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Versuche zur Wiederansiedlung und Lebensraumoptimierung von Braunkehlchen (Saxicola rubetra) und Wiesenpieper (Anthus pratensis) in der hessischen Rhön

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Abstract

The chapter summarises the results from field experiments in large-scale pastures for the re-population of the whinchat (Saxicola rubetra) and habitat optimisation of the meadow pipit (Anthus pratensis) in the Hessian part of the biosphere reserve Rhön. In the experiments, measures were tested to provide whinchats with more song posts (bamboo sticks) and to increase habitat heterogeneity for meadow pipits. We found that an increased number of song posts in the experiment fields had no positive effects on the re-population of whinchats, which suggests the presence of additional limiting factors in habitat quality. For meadow pipits, temporally fallow areas provided more heterogeneous vertical vegetation structures for nesting and foraging, which resulted in a higher number of breeding territories. The findings highlight the specific importance of diverse habitat structures and the need of considering landscape-level limiting factors for the conservation of these two ground-breeding bird species.
Jahrbuch Naturschutz in Hessen Band 18 / 2019 111
Versuche zur Wiederansiedlung und Lebensraumoptimierung
von Braunkehlchen (Saxicola rubetra) und Wiesenpieper
(Anthus pratensis) in der hessischen Rhön
Nadja Robra, Nils Stanik, Jonas Thielen & Gert Rosenthal
Praxisnahe Forschung
Einleitung
Auch fast 40 Jahre nach Inkrafttreten der
Vogelschutzrichtlinie ist der Bestand vie-
ler Vogelarten und insbesondere der
Wiesenvögel in Deutschland kritisch
und weiterhin stark rückläufig (BfN
2009, Wahl et al. 2015). Laut der aktu-
ellen Roten Liste der Brutvögel Deutsch-
lands von 2015 gelten 74 % der in
Deutschland vorkommenden Offen-
landvogelarten als gefährdet oder als be-
reits ausgestorben. Das Braunkehlchen
(Saxicola rubetra) wurde 2007 noch als
„gefährdet“ eingestuft, ist aber aktuell
„stark gefährdet“, und der Wiesenpieper
(Anthus pratensis) stand 2007 noch auf
der Vorwarnliste und wird nun als „stark
gefährdet“ gelistet (Grüneberg et al.
2015). Gebietsübergreifend identifizierte
Gründe für ihren Bestandsrückgang sind
der Habitatverlust durch eine intensivere
landwirtschaftliche Nutzung sowie der
Grünlandumbruch oder der vermehrte
Anbau von Energiepflanzen (BMUB
2015, Sudfeld et al. 2009, Wahl et al.
2015, Feulner et al. 2015).
Braunkehlchen und Wiesenpieper (Abb.
1, 2) bevorzugen wie die meisten Wie-
senvogelarten als Lebensraum extensiv
genutztes Grünland oder Brachen mit
gut strukturierter Krautschicht und aus-
reichend Ansitzwarten (z. B. Blüten- und
Fruchtstände von Stauden oder Zaun-
pfähle), wobei sie die Nähe zu Hecken
und geschlossenen Gehölzbeständen
meiden (Südbeck et al. 2005). Die
Sammlung der Nahrung in Form von In-
sekten erfolgt beim Braunkehlchen im
Flug, von Ansitzwarten oder vom Boden
aus und beim Wiesenpieper vorwiegend
im Flug über kurzrasige Flächen (Glutz
von Blotzheim & Bauer 1985, 1988,
Vandenberghe et al. 2009). Braunkehl-
chenreviere sind meist 0,75 ha groß, wo-
bei sich die Reviergrenzen mit dem
Schlüpfen der Jungen auflösen und we-
sentlich größer werden können (Opper-
mann 1992). Die Reviere der Wiesen-
pieper sind je nach Siedlungsdichte un-
terschiedlich groß, von unter einem
Hektar bei einer hohen Dichte bis zu
drei Hektar bei geringer Dichte (Glutz
von Blotzheim & Bauer 1985).
Die konkreten Rückgangsursachen bei-
der Arten in der hessischen Rhön sind
neben der Intensivierung der Grünland-
bewirtschaftung mit ihren häufigeren
Mahdterminen und dem z. T. massiven
Gülleeintrag unter anderem in Entwässe-
rungsmaßnahmen begründet. Zudem
fehlen insbesondere für das Braunkehl-
chen wichtige Strukturen als Ansitzwar-
ten. 2015 wurde der Bestand des Braun-
kehlchens im EU-Vogelschutzgebiet (VSG)
„Hessische Rhön“ auf 5 8 Brutpaare
geschätzt, was einen Rückgang von min-
destens 83 % im Vergleich zur Grund-
datenerhebung 2006 / 2008 bedeutet.
