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Antike Sudan
Der
Mitteilungen der Sudanarchäologischen Gesellschaft zu Berlin e.V.
Heft 30 • 2019
Der Antike Sudan Heft 30 • 2019
Colour fig. 5: Section of missing plaster on the outer west wall of the Apedemak Temple (photo: Cornelia Kleinitz).
Colour fig. 6: 3D plan of the Natakamani temple at Abu Erteila (Made by M. Lebedev).
Mitteilungen der
Sudanarchäologischen
Gesellschaft zu Berlin e.V.
Heft 30
2019
Impressum MittSAG 30
ISSN 0945-9502
Der antike Sudan. Mitteilungen der Sudanarchäologischen Gesellschaft zu Berlin e.V.
Kurzcode: MittSAG
Heft 30 | 2019
Herausgeber: Sudanarchäologische Gesellschaft zu Berlin e.V.
c/o Humboldt-Universität zu Berlin
Institut für Archäologie
Archäologie und Kulturgeschichte Nordostafrikas
Unter den Linden 6 | 10099 Berlin
Verantwortlich für die Herausgabe: Angelika Lohwasser
Wissenschaftlicher Beirat: Julia Budka, München | David Edwards, Leicester
Jochen Hallof, Würzburg | Friederike Jesse, Köln
Layout und Satz: Frank Joachim
Erscheinungsort: Berlin
Internetpräsenz: www.sag-online.de
Bankverbindung der SAG: Deutsche Bank AG
BIC DEUTDEDBBER
IBAN DE36 1007 0024 0055 5508 00
Die Zeitschrift Der Antike Sudan (MittSAG) erscheint einmal im Jahr.
Die in den Beiträgen geäußerten Ansichten geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder.
Die „Richtlinien für Autoren“ finden Sie unter www.sag-online.de, wir senden sie auf Anfrage auch gerne zu.
© 2019 Sudanarchäologische Gesellschaft zu Berlin e.V.
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Gesellschaft.
Sudanarchäologische Gesellschaft zu Berlin e.V.
Angesichts der Tatsache, dass die globalen wirtschaftlichen, politischen und ökologischen Probleme auch zu
einer Gefährdung der kulturellen Hinterlassenschaften in aller Welt führen, ist es dringend geboten, gemein-
same Anstrengungen zu unternehmen, das der gesamten Menschheit gehörende Kulturerbe für künftige
Generationen zu bewahren. Eine wesentliche Rolle bei dieser Aufgabe kommt der Archäologie zu. Ihre
vornehmste Verpflichtung muss sie in der heutigen Zeit neben der Forschung darin sehen, bedrohte Kultur-
denkmäler zu pflegen und für ihre Erhaltung zu wirken sowie ihr Wissen mit der Öffentlichkeit zu teilen.
Die Sudanarchäologische Gesellschaft zu Berlin e.V. setzt sich für den Kulturerhalt im Sudan ein, indem
sie konservatorische Arbeiten fördert, archäologische Ausgrabungen unterstützt sowie die Dokumentation,
Publikation und Präsentation von archäologischen Orten und Objekten ermöglicht. Wenn die Arbeit der
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2019 Inhaltsverzeichnis
Übersichtskarte .................................................................................................................................................. 4
Editorial .............................................................................................................................................................. 5
Nachrichten aus Musawwarat
Cornelia Kleinitz
The 2016/17 field season at Musawwarat es-Sufra (Sudan): From conservation planning,
applied conservation and protection measures to archaeological and social anthropological research ....... 7
Cornelia Kleinitz
The Sudan Archaeological Collection & Archive at Humboldt-Universität zu Berlin:
History, components and perspectives ............................................................................................................ 35
Fritz-Hintze-Vorlesung
Vincent Rondot
From Musawwarat to Meroitic Imagery – From virtual Meroitic Museum to Encyclopaedia ................. 61
Aus der Archäologie
Ahmed Hamid Nassr & Modather Abdallah Jadain
Archaeological investigations of the Sabaloka East Project seasons 2017 – 2018, Sudan ........................... 71
Hassan Mustafa Alkhidir
Archaeological surveys and excavations at site Jebel El-Khazna (F06)
in the Fifth Cataract region, Sudan – A preliminary report ........................................................................ 87
Mohammed Alfatih Hayati
A Test Pit at the Site of Goz El-Shor – Middle of the Gezira Reach-South of Khartoum, Sudan ......... 103
Ladislav Varadzin, Lenka Varadzinová, Dorian Q. Fuller, Hamad Mohamed Hamdeen
Unknown hafir at Jebel Shaqadud: new evidence on water management in central Sudan .................. 111
Mariusz Drzewiecki & Aneta Cedro
Recent research at Jebel Umm Marrahi (Khartoum Province) ................................................................. 117
Jana Eger & Tim Karberg
Neue Forschungen in Nord-Kordofan
Vorbericht über die Feldkampagnen des InterLINK-Projektes der Jahre 2017 und 2018 ...................... 131
Jana Helmbold-Doyé
Islamische Flaschen, Näpfe und Gutran-Öl (Tar) aus dem Wadi Abu Dom ........................................... 147
Ibrahim Mohamed Ahmed Ali
The Influence of Islam on Darfur Architecture .......................................................................................... 159
Varia
Mattias Karlsson
“The City of the Kipkip-Speech”? Kipkipi in Ashurbanipal’s Inscriptions ............................................... 175
Eleonora Kormysheva
Comparative analysis of the iconographical program of the sacred stands
from the temples of Abu Erteila and Wad Ben Naga ................................................................................. 181
Alexey K. Vinogradov
Dwarf on Bird. A curious representation of Bes. ........................................................................................ 207
Nachruf
William (Bill) Yewdale Adams (1927 – 2019) .............................................................................................. 211
Nachruf
Helmar Heyken (1951 – 2018) ..................................................................................................................... 213
Übersichtskarte MittSAG 30
4
2019 Aus der Archäologie
131
Jana Eger & Tim Karberg
Neue Forschungen in Nord-Kordofan
Vorbericht über die Feldkampagnen des InterLINK-
Projektes der Jahre 2017 und 2018
1. Einleitung
An dem DFG-Schwerpunktprogramm 2143
„Entangled Africa“ beteiligt sich die Westfälische
Wilhelms-Universität Münster mit einem eigenen
Projekt, das im sudanesischen Bundesstaat Nord-
Kordofan angesiedelt ist. Das Forschungsprojekt
„InterLINK – Interregional Linkage Investigations
in Northern Kordofan“ der Forschungsstelle Alter
Sudan erforscht mögliche Verbindungen zwischen
den antiken und mittelalterlichen Kulturen des Nil-
tals und ihren näheren und ferneren Nachbarn im
Westen. Hierbei soll der Frage nachgegangen wer-
den, ob und in welchem Umfang Staaten wie das
napatanische und meroitische Reich bzw. die mittel-
alterlichen Staaten Makuria oder Alwa in ihre west-
liche Peripherie ausgriffen, und welche Kontakte
mit den frühen Kulturen Kordofans, Darfurs sowie
des Tschad-Beckens hierbei entstanden. Im Rahmen
dieser Forschungsarbeiten sollen die kuschitischen
und nubischen Kulturen nicht nur als entlang einer
gedachten Nord-Süd-Achse orientierte Niltalkul-
turen, sondern auch als „sudanische“ Sahelkultu-
ren begriffen werden, die in eine Ost-West-Achse
kultureller und ökonomischer Austauschprozesse
eingebunden waren.1
In den Jahren 2017 und 2018 führte das Projekt
zwei Vorkampagnen durch,2 die in diesem Vorbe-
1 Der Begriff „sudanisch“ wird hier im Sinne Khider Abdel-
karim Ahmeds verwendet.
