Conference PaperPDF Available

Der Einfluss von Aquaplaning auf die Verkehrssicherheit bei Nässe

Authors:
  • VUFO - Verkehrsunfallforschung an der TU Dresden GmbH

Abstract

Hydroplaning phenomena consists in the reduction of contact patch between tire and road coming from a water film which cannot be evacuated by the tire. This area reduction results in a grip level reduction. In the worst case, this phenomenon can go up to a complete loss of contact between tire and road (full hydroplaning case), which result in a dangerous incapacity for the driver to steer or brake the vehicle. Even if this mechanism has been identified since the 1960’s, its influence on the traffic safety is not yet quantified in the scientific literature. The reasons are first the rarity of the event, and also the size of the parameters set to be gathered on an accident scene to estimate the probability for this accident to have a full hydroplaning event as the main cause. Contrarily to other publication which use a subjective approach, this study proposes to be based on objective criteria gathered in the GIDAS (German In-Depth Accident Study) database. This source contains both a high number of accident cases, which ensure a good representativeness, and an important set of accident parameters, especially those influencing the hydroplaning (like tire pressure, tire tread depth, rain intensity, presence of ruts, initial speed of the vehicle, …). By the use of a physical model, it was possible to compute for each accident the probability to have full hydroplaning as a main cause. In complement to this objective calculation, an expert review of each case was conducted to consider all the factors of the accident. In the GIDAS database, it was found 1,130 vehicles experiencing a wet accident and having all the requested parameters filled. On this 1,130 individuals set, it was found that around 0.6% of the wet accidents were caused by a full hydroplaning situation (confidence interval : [0.35% - 0.84% ]). It is also observed that 62% of the wet accidents are categorized as “Grip Relevant”, meaning that the driver solicited the tire grip during the pre-crash phase. In those cases, a partial hydroplaning is possible. To conclude the study and make the results mode robust, a keyword analysis has also been conducted on the Saxony police reports. Although it is a subjective evaluation (because based on the reports written by the police staff) contrarily to the GIDAS approach which is objective, the two results were in complete accordance. This study confirms that hydroplaning situation exists on roads, and can lead to an accident – even if they are rare. It would be interesting to extend the study to other geographical zones (to check the influence of road design or climate conditions), and also to try to estimate the share of partial hydroplaning in the accidents documented in the GIDAS database.
Der Einfluss von Aquaplaning auf die Verkehrssicherheit
bei Nässe
Analyse von Unfällen bei Nässe aus Polizei- und GIDAS-Daten
Thomas Unger, VUFO, Verkehrsunfallforschung an der TU Dresden
Florian Spitzhüttl, VUFO, Verkehrsunfallforschung an der TU Dresden
Frédéric Biesse, Michelin, Clermont Ferrand, Frankreich
Fabrice Goizet, Michelin, Clermont Ferrand, Frankreich
1. Einführung
Seitdem das Phänomen Ende der 1950er Jahre identifiziert wurde, gilt der Effekt des
Aquaplaning als gefährliches Ereignis für Autofahrer.
Die Frage nach der Häufigkeit des Aquaplanings wird in der Fachwelt vielfach diskutiert. Hier
treffen teilweise gegensätzliche Positionen aufeinander. Einerseits gibt es die Aussage, dass
ein wesentlicher Anteil der Nässeunfälle auf Aquaplaning zurückzuführen ist und andererseits,
dass es sich dabei um einen sehr seltenen Fall handelt und der Nassgriff von führender
Bedeutung ist.
2. Physikalische Grundlagen - Aquaplaning
Rollt ein Reifen mit hoher Geschwindigkeit über eine nasse Oberfläche, bewegt sich ein
„Wasserkeil“ vor dem Reifenlatsch. Das Zusammenspiel von Reifen und Wasser an der
Vorderseite der Aufstandsfläche bewirkt einen Anstieg des Wasserdrucks (hydrodynamischer
Druck). Wenn dieser Druck über dem des Reifen-Straßen-Kontaktdruckes steigt, kann das
Wasser nicht mehr ausreichend abtransportiert werden und der Reifen hebt von der
Fahrbahnoberfläche ab. Dies wird als Aquaplaning bezeichnet. Abhängig von der Wassertiefe
verliert der Reifen ab einer bestimmten Geschwindigkeit jeglichen Kontakt zur
Fahrbahnoberfläche und reduziert so seine Brems- und Lenkkapazität drastisch.
Abbildung 1: "Wasserkeil" bei schneller Fahrt des Reifens über nasse Fahrbahnflächen und Abtransport
Die beiden Hauptfaktoren, die das Aquaplaning beeinflussen, sind die