Aktuell wird nur noch von drei Brut-
paaren (2019) im VSG ausgegangen. Für
den Wiesenpieper gehen aktuelle Schät-
zungen von 140 170 Brutpaaren in der
hessischen Rhön aus, woraus sich auch
für diese Art ein drastischer Bestands-
rückgang von 35 43 % im selben Ver-
gleichszeitraum ergibt. Hier ist wahr-
scheinlich neben den bereits genannten
Ursachen auch die schleichende Ver-
buschung wichtiger Brutgebiete haupt-
verantwortlich. Immer häufiger bleiben
vormals konstant besetzte, scheinbar gut
geeignete Bruthabitate beider Zielarten
in der hessischen Rhön un- oder unter-
besetzt (Lösekrug et al. 2016). Es ist
vielfach unklar, warum die Bestände in
konkreten Räumen zurückgehen und
welche limitierenden Faktoren dort für
die Wiederansiedlung und Erhaltung
beider Zielarten bestehen.
In Kooperation mit dem LIFE-Projekt
„Hessische Rhön – Berggrünland, Hutun-
gen und ihre Vögel“ wurde daher im Früh-
jahr / Sommer 2018 die Habitateignung
ausgewählter Hutungen im hessischen
Ulstertal evaluiert. Zum einen wurde die
Bedeutung ausgewählter Landschafts-
Abb. 1: Braunkehlchen (Saxicola rubetra)
(Foto: M. Sommerhage)
Abb. 2: Wiesenpieper (Anthus pratensis)
(Foto: N. Robra)
Jahrbuch Naturschutz in Hessen Band 18 / 2019112
Versuch zur Wiederansied-
lung des Braunkehlchens
In Anlehnung an Feulner et al. (2017)
wurde als Initiallösung für die Wiederan-
siedelung des Braunkehlchens die soge-
nannte Überreizmethode gewählt, bei
welcher künstliche Ansitzwarten in
Form von Bambusstäben (Höhe: 1,20 m,
Durchmesser: 1 – 1,5 cm) geschaffen
werden. Am Steinkopf wurden dafür
eine Fläche von 3 ha in der Nähe zu dem
letzten nachgewiesenen Brutrevier des
Vorjahres sowie eine Kontrollfläche ohne
Bambusstäbe abgesteckt. Die künstli-
chen Ansitzwarten wurden in Clustern
mit einem Durchmesser von 10 m aus
etwa 50 Stäben im März 2018 eingerich-
tet (Abb. 3). Zusätzlich wurden einzelne
längere Bambusstäbe mit ca. 1,80 m
Höhe in die Mitte der Cluster gesteckt,
da im Laufe der Brutsaison mit zuneh-
mender Höhe der Vegetation die niedri-
geren Stäbe an Bedeutung verlieren. Mit
dem Freischneider wurden Streifen in die
Fläche gemäht, um im Vegetationsaus-
trieb eine höhere Strukturvielfalt zu er-
reichen. Die Cluster wurden eng einge-
zäunt, um sie vor den Weidetieren zu
schützen. Auf der Tanner Hute wurden
zusätzlich zu den Clustern Bambusstäbe
in drei bis sechs Meter breiten Streifen
entlang der Gräben in die Schonstreifen
gesteckt. In diesem Gebiet waren seit ei-
flächen mit weniger als 10 ha geprägt.
Durch diese Beweidungsform etablierte
sich laut dem derzeitigen Weidewart Ste-
fan Hohmann (mdl.) die Rasen-Schmie-
le großflächig auf der Weide. Im Zuge
des „Grünlandprojektes Rhön“ wurden
die Parzellen geöffnet und eine extensive
Ganzjahresweide mit Rindern und Scha-
fen mit einer Besatzdichte von ca. 0,45
GVE / ha eingerichtet, deren Besatzstär-
ke im Winter verringert wurde (Jedicke
et al. 2010). 2011 wurde die ganzjährige
Beweidung wieder eingestellt, sodass die
Weidetiere (Rinder und Pferde) nun
nach dem 1. Mai aufgetrieben und im
Herbst abgetrieben werden. Die Weide
wird momentan mit einer Besatzdichte
von ca. 1,5 GVE / ha beweidet (Hoh-
mann mdl.).
