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Learning Analycs:
Einsatz an österreichischen Hochschulen
Arbeitsgruppe Learning Analycs
des Forum Neue Medien
in der Lehre Austria
2019
AUTORINNEN UND AUTOREN
Philipp Leitner
philipp.leitner@tugraz.at
Technische Universität Graz
Marn Ebner
marn.ebner@tugraz.at
Technische Universität Graz
hps://orcid.org/0000-0001-5789-5296
Elske Ammenwerth
elske.ammenwerth@umit.at
UMIT – Private Universität für Gesundheits-
wissenschaen, Medizinische Informak und
Technik
hps://orcid.org/0000-0002-3244-6918
Monika Andergassen
monika.andergassen@wu.ac.at
Wirtschasuniversität Wien
Goried Csanyi
goried.csanyi@tuwien.ac.at
Technische Universität Wien
hps://orcid.org/0000-0002-4667-2051
Ortrun Gröblinger
ortrun.groeblinger@uibk.ac.at
Universität Innsbruck
hps://orcid.org/0000-0003-2982-3206
Michael Kopp
michael.kopp@uni-graz.at
Universität Graz
hps://orcid.org/0000-0002-6907-7300
Franz Reichl
franz.reichl@tuwien.ac.at
Technische Universität Wien
hps://orcid.org/0000-0002-0407-1637
Markus Schmid
markus.schmid@uibk.ac.at
Universität Innsbruck
hps://orcid.org/0000-0002-3952-7948
Hans-Peter Steinbacher
hanspeter.steinbacher@-kufstein.ac.at
Fachhochschule Kufstein Tirol
Daniel Handle-Pfeier
daniel.pfeier@univie.ac.at
Universität Wien
Andreas Zitek
andreas.zitek@boku.ac.at
Universität für Bodenkultur Wien
Eva Zöserl
eva.zoeserl@jku.at
Universität Linz
Charloe Zwiauer
charloe.zwiauer@univie.ac.at
Universität Wien
Leitner, P. et al. (2019). Learning Analycs: Einsatz an österreichischen Hochschulen.
Graz: Forum Neue Medien in der Lehre Austria.
LEARNING ANALYTICS: EINSATZ AN ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHULEN 2
INHALT
Kurzzusammenfassung 4
Ausgangslage und Ziel 5
Einführung in Learning Analycs 5
Denion von Learning Analycs 7
Herausforderungen 8
Status Quo in Österreich: Learning Analycs
an österreichischen Hochschulen 15
Argumente für Learning Analycs 18
Empfehlungen zu Learning Analycs an österreichischen Hochschulen 20
Literaturverzeichnis 22
LEARNING ANALYTICS: EINSATZ AN ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHULEN 3
KURZZUSAMMENFASSUNG
Learning Analycs ist sowohl internaonal als auch naonal ein immer mehr an
Bedeutung gewinnendes Themenfeld, welches dabei helfen kann, Lehr- und Lern-
prozesse besser zu verstehen und gezielt zu opmieren. Dieses Whitepaper soll
eine erste Orienerung zu diesem Thema geben und dabei speziell die österrei-
chische Hochschullandscha adressieren.
Ausgehend von der Denion „Learning Analycs umfasst die Analyse, Darstel-
lung und Interpretaon von Daten aus Lehr- und Lernsengs mit dem Zweck,
dass Lernende ihr Lernen unmielbar verändern können“ werden Herausforde-
rungen benannt und der Status quo in Österreich präsenert. Daraus werden sechs
Argumente für Learning Analycs abgeleitet:
[1] Verbesserung der Lehr- und Lernqualität
[2] Besseres Verständnis für Lehr- und Lernprozesse
[3] Erhöhung des Studienerfolgs, Verminderung der Drop-out-Rate und gezielte
Unterstützung von Inklusion
[4] Verbesserung der Transparenz und der Prüfungsakvität
[5] Wissenschaliche Nutzung und Sensibilisierung
[6] Opmierung von Prozessen der außercurricularen Studienberatung und
Studienbegleitung
Die Arbeitsgruppe spricht in weiterer Folge vier konkrete Empfehlungen aus:
■Gezielte Erstellung und Verbreitung von Informaonen zum Thema Learning
Analycs zwecks Informaon, Mobilisierung und Sensibilisierung aller Stake-
holder
■Förderung konkreter Umsetzungsprojekte unterschiedlicher Granularität in
österreichischen Bildungseinrichtungen
■Auau einer naonalen Austausch-Plaorm zur Förderung des fachlichen
Austausches zu ethischen und rechtlichen Rahmenbedingungen, zur Ausar-
beitung eines gemeinsamen Verhaltenskodex oder zur Entwicklung gemein-
samer technischer Standards zwischen Bildungseinrichtungen
■Akve Einbindung sämtlicher Stakeholder, insbesondere der Studierenden
LEARNING ANALYTICS: EINSATZ AN ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHULEN 4
Die Arbeitsgruppe zum Thema „Learning Analycs“ des Vereins Forum Neue Medi-
en in der Lehre Austria (fnma) – bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern von
österreichischen Hochschulen sowie aus dem Bundesministerium für Bildung, Wis-
senscha und Forschung (BMBWF) – ortet Unsicherheiten hinsichtlich des neuen
Themas Learning Analycs. Zwar bestehen derzeit schon erste Forschungsprojekte
und vereinzelte Iniaven; dem gegenüber steht jedoch die bildungspolische
Forderung, dass sich Hochschulen vermehrt – und möglichst rasch – dem Thema
widmen und konkrete Umsetzungen tägen sollen. Das vorliegende Whitepaper
hat daher das Ziel, in einem ersten Schri eine einheitliche Begrisdenion zu
entwickeln, um ein gemeinsames Verständnis zu schaen. Auf dieser Basis sollen
in einem nächsten Schri die entsprechenden Herausforderungen, Argumente
und Empfehlungen für die österreichischen Hochschulen erarbeitet werden, um
dieses wichge Zukunsthema mielfrisg an den Hochschulen besser verankern
zu können.
