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Ökologische und ökonomische Bewertung des Ressourcenaufwands – Additive Fertigungsverfahren in der industriellen Produktion

Authors:

Abstract and Figures

Additive Verfahren als Schlüsseltechnologie der Digitalisierung gelten als schneller und kostengünstiger. Unter anderem, weil weniger Ausschuss produziert wird und bei der Herstellung weniger Abfall anfällt. Anhand eines konkreten Fallbeispiels wird in der Studie der Ressourcenverbrauch eines additiven Fertigungsverfahrens mit einem konventionellen Fertigungsverfahren verglichen.
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Ökologische und ökonomische Bewertung
des Ressourcenaufwands
Additive Fertigungsverfahren
in der industriellen Produktion
September 2019
Studie: Ökologische und ökonomische Bewertung des Ressourcenaufwands - Additive
Fertigungsverfahren in der industriellen Produktion
Autorinnen und Autoren:
Marius Bierdel, Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut, EMI
Aron Pfaff, Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut, EMI
Dr. Sebastian Kilchert, Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut, EMI
Dr. Andreas R. Köhler, Öko-Institut e.V. – Institut für angewandte Ökologie
Yifaat Baron, Öko-Institut e.V. – Institut für angewandte Ökologie
Dr.-Ing. Winfried Bulach, Öko-Institut e.V. – Institut für angewandte Ökologie
Fachliche Ansprechpartnerin:
Dr.-Ing. Ulrike Lange, VDI Zentrum Ressourceneffizienz GmbH
Wir danken Herrn Dr. André Bergmann vom Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und
Konstruktionstechnik für seine fachliche Unterstützung.
Die Studie wurde im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative des Bundesministeriums für
Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit erstellt.
Redaktion:
VDI Zentrum Ressourceneffizienz GmbH (VDI ZRE)
Bertolt-Brecht-Platz 3
10117 Berlin
Tel. +49 30-27 59 506-0
Fax +49 30-27 59 506-30
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Titelbild: © moreno.soppelsa/panthermedia.net
VDI ZRE Publikationen:
Studien
Ökologische und ökonomische Bewertung
des Ressourcenaufwands
Additive Fertigungsverfahren in der
industriellen Produktion
INHALTSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS 5
TABELLENVERZEICHNIS 7
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS 9
KURZFASSUNG 12
1 EINLEITUNG 18
2 ZIEL DER STUDIE 20
3 GRUNDLAGEN UND STAND DER TECHNIK 23
3.1 Klassifizierung additiver Fertigungsverfahren 23
3.1.1 Powder Bed Fusion (PBF) 25
3.1.2 Directed Energy Deposition (DED) 30
3.1.3 Material Extrusion 32
3.1.4 Binder Jetting 34
3.1.5 Sheet Lamination 36
3.1.6 Zusammenfassung 37
3.2 Produktentwicklungsprozesse und computergestützte
Strukturoptimierung von 3D-Bauteilen 38
4 FESTLEGUNG VON TECHNOLOGIEN, FUNKTIONELLER EINHEIT
UND SACHBILANZ 43
4.1 Festlegung eines Anwendungsfalls für den Einsatz additiver
Fertigungsverfahren in KMU 43
4.2 Festlegung des Referenzbauteils für die Bewertung 47
4.2.1 Charakteristika und technische Randbedingungen für
die additive Fertigung des Referenzbauteils 47
4.2.2 Strukturoptimierung des additiv zu fertigenden
Referenzbauteils 49
4.3 Auswahl der additiven und konventionellen Fertigungsverfahren 54
4.3.1 Auswahl des additiven Fertigungsverfahrens 54
4.3.2 Auswahl des konventionellen Fertigungsverfahrens 61
4.4 Festlegung der funktionellen Einheit und der Systemgrenze 62
4.4.1 Festlegung der funktionellen Einheit 62
4.4.2 Festlegung der Systemgrenze 64
4.5 Datenerhebung für die additive Fertigung des
strukturoptimierten Bauteils 67
4.5.1 Experimentell ermittelter Ressourcenbedarf 67
4.5.2 Material- und Energiebedarf für ein optimiertes
Anlagensetup 73
4.6 Quantifizierung der Sachbilanz 75
5 ERGEBNISSE DER ÖKOLOGISCHEN UND ÖKONOMISCHEN
BEWERTUNG 77
5.1 Ergebnisse der ökologischen Bewertung 77
5.1.1 Kumulierter Energieaufwand 77
5.1.2 Kumulierter Rohstoffaufwand 78
5.1.3 Wasserverbrauch 80
5.1.4 Flächeninanspruchnahme 81
5.1.5 Treibhausgaspotenzial 83
5.2 Bewertung der Rohstoffkritikalität 84
5.3 Ergebnisse der ökonomischen Bewertung 86
5.3.1 Investitionskosten der Herstellung 86
5.3.2 Betriebskosten der Herstellung 89
5.3.3 Kosten in der Nutzungsphase 90
5.3.4 Entsorgungskosten 90
5.3.5 Gesamtbewertung der Lebenszykluskosten 91
5.4 Sensitivitätsanalyse 92
5.4.1 Geänderte Parameter für die Sensitivitätsanalyse 92
5.4.2 Ergebnisse der ökologischen Sensitivitätsanalyse 94
5.4.3 Ergebnisse der ökonomischen Sensitivitätsanalyse 96
6 DISKUSSION UND SCHLUSSFOLGERUNGEN 98
6.1 Einordnung der Ergebnisse in den Gesamtkontext 98
6.2 Einschätzung der Relevanz und des Geltungsbereichs unter
Berücksichtigung der getroffenen Annahmen 101
7 LITERATURVERZEICHNIS 104
ANHANG A 108
Abbildungsverzeichnis 5
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Links: Konventionell hergestelltes Bauteil. Rechts:
Digitales CAM-Modell nach Strukturoptimierung 13
Abbildung 2: Funktionsprinzip Laser Beam Melting 25
Abbildung 3: Funktionsprinzip des DED-Verfahrens am Beispiel
von Pulver mit Laser 30
Abbildung 4: Funktionsprinzip Material Extrusion. Für metallische
Werkstoffe dient das Verfahren zur Herstellung von
Grünlingen 32
Abbildung 5: Funktionsprinzip Binder Jetting 35
Abbildung 6: Funktionsprinzip Sheet Lamination 36
Abbildung 7: Konventioneller Entwicklungsprozess 39
Abbildung 8: Entwicklungsprozess für die additive Fertigung 40
Abbildung 9: Konventionell hergestellte Dämpfergabel 47
Abbildung 10: Schematische Abbildung der Einbauposition der
Dämpfergabel in einem Fahrzeug 48
Abbildung 11: Definiertes Belastungsszenario der Dämpfergabel 49
Abbildung 12: Optimierungsmodell der Dämpfergabel mit
Einteilung in Design- und Nicht-Designbereiche 51
Abbildung 13: Materialverteilung in unterschiedlichen Ebenen als
Ergebnis der Topologieoptimierung der
Dämpfergabel 52
Abbildung 14: Redesign der Dämpfergabel mit Anwendung des
Konzepts der hybriden Übergangsbereiche von
Hoschke et al. 53
Abbildung 15: Links: Für die Fertigung genutzte EOS M 400/Rechts:
M400-Prozesskammer mit zentraler Bauplattform,
Beschichtungssystem und Inertgas-Schutzfilm
(Stromrichtung: Von rechts nach links) 57
6 Abbildungsverzeichnis
Abbildung 16: Stützstruktur zur Fixierung des Bauteils. Links:
Digitales CAM-Modelle Vorbereitung. Rechts:
Gefertigtes Bauteil mit Stützstrukturen 58
Abbildung 17: Schichtabhängiges LBM-Belichtungsprinzip anhand
einer gängigen Belichtungsstrategie (von Schicht zu
Schicht rotierende Streifen) mit Konturbelichtung
(blau), Kernbelichtung I (Inskin, weiß) und anderen
Belichtungssektoren (D: Downskin, U: Upskin, O:
Overlap) 59
Abbildung 18: Systemgrenze der Studie 65
Abbildung 19: Teilschritte einer LBM-basierten Bauteilfertigung und
deren Energie- und Massenströme 68
Abbildung 20: Kumulierter Energieaufwand je funktioneller Einheit 77
Abbildung 21: Kumulierter Rohstoffaufwand je funktioneller Einheit 79
Abbildung 22: Wasserverbrauch je funktioneller Einheit 81
Abbildung 23: Flächennutzung je funktioneller Einheit 82
Abbildung 24: Treibhausgaspotenzial je funktioneller Einheit 83
Abbildung 25: Sensitivität kumulierter Energieaufwand je
funktioneller Einheit 94
Abbildung 26: Sensitivität kumulierter Rohstoffaufwand je
funktioneller Einheit 95
Abbildung 27: Sensitivität Treibhausgaspotenzial je funktioneller
Einheit 96
Tabellenverzeichnis 7
TABELLENVERZEICHNIS
Tabelle 1: Zusammenfassende Bewertung der betrachteten
Verfahrensgruppen 38
Tabelle 2: Ermittelter Material- und Energiebedarf des LBM-
Prozesses 69
Tabelle 3: Allgemeine Kennwerte bezüglich Referenzbauteil,
Maschinenparameter und Maschinenkennwerte 71
Tabelle 4: Materialaufwand für Wartungsarbeiten 72
Tabelle 5: Ermittelter Material- und Energiebedarf des LBM-
Prozesses für optimiertes Anlagensetup 74
Tabelle 6: Inputparameter für die Modellierung der Herstellung
der beiden Pulver für die additive Fertigung (bezogen
auf die Herstellung von 1 kg Metallpulver) 76
Tabelle 7: Inputparameter pro Stück für die ökologische und
ökonomische Bewertung 76
Tabelle 8: Indikatoren der VDI-Richtlinie 4800, Blatt 2 84
Tabelle 9: Aggregierte und gerundete Kritikalitätswerte 85
Tabelle 10: Investitionskosten der konventionellen und additiven
Fertigung pro Referenzbauteil 88
Tabelle 11: Betriebskosten der konventionellen und additiven
Fertigung pro Referenzbauteil 90
Tabelle 12: Recyclinggutschriften für konventionell und additiv
gefertigte Referenzbauteile 91
Tabelle 13: Zusammenstellung Lebenszykluskosten der
konventionellen und additiven Fertigung pro
Referenzbauteil 91
Tabelle 14: Änderungen der Inputparameter der additiven
Fertigung pro Stück für die ökologische und
ökonomische Bewertung 94
8 Tabellenverzeichnis
Tabelle 15: Investitions- und Betriebskosten der optimierten
additiven Fertigung pro Referenzbauteil 97
Abkürzungsverzeichnis 9
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Al Aluminium
AM Additive Manufacturing (additive Fertigung)
AlSi10Mg Aluminiumlegierung
ASTM American Society for Testing and Materials
BJ Binder Jetting
CAD Computer Aided Design
CEM Composite Extrusion Modeling
CNC Computerized Numerical Control
CO2 Kohlenstoffdioxid
CPU Central Processing Unit
DED Direct Energy Depostion
DIN Deutsches Institut für Normung e. V.
DIS Draft International Standard
DIW Direct Ink Write
DMLS Direct Metal Laser Sintering
EBM Electron Beam Melting
EMI Fraunhofer Ernst-Mach-Institut
EN Europäische Norm
EOS M 400 3D-Drucker-Modell
eq Äquivalente
EU Europäische Union
FDM Fused Deposition Modeling
FEM Finite-Elemente-Methode
10 Abkürzungsverzeichnis
FE funktionelle Einheit
FFF Fused Filament Fabrication
FLM Fused Filament Modeling
GB Gigabyte
GER Gross Energy Requirement
GHz Gigahertz
GPa Gigapascal
h Stunde
ILCD International Reference Life Cycle Data System
ISO International Organization for Standardization
k. D. keine Datenbasis
KEA kumulierter Energieaufwand
Kfz Kraftfahrzeug
kg Kilogramm
KMU kleine und mittlere Unternehmen
KRA kumulierter Rohstoffaufwand
kW Kilowatt
l Liter
LBM Laser Beam Melting
LCA Life Cycle Assessment
LDM Liquid Deposition Modeling
ME Material Extrusion
MJ Megajoule
µm Mikrometer
Abkürzungsverzeichnis 11
m3 Kubikmeter
mm Millimeter
MPa Megapascal
NPV Net Present Value
PBF Powder Bed Fusion
Pkw Personenkraftwagen
PSA Persönliche Schutzausrüstung
RAM Random-Access Memory
RB Referenzbauteil
SIMP Solid Isotropic Material with Penalization
SL Sheet Lamination
SLM Selective Laser Melting
STL Stereolithografie
Ti6Al4V hochfeste Titanlegierung
VDI Verein Deutscher Ingenieure e. V.
VDI ZRE VDI Zentrum Ressourceneffizienz GmbH
12 Kurzfassung
KURZFASSUNG
Additive Fertigungsverfahren (AM) zeichnen sich durch die schichtweise
Generierung von Strukturen aus und sind eine Schlüsseltechnologie der
Digitalisierung (Industrie 4.0). Aktuell stehen die sogenannten 3D-
Druckverfahren an der Schwelle zur Fertigung von kleinen und mittleren
Serien. Künftig werden sie für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) des
verarbeitenden Gewerbes eine zentrale Rolle spielen.
