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"Die Gneise des Erzgebirges – hochmetamorphe Äquivalente von
neoproterozoisch – frühpaläozoischen Grauwacken und Granitoiden der
Cadomiden"
Von der Fakultät für Geowissenschaften, Geotechnik und Bergbau
der TU Bergakademie Freiberg
genehmigte
Habilitationsschrift
zur Erlangung des akademischen Grades
doctor rerum naturalium habilitatus
(Dr. rer. nat. habil.)
vorgelegt
von Dr. rer. nat. Marion Tichomirowa
geboren am 28.02.1959 in Seelow
eingereicht am 03.10.2001
Gutachter: Prof. L. Ratschbacher (Freiberg)
Prof. M. Okrusch (Würzburg)
Prof. A.W. Hofmann (Mainz)
Tag der Verleihung: 11.06.2002
Inhalt Seite
Vorwort 3
1 Einleitung und Zielstellung 5
2 Die Erzgebirgsantiklinalzone – geologischer Rahmen und Kenntnisstand 7
3 Methodik 15
3.1 Geochemie 16
3.2 Isotopengeochemie 16
3.3 Zirkonmorphologie und Internbau 17
3.4 Zirkondatierung 18
4 Gneise des Erzgebirges 21
4.1 Untere Graugneise 22
4.1.1 Geologie 22
4.1.2 Petrographie 24
4.1.3 Geochemie 25
4.1.4 Isotopengeochemie 28
4.1.5 Zirkonmorphologie und Internbau 30
4.1.6 Zirkondatierung 32
4.1.7 Genese der Unteren Graugneise 37
4.2 Obere Graugneise 39
4.2.1 Geologie 39
4.2.2 Petrographie 41
4.2.3 Geochemie 43
4.2.4 Isotopengeochemie 48
4.2.5 Zirkonmorphologie und Internbau 49
4.2.6 Zirkondatierung 55
4.2.7 Genese der Oberen Graugneise 61
4.2.8 Zur genetischen Beziehung der Unteren und Oberen Graugneise 62
4.3 Rotgneise 64
4.3.1 Geologie 64
4.3.2 Petrographie 68
4.3.3 Geochemie 69
4.3.4 Isotopengeochemie 74
4.3.5 Zirkonmorphologie und Internbau 76
4.3.6 Zirkondatierung 81
4.3.7 Genese der Rotgneise 86
4.4 Konsequenzen zur genetischen Gliederung der Gneiseinheiten
des Erzgebirges 88
4.4.1 Genetische Klassifizierung der Edukte der Erzgebirgsgneise 88
4.4.2 Genetische Zuordnung der Mischgneise 90
4.4.3 Konsequenzen für das tektonostratigraphische Deckenmodell 91
5 Basement und frühpaläozoische Entwicklung des Saxothuringikums als
Bestandteil Cadomias 93
5.1 Cadomia und das Saxothuringische Terrane 94
5.2 Neue Ergebnisse von Grauwacken und Magmatiten des
Saxothuringischen Terranes 98
5.2.1 Cadomisches Basement 98
5.2.1.1 Grauwacken 98
5.2.1.1.1 Lausitzer Antiklinalzone 98
5.2.1.1.2 Schwarzburger Sattel 102
5.2.1.1.3 Elbe-Zone 103
5.2.1.2 Cadomische Granite und Granodiorite 105
5.2.1.2.1 Lausitzer Antiklinalzone 105
5.2.1.2.2 Schwarzburger Sattel 117
5.2.1.2.3 Elbe-Zone 118
5.2.2 Ordovizische Magmatite 118
5.2.2.1 Lausitzer Antiklinalzone 118
5.2.2.2 Schwarzburger Sattel 120
5.2.2.3 Elbe-Zone 120
5.2.3 Neoproterozisch – frühpaläozoische magmatische Zeitmarken
des Saxothuringikums 121
5.3 Vergleich der Entwicklung in verschiedenen Einheiten von Cadomia 125
5.3.1 Präkambrische Krustenanteile 125
5.3.1.1 Saxothuringisches Terrane 125
5.3.1.2 Cadomia 131
5.3.2 Spätcadomischer Magmatismus an der Grenze
Präkambrium/Kambrium 133
5.3.2.1 Saxothuringisches Terrane 133
5.3.2.2 Cadomia 136
5.3.3 Frühpaläozoische Entwicklung 136
5.3.3.1 Saxothuringisches Terrane 136
5.3.3.2 Cadomia 140
5.3.4 Terrane-Diskussion 141
6 Schlussfolgerungen 151
Literaturverzeichnis 155
Anhang (Tabellen) 171
für Ni
2
VORWORT
Diese Arbeit wurde durch die langjährige Zusammenarbeit und finanzielle Unterstützung des
Sächsischen Landesamtes für Umwelt und Geologie mit der TU Bergakademie Freiberg
(Institut für Mineralogie, Isotopengeochemisches Labor) im Rahmen mehrerer
Forschungsprojekte möglich. Ich möchte den Mitarbeitern des Sächsischen Landesamtes H.-J.