AUSGANGSLAGE UND ZIEL
EINFÜHRUNG IN LEARNING ANALYTICS
Wie auch viele andere Bereiche unterliegt das Hochschulwesen einem Wandel, der
durch die Digitalisierung hervorgerufen wird. Digitale Technologien haben Einzug
in unseren Alltag gehalten, und mit jedem neuen Informaonssystem steigt auch
die Anzahl an (neuen) Daten. Unter dem Schlagwort „Big Data“ bilden diese Daten
den Ausgangspunkt für neue Erkenntnisse, um z. B. Services zielgerichteter und
individuell zugeschnien anbieten zu können, und sie begründen somit auch das
neue Feld der Data Analycs sowie die neue Berufsgruppe der Data Sciensts.
Es liegt nahe, dass man nun Daten auch dazu nutzt, um für das Hochschulwesen
allgemein oder für das Lehren und Lernen im Speziellen gewinnbringende Erkennt-
nisse zu erhalten. Schließlich fallen große Datenmengen an, wenn Studierende
online lernen, ein intelligentes Tutoring-System verwenden, Lernspiele spielen
oder auch einfach ein Lernmanagementsystem nutzen.
LEARNING ANALYTICS: EINSATZ AN ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHULEN 5
In den letzten Jahren haben daher immer mehr Hochschulen unter dem Schlagwort
„Learning Analycs“ begonnen, über mögliche Methoden der Datenerhebung und
Dateninterpretaon nachzudenken. Sie verfolgen dabei zunehmend die Idee, aus
den Datenmengen Erkenntnisse über den Lernfortschri der Studierenden zu er-
halten, Einsichten zum Lernen und zur Interakon mit Lehr- und Lernmaterial zu
bekommen, Hypothesen zum Lehren und Lernen der Studierenden zu überprüfen,
Entscheidungen für die iterave Verbesserung des Lehr- und Lernmaterials oder
des Lehr-/Lerndesigns herbeizuführen, Vorhersagen über zuküniges Studieren-
denverhalten zu treen sowie potenelle Probleme wie z. B. mangelnde Studie-
rendenperformanz frühzeig zu erkennen.
Learning Analycs bietet generell die Möglichkeit, neue Einsichten in Lernprozesse,
-akvitäten und -ergebnisse zu erhalten und daraus weitere Vorgehensweisen abzu-
leiten. Aktuell sind mehrere Denionen internaonal geläug und in Diskussion.
Zu den bekanntesten zählt die Denion von Long & Siemens (2011), die Learning
Analycs als „die Messung, Sammlung, Analyse und Auswertung von Daten über
Lernende und ihre Analyse und Auswertung zum Zwecke des Verständnisses und
der Opmierung des Lernens und der Umgebung, in der es staindet“, beschreibt.
Eine weitere, o zierte Denion von Eric Duval (2012) besagt: „Learning Ana-
lycs bedeutet, Spuren zu sammeln, die Lernende hinterlassen, und diese dann
zu nutzen, um das Lernen zu verbessern.“
Diese Denionen gehen zwar in eine ähnliche Richtung, beinhalten jedoch bei
genauerer Betrachtung unterschiedliche Schwerpunkte. Insbesondere scheint eine
Abgrenzung zu weiteren analyschen Vorgehensweisen im Hochschulwesen not-
wendig, da sich der Übergang zwischen administraven und organisatorischen
Belangen und dem eigentlichen Lehr- und Lernkontext durchaus ießend darstellt.
Ein plakaves Beispiel ist z. B. die Analyse von Prüfungsergebnissen: Diese geben
wichge Hinweise zur Wirksamkeit des Lernens; Prüfungserfolg („Prüfungsakvi-
tät“) dient aber auch als Kennzahl nach außen. Die Fachwelt bzw. die Literatur lie-
fern zu dieser Abgrenzung nur wenige Anhaltspunkte, denn es ist keine einheitliche
Vorgehensweise in der Datenerhebung, Analyse oder auch Auswertung erkennbar
(Leitner & Ebner, 2017).
Im ersten Schri ist es daher notwendig, zu denieren, was unter Learning Ana-
lycs im Kontext des vorliegenden Papiers genau verstanden wird.
LEARNING ANALYTICS: EINSATZ AN ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHULEN 6
DEFINITION VON LEARNING ANALYTICS
Einen ersten grundlegenden Ansatz zur Entwicklung einer Denion von Learning
Analycs liefert Ferguson (2014), indem sie verschiedene Analysen im Lehr- und
Lernbereich gegenübergestellt, um damit die vorhandenen Strömungen zu be-
schreiben. Sie unterteilt jene in folgende vier Bereiche:
■High Level Analycs: Diese Ebene umfasst Analysen, die generell für die
Hochschulentwicklung notwendig sind und die primär administraver und
organisatorischer Natur sind. Darunter fallen z. B. Daten für das Hochschul-
ranking, Wissensbilanzen usw.
■Academic Analycs: Unter Academic Analycs versteht man die Unterstüt-
zung des administraven und organisatorischen Ablaufes der Universität
inklusive der Opmierung von Prozessen, die nicht unmielbar mit Lehren
und Lernen verbunden sind. Dies beinhaltet somit z. B. auch die Darstellung
von Prüfungsakvität oder Prüfungserfolg innerhalb einer Studierendenko-
horte.
■Educaonal Data Mining: Dieses Fachgebiet beschäigt sich primär mit der
Erkennung von Mustern und Kenngrößen innerhalb von Datenlagen, um da-
mit möglichst vollständig automasiert Lernprozesse zu steuern. Hier spielt
die Lehrperson an sich nur eine untergeordnete Rolle (Romero & Ventura,
2010).
■Learning Analycs hat das Ziel, durch entsprechende Datenanalysen den
eigentlichen Lehr- und Lernprozess zu unterstützen. Ein zentraler Bestandteil
ist dabei die Lehrperson, die das Lehr- und Lernarrangement umsetzt und
dabei gezielte Unterstützung erhält (Schön & Ebner, 2013).
Learning Analycs kann den Lehr- und Lernprozess auch zu unterschiedlichen
Zeitpunkten mit verschiedenen Zielsetzungen unterstützen. Cooper (2012) glie-
dert Learning Analycs demnach nach Analysen, deren Aussagekra sich auf die
Vergangenheit, die Gegenwart oder die Zukun beziehen. Zudem unterscheidet
Cooper zwischen Datenanalysen, die Informaonen bereitstellen, und solchen, die
Erkenntnisgewinne mit sich bringen. Die Bereitstellung von Informaonen kann
dabei als weniger invasiv verstanden werden, da hier eher deskripve Analysen
(vor allem die Vergangenheit und Gegenwart betreend) im Vordergrund stehen.