Aus Ressourcen- sowie ökonomischer Sicht stellt sich aktuell die Frage, wie
hoch der Ressourcenverbrauch von additiven Fertigungsverfahren im Ver-
gleich zu konventionellen Fertigungsverfahren (Gießen, Fräsen etc.) ist,
und wie sich die Wirtschaftlichkeit beider Verfahren gestaltet. Studien zum
Vergleich des Ressourcenbedarfs additiv sowie konventionell hergestellter
Bauteile existieren bereits.1,2,3 An diesen wurden jedoch keine Strukturop-
timierungen zur Volumenreduktion der additiv zu fertigenden Bauteile
vorgenommen. Aber gerade die Volumenreduktion am Bauteil trägt we-
sentlich zu einer ressourcenschonenden Fertigung und Nutzung bei. Stu-
dien zeigten, dass hier größere Effekte erzielt werden können als durch die
reine Auswahl einer Anlagentechnologie bzw. eines Fertigungsverfahrens
(Kapitel 1).4,5
Ziel der vorliegenden Studie ist es daher, eine vergleichende ökologische
sowie ökonomische Bewertung eines additiv sowie eines konventionell
hergestellten Bauteils unter Berücksichtigung einer Strukturoptimierung
des additiv zu fertigenden Bauteils durchzuführen. Hierbei liegt die additi-
ve Verarbeitung von Metallen im Fokus, da deutsche Unternehmen vor
allem in diesem Bereich als führend gelten (Kapitel 2).
1 Vgl. Telenko und Seepersad (2012), S. 472481.
2 Vgl. Faludi et al. (2015), S. 1433.
3 Vgl. Morrow et al. (2007), S. 932943.
4 Vgl. Wohlers et al. (2016).
5 Vgl. Bierdel und Pfaff (2017).
Kurzfassung 13
Für die Umsetzung des Vergleichs zur ökologischen und ökonomischen
Bewertung des Ressourcenaufwands wurde beginnend folgender Anwen-
dungsfall definiert:
„Fertigung von Fahrzeugbauteilen in einer Losgröße von jährlich
10.000 Stück.“
Dieser Anwendungsfall basiert auf der Annahme, dass sich konventionelle
Fertigungsverfahren für kleine bis mittelgroße Serien zukünftig durch
additive Fertigungsverfahren ersetzen lassen. Die Studie skizziert folglich
ein als mittelfristig relevant einzuschätzendes Szenario und besitzt einen
prospektiven Charakter (Kapitel 4.1).
Als Referenzbauteil wurde ein Fahrzeugbauteil, speziell eine Dämpferga-
bel, von einem Automobilzulieferer zur Verfügung gestellt. Diese besteht
aus einer gesenkgeschmiedeten Aluminium-Gusslegierung und besitzt ein
Gesamtgewicht von 1,3 kg. Für die additive Fertigung dieser Dämpfergabel
wurden als Werkstoffe zwei Aluminiumpulver gewählt: ein Aluminiumpul-
ver (Lieferant APWorks) der Legierung Scalmalloy© AlMg4.5Sc0.7Zr0.3
und die Aluminiumlegierung AlSi10Mg.
Die Dämpfergabel unterlag folgend einer Topologieoptimierung über die
Software OptiStruct: Zuerst wurde dazu ein Simulationsmodell erzeugt, das
Optimierungsziel definiert, darauf aufbauend die Topologieoptimierung
durchgeführt und die Ergebnisse interpretiert. Abschließend wurde das
Redesign ausgearbeitet. Abbildung 1 zeigt das konventionell hergestellte
und das digitale CAM-Modell des strukturoptimierten Referenzbauteils.
Abbildung 1: Links: Konventionell hergestelltes Bauteil. Rechts: Digitales CAM-Modell
nach Strukturoptimierung
14 Kurzfassung
Als Ergebnis erzielt die Topologieoptimierung eine Massenersparnis von
12 % mit Scalmalloy© und eine Massenersparnis von 5 % mit AlSi10Mg
(Kapitel 4.2).
Die Verfahrensauswahl zur additiven Fertigung des strukturoptimierten
Referenzbauteils erfolgte nach der ISO DIS 201956. Für die Studie wurde
das Laser Beam Melting (LBM) herangezogen, da es ähnliche Werkstoffei-
genschaften wie konventionelle Verfahren erzielt, eine gute Aufbaurate
bzw. Produktivität besitzt und über eine hohe Marktrelevanz verfügt. Zur
Datenerhebung für die ökologische und ökonomische Bewertung wurde das
strukturoptimierte Bauteil in einer LBM-Anlage des Typs EOS M 400 her-
gestellt. Für den konventionellen Herstellungsprozess wurde das tatsächli-
che Produktionsverfahren des Automobilherstellers herangezogen, das die
Schritte Gießen, Gesenkschmieden, Entgraten und Wärmebehandeln sowie
Fräsen umfasst (Kapitel 4.3).
Die vergleichende ökologische und ökonomische Bewertung setzt die Defi-
nition einer einheitlichen Bezugsgröße (funktionelle Einheit) voraus. Für
die vorliegende Studie wurde folgende funktionelle Einheit festgelegt (Ka-
pitel 4.4):
„Eine Dämpfergabel für Pkw, ausgelegt für eine Standzeit über die
angenommene Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs von 150.000 km.“
Die konventionell hergestellte sowie additiv gefertigte Dämpfergabel leistet
in ihrer Nutzungsphase demnach die gleiche Funktion, unterscheidet sich
aber in ihren Eigenschaften wie Werkstoff, Geometrie und Masse. Die ge-
nannte funktionelle Einheit repräsentiert somit den kleinsten gemeinsa-
men Nenner der Funktion der hier betrachteten Referenzbauteile: über
deren gesamten Produktlebensweg von der Rohstoffgewinnung bis zur
Entsorgung (Systemgrenze, Kapitel 4.4).
Auf Basis der aufgeführten Festlegungen und aggregierten Daten erfolgt
die vergleichende ökologische Bewertung anhand der Wirkungskategorien
6 Vgl. ISO/DIS 20195:2015(E).
Kurzfassung 15
kumulierter Energieaufwand, kumulierter Rohstoffaufwand, Wasserver-
brauch, Flächeninanspruchnahme und Treibhausgaspotenzial. Die Ergeb-
nisse des ökologischen Vergleichs zeigen, dass die additive Fertigung über
alle umweltbezogenen Wirkungskategorien hinweg deutlich stärkere Aus-
wirkungen verursacht als die konventionelle Fertigung. Dies ist vor allem
auf den hohen elektrischen Grundverbrauch der LBM-Anlage zurückzufüh-
ren und deutet auf eine Anlagentechnik mit Optimierungspotenzial hin-
sichtlich der Energieeffizienz hin. Über eine Sensitivitätsanalyse zeigte
sich, dass technische Verbesserungen an der LBM-Anlage die Umweltaus-
wirkungen um rund die Hälfte reduzieren und den Abstand zwischen kon-
ventioneller und additiver Fertigung verringern können. Hier kann abge-
schätzt werden, dass Folgegenerationen additiver Fertigungsverfahren
solche Optimierungspotenziale in der Entwicklung erschließen und so zu
einer Reduktion der Umweltauswirkungen führen.
Die verwendeten Pulverlegierungen für die additive Fertigung zeigten
ebenfalls einen deutlichen Einfluss auf den Ressourcenaufwand. Die Alu-
miniumlegierung Scalmalloy© besitzt Scandium als Bestandteil, dessen
Gewinnung sich wesentlich auf den Rohstoffaufwand auswirkt und zudem
als kritischer Rohstoff eingestuft ist. Da Scalmalloy© eher für hochoptimier-
te Bauteile und weniger für generische Fahrzeugkomponenten geeignet ist,
empfiehlt es sich im Vergleich der Pulverlegierungen,
AlSi10Mg, das geringere ressourcenrelevante Auswirkungen für den An-
wendungsfall hervorruft, einzusetzen. Daraus lässt sich ableiten, dass die
Wahl der verwendeten Metallpulver auf den Anwendungsfall exakt abzu-
stimmen ist, um umweltrelevante Auswirkungen zu minimieren. Zudem ist
der sinnvolle Einsatz eines additiven Fertigungsverfahrens abhängig vom
betrachteten Anwendungsfall. In der vorliegenden Studie sind die Einspa-
rungen in der Nutzungsphase durch die Masseneinsparung beider Pulver-
legierungen so gering, dass der Treibstoffverbrauch nur unwesentlich re-
duziert wird. Für andere Anwendungsbereiche wie der Luft- und Raumfahrt
oder für Produkte, die einem bionischen Gesamtkonzept folgen, sind hier
höhere Einsparpotenziale in der Nutzungsphase erzielbar und die Vorteile
der additiven Fertigung besser ausreizbar (Kapitel 5.1).
Die ökonomische Bewertung zeigt ebenfalls, dass neben den Investitions-
kosten auch die Material- und Betriebskosten bei der additiven Fertigung
16 Kurzfassung
wesentlich höher sind als bei einer konventionellen Fertigung. Ausschlag-
gebend hierfür sind die Pulver- und Wartungskosten für die LBM-Anlage.
Die durchgeführte Sensitivitätsanalyse zeigt aber auch, dass technologi-
sche Innovationen die Wirtschaftlichkeit von additiven Fertigungsanlagen
in Zukunft deutlich verbessern können (Kapitel 5.3). Insgesamt ermögli-
chen die Ergebnisse aus der Studie somit die Ableitung folgender generel-
ler Erkenntnisse (Kapitel 6):
Die zu produzierende Produktart und -menge bestimmt wesentlich über
die Sinnhaftigkeit des Einsatzes additiver Fertigungsverfahren. Hierbei
hat vor allem der Grad der Masseneinsparung durch eine Strukturopti-
mierung sowie die Art des äquivalenten, konventionellen Fertigungsver-
fahrens (Gießen oder Fräsen etc.) Einfluss auf die ökologischen und
ökonomischen Auswirkungen.
Die Werkstoffwahl beeinflusst ebenfalls die ökologischen und ökonomi-
schen Auswirkungen wesentlich und sollte exakt auf die Anforderungen
des Anwendungsfalls, also der zu produzierenden Produktart und -
menge abgestimmt sein.
Die dauerhafte Auslastung (z. B. optimierte Bauraumauslastung) und die
technische Optimierung (z. B. Reduktion des Energieverbrauchs) additi-
ver Fertigungsanlagen verringern die ökologischen und ökonomischen
Auswirkungen und können in Zukunft neue Anwendungsfelder er-
schließen.
Zusammenfassend ist die additive Fertigung metallischer Werkstücke als
Ergänzung zur konventionellen Fertigung zu sehen. Sie steht an der
Schwelle zur Klein- und Mittelserienfertigung und spielt eine zunehmend
zentrale Rolle für verschiedene Branchen, insbesondere in der Luft- und
Raumfahrt, der Medizintechnik sowie für bionische Produktkonzepte. Es
kann abgeschätzt werden, dass durch die technologische Entwicklung der
additiven Fertigungsverfahren die Prozessabläufe optimiert werden,
wodurch sich neue Anwendungsgebiete erschließen und konventionelle
Fertigungsverfahren im Schnittmengenbereich beider Technologien (Los-
größe) effizient ersetzt werden können. Hierzu bietet die vorliegende Stu-
die einen beispielhaften Einblick in hilfreiche Bewertungsmechanismen bei
Kurzfassung 17
der Entscheidungsfindung bezüglich Investitionen in additive Fertigungs-
verfahren.
18 Einleitung
1 EINLEITUNG
Additive Fertigungsverfahren (Additive Manufacturing, AM), welche auch
als „3D-Druckbezeichnet werden, sind durch die Produktionsflexibilität,
durch die Möglichkeiten der Funktionsintegration und der Produktindivi-
dualisierung sowie durch beschleunigte Innovationszeiten eine Schlüssel-
technologie der Digitalisierung in der Industrie (Industrie 4.0). Die
schichtweise Generierung von Strukturen bietet eine neuartige Gestal-
tungsfreiheit, sodass der Technologie in fast allen Branchen des verarbei-
tenden Gewerbes ein stetiges Wachstum zugesprochen wird.7, 8,9
Der Einsatz von Strukturoptimierungsmethoden, insbesondere der Topolo-
gieoptimierung, erlaubt es, die Gestaltungsfreiheiten gezielt und effizient
auszunutzen. So können ein reduziertes Bauteilgewicht und damit eine
Verringerung der Betriebskosten in der Nutzungsphase von 3D-gedruckten
Produkten, aber auch eine ressourceneffiziente Fertigung ermöglicht wer-
den.10,11 Gerade zu Letzterem zeigen Studien, dass die Volumenreduktion
an Bauteilen (beispielsweise durch numerische Strukturoptimierung) eine
wesentliche Voraussetzung für eine ressourcenschonende Fertigung ist.
Durch eine passende Designwahl können hier noch größere Effekte erzielt
werden als durch die Entscheidung für eine konkrete Anlagentechnolo-
gie.12 Breite technologieübergreifende Betrachtungen zur Nachhaltigkeit
additiver Fertigungsverfahren wurden bereits von Huang, Ford, Gebler und
Kohtala durchgeführt.13,14,15,16
Aktuell steht die 3D-Technologien an der Schwelle zur Fertigung von klei-
neren und mittleren Serien in Ergänzung zur bereits etablierten Fertigung
7 Vgl. Gartner (2014).
8 Vgl. Kianian (2016).
9 Vgl. Richter und Wischmann(2016).
10 Vgl. Wohlers et al. (2016).
11 Vgl. Bierdel; Pfaff (2017).
12 Vgl. Pfaff et al. (2018).
13 Vgl. Huang et al. (2013).
14 Vgl. Ford und Despeisse (2016), S. 15731587.
15 Vgl. Gebler et al. (2014), S. 158–167.
16 Vgl. Kohtala C. (2015), S. 654–668.
Einleitung 19
von Prototypen und Pilotprodukten. Die allgemeine Serienfertigung von
Produkten erfolgt traditionell durch konventionelle Fertigungsverfahren
wie dem Gießen oder dem Fräsen. Aber auch hier wird sich künftig die
Frage nach dem ökologisch und ökonomisch sinnvollsten Fertigungsver-
fahren, insbesondere in Abhängigkeit von der zu fertigen Losgröße und der
Bauteilgeometrie, stellen. Vergleiche bezüglich des Ressourcenbedarfs
zwischen konventionell und additiv gefertigten Bauteilen wurden bereits
von Telenko, Faludi und Morrow erarbeitet.17,18,19 Hierbei erfolgte jedoch
keine Auslegung des betrachteten Bauteils auf ein fertigungsgerechtes AM-
Design. Weiterhin wurden in der Entwicklungsphase keine Optimierungen
der Konstruktion nach ökonomischen Gesichtspunkten durchgeführt.