Berger, E.A. Koch und D. Leonhardt für die kollegiale Zusammenarbeit und Unterstützung,
sowie die Sensibilisierung für das Thema der Genese der Erzgebirgsgneise danken. Dank
gebührt allen Mitarbeitern des isotopengeochemischen Labors, die einen bedeutenden Anteil
am Gelingen dieser Untersuchungen geleistet haben (R. Blüthig, K. Bombach, A. Braun, R.
Liebscher, H. Meinhardt, S. Mühlberg). Einen wichtigen Beitrag lieferten auch die Kollegen
des REM-Labors (A. Obst, U. Kempe, K. Stanek) und J. Götze am KL-Mikroskop. Weiterhin
möchte ich mich bei allen Helfern bedanken, die in der einen oder anderen Weise ihren
Beitrag zu dieser Arbeit leisteten (u.a. U. Barth, K. Moritz, A. Titze). Für nützliche Hinweise
zum Text des Manuskripts danke ich C. Breitkreuz und G. Grosche. Ich möchte mich bei all
denen bedanken, die mir moralische Unterstützung auf diesem Weg geleistet haben. Wichtig
war auch die Hilfe meiner Freunde, die mir z.B. in schwierigen Situationen bei der Betreuung
meiner Kinder halfen. Besonderer Dank gilt vor allem meiner Familie i.w.S. für ihr
Verständnis, die moralische und die tatkräftige Unterstützung in allen Lebenslagen.
3
4
1 EINLEITUNG UND ZIELSTELLUNG
5
Die Diskussion über die Genese und Altersstellung der Gneise des Erzgebirges wird seit mehr
als 100 Jahren geführt. Nach einer eingehenden Kartierung der Verbandsverhältnisse folgte
eine detaillierte petrographische Charakterisierung der Gneise und später auch in begrenztem
Umfang deren geochemische Untersuchung und Zirkonmorphologiestudien. Trotz dieser
eingehenden Charakterisierung der Gneise ist die Genese einiger Gneisvarietäten noch immer
umstritten. Auch die Zuordnung bestimmter Gneisgruppen ist heute in einigen Fällen noch
nicht geklärt (z.B. "Gneise unsicherer Stellung"). Unterschiedliche Vorstellungen bestehen
noch immer zur Altersstellung der Gneise. Verschiedene Datierungsmethoden (K/Ar, Rb/Sr)
lieferten sehr unterschiedliche und zum Teil auch gegensätzliche Alterswerte, da viele
Datierungssysteme eine (oft unvollständige) Umstellung durch die metamorphe Überprägung
erfuhren. Erste Zirkondatierungen erbrachten den allgemeinen Zeitrahmen der Entstehung der
Gneise, bergen jedoch auch weiterhin zahlreiche Widersprüche in sich.
Ziel dieser Arbeit ist es, eine umfassende Charakterisierung der Gneise des Erzgebirges durch
die gleichzeitige Anwendung verschiedenster Methoden (Geologie, Petrographie, Geochemie,
Isotopengeochemie, Zirkonmorphologie und Internbau, Zirkondatierung) zu geben. Dabei
sollen vorhandene Erkenntnisse (z.B. Geologie, Petrographie) mit modernen
Untersuchungsmethoden (z.B. Zirkondatierung und Zirkoninternbau) kombiniert werden. Auf
dieser Grundlage wird die Genese der Gneise neu diskutiert und eine neue Unterteilung der
Gneise vorgeschlagen werden, die es erlaubt, auch strittige Gneistypen in dieses
Geneseschema einzuordnen.
