Content uploaded by Jochen Reinhard
Author content
All content in this area was uploaded by Jochen Reinhard on Oct 21, 2019
Content may be subject to copyright.
47TUGIUM 35/2019
Bauächen eine dunkle steinige Erdschicht auf, die einige
prähistorische Keramikscherben in sich barg. Die Schicht
wies am Fuss des abfallenden Geländes ihre grösste Mächtig-
keit auf und dünnte hangaufwärts aus. Eigentliche Siedlungs-
strukturen kamen aber auch hier nicht zum Vorschein.
GS-Nr. 1253, 1254, 1243.
Ereignisnr. Archäologie: 2279.
Amt für Denkmalpege und Archäologie: Kilian Weber und Gishan
Schaeren.
Steinhausen, Sumpfstrasse 18: 14C-Datierungen und Holz-
artenbestimmung
Das Bauprojekt an der Sumpfstrasse 18 in Steinhausen wurde
bereits im Tugium 34/2018 auf den Seiten 16–17 ausführlich
vorgestellt, der Fokus lag dabei auf dem oberen Teil der
Stratigrae. Dieser besteht aus einem frühbronzezeitlichen
Verlandungstorf mit darin eingelagerten bearbeiteten wie
unbearbeiteten Hölzern, darüber liegen jüngere Auelehme.
Herausragender Fund ist das Heckbrett eines Einbaums aus
der Zeit um 1950 v. Chr.
Inzwischen liegen auch für den unteren Teil der Stratigra-
e 14C-Datierungen vor. Diese besteht aus einem mächtigen,
aus hellgrauen Sanden gebildeten Schichtpaket, dessen
Unterkante unter die Baugrubensohle reicht (Abb. 29). Es
handelt sich um das Deltaschüttungssediment eines alten
Lorze laufs, der hier – bei deutlich höherem Seespiegel als
heute – in den prähistorischen Zugersee mündete und ein
Flussdelta bildete. Durch den abrupten Abfall der Strömungs-
geschwindigkeit beim Einmünden des Fliesswassers in das
Stillwasser des Sees fallen die Sedimente in der Flussfracht
aus und lagern sich fein geschichtet auf dem geneigten See-
grund ab. Demzufolge fallen auch die Schichten in der
Sumpfstrasse 18 als sogenannte foreset beds steil nach Süd-
westen, gegen den alten See hin, ein. Nur vereinzelt sind in
den Sanden auch schlufg-seekreidige, von grösserem See-
einuss zeugende Straten eingeschaltet, deutlich häuger
sind millimeterdünne Lagen aus kleinteiligen botanischen
Makroresten. Aus diesen wurden zahlreiche Proben entnom-
men, von denen bislang fünf im Vorgriff auf ein internes Pro-
jekt zu Genese und Geschichte des Lorzedeltas 14C-datiert
werden konnten (Abb. 30). Alle fünf Proben stammen aus dem
südwestlichen Viertel des Bauperimeters, vier der Proben
(ETH-93759 bis ETH-93762) aus nur 70 cm Schichthöhe aus
Stichprol 15 (Abb. 31). Mit der kleinräumig hohen Proben-
dichte sollten Hinweise auf die Sedimentationsgeschwindig-
keit im Delta gewonnen werden. Übereinstimmend zeigen
alle der datierten Proben ein sehr einheitliches Alter: Die
Datierungsspannen der vier Proben aus Stichprol 15 über-
lappen sich dabei sogar so stark, dass sie statistisch nicht aus-
einanderzuhalten sind – ein Hinweis auf eine sehr schnelle
Ablagerung der Deltasande. Das fünfte Datum (ETH-91642)
ist erwartungsgemäss etwas jünger, es stammt aus auch
stratigrasch jüngeren, weiter südwestlich gelegenen Schicht-
teilen der Deltasande. Insgesamt sind die Daten deutlich älter
als der frühbronzezeitliche, «nur» knapp 4000-jährige Torf.