2 Die erste der beiden Vorkampagnen wurde aus Mitteln des
Forschungspreises der Westfälischen Wilhelms-Universi-
tät Münster finanziert, der 2016 an Angelika Lohwasser
verliehen wurde. Diese Vorkampagne diente unter anderem
der Gewinnung von ausreichend Informationen über die
archäologischen und politisch-organisatorischen Gege-
benheiten in Nord-Kordofan, um den Antrag auf DFG-
Sachmittelbeihilfe im Rahmen des SPP 2143 abschließen zu
können. Nachdem dieser im Sommer 2018 bewilligt wurde,
konnte die zweite Vorkampagne im Jahr 2018 bereits aus
Mitteln des SPP-Projektes „InterLINK“ finanziert wer-
den.
Die Autoren danken Angelika Lohwasser (WWU Müns-
ter) für die Möglichkeit, das Projekt „InterLINK“ durch-
richt vorgestellt werden. Die erste hatte den Jebel
al-Ain im Norden des Konzessionsgebietes zum
Ziel,3 die zweite den Jebel Haraza im Süden des
Konzessionsgebietes.4 Bereits zuvor, im Jahre 2011,
hatten die Autoren am Rande der damaligen dritten
Feldkampagne der Universität zu Köln in Gala Abu
Ahmed (Wadi Howar) eine kurze Erkundungsfahrt
an den zwischen Wadi Howar und Wadi Melek gele-
genen Jebel al-Ain unternommen.5 Bei dieser Gele-
genheit wurde ein christlicher Komplex (FJE2010-1)
mit einer Kirche aus Sandstein sowie zugehörigen
Nebengebäuden und Friedhöfen entdeckt. Bei dem
Gebäudeensemble handelt es sich vermutlich um
eine Klosteranlage.6
Die Autoren betreten mit Ihren Forschungen
Neuland, denn archäologische Untersuchungen fan-
den in Kordofan bisher nur vereinzelt statt. Im Jahr
1928 wurde die Ruinenstadt Zankor nahe dem Ober-
lauf des Wadi Melek durch den britischen Koloni-
albeamten A. Penn entdeckt.7 Bereits im Jahr 1923
war der Forscher D. Newbold nach Berichten orts-
ansässiger Kababisch auf die kleinere, weiter nörd-
zuführen, Loai Shamsalola (NCAM) und Mohammed el-
Toum (NCAM) für ihre organisatorische Unterstützung,
sowie Huweida Mohammed Adam Ahmed (University of
Khartoum) für ihre kollegiale Zusammenarbeit.
3 Diese Kampagne wurde vom 13. bis zum 20.10.2017 durch-
geführt. Das Surveyteam bestand neben den Autoren aus
Loai Shamsalola (Archäologe, NCAM), Mohammed
el-Toum (Archäologe, NCAM), Hitham (Mechaniker),
Mohammed (Scout) sowie Ahmed (Tourist and Antiquities
Police).
4 Diese Kampagne wurde vom 3. bis zum 10.11.2018 durch-
geführt. Das Surveyteam bestand neben den Autoren aus
Loai Shamsalola (Archäologe, NCAM), Sebastian Eschen-
bach (Kameramann), Itham (Tourist and Antiquities Poli-
ce) sowie Mohammed (Mechaniker).
5 Das Surveyteam bestand neben den Autoren aus Wolf-
gang Mackowiak (Mechaniker) und Natascha Mathyschok
(Archäologin). Die Autoren danken der Leiterin des DFG-
Projektes „An den Grenzen der Macht“, Friederike Jesse,
für die Möglichkeit, diesen Survey während der Grabungs-
arbeiten in Gala Abu Ahmed durchzuführen.
6 Eger, 2011.
7 Penn, 1931.
Aus der Archäologie MittSAG 30
132
lich liegende Ruinenstätte Abu Sufyan gestoßen.8
Danach fanden für lange Zeit keine archäologischen
Forschungen in Kordofan mehr statt. Erst in den Jah-
ren 2002 – 2005 wurden unter der Leitung von Bri-
gitte Gratien im Bereich der Städte Zankor und Abu
Sufyan Prospektionen durchgeführt.9 Diese berühr-
te zwar nur einen kleinen Teil der ausgedehnten
Ruinenstätten, kamen allerdings zu dem Ergebnis,
dass (insbesondere hinsichtlich der dokumentierten
Keramik) hier eine vom Niltal deutlich zu differen-
zierende Kultur vorliegt.10 Neben den französischen
Forschungen wurde in der Umgebung von Sodiri,
ebenfalls im Bereich des Oberlaufs des Wadi Melek,
im Jahre 2011 eine einzelne Survey-Kampagne durch
eine Joint Mission der Universität Poznań und der
sudanesischen NCAM durchgeführt, die Ergebnisse
bislang jedoch nicht publiziert.11
Auch das Gebiet um den Jebel Haraza fand
bereits ein gewisses wissenschaftliches Interesse,
jedoch nicht im engeren archäologischen Sinne.
