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Erster Freilandnachweis von Pantala avescens in Deutschland
Libellula 38 (3/4) 2019: 127–136
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20. Dezember 2019
Erster Freilandnachweis von Pantala flavescens
in Deutschland
(Odonata: Libellulidae)
André Günther
Abstract
First eld record of Pantala avescens in Germany (Odonata: Libellulidae) – On 6th July
Pantala avescens
Zusammenfassung
Am 6. Juli 2019 wurde ein Männchen von Pantala avescens
Einführung
ist die Libellenart mit dem weltweit größten Verbreitungsge-
biet und wurde mit Ausnahme der Antarktis auf allen Kontinenten nachgewiesen
(z.B. et al. 1998; et al. 2012; 2019). In
großen Teilen ihres Areals ist sie die „Wanderlibelle“ schlechthin (vgl.
2004), eine Eigenschaft, die auch zu ihrem gleichlautendem deutschen Trivial-
namen führte. Langstreckenwanderungen der Art erfolgen meist in Verbindung
der Innertropischen Konvergenzzone. So wandern alljährlich im Zeitraum Okto-
Richtung Ostafrika ( 2009; et al. 2012), wobei sie Strecken von
mehr als 3.500 km über den Indischen Ozean zurücklegen können (
2009). Auch innerhalb von Afrika erscheint die Art regional meist zu Beginn der
Angebot an neu mit Wasser gefüllten ephemeren Gewässern als optimale Repro-
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duktionsgewässer vor (z.B. et al. 2009;
-
schlüpften Individuen mit dem Somalia-Jetstream eine Wanderung in die entge-
gengesetzte Richtung nach Indien an ( 2009).
Beobachtungen aus Zentralasien sprechen für ein etwas anderes Besiedlungs-
muster. Hier erfolgt eine jährliche Zuwanderung im Frühjahr, die zur Entwicklung
von zwei aufeinander folgenden Generationen führt. Beobachtungen aus dem
Spätsommer und Frühherbst belegen eine Abwanderung der individuenreiche-
ren zweiten Sommergeneration nach Süden ( 2012, 2015).
in der Lage, selbst hochgradig isolierte Inseln zu erreichen, wie z.B. 2017 die
Amsterdam-Insel im südindischen Ozean ( 2018). Geneti-
sche Untersuchungen ( et al. 2016) unterstützen die Hypothese, dass bei
-
len panmiktischen Population sehr nahe kommt.
-
möglichen es den Tieren, als Erstbesiedler in ephemeren Gewässern aufzutreten,
wo sie sich dank ihrer ungewöhnlich kurzen Embryonal- und Larvalzeit von mini-
mal unter 40 Tagen ( et al. 2004) sehr erfolgreich und unter Vermeidung
die bei Anstau mit einsetzender Regenzeit ähnlich günstige und konkurrenzarme
Entwicklungsbedingungen bieten.
europäischen Funden ( 2015; et al. 2017). Eine ak-
tuelle Übersicht der europäischen und europanahen Funde geben et
al. (2019). Vermutliche Ursache für die Seltenheit ist das nur seltene Auftreten
feuchtwarmer Luftströmungen aus den Tropen ( 2019),
so dass wandernde Schwärme Europa nur ausnahmsweise erreichen.
-
schen Insel Krk ( 2010), aus der Oblast Kaliningrad ( et
al. 2014) und Polen ( et al. 2019) bekannt. Im Folgenden wird über die
erste Freilandbeobachtung der Art in Deutschland berichtet.
Befund
-
. Das Tier
patrouillierte bei sonnigem Wetter, einer Lufttemperatur von 29°C und frischer
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und jungen Röhrichte. Der Fundort befand sich im Windschatten einer Böschung
und eines Gehölzbestandes. Wurde die Sonne von Wolken verdeckt, verschwand
das Individuum vom Gewässer, kam aber bei Sonnenschein bereits nach kurzer
war die Bewölkung fast geschlossen und konnte nicht mehr gefunden
-
men war oberseits bereits rot gefärbt, die dunkle dorsale Zeichnung des Abdo-
mens auf den Segmenten S2 bis S7 nur schwach ausgeprägt. Im Beobachtungs-
zeitraum konnten keinerlei Interaktionen mit anderen anwesenden Großlibel-
len, wie , , , ,
, , und beobachtet
werden.
Die Bestimmung erfolgte per Sicht unter Zuhilfenahme eines Fernglases. Zur
-
den Tieres anzufertigen (Abb. 1).