Auf der Ebene der Erkenntnisgewinne hingegen liegt der Fokus auf der Dateninter-
pretaon und damit auf dem verstärkten Einsatz von Algorithmen und Künstlicher
Intelligenz.
LEARNING ANALYTICS: EINSATZ AN ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHULEN 7
Da der Übergang zwischen den einzelnen Bereichen ießend ist, verständigte sich
die Arbeitsgruppe auf folgende Denion:
Learning Analycs umfasst die Analyse, Darstellung und Interpretaon von Daten
aus Lehr- und Lernsengs mit dem Zweck, dass Lernende ihr Lernen unmielbar
verändern können.
Diese Denion liegt nun dem Whitepaper zugrunde, und andere Analysen wie z. B.
die Darstellung von Prüfungsakvität, Kennzahlen, die die Universität beschreiben,
etc. werden bewusst nicht mehr berücksichgt.
Abb. 1: Analysetypen nach Cooper (2012), bearbeitet und übersetzt durch die Autorinnen und Autoren
HERAUSFORDERUNGEN
Die Aufgeschlossenheit für Learning Analycs sowie die damit verbundenen Er-
wartungen sind an den Hochschulen derzeit grundsätzlich als hoch einzuschätzen.
Zusätzlich bendet sich Learning Analycs nun an dem Punkt, an dem Forschung,
Praxis, Hochschulpolik, Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger Inte-
resse zeigen (Gašević, Dawson & Siemens, 2015).
Um jedoch erfolgreich Learning Analycs zu ermöglichen, müssen spezische He-
rausforderungen gemeistert werden. Leitner et al. (2019) haben diese in sieben
Kategorien (siehe Abbildung 2) gegliedert, die zur ersten Orienerung bei der
Implemenerung von Learning-Analycs-Iniaven herangezogen werden können.
Diese sind als erste Orienerung gedacht und erlauben es, die Dimension und
Komplexität besser zu verstehen.
LEARNING ANALYTICS: EINSATZ AN ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHULEN 8
1. Zweck und Nutzen (purpose and gain)
Zu Beginn stehen Zweck und Nutzen einer Learning-Analycs-Iniave; allerdings
hängen diese von den Stakeholdergruppen ab. So sollte man in Hinblick auf Ziele
und Perspekven zwischen Lernenden, Lehrenden, Forscherinnen und Forschern
sowie Leitungsebenen unterscheiden:
■Lernende erhoen sich primär eine Verbesserung ihrer Leistungen. Learning
Analycs unterstützt dies z. B. durch adapves Feedback, Empfehlungen und
individuelle Antworten auf Lernergebnisse.
■Lehrende sind vorrangig daran interessiert, die Lernprozesse der Lernenden
sowie soziale, kognive und verhaltensbezogene Aspekte zu verstehen. Da-
rüber hinaus haben sie Interesse daran, ihre Lehrmethoden und -leistungen
zu reekeren sowie ihre Anweisungen zu opmieren, um ein besseres Lern-
ergebnis bei den Lernenden zu erzielen (Leitner & Ebner, 2017). Lehrende
wollen in der Lage sein, die Akvitäten der Lernenden eekver zu bewer-
ten und Schlussfolgerungen für geeignete Maßnahmen zur Verbesserung der
Lernleistung zu ziehen.
Abb. 2: Sieben Herausforderungen für Learning-Analycs-Iniaven
LEARNING ANALYTICS: EINSATZ AN ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHULEN 9
■Forscherinnen und Forscher nutzen die Daten, um theoresche Modelle für
neue und verbesserte Lehr- und Lernmethoden zu entwickeln. Dazu gehört
auch, zukünige Lernwege vorherzusagen oder die Bedürfnisse der Lernen-
den besser zu unterstützen. Auch das Überprüfen bestehender didakscher
Modelle und das Entwickeln neuer didakscher Modelle durch Feldstudien
im Hörsaal stehen im Fokus. Damit können Learning-Analycs-Techniken auf
der Grundlage der gesammelten Daten konnuierlich angepasst werden.
■Leitungsebenen sind daran interessiert, ihre Agenden möglichst ezient
umzusetzen. Ihr Ziel ist es, den Lernenden ein förderliches und ezientes
Lernumfeld zu bieten. Weitere Ziele sind die Verringerung der Abbruchraten,
die Erhöhung der Prüfungsakvität, die Steigerung der Leistung in Bezug auf
das gesamte Studium und die Opmierung und Verbesserung der Studienan-
gebote.
Leirage für die Herausforderung Zweck und Nutzen:
Mit welchem Ziel soll die Learning-Analycs-Iniave gestartet werden, und was
können sich die unterschiedlichen Zielgruppen davon erwarten bzw. was wird
dabei von den Zielgruppen erwartet?
2. Darstellung und Maßnahmen (representaon and acons)
Aus den Daten abgeleitete Erkenntnisse in Bezug auf das Lernverhalten können als
Grundlage für die Entwicklung eines Maßnahmenporolios zur Unterstützung der
Lernenden dienen. Darauf auauend werden Empfehlungen für Lernende erstellt,
die sie ermugen sollen, über ihr Lernverhalten nachzudenken und dieses ggf. zu
ändern. Die Informaonen werden in einer geeigneten Umgebung bereitgestellt
und anschaulich als Teil des personalisierten Lernprozesses der Studierenden vi-
sualisiert. Die Personalisierung des Lehr- und Lernumfeldes und die damit verbun-
denen Vorteile stehen im Vordergrund. Das erhaltene digitale Feedback soll zur
Reexion anregen sowie zu einer Zielverschiebung und – damit verbunden – zu
einer Verbesserung des Lernerfolgs führen.
Die Wahl der richgen Umgebung für das digitale Feedback an Lernende und
die richge Visualisierungstechnik können eine große Herausforderung darstellen.