Die über 250 ha große Tanner Hute liegt
nordöstlich der Stadt Tann auf 620 m ü.
NN. Weite Teile des Grünlandgebietes
werden intensiv genutzt und durch Grä-
ben entwässert. 2018 fanden durch das
LIFE-Projekt verschiedene Maßnahmen
zur Förderung der Wiesenbrüter statt.
Die Nutzung wurde extensiviert, indem
auf ca. 25 ha eine einschürige Mahd Ende
Juli eingeführt, entlang der Entwässe-
rungsgräben zweijährige Schonstreifen
angelegt, der aufgewachsene Gehölzbe-
stand in Teilen ausgedünnt oder beseitigt
und Neophyten entfernt wurden.
und Vegetationselemente sowie der Nut-
zung (Beweidung, Mulchen, Brache) auf
die Raumnutzung des Wiesenpiepers
und zum anderen die mögliche Wieder-
ansiedlung des Braunkehlchens mittels
künstlicher Ansitzwarten erprobt (vgl.
Feulner 2017). Das Fehlen von Ansitz-
warten und unzureichende vertikale
Strukturen wurden dabei als weitere li-
mitierende Faktoren für das Braunkehl-
chen und andere Bodenbrüter in den
Hutungen angenommen. Darüber hin-
aus ist es erklärtes Ziel, mit diesen Ver-
suchen, Braunkehlchen sowie weitere
gefährdete Vogelarten in Bereiche zu
lenken, auf denen eine artverträgliche
Bewirtschaftung im Sinne des Natur-
schutzes gewährleistet ist.
Material und Methoden
Die hessische Rhön – als Teil des im Län-
derdreieck Hessen, Thüringen und Bay-
ern gelegenen Biosphärenreservats Rhön
– ist eine vielfältige Mittelgebirgsland-
schaft, die sich durch eine reich geglie-
derte Kulturlandschaft mit Bergwiesen
bis in die Hochlagen auszeichnet und
eine naturschutzfachlich wie landschafts-
ästhetisch bedeutende Region Hessens.
„Hotspots“ der biologischen Vielfalt in
der hessischen Rhön bilden die alten
und bis heute extensiv beweideten Hu-
tungen entlang des Ulstertals, von denen
zwei im Fokus dieser Studie stehen und
beide prioritäre Maßnahmenräume des
LIFE-Projekts sind.
Der Steinkopf im Osten von Ehren-
berg-Wüstensachsen liegt mit seiner be-
waldeten Kuppe auf bis zu 888 m ü. NN.
Um diese Kernzone des Biosphärenreser-
vats befindet sich eine 106 ha große Ex-
tensivweide, welche maßgeblich durch
ein Mosaik aus unterschiedlichen Berg-
grünlandgesellschaften mit teils hohen
Anteilen von Horstgräsern, v. a. der Ra-
sen-Schmiele (Deschampsia cespitosa) ge-
prägt wird. Im nördlichen Bereich bilde-
te sich durch die Beweidung ein ausge-
prägtes Mikrorelief mit Bulten und
Schlenken und zum Teil überwachsenen
Basaltblöcken. Eine Weidenutzung am
Steinkopf ist seit dem 17. Jahrhundert
nachgewiesen und war bis vor wenigen
Jahren durch klein parzellierte Umtriebs-
Wiederansiedlung und Lebensraumoptimierung von Braunkehlchen und Wiesenpieper
Abb. 3: Im März 2018 wurden am Steinkopf Cluster aus Bambusstäben als künst-
liche Ansitzwarten eingerichtet. In den Grünlandflächen sind Horste der Rasen-
Schmiele erkennbar. (Foto: N. Robra)
Jahrbuch Naturschutz in Hessen Band 18 / 2019 113
Wiederansiedlung und Lebensraumoptimierung von Braunkehlchen und Wiesenpieper
Steinkopf als auch der Tanner Hute viel-
fach von anderen Vogelarten als Ansitz-
und Singwarten genutzt; am häufigsten
wurden darauf Wiesen- und Baumpieper
sowie ferner Feldlerchen, Neuntöter und
der Raubwürger gesichtet.
An den Flächen zur Lebensraumoptimie-
rung am Steinkopf konnten neun Wie-
senpieperreviere abgegrenzt werden, wo-
bei ein Großteil im nördlichen Bereich
gesichtet wurde. Das entspricht etwa der
gleichen Anzahl wie im Jahr zuvor. Auf
der Tanner Hute konnten zwei Wiesen-
pieperreviere nachgewiesen werden. Dies
bedeutet einen Populationsanstieg im
Vergleich zum Vorjahr, in dem lediglich
ein randliches Revier festgestellt wurde.
