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Originalarbeit
Präv Gesundheitsf 2020 · 15:1–7
https://doi.org/10.1007/s11553-019-00740-5
Eingegangen: 21. Juni 2019
Angenommen: 16. September 2019
Online publiziert: 1. Oktober 2019
© Springer-Verlag GmbH Germany, part of
Springer Nature 2019
Olga Kulikova1· Thomas Hering
1Universität Witten/Herdecke,Witten, Deutschland
Zusammenhang zwischen
muskuloskelettalen
Beschwerden,
Gratifikationskrisen, sozialen
Ressourcen und der subjektiven
Gesundheit von Studierenden
Hintergrund
Subjektive Gesundheit und Stress
Die Selbsteinschätzung des eigenen Ge-
sundheitszustands wird international
zur Erfassung der subjektiven Gesund-
heit in Bevölkerungsstudien verwendet.
DiesubjektiveGesundheitbildetdie
persönlichen und sozialen Dimensio-
nen des eigenen Befindens ab. Nicht
zuletzt entscheidet der selbst wahrge-
nommene Gesundheitszustand über die
aktive Teilhabe am gesellschalichen
Leben [19]. Forschungsergebnisse deu-
ten auch darauf hin, dass die subjektive
Gesundheit meist mit dem objektiven
Gesundheitsstatus korreliert [29].
Die psychologische Belastung der
Studierenden ist angesichts anspruchs-
voller Lehrpläne, eines intensiven und
zeitaufwendigen Arbeitspensums, hoher
intellektueller und emotionaler Anfor-
derungen sowie mangelnder Freizeit und
Erholung, insbesondere bei Medizinstu-
denten und Studenten der erapiebe-
rufe, weit verbreitet. Das Team aus der
Schweiz von Crawford et al.[3] hat 2018
selbstberichtete Kreuzschmerzen und
Nackenschmerzen von Studenten der
Gesundheitsberufe (im Abschlussjahr,
n= 1848) mit der allgemeinen Schweizer
Bevölkerungvon≥15 Jahren (n= 21.597)
verglichen. Die 4-wöchige Gesamtpräva-
lenz (Mittelwert [95%-Konfidenzinter-
vall (-KI)]) von Kreuzschmerzen lag bei
61,0 % (58,4–63,5) bei Studierenden und
bei 40,0 % (39,2–40,9) in der Schweizer
Bevölkerung. Die 4-wöchige Gesamt-
prävalenz von Nackenschmerzen war
bei Studierenden bei 59,8% (57,2–62,3)
und in der Schweizer Bevölkerung bei
36,4% (35,6–37,3). Die Hebammen wa-
ren am anfälligsten für die Meldung
beider Erkrankungen.
Die Identifizierung von belastenden
Komponenten indiesem komplexen psy-
chosozialen Umfeld ist nicht nur wis-
senschalich, sondern auch für die Ent-
wicklung von Präventionsstrategien ent-
scheidend [28]. Während soziale Res-
sourcen salutogene (fördernde und er-
haltende Aspekte der Gesundheit) dar-
stellen, gehören die MSB und Stress zu
den pathogenen (krankheitserregenden)
Aspekten.
Belastende und stressreiche Lebenssi-
tuationen von Studierenden können sich
im Zuge von Somatisierungsprozessen in
unterschiedlichen physischen Beschwer-
den äußern, wie etwa die Entstehung ei-
nes Reizdarmsyndroms [9]. Hohe Belas-
tungen und Leistungsdruck im Studium,
finanzielle Probleme und die Planung
eines eigenständigen Lebens weit von
dem Elternhaus stellen nur einen klei-
nen Ausschnitt der Herausforderungen
dieses Lebensabschnitts dar [12]. Daher
überrascht es nicht, dass sich eine Viel-
zahl somatischer Beschwerden bei Stu-
dierendenentwickelt.Sozeigenbeispiels-
weise Medizinstudierende verglichen mit
Personen ihrer Altersgruppe, die nicht
studieren,höhere Belastungendurchkör-
perliche Beschwerden [10].
Stress- und Gesundheitsmodelle
Laut dem transaktionalen Stressmodell
von Lazarus wirkt nicht jeder Stress ge-
sundheitsschädigend [15]. Ein Stress ent-
steht nur dann, wenn die Anforderungen
von der Person als bedrohlich bzw. aver-
sivbewertet werden, und diesePersondie
zur Verfügung stehenden Bewältigungs-
möglichkeiten als zu gering erachtet, um
diese Anforderungen erfüllen oder die
Bedrohung bewältigen zu können [15].
Erst die Bewertung einer Anforderung
als aversiv macht diese zum Stressor bzw.
zum stressauslösenden Faktor.
Der Stress kann im Körper zu MSB
führen [4]. Viele Studien untersuchten
die Einflussfaktoren für das Aureten
von MSB [11,13,16]. Es wird daraus
ersichtlich, dass eine Vielzahl von physi-
schen und psychosozialen Gegebenhei-
ten als mögliche Auslöser festgehalten
wird. Die MSB können entweder alleine
oder in Verbindung mit den Gratifikati-
onskrisen zu der schlechteren Einschät-
zung der subjektiven G esundheit führen.
Das Modell der Gratifikationskri-
sen von Siegrist postuliert als zentrale
Annahme, dass ein chronisches Un-
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