Aufgrund der Menge der gesammelten Daten und des Fokus auf quantaven
Metriken halten Lehrende Learning Analycs manchmal für anthesch zu ihrem
pädagogischen Lehrverständnis, zumal Dashboards mit Performance-Kennzahlen
immer beliebter werden (Clow, 2013). Die Interpretaon dieser Daten kann für
Lernende äußerst schwierig sein, wenn die Daten nicht adäquat auereitet und
Lernende zudem bei der Interpretaon der Daten nicht persönlich unterstützt
werden. Daher kann es besser sein, den Lernenden nicht alle verfügbaren Infor-
LEARNING ANALYTICS: EINSATZ AN ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHULEN 10
maonen zu präseneren und insbesondere sensible Informaonen nur gemein-
sam mit geschultem Personal zu besprechen und zu erörtern, um unerwünschte
Wirkungen (Demovaon) zu vermeiden. Um die Daten richg zu interpreeren
und adäquate Rückschlüsse ziehen zu können, sind eine spezielle Ausbildung für
beratende Personen (Lehrende, Tutorinnen, Tutoren, Mentorinnen und Mentoren)
sowie pädagogische und psychologische Fähigkeiten von erheblicher Relevanz.
Leirage für die Herausforderung Maßnahmen und Darstellung:
Welche Formen der Informaonsvermilung an die Lernenden und welche Visu-
alisierungsmethoden sind für welchen Zweck geeignet?
3. Daten und Datenmodelle (data)
Die eigentlichen Daten stellen das Kernstück einer Learning-Analycs-Iniave
dar. Daher gilt es zunächst festzustellen, in welcher Form sie vorliegen (einfach/
komplex) und in welchen Systemen sie überhaupt anfallen.
In der Regel sind mehrere Informaonssysteme für die Erfüllung unterschiedlicher
Aufgaben und damit für die Speicherung der Daten verantwortlich – in verschiede-
nen Formaten, in verschiedenen Datenbanken auf verschiedenen Servern und mit
unterschiedlichen Datenbesitzerinnen und -besitzern. Der Aufwand, der erforder-
lich ist, um alle relevanten Daten zu erhalten und zu verwalten, kann (technisch)
sehr hoch sein. Darüber hinaus kann die Konvererung von Rohdaten in ein nütz-
liches Format eine weitere große Herausforderung darstellen.
Außerdem stellt sich die Frage der Datenqualität – also ob die Daten komple und
korrekt sind oder Lücken aufweisen. Dies kann Auswirkungen auf die zu wählenden
Analyseverfahren haben.
Leirage zur Herausforderung Daten:
Welche Daten sollen analysiert werden, und in welcher Form, Komplexität und
Vollständigkeit liegen diese wo vor?
4. IT-Infrastruktur (IT infrastructure)
Die IT-Infrastruktur bezieht sich auf eine Reihe von Komponenten der Informa-
onstechnologie (IT) wie Hardware, Soware, Netzwerkressourcen und Dienste, die
die Grundlage für den Betrieb und das Management einer unternehmensweiten
IT-Umgebung bilden (Laan, 2011). Diese Infrastruktur ermöglicht es Hochschulen,
IT-Dienstleistungen für ihre Lernenden, Lehrenden und Verwaltungsmitarbeiterin-
nen und -mitarbeiter bereitzustellen. Es ist zudem zwischen eigenen und externen
IT-Infrastrukturen zu unterscheiden:
LEARNING ANALYTICS: EINSATZ AN ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHULEN 11
■Eigene IT-Infrastruktur: Die Daten werden in einem universitären Datenzent-
rum gespeichert und verarbeitet. Dabei liegen die Verantwortlichkeiten und
Haungen bei den Hochschulen selbst. Dieses Szenario hat den Vorteil, dass
die Daten und damit das Dateneigentum an der Hochschule liegen, was die
Arbeit mit den Daten erleichtert. Sie weist aber auch Nachteile auf – wie
z. B. die Tatsache, dass Iniaven mit besonderen technologischen Anfor-
derungen die standardisierten Regeln des internen Dienstleisters einhalten
müssen. Außerdem sollte das Kosten-Nutzen-Verhältnis im Auge behalten
werden, da Hosng- und Support-Dienste intern möglicherweise teurer sind
als Outsourcing.
■Externe IT-Infrastruktur: Das zweite Szenario betrit die Zusammenarbeit
mit externen Dienstleistern. In diesem Szenario können individuelle Lösun-
gen eingesetzt werden, da viele Anbieter zur Verfügung stehen, die den
spezischen Anforderungen gerecht werden. Im Gegensatz zum internen
Servicezentrum einer Hochschule können sich externe Dienstleister auf ihr
kleineres und hochspezialisiertes digitales Produkt konzentrieren. Darüber
hinaus können die anfallenden Kosten leichter abgeschätzt werden. Die
negaven Aspekte der Zusammenarbeit mit einem externen Dienstleister
beziehen sich auf Fragen des Zugangs und der Datenverarbeitung sowie auf
die Einhaltung der notwendigen Sicherheitsstandards bei der Arbeit mit
sensiblen Daten wie z. B. Leistungsdaten von Studierenden.
Leirage für das Thema IT-Infrastruktur:
Welche IT-Infrastruktur wird genutzt?
5. Entwicklung und Betrieb (development and operaon)
Diese Herausforderung beschreibt den Prozess der Entwicklung und des Betriebs
von Learning Analycs und umfasst eine Vielzahl verschiedener Entwicklungen –
vom Design eines einfachen Fragebogens bis hin zur Entwicklung einer Sowarelö-
sung. Darüber hinaus beinhaltet dieses Themenfeld Forschung und Entwicklung,
Prototyping, Modikaon, Wiederverwendung, Re-Engineering, Überwachung
und Wartung von Learning Analycs. Hier ist zu betonen, dass Learning Analycs
ein interdisziplinäres Anwendungsfeld darstellt und bei Konzepon, Entwicklung,
Implemenerung und Wirksamkeitsüberprüfung Expersen aus Lernforschung
und Data Science, aber auch aus Ethik und Recht zum Tragen kommen sollten.
Entsprechend können auch die methodischen Herangehensweisen unterschiedlich
ausfallen. Laufende Evaluaon und konnuierliche Weiterentwicklung sind wich-
ge Anforderungen bei der Implemenerung von Learning Analycs, auch um die
Akzeptanz sicherzustellen. Bei der Evaluaon steht das Verhältnis von Risiko (Ethik,
Datenschutz), Aufwand (Kosten) und Wirksamkeit (Lernerfolg) auf dem Prüfstand.
