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Fundmeldung 'Steinhausen, Erlenweg 5: Sondierung und Aushubüberwachung'

Authors:
  • Pre- and protohistorical archaeology
  • Laboratory for Ancient Wood Research

Abstract

J. Reinhard / G. Schaeren / I. Hajdas / W. H. Schoch, Fundmeldung 'Steinhausen, Erlenweg 5: Sondierung und Aushubüberwachung'. Tugium 35, 2019, 44-46.
44 TUGIUM 35/2019
6216–6074 v. Chr. (2σ-Bereich; kalibriert mit OxCal v4.3.2
und IntCal13; Probennr. ETH-91644). Das Datum fällt in das
tatsächlich von Eichenmischwäldern gekennzeichnete Klima-
optimum des Älteren Atlantikums, die pollenanalytische
Zuordnung ist somit stimmig. Aus heutiger archäo logischer
Sicht liegt dieser Zeitabschnitt jedoch nicht im Frühneolithi-
kum, sondern im zeitlich davor liegenden Spätmesolithikum.
Im Zuge der Durchsicht der Archivunterlagen konnte auch
die publizierte Fundortkoordinate des Hirsch skeletts auf
2675440/1221720 (LV95) korrigiert werden.
GS-Nr. 860.
Ereignisnr. Archäologie: 819.131, 1215, 2312.
Inventarnr. Museum für Urgeschichte(n): 1215-1.
Amt für Denkmalpege und Archäologie: Renata Huber und Jochen
Reinhard.
Kantonales Museum für Urgeschichte(n): Giacomo Pegurri.
14C-Datierung: ETH Zürich (Irka Hajdas).
Literatur: Amt für Denkmalpege und Archäologie, Archiv Josef
Speck, Mappe 819.131 – Josef Speck, Spätglaziale und frühpostglazia-
le Überreste von Grosssäugetieren im Bereich des Reussgletschers
(Kantone Luzern, Schwyz, Zug). Mitteilungen der Naturforschenden
Gesellschaft Luzern 29, 1987, 291–314, besonders 309–310. – Nicole
Reynaud Savioz, À propos dʼun squelette partiel de cerf rouge (Cervus
elaphus) de lʼAtlantique ancien découvert dans le Lac Supérieur de
Fully (Sorniot, commune de Fully, 2135 m alt.). Bulletin Murithienne
134, 2016 (2017), 35–46.
Steinhausen, Erlenweg 5: Sondierung und Aushubüberwachung
Im Herbst 2018 hat im Gewerbegebiet «Sumpf/Turm» im
Süden von Steinhausen die Überbauung einer weiteren bislang
als Grünland genutzten Parzelle begonnen; erstellt werden
soll wiederum ein Bürogebäude. Der Bauperimeter liegt zwi-
schen der Autobahn im Norden, der Zugerstrasse im Osten
(die hier über die Autobahn geführt wird) und dem von der
Sumpfstrasse abzweigenden Erlenweg im Süden. In seiner
direkten Umgebung sind in den letzten Jahren bereits mehre-
re Bauvorhaben archäologisch begleitet worden: So konnten
etwa 2016/17 an der Sumpfstrasse 18, keine hundert Meter
westlich der Parzelle, aus einem frühbronzezeitlichen Verlan-
dungstorf verschiedene bearbeitete wie unbearbeitete Hölzer
geborgen werden. Diese bilden, zusammen mit mehreren
Tausend weiteren Holzfunden von der 1999 entdeckten und
nachfolgend ausgegrabenen Fundstelle «Chollerpark» etwa
200 m südwestlich des aktuellen Bauprojekts, eine bronze-
zeitliche Uferzone des Zugersees ab.
Die aus der Kenntnis der vorausgegangenen Massnahmen
abgeleitete Einschätzung von Stratigrae und Funderwartung
liess sich im Juli 2017 mithilfe von fünf Sondageschnitten
(Abb. 25) vollumfänglich bestätigen: Die in den Sondierun-
gen angetroffene Schichtfolge ist identisch mit derjenigen der
benachbarten Parzellen. Auch am Erlenweg 5 bilden graue,
geschichtete Sande einer Deltaschüttung der Lorze den geo-
logischen Untergrund. Ausweislich einer Serie von 14C-Daten
von der nahen Sumpfstrasse 18 dürfte das Sediment am Ende
der letzten Eiszeit, um 12 000 v. Chr., abgelagert worden sein
(vgl. den Kurzbericht zu «Steinhausen, Sumpfstrasse 18» in
diesem Band). Die Schichten fallen leicht nach Südwesten, in
Richtung der Steinhauser Bucht hin, ein. Der gegenüber der
Sumpfstrasse 18 achere Winkel und das weitgehende Feh-
len von seekreidigen wie schlufgen Schichten und Lagen
aus kleinteiligen botanischen Makroresten deutet darauf hin,
dass sich der Bereich des Erlenwegs im alten Lorzendelta
weiter landeinwärts befand, wo die Strömungsgeschwindig-
keit des Wassers höher und damit der Eintrag der limnischen
Sedimente des Zugersees in das Delta geringer war. Auf den
Deltasanden wächst nach dem Trockenfallen des Areals ein
Verlandungstorf auf, der – wie bereits im Osten der Parzelle
Sumpfstrasse 18 – sehr stark abgebaut ist und streckenweise
Abb. 24 Risch, Rotkreuz, Bahn-
hof, Altfund Hirschskelett. Vo n
dem 1944 am Bahnhof in Rot-
kreuz gefundenen Rothirsch-
skelett sind nur das (schädel-
echte) Geweih mit Teilen der
Schädelknochen erhalten. Der
Fund war trophäenartig als
«Zierde des Museums» am alten
Standort des Museums für Ur-
geschichte (Ägeristrasse 56)
ausgestellt.