Folglich fordern Huang20 und Ford21 weiterführende Vergleiche zwischen
additiven und konventionellen Fertigungsverfahren unter Berücksichti-
gung der technologiespezifischen Anforderungen. Eine erste Einteilung der
Stoffströme innerhalb des Fertigungszyklus erfolgt durch Pfaff, Telenko
und Baumers.22,23,24 Um die Überführung der additiven Fertigungsverfah-
ren in die industrielle Kleinserienfertigung erfolgreich zu unterstützen,
sind weitere vergleichende Studien nötig, welche Prognosen ermöglichen
und die Entscheidungsfindung der potenziellen Anwender unterstützen.
17 Vgl. Telenko und Seepersad (2012), S. 472481.
18 Vgl. Faludi et al. (2015), S. 1433.
19 Vgl. Morrow et al. (2007), S. 932943.
20 Vgl. Huang et al. (2013).
21 Vgl. Ford und Despeisse (2016), S. 15731587.
22 Vgl. Pfaff et al. (2018).
23 Vgl. Telenko und Seepersad (2012), S. 472481.
24 Vgl. Baumers et al. (2011), S. 22282239.
20 Ziel der Studie
2 ZIEL DER STUDIE
Die vorliegende Studie bezweckt eine vergleichende ökologische und öko-
nomische Bewertung additiver und konventioneller Fertigungsverfahren in
der industriellen Produktion. Insbesondere sollen die möglichen Verbesse-
rungspotenziale der additiven Fertigungsverfahren hinsichtlich der Ener-
gie- und Ressourceneffizienz sowie der Wirtschaftlichkeit analysiert und
mit konventionellen Fertigungsverfahren, wie z. B. dem Gießen und
Schmieden verglichen werden. Dabei gilt es, neben dem eigentlichen Ferti-
gungsprozess, auch die bei AM-Verfahren mögliche Optimierung der geo-
metrischen Strukturen durch computergestützte Entwicklungsmethoden zu
berücksichtigen.
Der Vergleich erfolgt anhand eines für die industrielle Produktion in klei-
nen und mittleren Unternehmen (KMU) relevanten Betrachtungsrahmens.
Da deutsche Unternehmen vor allem im Bereich der additiven Verarbei-
tung von Metallen als führend gelten, steht diese im Fokus der Betrachtun-
gen. Zudem wird ein Anwendungsfall gewählt, der die Produktionsprozesse
Metall verarbeitender KMU möglichst generisch repräsentiert: die Herstel-
lung von Aluminiumleichtbauteilen für Fahrzeuge. Als Referenzbauteil
dient eine in der Praxis produzierte Dämpfergabel aus einer Aluminiumle-
gierung, die in Automobilen eingesetzt wird. Vor der additiven Fertigung
unterliegt diese Dämpfergabel einer Strukturoptimierung. Das genannte
Referenzbauteil wurde der Studie aus folgenden Erwägungen zugrunde
gelegt:
Das Werkstück lässt sich sowohl mit additiven als auch mit konventio-
nellen Fertigungsprozessen sinnvoll herstellen und besteht aus Werk-
stoffen mit ähnlichen Eigenschaften.
Eine funktionelle Äquivalenz des strukturoptimierten, additiven sowie
des konventionell gefertigten Bauteils ist gegeben.
Der Anwendungszweck des Referenzbauteils in Leichtbauweise ermög-
licht eine Analyse des Einflusses der Strukturoptimierung auf die Ener-
gie- und Ressourceneffizienz sowie die ökonomischen Kosten während
der Nutzungsphase des Produkts.
Ziel der Studie 21
Das konventionell gefertigte Bauteil entstammt einem aktuellen konven-
tionellen Produktionsprozess, wodurch die Erhebung primärer Sachbi-
lanzdaten für die ökologische und ökonomische Analyse möglich ist.
Die für die vergleichende Bewertung zugrunde gelegten Annahmen
repräsentieren KMU-relevante Geschäftsmodelle.
Der Vergleich des additiv sowie konventionell gefertigten Referenzbauteils
erfolgt anhand eines lebenszyklusorientierten Bewertungsansatzes, der
den gesamten Produktlebensweg der betrachteten Bauteile in die Analyse
einbezieht. Folgende Forschungsfragen werden in diesem Zusammenhang
im Einzelnen untersucht:
Welche Energie- und Rohstoffaufwendungen (kumulierter Energieauf-
wand (KEA) und kumulierter Rohstoffaufwand (KRA)) fallen über den
gesamten Lebensweg der Bauteile an? Welche Unterschiede resultieren
aus dem Einsatz additiver Technologien und der computergestützten
Strukturoptimierung der Bauteile?
Welche Aufwendungen an versorgungskritischen Rohstoffen, Wasser
und Fläche sind nötig?
Welche Treibhausgasemissionen (in CO2-Äquivalenten) werden je Vari-
ante emittiert?
Welche Kosten ergeben sich für die betrachteten Varianten über deren
jeweiligen Lebenszyklus? Welche wirtschaftlichen Vorteile liegen im
Einsatz von AM und der Nutzung strukturoptimierter Bauteile in Fahr-
zeugen?
Hauptzielgruppen der Studie sind hierbei
kleine und mittlere Unternehmen (KMU) der Metall verarbeitenden
Industrie als mögliche Anwender von AM Fertigungsverfahren,
Maschinen- und Anlagenhersteller,
Fahrzeugindustrie als mögliche Anwender strukturoptimierter Bauteile,
22 Ziel der Studie
Forschungsinstitutionen und Berater sowie
Initiativen und Verbände sowie Einrichtungen des Bundes und der Län-
der.
KMU sollen durch die Ergebnisse der Studie befähigt werden, den Nutzen
einer Investition in additive Fertigungsverfahren aus ökologischer und
ökonomischer Perspektive für sich zu bewerten. Weiterhin soll die Studie
als Informationsquelle für Initiativen und Verbände sowie Einrichtungen
des Bundes, der Länder und deren Vertreter genutzt werden können.
Grundlagen und Stand der Technik 23
3 GRUNDLAGEN UND STAND DER TECHNIK
3.1 Klassifizierung additiver Fertigungsverfahren
Aktuell sieht die Norm DIN EN ISO 8580 bisher keine explizite Einteilung
von additiven Fertigungsverfahren in die sechs Hauptgruppen der Ferti-
gungsverfahren ‚Urformen‘, ‚Umformen‘, ‚Trennen‘, ‚Fügen‘, ‚Beschichten‘
und ‚Stoffeigenschaften ändern‘ vor.25 Die Fachliteratur ordnet diese jedoch
häufig dem Urformenoder Fügenzu (Beispiel siehe Gebhardt26).
Die additiven Fertigungsmethoden selbst lassen sich folgendermaßen klas-
sifizieren. Nach Gebhardt15 ist eine Prozessklassifizierung basierend auf
dem Aggregatzustand des Ausgangsmaterials möglich:
gasförmig,
flüssig und
fest (basierend auf Folie, Draht oder Pulver).
Sonderfälle stellen die Ausgangsstoffe Pasten und Aerosole dar.
Eine alternative und weitläufig anerkannte Klassifizierung findet sich in
den Normen ISO/ASTM 52900 bzw. ASTM F2792-12a. Diese unterteilen
die additiven Fertigungsverfahren, basierend auf der Prozessmethodik, in
sieben Gruppen:
Powder Bed Fusion (PBF): Das Material liegt in Form eines Pulverbetts
vor und wird mithilfe thermischer Energie selektiv gefügt.
Direct Energy Deposition (DED): Das Material wird während des Auf-
tragens mithilfe thermischer Energie aufgeschmolzen.
Material Extrusion: Aufgeschmolzenes Material wird mithilfe einer
Mündung (bspw. Düse) aufgetragen.
25 Vgl. DIN 8580:2003-09.
26 Vgl. Gebhardt (2013).
24 Grundlagen und Stand der Technik
Binder Jetting: Flüssiges Bindemittel wird in ein Pulver eingebracht,
um dieses zu binden.
Sheet Lamination: Folienförmiges Ausgangsmaterial wird zugeschnit-
ten und gefügt.
Vat Photopolymerization: Flüssige Photopolymere werden selektiv
ausgehärtet.
Material Jetting: Das Material wird in Form von Tropfen lokal aufgetra-
gen.
Innerhalb dieser Gruppen existiert wiederum eine Vielzahl von Technolo-
gievarianten mit unterschiedlicher Nomenklatur. Marketing und patent-
rechtliche Gründe haben zu einer großen Vielfalt an herstellerspezifischen
Bezeichnungen beigetragen. Außerdem gibt es für die meisten englisch-
sprachigen Fachbegriffe bisher noch keine geeignete Übertragung ins
Deutsche. Deshalb ist die Nomenklatur im Bereich AM unübersichtlich.
Da die Studie die Herstellung eines metallischen Referenzbauteils fokus-
siert, werden folgend Verfahren und deren Eigenschaften näher erläutert,
die metallische Werkstoffe verarbeiten können. Diese Verfahren sind den
Gruppen Powder Bed Fusion, Directed Energy Deposition, Material Extrusi-
on, Binder Jetting und Sheet Lamination zuzuordnen.27
Um eine gut verständliche Einführung in die additiven Fertigungsverfahren
zu gewährleisten, werden die technologischen und ökonomischen Einzel-
heiten stark vereinfacht dargestellt. Spezialverfahren, welche kommerziell
bisher nur schwach vertreten sind, werden hierbei nicht berücksichtigt
(bspw. thermisches Spritzen).
27 Vgl. Kianian (2016).
Grundlagen und Stand der Technik 25
3.1.1 Powder Bed Fusion (PBF)
Laser Beam Melting (LBM, Laserstrahlschmelzen)28
Prinzip: Der Prozess basiert auf der Verarbeitung eines Metallpulvers mit
typischen Korngrößen zwischen 5 µm und 100 µm. Die schichtweise Gene-
rierung des in einem Pulverbett liegenden Bauteils erfolgt über ein selekti-
ves Aufschmelzen des Pulvers mittels Laserstrahl und anschließendem
Erstarren der lokalen Metallschmelze auf der bereits vorhandenen Oberflä-
che des entstehenden Werkstücks. Der Laser bearbeitet hierbei nacheinan-
der einzelne Schichten mit typischen Dicken von 10 µm bis 90 µm. Nach
der Belichtung einer einzelnen Schicht senkt sich das Pulverbett über die
Bauplattform um die entsprechende Schichtdicke ab, gefolgt von der Aufla-
ge einer frischen Pulverschicht durch ein klingenbasiertes Beschichtersys-
tem29. Das iterative Prinzip ist in Abbildung 2 dargestellt.
Abbildung 2: Funktionsprinzip Laser Beam Melting
28 Synonyme/zugehörige Prozesse: Laser Strahl Schmelz en, Selective Laser Melting (SLM), Laser
Cusing, Direct Metal Sintering (DMLS), Laser Melting und andere.
29 Vgl. Gebhardt (2013).
26 Grundlagen und Stand der Technik
Verfügbare Werkstoffe: Aufgrund der hohen Marktrelevanz und der Fle-
xibilität dieses Fertigungsverfahrens ist hierfür zurzeit die größte Auswahl
an Pulverwerkstoffen im Markt erhältlich. Die Pulverwerkstoffe lassen sich
für verschiedene Anwendungsgebiete, wie dem Leichtbau-, Hochtempera-
tur- oder dem Werkzeugbau, einsetzen. Die Palette der verfügbaren Werk-
stoffe wurde in den letzten Jahren erweitert, indem durch verschiedene
Forschungsaktivitäten neue Werkstoffe für das Laserstrahlschmelzen quali-
fiziert wurden. Prinzipiell lassen sich im Laserstrahlschmelzprozess alle
schweißbaren Legierungen gut verarbeiten.
Werkstoffeigenschaften: Aufgrund der hohen Abkühlraten im Prozess
entsteht beim Laserstrahlschmelzen eine charakteristische Mikrostruktur
mit typischerweise feinen Kornausscheidungen. Diese bedingt im Ver-
gleich zu konventionell verarbeiteten Werkstoffen eine deutlich erhöhte
Festigkeit, jedoch eine reduzierte Duktilität30. Die relative Dichte der laser-
strahlgeschmolzenen Festkörper liegt üblicherweise deutlich über 99 %.
Der additiv verarbeitete Werkstoff besitzt im Vergleich zu einem konventi-
onell verarbeiteten Werkstoff ein ähnliches Werkstoffeigenschaftsprofil.
Der Grad der Ausprägung der Anisotropie im Werkstoff ist dabei stark von
den gewählten Prozessparametern abhängig31. Durch die sehr hohe Erstar-
rungsgeschwindigkeit der Schmelze werden im Laserstrahlschmelzprozess
Eigenspannungen im Bauteil induziert. Diese können mithilfe einer nach-
gelagerten Wärmebehandlung reduziert werden.