Die Raumnutzungsanalyse am Steinkopf
zeigte, dass sich die meisten Wiesenpie-
per in den von Horstgräsern dominier-
ten Bereichen aufhielten, wohingegen
die im Vorjahr gemulchten Flächen ge-
ringere Zahlen an Wiesenpieperbewe-
gungen aufwiesen. Auf den beweideten
Flächen ohne Dominanz der Ra-
sen-Schmiele, die zugleich strukturarm
und niedrigwüchsig waren, wurden kei-
ne Wiesenpieper beobachtet. Im Ver-
gleich der Vegetationsstrukturparameter
ist festzustellen, dass sich diese zwischen
den Flächen anhand der Mulch-Vorbe-
handlung nicht statistisch unterscheiden.
Die unterschiedlich genutzten Probeflä-
chen (beweidet / unbeweidet) unterschie-
den sich lediglich in den Parametern Mi-
nimale bzw. Mittlere Vegetationshöhe
signifikant voneinander, wobei jeweils
die unbeweideten Flächen höhere Werte
aufwiesen (U-Tests: P = 0,02).
Die Abbildung 4 zeigt die Ordination
der nach Nutzung klassifizierten Ver-
suchsflächen anhand der Strukturpara-
meter. Mit den drei Hauptkomponenten
(Dimensionen) kann insgesamt 90,5 %
der Varianz erklärt werden, an der die
Dimensionen 1 und 2 den größten An-
teil besitzen. Die Dimension 1 wird sig-
nifikant positiv durch die Parameter mi-
nimale Vegetationshöhe, Vegetationsde-
ckung, Vertikalstruktur und Horstgräser
sowie die Dimension 2 durch den Offen-
bodenanteil und die Zahl der Frucht-
standswarten bestimmt. Dimension 3
wird alleinig durch die Anzahl von Fel-
sen gebildet. Unter Berücksichtigung
tivitäten der Zielarten erfasst wurden.
Die Raumnutzungskartierung fand im
Anschluss an die Revierkartierung statt,
wobei die Reihenfolge der beobachteten
Versuchsflächen jedes Mal gewechselt
wurde, um zeitliche Autokorrelationen
zwischen den Beobachtungen zu vermei-
den.
Im Rahmen des Versuchs für den Wie-
senpieper wurden ausgewählte Vegetati-
onsstrukturen und Landschaftselemente
auf allen Versuchsflächen am Höhepunkt
der Vegetationsausbildung im Juli 2018
kartiert. Aufgenommen wurden der
Offenbodenanteil, die Horstgras- und
Vegetationsdeckung einschließlich der
Vertikalstruktur der Krautschicht, die
minimale und mittlere Vegetationshöhe
sowie die Zahl von Fruchtstandswarten
und Felsen.
Die Daten der Strukturkartierung wur-
den mit dem Statistikprogramm R aus-
gewertet. Die Strukturparameter wurden
zunächst auf Unterschiede zwischen den
Nutzungs- bzw. Vorbehandlungsvarian-
ten mit einem Mann-Whitney-U-Test
hin überprüft. Um eine Verbindung zwi-
schen der Anzahl der Vögel und den
Strukturparametern herzustellen, wurde
eine Hauptkomponentenanalyse (PCA)
durchgeführt, bei welcher die Versuchs-
flächen anhand der Strukturparameter
ordiniert und durch die Nutzung bzw.
Vorbehandlung klassifiziert dargestellt
wurden. Abschließend wurde eine Korre-
lationsanalyse nach Spearman durchge-
führt, bei welcher die Anzahl der Vögel
gegen die Dimensionsladungen der
Hauptkomponenten getestet wurde.
Ergebnisse
Der Versuch zur Wiederansiedlung des
Braunkehlchens bleibt auf den ersten
Blick ohne Ergebnisse, da sich in keiner
der beiden Hutungen Braunkehlchen
ansiedelten. Erst im Laufe des Sommers
konnte nordöstlich des Untersuchungs-
gebiets ein Revier am Stirnberg bestätigt
werden, in dessen Bereich sich im Jahr
2015 noch zwei Reviere befanden und
im Vorjahr aber keines mehr erfasst wor-
den war. Auf den zweiten Blick wurden
die Bambusstäbe jedoch sowohl am
nigen Jahren keine Braunkehlchenreviere
mehr belegt, jedoch werden dort einzel-
ne Braunkehlchen während der Zugzeit
regelmäßig gesichtet.
