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Zwischen Grammatik und Text - zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Gemeinsames sprachliches Lernen mit Geschichtenplänen

Authors:

Abstract

Der Beitrag zeigt, wie Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen Lernausgangslagen in einem inklusiven Deutschunterricht wichtige Besonderheiten des Textschreibens kennenlernen können. Hierzu wird ein besonderes Förderinstrument (Geschichtenpläne) vorgestellt, um Kindern, die in Bezug auf ihre sprachliche Entwicklung unterstützungsbedürftig sind, beim Gestalten einer Erzählung zu helfen. Somit werden Kindern im Primarstufenalter im Sinne eines integrativen Deutschunterrichts grammatische, textuell-pragmatische und literarästheti-sche Lerngelegenheiten eröffnet. Ein besonderer Fokus liegt in dem Beitrag darauf, wie die Arbeit mit Geschichtenplänen als didaktisches Scaffolding so umgesetzt werden kann, dass alle Schülerinnen und Schüler im Sinne eines gemeinsamen Unterrichts profitieren können.
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Benjamin Uhl
Zwischen Grammatik und Text – zwischen Mündlichkeit
und Schriftlichkeit. Gemeinsames sprachliches Lernen mit
Geschichtenplänen
Benjamin Uhl
Der Beitrag zeigt, wie Schülerinnen und Schüler mit un-
terschiedlichen Lernausgangslagen in einem inklusiven
Deutschunterricht wichtige Besonderheiten des Texte-
schreibens kennenlernen können. Hierzu wird ein beson-
deres Förderinstrument (Geschichtenpläne) vorgestellt,
um Kindern, die in Bezug auf ihre sprachliche Entwick-
lung unterstützungsbedürftig sind, beim Gestalten einer
Erzählung zu helfen. Somit werden Kindern im Primar-
stufenalter im Sinne eines integrativen Deutschunterrichts
grammatische, textuell-pragmatische und literar-ästheti-
sche Lerngelegenheiten eröffnet. Ein besonderer Fokus
liegt in dem Beitrag darauf, wie die Arbeit mit Geschich-
tenplänen als didaktisches Scaffolding so umgesetzt wer-
den kann, dass alle Schülerinnen und Schüler im Sinne
eines gemeinsamen Unterrichts protieren können.
1 Vorüberlegung – zur Verortung des hier vorgestellten
Unterrichtsmaterials
Wer Unterrichtsmaterial zur Sprachförderung in inklusiven
Kontexten konzipiert, steht aufgrund der individuellen Lern-
ausgangslagen der Schülerinnen und Schüler vor einer gro-
ßen Herausforderung. Eine Hilfe bei der Konzeption eines un-
terrichtlich-didaktischen Vorgehens in inklusiven Kontexten
liefern die „Standards der sonderpädagogischer Förderung“
(Wember und Prändl 2009: 41 ff.)1. In diesen Standards wird
1 Die Standards der sonderpädagogischen Förderung wurden am
16.11.2007 auf der Hauptversammlung des Verbandes Sonderpä-
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Zwischen Grammatik und Text
im Rahmen eines dualen Curriculums aufgezeigt, wie Curri-
cula der Allgemeinen Schulen und ein „sonderpädagogisches
Curriculum zur individuellen Förderung“ miteinander intera-
gieren (ebd.: 46). Herausgestellt wird hier, dass auch die son-
derpädagogische Förderung an den Bildungsstandards der all-
gemeinen Schulen orientiert sein sollte:2
Sonderpädagogische Förderung für Schülerinnen und Schüler
mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen orientiert sich
an den Bildungsstandards der Allgemeinen Schulen, welche
die angestrebten Kompetenzen und Qualikationen als Leis-
tungsstandards formulieren.3 Sonderpädagogische Förderung
sichert ein zeitlich und inhaltlich mit der gesamten Lerngrup-
pe abgestimmtes, systematisches und kumulativ aufbauendes
Lernen für Kinder mit besonderem Unterstützungsbedarf,
das die Erreichung der Bildungsstandards der Allgemeinen
Schulen durch möglichst alle Lernenden sicherstellen soll.
(Wember und Prändl 2009: 45)
Vereinfacht gesprochen bieten die Bildungsstandards und die
Curricula der allgemeinen Schulen also eine Orientierung,
was in sonderpädagogischen Kontexten thematisiert werden
kann. Das sonderpädagogische Curriculum zur individuellen
Förderung regelt dann im Sinne des dualen Curriculums das
Wie. Somit werden Leistungen eines adaptiven Unterrichts be-
nannt, der dadurch gekennzeichnet ist, dass ein Unterrichtsge-
genstand didaktisch so aufbereitet wird, dass auch Kinder mit
besonderem Unterstützungsbedarf diesen Unterrichtsgegen-
stand erarbeiten können.
dagogik e.V. verabschiedet. Mit Wember und Prändl 2009 liegt
ein Sammelband vor, in dem die 2007 verabschiedeten Standards
referiert und kommentiert werden.
2 Eine Ausnahme hierzu bilden Schülerinnen und Schüler mit den
Förderschwerpunkten „Lernen“ und „Geistige Entwicklung“,
„die zieldifferent und nach eigenen curricularen Vorgaben zu un-
terrichten sind“ (Wember und Prändl 2007: 45).
3 Inwiefern eine solche Orientierung sinnvoll ist, kann an dieser
Stelle nicht diskutiert werden. Kritisch hierzu siehe Biewer (2012).
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Benjamin Uhl
Bezogen auf diesen Beitrag ergibt sich mit Blick auf das duale
Curriculum folgende Ausrichtung: Thematisch geht es in dem
Beitrag darum, Lernende im Primarstufenalter für die Beson-
derheiten bestimmter grammatischer Strukturen zu sensibili-
sieren, die das Schreiben von Texten prägen. Dabei liegt ein
Fokus darauf, wie auch Kinder, die in Bezug auf ihre sprachli-
che Entwicklung Unterstützungsbedarf benötigen, sich dieses
Thema erschließen können. Dieser Unterstützungsbedarf kann
bestehen, weil bei einem Kind eine spezische Sprachentwick-
lungsstörung (siehe hierzu Rothweiler i.d.B) vorliegt, oder
aber, wenn die Schulleistungen eines Kindes eine Förderung
der sprachlichen Entwicklung nahe legen. Wie Sarimski 2012
zeigt, können schwache Schulleistungen und das Auftreten so-
zial-emotionaler Störungen häug auf den sozialen Status ei-
nes Kindes zurückgeführt werden:
Abb. 1: Zusammenhang zwischen Armut und Ausbildung von so-
ziol-emotionalen Störungen bzw. niedrigen Schulleistungen (Sa-
rimski 2012: 57)
279
Zwischen Grammatik und Text
Ein gemeinsamer Unterricht bei förderbedürftigen Kindern
aus sozial benachteiligten Familien steht demnach zum einen
(1) vor der Aufgabe, dem Kind Lernmöglichkeiten zur Verbes-
serung der Schulleistungen zur Verfügung zu stellen; außer-
dem ist es (2) wichtig, das Auftreten sozial-emotionaler Auffäl-
ligkeiten zu kompensieren. Hierbei spielt eine Förderung der
Sprachkompetenz eine elementare Rolle:
Für Kinder mit sprachlichen Problemen besteht die Gefahr, in
eine ungünstige Wechselwirkungsspirale hineinzugeraten: Sie
werden seltener als Spielpartner gesucht und vermeiden selbst
aus Angst vor kommunikativen Fehlschlägen den Kontakt, so-
dass für sie immer weniger Gelegenheit entsteht, ihre sozia-
len Kompetenzen zu erweitern und Sicherheit zu gewinnen.
(Sarimski 2012: 87)
Dies führt dazu, dass Kinder, die in ihrer sprachlichen Ent-
wicklung unterstützungsbedürftig sind, sozial isoliert werden
(siehe hierzu die Studie von Rice, Sell und Hadley 1991) und
dass sie häuger auffälliges Verhalten zeigen (Beitchman, Wil-
son, Brownlie, Walters, Inglis und Lance 1996).
Das im Folgenden präsentierte Material kann im inklusiven
Unterricht eingesetzt werden, um das Auftreten der eben be-
schriebenen Wechselwirkungsspirale zu verhindern. Um in
diesem Beitrag Möglichkeiten aufzuzeigen, wie alle Kinder die
Chance erhalten, wichtige Besonderheiten des Texteschreibens
kennenzulernen, ist zunächst zu klären, worin die Herausfor-
derungen beim Schreiben von Texten liegen. Dies soll einlei-
tend im nächsten Kapitel erfolgen.
2 Aufgabenbereiche des Schreibens und konzeptionelle
Grundlagen des Materials
Beim Schreiben von Texten lassen sich mit Becker-Mrotzek
(2007: 48) zwei verschiedene Aufgabenbereiche unterscheiden.
280
Benjamin Uhl
Zum einen müssen Kinder lernen, „sprachlich[e] Einheiten mit
den Mitteln der Schrift [festzuhalten]“ (ebd.). Dies bezeichnet
Becker-Mrotzek als „Verschriften“. Das Erlernen des Verschrif-
tens umfasst demnach das Ausbilden einer Schreibfertigkeit
und den Erwerb eines Schriftsystems einschließlich der Or-
thographie (siehe hierzu auch Becker-Mrotzek und Böttcher
2012: 54f.). In der Literatur wird das Erlernen des Verschrif-
tens als „Schriftspracherwerb“ bezeichnet (Fix 2006: 50; Feilke
1993: 17).