Über die Region arbeitende Historiker maßen dem
Jebel Haraza eine signifikante Bedeutung für die
Geschichte Kordofans (und der nubischen Sprach-
landschaft allgemein) zu.12 Dabei kam zwei Fakto-
ren besondere Bedeutung zu: Zum einen der Exis-
tenz einer (wahrscheinlich im Verlauf des späten 19.
Jahrhunderts ausgestorbenen) Haraza-Nubischen
Sprache, die – ungeachtet ihrer nur wenig erforschten
8 Newbold, 1924, 78-80.
9 Gratien, et al., 2013, 3-4.
10 Gratien, et al., 2013, 155.
11 Elmirghani & Drzewiecki, 2011.
12 Hesse, 2002, 19-22; Spaulding, 1998, 46-49.
sprachlichen Struktur und Lexik
– eher aus geographischen als
aus linguistischen Gründen als
mögliches Bindeglied zwischen
verschiedenen heute im südli-
cheren Kordofan und Darfur
sowie im Niltal anzutreffenden
nubischen Sprachen betrachtet
wurde.13 Zum anderen orale
Traditionen, die in der Region
ein lokales Zentrum für Eisen-
produktion sahen, was sich
unter anderem auch in Ortsbe-
nennungen (Jebel Abu Hadid)
niederschlägt. Auch wenn diese
Überlieferungen wohl kaum
früher als in die Zeit des 18.
Jahrhunderts zurück weisen,
wurde aus ihnen auch für frü-
here Epochen eine Bedeutung
der Region für die Verbreitung
der Eisenverhüttung postuliert.14 Eine über das
Studium schriftlicher und mündlicher Quellen hin-
ausgehende Überprüfung dieser Ideen anhand des
materiellen Befundes im Gelände fand jedoch bisher
niemals statt.
Angesichts dieser Ausgangslage erschien die Ent-
deckung des oben genannten christlichen Komple-
xes als eine große Überraschung. Waren bis dahin
frühe Überlegungen15 zu einem weiten Ausgriff der
mittelalterlichen nubischen Staaten Makuria oder
Alwa in Richtung Westen eher als Spekulation und
nicht durch Belege der materiellen Kultur gedeckt
betrachtet worden,16 so belegte dieser Komplex erst-
mals eindeutig ein so weites Ausgreifen des nubi-
schen Christentums nach Westen.17
2. Die Erkundungskampagne 2017 zum
Jebel al-Ain
Im weiteren Umkreis um den genannten christli-
chen Komplex konnten im Satellitenbild zahlrei-
che weitere potentielle archäologische Fundplätze
ausgemacht werden,18 darunter zahlreiche Fried-
höfe sowie Rundstrukturen (Abb. 1). Diese ähneln
sowohl in ihrer Anlage als auch ihrer Platzierung
13 Spaulding, 1998, 48.
14 Hesse, 2002, 30-31.
15 Arkell, 1936.
16 Anderson, 1999, 71-72.
17 Eger, 2019, 120.
18 Zur Anwendung von Fernerkundungsdaten in der Region
vgl. auch Eger, 2018.
Abb. 1: Fundplätze der Vorkampagne 2017 am Jebel al-Ain und Wadi Melek (Hinter-
grundkarte: OpenTopoMap)
2019 Aus der Archäologie
133
in der Landschaft Hafiren (Abb. 2), wie sie unter
anderem häufig in der Butana zu finden sind und dort
oft in die meroitische Zeit datiert werden.19 Da diese
Strukturen jedoch im bislang umfassendsten Kom-
pendium zum sudanesischen Hafirbau, der Disserta-
tion von Marion Hinkel, nicht vorkommen,20 wur-
den sie im Gelände aufgesucht, um die Identifikation
als Hafir zu bestätigen. Darüber hinaus waren ein
Friedhof mit gemischter Gräberstruktur, zwei klei-
nere Siedlungsplätze sowie ein kombinierter Fund-
platz mit Brunnen, Siedlungsresten und Gräbern
Ziel der Erkundungen.21
Neben inhaltlichen Fragen bestand ein weiterer
Zweck der Erkundungskampagne auch im Knüp-
fen von Kontakten zu regionalen administrativen
und wissenschaftlichen Partnern. Zu diesem Zweck
wurde in der Hauptstadt des Bundesstaates Nord-
Kordofan, El Obeid, ein Besuch beim regionalen
Ministerium für kulturelle Angelegenheiten sowie
bei der Leitung des örtlichen Shiekan-Museums
(zugleich Distriktskommissariat der NCAM für
Nord-Kordofan) durchgeführt und die Projektpläne
den örtlichen Verantwortlichen vorgestellt.
19 Hinkel M. , 2015, 115-117.
20 Hinkel M. , 2015, 151.
21 Dieser kombinierte Fundplatz ist grundsätzlich bereits
Friedrich Hinkel bekannt gewesen. Er gibt über die reine
Existenz von Überresten von Rundhütten jedoch keine
näheren Angaben (Hinkel F. W., 1979, 154-155), so dass
für die Vorbereitung auch hier im Wesentlichen auf Fer-
nerkundungsergebnisse zurück gegriffen werden musste.
2.1 Der Friedhof Fundplatz WM0222
Dieses Gräberfeld liegt auf der westlichen Hoch-
flutterrasse des Wadi Melek südlich des Jebel al-Ain.
Er zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Diver-
sität der unterschiedlichen Graboberbau-Formen
aus. Nach den ersten Beobachtungen scheint auch
eine gewisse chronologische Tiefe vorhanden zu
sein. Dies beruht jedoch auf Analogieschlüssen zu
Friedhofsstrukturen in anderen Teilen des Sudan,
beispielsweise der Bayuda,23 und muss noch durch
weitere Forschungen verifiziert werden.
