Content uploaded by Jochen Reinhard
Author content
All content in this area was uploaded by Jochen Reinhard on Oct 21, 2019
Content may be subject to copyright.
56 TUGIUM 35/2019
(Eisenzeit) datiert werden (vgl. Abb. 42). Weitere im Boden
steckende oder liegend in den torgen Schichten aufgefun-
dene Hölzer liessen sich keinem konstruktiven Gefüge zu-
ordnen.
Das völlige Ausbleiben von archäologischen Funden wie
Keramik, Knochen, Hitzesteinen usw. und von Hinweisen auf
Siedlungsstrukturen deutet an, dass das Gelände im Bereich
des Schulhauses Riedmatt in prähistorischer Zeit vom Men-
schen wohl nicht dauerhaft und wohl eher nur für bestimmte
Tätigkeiten (wohl Jagd oder Fischerei) aufgesucht worden
war. Neben der Klärung zu Fragen rund um die Besiedlung
der Riedmatt bot sich in den Baugrubenprolen − indem
weitere Proben für 14C-Datierungen, Pollenanalyse, Mikro-
morphologie und Archäobotanik entnommen wurden − aber
auch die Gelegenheit, weitere Informationen zum Aussehen
der Landschaft in prähistorischer Zeit zu sammeln (Abb. 43).
GS-Nr. 96.
Ereignisnr. Archäologie: 2225.2.
Amt für Denkmalpege und Archäologie: Kilian Weber und Gishan
Schaeren.
Zug, Schützenmatt, Seewasserzentrale: Aushubbegleitung
Östlich anschliessend an den 2017 im Rahmen des Projekts
«Circulago» erstellten Zielschacht für die Rohrleitungen von
Stadtentwässerung und Seewasserfassung (vgl. Tugium 34,
2018, 48–50) wurde im Frühjahr und Sommer 2018 die rund
575 m2 grosse Baugrube für die eigentliche «Seewasserüber-
gabestation» ausgebaggert (Abb. 44). Ihre Aushubsohle liegt
auf einer Höhenkote von 406.60 m ü. M. und damit wiederum
rund 7 m unter dem heutigen Wasserspiegel des Zugersees.
Die ersten 2 m der Stratigrae bestanden − wie aus den
umgebenden Aufschlüssen bekannt − aus modernen, stark
bauschuttdurchsetzten Auffüllungen. Darunter, auf knapp
413 m ü. M. und somit etwas mehr als 50 cm unter dem
heutigen Wasserspiegel, liessen sich die Reste eines Funda-
ments fassen. Das kalkvermörtelte Bruchsteinmauerwerk aus
grünlich-grauem Sandstein war aussen verputzt und nur noch
seeseitig erhalten, landseitig war es bereits vollständig ausge-
brochen. Das Fundament zeichnet ein 7,7 m breites Gebäude
südlich des Schützenhauses nach, das auf zahlreichen alten
Karten, Plänen, Fotograen und Stadtansichten des aus-
gehenden 19. Jahrhunderts abgebildet ist (Abb. 45). Es handelt
sich um das Wohnhaus einer hier 1637 durch den Tisch-
macher Jakob Weber gegründeten Sägerei, die sich später unter
anderem auch im Besitz der Familie Kloter, Betreiber einer
Ziegelei ganz in der Nähe, befand; die «Säge» nutzte das
Wasser des kanalisierten Aabachs zum Antrieb eines unter-
schlächtigen Wasserrads. Ebenfalls zum Sägerei-Gebäude-
komplex dürfte der 2017 erfasste, im Tugium 34/2018 vor-
sichtig als Aabach-Uferverbauung gedeutete Mauerzug
gehören, der ausweislich alter Planaufnahmen exakt auf der
Flucht der Westwand des eigentlichen Sägereigebäudes ver-
läuft. Der heute nach Westen verlegte und verrohrte Aabach
oss dabei direkt westlich des Wohnhauses durch den Ge-
bäudekomplex hindurch, von diesem Aabachkanal haben
sich jedoch keine Spuren erhalten. Abgebrochen wurden die
Sägereigebäude des jetzt als «Sägerei Spillmann» bekannten,
zu diesem Zeitpunkt bereits an einen neuen Standort zwischen
Zug und Baar verlegten Betriebs um 1950, als das Gelände
im Zuge des Baus der heute noch bestehenden Schützenmatt-
Turnhalle weiträumig umgestaltet wurde; aus dieser Zeit
dürften auch die oben genannten Auffüllschichten über den
Fundamentresten stammen.