Wenn Kinder lernen, wie sie im Medium der Schrift „sprach-
liche Handlungen mittels Texten“ (Becker-Mrotzek 2007: 48)
vollziehen, spricht Becker-Mrotzek von „Vertexten“. Im Ver-
gleich zum mündlich-diskursiven Sprachhandeln ist das Ver-
texten mental ein komplexer Vorgang:
Der Text als Mittel der zerdehnten, schriftlichen Kommuni-
kation unterliegt grundsätzlich anderen Bedingungen als der
mündliche Diskurs. Der Schreiber muss seine sprachliche
Handlung in Abwesenheit oder sogar in Unkenntnis des Lesers
schreiben. An die Stelle des kooperierenden Hörers muss die
Antizipation des Lesers treten.
(Becker-Mrotzek und Böttcher 2012: 55)
Beim Vertexten sind vom Schreibenden mental mehrere Teil-
handlungen (Planen Formulieren Überarbeiten)4 zu absol-
vieren, die das Schreiben als „pragmatische[n] Sonderfall“5
(Fix 2006: 46) prägen: Obwohl das Schreiben eine soziale,
4 In der empirischen Schreibforschung wird seit dem Schreibpro-
zessmodell von Hays und Flower (1980) von diesen drei Teilhand-
lungen ausgegangen: „Zum Schreibprozess werden im Allgemei-
nen die Schritte des Planens, Formulierens und Überarbeitens ge-
rechnet“ (Becker-Mrotzek und Böttcher 2012: 19).
5 „Beim Schreiben liegt der pragmatische Sonderfall vor, dass es
zwar eine sozial interaktive, kommunikative Handlung ist, aber
Produzent und Rezipient zeitlich versetzt agieren“ (Fix 2006: 46).
281
Zwischen Grammatik und Text
d.h. kommunikative Handlung ist, sind alle Teilhandlungen
des Schreibens vom Schreibenden in der Regel alleine durch-
zuführen. Hierbei muss der Schreibende die Aufgabenstellung
beachten, sein Sprach- und Weltwissen organisieren und eine
Leserinstanz antizipieren. Abgrenzend vom Begriff „Schrift-
spracherwerb“ wird das Erlernen des Texteschreibens in der
Literatur als „Schreibentwicklung“ bezeichnet (Feilke 1993: 17).
Die Schreibentwicklungsforschung beschäftigt sich demnach
damit, wie sich bei Schülerinnen und Schülern „eine textuel-
le Handlungskompetenz im Medium geschriebener Sprache“
(ebd.) entwickelt.
Zwischen den eben angeführten Aufgabenbereichen des Schrei-
bens (Verschriften/Vertexten) besteht eine hohe Abhängigkeit:
Erst wenn das Verschriften zu einem gewissen Grad automati-
siert und routiniert abläuft, stehen dem Schreibenden kognitive
Ressourcen zur Bewältigung komplexer Vertextungsaufgaben
zur Verfügung. In diesem Sinne liest man bei Becker-Mrotzek
und Behrens (2014):
Grundlegend ist die üblicherweise in der Grundschule vermit-
telte Fähigkeit, Sprache mittels Schrift festzuhalten, denn eine
üssige Sprachproduktion unter Beachtung der Orthographie
ist Voraussetzung, um das Arbeitsgedächtnis für die eigentli-
che Textproduktion zu entlasten.
(Becker-Mrotzek und Behrens 2014: 55)
Das in diesem Beitrag vorgestellte Unterrichtsmaterial rich-
tet sich an Schülerinnen und Schüler, die noch keine üssige
Sprachproduktion im Medium der Schrift ausgebildet haben.
Durch das Material sollen die Kinder angeregt werden, wie
sie zunächst im Mündlichen besondere sprachliche Mittel ken-
nenlernen, die wichtig sind, um Texte zu schreiben. Das Ma-
terial soll somit dazu beitragen, dass auch die Schülerinnen
und Schüler, für die das Verschriften eines Textes eine große
Herausforderung darstellt, eine literale Handlungskompetenz
ausbilden können. Im Fokus stehen hierbei Erzählungen. Denn
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Benjamin Uhl
gerade was das Gestalten einer Erzählung angeht, können
Kinder oft auf protoliterale Erfahrungen zurückgreifen, die sie
im Umgang mit gehörten und gesehenen Geschichten gewon-
nen haben.6
Das zeigt sich bspw. dadurch, dass sie an bestimmte märchen-
typische Figuren- und Handlungskonstellationen anknüpfen
(z.B. böser Drache entführt Prinzessin), oder dass bestimmte
oskelhafte Textelemente („es war einmal“; „und wenn sie
nicht gestorben sind...“) verwendet werden (siehe hierzu bspw.
Becker 2002: 32 oder Weinhold 2000: 195). So konnte Weinhold
zeigen, dass Erstklässlerinnen und Erstklässler, die noch stark
mit dem Verschriften beschäftigt sind, zwar schon Elemente
einer Geschichte in ihren Texten umsetzen können – eine kom-
plette Erzählung zu gestalten, ist für Kinder, bei denen das
Verschriften nicht automatisiert abläuft, aber sehr schwierig:
[D]ie Schreibanstrengung auf basaler Ebene ist zu groß, als
dass die Kinder im Sinne ihrer kommunikativen Absicht, eine
Geschichte zu erzählen, schriftlich fortfahren könnten.
(Weinhold 2000: 149)7
Das im Folgenden vorgestellte Material soll es Kindern ermög-
lichen, eine Erzählung zu gestalten und dabei die Schwierig-
6 Dehn, Merklinger und Schüler (2014: 3) sprechen in diesem Zu-
sammenhang von einem „Geschichtenfundus“: „Das Erzählen
orientiert sich an einem Fundus von gehörten, gelesenen, gesehe-
nen Geschichten, von Figurenkonstellationen und Handlungs-
schemata und von Text- und Genremustern.“
7 Um die hier skizzierte Herausforderung des Verschriftens zu um-
gehen, nutzt Merklinger (2011) das diktierende Schreiben. Beim
diktierenden Schreiben fungiert ein Erwachsener als Skriptor, der
von einem Autorenkind einen Text diktiert bekommt („der er-
wachsene Skriptor ist für den manuellen Aspekt des Schreibens
verantwortlich, also für die Verschriftung des Gesagten“ (Merklin-
ger 2015: 91)).
283
Zwischen Grammatik und Text
keiten, die aus dem Verschriften resultieren, zu kompensieren.
Als Instrument hierzu dienen Geschichtenpläne (Uhl 2016).
Im folgenden Abschnitt soll zunächst vorgestellt werden, was
Geschichtenpläne sind. Im Anschluss daran werden Lernmög-
lichkeiten aufgezeigt, die sich beim Einsatz des Förderinstru-
ments ergeben.
3 Geschichtenpläne
In dem vorgestellten Material werden Bild- und Textelemen-
te multimodal in Form von „Geschichtenplänen“ (Uhl 2016)
miteinander verknüpft. Geschichtenpläne visualisieren die
Grundstruktur eines narrativen Textes (siehe exemplarisch Ab-
bildung 2): In einem Geschichtenplan benden sich Platzhalter
mit unterschiedlichen Formen.
Zu diesen Formen kompatibel sind Figuren (eckige Form), Orte
(dreieckige Form) und Gegenstände (runde Form). Durch das
Einsetzen der Bilder entstehen kleine, individuelle Geschich-
ten.8
In dieser Kombination aus Bild-Text-Elementen liegt in dreier-
lei Hinsicht ein besonderes Lernpotenzial:
Zum einen gibt ein Geschichtenplan immer eine narrative
Suprastruktur vor, die mit Bildern befüllt werden kann. Im
gemeinsamen Ko-Konstruktionsprozess von Kind und Erzie-
her/-in bzw. Lehrer/-in können Lernende, für die die schrift-
liche Textproduktion eine zu große Herausforderung darstellt,
8 Im Original sind die Geschichtenpläne farbig. Zu den großen
Platzhaltern, die mit einem Bild „befüllt“ werden können, gibt
es farblich passend kleine Platzhalter. Dies dient zum Sicht-
barmachen von Rekurrenz (siehe Abschnitt 3.1 „Geschichtenplä-
ne und textuelles Lernen“).
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Benjamin Uhl
an das Erzählen als sprachliche Handlungsform herangeführt
werden; Kinder mit unterschiedlichen Lernausgangslagen
können sich somit ein elementares literales Handlungswis-
sen im Medium der Mündlichkeit aufbauen. In dem Abschnitt
3.1 „Geschichtenpläne und textuelles Lernen“ sollen Lernmög-
lichkeiten vertieft werden, die sich in diesem Zusammenhang
ergeben.
Abb. 2: Geschichtenplan aus Uhl 2016. Im Original farbig
285
Zwischen Grammatik und Text
Zum anderen liegt mit dem Geschichtenplan ein Text vor, der
viele Elemente konzeptioneller Schriftlichkeit enthält. Über
die Auseinandersetzung mit den Geschichtenplänen werden
vielfältige Lernmöglichkeiten geboten, auf implizitem Wege
grammatische Strukturen zu entdecken, die für das Schreiben
von Erzählungen wichtig sind (bspw. das Präteritum als Er-
zähltempus (Uhl 2015a) oder den Unterschied zwischen deni-
tem und indenitem Artikel). Die sich aus diesem Blickwinkel
ergebenden Lernmöglichkeiten werden im Abschnitt 3.2 „Ge-
schichtenpläne und grammatisches Lernen“ behandelt.