Sie fallen in den Zeitraum zwischen 12 167 und 10 977 v. Chr.
und stellen die Deltasedimente damit in die ausgehende letzte
Eiszeit, ins entwickelte Bølling und ins Allerød. Zwischen
Deltasand und Verlandungstorf klafft also eine 7500 Jahre
lange Schichtlücke.
Aus den Deltasedimenten konnten während der Aushub-
begleitung insgesamt sieben unbearbeitete Hölzer geborgen
werden; es handelt sich um drei Erlen, eine Pappel, eine
Esche und eine Birke sowie ein bislang nicht bestimmtes
weiteres Holz. Bei keinem der Hölzer ergaben sich Hinweise
darauf, dass es sich um Wurzelholz handeln könnte. Aus der
Abb. 29 Steinhausen, Sumpf-
strasse 18. Nordwestecke der
Baugrube. Unter Auelehmpaket
und frühbronzezeitlichem Ver-
landungstorf sind die massiven,
schräg gegen Südwesten einfal-
lenden Deltasedimente aufge-
schlossen. Blick gegen Nordwes-
ten, hinter dem orangen Absperr -
zaun führt die Autobahn nördlich
am Bauperimeter vorbei.
48 TUGIUM 35/2019
Holzartenbestimmung ergibt sich eine deutliche Diskrepanz
zu den Makrorest-14C-Datierungen: Mit Ausnahme der Birke
fehlen alle genannten Holzarten im Spätglazial, sie wandern
erst im Holozän wieder ins Zugerland ein. Die 14C-Datierung
an einer der Erlen, geborgen ganz im Norden des Bauareals,
keine 5 m von der Autobahn entfernt, bestätigt diese Diskre-
panz: Das 14C-Datum fällt in die Eisenzeit und ist damit sogar
jünger als die die Deltasande überdeckende Torfschicht; es
muss sich somit um einen jüngeren Eintrag handeln. Für die
Masse der Hölzer lässt sich Ähnliches wahrscheinlich ma-
chen – zum Teil durchstossen sie den Torf, teilweise sind
auch Spültrichter erhalten. Lediglich bei den beiden liegend
in der Schichtstruktur einsedimentierten Hölzern, der Birke
und dem unbestimmten Holz, ist eine ungestörte Lage und
somit eine späteiszeitliche Zeitstellung zu vermuten.
GS-Nr. 974.
Ereignisnr. Archäologie: 2209.02.
Amt für Denkmalpege und Archäologie: Jochen Reinhard und Gishan
Schaeren.
14C-Datierungen: ETH Zürich (Irka Hajdas).
Holzartenbestimmung: Labor für quartäre Hölzer, Langnau am Albis
(Werner H. Schoch).
Literatur: Jochen Reinhard, Frühbronzezeitliche Hölzer im Sumpf.
Schweizer Baujournal 83/5, 2018, 33. – Jochen Reinhard, Renata Huber,
Dorothée Drucker und Werner Müller, Von Irrtümern, Übersehenem
und moderner Analytik. Neue Erkenntnisse zu den spätglazialen Elch-
knochen von Zug-Gartenstadt. Tugium 35, 2019, 129−138. – Michael
Wehrli, Umwelt und Mensch im Zuger Berggebiet seit dem Abschmel-
zen des Gletschereises vor 17 000 Jahren. Ergebnisse pollenanalytischer
Untersuchungen im Egelsee bei Menzingen. Tugium 21, 2005, 97–113.
– JbAS 101, 2018, 251. – Tugium 34, 2018, 16–17.