Unter dem Fundament folgen etwas mehr als halbmeter-
dick heterogene, stark steindurchsetzte neuzeitliche Auffüll-
schichten, die wiederum Bauschutt (Ziegel, Mörtelreste) und
sonstiges neuzeitliches Fundgut, vor allem Keramik der ers-
ten Hälfte des 19. Jahrhunderts, enthalten. Landseitig liegen
sie auf einem Gitterrost aus verkämmten Nadelhölzern auf
und füllen, zusammen mit groben Bruchsteinen, die Zwi-
schenräume zwischen den Balken aus (Abb. 46); wobei der
bzw. ein Zusammenhang zwischen Holzrost und dem oben
beschriebenen Fundament nicht geklärt werden konnte. See-
seitig ziehen die Auffüllschichten auch unter den Holzrost,
der waagerecht auf etwas über 412 m ü. M. über dem schräg
in den See abfallenden Seegrund errichtet worden ist. Wenig
sorgfältig und meist ohne erkennbaren konstruktiven Zusam-
menhang sind hier zahlreiche kleinere Pfähle und angespitzte
Bretter eingeschlagen, teilweise sind auch Hölzer liegend
verbaut. Es scheint sich um den Versuch zu handeln, während
der Errichtung des Holzrostes und der anschliessenden Ein-
bringung der Auffüllschichten im Flachwasser das aufge-
schüttete Material zu stabilisieren, damit es nicht in den See
rutschen kann; nicht auszuschliessen ist im Einzelfall auch
eine Zugehörigkeit zu älteren, von der Baumassnahme über-
schütteten Holzkonstruktionen. Gesichert wird der Holzrost
mit vertikalen und leicht schräggestellten Nadelholzpfählen
unterschiedlicher Länge (Abb. 47), wobei Verbindungen zwi-
schen den horizontalen Balken und der Pfählung aufgrund
Abb. 43 Zug, Riedmatt 41, Schulhaus Riedmatt. Westliche Bau-
grubenböschung mit angeschnittenem Bachlauf (Pos. 209).
57TUGIUM 35/2019
des Bauablaufs nicht eindeutig beobachtet werden konnten.
Die Konstruktionsweise des gepfählten Balkenrosts gleicht
derjenigen der «Konstruktions-Prole der Quai-Anlage»: In
den 1880er Jahren wird, ausgehend von der Aabachmündung,
mit dem Bau einer Ufermauer begonnen, die auch heute noch
das Seeufer in diesem Bereich bildet; der Bau eben dieses
Quais führte im Bereich der heutigen Katastrophenbucht zur
«Vorstadtkatastrophe», dem grossen Uferabbruch vom 5. Juli
1887. Trotz vergleichbarer Konstruktionsweise kann es sich
beim erfassten Holzrost nicht um die rückwärtige Konstruktion
der Quaimauer handeln – der Holzrost ist auch unter den
sicher 1875 (vgl. Abb. 45) bereits bestehenden Sägereigebäu-
den vorhanden. Vermutlich handelt es sich um eine Substruk-
tion zur Befestigung des Geländes für den Bau der Sägerei-
gebäude selbst; die Frage nach der Konstruktion einer
etwaigen rückwärtigen Quaimauer-Stabilisierung an dieser
Stelle muss derzeit offenbleiben.
Unter dem Holzrost sind in Resten die bereits im westlich
angrenzenden Zielschacht und in den Erkundungsbohrungen
auf der Schützenmattwiese dokumentierten, stark mit Ziegel-
fehlbränden der Ziegelei Kloter durchsetzten Schwemm-
sande erhalten; diese werden vom Einbau des Holzrosts
gross ächig gekappt oder ausgeräumt (vgl. Abb. 46). Im be-
nachbarten Zielschacht stammt aus diesen Sanden ein die
Jahreszahl «1645» tragendes Dachziegelfragment; der Ein-
bau des Holzrosts (und damit der Bau des Wohnhauses der
Abb. 44 Zug, Schützenmatt.
Gespundete und massiv ver-
spriesste Baugrube, Blick von
Osten. Der Bagger steht auf der
2018 ausgehobenen und tempo-
rär wieder verfüllten Baugrube
des Zielschachts, die Bagger-
matratzen aus Baumstämmen
liegen in der Baugrube der See-
wasserzentrale. Im See, vor der
Quaimauer, die Spundwand des
Seeauslasses, rechts unten die
Turnhalle Schützenmatt.
Abb. 45 Zug, Schützenmatt.
Gebäudekomplex der Sägerei
Spillmann, Fotografie, datiert
1875. Der Bau der Quaimauer
hat noch nicht begonnen, vor
dem Gebäude befindet sich noch
ein «Trämelfang» für die zur
Sägerei geflössten Baumstämme.
Die Bäume im Hintergrund links
zeichnen das Siehbachdelta
nach, das rechts der Sägerei
angeschnittene niedrige Dach ist
der Schiessstand des nicht mehr
abgebildeten Schützenhauses.
58 TUGIUM 35/2019
Sägerei) muss also später erfolgt sein, nicht bereits 1637, als
Jakob Weber vom Stadtrat die Erlaubnis für den Bau seiner
Säge bekommen hat. Dies steht im Einklang mit einer ersten
vorsichtigen Datierung der Keramik aus den Auffüllschichten
über dem Holzrost in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Für eine abschliessende Klärung der Bauabfolge wird aber
die dendrochronologische Datierung der Bauhölzer abzu-
warten sein.