In den letzten Jahren wurden im Rahmen mehrerer Forschungsprojekte umfangreiche
Zirkondatierungen in angrenzenden saxothuringischen Einheiten unter Beteiligung der
Autorin durchgeführt. Ein Vergleich der magmatischen Zeitmarken des cadomischen
Basements und des Frühpaläozoikums des Erzgebirges soll es ermöglichen, Aussagen zu
Ähnlichkeiten bzw. Unterschieden der magmatischen Entwicklung innerhalb des
Saxothuringikums zu erkennen. Die tektono-magmatische Entwicklung der saxothuringischen
Einheiten während des Neoproterozoikums - Frühpaläozoikums wird abschließend mit der
Entwicklung weiterer Einheiten des cadomischen Orogengürtels (z.B. Armorikanisches
Massiv, Zentral-Iberisches Massiv, Böhmisches Massiv) verglichen.
6
2 DIE ERZGEBIRGSANTIKLINALZONE –
GEOLOGISCHER RAHMEN UND KENNTNISSTAND
7
Das Erzgebirge ist Teilstruktur der Fichtelgebirgs-Erzgebirgischen Antiklinalzone im Sinne
von PIETZSCH (1962). Es wird im SW durch das NW-SE streichende Eibenstock-
Kirchberger Granitmassiv und im NE durch die Mittelsächsische Überschiebung
abgeschnitten. Im SE begrenzt der Erzgebirgsrandbruch und im NW die Erzgebirgsmulde das
Gebirge.
Ein großer Teil des erzgebirgischen Schiefer- und Gneisgebietes wurde erstmals in den Jahren
1835-1845 durch NAUMANN (1844) in der "Geognostischen Charte des Königreiches
Sachsen" kartographisch dargestellt. Seither ist bekannt, dass das Erzgebirgskristallin aus
einem Gneiskern und einer Schieferhülle besteht. Letztere wird in eine innere
Glimmerschieferhülle und eine äußere Phyllithülle unterteilt. Die zonare Anordnung der
Glimmerschiefer- und Phyllithülle um den zentralen Gneiskern ergibt einen
"zwiebelschaligen" Aufbau des Erzgebirges im Kartenbild (Abb. 2-1).
Der Gneiskern bildet flächenmäßig den größten Anteil des Erzgebirgskristallins. Seit
MÜLLER (1850) werden die Gneise einer Zweiteilung in "Rotgneise" und "Graugneise"
unterworfen, deren Abgrenzung nach geologisch-genetischen Gesichtspunkten erfolgte. Als
Rotgneise werden besonders leukokrate Glieder des Kristallins bezeichnet. Zu dieser Gruppe
gehören Gesteine mit sehr unterschiedlichen Strukturen. Bekannt sind größere Vorkommen
("Züge" oder "Körper") von Augengneisen (als "G", "Gnα", "Gnγ", "gnα", "gnγ" kartiert),
aber auch mittel- bis kleinkörnige Typen. Die Muskowitplattengneise ("mgn") sind zumeist
stark deformierte mittel- bis kleinkörnige Rotgneise.
Für die Rotgneise wird eine magmatische Herkunft postuliert (KOSSMAT, 1916;
SCHEUMANN, 1932). Diese Vorstellung beruht im wesentlichen auf erhalten gebliebenen,
reliktischen Granitstrukturen in einigen Augengneiskuppeln und als kontaktmetamorphe
Überprägungen gedeutete Veränderungen der Nebengesteine (z.B. Hornfelse, Knoten- und
Garbenschiefer). Neben serialporphyrischen, hypabyssischen Reliktgraniten werden für einige
Rotgneisvorkommen von SCHEUMANN (1932) auch Effusiva als Edukte in Betracht
gezogen (z.B. die Quarzaugengneise der Saydaer Kuppel oder die Felsite der
Nordwestrandzone der Freiberger Kuppel), wobei viele dieser Strukturen (z.B. die
Quarzaugengneise von Sayda) jedoch auch als Reliktgranite erklärt werden können.