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kaum noch torgen Charakter besitzt, sondern eher einem
stark organisch angereicherten Auelehm ähnelt. Eingebettet
in diese Schicht sind vereinzelt Holzreste, die jedoch so
schlecht erhalten sind, dass ihre Form nicht mehr klar an-
sprechbar ist; soweit beurteilbar, handelt es sich um unbear-
beitetes Schwemmholz. Der «Torf» wird wiederum überdeckt
von einem rund 80 cm starken Paket aus Auelehmen – Über-
schwemmungssedimenten der Lorze –, das in der Schicht-
mitte eine deutlich organisch angereicherte Strate aufweist,
die auch an der Sumpfstrasse 18 dokumentiert werden konnte.
Vor allem im unteren Schichtdrittel nden sich vereinzelt
Konzentrationen von offenbar lokal zusammengeschwemm-
ten kleineren Holzkohlen; eine 14C-Datierung einer dieser
Konzentrationen aus der Schichtunterkante des Auelehms in
der Südwestecke der projektierten Baugrube ergab ein Datum
zwischen 1882 und 1701 v. Chr. (ETH-91632; vgl. Abb. 26).
Diese Zeitstellung fällt in die frühe Bronzezeit und ist gut
vereinbar mit den Datierungen von der Sumpfstrasse 18: Hier
datiert der unter den Auelehmen liegende Verlandungstorf
ebenfalls in die Frühbronzezeit, die Sedimentation der Aue-
lehme selbst geschieht also offenbar ohne grosse zeitliche
Lücke. Die Stratigrae gegen oben schliesst der aktuelle, die
Grasnarbe tragende Humus ab, der sich durch eine natürliche
Bodenbildung aus den liegenden Auelehmen entwickelt hat.
Im Zentrum des Bauperimeters wurde in der Seitenwand
von Sondage 5 ein senkrecht in den Deltasanden steckendes
Holz (Abb. 27) gefunden, das sich als schlecht erhaltene, aber
eindeutig spitz zugearbeitete radial gespaltene Bohle erwies,
die auf Höhe des Verlandungstorfs nach Osten umgeknickt
war. Es handelt sich – der heutigen Strassenbezeichnung vor-
greifend – um Erlenholz. An dieser Stelle wies auch die
Stratigrae eine Anomalie auf: Die Schichtfolge ist hier nicht
gestört oder durchschlagen, sondern sackt muldenförmig ab.
Der Grund hierfür ist unklar, möglicherweise handelt es sich
um eine mit den «normalen» Schichten ausgekleidete Fliess-
rinne o. ä. Eine 14C-Datierung des Holzes ergab ein wohl noch
in die frühe Eisenzeit fallendes Alter zwischen 742 und 408 v.
Chr. (ETH-91633; vgl. Abb. 26).
Abb. 25 Steinhausen, Erlenweg 5.
Typische Stratigrafie im Stich-
profil 2 im Osten des Bauperi-
meters. Im mit Grundwasser
volllaufenden Schnitt ist nur
noch die Oberkante der Delta-
sande erkennbar, auf der das
dunkle Band der stark abgebau-
ten Torfschicht aufliegt. Das
Auelehmpaket darüber weist eine
weitere organische Strate auf.
Blick gegen Norden.
Labor-Nr. Material 14C-Alter
(unkalibriert,
vor 1950)
Kalibriertes Alter,
2σ (OxCal v4.3.2,
IntCal13)
ETH-91632 Holzkohle (FK 7) 3476 ± 22 1882–1701 v. Chr.
ETH-91633 Holz (HolzNr. 1/FK 10) 2432 ± 21 742–408 v. Chr.
Abb. 26 Steinhausen, Erlenweg 5. Ergebnisse der 14C-Datierungen an
einer Holzkohle aus der Unterkante des Auelehmpakets und dem einzi-
gen Holz, einer Spaltbohle aus Erle aus Sondage 5.
Abb. 27 Steinhausen, Erlenweg 5. Eisenzeitlicher Erlenholzpfahl aus
Sondage 5 in der Mitte des Bauperimeters in situ. Bei dem nach rechts
laufenden Holz auf Höhe der Torfschicht handelt es sich um eine rezen-
te Wurzel. Blick gegen Ostnordost.
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Bei der archäologischen Begleitung des Baugruben-
aushubs (Abb. 28) konnten trotz sorgfältiger Beobachtung
grösserer Flächen keine weiteren Pfähle mehr gefasst werden.