LEARNING ANALYTICS: EINSATZ AN ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHULEN 12
Beim krischen Übergang von der Prototypenphase zur Serienphase ist zu beach-
ten, dass beispielsweise die Skalierbarkeit der Implemenerung berücksichgt
werden muss. Die Anzahl der Lernenden kann so z. B. beliebig variieren oder rasant
ansteigen, was zu einem völlig neuen technischen Konzept für die bestehende IT-
Infrastruktur führen kann. Darüber hinaus müssen Prozesse, die vielleicht zunächst
manuell angelegt wurden, neu deniert und ausprogrammiert werden, so dass sie
vollautomasch oder zumindest halbautomasch ablaufen können.
Leirage für das Thema Entwicklung und Betrieb:
Wie sieht die Entwicklungs- und Betriebsphase für einen langfrisgen Einsatz von
Learning Analycs aus?
6. Privatsphäre und Datenschutz (privacy)
Der Begri Privatsphäre ist deniert als ein wesentlicher Bestandteil der Identät
und Integrität einer Person und stellt eines der grundlegenden Menschenrechte
dar, da er ein fester Bestandteil der Rechtssysteme sein sollte (Drachsler & Greller,
2016). Alle Learning-Analycs-Iniaven müssen die Privatsphäre der beteiligten
Parteien gewährleisten. Die Lernenden müssen den Systemen vertrauen können,
und deshalb ist es von größter Bedeutung, sensible und personenbezogene Daten
zu schützen. Darüber hinaus kommen – je nach naonalem Hochschulraum – ne-
ben der in Europa geltenden Allgemeinen Datenschutzverordnung (GDPR; Daten-
schutzgrundverordnung/DSGVO) unterschiedliche Regelungen zur Anwendung.
Hochschulen müssen sich mit diesen Anforderungen auseinandersetzen und einen
geeigneten rechtlichen Rahmen nden, der mit der Datenschutzgrundverordnung
konform geht. Sie könnten aber auch einen anderen Weg gehen und beginnen, die
gesammelten Daten zu reduzieren und Maßnahmen zu ergreifen, um personen-
bezogene Daten zu anonymisieren.
Schließlich ist die allgemeine Lebensdauer personenbezogener Daten ein Thema,
denn die Daten können zu einem Zeitpunkt interessant sein, zu dem die Lern-
akvitäten und Lernergebnisse selbst relevant sind, aber irrelevant in durchaus
naher Zukun. Ein Argument für die Datenhaltung ist die Möglichkeit, bestehende
Datensätze zu trainieren („maschinelles Lernen“). Verbesserungen in Hinblick auf
stassche Aussagekra könnten auch durch die Bereitstellung einer größeren
Datenmenge erreicht werden. Diese Schrie sollten jedoch nur nach der Anony-
misierung der Daten durchgeführt werden. Khalil & Ebner (2016) haben in ihrer
Publikaon gezeigt, wie dies geschehen kann und auch soll.
Leirage für Privatsphäre und Datenschutz:
Gelingt es, Datenschutz und Schutz der Privatsphäre bei der Umsetzung von Lear-
ning Analycs ausreichend zu gewährleisten?
LEARNING ANALYTICS: EINSATZ AN ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHULEN 13
7. Ethik (ethics)
Ethik kann deniert werden als ein moralischer Kodex von Normen und Konven-
onen, der die Systemasierung, Verteidigung und Empfehlung von Konzepten
des richgen und falschen Verhaltens beinhaltet. Im Zusammenhang mit Learning
Analycs ergeben sich verschiedene ethische und praksche Bedenken, da hier das
Potenzial besteht, personalisierte Daten zu sammeln und auf individueller Ebene
Rückmeldung zu geben (Prinsloo & Slade, 2015). Daher stellt der Schutz dieser
Daten eine große Herausforderung für die Umsetzung von Learning-Analycs-
Iniaven dar. Die Diskussion zu ethischen Standards bezieht sich u. a. auf folgende
Aspekte: Oenlegung der Auraggeberscha und der Ziele für Learning Analycs,
Studierende als Kooperaonspartnerinnen und -partner (und nicht nur als Empfän-
gerinnen und Empfänger) von Learning Analycs, Learning Analycs als „Schnapp-
schuss“ auf die veränderliche Lernperformance der Studierenden, Studienerfolg
als muldimensionales Phänomen, Transparenz und Recht auf Einsichtnahme der
Studierenden (Prinsloo & Slade, 2015). Bedenken der Studierenden bzgl. Learning
Analycs können sich etwa auf das Gefühl der Überwachung beziehen (Tsai et al.,
2018). Umso wichger ist die bewusste Einbindung der Studierenden von Beginn
an – im Rahmen von menschenzentrierten und transparenten Entwicklungs- und
Umsetzungsprozessen.
Darüber hinaus stellt die Arbeit mit sensiblen Daten selbst eine besondere Heraus-
forderung dar. Zu den sensiblen Daten gehören Informaonen über medizinische
Bedingungen, nanzielle Informaonen, religiöse Überzeugungen oder sexuelle
Orienerungen, aber auch über die Leistung der Studierenden.
Auf der Learning Analycs and Knowledge Conference 2018 in Sydney wurde ein
Entwurf eines Verhaltenskodex v1.0 vorgestellt (Lang et al., 2018). Dieses Doku-
ment kann als Grundlage für ethische Fragen bei der Umsetzung von Learning-
Analycs-Iniaven betrachtet werden. Darüber hinaus könnte ein Rechtsbeistand
beigezogen werden, wenn die Interpretaon spezischer Daten rechtlich unklar
erscheint. Das Projekt „European Learning Analycs Exchange“ (LACE) bietet Work-
shops zu Ethik und Datenschutz im Bereich Learning Analycs (EP4LA) an und spielt
auch eine Schlüsselrolle bei der Erörterung der Fragen zu den ethischen Dilemmata
bei dessen Einsatz. Auch die Befassung der instuonellen Ethikkommissionen mit
Learning Analycs (vgl. Ethical Boards an anglo-amerikanischen Universitäten für
die Forschung mit/an Menschen) ist empfehlenswert.
Leirage für das Thema Ethik:
Nach welchem Verhaltenskodex wird den ethischen Gesichtspunkten von Learning
Analycs stagegeben, und inwiefern wird eine studierendenzentrierte Herange-
hensweise sichergestellt?