Versuch zur Lebens -
raum optimierung für
den Wiesenpieper
Für die Analyse der Raumnutzung des
Wiesenpiepers wurden Flächen mit un-
terschiedlicher Nutzung und unter-
schiedlichen Vegetationsstrukturen und
Landschaftselementen von je einem
Hektar abgesteckt, die alle einen Min-
destabstand von > 50 m zu größeren Ge-
hölzgruppen aufwiesen. Neben der Nut-
zungsform (beweidet oder unbeweidet)
spielte das Kriterium der Dominanz von
Rasen-Schmiele bei der Versuchsflächen-
einrichtung eine Rolle, da diese Art ei-
nerseits einen geringen Futterwert für
die Weidetiere besitzt, aber andererseits
als horstbildendes Gras wichtige Nistge-
legenheiten für den Wiesenpieper bildet.
Die Flächen wurden anhand der beste-
henden Dominanz der Rasen-Schmiele
unterschieden. Dazu wurden im Vorfeld
einige Probeflächen in den Jahren 2017
und 2018 mit einem Aufnahmemulcher
mit Schlegelmähwerk vorbehandelt, bei
dem das Mulchgut direkt aufgefangen
wird, während der Rest der Flächen un-
behandelt blieb.
Kartierungen und
Datenanalysen
Zwischen Anfang April und Anfang Juni
wurde in beiden Gebieten eine Revier-
kartierung an sechs Terminen mit min-
destens einer Woche zeitlichem Zwi-
schenabstand nach Südbeck et al. (2005)
durchgeführt, wobei neben Wiesenpie-
per und Braunkehlchen auch weitere
Vogelarten mit Rote-Liste-Status kartiert
wurden. Am Steinkopf wurde die Kartie-
rung nur im Teilbereich der Weide mit
den Untersuchungsflächen vorgenom-
men, während auf der Tanner Hute die
komplette Fläche kartiert wurde. Des
Weiteren wurde am Steinkopf eine
Raumnutzungskartierung durchgeführt,
bei der die Versuchsflächen jeweils etwa
eine Stunde beobachtet und alle Flugak-
Jahrbuch Naturschutz in Hessen Band 18 / 2019114
kurzzeitig ausgesetzter Beweidung sowie
später Mahd aus. So entwickelte sich im
Laufe des Sommers in den unbeweideten
Flächen am Steinkopf eine deutlich viel-
fältigere und blütenreichere, für Insekten
attraktivere Vegetationsdecke aus als in
den beweideten Flächen. Wie Border et
al. (2016) jedoch feststellten, lässt sich in
Landschaften mit allgemein hohem An-
teil an extensivem Grünland (wie der
Rhön) die generelle Verfügbarkeit und
Masse von Nahrungsinsekten in keinen
direkten Zusammenhang mit Vorkom-
men und Häufigkeit von Braunkehlchen
und Wiesenpieper stellen. In intensiv ge-
nutzten Landschaftsräumen werden In-
sekten zum limitierenden Faktor für die
Arten, da wiederum Vegetationsstruktu-
ren starken Einfluss auf die Präsenz und
Verfügbarkeit von Insekten besitzen
(Oppermann 1999). Es zeigt sich somit,
dass die Besatzdichte, Frequenz und der
zeitliche Ablauf der Beweidung kritische
Faktoren zur Herausbildung geeigneter
Habitatstrukturen für Braunkehlchen
und Wiesenpieper und ihre Nahrungs-
insekten in Weideflächen sind (Border
et al. 2016). Eine besonders hohe Habi-
tat- und Vegetationsheterogenität und
eine daraus resultierende hohe Zahl von
Wiesenpieperbrutrevieren konnte in ei-
nem ähnlichen Experiment mit einer ex-
chens die kritische Bestandsgröße bereits
unterschritten zu sein, sodass ein Über-
angebot an geeigneten Bruthabitaten
vorhanden ist. Viele ehemalige Bruthabi-
tate müssten somit wieder neu besiedelt
werden. Diese wieder neu zu besiedeln-
den Habitate stehen aber bei durchzie-
henden Individuen und dem Nachwuchs
in Konkurrenz mit noch besiedelten
hochwertig ausgestatteten Bruthabita-
ten, wie sie z. B. in der Langen Rhön
(Bayern) zahlreich vorhanden sind.