Alle vertikalen Hölzer erwiesen sich beim Nachgraben als
moderne Wurzeln. Die Funktion des Einzelpfahls im sump-
gen Gelände muss derzeit offenbleiben. Eine eisenzeitliche
bis frühmittelalterliche Nutzung des Seerands und der
Lorzeaue in diesem Gebiet ist allerdings nicht ungewöhnlich:
Immer wieder lassen sich hier einzelne Pfähle und Pfahl-
gruppen oder -reihen feststellen, so z. B. im Chollerpark, wo
sie als Zeugnis der Fischerei interpretiert werden – auch ab-
seits eigentlicher Siedlungen, in vermeintlich «ungünstigen»
Lagen, wird die Landschaft durch die Zeiten intensiv genutzt.
GS-Nr. 1630.
Ereignisnr. Archäologie: 2303.1 und 2303.2.
Amt für Denkmalpege und Archäologie: Jochen Reinhard und Gishan
Schaeren.
14C-Datierungen: ETH Zürich (Irka Hajdas).
Holzartbestimmung: Labor für quartäre Hölzer, Langnau am Albis
(Werner H. Schoch).
Literatur: Beat Eberschweiler, Bronzezeitliches Schwemmgut vom
«Chollerpark» in Steinhausen (Kanton Zug). Basel 2004 (Antiqua 37).
– Jochen Reinhard, Frühbronzezeitliches Holz im Sumpf. Tugium 34,
2018, 16–17. – Jochen Reinhard, Frühbronzezeitliche Hölzer im
«Sumpf». Schweizer BauJournal 5/2018, 33.
Steinhausen, Schlossbergstrasse 8/10 und 12/14: Aushub-
begleitung
In Steinhausen wurden mit den Grundstücken Nr. 1253 und
1254 die letzten Bauparzellen auf der Anhöhe des Schloss-
bergs überbaut. Zusätzlich zu den Bauparzellen wurde an-
grenzend an den Schlossbergweg auf GS-Nr. 1243 eine
Fläche von etwas über 900 m2 abhumusiert, um Platz für ein
Aushubdepot zu schaffen. Da erfahrungsgemäss auch in die-
sem Teil des Schlossbergs mit archäologischen Funden zu
rechnen war, nahm das Amt für Denkmalpege und Archäo-
logie an den geologischen Sondierungen teil, suchte die ab-
humusierten Bauächen nach Funden ab und überwachte im
Anschluss daran den Aushub der Baugruben. Bereits auf der
Nachbarparzelle GS-Nr. 1239 im Osten war man im Winter
2013 während der Überwachung eines Bauprojekts auf reich-
lich Keramik- und Metallfunde gestossen (Ereignis-Nr.
2005). Dieser Fundreichtum setzte sich nun auch auf den
westlich angrenzenden Bauächen, d. h. auf GS-Nr. 1253 und
1254, fort, wobei die Dichte an Funden nach Norden und
Westen hin abnahm. Dies war vor allem bei den Dachziegeln
augenfällig, die deutlich weniger dicht streuten und zudem
stärker fragmentiert waren.
Ein fundleerer Streifen direkt unterhalb des Schlossberg-
weges ist hingegen auf den Bauablauf zurückzuführen. Denn
auf GS-Nr. 1253 deckte der aktuelle Humus in diesem Be-
reich eine steinige Planie mit viel Ziegelabbruch und moder-
nen Backsteinbruchstücken ab, die vom Bagger liegen gelas-
sen und erst mit dem Aushub abgetragen wurde, gleichzeitig
mit der darunterliegenden fundführenden Schicht. Dieses
Vorgehen erschwerte die Suche nach Fundmaterial und führte
zweifellos zu einem Verlust an Funden. Vor allem Metallfun-
de elen im Laufe der Suche in grosser Zahl an. Sie scheinen
den gesamten Zeitraum der letzten 2000 Jahre abzudecken.
Das Nebeneinander von modernen Holzschrauben, Muske-
tenkugeln aus Blei, mittelalterlichen Gürtelbestandteilen und
mehreren römischen Münzen in derselben Schicht belegt,
dass das Gelände unter den Pug genommen worden war und
sich der Oberboden im Laufe der Jahrhunderte durchmischte.
Im Vergleich dazu gehörten sämtliche Geschirrkeramik- und
Glasfunde dem Spätmittelalter oder der Neuzeit an. Unter
dieser Fundschicht trat vor allem am nördlichen Ende der
Abb. 28 Steinhausen, Erlenweg 5.
Hisham Zbair begleitet das Ab-
schälen der Torfschicht im Be-
reich des eisenzeitlichen Pfahles.
Blick gegen Nordosten, im
Hintergrund die Autobahn und
die Überführung der Zuger-
strasse.
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  • Frühbronzezeitliches Holz
  • Sumpf
Jochen Reinhard, Frühbronzezeitliches Holz im Sumpf. Tugium 34, 2018, 16-17. -Jochen Reinhard, Frühbronzezeitliche Hölzer im «Sumpf». Schweizer BauJournal 5/2018, 33.