A.1 und A.2 Momentaufnahmen in einem Abstand von 50
µ
s
dargestellt.
106
A.3 Wellenfelder auf der Platte CFK06
0 440 880
580
220 660
0
y [mm]
x [mm]
(a)
50
µ
s
0 440 880
580
220 660
0
y [mm]
x [mm]
(b)
100
µ
s
0 440 880
580
220 660
0
y [mm]
x [mm]
(c)
150
µ
s
0 440 880
580
220 660
0
y [mm]
x [mm]
(d)
200
µ
s
0 440 880
580
220 660
0
y [mm]
x [mm]
(e)
250
µ
s
0 440 880
580
220 660
0
y [mm]
x [mm]
(f)
300
µ
s
0 440 880
580
220 660
0
y [mm]
x [mm]
(g)
350
µ
s
0 440 880
580
220 660
0
y [mm]
x [mm]
(h)
400
µ
s
Abbildung A.1:
Experimentell bestimmte Momentaufnahme der Wellen-
ausbreitung bei Anregung auf der linken Plattenhälfte 107
A Kennwerte der Platten und Wandler
0 440 880
580
220 660
0
y [mm]
x [mm]
(a)
50
µ
s
0 440 880
580
220 660
0
y [mm]
x [mm]
(b)
100
µ
s
0 440 880
580
220 660
0
y [mm]
x [mm]
(c)
150
µ
s
0 440 880
580
220 660
0
y [mm]
x [mm]
(d)
200
µ
s
0 440 880
580
220 660
0
y [mm]
x [mm]
(e)
250
µ
s
0 440 880
580
220 660
0
y [mm]
x [mm]
(f)
300
µ
s
0 440 880
580
220 660
0
y [mm]
x [mm]
(g)
350
µ
s
0 440 880
580
220 660
0
y [mm]
x [mm]
(h)
400
µ
s
Abbildung A.2:
Experimentell bestimmte Momentaufnahme der Wellen-
ausbreitung bei Anregung auf der rechten Plattenhälfte
108
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Book
Das Buch führt gründlich und umfassend in das Gebiet des Konstruierens mit Faserverbundwerkstoffen ein. Er behandelt die Werkstoffkunde, die Elastostatik und die Festigkeitslehre dieser Werkstoffklasse ebenso wie Entwurfsmethoden und Verbindungstechniken. Im Vordergrund stehen die mechanisch-mathematischen Verfahren zur Dimensionierung und Gestaltung hoch belastbarer Laminate. Die Herleitung grundlegender Zusammenhänge sowie eine Vielzahl detaillierter Abbildungen unterstützen die praktische Anwendbarkeit. Die zweite Auflage wurde um Regeln zur leichtbaugerechten Gestaltung von Faserverbundstrukturen ergänzt. Ein neues Kapitel zeigt besondere konstruktive Möglichkeiten auf, die sich nur mit Faser-Kunststoff-Verbunden realisieren lassen. Das Buch ist geschrieben für Ingenieure aus den Bereichen Luft- und Raumfahrttechnik, Automobilbau und Kunststofftechnik, ebenso für Studierende an Universitäten und Fachhochschulen, die sich mit dem konstruktiven Leichtbau beschäftigen.
Thesis
Die vorliegende Arbeit ist thematisch in das wissenschaftliche Umfeld der zerstörungsfreien Prüfung und Strukturüberwachung von Faserverbundstrukturen einzuordnen. Nach gegenwärtigem Stand der Forschung existieren vielfältige Ansätze zur kontinuierlichen Strukturüberwachung. Diesen ist jedoch gemein, dass sie nur bedingt in der Lage sind, Schäden in komplexen Strukturen präzise zu lokalisieren. In dieser Arbeit wird die Anregung und Erfassung von Lambwellen genutzt, um anhand deren Ausbreitung auf Orte in der Struktur zu schließen, an denen diese Wellen mit Steifigkeitsübergängen interagieren. Das Ausbreitungsverhalten von Lambwellen ist in komplexen Faserverbundstrukturen orts- und richtungsabhängig. Der Kern dieser Arbeit besteht in der Hypothese, dass es die Kombination aus einer örtlich verteilten Erfassung der Wellenausbreitung, einer Signalverarbeitung, einer Laufzeitberechnung unter Berücksichtigung der orts- und richtungsabhängigen Ausbreitungsgeschwindigkeiten und eines darauf basierenden Rekonstruktionsansatzes ermöglicht, auch in komplexen Strukturen Interaktionsorte der Wellen abzubilden. Basierend auf dieser Hypothese wird zunächst ein Laservibrometriesystem entwickelt, mit dem sich die Wellenausbreitung mit hoher räumlicher Auflösung schnell und berührungsfrei erfassen lässt. Zur Validierung der räumlichen Erfassung der Probenauslenkung wird ein Referenzsystem entwickelt, welches durch Piezoaktuatoren definierte Auslenkungen im relevanten Frequenzbereich erzeugt und Messungen aus einer Vielzahl von Einfallswinkeln ermöglicht. Ein sog. Matching Pursuit Algorithmus wird aufbauend auf Literaturangaben derart weiterentwickelt und optimiert, dass er es ermöglicht, in gemessenen Signalen einzelne Wellenpakete zu identifizieren und diese mit wenigen Parametern in guter Näherung abzubilden. Mit den gewonnenen Informationen lassen sich einzelne Wellenpakete durch kürzere Pulse ersetzen, was eine höhere räumliche Auflösung der nachfolgenden Lokalisierung von Interaktionsorten ermöglicht. Die Lokalisierung der Orte, an denen Lambwellen mit der Struktur interagieren, basiert auf einem Rekonstruktionsansatz, welcher in ähnlicher Form auch in der konventionellen Ultraschallprüfung zur Anwendung kommt. Anhand der per Laservibrometer erfassten Signale wird für definierte Rekonstruktionsorte auf der Struktur eine Art Wahrscheinlichkeit dafür ermittelt, dass an diesen Orten Interaktionen stattfinden. Dies erfolgt durch Überlagerung und Projektion zeitlich verschobener Signale. Die Rekonstruktion wird zunächst anhand einfacher Strukturen entwickelt und validiert und es werden einzelne Aspekte zur Optimierung des Rekonstruktionsergebnisses näher betrachtet. Die Übertragung der Rekonstruktion auf komplexe Strukturen erfordert vor allem eine Laufzeitberechnung, welche orts- und richtungsabhängige Geschwindigkeiten berücksichtigen kann. Es wird ein Algorithmus entwickelt, welcher hierzu in der Lage ist. Dieser wird näher charakterisiert und experimentell validiert. Abschließend werden die zuvor weitgehend isoliert betrachteten Teilaspekte kombiniert und ihre Anwendung an einer CFK-Platte demonstriert. Die Platte besteht aus zwei Teilbereichen mit jeweils unterschiedlichen Laminataufbauten, welche durch eine Rampe voneinander getrennt sind. Das abschließende Beispiel validiert die Forschungshypothese im Rahmen der in dieser Arbeit betrachteten Parameter und Beispiele.