Der Friedhof weist insgesamt 42 deutlich erhalte-
ne Graboberbauten auf. Diese können grob in drei
Kategorien eingeteilt werden: relativ steilwandige,
nach oben hin abgerundete „Zuckerhut-Tumuli“;
runde, flache Tumuli, sowie box graves. Eine funkti-
onale, kulturelle und/oder chronologische Differen-
zierung zwischen den steilwandigen und den flachen
Tumuli ist auf der Grundlage der bisherigen Beob-
achtungen noch nicht möglich. Aber es fällt jedoch
zumindest auf, dass der steilwandige Tumulustyp,
zumindest hinsichtlich des an der Geländeoberfläche
aufzufassenden Graboberbaus, deutliche Ähnlich-
keiten mit Grabformen weiter im Süden aufweist,
wie sie z.B. in der Umgebung der archäologischen
Fundplätze Zankor und Abu Sufyan dokumentiert
22 Abkürzungen: WM = Wadi Melek, JA = Jebel al-Ain, JHZ
= Jebel Haraza, JAH = Jebel Abu Hadid
23 Dort wies die Vergesellschaftung von Tumulusgräbern
und box graves in unmittelbarer räumlicher Nähe zu
einander auf eine längerfristige Nutzung des jeweiligen
Gräberfeldes (Karberg & Lohwasser, 2018), 70.
Abb. 2: Hafir JA02
Aus der Archäologie MittSAG 30
134
worden sind.24 Die flachen Tumuli weisen auf den
ersten Blick gewisse Ähnlichkeiten mit Grabformen
auf, die auch im Niltal vorkommen.25 Allerdings ist
die Struktur des ohne Grabungen dokumentierbaren
Graboberbaus in diesen Fällen so indistinktiv, dass
unklar bleibt, ob hier Hinweise auf einen Kultur-
transfer oder doch lediglich zufällige Parallelent-
wicklungen vorliegen. Recht eindeutig ist die Frage
eines Kulturtransfers aus dem Niltal und dessen
unmittelbarer Umgebung jedoch im Falle der box
graves zu beantworten (Abb. 3). Diese typisch christ-
liche Bestattungsform ist recht charakteristisch, und
sowohl im Niltal als auch der Bayuda gut belegt.26
Zumindest für die christlich geprägte Epoche ist also
von einem Ausgreifen bestimmter Elemente materi-
eller Kultur aus den Regionen des nubischen Niltals
bis ins mittlere Wadi Melek auszugehen.
24 Vgl. z.B. Gratien, et al., 2013, 67-69. Zwar sind ähnliche
Grabformen auch im Niltal und angrenzenden Gebieten
belegt (Borcowski & Welsby, 2012, 24, FC01a & FC01c)
und werden dort meist in die Kerma ancien- bis Kerma
moyen-Periode datiert (Borcowski & Welsby, 2012, 22).
Dort sind sie jedoch in topographischer Hinsicht anders
platziert (ridge graves, vgl. Karberg & Lohwasser, 2018,
56-59), und nicht wie in Nord-Kordofan mit anderen
(wahrscheinlich auch anders datierenden) Grabformen
auf demselben Gräberfeld agglomeriert.
25 Borcowski & Welsby, 2012, 18, FT03a.
26 Die hier vorliegende einfache Form wird von (Borcowski
und Welsby als FF03a bezeichnet (Borcowski & Welsby,
2012, 22-23).
2.2 Die Hafire (Fundplätze
WM03, JA02 und JA03)
Im Satellitenbild wurden insge-
samt drei Rundstrukturen rela-
tiv einheitlicher Ausmaße und
Struktur aufgefasst. Jede dieser
Strukturen weist einen Durch-
messer von ca. 70 m sowie zwei
unabhängige Durchbrüche auf.
Einer liegt auf der Hochflutter-
rasse direkt am Rande der Vege-
tationszone des Wadi Melek
(Fundplatz WM03), die anderen
beiden oberhalb der Waditer-
rassen im Bereich dendritischer
Khors, die vom Westabhang des
Jebel al-Ain aus in Richtung
Wadi Melek entwässern (Fund-
plätze JA02 und JA03).
Bei näheren Untersuchun-
gen am Boden erwiesen sich
alle drei Rundstrukturen als Hafire, die sich jedoch
aufgrund starker Erosion des Aufschüttungswalls
sowie Sedimentation des eigentlichen Hafirbeckens
im Geländerelief deutlich schwächer ausgeprägt
erwiesen als aufgrund der Fernerkundungsdaten
zunächst vermutet. Eine funktionale Identifikation
als Hafire erscheint sowohl aufgrund ihrer Bauform
als auch ihrer Lage innerhalb der lokalen Abflusssys-
teme jedoch zwingend. Weniger klar bleibt zunächst
die Datierung der Anlagen. Die Erosion und Sedi-
mentation (s.o.) sprechen für ein nicht unerhebliches
Alter. Ein weiteres Indiz ist die topographische Lage,
die unter heutigen Abflussbedingungen wahrschein-
lich zu wenig Oberflächenwasser für eine sinnvolle
wirtschaftliche Nutzung sammeln könnte.27 Daher
ist eher anzunehmen, dass diese Wasserspeicher zu
Zeiten günstigeren Vorkommens von Regen- und
Oberflächenwasser angelegt worden sind. Moder-
ne Hafirbauten, meist unter Einsatz technischen
Geräts, kommen zwar in Kordofan vielfach vor, so
weit im Norden erschien ihre Anlage unter heutigen
klimatischen Bedingungen jedoch nicht wirtschaft-
27 Hierbei ist jedoch zu bedenken, dass das Grenzgebiet
zwischen den sudanesischen Bundesstaaten Nord-
Kordofan und Shimaliya hinsichtlich der meteorologi-
schen Rahmenbedingungen und Geo-Hydrologie noch
wenig erforscht ist, so dass Annahmen über historisches
oder rezentes Wassermanagement in der Region fast nur
auf eigener Anschauung beruhen können. Geo-hydrolo-
gische und plaäoklimatologische Fragestellungen in der
Region sollen jedoch in das Projekt „InterLINK“ einbe-
zogen werden.