Als territoriale Vögel wählen beide Arten
in einem komplexen Entscheidungspro-
zess ihren Brutplatz vordergründig auf-
grund passender Strukturen und weniger
anhand des Bruterfolgs vergangener Jah-
re aus (Broyer et al. 2012). Um die Wie-
derbesiedlungspotentiale zu erhalten,
müssen passende Strukturen auch in der
Zukunft durch geeignete Bewirtschaf-
tung vorgehalten werden. Besonders
Braunkehlchen sind in ihrer Revierwahl
in ihren Bruthabitaten auf heterogene
Vegetationsstrukturen der Krautschicht
(v. a. in der Vertikalen) sowie viele An-
sitzwarten und Horstpflanzen in Flächen
mit möglichst unebenem Bodenrelief an-
gewiesen (Fischer et al. 2013, Border
et al. 2016). Solche Strukturen bilden
sich nur bei entsprechend extensiver oder
dieser Strukturparameter und Elemente
unterscheiden sich die beweideten Ver-
suchsflächen deutlich von den nicht be-
weideten Flächen. Dies wird durch die
Trennung der Gruppen und deren Zent-
roiden links und rechts der vertikalen
Koordinatenachse deutlich. Die Ordina-
tion nach der Versuchsflächenvorbe-
handlung zeigte keine Gruppierung.
Setzt man die Koordinatenwerte der Ver-
suchsflächen auf den einzelnen Haupt-
komponenten und die Zahl der beob-
achteten Vögel in Korrelation zueinan-
der, zeigt sich, dass diese mäßig mit den
Parametern der Dimension 1 (rs = 0,32)
und mit den Parametern der Dimension
2 (rs = 0,58) in Zusammenhang stehen.
Beide Korrelationskoeffizienten errei-
chen jedoch knapp nicht die übliche
Schwelle des P-Werts zur statistischen
Signifikanz und zeigen somit nur eine
Tendenz an. Kein korrelativer Zusam-
menhang besteht zwischen der Zahl der
Vogelbeobachtungen und der Dimensi-
on 3 (rs = –0,04).
Diskussion
Die Ergebnisse der Versuche zeigen die
übergeordnete Bedeutung von Vegetati-
onsstrukturen und Landschaftselemen-
ten in der Habitat- und Revierwahl von
Braunkehlchen und Wiesenpieper sowie
den maßgeblichen Einfluss der Flächen-
nutzung auf deren Vorkommen und
Ausbildung. Studien aus anderen Gebie-
ten bestätigen dies ebenfalls explizit.
Auch wenn mit der Überreizmethode in
den konkreten Untersuchungsgebieten
die Wiederansiedlung des Braunkehl-
chens fehlschlug und die Zahl von An-
sitzwarten kein limitierender Faktor in
den Untersuchungsgebieten zu sein
scheint, zeigten sich doch positive Aus-
wirkungen auf andere Offenlandvogelar-
ten wie den ebenfalls untersuchten Wie-
senpieper, indem zusätzliche Ansitz- und
Singwarten angeboten wurden. Damit
wurde eine schnelle Attraktivitätssteige-
rung strukturarmer Habitate erreicht
und die Tiere wurden gezielt in bestimm-
te Bereiche gelenkt (vgl. Feulner et al.
2017, Uhl 2018). In der hessischen
Rhön scheint aber aufgrund der geringen
Zahl von Brutpaaren des Braunkehl-
Wiederansiedlung und Lebensraumoptimierung von Braunkehlchen und Wiesenpieper
Abb. 4: Hauptkomponentenanalyse (PCA-Ordination), bei der die Versuchsflächen
anhand der Vegetationsstrukturparameter und Landschaftselemente ordiniert und
durch die Nutzung bzw. Vorbehandlung klassifiziert dargestellt wurden. Rote Kreise =
beweidete Flächen, Blaue Dreiecke = unbeweidete Flächen. Nähere Erläuterung im
Text.
Jahrbuch Naturschutz in Hessen Band 18 / 2019 115
Wiederansiedlung und Lebensraumoptimierung von Braunkehlchen und Wiesenpieper
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und Rindern bei einer Besatzdichte von
unter 0,75 GVE / ha erreicht werden
(Evans et al. 2006). Diese Beweidungs-
form und -dichte erzeugte dabei den bes-
ten Ausgleich zwischen Gewinnern und
Verlieren auf allen betrachteten Ebenen
der Nahrungsketten (Evans et al. 2015).
Eine solche Form und Dichte deckt sich
dabei in weiten Teilen mit den bereits
formulierten Empfehlungen von Jedi-
cke et al. (2010) sowie von Wichmann
& Bauschmann (2015).