Außerdem regen Bilder als Erzählimpuls unmittelbar zur
sprachlichen Gestaltung an. Dem Einsatz „ästhetischer Objek-
te“ wie dem Bild oder dem Film wird in inklusiven Kontexten
ein großes Potenzial zugesprochen (vgl. Kruse 2016: 4f). Bilder
regen aber nicht nur zu Sprachproduktion an, sie können auch
für sich erzählen, d. h. sie können Inhalte (wie beim Comic, dem
Bilderbuch oder der Graphic Novel) rein visuell ausdrücken.
Im Sinne eines „visual-literacy-Konzepts“ (Dehn 2014) werden
durch den Einsatz von Bildern viele literarästhetische Lern-
gelegenheiten angesprochen, denn „visuelle Wahrnehmung,
Vorstellung und sprachliche Gestaltung sind eng aufeinander
bezogen“ (Dehn 2014: 133). Die sich aus diesem Blickwinkel
ergebenden Lernmöglichkeiten werden im Abschnitt 3.3 „Ge-
schichtenpläne und ästhetisches Lernen“ besprochen.
3.1 Geschichtenpläne und textuelles Lernen
Empirische Studien (Augst et al. 2007) sowie die kommentier-
ten Bildungsstandards (Baurmann und Pohl 2009) beschreiben
die Schreibentwicklung bei Grundschülerinnen und Grund-
schülern anhand von vier verschiedenen Phasen:9
9 In einer ersten Phase neigen Kinder zu assoziativen und sponta-
nen Texten, die dadurch geprägt sind, dass die Schreibenden
„unmittelbar das zu Papier [bringen], was ihnen durch den Kopf
schießt“ (Baurmann und Pohl 2009: 81). Die zweite Phase ist da-
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Benjamin Uhl
Entwicklungsphase Sprachlich-textuelle Leistung
1. Assoziative Texte Auswahl an Inhaltselementen
2. Verkettende Texte Sachlogische Verknüpfung von Inhaltselementen
3. Gegliederte Texte Ausbildung verschieden gestalteter Textteile
4. Textsortenfunktionale Texte Einlösen einer textsortenadäquaten Textfunktion
Abb. 3 : Phasen der Schreibentwicklung nach Baurmann und Pohl
(2009: 84)
Im Sinne des dualen Curriculums sollten Schülerinnen und
Schüler auch in sonderpädagogischen Kontexten die vierte
Entwicklungsphase erreichen können. Erzählungen der vier-
ten Phase sind durch zwei Eigenschaften geprägt: Die Erzäh-
lungen sind strukturierte Texte, in der Hinsicht, dass sie ein
narratives Textmuster aufweisen. Dieses narrative Textmuster
besitzt, wie Abbildung 4 zeigt, die Textmusterphasen „Orien-
tierung“, „Komplikation“ und „Auösung“ (siehe hierzu La-
bov und Waletzky 1967, Becker 2002, Augst et al. 2007, Uhl
2015a). Erzählungen der vierten Phase der Schreibentwicklung
sind außerdem durch besondere sprachliche Mittel gekenn-
zeichnet, die dazu dienen, eine Textfunktion umzusetzen. Für
Erzählungen als Bestandteil der homileiischen Kommunikati-
on kann diese Textfunktion als „unterhaltend“ charakterisiert
werden.10 Wichtige sprachliche Mittel, die diese Textfunktion
durch gekennzeichnet, dass einzelne Ereignisse des Textes sach-
logisch verkettet werden (vgl. Baurmann und Pohl 2009: 82). Für
das Schreiben von Erzählungen ist für diese Phase der Schreibent-
wicklung die Verwendung von „und dann“ als Konnektor ty-
pisch. Bei gegliederten Texten nutzen die Schreibenden dann ver-
mehrt ein Textmuster, so dass einzelne Textmusterphasen (wie
z.B. eine Einleitung oder ein Schluss) erkennbar werden. In der
vierten Phase gelingt es den Schreibenden, eine Textfunktion ein-
zulösen. Die Textfunktion erzählender Texte wird im Folgenden
dargelegt.
10 Erzählen „gehört in den Zusammenhang der Geselligkeit, also
des Austauschs von (und der Freude an) interessanten Erfahrun-
gen“ (Rehbein 1984: 71).
287
Zwischen Grammatik und Text
einlösen, sind u.a. Adjektive, Adverbien und expressive Ver-
ben (Uhl 2015b). Abbildung 4 illustriert mithilfe einer Beispiel-
erzählung die Verwendung eines narrativen Textmusters und
den Gebrauch der eben erwähnten sprachlichen Mittel, die
Emotionalität ausdrücken.
Plötzlich kam auf einmal
ein riesiger Schatten über
ihn. Der Geist schwebte
weg in eine Ecke da sah
er dass ein riesengro-
ßer Riese vor ihm stand
schnell schwebte er zur
Hexe und sagte „in dem
Schloss ist ein Riese“ sag-
te der Geist stotternd vor
Angst „und der Himmel
brennt bestimmt ist er so
groß dass er den Himmel
sogar anzünden kann.“ Da
erschrak die Hexe und
machte schnell einen Zau-
bertrank um den Riesen
zu verscheuchen und den
Himmel zu löschen.
Es war einmal vor
vielen Jahren ein ver-
lassenes Schloss. Dort
wohnten eine Hexe und
ein Geist. Der Geist
fragte die Hexe. „Was
machst du da?“ Die
Hexe antwortete „ich
zaubere an der Zauber-
kugel.“ Dann sagte der
Geist ich schwebe ein
bisschen durch [das]
Schloss und erschre-
cke die Fledermäuse.
Komplikation Das hat sie dann ganz
schnell und die Hexe hat
es geschat den Riesen
zu verscheuchen und den
Himmel gelöscht und
die Hexe sagte gut dass
du mich gewarnt hast so
konnten wir den Riesen
besiegen.“ Dann war
wieder alles friedlich der
Geist konnte dann wieder
in Ruhe rumspuken.
Orientierung Auösung
Abb. 4: Beispielerzählung mit narrativer Struktur (Orientierung –
Komplikation – Auösung)
288
Benjamin Uhl
Abbildung 5 zeigt, dass auch den Geschichtenplänen die eben
analysierte narrative Grundstruktur zugrunde liegt.
Doch eines Nachts kam
n und klaute ¢. Da
kam n und sagte: „Ich
werde überall nach ¢
suchen. “n suchte ∧ und
∧, n fand ¢ und ¢ aber
nicht das, was n suchte.
Es war einmal vor
langer Zeit, da lebten
n und n . Die beiden
wohnten ∧ . Eines Ta-
ges fand n ¢. ¢ geel
n sehr gut. Auch n war
ganz begeistert von ¢
, und sie spielten jeden
Tag damit.
Komplikation Als n gerade aufgeben
wollte, entdeckte n
plötzlich ∧ . n hatte das
Versteck von n gefunden
und brachte ¢ zurück. Da
freuten sich n und n .
Orientierung Auösung
Abb. 5: Narrative Struktur des Geschichtenplans
Damit bei der Arbeit mit den Geschichtenplänen auch emoti-
onale Mittel umgesetzt werden, können die eingeführten Fi-
guren, Orte und Personen mit weiteren Kärtchen kombiniert
werden (siehe Abbildung 6). Kombinierbar mit den Figuren
(eckige Form) sind Emoticons; kombinierbar mit den runden
und dreieckigen Formen sind Adjektive, die einer eher bil-
dungssprachlichen Sprachvarietät zugeordnet werden können.
Das Verwenden dieser Adjektive erweitert den Wortschatz der
Lernenden und verleiht den Erzählungen eine besondere (bil-
dungssprachliche) Qualität.
289
Zwischen Grammatik und Text
Abb. 6: Emotionale Mittel für die Geschichtenpläne
Ziel der Arbeit mit den Geschichtenplänen ist es zum einen,
bei den Lernenden ein Wissen über den prototypischen
Ablauf einer Erzählung aufzubauen. Zum anderen sollen
die Schülerinnen und Schüler für bestimmte sprachliche
Strukturen sensibilisiert werden, die das Erzählen als Textart
kennzeichnen (emotionale Mittel). Damit werden die Kinder
angeleitet, textsortenfunktionale Erzählungen zu gestalten. Es
kann angenommen werden, dass sich das über die Geschich-
tenpläne vermittelte Wissen positiv auf das Schreiben von Er-
zählungen auswirkt: Bereits 1980 machen Hayes und Flower
in ihrem Schreibprozessmodell darauf aufmerksam, dass bei
einer kompetenten Schreiberin/einem kompetenten Schrei-
ber Schreibpläne („stored writing plans“, Hayes und Flower
1980: 11) im Langzeitgedächtnis gespeichert werden. Das hier
290
Benjamin Uhl
eingesetzte Material soll zur Bildung solcher mentalen Schreib-
pläne anregen.11
Die Arbeit mit dem Geschichtenplan eröffnet darüber hinaus
noch eine weitere wichtige Lerngelegenheit, die gerade im
Kontext des Schreibens elementar ist und eine zentrale Schnitt-
stelle zum grammatischen Lernen bildet: Wie in Abbildung 2
erkennbar ist, weisen die Platzhalter unterschiedliche Farben
und Größen auf. Diese Visualisierungen dienen dazu, sichtbar
zu machen, dass auf einen Platzhalter referiert werden muss:
Dies wird bspw. am Anfang des Textes erkennbar (siehe Abb. 7).