Abb. 3: Box grave auf dem Gräberfeld Fundplatz WM02
2019 Aus der Archäologie
135
lich.28 Ein drittes Indiz ist die
allgemeine Bauform. Rundha-
fire vergleichbarer Form und
Größe werden in anderen Tei-
len des Sudan häufig als typi-
sche Bauten der meroitischen
Epoche angesehen. Zwar kann
nur ein geringer Teil dieser vor
allem in der Butana/Keraba
häufig anzutreffenden Bauten
sicher datiert werden, die Fälle,
wo dies durch archäologische
Arbeiten möglich ist, sowie die
topographische Assoziierung
mit anderen typisch meroiti-
schen Befunden weisen jedoch
zumindest in diese Richtung.29
Zwar kommen auch in Kordo-
fan Hafirbauten vor, diese sind
allerdings nur weiter im Süden
belegt. Sie unterscheiden sich aber hinsichtlich Struk-
tur und Bauform deutlich von den hier dargestellten
Rundhafiren und werden nicht älter als in das 19.
Jahrhundert datiert.30
Ob jedoch eine Einordung der Hafire im Unter-
suchungsgebiet in den Gesamtkomplex meroiti-
schen Hafirbaus korrekt ist, kann nach derzeiti-
gem Kenntnisstand noch nicht gesagt werden, da
das in unmittelbarer Nähe geborgene Fundmaterial
keine eindeutige Datierung erlaubt. Die Frage, ob es
also bereits in meroitischer Zeit einen Kultur- und
Technologietransfer in die Region des Jebel al-Ain
gegeben hat, muss zukünftigen genaueren Untersu-
chungen überlassen bleiben.
2.3 Siedlungsplatz, Brunnen und Friedhof von
Bir al-Ain (JA05)
Der Siedlungslatz von Bir al-Ain ist, vom Grund-
satz her, bereits seit 1904 bekannt31 und wurde von
Friedrich Hinkel kurz erwähnt.32 Hier ist jedoch
nur sehr indifferent von „Rundhüttenresten“ sowie
einer Mauer die Rede. Die Struktur als größerer
Siedlungsplatz wurde bislang nicht dokumentiert.
Der Siedlungsplatz wurde während der Vorkam-
pagne 2017 aufgesucht und grob mit Hilfe von GPS
eingemessen. Es stellte sich heraus, dass er aus meh-
reren, teils in der Ebene, teils in Hanglage errichteten
28 Hinkel M. , 2015, 55-59.
29 Hinkel M. , 2015, 115-117.
30 Born, 1965, 79-82.
31 Gleichen, 1905, 211.
32 Hinkel F. W., 1979, 154-155.
Gebäuderesten unterschiedlicher Struktur besteht
(Abb. 4). Grob lassen sich die Siedlungsrelikte in
drei verschiedene Kategorien einteilen (Abb. 5):
Einzeln stehende Rundhütten, häufig in Hanglage;
durch Kraal-ähnliche Verbindungsmauern zu Bau-
komplexen zusammengefasste Rundhüttencluster,
oft auf flacheren Plateaus; sowie Reste von Bauten
auf rechteckigem Grundriss, meist im Bereich des
Jebel-Pediments. Die verschiedenen Gebäudekon-
zepte (sowohl hinsichtlich des Baukonzepts als auch
ihrer Lage im Gelände) legen nahe, dass hier eine
gewisse chronologische Tiefe der Siedlungsentwick-
lung abgebildet wird. Eine funktionale Differenzie-
rung der einzelnen Bauten erscheint jedoch ebenfalls
möglich.
Die Bucht, um die sich die Siedlung gruppiert,
wird heute durch eine Brunnenanlage dominiert,
die offensichtlich durch einen Aquifer gespeist wird,
der sich auf dem Gipfelplateau sammelndes Wasser,
konzentriert durch eine Khorbildung, entwässert.
Dieser Brunnen wird noch heute intensiv genutzt
(Abb. 6). Die Autoren trafen bei Ihren Erkundun-
gen vor Ort mehrere Gruppen von Pastoralisten
an, die den Brunnen zur Tränkung vor allem von
Ziegen nutzten. Untersuchungen im unmittelbaren
Bereich der Brunnenanlage waren jedoch noch nicht
möglich, von daher können auch keine Aussagen
zur möglichen chronologischen Tiefe des Brunnens
gemacht werden. Es ist jedoch aufgrund des Boden-
reliefs anzunehmen, dass hier bereits in früheren
Zeiten Abflusssituationen gegeben waren, die die
unmittelbare Umgebung zu einem lokalen Gunst-
raum machten. Diese Gunstraumlage könnte die
Anlage der für lokale Verhältnisse umfangreichen
Abb. 4: Lage des Fundplatzes JA05 (Siedlung von Bir al-Ain) im Gelände
Aus der Archäologie MittSAG 30
136
Siedlung an diesem Ort motiviert haben. Auch die
Anlage einer massiven Talquermauer, die Teile des
Siedlungsbereichs absperrt, machen weniger den
Eindruck einer Verteidigungsanlage für die Siedlung
selbst, sondern legen eher den Gedanken an eine
Regulierung des Zugangs zu den hier vorhandenen
Wasserressourcen nahe.
Hinweise zur absoluten
Chronologie des Fundplatzes
sind bislang spärlich. Innerhalb
der Siedlung selbst konnten an
der Geländeoberfläche keine
Funde geborgen werden, die
eine genauere zeitliche Einor-
dung erlauben. Einziger bishe-
riger Hinweis auf einen chrono-
logischen Ansatzpunkt ist ein
kleiner Friedhof aus box gra-
ves in unmittelbarer Nähe der
Siedlung. Diese Grabform wird
in der Regel mit dem christlich
geprägten nubischen Mittelalter
assoziiert. In diesem Zusam-
menhang ist auch die Bemer-
kung Hinkels von Interesse, „in
der Nähe“ der Rundhüttenreste
sei ein metallenes Kreuz gefun-
den worden.33 Leider macht Hinkel keine weiter
gehenden Angaben über die Fundumstände oder die
genaue Lage des Fundortes des Kreuzes.34
33 Hinkel F. W., 1979, 155.
34 Das Objekt wurde laut Hinkel (Hinkel F. W., 1979, 155)
unter der Nummer S.N.M. 7769 in die Sammlung des
Nationalmuseums Khartum inventarisiert, konnte durch
die Autoren jedoch bislang nicht eingesehen werden.