8
Abb. 2-1: Geologische Karte des Erzgebirges nach KOSSMAT & PIETZSCH (1930)
Zur Gruppe der Grauen Gneise gehören in erster Linie die Gneise im nordöstlichen
Erzgebirge (Freiberger Gneise), ferner die Marienberger und Annaberger Gneise, eine Reihe
von Gneisen aus der Glashütter und Fürstenwalder Gegend sowie einige besondere
Gneisarten (Flammengneise, Injektionsgneise, Schiefergneise usw.). Sie umfassen als
Endglieder reliktische, kleinkörnige Paragneise (Obere Graugneise) und mittelkörnige,
grobflasrige oder augige Biotit-Plagioklas-Gneise (Untere Graugneise). Die Unteren
Graugneise sind nur im Osterzgebirge in der Freiberger Gneiskuppel (dort auch als "Innere
Freiberger Gneise" bezeichnet) aufgeschlossen. Ähnliche grobflasrige Gneise im
Osterzgebirge sind im Gebiet von Lauenstein-Fürstenwalde aufgeschlossen und wurden oft
als "Granitgneise" (BECK, 1901; REINISCH, 1927) bzw. "Hybridgranodioritgneise"
(SCHMIDT, 1959) bezeichnet. Der Übergang zwischen beiden Endgliedern der Grauen
Gneise (von grobflasrig nach kleinkörnig) ist nur an wenigen Stellen direkt zu beobachten. Er
vollzieht sich in der Regel unter kontinuierlicher Abnahme der Korngrößen, sowie Zunahme
des Deformationsgrades der Gneise im Randbereich der Inneren Freiberger Gneise ("Brander
Gneis"). Außerdem nimmt die Anzahl und Vielfalt von Einschaltungen ("Xenolithe") deutlich
zu. Auf Grund ihrer Struktur und Zusammensetzung wurden die Unteren Graugneise aus
Graniten bzw. Granodioriten abgeleitet (z.B. PIETZSCH, 1962; WIEDEMANN, 1969), die
Oberen Graugneise (auch wegen der zahlreichen Einschlüsse) - aus Sedimenten. Die
Beziehung der beiden Gneiseinheiten untereinander wird jedoch bis heute kontrovers
diskutiert. GÄBERT (1907), KOSSMAT (1916) und PIETZSCH (1962) sahen die Unteren
Graugneise als ehemals granitische Intrusionen an. HOFMANN (1974) jedoch betrachtete die
Inneren Freiberger Gneise (Untere Graugneise) als in situ Anatexite, die sich durch
Aufschmelzen der Äußeren Freiberger Gneise (Obere Graugneise) gebildet haben. Diese
Interpretation stützt sich im wesentlichen auf die zahlreichen Einschlüsse von dichten
Gneisen und Quarz-Feldspatgesteinen, die fast immer an die Randzonen der Inneren
Freiberger Gneise gebunden sind.
Die Vorstellungen über den Aufbau des Erzgebirges haben sich in den letzten Jahren drastisch
gewandelt. Während HOFMANN et al. (1979) noch aufgrund von petrofaziellen
Untersuchungen eine "Kontinuität der progressiv metamorphen Zonenfolge von der
Phycodenserie im Hangenden" (entspricht der Phyllithülle) "bis zur Unteren
Osterzgebirgischen Serie im Liegenden" (entspricht den Unteren Graugneisen) sah und somit
"für das gesamte Westerzgebirge sowie für einen Teil des Osterzgebirges einen gemeinsamen
Metamorphose-Akt" postulierten, stützen neuere PT-Untersuchungen an Gneisen, sowie an
Metabasit- und Granuliteinschaltungen (z.B. RÖTZLER, 1995; SCHMÄDICKE et al., 1995;
WILLNER et al., 1997; KLEMM, 1995; MASSONNE, 1998) immer mehr die Vorstellung
eines Deckenbaus (wie bereits schon von SCHEUMANN, 1935 angenommen wurde).