Oberflächeneigenschaften: Die Oberflächeneigenschaften sind stark von
der eingesetzten Legierung, den Prozessparametern (bspw. Schichtstärke)
sowie der Bauteilkonstruktion und der Orientierung im Bauraum abhängig.
Die Rauigkeit ist jedoch typischerweise, wie bei allen additiven Fertigungs-
verfahren, hoch, sodass eine Nachbearbeitung der Funktionsflächen nötig
ist. Die Formgenauigkeit der erzeugten Schichten ist parallel zur Bauplatt-
form höher als rechtwinklig zu den aufeinanderliegenden Schichten. Diese
Oberflächen weisen eine gewisse Treppenstufentextur auf. Jedoch fällt
dieser sogenannte Stair-Step-Effekt bei dieser Technologie aufgrund der
30 Vgl. Buchbinder (2013).
31 Vgl. VDI-Richtlinie 3405 Blatt 2.1 (2015).
Grundlagen und Stand der Technik 27
vergleichsweise dünnen Schichten und der thermischen Effekte im Prozess
verhältnismäßig gering aus. Ungünstig positionierte Flächen können Mik-
rorisse aufweisen, welche später in der Nutzungsphase der Produkte mög-
licherweise als Rissinitiatoren wirken.
Prozesslimitationen: Bei der Bauteilfertigung werden Stützstrukturen
benötigt, die das entstehende Bauteil auf der Bauplattform fixieren und
eine Wärmeabfuhr ermöglichen. Diese Stützstrukturen werden, wie das
Bauteil selbst, additiv im selben Prozess erzeugt. Die Stützstrukturen und
das Pulver müssen dann nach dem Prozess manuell entfernt werden. Da
die Gestaltungsfreiheit additiver Fertigungsverfahren gegenüber konventi-
onellen Fertigungsverfahren dennoch hoch32 ist, wird die Technologie
immer häufiger zur Fertigung funktionsfähiger Bauteile eingesetzt. Daher
entwickeln sich auch die Systeme und Methoden zur Qualitätssicherung
rasch weiter33.
Kosten: Die Investitionskosten sind aufgrund des komplexen Anlagenauf-
baus im Vergleich zu anderen additiven Fertigungsverfahren relativ hoch.21
Auch die Betriebskosten gestalten sich vergleichsweise hoch aufgrund der
aktuellen Preise für Metallpulver, den nötigen Hilfsmitteln (bspw. Inertgas,
Schutzmaßnahmen wie persönliche Schutzausrüstung (PSA)) sowie der
aufwendigen Nachbearbeitung der Bauteile.21 Zudem ist der Arbeitsauf-
wand für die manuelle Entfernung der Stützstrukturen, für aufwändige
Auf- und Abrüstarbeiten sowie für die Reinigung der Anlagen hoch. Dafür
ist speziell geschultes Fachpersonal erforderlich. Hinzu kommen Material-
verluste für Stützstrukturen, großer Raumbedarf sowie Entsorgungskosten
für Filtereinheiten. Nicht aufgeschmolzenes Pulver hingegen lässt sich
ohne nennenswerten Verlust wiederverwenden.
Aktuelle Marktrelevanz: In Bezug auf metallische additive Fertigungsver-
fahren handelt es sich branchenübergreifend um das meistverbreitete
Verfahren.21 Pulverumsätze und Maschinenverkäufe haben über die letzten
32 Aufgrund der Eigenspannungen im Material und der dünnen Metallpulverschichten, welche eine
Kraftinteraktion zwischen Beschichtersystem und Werkstück verursacht, ist die
Gestaltungsfreiheit der additiven Fertigungsmethoden begrenzt.
33 Vgl. Kianian (2016).
28 Grundlagen und Stand der Technik
Jahre exponentiell zugenommen. Prognosen sagen eine weitere entspre-
chende Entwicklung voraus. 2015 wurden weltweit 808 Maschinen ver-
kauft (Vergleich 2012: 202). Größte Treiber der Nachfrage sind die Luft-
und Raumfahrtindustrie sowie die Medizintechnik.
Aufgrund der großen Universalität dieser Technologie besteht inzwischen
ein breites Angebot an Fertigungsanlagen verschiedener Hersteller. Je nach
Anlagentyp lassen sich mikroskopisch kleine Bauteile als auch großvolu-
mige Bauteile bis zu 1 m³ erzeugen (Forschungsanlagen erreichen noch
deutlich größere Volumina). Der Trend geht hin zu großvolumigen automa-
tisierten Fertigungssystemen, um eine wirtschaftliche Kleinserienfertigung
voranzutreiben.34
Fazit: Es handelt sich um das am weitesten verbreitete additive Ferti-
gungsverfahren für metallische Werkstoffe. Die Technologie ist kostenin-
tensiv, bietet jedoch bereits eine große Werkstoffauswahl, die in Zukunft
noch deutlich wachsen wird. Die Stärken der Technologie liegen vor allem
in den resultierenden Werkstoffeigenschaften. Deshalb eignet sich die
Methode insbesondere zur Herstellung von Struktur- und Funktionsbautei-
len.
Electron Beam Melting (EBM, Elektronenstrahlschmelzen)35
Prinzip: Es handelt sich um einen dem LBM verwandten Prozess. Das
Pulver wird jedoch mithilfe eines Elektronenstrahls anstatt eines Lasers
aufgeschmolzen. Darum befindet sich im Vergleich zum LBM auch kein
Inertgas in der Prozesskammer, sondern ein Hochvakuum.
Verfügbare Werkstoffe: Die hohe Energiedichte des Elektronenstrahls
ermöglicht eine deutlich schnellere Exposition im Vergleich zu laserbasier-
ten Systemen. Dies ermöglicht unter anderem ein Vorwärmen des Pulver-
betts, gefolgt von der eigentlichen Belichtung der Bauteile. Dies reduziert
die Abkühlrate und somit die Eigenspannungen im Werkstück. Darum
34 Vgl. Kianian (2016).
35 Synonyme/zugehörige Prozesse: keine bekannt (vermutlich aufgrund patentrechtlicher
Situation).
Grundlagen und Stand der Technik 29
finden sich die Stärken der Technologie vor allem in der Verarbeitung
eigenspannungsanfälliger Legierungen wie Ti6Al4V, Cobalt-Chrom oder
Inconel 718 (Nickelbasislegierung). Die momentane Werkstoffpalette ist
begrenzt.
Werkstoffeigenschaften: Wie im LBM-Verfahren lassen sich Bauteile mit
einer hohen relativen Dichte erzeugen. Die mechanischen Eigenschaften
sind gleichwertig zu konventionell verarbeiteten Werkstoffen. Die im Ver-
gleich zum LBM-Prozess geringere Abkühlrate verursacht ein dementspre-
chend gröberes Mikrogefüge. Der Einsatz eines Hochvakuums anstelle von
Inertgas beugt Verunreinigungen im Werkstoff besser vor.
Oberflächeneigenschaften: Der Einsatz eines Elektronenstrahls macht es
schwierig, geringe Energien in das Pulverbett einzutragen. Hieraus resul-
tieren rauere Oberflächen als im LBM-Verfahren. Funktionsflächen müssen
dementsprechend nachbearbeitet werden.
Prozesslimitationen: Trotz reduzierter Eigenspannungen werden auch
hier Stützstrukturen benötigt. Die Gestaltungsfreiheit ist zwar etwas höher
als beim LBM-Prozess, aber dennoch begrenzt. Das Angebot an vorhande-
nen Anlagen im Markt ist noch gering und beschränkt sich hauptsächlich
auf diejenigen mittlerer Bauraumgröße.
Kosten: Die Investitions- und Betriebskosten gestalten sich ähnlich zu
LBM-Anlagen. Die Fertigungszeiten jedoch sind aufgrund des Einsatzes
eines Elektronenstrahls im Vergleich zum LBM deutlich reduziert.
Aktuelle Marktrelevanz: Bisher befinden sich kommerziell erhältliche
EBM-Systeme nur von einem Hersteller am Markt, sodass daraus eine
Monopolstellung resultiert.36 Dies ist ein Grund, weshalb sich EBM-
Anlagen im industriellen Umfeld deutlich seltener finden als LBM-Anlagen.
Fazit: Die Stärken des EBM-Verfahrens liegen im Vergleich zum LBM vor
allem in der höheren Produktivität und den geringeren Eigenspannungen
im Werkstoff. Es besteht jedoch ein Monopol am Markt, sodass die Techno-
36 Vgl. Kianian (2016).
30 Grundlagen und Stand der Technik
logie weniger verbreitet ist. Des Weiteren ist die erzeugte Oberflächengüte
geringer. Die Methode eignet vor allem zur Herstellung von Struktur- und
Funktionsbauteilen aus Titan, Inconel und Cobalt-Chrombauteilen.
3.1.2 Directed Energy Deposition (DED)37
Prinzip: Energiequelle und Werkstoffzuführung finden sich üblicherweise
an einem frei beweglichen Roboterarm (5-Achs-System). Der in Pulver-
oder Drahtform zugeführte Werkstoff wird auf ein bestehendes Substrat
aufgetragen. Als Energiezufuhr zum Aufschmelzen des zugeführten Werk-
stoffs dient ein Laser, ein Elektronenstrahl oder ein Plasma. Ein Schutz-
gasstrom verhindert Verunreinigen im Werkstoff. Das DED-Verfahren ist
nicht an ein planares Schichtprinzip gebunden, somit können auch dreidi-
mensionale Schichten auftragen werden (z. B. gewölbte Oberflächen). Das
Prinzip ist in Abbildung 3 dargestellt.
Abbildung 3: Funktionsprinzip des DED-Verfahrens am Beispiel von Pulver mit Laser
37 Synonyme/zugehörige Prozesse: Electrion Beam Additive Manufacturing, Laser Consolidation,
LENS, Direct Metal Deposition, Laser engineered net shaping, directed light fabrication, 3D laser
cladding, EBFFF und andere.
Grundlagen und Stand der Technik 31
Verfügbare Werkstoffe: Es können typische Schweißwerkstoffe zum Ein-
satz kommen, wodurch das Werkstoffportfolio sehr umfangreich ist. Bei-
spiele verfügbarer Werkstoffe sind Titan- und Nickellegierungen, Werks-
zeug-, Edel- und weitere Stähle.
Werkstoffeigenschaften: Aufgrund ähnlicher thermischer Randbedingun-
gen ähnelt die Mikrostruktur der von LBM-Werkstoffen. Die Porosität ist
jedoch aufgrund der geringeren Kontrolle über den Pulverauftrag erhöht.
Oberflächeneigenschaften: Aufgrund der weniger präzise steuerbaren
Auftragsrate fallen die Oberflächen im Vergleich zu anderen additiven
Verfahren rauer aus. Auch die Formgenauigkeit ist geringer. Die einzelnen
Schichten sind deutlich zu sehen.
Prozesslimitationen: Die Größe der herstellbaren Objekte ist nur durch
den Arbeitsraum der 5-Achs-Einheit begrenzt. Somit lassen sich auch sehr
große Bauteile herstellen. Hinterschneidungen müssen durch Stützstruktu-
ren getragen werden. Der DED-Prozess eignet sich besonders gut, um
Strukturen auf bestehende Bauteile weiter aufzubauen. Somit lassen sich
hybride Fertigungsaufbau oder Reparaturarbeiten besonders gut realisie-
ren. Da der DED-Prozess eine niedrige Aufbaugeschwindigkeit aufweist,
eignet er sich für Einzelfertigung jedoch nicht für die Serienfertigung.
Kosten: Die Investitionskosten sind im Vergleich zu anderen additiven
Fertigungsverfahren gering.38 Die Betriebskosten sind aufgrund des höhe-
ren Schutzgasbedarfs im Vergleich zu Pulverbettverfahren jedoch ver-
gleichsweise hoch (Schutzgas wird nicht zykliert).
Aktuelle Marktrelevanz: Die Technologie kommt angesichts ihrer Stärken
beim hybriden Fertigungsaufbau von Bauteilen und Reparaturarbeiten von
verschlissenen Bauteilen zum Einsatz. Bekannte Beispiele hierfür sind die
Reparatur von Turbinenschaufeln.
Fazit: Die erzielbaren Werkstoffeigenschaften sind sehr gut, die Oberflä-
chengüte ist aufgrund der höheren Kornverteilung jedoch geringer als im
38 Vgl. Kianian (2016).
32 Grundlagen und Stand der Technik
LBM-Verfahren. Das DED-Verfahren wird vor allem für Reparaturanwen-
dungen verwendet und stellt ein weitverbreitetes additives Fertigungsver-
fahren dar. Aufgrund der niedrigen Aufbaurate ist der Prozess für Serien-
fertigungen ungeeignet.
3.1.3 Material Extrusion39
Prinzip: Bei diesem Prozess wird ein verflüssigtes oder pastöses Filament
durch eine beheizte Düse oder Mündung herausgedrückt (extrudiert) und
schichtweise abgelegt (Abbildung 4).
Abbildung 4: Funktionsprinzip Material Extrusion. Für metallische Werkstoffe dient
das Verfahren zur Herstellung von Grünlingen
Bauplattform und Druckkopf werden vertikal zueinander bewegt. Typi-
scherweise werden in diesem Fertigungsverfahren Polymere verarbeitet.
39 Synonyme/zugehörige Prozesse: FDM, FFF, CEM, FLM, Freeformfabrication, DIW, EFF, G3DP,
LDM und andere.