LEARNING ANALYTICS: EINSATZ AN ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHULEN 14
In Österreich wurden und werden Projekte im Rahmen von Learning Analycs
durchgeführt. Nachfolgend soll ein kurzer Überblick über die den Autorinnen und
Autoren bekannten Projekte gegeben werden:
■Learning-Analycs-basierende Lernsysteme: Im Rahmen von mehreren
Projekten wurden Learning-Analycs-Applikaonen für den Schulbereich
entwickelt, um einerseits Erfahrungen mit der Datenanalyse zu sammeln
und um andererseits die Potenziale von Learning Analycs zu erproben. So
stehen heute Online-Applikaonen für alle Grundrechnungsarten zur Verfü-
gung und auch ein Texteditor mit der Möglichkeit, kurze Essays in deutscher
Sprache zu verfassen und auszuwerten. Die Applikaonen können direkt
bei Schülerinnen und Schülern zur Anwendung kommen, die ihre Leistung
unmielbar visualisiert bekommen. Lehrende oder auch Studierende (insbe-
sondere im Bereich der PädagogInnen-Bildung) sind in der Lage, sich jeder-
zeit einen Überblick über den Lernstand zu verschaen.
■Audience-/Student-Response-Systeme: Dieses Beispiel beschäigte sich mit
Audience-/Student-Response-Systemen sowie der Analyse von inhaltlichen
Unklarheiten während der Präsenzeinheit. Einerseits können Studierende
oene Fragen stellen, andererseits werden Balkendiagramme für geschlos-
sene Fragen verwendet. Damit kann abgeleitet werden, wie das jeweilige
Verständnis zu einem Inhalt ausfällt. Mit diesen Erkenntnissen kann die/der
Lehrende ihr/sein Handeln unmielbar in der Lehrveranstaltung anpassen.
Das Beispiel fällt unter Learning Analycs, weil die Analyse von Daten unmit-
telbar in der Präsenzphase an Studierende rückgemeldet wird. Die Studie-
renden können somit ihr Lernen an die Ergebnisse anpassen.
■Testanalyse: Nach Zwischentests werden Testanalysen zur Verfügung gestellt,
die visuell darstellen, wie Studierende bei den Tests abgeschnien haben.
Zum Beispiel wird eine Punkteverteilung wiedergegeben. Dadurch werden
auf Studierendenseite eine mögliche weiterfolgende Adapon des eigenen
Lernaufwands (z. B. Lernstrategie) und eine Einschätzung des Lernerfolgs
ermöglicht. Außerdem sieht die/der Studierende einen Vergleich mit der
jeweiligen Kohorte. Lehrendenseig werden dieselben Analysen verwendet,
STATUS QUO IN ÖSTERREICH: LEARNING ANALYTICS
AN ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHULEN
LEARNING ANALYTICS: EINSATZ AN ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHULEN 15
um den Kurs – insbesondere die Tesragen – für die nächste Iteraon zu
verbessern.
Der Einsatz von Learning Analycs wird in diesem Beispiel deutlich, weil
Studierende nach einer Prüfung eine Rückmeldung erhalten, wie sie im Ver-
gleich mit der Kohorte abgeschnien haben. Somit kann das eigene Lernen
verändert werden.
■Dashboards: Im europäischen Erasmus+ Projekt STELA wurde das Ziel ver-
folgt, den (erfolgreichen) Übergang von der Sekundarstufe zur Hochschule
durch den Einsatz von Learning Analycs zu unterstützen und zu verbessern.
Im Rahmen des Projekts wurden verschiedene Dashboards für Studierende
entwickelt sowie mehrere Fallstudien durchgeführt. Weitere Informaon
dazu können unter hps://stela-project.org gefunden werden.
■Auswertungen: Langjährige Erfahrung gibt es im Bereich der Auswertung
von Übungsfragen zur Vorbereitung auf Prüfungen in Lernmanagementsys-
temen (LMS). In diesem Projekt wurde der persönliche Bearbeitungssta-
tus bzw. die Erfolgsquote von gelösten Übungsfragen im Vergleich zu den
aggregierten Stasken der Mitstudierenden im gleichen Semester im LMS
angezeigt. Die Auswertung war bei Studierenden beliebt und movierte zum
Lösen von noch mehr Übungsaufgaben.
■Leistungsmonitoring: Studierende werden durch eine laufend ergänzte Dar-
stellung von Teilergebnissen dazu moviert, über den Gesamtverlauf einer
Lehrveranstaltung in Selbstlernakvitäten zu inveseren ansta im „Buli-
miemodus“ nur kurzfrisg für die Prüfung zu lernen. Ab der Erreichung einer
besmmten Gesamtsumme an Punkten enällt die Notwendigkeit einer
schrilichen Gesamtprüfung. Learning Analycs umfasst in diesem Zusam-
menhang die laufende Erfassung des Lernerfolges und die darauf beruhende
Informaon, die an die Studierenden individuell zurückgegeben wird, ob
ein Antreten zur schrilichen Gesamtprüfung notwendig ist. Die Informa-
on führt also zu einer Veränderung des Lernverhaltens basierend auf dem
gegebenen Feedback.
■Wissensbasis: Im Rahmen von Lehrveranstaltungen im Blended-Learning-
und Inverted-Classroom-Format wird eine Wissensbasis für E-Tutorinnen
und E-Tutoren, welche die Studierenden in der Online-Phase begleiten,
erstellt. In der Wissensbasis werden anonymisierte Verhaltensweisen ein-
zelner Lernakvitäten und Lernpfade von Studierenden abgelegt. Ziel ist es,
LEARNING ANALYTICS: EINSATZ AN ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHULEN 16
eine Verbesserung für Studierende in der Online-Phase zu erreichen, indem
E-Tutorinnen und E-Tutoren Studierenden unter Zuhilfenahme der Wissens-
basis frühzeig eine bessere Vorbereitung auf die nächste Präsenzphase
aufzeigen können.
Learning Analycs ist in diesem Zusammenhang die teilweise automasche
Befüllung der Wissensbasis, die E-Tutorinnen und E-Tutoren nutzen, um den
Lernprozess von Studierenden basierend auf aus den erhobenen Verhaltens-
mustern abgeleiteten Empfehlungen anzupassen.