Abschließend ist festzuhalten, dass ein
intensives Monitoring der letzten Le-
bensräume für die untersuchten Zielar-
ten unerlässlich ist. So sollten insbeson-
dere die letzten Brutvorkommen des
Braunkehlchens identifiziert und diese
durch eine optimale Nutzung gesichert
werden. Ferner ist festzuhalten, dass eine
extensive großflächige Beweidung die
Entwicklung günstiger Lebensräume für
Wiesenvogelarten unterstützen und her-
stellen kann. Dabei sollten Maßnahmen
wie das Entfernen der Rasen-Schmiele
nur kleinräumig stattfinden, da sonst
wichtige Teilstrukturen des Habitats auf-
wändig beseitigt würden. Maßnahmen
wie die Angebotsverbesserung von An-
sitz- und Singwarten können zudem mit
der Anlage mehrjähriger Schonstreifen
oder Rotationsbrachen gekoppelt und
schnell über Vertragsnaturschutzpro-
gramme umgesetzt werden.
Kontakt
Nadja Robra (M. Sc.)
Nils Stanik (M. Sc.)
Prof. Dr. Gert Rosenthal
Universität Kassel, Fachbereich 06,
Institut für Landschaftsarchitektur
und Landschaftsplanung
Fachgebiet Landschafts- und
Vegetationsökologie
Gottschalkstraße 26a
34127 Kassel
N.Robra@online.de
Nils.Stanik@uni-kassel.de
Rosenthal@asl.uni-kassel.de
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Article
Full-text available
We determined breeding season habitat preferences for a declining migrant grassland bird, the Whinchat Saxicola rubetra, using intensive, territory-scale habitat and invertebrate data, and independently gathered landscape-scale field survey and remotely sensed habitat data to determine whether the same habitat relationships were evident at both spatial scales. At the territory scale, low elevation and a heterogeneous vegetation structure with a high density of perches and tussocks were the dominant features of occupied habitats. The landscape scale model successfully predicted areas where breeding Whinchats were more likely to occur, and similar and consistent relationships with habitat features occurred at both spatial scales. However, plant species richness and topographic slope elicited different responses at different spatial scales, with steeper slopes and high plant species richness favoured at the landscape scale, whereas at the territory scale low plant species richness was preferred and slope did not determine settlement. These differences reflect differences in the way the data were measured and extrapolated. This study identifies important attributes of lowland grassland habitats and landscapes for a stable population of breeding Whinchats, while the analysis shows the good predictive ability of remotely sensed data to model this species’ distribution at larger spatial extents. Our findings provide methods for assessing habitat availability for this declining species and for managing habitats and landscapes to provide these essential elements. This article is protected by copyright. All rights reserved.
Article
Full-text available
2015. The cascading impacts of livestock grazing in upland ecosystems: a 10-year experiment. Ecosphere 6(3):42. Abstract. Livestock grazing is a major driver of land-use change, causing significant biodiversity loss globally. Although the short-term effects of livestock grazing on individual species are well studied, a mechanistic understanding of the long-term, cascading impacts is lacking. We manipulated livestock densities using a unique, replicated upland experiment over a 10-year period and found significant effects of grazing treatment on plant and arthropod biomass; the number of Anthus pratensis breeding bird territories; the amplitude of Microtus agrestis population cycles and the activity of a top predator, Vulpes vulpes. Lower plant biomass as a result of higher stocking densities led to cascades across trophic levels, with fewer arthropods and small mammals, the latter affecting predator activity. Breeding bird territories were a function of arthropod abundance and vegetation structure heterogeneity. Our results provide a novel food-web analysis in a grazing experiment to provide a mechanistic understanding of how food-webs in upland ecosystems respond to long-term livestock grazing pressure, with consequences for management.
Article
Full-text available
Livestock grazing is a major driver of ecosystem change and has been associated with significant declines in various bird species in Britain and worldwide. However, there is little experimental evidence to show how grazing affects bird populations. We manipulated livestock densities in a replicated field experiment and found that mixed sheep and cattle grazing, at low intensity, improved the breeding abundance of a common upland passerine, the meadow pipit Anthus pratensis, after two years. Plots stocked with sheep alone (at high or low density) or not stocked at all held fewer pipit territories. Despite a year on year decline in pairs of meadow pipits in intensively grazed plots, we found no effect of sheep number on breeding abundance. Our results support the hypothesis that mixed species of herbivores generate greater heterogeneity in vegetation structure, which modifies prey availability, resulting in a greater abundance of birds. The results of our study should inform the management of grassland areas and enhance the abundance of some bird species, particularly in areas that have seen significant shifts from mixed livestock grazing to grazing dominated by single species of animals.