Im Liegenden folgt schliesslich ein mächtiges Schicht-
paket aus sandigen und muddigen, schlufg-organischen
Schichten, die steil gegen Südwesten einfallen (vgl. Abb. 46).
Es handelt sich um die bereits bekannten Deltaschüttungen
des Aabachs, die mit zunehmender Tiefe einen deutlich grös-
seren organischen Anteil aufweisen sowie feinkörniger
werden und damit eher Seeboden- denn Deltacharakter an-
nehmen. In diese Schichten eingelagert sind immer wieder
bearbeitete Hölzer, bei denen es sich offenbar auch hier über-
wiegend um Werkabfälle der Holzbearbeitung handelt. Wie
aufgrund des steilen Schichteinfalls zu erwarten ist, reicht die
Zeitstellung dieses Schichtpakets weiter zurück als im Ziel-
schacht weiter westlich; ein 14C-Datum (ETH-90376, FK
119, 1888 ± 23 BP, 62–212 n. Chr., 2σ [OxCal v4.3.2, IntCal
13]) an einer Haselnuss erbrachte ein in die römische Zeit
fallendes Datum. Die Nuss wurde knapp über der Baugruben-
sohle auf 406.78 m ü. M. und damit mehr als 6,5 m unter dem
heutigen Seespiegel aus den muddigen Seebodensedimenten
geborgen.
GS-Nr. 205.
Ereignisnr. Archäologie: 2241.3.
Amt für Denkmalpege und Archäologie: Jochen Reinhard, Kilian We-
ber und Gishan Schaeren.
14C-Datierung: ETH Zürich (Irka Hajdas).
Literatur: Viktor Luthiger, Alte Häuser und ihre Besitzer in Zug. ZKal.
93, 1948, 35–41, besonders 37–38. – Jochen Reinhard und Stefanie
Steiner-Osimitz, Unverhofft kommt oft. Wiederentdeckung der ehema-
ligen Ziegelei auf der Schützenmatt in Zug. 33. Bericht der Stiftung
Ziegelei-Museum 2016, 51–62. – Hans Spillmann, Sägerei Spillmann.
Heimatbuch Baar 1960, 16–19. – Werner Spillmann, Die gute alte Zeit.
Bilder vom alten Zug. Zug 1988, besonders 86. – Stadt Zug (Hg.), Die
Zuger Vorstadt. Gedenkschrift zum 100. Jahrestag der Vorstadtkatastro-
phe vom 5. Juli 1887. Zug 1987, besonders 22–23, 36, 40 und 46–47. –
Tugium 32, 2016, 74–76; 34, 2018, 48–50 – JbAS 101, 2018, 251 –
ZNbl. 1987, 5–65.
Zug, St. Verena, Kapelle St. Verena: Aussenrenovation
Seit Jahrhunderten führt der Pilgerweg von Zug nach Ein-
siedeln an der Kapelle St. Verena vorbei, die oberhalb von
Zug unweit des Waldstücks Chämistal steht. Als Ersatz für
einen kleineren Vorgängerbau wurde die Kapelle im Auftrag
von Spitalvogt Bartholomäus Brandenberg 1704/05 errichtet,
vermutlich nach den Plänen des renommierten Klosterbau-
meisters Caspar Moosbrugger aus Einsiedeln. Über kreuz-
förmigem Grundriss, mit Kuppel und Laterne ausgestattet,
entstand ein Zentralbau, der im frühen 18. Jahrhundert in Zug
einzigartig war und nicht nur von Pilgern, sondern auch von
Zuger Kirchgängern rege besucht wurde. Bis heute wird der
seit 1709 in der Kapelle aufbewahrten Reliquie der heiligen
Verena gehuldigt, wovon zahlreiche Votivbilder zeugen. Es
überrascht daher nicht, dass die Kapelle auf vorbildliche Art
und Weise regelmässig unterhalten und restauriert wird.
2017 entschied sich die Kirchgemeinde, die Laterne über
der Kuppel und den Dachreiter instand setzen zu lassen. Dies
nicht zum ersten Mal: Die beiden der Witterung stark ausge-
setzten Aufbauten mussten im Laufe der Jahrhunderte immer
Abb. 47 Zug, Schützenmatt. Beim Aushub werden grosse Mengen von
Hölzern – Balken wie Pfähle – ausgebaggert, die wohl zur Fundamen-
tierung für die Sägereigebäude gehören.
Abb. 46 Zug, Schützenmatt. Stichprofil 3 auf Höhe eines Holzrosts,
der wohl der Fundamentierung der Sägereigebäude zuzurechnen ist;
angeschnitten ist einer der rechtwinklig auf das Seeufer zulaufenden
Balken. Darüber liegen zunächst neuzeitliche Aufschüttungen (die
modernen Auffüllschichten sind bereits abgetragen), darunter ein Rest
der mit Ziegelfehlbränden durchsetzten Sande. Gegen unten folgen
wechselgelagert Deltasande und muddeartige organische Schichten.
Blick gegen Nordost, im Hintergrund die Turnhalle Schützenmatt.