■Durchgehende Begleitung: Im Rahmen einer mobilen Applikaon ist für die
Studierenden ersichtlich, wie viel Prozent der Kolleginnen und Kollegen die
erforderlichen Übungen bereits über das Lernmanagementsystem abgege-
ben haben. Die Visualisierung des Anteils der getägten Abgaben könnte
im Sinne von Learning Analycs für Studierende, die ihre Übung noch nicht
abgegeben oder auch noch nicht begonnen haben, movierend wirken und
so zu einer unmielbaren Änderung des Lernens führen. Dass beispielsweise
bereits zu einem frühen Zeitpunkt ein Großteil der Kolleginnen und Kollegen
mit der Übung ferg ist, könnte zu einer frühzeigen Bearbeitung der Übung
movieren.
■Automasiertes direktes Feedback: Lernmodule, welche eine detaillierte
Erfassung von individuellen Lernendendaten erlauben (gängige Standards
hier sind SCORM und xAPI) und welche auch in Lernplaormen wie Mood-
le eingebeet werden können, ermöglichen direktes, unterstützendes und
hilfreiches automasiertes Feedback. Learning Analycs stellt in diesem
Zusammenhang die Erfassung des Wissens-/Kompetenzstandes bei den
Lernenden dar sowie das darauf beruhende Feedback, welches die Richtung
weiterführender notwendiger Lernschrie aufzeigt. Die Lernenden können
ihr Lernverhalten darauf basierend gezielt ändern.
■Videoanalyse: Um die Qualität von Lernvideos zu erhöhen, wurde ein Tool
entwickelt, das aufgrund einer Logle-Analyse Abschnie innerhalb von
Lernvideos idenziert, die die/der Lehrende näher betrachten und gegebe-
nenfalls verbessern sollte. Dabei wird dargestellt, an welchen Stellen das Vi-
deo häug abgebrochen oder besonders o besucht wird. Die entsprechen-
den Abschnie könnten durch die Lehrenden überarbeitet und danach den
Studierenden erneut zur Verfügung gestellt werden. Gleichzeig könnten die
Studierenden befragt werden, ob es Verständnisprobleme an den jeweiligen
Stellen gab. Die Studierenden proeren durch die Überarbeitung, indem
sie durch eine verbesserte Darstellung der Lerninhalte weniger Zeit inves-
LEARNING ANALYTICS: EINSATZ AN ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHULEN 17
eren oder auch weniger externe Ressourcen verwenden müssen, um den
Inhalt zu verstehen. Eine unmielbare Veränderung des Lernens ist gegeben,
weil die/der Lehrende die Abschnie im gleichen Semester noch adapert.
Ausgehend von der Denion und den beschriebenen Herausforderungen sowie
den ersten prototypischen Anwendungen in Österreich ergeben sich nun entspre-
chende Argumente für Learning Analycs an österreichischen Hochschulen, die
nachfolgend gelistet werden.
ARGUMENTE FÜR LEARNING ANALYTICS
Abb. 3: Sechs Argumente für Learning Analycs an Hochschulen
Zu Beginn steht die Weiterentwicklung des Lernverhaltens der Studierenden im
Fokus. Learning Analycs führt dazu, das eigene Lernen besser zu verstehen, um
dieses damit mielfrisg posiv zu verändern. Wie Abbildung 3 zeigt, bildet Lear-
ning Analycs zur systemaschen evidenzbasierten Verbesserung der Lehr- und
Lernqualität die Basis oder das Fundament für die weiteren fünf, darauf auau-
enden Argumente:
■Lehr- und Lernprozess besser verstehen:
Für Studierende und Lehrende ist es wichg, den Lehr- und Lernprozess
besser zu verstehen, um ihre Ressourcen maßvoll zu planen und eekv ein-
zusetzen. Durch Analyseverfahren können etwa Störfaktoren ebenso wie die
Wirkungsweise von Intervenonen besser sichtbar gemacht werden. Damit
soll letztendlich die eigentliche Studierbarkeit opmiert werden, wodurch
Studierende ihr Studium zielgerichteter bewälgen können.
Darüber hinaus wird dies sowohl auf organisatorischer, didakscher oder
sogar auf gestalterischer Ebene Auswirkungen auf die Lehre haben, wodurch
Lehr- und Lernmaterialien lernförderlicher umgesetzt werden können.
LEARNING ANALYTICS: EINSATZ AN ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHULEN 18
■Erhöhung des Studienerfolgs, Verminderung der Drop-Out-Rate und gezielte
Unterstützung von Inklusion:
Diese drei Faktoren sind grundsätzlich ein Folgeprozess der beiden ersten Ar-
gumente. Studierende erkennen frühzeig individuelle Abweichungen vom
erwarteten Leistungsumfang und können so den Wahrscheinlichkeitsgrad
des eigenen Bestehens besser beurteilen. Im opmalen Fall kann damit auch
die Inklusion beeinträchgter Studierender unterstützt werden. Dies ermög-
licht es, ein Ausscheiden aus der Lehrveranstaltung rechtzeig zu verhindern,
womit letztendlich der Studienerfolg gefördert wird.
■Verbesserung der Transparenz und der Prüfungsakvität:
In weiterer Folge ist zu erwarten, dass durch die hohe Granularität der
dargestellten Akvitäten – also durch viele kleine Visualisierungen – eine
Selbstkontrolle des Lernfortschries einfacher wird, was auch die Notenge-
bung nachvollziehbarer bzw. transparenter macht. Aufgrund der besseren
Einschätzung des eigenen Leistungsvermögens ist auch eine Steigerung der
Prüfungsakvität möglich.
■Wissenschaliche Nutzung und Sensibilisierung:
Ein weiterer Eekt ist auf der Metaebene zu erwarten. So können Lehr- und
Lernforscherinnen und -forscher zukünig noch besser das Lehr- und Lern-
verhalten verstehen lernen, denn evidenzbasierte Daten werden helfen,
weitere Lehr- und Lernphänomene sichtbar zu machen. Umgekehrt ist auch
auf Seite der Studierenden zu erwarten, dass sie selbst kompetenter in der
Dateninterpretaon werden. Hier kann eine Sensibilisierung in Bezug auf
die Generierung, Analyse und Interpretaon von Daten erfolgen. Auch ist
zu erwarten, dass damit verbundene ethische und rechtliche Aspekte mehr
Beachtung nden.