In dem Beispiel sind Hexe und Drache als Figuren in die im
Original farbigen Platzhalter eingeführt (Hexe im roten Platz-
halter, Drache im grünen). Das Kind muss beim Vorlesen der
Erzählung nun die Referenz herstellen: Taucht ein kleines rotes
Quadrat auf, ist das in diesem Fall eine Referenz auf die Hexe.
Ein kleiner grauer Kreis ist in dem Beispiel eine Referenz auf die
Zauberkugel, ein gelbes Dreieck eine Referenz auf das Schloss.
Es entsteht somit für die Erzählung folgende Orientierung:
Es war einmal vor langer Zeit, da lebten eine Hexe und ein
Drache. Die beiden wohnten in einem Schloss. Eines Tages
fand die Hexe eine Zauberkugel. Die Zauberkugel/Sie geel
der Hexe/ihr sehr gut. Auch der Drache war ganz begeistert
von der Zauberkugel, und sie spielten jeden Tag damit.
11 In diesem Sinne argumentieren auch Becker-Mrotzek und Beh-
rens dafür, dass sich das Abrufen von Schreibplänen positiv auf
das Schreiben auswirkt „Als gesichert kann in jedem Fall gelten,
dass Textartenwissen eine Hilfe beim Schreiben darstellt: Es stellt
Strukturierungs- und Formulierungshilfen bereit und entlastet so
den Schreibprozess“ (Becker-Mrozek und Behrens 2014: 58).
291
Zwischen Grammatik und Text
Abb. 7: Kohäsionsmittel in der Erzählung
Die Kinder können mithilfe der Geschichtenpläne lernen, dass
einzelne Einheiten in einem Text zusammenhängen bzw. mit-
einander verknüpft sind. Sie erfahren, dass Figuren, Orte und
Gegenstände nochmals aufgegriffen werden (Rekurrenz) und
dass es Pronomen gibt, die sie anstelle dessen verwenden kön-
nen. Die Kinder erhalten somit eine implizite Lerngelegenheit
zum Erwerb von Kohäsionsmitteln.12 Das Verwenden von
Kohäsionsmitteln ist nach Bachmann (2002: 111) eine wichtige
12 Mit Nussbaumer 1991 können die über die Geschichtenpläne ver-
anschaulichten Kohäsionsmittel als „Verweismittel“ bestimmt
werden (siehe hierzu Nussbaumer 1991: 106). Zu Verweismit-
teln (wie z.B. Personal- oder Demonstrativpronomen) schreibt
Bachmann (2002: 107): „Diese sprachlichen Mittel [Verweismittel,
B.U.] verweisen auf andere Informationen, Aussagen, Begriffe,
Ausdrücke im Text oder nehmen solche wieder auf. Dies kann
grundsätzlich in zwei Richtungen geschehen: in vorausweisender
(Kataphora) oder in zurückweisender (Anaphora)“.
292
Benjamin Uhl
Unterstützung, die dem Rezipienten des Textes dabei hilft, den
Gesamtzusammenhang (Kohärenz) eines Textes herzustellen:
Textkohärenz liegt dann vor, wenn ein Rezipient beim Text-
verstehen – angeleitet durch die Textoberäche einzelne In-
formationen als ein umfassendes Bedeutungs- oder Sinngan-
zes rekonstruieren bzw. interpretieren kann.
(Bachmann 2002: 110f.)
Die Kinder erhalten durch die Arbeit am Geschichtenplan also
die Chance, auf eine implizite Art und Weise die Funktion
von Verweismitteln in Erzählungen zu entdecken. Somit ler-
nen sie sprachliche Mittel kennen, die für das Herstellen von
Textkohärenz grundlegend sind. Doch es ergeben sich noch
weitere Lernmöglichkeiten, die im Folgenden besprochen wer-
den.
3.2 Geschichtenpläne und grammatisches Lernen
Feilke und Tophinke (2016) schreiben über die Zieldimension
des Grammatikunterrichts:
Das primäre Ziel für Grammatisches Lernen ist nicht gram-
matisches Wissen, sondern grammatisches Können. Gram-
matisches Können entsteht im Sprachgebrauch; seine Aneig-
nung vollzieht sich im alltäglichen Sprechen und Schreiben.
(Feilke und Tophinke 2016: 4)
Im Sinne dieses Zitats soll durch die Arbeit mit Geschichten-
plänen zum grammatischen Lernen angeregt werden. Über
das Gestalten einer Erzählung wird ein Kontext geschaffen,
der Kinder auf motivierende Art und Weise zur Sprachpro-
duktion anregt. Anders ausgedrückt: Das grammatische Ler-
nen wird im Kontext einer Erzählung versteckt. Die Arbeit
mit Geschichtenplänen zielt auf die Steigerung eines prozedu-
ralen, impliziten grammatischen Wissens.13
13 Gerade für die Konzeption von Fördereinheiten ist es wichtig,
die Kinder nicht mit explizitem Grammatikunterricht zu konfron-
293
Zwischen Grammatik und Text
Damit sich ein solches Wissen aufbauen kann, sind drei Dinge
wichtig: Das Kind muss (1) aus rezeptiver Sicht gehäuft mit ei-
ner bestimmten sprachlichen Struktur konfrontiert werden und
aus produktiver Sicht dazu angeregt werden, diese sprachliche
Struktur zu verwenden (vgl. Ruberg und Rothweiler 2012: 149).
Die dem Kind präsentierte sprachliche Struktur muss (2) einen
Kontrast enthalten, der Form und Funktion der Struktur sicht-
bar macht (vgl. ebd.: 142). Möchte man bei Kindern z.B. den
Kasuserwerb anregen, ist der Kontrast „da ist die Katze vs. ich
sehe die Katze“ ungünstig (Beispiel nach ebd.: 150). Außerdem
ist (3) das Feedbackverhalten einer Kooperationspartnerin/ei-
nes Kooperationspartners (Lehrkraft/Erzieher/-in) elementar
(zum Feedbackverhalten siehe die Ausführungen im nächsten
Abschnitt).
Durch die Arbeit mit dem Geschichtenplan kann der Genuser-
werb von Kindern gefördert werden (Es war vor langer Zeit,
da lebten ein Riese und eine Hexe). Verstärkt werden kann dies,
wenn man zusätzlich zu den Figuren, Orten und Gegenständen
noch die Karten einsetzt, die eine emotionale Involvierung in-
tensivieren (vgl. Abschnitt 3.1). So kann den Kindern in Bezug
auf den Genuserwerb gezeigt werden, dass Adjektive anders
ektieren, wenn das Bezugswort ein anderes Genus hat (wie
eine schlaue Hexe vs. ein schlauer Drache). Auch der Unterschied
zwischen Dativ und Akkusativ wird durch das Material sicht-
bar: „Auch der Riese war ganz begeistert von der Zauberkugel,
und sie spielten jeden Tag damit. Doch eines Nachts kam der
Zwerg in das Schloss und klaute die Zauberkugel.“ Ein besonders
tieren. Hierzu gehören auch Verbesserungen wie „Du hast den
Dativ verwendet das ist falsch, hier muss der Akkusativ ste-
hen“. In diesem Sinne stellen Ruberg und Rothweiler (2012: 142)
bezüglich der Konzeption von Sprachförderangeboten die Frage:
„Wie lassen sich nun in einer Fördersituation gehäufte Kontexte
für eine bestimmte grammatische Struktur schaffen, ohne Gefahr
zu laufen, dass die Fördersituation zu einer konstruierten, sinn-
freien Grammatiklehrstunde verkommt?“
294
Benjamin Uhl
schwer zu erlernender Bereich des Deutschen ist die Verwen-
dung von Präpositionen (siehe hierzu Topalovic und Micha-
lak 2012: 240). Präpositionen regieren Kasus. Welcher Kasus
dies ist, muss jedoch wie das Genus eines Wortes im mentalen
Lexikon gespeichert werden. Erschwerend hinzu kommt im
Deutschen, dass es Wechselpräpositionen gibt, die je nachdem,
ob sie einen festen Ort oder eine Richtung anzeigen, variieren
(fester Ort: Die beiden wohnten in dem Schloss; Richtung: Eines
Tages kam der Zwerg in das Schloss). Auch zum Erlernen dieser
Besonderheit liefern die Geschichtenpläne also einen sprachli-
chen Input. Außerdem kann mithilfe der Geschichtenpläne der
Unterschied Denitheit vs. Indenitheit untersucht werden.