Abb. 6: Rezent genutzter Brunnen von Bir al-Ain
Abb. 5: Übersichtsplan der Siedlung von Bir al-Ain (Hintergrundkarte: OpenTopoMap)
2019 Aus der Archäologie
137
3. Die Erkundungskampagne
2018 zum Jebel Haraza und
Jebel Abu Hadid
Die Erkundungskampagne
2018 zum Jebel Haraza und
zum Jebel Abu Hadid wurde
ebenfalls auf der Grundla-
ge von satellitenbildbasierter
Fernerkundung durchgeführt.
Zwar fokussiert sich das Pro-
jekt InterLINK in seiner aktuel-
len Förderphase primär auf den
nördlichen Bereich des Unter-
suchungsgebietes um den Jebel
al-Ain und den Jebel Nagaschu-
sch. Da jedoch für eine spätere
Phase auch eine Erforschung der
südlich anschließenden Gebiete
zum Zweck der Rekonstruktion
möglicher historischer Verkehrswege sowie kultu-
rellen und politisch-administrativen Entanglements
mit den Nachbarkulturen vorgesehen ist, wurde eine
Prospektion zur Klärung erster inhaltlicher Anknüp-
fungspunkte und logistischer Fragen durchgeführt.
Die Fahrt führte zunächst zum Jebel Abu Hadid,
einem kleineren Felsmassiv im Süden des Untersu-
chungsgebietes (Abb. 7). Hier wurde ein größerer
Siedlungsplatz mit Resten von Terrassenfeldbau
dokumentiert. Anschließend führte die Expedi-
tion weiter zum Jebel Haraza. Auch dort wurde
ein Gebiet mit mehreren Siedlungsbereichen, einer
massiven Talquermauer sowie mehreren assoziierten
Friedhöfen begangen.
Abb. 7: Fundplätze der Vorkampagne 2018 am Jebel Abu Hadid (Hintergrundkarte:
OpenTopoMap)
Abb. 8: Übersichtsplan der Siedlungsagglomeration am Jebel Abu Hadid
Aus der Archäologie MittSAG 30
138
3.1 Siedlungsplätze und Terrassenfeldbau am
Jebel Abu Hadid (Fundplätze JAH01 – JAH05)
Im Satellitenbild wurde im Vorfeld der Gelände-
kampagne ein ausgedehnter aufgelassener Siedlungs-
platz ausgemacht, der aus mehreren Siedlungskernen
sowie terrassierten Flächen in Hanglage oberhalb
der eigentlichen Siedlungsflächen besteht (Abb. 8).
Die Siedlungsplätze gruppieren sich um ein Khor,
das die Hauptentwässerung des Jebel Abu Hadid
darstellt. Diese Gunstraumsituation könnte für die
Konzentration menschlicher Nutzung und Besied-
lung in der Vergangenheit ursächlich gewesen sein.
Die Terrassierungen grenzen relativ kleine
Bereiche in Hanglage ab und dienten offensicht-
lich landwirtschaftlichen Zwecken (Abb. 9). Eine
Datierung sowohl der Terrassen
als auch der unterhalb liegenden
Rundhütten-Siedlungen ist auf-
grund der bisher gewonnenen
Erkenntnisse noch nicht mög-
lich. Lediglich aus dem stark
erodierten Zustand der Instal-
lationen kann auf ein nennens-
wertes Alter geschlossen wer-
den. Ein weiteres Indiz ist die
Konstruktion einiger größerer
Rundhütten in einer Art einfa-
chem Zweischalenmauerwerk,
bei dem die äußeren Mauerscha-
len aus größeren Bruchsteinen
errichtet und dazwischen mit
kleineren Steinen gefüllt sind
(Abb. 10). Dieses Konstrukti-
onsprinzip ist z.B. auch aus der
Bayuda bekannt, und konnte
Abb. 9: Feldbauterrassen am Jebel Abu Hadid
Abb. 10: Rundbau mit einfachem Zweischalenmauerwerk am Jebel Abu Hadid
2019 Aus der Archäologie
139
dort in zumindest einem Fall in die Zeit des Mittel-
alters datiert werden.35 Es ist jedoch in keiner Weise
gesichert, ob es sich hierbei um eine exklusiv im
Mittelalter angewendete Technik handelte. Genauso
ist bislang unklar, ob zwischen dieser Bauweise in der
Bayuda und in Kordofan eine Verbindung besteht,
oder ob es sich um eine zufällige Parallelentwick-
lung handelt. Weitere Überlegungen betreffen den
Sinn der terrassierten landwirtschaftlichen Flächen.
Terrassenfelder werden heute in den Bergen des öst-
lichen Nord-Kordofan zwischen Jebel Abu Hadid
und Jebel Haraza (im Gegensatz z.B. zum heutigen
Darfur)36 nicht mehr genutzt. Ob klimatologische
oder sozio-ökonomische Faktoren für die Aufgabe
des Terrassenfeldbaus ausschlaggebend waren, soll
im weiteren Verlauf des Projektes InterLINK näher
untersucht werden.
3.2 Siedlungsplätze am Jebel Haraza (Fundplätze
JHZ01 – JHZ07 und JHZ09)
Am Westabhang des Jebel Haraza wurden ebenfalls
eine größere Anzahl von Siedlungskernen doku-
mentiert (Abb. 11 & 12), die auch hier aus teils ein-
zeln stehenden, teils durch Verbindungsmauern zu
Kraal-ähnlichen Clustern verbundenen Rundhütten
bestehen. Auch hier sind in den Hanglagen oberhalb
der Siedlungskerne zahlreiche aufgelassene, teilweise
stark erodierte landwirtschaftliche Terrassen vor-
handen (Abb 13 & 14). Trotz der beträchtlichen
Größe des Siedlungsclusters stellt die umgebende
Landschaft – im Gegensatz zu den am Jebel Abu
Hadid beobachteten Verhältnissen – keinen beson-
deren Gunstraum dar.