■Opmierung von Prozessen der außercurricularen Studienberatung und Stu-
dienbegleitung (auch als Basis für Academic Analycs):
Abschließend hat Learning Analycs auch Auswirkung auf zukünige Studi-
enberatungsleistungen seitens der Hochschulen und auch auf die Opmie-
rung von Studienprogrammen und weiteren Bildungsangeboten. Künige
Learning-Analycs-Iniaven an Hochschulen können das Monitoring des
eigenen Lernverhaltens und der eigenen Lehrleistung umfassen, darüber
hinaus aber auch das kennzahlenbasierte Monitoring von Studienentwick-
lungen und -verläufen. So ist absehbar, dass die beiden Felder Learning
Analycs und Academic Analycs einander insofern überlappen, als sie sich
teilweise aus der gleichen Datenlage speisen. Die Art der Visualisierung und
LEARNING ANALYTICS: EINSATZ AN ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHULEN 19
der Zugang zu Daten werden sich dann je nach Ziel und Zielgruppe unter-
schiedlich gestalten.
Kurzum kann festgehalten werden, dass Learning Analycs als Weiterentwicklung
von Lehren und Lernen in einer digitalisierten Welt zu verstehen ist und einen
weiteren Schri in Richtung einer lernendenzentrierten Lernumgebung darstellt.
EMPFEHLUNGEN ZU LEARNING ANALYTICS
AN ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHULEN
Die sechs Argumente für Learning Analycs bilden die Basis für nächste, weiterfüh-
rende Schrie. Dabei stellt sich zunächst die Frage, wie man Learning Analycs an
österreichischen Hochschulen mielfrisg möglichst zielgerichtet etablieren kann.
Dazu sollen nachfolgende Empfehlungen dienen, die nicht als sequenzielle Liste zu
verstehen sind, sondern vielmehr als ein paralleler, in sich übergreifender Prozess.
Empfehlungen für die Implemenerung von LA an österreichischen Hochschulen:
■Die Arbeitsgruppe empehlt, dass die öentliche Hand – insbesondere das
Bundesministerium für Bildung, Wissenscha und Forschung – die Einfüh-
rung von Learning Analycs an österreichischen Hochschulen fördert und
dazu beiträgt, ein gemeinsames Verständnis aller Stakeholder zu schaen.
Durch gezielte Informaonsveranstaltungen mit Stakeholdern und interes-
sierten Akteurinnen und Akteuren sollen Hochschulen für das Thema sen-
sibilisiert werden und sich eigene Posionen erarbeiten können. Dabei soll
eine proakve, experimenerfreudige und zugleich studierendenzentrierte
Herangehensweise vermielt werden, die sich auf gute (inter-)naonale
Praxis stützt.
■Weiters wird empfohlen, Umsetzungsprojekte mit unterschiedlicher Gra-
nularität zu starten. Dies umfasst österreichweite Iniaven von mehreren
Hochschulen ebenso wie hochschulinterne Projekte. Dabei gilt es, Erfah-
rungen mit den oben beschriebenen Herausforderungen zu sammeln und
Lösungsansätze weiterzuentwickeln bzw. diese wieder in naonale Aus-
tauschgruppen einzubringen. Hierbei ist eine krische Reexion der österrei-
chischen Hochschulen zum Thema Learning Analycs essenell.
LEARNING ANALYTICS: EINSATZ AN ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHULEN 20
■Parallel zu den Umsetzungsprojekten scheint es wesentlich, dass ein nao-
naler Austausch staindet. So sollten besmmte Themen wie gemeinsame
ethische und rechtliche Rahmenbedingungen, ein gemeinsamer Verhal-
tenskodex oder gemeinsame technische Standards erarbeitet werden –
koordiniert von hochschulübergreifenden Arbeitsgruppen. Damit wird es
eher möglich, dass alle Hochschulen langfrisg Learning Analycs an ihren
Einrichtungen etablieren können und auch ein österreichweiter Standard
geschaen wird.
■Abschließend ist dringend zu empfehlen, dass sämtliche am Prozess betei-
ligte Stakeholder akv mit eingebunden werden. Insbesondere sind aber
Studierende als unmielbar Betroene in die Diskussion miteinzubeziehen,
indem bei Veranstaltungen wie z. B. Konferenzen, Boot Camps oder Know-
ledge Cafés mit Studierenden, Lehrenden, IT-Expernnen und Experten,
Forscherinnen und Forschern, Administratorinnen und Administratoren usw.
Erwartungen gesammelt und Erfahrungen ausgetauscht werden. Auch die
Art der Entwicklungsprozesse (user-centred design oder co-design) sollte
explizit themasiert werden, um Studierende von Beginn an bewusst als
Mitgestalterinnen und Mitgestalter miteinzubeziehen.
Liste mit laufenden oder bereits abgeschlossenen EU Projekten
(Zitaonsanalyse; letzter Abruf September 2019)
■ABLE hp://www.ableproject.eu
■AFEL hp://afel-project.eu
■JISC hps://www.jisc.ac.uk/learning-analycs
■LACE hp://www.laceproject.eu
■LALA hps://www.lalaproject.org
■ODEdu hp://odedu-project.eu
■SHEILA hps://sheilaproject.eu
■STELA hps://stela-project.org
■VITAL hp://www.project-vital.eu/en/
LEARNING ANALYTICS: EINSATZ AN ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHULEN 21
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LEARNING ANALYTICS: EINSATZ AN ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHULEN 23
Learning Analycs ist sowohl internaonal als auch naonal ein immer mehr an Bedeutung gewin-
nendes Themenfeld, welches dabei helfen kann, Lehr- und Lernprozesse besser zu verstehen und
gezielt zu opmieren. Dieses Whitepaper soll eine erste Orienerung zu diesem Thema geben und
dabei speziell die österreichische Hochschullandscha adressieren.
Ausgehend von der Denion „Learning Analycs umfasst die Analyse, Darstellung und Interpre-
taon von Daten aus Lehr- und Lernsengs mit dem Zweck, dass Lernende ihr Lernen unmielbar
verändern können“ werden Herausforderungen benannt und der Status quo in Österreich präsenert.
Daraus werden sechs Argumente für Learning Analycs abgeleitet.
LEARNING ANALYTICS:
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IMPRESSUM
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