Grundlagen und Stand der Technik 33
Um metallische Werkstoffe zu verarbeiten, werden feine metallische Parti-
kel in eine Polymermatrix eingebracht. Das Filament wird als Stranggut
hergestellt. Aus dem Filament wird im Material-Extrusion-Verfahren zu-
nächst ein sogenannter Grünling hergestellt, welcher anschließend noch
ausgebrannt und mit einem ausgewählten Werkstoff infiltriert und gegebe-
nenfalls gesintert wird. Hierbei treten Schrumpfungseffekte auf, die in der
Baugestaltung zu berücksichtigen sind.
Verfügbare Werkstoffe: Das Verfahren ist für eine Vielzahl von Werkstof-
fen geeignet, die sich in Pulverform herstellen und dann als Füllmaterial in
ein Filament verarbeiten lassen. Theoretisch sind alle Legierungen geeig-
net, die sich für den Sinterprozess oder Infiltrationsprozess eignen. Durch
den Infiltrationsprozess entsteht ein hybrides Werkstoffsystem.
Werkstoffeigenschaften: Da es sich um eine Fertigung von Grünlingen
handelt, entsteht am Ende ein vergleichsweise poröser Festkörper. Wie
auch bei den kunststoffbasierten Material-Extrusion-Verfahren weist der
nach dem Sintern resultierende Werkstoff im Vergleich zu konventionell
hergestellten Werkstoffen schwächere mechanische Kennwerte auf.
Oberflächeneigenschaften: Die Oberflächengüte ist für ein additives Fer-
tigungsverfahren als gut zu bewerten. Formgenauigkeiten sind aufgrund
des Einsatzes eines Filaments eher gering.
Prozesslimitationen: Es werden Stützstrukturen benötigt und die Gestal-
tungsfreiheit ist im Vergleich zu anderen additiven Fertigungsverfahren
gering. Die Gestaltungsfreiheit ist jedoch immer noch größer als bei kon-
ventionellen Verfahren. Das Material-Extrusion-Verfahren besitzt eine
geringe Aufbaurate, was zu langen Prozesszeiten führt. Hinzu kommen
zeitintensive Nachbehandlungen. Aufgrund der großen Bauräume von im
Markt verfügbaren Systemen lassen sich sehr große Bauteile herstellen.
Um metallische Komponenten zu fertigen, ist das derzeitig verfügbare
Volumen momentan noch auf ca. 300 x 300 x 300 mm begrenzt.40
40 Vgl. Kianian (2016).
34 Grundlagen und Stand der Technik
Kosten: Der einfache Anlagenaufbau erklärt die günstigen Investitionskos-
ten. Auch die Betriebskosten gestalten sich vergleichsweise niedrig, da
wenige Hilfsmittel benötigt werden und der Abfall gering ausfällt. Jedoch
handelt es sich im Vergleich zu den anderen additiven Fertigungsverfahren
um eines der langsamsten Verfahren.27
Aktuelle Marktrelevanz: Der Ursprung von Material-Extrusion-Verfahren
liegt in der Verarbeitung von Thermoplasten. Die Verarbeitung von Metal-
len ist eine vergleichsweise neu in den Markt eingeführte Technologie. Es
finden sich dementsprechend wenige Anlagentypen. Die Relevanz für ei-
nen industriellen Einsatz ist momentan gering. Die Technologie findet
derzeit im Bereich Konsument Anwendung, um einfache und individuali-
sierte Komponenten in kleinsten Stückzahlen zu fertigen.
Fazit: Es handelt sich um das günstigste, aber auch langsamste Verfahren
mit aktuell niedriger Marktrelevanz. Die mechanischen Werkstoffeigen-
schaften sind zudem sehr gering, weshalb sich nur wenige industrielle
Anwendungen finden.
3.1.4 Binder Jetting41
Prinzip: Wie LBM und EBM basiert das Binder Jetting auf dem Pulverbett-
prinzip und dem iterativen Auflegen und Verarbeiten von Pulverschichten.
Das Material wird jedoch nicht aufgeschmolzen, sondern mit einem flüssi-
gen Bindemittel zu einem Grünling verklebt (Abbildung 5). Hierzu kom-
men tintenstrahlähnliche Druckköpfe zum Einsatz. Dem eigentlichen Bin-
der-Jetting-Prozess schließen sich schrumpfungsbehaftete Nachbearbei-
tungsschritte an (Sinter- und Infiltrationsprozesse wie bei Material-
Extrusion-Verfahren).
41 Synonyme/zugehörige Prozesse: 3DP und andere
Grundlagen und Stand der Technik 35
Versorgungs-
plattform
mit Pulver
Druckkopf
Pulverrolle
Pulver
farbige Bauteile
mit komplexen
Formen
Eingefärbte
Flüssigkeit: das
Pulver, welches
mit Bindemittel in
Kontakt kommt,
verfestigt sich.
Abbildung 5: Funktionsprinzip Binder Jetting
Verfügbare Werkstoffe: Das Verfahren ist bezüglich der einsetzbaren
Legierungen flexibel, wodurch eine umfangreiche Werkstoffpalette an
Legierungen verfügbar ist. Theoretisch sind alle Legierungen geeignet, die
sich für einen Sinterprozess oder Infiltrationsprozess eigenen. Durch den
Infiltrationsprozess entsteht ein hybrides Werkstoffsystem.
Werkstoffeigenschaften: Die Werkstoffeigenschaften verhalten sich ähn-
lich zu den im Material-Extrusion-Verfahren hergestellten Materialien. Es
handelt sich um einen vergleichsweise porösen Werkstoff mit geschwäch-
ten mechanischen Kennwerten.
Oberflächeneigenschaften: Aufgrund des Einsatzes von tintenstrahlähnli-
chen Druckköpfen ist die Auflösung des Verfahrens sehr gut. Daraus ergibt
sich eine hohe Oberflächengüte und sehr hohe Formgenauigkeit.
Prozesslimitationen: Da der Prozess keine ausschlaggebenden Eigen-
spannungen verursacht, werden keine Stützstrukturen benötigt. Das Ver-
fahren besitzt im Vergleich zu anderen additiven Fertigungsverfahren die
höchste Gestaltungsfreiheit. Eine Anpassung der Bauteilkonstruktion auf
das Fertigungsverfahren ist praktisch nicht nötig. Der zweite Vorteil des
Verfahrens liegt in der hohen Fertigungseffizienz. Es ist jedoch zu berück-
sichtigen, dass wie beim Material-Extrusion-Verfahren langwierige und
36 Grundlagen und Stand der Technik
aufwendige Nachbearbeitungsschritte nötig sind. Momentan finden sich
Anlagensysteme mit Bauvolumen von 800 x 500 x 400 mm am Markt.42
Kosten: Es handelt sich um ein kostengünstiges Verfahren. Sowohl Investi-
tionskosten wie auch Betriebskosten sind vergleichsweise gering.29 Es
fallen nur wenig Abfälle an.
Aktuelle Marktrelevanz: Der Ursprung des Binder Jetting findet sich in
der Prototypenfertigung und im Formenbau. Wie auch im Falle des Materi-
al-Extrusion-Verfahrens ist die Verarbeitung von Metallen vergleichsweise
neu, mit dementsprechend aktuell geringer Marktrelevanz.
Fazit: Es handelt sich um ein produktives Verfahren. Das Prinzip ermög-
licht die höchste Gestaltungsfreiheit bei geringen Kosten. Die mechani-
schen Werkstoffeigenschaften sind jedoch reduziert.
3.1.5 Sheet Lamination43
Prinzip: Beim metallischen Sheet Lamination werden Bleche mithilfe von
Ultraschall miteinander verschweißt. Die Konturgebung der einzelnen
Blechschichten erfolgt über zerspanende Methoden. Der zweistufige Bear-
beitungsschritt einer Schicht ist in Abbildung 6 dargestellt.
Metallbasisplatte
Metallband
rotierender Wandler
Wandler Walzkopf Wandler
Abbildung 6: Funktionsprinzip Sheet Lamination
42 Vgl. Kianian (2016).
43 Synonyme/zugehörige Prozesse: Laminated object manufacturing (LOM) und andere.
Grundlagen und Stand der Technik 37
Verfügbare Werkstoffe: Ein großer Vorteil der Technologie liegt darin,
dass sich verschiedene Legierungen miteinander verschweißen lassen, um
so hybride Materialverbundsysteme zu erzeugen. Gebräuchlich sind Alu-
minium, Kupfer, Stahl und Edelstahl. Theoretisch lassen sich aber alle
schweißbaren und zerspanbaren Legierungen verarbeiten.
Werkstoffeigenschaften Die resultierenden Werkstoffeigenschaften sind
werkstoffabhängig. Der Werkstoff ist jedoch aufgrund der Bindenähte stets
geschwächt und weist eine hohe Anisotropie auf.
Oberflächeneigenschaften: Durch die spanende Bearbeitung sind die
Oberflächengüte sowie die Formgenauigkeit für ein additives Fertigungs-
verfahren sehr hoch.
Prozesslimitierungen: Die Gestaltungsfreiheit ist relativ begrenzt. Hinter-
schneidungen lassen sich zwar durch Stützstrukturen stärken, die Umset-
zung gestaltet sich jedoch kompliziert. Das Bauvolumen aktueller Anlagen-
systeme ist vergleichsweise groß (1800 x 1800 x 900 mm). Es sind keine
Nachbearbeitungsschritte nötig.
Kosten: Während des Prozesses fällt eine große Menge nicht wiederver-
wertbaren Abfalls an. Das führt zu hohen Material- und Entsorgungskosten,
sodass die Technologie für Serienfertigungen weniger geeignet ist.
Aktuelle Marktrelevanz: Aufgrund der Eignung für Spezialanwendungen
findet sich keine besondere Marktrelevanz der Technologie bzw. gibt es
nur wenige Maschinenhersteller am Markt.
Fazit: Es handelt sich um eine Nischentechnologie, deren Stärke sich in
Spezialanwendungen findet (bspw. hybride Materialien, innere Strukturen
oder Sensorintegration). Es werden keine Nachbearbeitungsschritte benö-
tigt, jedoch fallen große Abfallmengen an. Die Technologie ist somit nicht
für Strukturbauteile geeignet und sollte vorrangig für die genannten Spezi-
alanwendungen genutzt werden.
3.1.6 Zusammenfassung
Die Tabelle 1 zeigt eine Übersicht über die Vor- und Nachteile der vorge-
stellten additiven Fertigungsverfahren, basierend auf den vorangegange-
38 Grundlagen und Stand der Technik
nen Erläuterungen. Hierbei ist zu beachten, dass es sich um eine qualitati-
ve Bewertung handelt, welche die Unterschiede der verschiedenen Metho-
den relativ zueinander hervorhebt.
Tabelle 1: Zusammenfassende Bewertung der betrachteten Verfahrensgruppen
Anforderung PBF DED BJ ME SL
mechanische Eigenschaften
relative Dichte
+
+
-
Festigkeit
+
+
-
-
Duktilität
+
Ermüdungseigenschaften
k. D.
k. D.
k. D.
Eigenspannung
-
+
+
Anisotropie
+
+
-
Kosten
Investitionskosten
-
+
Betriebskosten
-
-
+
-
Baugeschwindigkeit
-
-
allgemeine Anwendbarkeit
Vorhandene Legierungen
+
+
Oberflächengüte
-
+
Staircase Effect
-
-
Formgenauigkeit
+
-
+
Designlimitierungen
-
-
-
Bauvolumen
+
Marktrelevanz
Verbreitung des Verfahrens
+
-
Branchenrelevanz
+
-
-
PBF: Powder Bed Fusion; DED: Directed Energy Deposition; BJ: Binder Jetting; ME: Material Extrusion;
SL: Sheet Lamination
+ Gut
Mittel
- Schlecht
k. D. keine Datenbasis
Grundsätzlich ist an dieser Stelle festzuhalten, dass für jeden Einsatzzweck
das jeweils passende additive Fertigungsverfahren genutzt werden sollte
(siehe ISO/DIS 20195), denn die Vorzüge der verschiedenen Fertigungsver-
fahren liegen in jeweils anderen Bereichen. Die Prozesse stehen somit
nicht in Konkurrenz zueinander, sondern sind komplementär.
3.2 Produktentwicklungsprozesse und computerge-
stützte Strukturoptimierung von 3D-Bauteilen
Traditionell kommt zur Auslegung und Konstruktion von Bauteilen ein
konventioneller Entwicklungsprozess zum Einsatz (Abbildung 7).
Grundlagen und Stand der Technik 39
KONVENTIONELLER ENTWICKLUNGSPROZESS
1
Erfahrungs-
basierte
Konstruktion
Fertigung und
Nachbearbeitung
Ableiten eines
Simulations-
modells
Numerische
Simulation
(FEM)
Anpassung auf
Basis der
Simulation
Abbildung 7: Konventioneller Entwicklungsprozess
Der konventionelle Produktentwicklungsprozess beschreibt das iterative
Vorgehen von Konstruktion und anschließender Berechnung des konstru-
ierten Bauteils bis zum finalen Produkt. Dabei ist es üblich, dass Konstruk-
tionen mehrfach verändert werden müssen, bis z. B. die Vorgaben bezüg-
lich der Steifigkeit und Festigkeit in den Berechnungen erfüllt werden
können. Die Effizienz des konventionellen Produktentwicklungsprozesses
hängt somit maßgeblich von den Erfahrungen der Konstrukteure ab und
lässt sich unter Nutzung konventioneller Produktentwicklungsmethoden
nur schwer automatisieren. Hinzu kommt, dass ganze Generationen von
Ingenieuren und Konstrukteuren während ihrer Ausbildung einen konven-
tionellen Produktentwicklungsprozess und entsprechende Konstruktions-
richtlinien gelehrt bekommen. Dieser Prozess basiert auf den Fertigungs-
restriktionen von konventionellen Fertigungsverfahren (bspw. Drehen,
Fräsen, Gießen), die jedoch nicht mehr für additive Fertigungsprozesse
gelten.