In diesem Zusammenhang ist auch eine massive
Talquermauer von Interesse. Diese liegt etwas abseits
der Hauptsiedlungen und erstreckt sich auf beiden
Seiten bis in die Hänge der umgebenden Hügel hin-
auf. Sie weist sowohl einen bis heute durch einen
Pfad durchquerten Durchlass in Form eines einfa-
chen Tores, als auch eine weitere Öffnung auf, durch
die ein kleines Khor durch die Absperrung fließen
kann (Abb. 15 & 16). Der Zweck dieser Mauer
ist bislang völlig unklar. Fortifikatorische Zwecke
können allerdings ausgeschlossen werden, da die
Mauer einen ansonsten unbebauten Talkessel von
der Außenwelt abschirmt.
Auch als besonderer Gunstraum ist dieser Tal-
abschnitt zumindest unter heutigen Bedingungen
nicht erkennbar. Die zahlreichen Rundhütten-Sied-
35 Karberg & Lohwasser, 2018, 46.
36 Hale, 1966.
lungskerne und ehemaligen Terrassenfelder liegen
vielmehr außerhalb des abgegrenzten Bereichs.
Trotz der unklaren Funktion erinnert zumindest das
Konzept des Absperrens eines breiten Talkessels mit
einer massiven, aber nicht fortifikatorischen Mauer
jedoch an die Talquermauer am Bir al-Ain (s.o.).
Wie bereits am Jebel Abu Hadid, so bleibt auch
am Jebel Haraza die Datierung des ausgedehnten
Siedlungsclusters zunächst unklar. Dass die Region
im Mittelalter durch den Menschen genutzt wurde
und zumindest sporadische Kontakte in Richtung
Niltal bestanden, zeigt das Vorhandensein einiger
weniger box graves auf einem kleinen Gräberfeld
ganz im Westen des Siedlungsclusters: Fundplatz
JHZ01 (Abb. 17). Der Zusammenhang mit den übri-
gen Teilen des Fundplatzclusters, insbesondere hin-
sichtlich der zeitlichen Tiefe, ist jedoch noch unklar,
zumal beim wesentlich größeren Friedhof Fundplatz
JHZ08 andere Formen von Graboberbauten vor-
kommen.
3.3 Der Friedhof Fundplatz JHZ08
Der Friedhof JHZ08 soll hier gesondert betrachtet
werden, weil er zum einen aufgrund seiner Lage
etwas abseits des Siedlungsclusters, zum anderen
aufgrund der Menge, Vielfalt und teilweise unge-
wöhnlichen Bauweise seiner Graboberbauten eine
besondere Rolle zu spielen scheint (Abb. 18). Anders
als bei den kleineren Gräberfeldern in unmittelbarer
Nähe des Siedlungsclusters liegen hier keine box
graves vor. Die meisten der insgesamt 256 klar defi-
nierbaren Gräber weisen tumulusförmige Oberbau-
ten auf. Wie bereits auf dem Gräberfeld Fundplatz
WM02 sind einige der Tumuli flach und zum Teil
ringförmig, andere konisch mit verhältnismäßig stei-
ler Wandung gestaltet und ähneln damit den oben
bereits erwähnten Tumuli aus der Umgebung von
Zankor und Abu Sufyan (Abb. 19).37 Darüber hin-
aus kommt auf diesem Friedhof noch ein weiterer
Graboberbautypus vor: Massive Konstruktionen
auf annähernd quadratischem Grundriss mit sehr
steilen Wandungen (Abb. 20). Der Hintergrund die-
ser im Untersuchungsgebiet (bislang) einzigartigen
Grabform ist unbekannt. Provisorisch werden sie als
mastabaförmige Graboberbauten bezeichnet. Es ist
unklar, inwieweit möglicherweise die Gestaltungs-
prinzipien der wesentlich kleineren und auf dem
Grundriss eines gestreckten Rechtecks aufgebauten
christlichen box graves diese Mastaba-Gräber beein-
flusst haben könnten.
37 Gratien, et al., 2013, 67-69.
Aus der Archäologie MittSAG 30
140
Abb. 12: Übersichtsplan der Siedlungs- und Gräberfeldagglomeration am Jebel Haraza
Abb. 11: Fundplätze der Vorkampagne 2018 am Jebel Haraza (Hintergrundkarte: OpenTopoMap)
2019 Aus der Archäologie
141
Abb. 13: Plan von zwei größeren Siedlungskernen mit Feldbauterrassen und kleinem Tumulusfeld (Fundplätze JHZ02 und
JHZ03)
Abb. 14: Feldbauterrassen des Siedlungsplatzes JHZ02
Aus der Archäologie MittSAG 30
142
Abb. 15: Grundrissplan der Talquermauer JHZ09
Abb. 16: Ansicht der Talquermauer JHZ09 von Südwesten
2019 Aus der Archäologie
143
Abb. 17: Plan des Gräberfeldes JHZ01 mit Tumuli und box graves (östlich daneben Siedlungsplatz JHZ02)
Abb. 18: Plan des Gräberfeldes JHZ08 mit steilwandigen und flachen Rund-Tumuli sowie Mastaba-Tumuli auf rechteckigem
bis quadratischen Grundriss
Aus der Archäologie MittSAG 30
144
Ob diese verschiedenen, hinsichtlich ihres Lay-
outs deutlich voneinander abweichenden Grabober-
bauten eine chronologische, religiöse, kulturelle
oder funktionale Binnendifferenzierung des Fried-
hofes darstellen, muss zum gegenwärtigen Zeitpunkt
dahin gestellt bleiben.
4. Fazit
Zum derzeitigen Zeitpunkt des
Survey-Projektes können nur
erste Beobachtungen erfolgen,
vieles muss noch unklar bleiben.
Die exemplarisch untersuchten
Befundagglomerationen weisen
jedoch einige Gemeinsamkeiten
auf, die darauf schließen lassen,
dass das nördliche Kordofan
(wenn auch in regional unter-
schiedlichem Maße) von einer
ähnlichen Rolle als Kontakt-
zone zwischen dem nubischen
Niltal und den weiter westlich
in der Sahel-Zone gelegenen
Kulturgruppen geprägt gewe-
sen ist.