Fahrzeuggeschwindigkeit und die Tiefe des stehenden Wassers auf der Straße. Zudem
spielen das Reifenprofil und die Form der Aufstandsfläche eine Rolle bei der Ableitung von
Wasser aus der Aufstandsfläche und damit bei der Aufrechterhaltung des optimalen Kontaktes
des Reifens mit der Fahrbahnoberfläche. Die Fahrbahnoberfläche wirkt sich ebenfalls auf den
Aquaplaning-Prozess aus.
Aquaplaning wird oft fälschlicherweise als ein binärer Prozess angesehen - entweder greifend
oder schwimmend. Die Realität ist jedoch deutlich komplexer. Wie in Abbildung 2 dargestellt,
ist das Aquaplaning ein fortschreitendes Phänomen, das je nach Wassertiefe auf der Straße
und Fahrzeuggeschwindigkeit die Oberfläche, auf der der Griff arbeiten kann, allmählich
reduziert. Häufig ist auf nassen Straßen in sehr geringem Maße Aquaplaning vorhanden
(partielles Aquaplaning), was die Kontaktfläche reduziert und damit den Reifengriff verringert.
Abbildung 2: Abnahme der Aufstandsfläche bei steigender Geschwindigkeit (Wasser = grün).
Obwohl das Phänomen des Aquaplanings seit etwa 60 Jahren beschrieben wird, sind
wissenschaftliche Einschätzungen zur Häufigkeit von Fahrzeugunfällen durch Aquaplaning
nahezu nicht in der Literatur zu finden, insbesondere in Europa.
Zunehmende Geschwindigkeit
3. Unfalldatenanalyse - Methodik
Um sich diesem Thema zu nähern, wurde eine umfangreiche Unfalldatenanalyse
durchgeführt. In der vorliegenden Studie wurden zwei Datenquellen ausgewertet, um mit einer
maximalen Anzahl von Fällen die relevanten Situationen des Aquaplanings zu erfassen.
Die erste verwendete Datenquelle ist eine so genannte In-Depth Unfalldatenbank (GIDAS),
die 24.577 Personenkraftwagen und für jeden von ihnen relevante Informationen zur
Bestimmung des vollständigen Auftretens von Aquaplaning enthält (z.B. Reifenprofiltiefe,
Anfangsgeschwindigkeit, Regenintensität, Vorhandensein von Spurrillen, etc.). Mit diesen
Parametern sowie Informationen aus dem Fahrerinterview, der Unfallbeschreibung und der
Unfallrekonstruktion ist es möglich, eine objektive Wahrscheinlichkeit zu bewerten, dass der
Unfall durch Aquaplaning verursacht wurde.
Die zweite Datenquelle sind Polizeiberichte des gesamten Bundeslandes Sachsen. Die
Beschreibung der Unfälle ist weniger detailliert, jedoch ist es mit einer entsprechenden
Keyword-Recherche möglich, die Relevanz des Aquaplaning in der Phase der Unfallauslösung
abzuschätzen.
Die Analyse von Personenkraftwagen in der GIDAS-Datenbank war die Haupt-Ergebnisquelle,
da Polizeiberichte nicht in jedem Fall sichere Informationen über Aquaplaning liefern und
dadurch eine Verzerrung möglich ist.
4. Ergebnisse
Untersucht wurden im ersten Schritt Unfälle, welche im Rahmen des Projektes GIDAS erhoben
wurden. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse sind repräsentativ für das Unfallgeschehen in
Deutschland. Basis der Studie sind die GIDAS-Datensätze von 2005-2017 mit 22.783 Pkw,
von denen 5.810 Fahrzeuge bei Unfällen mit bekannter Regenintensität erfasst wurden.
Die Ergebnisse zeigen, dass nur bei etwa 1 (0,15%) von 1.000 Pkw, die an Unfällen mit
Personenschäden beteiligt waren, vollständiges Aquaplaning zum Unfall führte. Das bedeutet
auch, dass bei Nässeunfällen das vollständige Aquaplaning 100-mal seltener auftritt als
"normale" Nassgriff-Situationen (0,6% bzw. 62%), wobei zu berücksichtigen ist, dass ein
partielles Aquaplaning auch in der Nassgriff-Situation existieren kann.
Abbildung 3: Relevanz von Nässeunfällen in Deutschland und Anteil mehrerer Griffsituationen auf
nasser Fahrbahn
Aufgrund der Tatsache, dass Aquaplaning bei einem so geringen Prozentsatz der Unfälle
identifiziert werden konnte, wurden in einem weiteren Schritt die polizeilichen
Dokumentationen des Landes Sachsen ausgewertet. Dabei wurde ein Zeitraum von zwei
Jahren (Juli 2015 bis Juni 2017) mit mehr als 204.000 Unfällen mit Pkw berücksichtigt. Das
Ergebnis ist deckungsgleich mit der GIDAS Auswertung, was die Aussagefähigkeit der Daten
bekräftigt. Mit den Erkenntnissen sind Forscher nun in der Lage, die Anzahl der Unfälle durch
Aquaplaning wissenschaftlich und objektiv zu quantifizieren.
Die aus den Analysen resultierenden Endergebnisse sind in der folgenden Tabelle
zusammengefasst:
Tabelle 1: Ergebniszusammenfassung für Aquaplaning als Grundursache für Unfälle in Deutschland
Datenquelle
Aquaplaning in % der bei
Nässeunfällen beteiligten
Pkw
Aquaplaning in % der bei
allen Unfällen beteiligten
Pkw
GIDAS Datenbank
0.59 %
Sächsischer Polizeireport
0.46 %
ResearchGate has not been able to resolve any citations for this publication.
ResearchGate has not been able to resolve any references for this publication.