Um das ganze Potenzial additiver Fertigungsverfahren und der damit ver-
bundenen Gestaltungsfreiheit auszunutzen, bedarf es somit eines dedizier-
ten Produktentwicklungsprozesses und eines Einsatzes moderner Entwick-
lungsmethoden für die additive Fertigung (Abbildung 8).
40 Grundlagen und Stand der Technik
ENTWICKLUNGSPROZESS FÜR DIE ADDITIVE FERTIGUNG
Ableiten eines
Simulationsmodells
Numerische
Simulation (FEM)
Fertigung und
Nachbearbeitung
Strukturoptimierung
und Redesign
Abbildung 8: Entwicklungsprozess für die additive Fertigung
Ableiten eines Simulationsmodells: Im Gegensatz zum konventionellen
Produktentwicklungsprozess wird im ersten Schritt ein Simulationsmodell
erstellt. In diesem Modell werden die Randbedingungen wie Lagerungen
und Belastungen, beispielsweise in Form von Kräften, Momenten oder auch
Schwingungen, definiert. In einem nächsten Schritt wird der maximale
Bauraum bestimmt sowie eine Einteilung in Design- und Nicht-Design-
Bereiche vorgenommen.
Design-Bereiche kennzeichnen dabei Gebiete, in denen der Topologie-
optimierungsalgorithmus Werkstoff ab- bzw. antragen darf, um eine op-
timierte Struktur zu errechnen.
Nicht-Design-Bereiche hingegen definieren Bereiche, in denen Material
unbedingt notwendig ist, um beispielsweise an anderen Strukturen an-
zubinden oder um Kräfte aufzunehmen.
Strukturoptimierung und Redesign durch Topologieoptimierung: Nach
der Definition potenzieller Belastungen und der Einteilung des Design-
raums werden Ziele und Beschränkungen der Optimierung definiert. Typi-
sche Ziele einer Topologieoptimierung sind beispielsweise die Reduzierung
von Bauteilvolumen, die Maximierung der Bauteilsteifigkeit oder die Redu-
zierung von Bauteilspannungen. Da die alleinige Definition eines Optimie-
rungsziels zu mathematisch trivialen Lösungen führen würde, müssen
Einschränkungen des Lösungsraumes vorgenommen werden. Mögliche
Einschränkungen sind die Begrenzung des Bauteilvolumens oder eine
Begrenzung der maximalen Spannungen. Eine konkrete Optimierungsauf-
gabe könnte somit lauten:
Maximiere die Bauteilsteifigkeit bei einer definierten Kraftwirkung auf
das Bauteil und nutze dabei nur 40 % des festgelegten Designraums.
Grundlagen und Stand der Technik 41
Der Optimierungsalgorithmus würde dann das vorgegebene Material (40 %
des Ausgangsvolumens) so im Designraum verteilen, dass unter den defi-
nierten Belastungen (Krafteinwirkung) eine verbesserte Steifigkeit des
Bauteils erreicht wird. Die optimierte Materialverteilung wird in einem
iterativen Prozess ermittelt. Die am häufigsten eingesetzten Topologieop-
timierungsalgorithmen basieren auf der Solid-Isotropic-Material-with-
Penalization-Methode (SIMP).44 Bei dieser gradientenbasierten Optimie-
rungsmethode wird jedem Element eine künstliche Dichte zwischen 0 und
1 zugewiesen. Die Dichte hat einen Einfluss auf das Elastizitätsmodul und
damit die Steifigkeit des Bauteils. In einem iterativen Prozess wird die
Spannungsverteilung im Bauteil berechnet und die Dichte angepasst. Die
Elemente in Bereichen mit niedrigen Spannungen bekommen dabei eine
Dichte nahe 0 und Elemente mit hoher Spannung eine Dichte von nahe 1
zugewiesen. Das Ergebnis der Topologieoptimierung ist eine Materialvertei-
lung in Form einer Dichteverteilung des Materials, welche zur Ableitung
eines CAD-Modells (Redesign) genutzt wird (detailliertere Erläuterungen
zur Topologieoptimierung sind dem Anhang A zu entnehmen).
Zusammenfassend kann für diesen Schritt festgehalten werden, dass zu-
meist mit einer Topologieoptimierung begonnen wird, um die hohe Gestal-
tungsfreiheit bei der additiven Fertigung auszunutzen. Ziel dieser Optimie-
rung ist es, einen ersten Konstruktionsvorschlag für die Topologie der
Formgebung zu erhalten. Dieser dient als Grundlage für weitere Optimie-
rungsmethoden wie der Formoptimierung. Bei der Formoptimierung wird
eine bereits bestehende Topologie nur minimal verändert, bis die definier-
ten Anforderungen an das Bauteil erfüllt werden können. An dieser Stelle
wird darauf hingewiesen, dass es noch weitere Strukturoptimierungsme-
thoden gibt, die ausführlich in Walzl et al.45 beschrieben werden. Die Kom-
bination von Topologie- und Formoptimierung findet jedoch im Produkt-
entwicklungsprozess für die additive Fertigung am häufigsten Einsatz.
Numerische Simulation (FEM)/automatisierte Shape Optimierung: Das
CAD-Modell des Redesigns ist Ausgangspunkt für eine erneute Simulation.
44 Vgl. Sigmund und Maute (2013).
45 Vgl. Walzl und Buchmayr (2017).
42 Grundlagen und Stand der Technik
Dabei werden die anfangs definierten Belastungsszenarien verwendet, um
zu überprüfen, ob das topologieoptimierte Bauteil den Belastungen stand-
hält. Oftmals werden in diesem Schritt auch automatisierte Formoptimie-
rungen angeschlossen. Dabei bleibt die Topologie des Bauteils bestehen
und es werden kleinere Änderungen in Radien oder Anpassungen von
Bauteildicken durchgeführt, um beispielsweise Spannungen innerhalb des
Bauteils zu reduzieren.
Fertigung und Nachbearbeitung: Je nach gewähltem additiven Prozess
bedarf es unterschiedlicher Vorbereitungsarbeiten für den Druck. Beim
LBM-Verfahren werden z. B. Stützstrukturen benötigt, welche das zu ferti-
gende Bauteil mit der Bauplattform verbinden. Des Weiteren spielt die
Orientierung im Bauraum eine wichtige Rolle, um das Bauteil effizient zu
fertigen (Kapitel 4.3.1). Um die Bauteilqualität zu verbessern, gibt es die
Möglichkeit, den Bauprozess zu simulieren. Dadurch können kritische
Bauteilbereiche identifiziert und beispielsweise Deformationen im Bauteil
durch zusätzliche Stützstrukturen oder eine Anpassung der Bauteilorien-
tierung verringert werden. Anbieter solcher Simulationssoftware sind u. a.
Materialise, Additive Works oder Ansys.
Es ist festzuhalten, dass die Automatisierungsmöglichkeiten des beschrie-
benen Produktentwicklungsprozesses für die additive Fertigung bei Wei-
tem noch nicht ausgeschöpft sind. Komplexere Topologieoptimierungser-
gebnisse zu interpretieren und damit korrekt zu deuten erfordert bis heute
des Zutuns eines erfahrenen Konstrukteurs. Allerdings werden die Topolo-
gieoptimierungsalgorithmen beständig weiterentwickelt, sodass Konstruk-
teure zukünftig weniger eingreifen müssen.
Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz 43
4 FESTLEGUNG VON TECHNOLOGIEN, FUNKTIONELLER
EINHEIT UND SACHBILANZ
4.1 Festlegung eines Anwendungsfalls für den Einsatz
additiver Fertigungsverfahren in KMU
Der erste Schritt für die ökologische und ökonomische Bewertung für die
zu vergleichenden additiven und konventionellen Fertigungsverfahren ist
die Festlegung eines Szenarios für einen realistischen Anwendungsfall.
Zum Zweck dieser Studie wird die Fertigung strukturoptimierter Fahrzeug-
bauteile in mittelgroßer Serie als Anwendungsfall definiert. Dieses Szenario
stützt sich auf die Annahme, dass sich bisher in mittelgroßen Serien ver-
wendete, konventionelle Fertigungsverfahren in Zukunft 1:1 durch die AM-
Technologie ersetzen lassen. Gleichzeitig können damit die Möglichkeiten
zur Strukturoptimierung voll ausgeschöpft werden. Diese Studie hat also
zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung einen prospektiven Charakter. Das
heißt, das hier betrachtete Anwendungsszenario ist zum gegenwärtigen
Zeitpunkt noch nicht im industriellen Maßstab realisiert, sondern skizziert
eine als mittelfristig realistisch einzuschätzende Situation.
Definition des Anwendungsfalls für AM in KMU
Der für diese Studie festgelegte Anwendungsfall beinhaltet die
„Fertigung strukturoptimierter Fahrzeugbauteile in Losgrößen von
10.000 Stück pro Jahr.“
Das konkrete Anwendungsbeispiel betrifft die Herstellung von struktur-
optimierten Dämpfergabeln in Leichtbauweise für die Nutzung in Fahr-
zeugen (Kapitel 4.2).
Dabei sind für den Vergleich mit der bisher verwendeten Fertigungsver-
fahren folgende Randbedingungen zu berücksichtigen:
Die Modalitäten der Design- und Auftragslogistik (z. B. Lohnfertigung)
bleiben unberücksichtigt. Es wird angenommen, dass die numerische
Strukturoptimierung unabhängig vom handelnden Akteur einen in je-
dem Fall erforderlichen Teil des Konstruktions- und Entwicklungsvor-
gangs darstellt.
44 Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz
Möglichkeiten zur Realisierung nachträglicher Gestaltungsmodifikati-
on für die Verbesserung der Aufwärtskompatibilität zur technischen
Umgebung bleiben unberücksichtigt.
Der Betrachtungsrahmen des hier diskutierten Anwendungsszenarios
beschränkt sich auf die Gegebenheiten eines KMU.
Die Festlegung auf den vorgestellten Anwendungsfall gründet auf den
folgenden Überlegungen:
Für Unternehmen in der verarbeitenden Industrie ist es wichtig, die Vor-
züge der additiven Fertigungsverfahren für ihre jeweiligen Bedürfnisse
nutzbar zu machen. Sie stellen für Unternehmen ein enormes Potenzial
dar, um auch zukünftig Produkte mit dem Anspruch höchster Qualität und
Effizienz zu realisieren. Allerdings steht die Integration von AM in die
rollende Produktion gerade in der mittelständischen Industrie noch am
Anfang. Einerseits kann das AM bislang aus technischen und ökonomi-
schen Gründen noch nicht mit der konventionellen Großserienproduktion
Schritt halten. Andererseits lassen sich etablierte Produktionsprozesse
nicht ohne weiteres durch neue Technologien wie AM ersetzen. Ein Ver-
gleich konventioneller und additiver Produktionstechnologien ist deshalb
nur für solche Anwendungsfälle sinnvoll, bei denen beide Technologievari-
anten zumindest theoretisch eine äquivalente Funktion46 erfüllen können.
Beispiele für bereits industriell genutzte Anwendungen des AM sind im
Folgenden genannt:
Generierung von Prototypen aus Computermodellen für die Nutzung im
Produktentwicklungsprozess (Rapid Prototyping),
Herstellung von Spezialwerkzeugen, Vorrichtungen, Gussformlingen
und maßgeschneiderten Produktionshilfsmitteln (Rapid Tooling),
Fertigung von Unikaten oder Einzelanfertigungen auf Basis digitaler
Computermodelle (Rapid Manufacturing),
46 Hinsichtlich Losgröße, Wirtschaftlichkeit und realisierbaren Produkteigenschaften
Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz 45
Kleinstserienfertigung von Werkstücken mit Option zur individuellen
Modifikation (Customisierung),
Herstellung von Ersatzteilen auf Abruf (On-Demand-Fertigung).
AM ermöglicht eine weitgehende Strukturoptimierung in der Bauteilgestal-
tung. Komplexe Bauteile werden am Computer mit Hilfe numerischer Algo-
rithmen strukturoptimiert designt und computergesteuert gefertigt. Somit
kann durch die Fertigung mittels additiver Fertigungsverfahren der volle
Leichtbau- bzw. das volle Funktionsintegrationspotenzial ausgeschöpft
werden. Dies wäre mit konventionellen Fertigungsverfahren aufgrund
prozesstechnischer Limitationen nicht in vergleichbarem Grad machbar.
Zwar lassen sich die oben genannten Anwendungen bei niedriger Komple-
xität der Bauteiletopologie auch mit konventionellen Fertigungsverfahren
bewerkstelligen, allerdings ist die Erzeugung optimierter und vor allem
bionischer Bauteilstrukturen fast ausschließlich mittels AM möglich.
Zudem benötigen konventionelle Verfahren anders als AM eine höhere
Produktionsvorlaufzeit (production lead time) und erzeugen verhältnismä-
ßig hohe Fixkosten für den Werkzeug- und Formenbau (z. B. Gussformen).
In einem schnelllebigen Marktumfeld kann eine verkürzte Produktionsvor-
laufzeit einen Kostenvorteil bewirken, etwa bei Eilaufträgen oder schwer
vorhersehbaren Nachfragespitzen. Die kürzere Produktionsvorlaufzeit
durch AM bewirkt auch bei neuen Produktlinien einen bedeutenden Wett-
bewerbsvorteil durch zeitnahe Markteinführung.