Nur Bekanntes wird mit denitem Artikel versehen (vgl. Hle-
bec 2013). Alles, was der Leserin/dem Leser zunächst noch un-
bekannt ist, erhält den indeniten Artikel. Am Anfang der Er-
zählung heißt es also: „...da lebte eine Prinzessin“, während es
wenn die Prinzessin den Leserinnen und Lesern vorgestellt
wurde – heißt: „Eines Tages fand die Prinzessin...“
3.3 Geschichtenpläne und ästhetisches Lernen
Beim ästhetischen Lernen geht es in Anlehnung an Dietrich,
Krinninger und Schubert (2012: 9) „um Fragen der Persönlich-
keitsbildung in und durch ästhetische Erfahrungen“. Die Kon-
frontation mit Bildern als Erzählimpuls soll solche ästhetischen
Erfahrungen ermöglichen. So kann beim Betrachten und dem
Einsetzen der Bilder in den Geschichtenplan jedes Kind seine
eigenen Vorstellungen und Ideen einbringen. Wichtig für das
ästhetische Lernen ist, dass die Bilder also eine Vieldeutigkeit
zulassen und sich somit ein Raum für individuelle Interpreta-
tionen eröffnet: „Zu einem ästhetischen Objekt gibt es immer
mehr als den einen Gedanken, die eine Empndung, den ei-
nen Zugriff“ (Kruse 2016: 4). Durch die Kombination mit den
Emoticons soll das ästhetische Empnden der Kinder weiter in-
295
Zwischen Grammatik und Text
tensiviert werden. So werden die Figuren durch die Emoticons
emotional aufgeladen. Hierbei gibt es kein richtig oder falsch.
Ob es sich bspw. in Abbildung 8 um „das schlaue Mädchen“,
„die kluge Prinzessin“, „die belesene Fee“, „die kurzsichtige
Elfe“ oder einfach nur um „die Hexe mit Brille“ handelt, ist
auf die individuelle, ästhetische Empndung jedes einzelnen
Kindes zurückzuführen.
Abb. 8: Kombination aus Figurenkarte und Emoticon: „Die Hexe mit
Brille“
Ästhetisches Empnden steht somit in einem besonderen
Wechselwirkungsverhältnis mit der eignen Wahrnehmung:
Wenn wir also etwas ‚schön‘ nden (oder faszinierend, un-
heimlich, mitreißend oder anrührend traurig), wenn uns also
etwas auf die eine oder andere Weise gefällt, dann geht das
immer mit einem besonderen Verhältnis zur eigenen Wahr-
nehmung einher. (Dietrich, Krinninger und Schubert 2012: 14)
Wichtig für das ästhetische Lernen ist, dass es auf Grundlage
der individuellen ästhetischen Erfahrungen zu einem Aus-
tausch kommt. Ästhetisches Lernen soll demnach zu einer
„Praxis der Verständigung“ (Dietrich, Krinninger und Schu-
bert 2012: 30) anregen:
Schließlich gehört es zur ästhetischen Bildung unabdingbar
dazu, das Geschehen zu artikulieren, anderen und sich selbst
mitzuteilen. Die ästhetische Erfahrung drängt zum Ausdruck.
(Dietrich, Krinninger und Schubert 2012: 30)
296
Benjamin Uhl
Die Geschichtenpläne fordern die Kinder dazu auf, eine sprach-
liche Handlungsform zu realisieren, die zum Ausdruck von Er-
fahrungen prädestiniert ist: das Erzählen. Über das Erzählen
können individuelle Erfahrungen im Sinne des ästhetischen
Lernens kommunikativ verarbeitet werden.
Nachdem mit den letzten drei Abschnitten verschiedene Lern-
gelegenheiten benannt wurden, die sich mit dem Einsatz von
Geschichtenplänen ergeben, soll nun abschließend gezeigt
werden, wie eine Fördersituation gestaltet sein muss, bei der
Geschichtenpläne zum Einsatz kommen.
4 Geschichtenpläne als Scaffolding:
Didaktische Progression im gemeinsamen Unterricht
Wichtig bei dem Arbeiten mit den Geschichtenplänen ist, dass
das Befüllen des Geschichtenplans immer ko-konstruktiv ge-
schehen sollte. Für Ko-Konstruktion als besondere Form des
Scaffoldings ist charakteristisch, dass sie eine Lernsituation
umschreibt, die (zunächst) zwischen Lehrkraft bzw. Erzie-
her/-in und Kind besteht:
Im Ko-Konstruktionsprozess müssen die Handlungsanfor-
derungen so zwischen der pädagogischen Fachkraft oder an-
deren kompetenten Personen und dem lernenden Kind ver-
teilt sein, dass Ziele gemeinsam erreicht werden, die ohne
diese Form der Unterstützung nicht erreicht worden wären.
(Jungmann und Albers 2013: 67)
Die Rollenverteilung in dieser ko-konstruktiven Lernsituation
sollte je nach Kind und Situation variiert werden: Je selbststän-
diger ein Kind arbeiten kann, desto eher kann man es in die
Rolle der Produzentin/des Produzenten versetzen. Bei gro-
ßem Unterstützungsbedarf ist es wichtig, dass das Kind eher
297
Zwischen Grammatik und Text
die Rolle eines Rezipienten einnimmt. Die Arbeit mit dem Ge-
schichtenplan ist dann eine besondere Art von Vorlesesitua-
tion, in die sich das Kind durch das Befüllen der Platzhalter
einbringen kann. Kinder, die in Bezug auf ihre sprachliche Ent-
wicklung unterstützungsbedürftig sind, können durch „echte“
Vorlesesituationen überfordert werden.14 Im Sinne des hier
vorgestellten Materials schlägt Sarimski vor, Vorlesesituatio-
nen durch zusätzliches Material zu entlasten: „Für Kinder ist es
hilfreich, wenn die erzählte Geschichte zusätzlich durch Hand-
puppen oder Miniaturguren veranschaulicht wird“ (Sarimski
2012: 90).
Bei großem Unterstützungsbedarf im Bereich Sprache ist es
außerdem wichtig, dem Kind, wie im vorangegangenen Ab-
schnitt skizziert, einen sprachlichen Input zu bieten, der zum
Aufbau eines impliziten Grammatikwissens führt. Um den
Spracherwerb des Kindes anzuregen und es nicht zu demo-
tivieren, sind folgende Feedbacktechniken hilfreich, falls das
Kind Unterstützung in Hinblick auf die Verwendung gram-
matischer Strukturen benötigt (wichtig bei der Arbeit mit Ge-
schichtenplänen sind korrektives Feedback und Expansion
auf direkte Korrekturen, die explizites Grammatikwissen zum
Gegenstand haben, sollte verzichtet werden).
14 „Das Vorlesen und das gemeinsame Anschauen von Bilderbü-
chern stellen hohe Anforderungen an die Sprachverarbeitungs-
kompetenzen von Kindern mit spezischer Sprachentwicklungs-
störung.“ (Sarimski 2012: 90)
298
Benjamin Uhl
Sprachlehrstrategie Beispiel
(K = Kind, E = Erzieherin)
Korrektives Feedback auf morphosyntaktischer Ebene:
K: Der Junge holt der Ball.
E: Stimmt. Der Junge holt den Ball.
K: Junge Ball holen.
E: Hm. Der Junge holt den Ball.
auf phonetisch-phonologischer Ebene:
K: Das ist eine Tatze.
E: Ja. Das ist eine Katze.
auf semantisch-lexikalischer Ebene:
K: Da is ein Wauwau.
E. Ja, das ist ein Hund.
Expansion (Erweiterung) K: Das ist ein Hund.
E: Oh ja. Da ist ein ganz kleiner Hund.
Transformation (Umformung) K: Das ist ein Hund.
E: Hm. Ein Hund ist das.
Extension K: Hundi belle.
E: Ja, der hat Angst.
Offene Frage E: Was macht denn der Junge da?
K: Der spielt mit Ball.
Abb. 9: Merkmale lehrender Sprache (Ruberg und Rothweiler
2012: 68)
Damit ist zunächst ein Vorgehen in einer Fördersituation be-
schrieben, in der eine Lehrkraft und ein zu förderndes Kind
sehr eng miteinander kooperieren. Ziel der Arbeit mit Ge-
schichtenplänen ist es, auch die Peers in Fördersituationen
miteinzubeziehen. Im Sinne eines „peer-mediated teaching“
(Odom, Chandler, Ostrosky, McConnell und Reaney 1992)
könnten Kinder ohne Unterstützungsbedarf in Hinblick auf die
sprachliche Entwicklung gemeinsam mit unterstützungsbe-
dürftigen Kindern eine Erzählung gestalten. In einem gemein-
samen Unterricht bietet der Einsatz von Geschichtenplänen
also die Möglichkeit, dass mehrere Schülerinnen und Schüler
kooperativ zusammenarbeiten. Dadurch, dass man Geschich-
299
Zwischen Grammatik und Text
tenpläne hinsichtlich Umfang und Komplexität variieren kann,
besteht eine gute Möglichkeit zur Differenzierung. Inwiefern
man Schülerinnen und Schüler in diesen gemeinsamen Lern-
situationen auch darin kompetent machen kann, die oben be-
schriebenen Feedbacktechniken zu nutzen, muss die empiri-
sche Forschung zeigen.15
Durch den Geschichtenplan gestalten Kinder eine Erzählung,
indem sie Bildkarten einsetzen. Zunächst schreiben die Kinder
also noch nicht. Mit anderen Worten: Sie lernen sprachliche
Mittel des Vertextens kennen, ohne dass sie dazu schon Ver-
schriften müssen. Die somit entstandene Erzählung kann vor-
gelesen, einer Lehrkraft diktiert oder abgeschrieben werden.