Besonders interessant sind
in diesem Zusammenhang die
verschiedenen dokumentierten
Friedhöfe, die in allen Fällen eine Durchmischung
unterschiedlicher Tumulus-Typen und/oder box
graves aufweisen. Die spezifisch christlich-mittel-
alterlichen box graves weisen auf Kulturkontakte in
Richung Niltal während des Mittelalters hin. Ob die
unterschiedlichen Typen von Tumulus-Oberbauten
Abb. 19: Teilansicht des Gräberfeldes JHZ08 mit flachen und steilwandigen Rund-Tumuli
Abb. 20: Einzelgrab auf Gräberfeld JHZ08: Mastaba-Tumulus auf quadratischem
Grundriss
2019 Aus der Archäologie
145
ebenfalls von einer Durchmischung kultureller
Traditionen unterschiedlicher Herkunft hindeuten
oder aber chronologisch bzw. funktional zu diffe-
renzieren sind, muss zum gegenwärtigen Zeitpunkt
noch dahin gestellt bleiben. Zumindest ähneln die
Tumuli vom steilwandigen Typ den Graboberbauten
in der Nähe des urbanen alt-kordofanischen Zent-
rums Zankor. Um hier von gemeinsamen kulturellen
Merkmalen zu sprechen, fehlen jedoch bislang noch
ausreichend Details. Insbesondere die Interpretati-
on der eigenwilligen rechteckigen, mastabaähnlichen
Tumuli am Jebel Haraza erscheint mangels direkter
Parallelen schwierig.
Die verschiedenen untersuchten Siedlungen wei-
sen ebenfalls sowohl Gemeinsamkeiten als auch
Unterschiede auf. Die Struktur der Rundhütten
(auch in Fällen, wo sie durch Kraal-ähnliche Mau-
erzüge zu Clustern verbunden sind) erscheint ver-
hältnismäßig einfach und unspezifisch, so dass allein
aus architektonischen Merkmalen kaum ein Ver-
gleich mit ähnlichen Bauten aus anderen Regionen
möglich erscheint. Die Anordnung der Siedlungen
entlang von Khors bzw. Felsbuchten stellt jedoch
ein gewisses verbindendes Merkmal dar. Von beson-
derer Bedeutung erscheint diese landschaftsarchäo-
logische Einordnung in den beiden Fällen, in denen
Teile der Khorfläche durch ähnliche, sehr massive
Mauern von der Umgebung abgegrenzt werden, die
jedoch keine explizit fortifikatorischen Merkma-
le wie geschützte Tore oder Bastionen aufweisen.
Obwohl sich die Siedlung von Bir al-Ain hinsicht-
lich des Nichtvorhandenseins von Terrassenfeldern
von den beiden weiter im Süden gelegenen Sied-
lungsclustern unterscheidet, so erscheinen doch jene
Mauerkonstruktionen so spezifisch, dass hier mög-
licherweise eine gegenseitige Beeinflussung bzw. ein
gemeinsamer kultureller oder sozio-ökonomischer
Hintergrund angenommen werden kann.
Hinsichtlich der Datierung der untersuchten
Strukturen kann bislang nur gemutmaßt werden.
Gräberfelder in der Nähe der Siedlungen am Bir
al-Ain sowie am Jebel Haraza beinhalten einige box
graves, bei denen eine Datierung ins Mittelalter und
ein christlich geprägter kultureller Hintergrund
angenommen werden kann. Die räumliche Assozia-
tion mit den betreffenden Siedlungen legt nahe, dass
diese zumindest teilweise in das Mittelalter zurück
reichen. Die chronologische Gesamttiefe der Sied-
lungsplätze ist jedoch noch völlig unklar, so dass
auch dahin gestellt bleiben muss, ob die Siedlungen
bereits vor oder noch nach dem Mittelalter ebenfalls
genutzt wurden. Mehr Klarheit kann hier nur die
Fortsetzung der Forschungen in den kommenden
Jahren bringen, die die Autoren im Rahmen des
Schwerpunktprogramms „Entangled Africa“ der
DFG planen.
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Summary
In 2017 and 2018, two preliminary field survey cam-
paigns were conducted in Northern Kordofan by
the University of Muenster. The project ‘InterLINK
(Interregional Linkage Investigations in Northern
Kordofan)’ explores the extent of economic, politi-
cal, and cultural ties of the Nile valley based Nubian
states towards their western peripheries, and other
historical landscapes like Darfur, Wadai, and the
Chad Basin. After detailed preparation by remote
sensing, some objects at the southwestern and south-
ern pediment of the Jebel al-Ain as well as at the
Jebels Abu Hadid and Haraza were investigated.
South of the Jebel al-Ain at the western bank of
the Wadi Melek, a cemetery consisting of different
types of tumuli (resembling grave superstructures
observed at the Nile valley as well as the upper Wadi
Melek with the ancient town of Zankor), as well as
box graves was documented. Along the dendritic
tributary khor system draining the western flank
of the Jebel al-Ain towards the Wadi Melek, three
round hafirs were found. They are not datable until
now, but resemble similar constructions from the
Keraba and Butana area, there in general dated to the
Meroitic period. At the well of Bir al-Ain, an already
known - but so far undocumented - ruined set-
tlement structure was investigated. Different types
of round hut clusters, partly connected with addi-
tional walls, group along the slopes of the jebel. The
khor which nowadays contains a well is closed by a
massive wall structure. A small box grave cemetery
nearby indicates that at least parts of the settlement
could be dated to the medieval period.
At the Jebel Abu Hadid, remains of a larger settle-
ment structure were observed, grouping around the
main khor draining the jebel. Some of the large round
hut walls show a rough variant of a double layer
wall. At the slopes above the settlement, remains of
agricultural terraces were observed.
A similar settlement cluster with additional grave-
yards was documented at the western pediment of
Jebel Haraza. The round hut remains are found at the
jebel pediment, with agricultural terraces at the jebel
slopes above it. A nearby khor (but interestingly not
the settlement site itself) is locked by a massive wall.
In the vicinity, one large and some smaller cemetery
were found. Within one of the smaller cemeteries, a
small amount of box graves was found, indicating at
least some influence of medieval Christianity into
this area. The large cemetery to the north of the
settlement cluster consists of different types of flat
and steep tumuli, and, additionally, a special type of
mastaba-shaped rectangular grave superstructures.
Their date and cultural context is still unknown, and
is subject to planned future investigation.