Bislang kommen additive Fertigungsverfahren jedoch eher für eine
Kleinstserienproduktion infrage, während sich konventionelle Verfahren
wie Gießen, Schmieden oder Fräsen vor allem für die Großserienfertigung
eignen. Auch wenn strukturoptimierte und additiv gefertigte Strukturen
sich noch nicht analog zur konventionellen Großserienfertigung realisieren
lassen, so ist es dennoch für Unternehmen von hohem Interesse, die Poten-
ziale der AM-Technologie zu verstehen und zu adaptieren.
Ausgehend von diesen Überlegungen, fokussiert diese Studie exemplarisch
einen Anwendungsfall in der Automobilbranche. Dieser Industriezweig
zeichnet sich durch den ständigen Bedarf an produktionstechnischen Inno-
vationen in einem stark wettbewerblich geprägten Markt aus. Bereits jetzt
46 Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz
sind in der Fahrzeugindustrie verschiedene Anwendungsmöglichkeiten für
den 3D-Druck von Interesse. Dazu zählen u. a.
Fertigung von Fahrzeugbauteilen mit strukturoptimierter Leichtbauwei-
se in mittelgroßen Serien als Beitrag zur Erreichung von CO2-
Reduktionszielen von Motorfahrzeugen,
bedarfsweise Ersatzteilfertigung auf Abruf als Ersatz für die langfristige
Vorratslagerung von Ersatzteilen,
Fertigung von Spezialbauteilen für kundenspezifische Nutzfahrzeuge in
mittleren Stückzahlen (insbesondere bei Leasingverträgen) und
Spezialanfertigung von Unikaten für das gehobene Preissegment in der
Automobilbranche.
Ob und wie lange die momentan geltenden Limitationen der AM im Bereich
der Groß- und Mittelserienfertigung bestehen bleiben, wird sich in den
kommenden Jahren zeigen. Gegenwärtige Innovationen wie die Vergröße-
rung des Bauraums und die Reduktion der Fertigungszeit lassen vermuten,
dass AM-Technologien mittelfristig für die Serienfertigung interessant
werden. Daher liegt dieser Studie der oben erläuterte Anwendungsfall einer
Fertigung strukturoptimierter Fahrzeugbauteile in mittelgroßer Serie zu-
grunde. Mit Blick auf die zuvor diskutierten Unterschiede der Fertigungs-
verfahren soll das Vergleichsszenario einen relevanten Anwendungsfall für
den industriellen Einsatz konventioneller und additiver Technologien ver-
körpern. Für das gewählte Szenario gelten die folgenden Prämissen:
Relevanz für industrielle Anwendung auch außerhalb hoch spezialisier-
ter Marktnischen,
Aussicht auf ökonomische Vorteile für KMU: Es wird angenommen, dass
Unternehmen besonderes an ihrer erhöhten Wettbewerbsfähigkeit mit-
tels AM interessiert sind
Kompatibilität mit den sonstigen Fertigungsprozessen in KMU und
deren Marktumfeld (insbesondere Qualitätsanforderungen, Prüf- und
Testprozeduren, Zulassungen und Zertifikate),
Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz 47
Kompatibilität zu regulatorischen Rahmenbedingungen und Standards,
Erfüllbare technische Parameter für den Einsatz der AM zum vorgese-
henen Einsatzzweck,
Die ökonomische und ökologische Bewertung bezieht sich dabei aus-
schließlich auf die im Szenario definierte gemeinsame Schnittmenge zwi-
schen beiden Fertigungsverfahren. Eine universelle Vergleichbarkeit der
Bewertungsergebnisse für konventionelle und additive Technologien ist
nicht das Ziel dieser Studie.
4.2 Festlegung des Referenzbauteils für die Bewertung
4.2.1 Charakteristika und technische Randbedingungen für
die additive Fertigung des Referenzbauteils
Als Vergleichsgrundlage liegt dieser Studie ein konkret vorhandenes Bau-
teil zugrunde, welches von einem Automobilzulieferer zur Verfügung ge-
stellt wurde. Abbildung 9 zeigt diese Dämpfergabel eines Pkw, bestehend
aus einer gesenkgeschmiedeten Aluminium-Gusslegierung. Die konventio-
nell hergestellte Dämpfergabel besitzt ein Gewicht von 1,3 kg.
Abbildung 9: Konventionell hergestellte Dämpfergabel
Die Dämpfergabel überträgt Kräfte von einem Feder-Dämpfer-System auf
einen Integralträger des Fahrwerks und ist damit ein zentrales Struktur-
bauteil eines Automobils. Aufgrund der Charakteristik eines Feder-
Dämpfer-Systems müssen die verwendeten Bauteile während ihrer Le-
48 Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz
bensdauer eine Vielzahl an Lastwechseln aushalten. Abbildung 10 skizziert
die Dämpfergabel in der eingebauten Position im Fahrzeug.
Int egr al t r äger
Dämpf er gabel
Dämpf er
Feder gabel
Integralträger
Dämpfer
Federgabel
Dämpfergabel
Abbildung 10: Schematische Abbildung der Einbauposition der Dämpfergabel in einem
Fahrzeug
Bei der Konstruktion der Dämpfergabel ist zu gewährleisten, dass hohe
Belastungen wie das Überfahren von Bordsteinen oder anderen Hindernis-
sen bei höheren Geschwindigkeiten nicht zu einem abrupten Versagen des
Gesamtsystems führen. Deshalb definieren Automobilhersteller genaue
Anforderungen an verbaute Komponenten. Im Falle der Dämpfergabel
definierte der Hersteller einen kritischen Lastfall. Abbildung 11 zeigt in
vereinfachter Form die Krafteinleitung und Lagerung der Dämpfergabel.
Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz 49
Kr af t , F
Lager ung
Z
X
Y
Abbildung 11: Definiertes Belastungsszenario der Dämpfergabel
Das dargestellte Belastungsszenario stellt die Basis für die Randbedingun-
gen des Simulationsmodells dar. Die Kraft wirkt senkrecht von oben auf die
Dämpfergabel ein und wird durch diese an die untere Achse weitergeleitet.
Die Achse dient dabei als Lagerungspunkt. In dem dargestellten verein-
fachten Modell sind alle drei Freiheitsgrade in die jeweiligen Raumrichtun-
gen blockiert.
4.2.2 Strukturoptimierung des additiv zu fertigenden Refe-
renzbauteils
Für das Referenzbauteil wird als Werkstoff ein Aluminiumpulver (Lieferant
APWorks) der Legierung Scalmalloy© AlMg4.5Sc0.7Zr0.3 mit folgenden
Materialeigenschaften vorgesehen:
Zugfestigkeit: 520 MPa
E-Modul: 70 GPa
Dichte: 2,7 g/cm3
Querkontraktionszahl: 0,33
50 Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz
Zusätzlich wird die Aluminiumlegierung AlSi10Mg als potenzieller
Werkstoff in die Betrachtungen aufgenommen. Zwar ist die maximale Zug-
festigkeit mit 370 MPa geringer als bei Scalmalloy©, doch liegen die Be-
schaffungskosten für das AlSi10Mg-Metallpulver (siehe Kapitel 5.3) deut-
lich unter denen für Scalmalloy©.
Die Wahl der Aluminiumpulver ist durch zwei Faktoren bestimmt. Einer-
seits handelt es sich bei dem betrachteten Referenzbauteil um eine Leicht-
baustruktur und andererseits kann das im Prozess nicht aufgeschmolzene
Metallpulver wiederverwertet werden. Hierzu werden die Werkstücke aus
dem Pulverbett entfernt und das Restpulver gesiebt, um Verunreinigungen,
Agglomerationen oder Schweißperlen zu entfernen.
Für die Topologieoptimierung der vorliegenden Dämpfergabel wird die
Software OptiStruct von der Firma Altair eingesetzt und die folgenden
Schritte durchlaufen. Die Angaben der Arbeitszeit beziehen sich auf die
Durchführung der Topologieoptimierung der in dieser Studie beschriebe-
nen Dämpfergabel.
Aufbau des Finite Elemente (FE)-Modells/Simulationsmodells: Um die
Topologie eines Bauteils zu optimieren, wird, wie in Kapitel 3.2 beschrie-
ben, ein maximaler Designraum festgelegt und ein FE-Netz erstellt. Für das
Erstellen des FE-Netzes werden Tetra-Elemente benutzt. Je nach Komplexi-
tät des vorgegebenen Design- bzw. Nicht-Designraums kann es notwendig
sein, das verwendete CAD-Modell vorher zu vereinfachen. Fasen, Abrun-
dungen und Ähnliches werden dabei entfernt, um das Vernetzen des Kör-
pers zu vereinfachen. Im Falle der Optimierung der Dämpfergabel ergab
sich durch Rücksprache mit dem Hersteller die Geometrie des konventio-
nellen Designs als maximaler Designraum. Zusätzlich wird festgelegt,
welche Bereiche der Bauteilgeometrie nicht veränderbar sind, weil sie
beispielsweise Kontaktflächen zu anderen Baugruppen darstellen. Abbil-
dung 12 zeigt die beschriebene Unterteilung in Designraum und Nicht-
Designraum.
Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz 51
Desi gnr aum
Ni ch t -Desi gnr aum
Abbildung 12: Optimierungsmodell der Dämpfergabel mit Einteilung in Design- und
Nicht-Designbereiche
Folgend wird ein Belastungsszenario festgelegt. Dabei werden die in Abbil-
dung 11 beschriebenen Kräfte und Lagerungen als Basis für das Simulati-
onsmodell verwendet (Arbeitsaufwand 7 Stunden).
Definition des Optimierungsziels: Um die Steifigkeit der Dämpfergabel
zu maximieren wird als Optimierungsziel die Minimierung der Verfor-
mungsenergie (strain energy oder compliance) gewählt. Die Verformungs-
energie ist dabei ein globales Maß der Deformationen im Bauteil (Arbeits-
aufwand 2 Stunden).
Durchführung der Topologieoptimierung: Nach dem Randbedingungen
definiert und die Optimierungsziele formuliert sind, erfolgt die Topologie-
optimierung. Je nach Komplexität des Optimierungsmodells kann die Be-
rechnungszeit stark variieren. Haupteinflussfaktoren sind dabei die Art
und Anzahl der definierten Lastfälle sowie die Anzahl der verwendeten
Elemente. Die Topologieoptimierung für die Dämpfergabel hat mit einem
Desktop-Rechner (Windows 8.1 (x64), Intel(R) Core(TM) i7-4770 CPU @
3.40GHz; 32 GB RAM) und 1,4 Mill. Tetra-Elementen für das vernetzte
Bauteil 55 Minuten gedauert.
Interpretation der Topologieoptimierungsergebnisse: Das Ergebnis der
Topologieoptimierung ist eine Materialverteilung mit einer zugeordneten
künstlichen Dichte von 0 bis 1 für jedes Element (Abbildung 13). Element-
52 Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz
dichten nahe 1 (rot) kennzeichnen Bereiche, in denen Material benötigt
wird. Grün eingefärbte Elemente stellen Bereiche mittlerer Dichte (0,5) dar
und türkisfarbene Elemente repräsentieren Segmente niedrigerer Dichte, in
denen kaum Material benötigt wird.
Berei ch hoher Dicht e
Berei ch mi t t ler er Dicht e
El ement dicht en > 0.9
El ement dicht en > 0.6
El ement dicht en > 0.3
Berei ch ger i nger Dicht e
Abbildung 13: Materialverteilung in unterschiedlichen Ebenen als Ergebnis der
Topologieoptimierung der Dämpfergabel
Typischerweise bedürfen Ergebnisse einer Topologieoptimierung durch das
Auftreten größerer Bereiche einer mittleren Dichte einer Interpretation.
Damit wird eine stetige und glatte Oberflächenstruktur einer Komponente
gewährleistet. Zwar gibt es in den meisten Topologieoptimierungspro-
grammen Möglichkeiten, die Ergebnisse hinsichtlich ihrer Interpretations-
fähigkeit zu verbessern, etwa durch Fertigungsrestriktionen oder auch
Filter. Doch gerade bei komplexeren Optimierungsmodellen stoßen diese
Methoden derzeit noch an ihre Grenzen.
Für einen optimalen Überblick über die Topologieoptimierungsergebnisse
ist es ratsam, verschiedene Bereiche der Dichteverteilungen zu betrachten
und in primäre und sekundäre Lastpfade zu unterteilen. Abbildung 13 zeigt
die verschiedenen Bereiche der Topologieoptimierungsergebnisse der
Dämpfergabel. Links sind alle Elemente mit einer künstlichen Dichte von
mehr als 0,3 angezeigt und in der Mitte alle Elemente mit mehr als 0,6. Die
Bereiche mit einer größeren Dichte als 0,6, aber mit einer geringeren Dich-
Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz 53
te als 0,9 werden als sekundäre Lastpfade bezeichnet. Rechts in der Abbil-
dung sind Elemente mit einer Dichte größer gleich 0,9 dargestellt. Hierbei
handelt es sich um primäre Lastpfade. Diese Differenzierung ermöglicht
und vereinfacht eine konstruktive Interpretation der Strukturen durch
einen Ingenieur, kann aber auch für eine spätere Automatisierung dieses
Prozesses als Designrichtlinie dienen. Dichtebereiche mit einer Dichte
zwischen 0,3 und 0,6 stehen als Design-Bereiche für die anschließende
Formoptimierung zur Verfügung.
Erstellung des Redesigns: Auf Grundlage der Lastpfaddifferenzierung
wird das sogenannte Redesign erstellt. Hierbei werden die Topologieergeb-
nisse in Form von ISO-Surface-Modellen als STL-Datei der Dichtegrenzen
(0,6 und 0,9) in eine entsprechende CAD-Software importiert und dort
auskonstruiert. Abbildung 14 zeigt das Redesign der Dämpfergabel, wel-
ches in CATIA V5 erstellt wurde. CATIA V5 bietet mit den Modulen des
Generative Shape Design und Imagine and Shape eine Reihe von Mög-
lichkeiten, Freiformkörper zu realisieren.