Zur Förderung der schriftlichen Erzählfähigkeit ist der nächste
Schritt in einer didaktischen Progression nicht mehr die Vorga-
be eines kompletten Geschichtenplans, sondern eine Visuali-
sierung in Form eines Geschichtenschemas. Abbildung 10 zeigt
den Aufbau eines Geschichtenschemas, das die verschiedenen
Textmusterphasen (Orientierung, Komplikation, Auösung)
sichtbar macht.
15 Denkbar wäre hier, dass Lernende mit unterschiedlichen Lern-
ausgangslagen „Erzähltandems“ bilden. Mit Hilfe der Geschich-
tenpläne könnten dann die leistungsschwächeren Schülerinnen
und Schüler durch die leistungsstärkeren bei der Konstruktion
einer Erzählung unterstützt werden. Für leistungsstärkere Kin-
der entsteht hierbei eine Lerngelegenheit, sich vertiefend mit den
Besonderheiten einer Erzählung auseinanderzusetzen; sie erhal-
ten somit ein „Expertenwissen“ über das prototypische narrative
Handlungsmuster und die besonderen sprachlichen Mittel, die
zur sprachästhetischen Ausgestaltung einer Erzählung wichtig
sind (vgl. Abschnitt 3.1). Dieses „Expertenwissen“ kann dann die
eigene Textproduktion der leistungsstärkeren Schülerinnen und
Schüler unterstützen (siehe hierzu Uhl i.V.).
300
Benjamin Uhl
Abb. 10: Visualisierung eines Geschichtenschemas
Pro Textmusterphase können wie bei dem Geschichtenplan
bestimmte Platzhalter eingesetzt werden. Es gibt aber keinen
vorformulierten Text mehr, d.h. die Formulierungsarbeit muss
jetzt vom Schreibenden selbst geleistet werden. Daher bietet es
sich an dieser Stelle an, der Schülerin bzw. dem Schüler pro-
totypische Formulierungshilfen an die Hand zu geben, die je-
weils kennzeichnend für eine Textmusterphase sind.
301
Zwischen Grammatik und Text
Formulierungshilfen als narrative Textprozeduren
Was muss ich beim Schrei-
ben einer Erzählung tun?
Wie formuliere ich das?
Prozedur Prozedurenausdruk
Einleitung vornehmen
Es war einmal
Vor langer Zeit.
Bir varmış bir yok-
muş
Hauptteil gestalten
Plötzlich
Auf einmal
Birdenbire
Aniden
Schluss gestalten
Wenn sie nicht ge-
storben sind, dann
leben sie noch heute.
...ve sonsuza kadar
mutlu yaşamışlar.
Deutsch Türkisch
Abb. 11: Formulierungshilfen für das Geschichtenschema
Man spricht hier in der Forschung von Textprozeduren
(vgl. Feilke 2014: 30f). Eine Textprozedur besteht aus einem
Prozedurenausdruck, also aus einer feststehenden Formu-
lierung wie „es war einmal“ und einer damit verbundenen
Handlung, in diesem Fall „in eine Erzählung einleiten“. Wie in
Abbildung 11 anhand des Türkischen gezeigt, existieren diese
Textprozeduren in analoger Form auch in anderen Sprachen
bzw. Kulturen.
Der nächste Schritt in einer didaktischen Progression zur
Schreibförderung von narrativen Texten liegt im Verzicht auf
das Geschichtenschema. Anstelle dessen gibt man den Kindern
nur noch Bildimpulse vor. Das kann zunächst noch eine Kom-
bination aus Bildimpuls und emotionaler Verstärkerkarte sein.
Ziel sollte es aber sein, dass Kinder nun ohne weitere Hilfen –
303
Zwischen Grammatik und Text
Die Visualisierungen in Form des Geschichtenplans bzw. Ge-
schichtenschemas fungieren also immer als Scaffolding, als
didaktisches Stützgerüst. Je mehr die Schreibkompetenz einer
Schülerin/eines Schülers steigt, desto mehr kann das didakti-
sche Stützgerüst wieder abgebaut werden (vgl. Abbildung 12).
Diese Adaptivität ermöglicht den Einsatz des hier vorgestellten
Unterrichtsmaterials im gemeinsamen Unterricht der Grund-
schule.
5 Geschichtenpläne im gemeinsamen Unterricht – ein Fazit
In dem Beitrag wurde mit dem Geschichtenplan bzw. dem
Geschichtenschema ein Förderinstrument vorgestellt, das sich
an Schülerinnen und Schüler wendet, für die das Verschriften
eines Textes eine große Herausforderung darstellt. Es wurde
gezeigt, dass sich durch dieses Förderinstrument textuelles,
grammatisches und ästhetisches Lernen verbinden lässt. Au-
ßerdem wurde skizziert, wie Geschichtenpläne als Scaffolding
in einem gemeinsamen Unterricht eingesetzt werden können.
Damit endet dieser Beitrag – die Arbeit mit Geschichtenplänen
als Förderinstrument im gemeinsamen Unterricht steht aller-
dings erst am Anfang: Jetzt ist es Aufgabe der empirischen
Deutschdidaktik, den konkreten Einsatz dieses Förderinstru-
ments zu evaluieren.
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Book
Heterogenität ist ein schulpädagogischer Dauerbrenner: Sie wird einerseits schulisch erzeugt, andererseits werden Strategien zum Umgang mit Heterogenität für Individuelle Förderung genutzt. Hinzu treten Konzepte wie Inklusion und Diversität, die für Herausforderungen und Reformprozesse stehen. Bildungswissenschaftliche und fachdidaktische Perspektiven werden gebündelt, die vielseitige Einblicke in aktuelle Diskurse eröffnen. Zentrale Begriffe werden erarbeitet und vielfältige Betrachtungsweisen des Feldes diskutiert.
Article
Full-text available
Der Bericht gibt Einblicke in die Tagung „Fachdidaktische Entwicklungsforschung in der Deutschdidaktik – Gegenstandsspezifische Lernprozesse in den Blick nehmen“. Diese fand am 22. und 23.03.2022 an der Bergischen Universität Wuppertal statt. Im Fokus der Tagung stand die Fragestellung, wie Design-Based Research als Forschungsmethode in der Deutschdidaktik eingesetzt werden kann. Hierzu wurden entsprechende Projekte sowohl unter methodologischer als auch unter fachdidaktischer Perspektive diskutiert.
Chapter
The article shows how textless picture books can be used for narrative acquisition in primary school. First of all, it will be shown which learning opportunities textless picture books offer for learning protoliteral and protoliterary narrative skills. With the help of a case study analysis, narrative scaffolding strategies can then be described: With regard to deixis, a distinction is made between pre- and paraliterary and quasi-literary communication offerings: Pre- and paraliterary forms of communication focus on the interaction between childand adult. In contrast, quasi-literary conversation offerings focus on the creation of the narrative story by the adult. In the sense of linking external and internal pragmatics, the article thus shows the potential of making the interaction about the textless picture book between child and adult a subjectof research.
Chapter
Die Deutschdidaktik wird von Harro Müller-Michaels als „Handlungswissenschaft“ beschrieben, „die das von den Wissenschaften bereitgestellte Wissen im Schulfeld erprobt und mit Blick auf ihre Leistung für die Bildung kontinuierlich überprüft“ (Müller-Michaels 2017: 220). Die Aufgabe der Deutschdidaktik liegt somit nicht nur im Vermitteln deklarativer Wissensbestände der Germanistik: „Dem fachlichen Wissen wird eine entscheidende neue Perspektive hinzugefügt: seine Bedeutung für die Bildung der nächsten Generation und damit der Bewahrung der Kultur sowie ihrer immer neuen Aktualisierung in veränderten Zeiten“ (ebd.). Eine bildungspolitische Veränderung, die die Deutschdidaktik aktuell prägt, ist die Unterzeichnung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen 2007 und die entsprechende Verankerung des Rechts auf gemeinsamen Unterricht in den Schulgesetzen der Bundesländer 2014. Damit ist ein Umbau zu einem inklusiven Schulsystem angestoßen. Inklusion kann hierbei – einem weiten Inklusionsverständnis folgend – als gesamtgesellschaftlicher Prozess verstanden werden, der die optimale Teilhabe und Bildungsgerechtigkeit aller Menschen (unabhängig von individuellen Merkmalen wie Behinderung, Begabung, Herkunft, Geschlecht, Kultur, Religion, Alter, etc.) zum Ziel hat (vgl. Hinz 2006: 97; Werning/Arndt 2016: 22). Mit Blick auf die Gestaltung inklusiven Unterrichts findet somit ein Paradigmenwechsel statt: Inklusiver Unterricht löst nach Amrhein und Reich (2014: 36) „den Gleichschritt und gleiche Ziel- und Rangvorstellungen auf der Basis durchschnittlicher Vergleiche von Schülerinnen und Schülern auf.“ Statt einer Orientierung an standardisierten Kompetenzen und Unterrichtsgegenständen (wie sie bildungsadministrativ durch die Bildungsstandards vermittelt werden), erhält im inklusiven Unterricht das individualisierte Lernen eine stärkere Akzentuierung: Die Heterogenität der Lerngruppen führt dazu, „den Unterricht an den unterschiedlichen Lern- und Leistungsständen und den unterschiedlichen sprachlichen, sozialen und kulturellen Ausgangsbedingungen der Schülerinnen und Schüler – insbesondere durch Binnendifferenzierung und Individualisierung – auszurichten“ (Werning/Arndt 2016: 31). Aus fachdidaktischer Perspektive stellt sich mit einer solchen Fokussierung auf individuelle Lernprozesse einer heterogenen Schülerschaft nun die Frage, welchen Stellenwert Normen im Unterricht besitzen. So wird bspw. bei Hochstadt (2019: 119) der Umgang mit Normen im inklusiven Deutschunterricht diskutiert: "In einer zunehmend pluralen Schülergemeinschaft wird es mehr und mehr schwierig, Deutschunterricht an einer realitätsadäquaten sprachlichen Norm auszurichten. […] Gleichzeitig darf eine solche Debatte nicht einseitig und naiv dazu führen, dass sprachliche Vielfalt und die Infragestellung sprachlicher Normen per se unkritisch als ausschließlich erstrebenswert dargestellt werden." (Hochstadt 2019: 119) Anknüpfend an diese Überlegung wird in diesem Beitrag erarbeitet, dass eine Orientierung an Normen für das Gestalten inklusionsorientierter Lernangebote im Deutschunterricht eine wichtige Hilfestellung darstellen kann. Im Kern des Beitrags steht hierbei ein Lerngegenstand der Deutschdidaktik, der aus inklusionspädagogischer Sicht eine essentielle Grundlage zur Partizipation an einer literalen Gesellschaft besitzt und der per se durch eine starke Normorientierung gekennzeichnet ist: Dieser Beitrag beleuchtet die Themengebiete Schriftspracherwerb und Schreibentwicklung aus einer spracherwerbstheoretischen und sprachdidaktischen Perspektive und arbeitet inklusionsorientierte Zugänge zum frühen Schreiben und Lesen heraus. Hierbei wird insbesondere eine Orientierung an Normen der Schriftlichkeit (Orthographie, Textmusterverwendung, Textualität) als eine Chance konzeptualisiert, das frühe Schreiben und Lesen im gemeinsamen Unterricht zu vermitteln. Dies geschieht, indem in dem Beitrag in Bezug auf Normen der Schriftlichkeit Scaffoldingangebote vorgestellt werden, die den Schriftspracherwerb und die Schreibentwicklung unterstützen.