Unterägeri, Zugerstrasse 13, ehemaliges Hotel Post:
14C-Datierungen und Hinweise zum Spiegel des Ägerisees
Bei Aushubarbeiten an der Zugerstrasse 13 in Unterägeri
wurden im August 1994 in unmittelbarer Nähe der Lorze in
der Nordostecke der Baugrube zwei Torfschichten entdeckt
und dokumentiert, von denen die obere unbearbeitete liegen-
de Hölzer enthielt (Abb. 32). Im südwestlichen Bereich der
Baugrube wurde eine Bachverbauung, bestehend aus einer
Pfahlreihe und dahinter gelegten Rundhölzern, festgestellt
(Abb. 33). Weil datierendes Fundmaterial fehlte, wurde eine
dendrochronologische Analyse an acht der geborgenen
Hölzer vorgenommen. Da keine lokalen Mittelkurven ge-
bildet werden konnten, schlug das Labor einige unsichere
dendrochronologische Korrelationsmöglichkeiten von Einzel-
hölzern vor. Im Bericht wurden damals die einzelnen Korre-
lationen mit Standardkurven als B-Datierungen ausgewiesen,
was nach heutigem Standard nicht mehr nachvollzogen wer-
den kann. Eine dieser Korrelationsmöglichkeiten mit mög-
lichem Endjahr im 8. Jahrhundert v. Chr. wurde damals im
Tugium und in der lokalen Presse als Datierung der liegenden
Hölzer (aus der oberen Torfschicht) publiziert, die Bach-
verbauung wurde als stratigrasch jünger bezeichnet. Zwei
konventionelle 14C-Datierungen (B-6372 und B-6373, Abb. 34)
wurden bereits 1996 an dem hallstattzeitlich vermuteten
Holz, einer Rottanne mit 99 Jahrringen, unternommen. Da
die Resultate mit Ende 5./Anfang 4. Jahrtausend v. Chr. über-
raschend alt waren, wollte man zunächst weitere Abklärun-
gen treffen, was jedoch aufgrund anderer Projekte in den
Hintergrund rückte. Im Rahmen der Sichtung sämtlicher
archäologischer Fundstellen des Kantons Zug im Jahr 2012
wurde dasselbe Holz bzw. dessen Jahrringe 95−99 sowie
einer der Pfähle der Bachverbauung, ebenfalls eine Rottanne,
die insgesamt 38 Jahrringe aufweist, für erneute, jetzt in der
genaueren AMS-Technik mögliche 14C-Analysen beprobt
(ETH-45205 und ETH-45206, vgl. Abb. 34). Diese ergaben
für das liegende Holz wiederum eine Datierung in den Zeit-
raum um 4000 v. Chr., für den Pfahl der Bachverbauung
jedoch ein Datum aus der römischen Epoche. Der vermutete
dendrochronologische Datierungsansatz dürfte damit un-
zutreffend sein.
Abb. 30 Steinhausen, Sumpfstrasse 18. Ergebnisse der 14C-Datierun-
gen aus den basalen Deltaschüttungssedimenten. Die Makrorestproben
sind in ihrer stratigrafischen Abfolge sortiert. Mittig die vier klein-
räumig entnommenen Proben aus Stichprofil 15 (vgl. Abbildung 31).
Labor-Nr. Material 14C-Alter
(unkalibriert,
vor 1950)
Kalibriertes
Alter, 2σ
(OxCal v4.3.2)
ETH-91642 Botanische Makroreste
(FK 112)
11 128 ± 25 BP 11 140–10 977
v. Chr.
ETH-93759 Botanische Makroreste
(FK 77)
12 088 ± 35 BP 12 136–11 838
v. Chr.
ETH-93760 Botanische Makroreste
(FK 79)
12 074 ± 33 BP 12 112–11 830
v. Chr.
ETH-93761 Botanische Makroreste
(FK 80)
12 113 ± 32 BP 12 167–11 178
v. Chr.
ETH-93762 Botanische Makroreste
(FK 82)
12 097 ± 33 BP 12 151–11 856
v. Chr.
ETH-95143 Holz (HolzNr. 2/FK 113) 2196 ± 22 BP 360–196 v. Chr.
Abb. 31 Steinhausen, Sumpfstrasse 18. Stichprofil 15 in einem zu-
nächst stehen gebliebenen Sedimentblock im Südwesten des Bauperi-
meters mit den bereits verpackten 14C-Proben, die datierten Proben
sind markiert. Die weissen Kistchen daneben sind zusätzliche Proben
für Sedimentanalysen, ein Sonnenschirm schützt gegen vereinzelte
Schneeflocken. Blick gegen Nordwesten.