Article
The Whinchat (Saxicola rubetra) has experienced dramatic population declines in central Europe over past decades. To support evidence-based conservation strategies, we have analyzed habitat preferences, breeding success, and population development in selected study sites within the Westerwald mountain range, representing a major stronghold of Whinchats in Germany. Whinchat territories were characterised by higher proportions of pastures and nutrient-poor moist grassland than expected by chance, and they showed higher levels of ground unevenness, higher numbers of perches, higher structural vegetation diversity and greater distances to forests than control patches. Breeding success differed significantly across biotope types, being highest on nutrient-poor moist grassland followed by nutrient-poor (but drier) grassland, fallow land, and finally nutrient-rich grassland. It also depended on the timing of grassland management. In the study site with traditional grassland management, breeding success was 82 %, while it was only 38 % in an intensively managed study site. Accordingly, the local population size declined between 2005 and 2011 from 48 to 5 singing males in the intensively managed site, but ‘only’ from 51 to 31 singing males in the traditionally managed site. In our study area, Whinchats can only produce high offspring numbers if grazing and mowing does not start before 1 July, and preferably not before 15 July.
Article
Changes in grazing management are believed to be responsible for declines in populations of birds breeding in grassland over the last decades. The relationships between grazing management regimes, vegetation structure and composition and the availability of invertebrate food resources to passerine birds remain poorly understood. In this study, we investigated the foraging site selection of meadow pipits (Anthus pratensis L.) breeding in high intensity sheep-grazed plots or low intensity mixed (i.e. sheep and cattle)-grazed plots. We sampled above-ground invertebrates, measured vegetation height and density and conducted a vegetation survey in areas where meadow pipits were observed to forage and areas that were randomly selected. Birds foraged in areas with a lower vegetation height and density and in areas containing a lower proportion of the dominant, tussock-forming grass species Molinia caerulea. They did not forage in areas with a total higher invertebrate biomass but at areas with preferred vegetation characteristics invertebrate biomass tended to be higher in foraging sites than random sites. The foraging distance of meadow pipits was higher in the intensively grazed plots. Our findings support the hypothesis that resource-independent factors such as food accessibility and forager mobility may determine patch selection and are of more importance as selection criteria than food abundance per se. Food accessibility seems to become an even more important selection criterion under high grazing intensity, where prey abundance and size decrease. In our upland grazing system, a low intensity, mixed grazing regime seems to provide a more suitable combination of sward height, plant diversity, structural heterogeneity and food supply for meadow pipit foraging activity compared to a more intensive grazing regime dominated by sheep.
  • R.-G Lösekrug
  • B Baumann
  • B Demant
  • A Happel
  • M Hoffmann
  • H.-O Thorn
  • G Bauschmann
Lösekrug, R.-G.; Baumann, B.; Demant, B.; Happel, A.; Hoffmann, M.; Thorn, H.-O.; Bauschmann, G. (2016): SPA-Monitoring-Bericht für das EU-Vogelschutzgebiet Nr. 5425-401 "Hessische Rhön" (Landkreis Fulda). Gutachten der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland. Gießen. 132 S.
Nahrungsökologische Grundlagen und Habitatansprüche des Braunkehlchens Saxicola rubetra
  • R Oppermann
Oppermann, R. (1999): Nahrungsökologische Grundlagen und Habitatansprüche des Braunkehlchens Saxicola rubetra. Vogelwelt 120: 7 -25.
Erhöhung des Sitzwarten-Angebotes in Mühlviertler Brutgebieten -erste Erfahrungen
  • H Uhl
Uhl, H. (2018): Erhöhung des Sitzwarten-Angebotes in Mühlviertler Brutgebieten -erste Erfahrungen. WhinChat 3: 16 -17.
Does breeding success lead meadow passerines to select late mown fields?
  • J Broyer
  • L Curtet
  • M Boissenin
Broyer, J.; Curtet, L.; Boissenin, M. (2012): Does breeding success lead meadow passerines to select late mown fields? J. Ornithol. 153: 817 -823, DOI 10.1007/s10336-011-0799-6
Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Band 11/I -Passeriformes (2. Teil)
  • U.-N Glutz Von Blotzheim
  • K.-M Bauer
Glutz von Blotzheim, U.-N.; Bauer, K.-M. (1988): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Band 11/I -Passeriformes (2. Teil). Wiesbaden.