Chapter
Wenn Kinder vor dem Lese- und Schrifterwerb Literalitätserfahrungen sammeln, entdecken sie im Medium der Mündlichkeit einen literalen Sprachgebrauch, der sich in textuell-pragmatischer und grammatischer Hinsicht von der Alltagssprache unterscheidet. Dieser Beitrag zeigt auf, wie textlose Bilderbücher in einer sprachsensiblen Lernumgebung eingesetzt werden können, um die Literalitätsentwicklung von Kindergartenkindern anzuregen. Hierzu werden Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt ProFis vorgestellt, einem Kooperationsprojekt der Universität Paderborn mit einer inklusiven Kindertagesstätte. Der Einsatz textloser Bilderbücher wird in diesem Forschungsprojekt mit einem zweiphasigen Lernarrangement kombiniert: In einem ersten Schritt gestalten ein Erwachsener und ein Kind auf der Grundlage eines textlosen Bilderbuchs des Illustrators Thé Tjong-Khing eine Erzählung. In einem zweiten Schritt erhält dann das Kind die Gelegenheit, die zuvor gemeinsam gestaltete Erzählung nachzuerzählen. In dem Beitrag werden Ergebnisse aus der Projektarbeit vorgestellt, an der insgesamt drei Kinder (zwei davon mit SSES ) beteiligt waren. Hierbei stehen zwei Fragestellungen im Fokus: Zum einen soll untersucht werden, ob ein solches Lernarrangement dazu führt, dass die Narrationsfähigkeit der teilnehmenden Kinder zunimmt. Zum anderen wird mit Blick auf sprachliche Fähigkeiten analysiert, ob die Kinder sich durch das Lernarrangement einen literalen Sprachgebrauch aneignen, wie er für eine konzeptionell-schriftsprachliche Erzählfähigkeit charakteristisch ist. Für den Beitrag ergibt sich folgendes Vorgehen: Zunächst wird unter theoretischer Perspektive erarbeitet, welche Rolle das mündliche Erzählen für eine frühkindliche, (proto-)literale Entwicklung spielt (Kap. 2). Ein anschließender Abschnitt stellt dann Besonderheiten einer literalen Sprache als dekontextualisierte Sprache heraus (Kap. 3.). Aufbauend auf diesen Überlegungen wird das Lernarrangement vorgestellt (Kap. 4). Es wird gezeigt, wie die textlosen Bilder¬bücher in einer sprachsensiblen Lernumgebung eingesetzt werden, um bei den Kindern einen literalen Sprachgebrauch zu evozieren. Durch das Anführen transkribierter Gesprächsdaten wird im folgenden Abschnitt (Kap. 5) ein Einblick in das Projekt gegeben – ein Vergleich von erster und letzter Projektintervention arbeitet abschließend mit qualitativem Blick individuelle Lernzuwächse der drei an der Projektarbeit beteiligten Kindergartenkinder heraus. Im Fazit (Kap. 6) können somit erste Erkenntnisse darüber zusammengetragen werden, ob und in welcher Weise das hier vorgestellte Lernarrangement für die frühkindliche Literalitätsentwicklung förderlich ist.
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In diesem Beitrag soll aufgezeigt werden, welche Rolle grammatisches Wissen bei der Ausbildung einer schriftlichen Narrationsfähigkeit spielt. Mit diesem Vorhaben wird ein aktuelles Desiderat der deutschdidaktischen Forschung angesprochen: So finden sich im fachdidaktischen Diskurs mehrere Autoren, die dafür plädieren, grammatisches und textuelles Lernen stärker miteinander zu verbinden (Abraham 2010, S. 331; Klotz 1996; Ossner 2007, S. 182; Pohl 2014b, S. 242). Bezugnehmend auf diese Forderung wird in dem Beitrag gezeigt, wie wichtig grammatisches Wissen über Tempora für den Erwerb des schriftlichen Erzählens im Grundschulalter ist. Ziel dieses Beitrags wird es sein, herauszustellen, wie vor allem schreibschwache Schülerinnen und Schüler von einem unterrichtlich-didaktischenVorgehen profitieren, das grammatisches und textuelles Lernen miteinander verknüpft. Zur Umsetzung dieses Vorhabens ergibt sich folgende Struktur: Im nächsten Abschnitt wird zunächst dargelegt, welche Rolle das schriftliche Erzählen im Kontext der Primarstufe spielt. Hierbei wird aus didaktischer Perspektive gezeigt, welche Formen des Erzählens am günstigsten für das narrative Lernen sind und wie sich die schriftliche Narrationsfähigkeit im Grundschulalter entwickelt. Im Anschluss daran wird von theoretischer Warte aus skizziert, was die Tempora des Deutschen formal und funktional kennzeichnet. Aufbauend hierauf werden dann Erzählungen aus dem dritten Schuljahr bezüglich der Wechselwirkung von Tempusverwendung und dem Etablieren narrativer Strukturen analysiert. Mittels dieser Analyse kann dann spezifiziert werden, über welche Art von grammatischem Wissen Schülerinnen und Schüler der dritten Klasse verfügen. Ein besonderer Fokus wird in einem anschließenden Folgeschritt auf der Gestaltungeines didaktischen Förderangebots liegen, das sich insbesonderean schreibschwache Schülerinnen und Schüler richtet. Ein Fazit fasst die Erkenntnisse dieses Beitrags abschließend zusammen.
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Grammatisches und narratives Lernen sind in der Primarstufe eng miteinander verbunden. Das gilt vor allem für die Verwendung der Tempora: So deuten die Studien zu schriftlichen Erzählfähigkeiten von Hug (2001), Augst et al. (2007) und Steinig et al. (2009) darauf hin, dass das Präteritum eine wichtige Rolle als Erzähltempus in Erzählungen der Grundschule spielt (besonders die longitudinal angelegte Studie von Augst et al. veranschaulicht dies, siehe hierzu ebd.: 70). In Uhl (2015) konnte darüber hinaus gezeigt werden, dass das Entdecken des Präteritums als Erzähltempus eine Voraussetzung für das Ausbilden einer schriftlichen Narrationsfähigkeit ist (Uhl 2015: 251 f.). Ziel dieses Beitrags ist es, hinter diese Befunde zu blicken und zu klären, welche Funktion das Präteritum beim Erzählen besitzt. Hierbei soll dargelegt werden, dass Kinder über ein implizites Wissen verfügen, wie sie durch die Tempusverwendung eine „verbale Distanz“ (Uhl 2015: 252) zum Ausdruck bringen können. Veranschaulicht werden soll dies durch eine Dokumentation von vorschulischen Lernprozessen: In dem Beitrag wird gezeigt, dass grammatisches Wissen, das für die Gestaltung von schriftlichen Erzählungen wichtig ist, bereits im Kindergartenalter vermittelt werden kann. Kinder, die in Bezug auf ihre sprachliche Entwicklung noch Unterstützungsbedarf benötigen, können sich somit wichtige Vorläuferfähigkeiten des Textschreibens aneignen. Gerade für das Unterrichten einer heterogenen Schülerschaft werden somit Möglichkeiten veranschaulicht, allen Kindern einen Zugang zum Erzählen zu eröffnen.