Abbildung 1: Männchen von Pantala avescens
Figure 1.Pantala avescens
. Photos: AG
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Charakterisierung des Fundortes
-
-
-
-
-
staltung als Wassereinzugsgebiet für ein ca. 1 ha großes, permanent wasserfüh-
Feuchtgebiete vgl. auch 2010). Trotz der seit Wochen anhal-
-
wässer im Umfeld führte, reichte die Wasserabgabe aus, um auf ca. 300 m² Fläche
Rieselwasseraustritte und Flachgewässer zu erhalten. Im Westen des Gebiets bie-
ten eine ca. 7 m hohe Böschung zur gewachsenen Landschaft und ein Kiefernforst
Windschatten für westliche Winde und sorgen für eine deutliche thermische Be-
günstigung (Abb. 3). In der initialen Vegetation dominierten Gewöhnliches Schilf
, Land-Reitgras sowie Sämlinge von
Hühnerhirse .
Abbildung 2: Fundort von Pantala avescens
Figure 2. Pan-
tala avescens
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Diskussion
Die Beobachtung stellt den ersten Freilandnachweis von in
-
te aus Ecuador gefunden wurde ( 2006). Eine Verschleppung mit einer
Schiffsladung Bananen nach Großbritannien beschreibt bereits (1954, zit.
nach 2004). (2019) sehen daher
-
weise lassen sich auf eine direkte Verschleppung oder den Transport per Schiff
et
et al.
2019) -
erwartet.
Anax
und in Ostdeutschland, welcher mit hoher
Abbildung 3: Fundort von Pantala avescens
Figure 3:Pan-
tala avescens
. Photo: AG
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Wahrscheinlichkeit über den südöstlichen Einwanderungsweg erfolgte. Diese Hy-
pothese wird durch eine ungewöhnlich hohe Anzahl von -
-
che Lebensweise wie und können Hinweise auf den Einwanderungs-
aus Südost wurden bislang seltener beob-
erreichen. Die aus Südost einwandernden sind meist noch nicht aus-
gefärbt und geschlechtsreif ( 2015), was für einen Ursprung aus einer
-
2019. Die nach bisherigem Kenntnisstand früheste Beobachtung des diesjährigen
-
fernung zum hier beschriebenen Fundort, aber noch am 14. Juni 2019 konnte ich
über den Erzgebirgskamm bei Reitzenhain ziehende unausgefärbte
beobachten, so dass über einen längeren Zeitraum von geeigneten Großwetter-
lagen für eine Zuwanderung ausgegangen werden kann. Besonders im Zeitraum
in Sachsen
in die
2013) begann 2019 dagegen erst relativ
datieren auf den 19. Juni 2019. Bereits wenige Tage später war die Art in Sach-
Beobachtung von und ca. 10
im selben Gebiet.
et al. (2019) skizzieren einen möglichen Einwanderungsweg der
. Dieser führt
unter Umgehung der Karpaten vom Bosporus über Bulgarien, Rumänien und die
westliche Ukraine nach Südost-Polen, wo er den für das Auftreten thermophi-
ler Libellenarten bekannten Tälern von Bug und Weichsel folgt. Sollten die nach
die Wanderrichtung in Polen auf West ändern und in das Odertal einschwenken.
die den Erzgebirgskamm im Bereich des
-
-
libellen darstellen.
-
über südliche bis südöstliche Windrichtungen vorherrschend, ab 26. Juni 2019
dominierten Winde aus westlichen bis nordwestlichen Richtungen. Erst am Vor-
mittag des 6. Juli 2019 setzte vormittags erneut eine leichte bis mäßige Brise aus
südlichen Richtungen ein. Der Wind drehte ab mittags auf West und im Beob-
-
-
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schützten und strukturell dem Habitatschema der Art entsprechenden Gebiet
Aussagen zur Herkunft des beobachteten Individuums bleiben natürlich spe-
-Schwärme regelmäßig nur aus
-
vorliegen ( 2015). Letztere wurde auch im Juni 1998 in
der Südtürkei nachgewiesen ( 1999). Auf Zypern wurde die Art seit Beginn
-
2019).
-
geschlüpfte Individuen der Folgegenerationen, die Richtung Europa vordringen.
nördlich der Alpen entsprechen damit nicht dem
, oder in den letzten Jahr-
zehnten in Europa zu beobachten war. Obwohl sich eine Sommergeneration von
zweifellos auch unter gegenwärtigen klimatischen Verhältnissen in
Deutschland entwickeln könnte, wird das Auftreten der Art auch in absehbarer
-
noch Imagines von
Eine dauerhafte Etablierung entspricht aber auch nicht der Biologie der nomadi-
sierenden Art, deren Auftreten fast überall in ihrem riesigen Areal von Zu- und
Abwanderung abhängig ist.
ist die 82. Libellenart, die freilebend in Deutschland beobachtet
wurde (vgl.
Brandenburgs auf 70 Arten ( et al. 2017). Für die Folgelandschaft
des Tagebaus Welzow-Süd handelt es sich um die 60. nachgewiesene Libellenart
(et al. 2012; 2016).
Dank
Hilfe bei der Beschaffung fehlender Literatur, Jean-Pierre Boudot und David Spar-
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Literatur
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André Günther136
Libellula 38 (3/4) 2019: 127–136
Addendum
P. avescens