Thesis
Methoden der strukturellen Zustandsüberwachung (Structural Health Monitoring, kurz SHM) werden in verschiedenen industriellen Bereichen eingesetzt. Eine wichtige Gruppe von SHM-Verfahren basiert auf geführten Wellen in Platten und plattenähnlichen Strukturen. Hierbei werden auf der Plattenoberfläche applizierte piezoelektrische Wandler zur Anregung und zum Empfang eingesetzt. Geführte Wellen breiten sich großflächig aus und interagieren dabei mit strukturellen Inhomogenitäten und Schäden. Durch das Sensornetzwerk können Veränderungen der Wellenausbreitung gemessen werden. Eine geeignete Auswertung der Sensorsignale ermöglicht eine Detektion und Lokalisation von Strukturschäden. Eine wesentliche Herausforderung bei der Planung der Sensornetzwerke besteht in der optimalen Auslegung von Aktuatoren und Sensoren unter Berücksichtigung anwendungsspezifischer Bedingungen. Dies betrifft ihre Anzahl, Position, Form und Materialeigenschaften. Bisherige Ansätze basieren z. B. auf einer konstanten oder iterativ steigenden Sensordichte. Durch Simulationen der Wellenausbreitung wird die Wahrscheinlichkeit einer Schadensdetektion bestimmt. Die Sensordichte wird erhöht, bis die Detektionswahrscheinlichkeit einen vordefinierten Schwellenwert erreicht. In der vorliegenden Arbeit wird eine neuartige Methodik zur Auslegung von Sensoren und Sensornetzwerken für SHM-Systeme vorgestellt. Hierfür wird ein Verfahren entwickelt, welches mittels luftgekoppelter Ultraschallprüftechnik ermittelte Aufzeichnungen der Wellenausbreitung dazu verwendet, die Signale von realen, auf dem Bauteil applizierten Sensoren zu berechnen. Durch die Verwendung validierter Messdaten der Wellenausbreitung wird gegenüber rein simulativen Methoden eine prinzipiell höhere Realitätsnähe erreicht. Die Messdaten werden mit einem kontinuumsmechanischen Modell und Methoden der Mustererkennung kombiniert, um das dreidimensionale Wellenfeld zu rekonstruieren. Störende Einflüsse der Wellenabstrahlung werden weitgehend kompensiert. Die Verformungen werden auf ein numerisches Sensormodell übertragen, um dessen Antwortsignal zu bestimmen. Die Sensorsignale werden damit auf eine simulativ-experimentelle Weise ermittelt, ohne dass zeitaufwendige Versuchsreihen notwendig sind. Durch die Optimierung einzelner Sensoren an diskrete Eigenschaften der Struktur und der Wellenausbreitung können vollständige Sensornetzwerke ausgelegt werden.
Conference Paper
The Structural Health Monitoring (SHM) technique Acousto Ultrasonics is based on a permanently installed piezoelectric transducer network. A reliable and effective transducer installation procedure shall be developed so that SHM represents a feasible alternative to the currently used Non-Destructive Testing (NDT) in Aircraft. A co-bonding procedure has been considered for transducer installation as a time and cost efficient method, while arising additional requirements regarding the transducer properties and the manufacturing processes. This paper focuses on the mechanical durability of DuraAct™ piezoelectric patch transducers, which have been co-bonded on Carbon-Fiber Reinforced Polymer (CFRP) plates. The samples were tested in quasi-static and cyclic loading conditions at different loading levels. The degradation of the DuraAct™ piezoelectric transducers is assessed by means of three monitoring methods: The electro-mechanical impedance spectrum, the charge issued from the direct piezoelectric effect when the piezoelectric transducers undergo mechanical deformation and the guided ultrasonic waves sent and received by the transducers.
Conference Paper
Structural Health Monitoring (SHM) based on Lamb waves, a type of ultrasonic guided waves, is a promising method for in-service inspection of composite structures. In this study mode selective actuators and sensors are investigated to excite a particular Lamb wave mode in composite plates. The actuator and sensor exhibit an interdigital transducer design. In order to describe the complex displacement fields of