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In der hier vorliegenden Studie wird untersucht, wie Schülerinnen und Schüler des dritten Schuljahrs schriftliche Erzählungen verfassen. Damit widmet sich diese Arbeit einem Thema, das im Zuge des Schriftspracherwerbs eine zentrale Rolle spielt: So bietet das Schreiben von Erzählungen Drittklässlern die Möglichkeit, ein narratives Handlungsfeld im Medium der Schrift zu entdecken. Die Schülerinnen und Schüler können somit wichtige Literalitätserfahrungen sammeln. Leitend bei der Untersuchung der 45 Schülertexte, die dieser Studie zugrunde liegen, ist die Annahme, dass das Verwenden des Präteritums eine wichtige Rolle beim Schreiben fiktiver Erzählungen spielt. Hierzu werden zentrale tempustheoretische und erzähltheoretische Diskurse aufgegriffen und miteinander verknüpft. Mithilfe einer Verschränkung von quantitativer und qualitativer Analyse im Sinne eines Mixed-Methods-Designs kann empirisch begründet werden, dass die Entfaltung von schriftlicher Narrationsfähigkeit mit dem Entdecken des Präteritums als Erzähltempus zusammenhängt. Resultierend werden in der Arbeit didaktische Konsequenzen skizziert, wie die schriftliche Erzählfähigkeit im Rahmen eines integrativen Deutschunterrichts gefördert werden kann.
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This study examined a system for fading teacher prompts to children who served as peers in peer-initiation interventions for young children with disabilities. A teacher taught peers to direct social initiations to children with disabilities, provided verbal prompts for those initiations, and introduced a system that provided peers with visual feedback about the social interactions of the children with disabilities. She then systematically withdrew the verbal prompts to peers, and subsequently faded the visual feedback system. Peer initiations increased when the intervention began and resulted in increases in social interaction for the children with disabilities. As the teacher systematically faded the prompts and visual feedback to the peers, social interaction continued at the levels found during intervention and was maintained during a short maintenance period.
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Die Wiedergabe von Erzählungen und die damit verbundene sprachliche Gestaltung einer Geschichte eignen sich hervorragend, um ästhetische Lernprozesse bei Grundschulkindern anzuregen. Denn im Erzählen können subjektiv erfahrene ästhetische Eindrücke kommunikativ verarbeitet werden. Das hier vorliegende Material zeigt Wege auf, wie in einem adaptiv ausgerichteten Unterricht die Erzählkompetenz bei heterogenen Lernausgangslagen gefördert werden kann.
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In diesem Beitrag soll aufgezeigt werden, welche Rolle grammatisches Wissen bei der Ausbildung einer schriftlichen Narrationsfähigkeit spielt. Mit diesem Vorhaben wird ein aktuelles Desiderat der deutschdidaktischen Forschung angesprochen: So finden sich im fachdidaktischen Diskurs mehrere Autoren, die dafür plädieren, grammatisches und textuelles Lernen stärker miteinander zu verbinden (Abraham 2010, S. 331; Klotz 1996; Ossner 2007, S. 182; Pohl 2014b, S. 242). Bezugnehmend auf diese Forderung wird in dem Beitrag gezeigt, wie wichtig grammatisches Wissen über Tempora für den Erwerb des schriftlichen Erzählens im Grundschulalter ist. Ziel dieses Beitrags wird es sein, herauszustellen, wie vor allem schreibschwache Schülerinnen und Schüler von einem unterrichtlich-didaktischenVorgehen profitieren, das grammatisches und textuelles Lernen miteinander verknüpft. Zur Umsetzung dieses Vorhabens ergibt sich folgende Struktur: Im nächsten Abschnitt wird zunächst dargelegt, welche Rolle das schriftliche Erzählen im Kontext der Primarstufe spielt. Hierbei wird aus didaktischer Perspektive gezeigt, welche Formen des Erzählens am günstigsten für das narrative Lernen sind und wie sich die schriftliche Narrationsfähigkeit im Grundschulalter entwickelt. Im Anschluss daran wird von theoretischer Warte aus skizziert, was die Tempora des Deutschen formal und funktional kennzeichnet. Aufbauend hierauf werden dann Erzählungen aus dem dritten Schuljahr bezüglich der Wechselwirkung von Tempusverwendung und dem Etablieren narrativer Strukturen analysiert. Mittels dieser Analyse kann dann spezifiziert werden, über welche Art von grammatischem Wissen Schülerinnen und Schüler der dritten Klasse verfügen. Ein besonderer Fokus wird in einem anschließenden Folgeschritt auf der Gestaltungeines didaktischen Förderangebots liegen, das sich insbesonderean schreibschwache Schülerinnen und Schüler richtet. Ein Fazit fasst die Erkenntnisse dieses Beitrags abschließend zusammen.
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Die Entwicklung von Bildungsstandards zur Steuerung des Schulwesens und zur Verbesserung des Unterrichts vernachlässigt die Problemlagen von Schüler/innen mit Lernschwierigkeiten und Behinderungen und berücksichtigt die Perspektive der Chancengerechtigkeit nur unzureichend. In den deutschsprachigen Ländern steht die Entwicklung von Bildungsstandards in einem engen Zusammenhang mit internationalen Schulleistungsstudien. Diese marginalisieren oder ignorieren die Gruppe von Schüler/innen mit besonderem Bildungsbedarf und machen keine Versuche, strukturelle institutionelle Defizite für benachteiligte und behinderte Kinder zu erheben. Das System des Schulleistungsmonitorings („accountability“) verstärkt ungünstige sozialräumliche Differenzierungen von Wohngebieten und Schulsprengeln. In der erziehungswissenschaftlichen Diskussion über Bildungsstandards in den deutschsprachigen Ländern lässt sich weder ein Interesse an der Gruppe der Schüler mit Behinderungen und Lernschwierigkeiten noch eine nennenswerte Berücksichtigung ihrer Problemlagen erkennen.
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Dieser Band versteht sich als Grundlagenwerk für Studierende früh- und kindheitspädagogischer Studiengänge, sowie frühpädagogische Fachkräfte und Sprachförderkräfte in Kindertageseinrichtungen (Krippe und Kindergarten), das richtungsweisende Impulse für die Elternpartizipation enthält. Kapitel 1 (Hintergrund) stellt auf der Grundlage aktueller empirischer Erkenntnisse den Zusammenhang von Sprachkompetenz und Schulerfolg heraus. Weiterhin werden Sprache und Kommunikation in ihrer Bedeutung zur sozialen Teilhabe thematisiert. Die begriffliche Unterscheidung von Sprachbildung und Sprachförderung wird vertieft und durch die Bedeutung von Beobachtung und Dokumentation als Grundlage der professionellen Unterstützung sprachlicher Fähigkeiten ergänzt. Kapitel 2 stellt Grundlagen des Spracherwerbs im Vorschulalter heraus und bietet mit der Fokussierung auf sprachliche Vorausläuferfähigkeiten, Meilensteine und Grenzsteine der Sprachentwicklung eine wichtige theoretische Fundierung professioneller pädagogischer Praxis. Ein Einblick in ausgewählte Störungsbilder, mit denen pädagogische Fachkräfte besonders häufig konfrontiert sind, schließt sich an. Kapitel 3 widmet sich den sozialen Bedingungen des Spracherwerbs und fokussiert die Bedeutung der Familie, der Fachkraft-Kind-Interaktion und der Peergruppe. Neben der sozial-emotionalen Bedeutung von Beziehung und Bindung, wird auf allgemein sprachförderliche Strategien, die Eltern intuitiv und pädagogische Fachkräfte professionell responsiv zur Gestaltung der sozialen Umwelt, zur Förderung von Literacy-und Erzählkompetenz bei Kindern mit Deutsch als Erst- und Zweitsprache einsetzen, fokussiert. In Kapitel 4 wird auf Möglichkeiten der sprachspezifischen Diagnostik auf der Ebene der Kinder sowie auf die Diagnose sprachförderlicher Kompetenzen auf der Ebene der pädagogischen Fachkräfte eingegangen. Es schließt sich eine exemplarische Darstellung von Strategien der alltagsintegrierten Sprach- und Literacy-Förderung sowie von ausgewählten kindergartenbasierten Sprachförderprogrammen an. Aktuelle Befunde zur Effektivität von Sprachfördermaßnahmen für die pädagogischen Fachkräfte, die Kinder und die Peergruppe ermöglichen eine fundierte Auseinandersetzung mit dem Nutzen dieser Maßnahmen. Ein in der bildungspolitischen und fachlichen Diskussion noch vielfach vernachlässigter Aspekt von Sprachförderung stellt die Einbeziehung von Eltern dar. Kapitel 5 zeigt in diesem Zusammenhang Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen auf, die die Forderung nach Elternpartizipation mit sich bringt. Ausgewählte und bewährte elternbasierte Programme zur Sprach- und Literacy-Förderung werden vorgestellt und hinsichtlich ihres Nutzens reflektiert. Im Ausblick (Kapitel 6) werden auf der Basis der in den voran gegangenen Kapiteln dargestellten Erkenntnisse Handlungsanforderungen an frühpädagogische Fachkräfte formuliert, die Verknüpfung von Elternpartizipation und Frühen Hilfen thematisiert und dabei insbesondere die Bedeutung von Kooperation und Vernetzung für eine gelingende Unterstützung sprachlicher Kompetenzen am Übergang von der Kindertageseinrichtung in die Schule herausgearbeitet.