Frei f or mkör per
Paramet r i sches Design
Ver bindungsf l ächen
Verbindungsflächen
parametrisches
Design
Freiformkörper
Abbildung 14: Redesign der Dämpfergabel mit Anwendung des Konzepts der hybriden
Übergangsbereiche von Hoschke et al.47
47 Vgl. Hoschke et al. (2018).
54 Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz
Bei dem Redesign der Dämpfergabel ist das von Hoschke et al.36 beschrie-
bene Konzept der hybriden Übergangsbereiche angewandt worden. Dabei
wird das Topologieoptimierungsergebnis mithilfe von Freiformkörpern
nachmodelliert. Verbindungsbereiche zu anderen Bauteilen werden para-
metrisch konstruiert. Freiformkörper und parametrische Elemente werden
durch Verbindungsflächen verknüpft. Durch dieses hybride CAD-Konzept
kann das Beste aus beiden Konstruktionswelten zusammengeführt werden.
Zum einen ist es durch den Einsatz des parametrischen Designs möglich,
Aufmaßflächen bei Interfacestrukturen genauestens zu definieren und für
die Nachbearbeitung (beispielsweise Fräsen von Funktionsflächen) effektiv
und genau anzupassen. Zum anderen bietet der Einsatz der Freiformmodel-
lierung die Möglichkeit, das Topologieoptimierungsergebnis in seiner geo-
metrischen Komplexität abzubilden und gegebenenfalls nach einer
Formoptimierung effektiv anzupassen.
Ergebnis der Strukturoptimierung:
Gewicht der konventionell gefertigten Dämpfergabel: 1,3 kg
Gewicht der strukturoptimierten Dämpfergabel
mit Scalmalloy©:1,14 kg
entspricht einer Massenersparnis von 12 %
Gewicht der strukturoptimierten Dämpfergabel mit AlSi10Mg: 1,23 kg
entspricht einer Massenersparnis von 5 %
4.3 Auswahl der additiven und konventionellen Ferti-
gungsverfahren
4.3.1 Auswahl des additiven Fertigungsverfahrens
Um den möglichen Mehrwert durch die Nutzung additiver Fertigungsver-
fahren zu verdeutlichen, gilt es, eine für den Anwendungsfall (Kapitel 4.1
und 4.2) geeignete AM-Technologie auszuwählen. Bei dem betrachteten
Referenzbauteil (Kapitel 4.2) handelt es sich um ein Strukturbauteil für die
Anwendung in Automobilen. Dieser Anwendungszweck erfordert die Her-
stellung hoher Stückzahlen zu vertretbaren Preisen. Dies gilt gleicherma-
ßen für das konventionelle sowie additive Fertigungsverfahren. Da es sich
um eine Fallstudie handeln soll, ist des Weiteren die aktuelle Relevanz der
Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz 55
Technologie in der Branche ausschlaggebend. Die Auswahl soll somit auf
folgenden Prioritäten basieren:
(1) gute mechanische Werkstoffeigenschaften,
(2) eine hohe Marktrelevanz und
(3) eine hohe Fertigungsrate.
Die folgende Verfahrensauswahl basiert auf der in ISO DIS 20195 vorge-
stellten Methode. Hierbei wird zunächst das AM-Potenzial eines Bauteils
(1) identifiziert. Gefolgt von der Auswahl des AM-Prozesses (2) und einer
anschließenden Überprüfung der Kosten (3), welche eine iterative Desig-
noptimierung unter Berücksichtigung der Vorteile der additiven Ferti-
gungsverfahren vorsieht.
Identifizierung des AM-Potenzials des Bauteils (1)
Das AM-Potenzial des Referenzbauteils findet sich in erster Linie im Be-
reich der Strukturoptimierung und somit im Leichtbau (Kapitel 4.2). Da es
sich um eine Komponente aus der Automobilindustrie handelt, könnte auch
die reine Ersatzteilfertigung von Vorteil sein. Weiteres Potenzial könnte in
einer Integralbauweise und Funktionsintegration liegen. Denkbar wäre
beispielsweise die Integration von redundanten Gittersystemen und somit
von Fail-Safe-Mechanismen.
Auswahl des AM-Prozesses (2)
Die ISO DIS 20195 schlägt eine Bewertung auf Basis einer Bewertungsta-
belle vor. Die folgende Bewertung basiert auf Tabelle 1 (Kapitel 3.1.6).
Sheet Lamination
-Verfahren sind aufgrund der hohen Anisotropie und
relativ schwachen Werkstoffkennwerte für Strukturbauteile ungeeignet.
Hinzu kommen eine für das strukturoptimierungstypisch bionische Design
ungünstige Gestaltungsfreiheit sowie eine niedrige Marktrelevanz.
Material Extrusion-
Verfahren erzeugen für Strukturbauteile ungünstige,
reduzierte mechanische Kennwerte und zeichnen sich zudem durch eine
sehr niedrige Baugeschwindigkeit aus.
56 Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz
Binder Jetting-
Technologien weisen zwar eine hohe Gestaltungsfreiheit und
Baugeschwindigkeit auf, basieren jedoch wie Material-Extrusion-Verfahren
auf der Fertigung von Grünlingen, welche in Sinterprozessen gebrannt
werden müssen. Hieraus resultiert eine mechanische Schwächung des
Werkstoffs.
Verfahren der Gruppe
Directed Energy Deposition
werden üblicherweise
nicht für komplette Strukturkomponenten eingesetzt, da die schlechte
Oberflächengüte für solche Bauteile eine aufwendige Nachbearbeitung
erfordert. Die Werkstoffeigenschaften sind zwar gut, die Aufbaurate ist
jedoch nicht ausreichend.
Powder Bed Fusion
-Prozesse eignen sich am besten aufgrund der zu kon-
ventionell gefertigten Materialien ähnlichen Werkstoffeigenschaften48, der
annehmbaren Aufbaurate/Produktivität und der damit einhergehenden
hohen Marktrelevanz. Das Verfahren wird typischerweise für Struktur-
komponenten eingesetzt. Da es sich bei dem Referenzbauteil um eine
Leichtbaukomponente handelt, sollten Aluminium oder Titanlegierungen
mit hohen spezifischen Kennwerten zum Einsatz kommen. Das Referenz-
bauteil gibt die Verwendung einer Aluminiumlegierung bereits vor. EBM
spielt seine Stärken bei Legierungen mit starken Eigenspannungen aus
(beispielsweise Ti6Al4V), ist jedoch bei Materialien mit einem niedrigen
Schmelzpunkt wie Aluminium tendenziell weniger geeignet, da sich der
hohe Energieeintrag schwer kontrollieren lässt. Somit ist das LBM-
Verfahren besser geeignet. Für Titankomponenten wäre EBM vorteilhafter.
Die Wahl fällt somit auf das LBM-Verfahren.
Die Charakteristika des angewandten LBM-Verfahrens zur Herstellung des
vorgestellten, strukturoptimierten Referenzbauteils gestalten sich dabei
folgendermaßen:
48 Vgl. VDI 3405 Blatt 2.1 (2015).
Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz 57
(a) Eingesetzte Anlage zur Herstellung des Referenzbauteils
Für die Untersuchung kommt eine moderne, auf Produktivität und Kleinse-
rien ausgelegte Anlage zum Einsatz (EOS M 400, Abbildung 15, links). Dies
zeigt sich vor allem in den großen Schichtstärken (90 µm), der Doppelweg-
und somit beschleunigten Beschichtung, dem großen Bauraum (400 mm x
400 mm x 400 mm) sowie der hohen Laserleistung (1 kW), welche schnel-
lere Belichtungen und dickere Schichten ermöglicht. Da das Pulver auf-
grund seiner Feinkörnigkeit in einer sauerstoffreichen Atmosphäre leicht
entzündlich ist und somit ein Sicherheitsrisiko darstellt, findet der Prozess
unter einer Schutzgasatmosphäre statt. Des Weiteren wird ein Schutz-
gasstrom über die Bauplattform geleitet, um bei der Belichtung entstehen-
de Schweißnebenprodukte abzutragen (Abbildung 15, rechts). Die Bauplatt-
form wird auf 45 °C erwärmt, um die thermischen Bedingungen während
des Prozesses annähernd konstant zu halten.
Abbildung 15: Links: Für die Fertigung genutzte EOS M 400/Rechts: M400-
Prozesskammer mit zentraler Bauplattform, Beschichtungssystem und Inertgas-
Schutzfilm (Stromrichtung: Von rechts nach links)
Da für viele Werkstoffe eine Stickstoffatmosphäre genügt, ist die Anlage
mit druckluftbasierten Stickstoffgeneratoren ausgestattet. Die meisten
Maschinen werden allerdings über externe Quellen mit Stickstoff oder
Argon versorgt. Zur Auf- und Abrüstung sowie zur Pulveraufbereitung und
Stützstrukturentfernung kommt noch eine Reihe von Peripheriegeräten
(z. B. Nassabscheider, Siebeinheit und Bandsäge) mit geringem Ressour-
cenbedarf zum Einsatz. Des Weiteren wird der Laser der Anlage über eine
externe Kühleinheit gekühlt.
Z
Y
X
Einst r ömende Sei t e
des
Schut zgasst r oms
Ausst römende
Seit e des
Schut zgasst r oms Beschi cht er syst em
Schutzgasstrom,
ausströmende
Sei te
Beschichter-
system
Schutzgasstrom,
einströmende
Sei te
58 Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz
(b) Bauteil-Positionierung und -Orientierung
Die Orientierung des Werkstücks ist aufgrund fertigungstechnischer Be-
schränkungen ausschlaggebend für die Herstellbarkeit wie auch für die
Qualität.49,50 Auch wenn es aus ökonomischer Sicht günstig wäre, ein
Werkstück mit möglichst geringer Projektionsfläche auf der Bauplattform
zu positionieren, um so möglichst viele Werkstücke in einem Fertigungs-
durchgang herzustellen, ist dies aus technischen Gründen nicht immer
umsetzbar. Für die folgenden Untersuchungen wurde das Werkstück stets
in einer für die Fertigung und Qualität günstigen Orientierung positioniert.
(c) Stützstrukturerzeugung
Bei der Stützstruktur handelt es sich um filigrane Elemente, die aus dem-
selben Werkstoff wie das Werkstück bestehen. Um Bauzeit und Pulver
einzusparen, kommen strukturoptimierte Geometrien zum Einsatz. Für die
folgenden Untersuchungen wurde eine Standard-Stützstruktur vom Typ
»Block« genutzt (Abbildung 16).
Abbildung 16: Stützstruktur zur Fixierung des Bauteils. Links: Digitales CAM-Modelle
Vorbereitung. Rechts: Gefertigtes Bauteil mit Stützstrukturen
49 Vgl. Gebhardt (2013).
50 Vgl. Kianian (2016).
Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz 59
Die Standard-Stützstruktur „Block“ besteht aus rasterförmig angeordneten
Wänden, welche durch einzelne Laserbahnen erstellt werden. Die Wände
sind für eine schnellere Fertigung, Pulverentfernbarkeit und Werkstoffein-
sparung perforiert. Feine Zähne am Übergang zum Werkstück ermöglichen
eine einfache Stützstrukturentfernung sowie eine saubere Oberfläche.
(d) Fertigungsparameter
Die numerische Erzeugung der Schichtinformationen erfolgt durch Berech-
nung von Polygonen, welche die Querschnittskontur parallel zur Bauplatt-
form in regelmäßigen Abständen darstellen. Anschließend folgt die Zuwei-
sung von Belichtungsparametern. Um die Fertigungszeit der Stützstruktur
gering zu halten, erfolgt die Belichtung üblicherweise schnell und bei ho-
her Leistung. Die Belichtung eines reellen Werkstücks ist hingegen mit
Unterteilung des Objekts in verschiedene Sektoren weitaus komplexer
(Abbildung 17). Der Kern (Inskin) wurde mit einer Streifenbelichtungsstra-
tegie für hohe Dichten und gesteigerten mechanischen Kennwerten gefer-
tigt. Hierbei wird das Volumen über ondulierende51 Laserbahnen in Form
von Streifen erzeugt. Um eine Überlagerung von Schweißstellen und somit
eine Schwachstelleneinbringung zu vermeiden, rotieren die Streifen von
Schicht zu Schicht.
Abbildung 17: Schichtabhängiges LBM-Belichtungsprinzip anhand einer gängigen
Belichtungsstrategie (von Schicht zu Schicht rotierende Streifen) mit Konturbelichtung
(blau), Kernbelichtung I (Inskin, weiß) und anderen Belichtungssektoren (D: Downskin,
U: Upskin, O: Overlap)
51 Wellenförmige Anordnung der Laserbahnen.
60 Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz
Die Belichtung der Werkstückkontur erfolgt meist über eine einzelne La-
serbahn mit erhöhtem Energieeintrag, um so die Oberflächengüte zu ver-
bessern. Oberflächennahe Bereiche benötigen vor allem für flache Winkel
angepasste Belichtungsparameter, da sich hierbei andere thermische
Randbedingungen ergeben. Darum werden diese Sektoren (Up- und
Downskin) separat belichtet. Das gesamtheitliche Belichtungsprinzip ist in
Abbildung 17 dargestellt. Aufgrund der komplexen Anordnung der Laser-
bahnen und zugeordneten Belichtungsparameter sind Zeit- und Energiebe-
darf für die Fertigung eines Werkstücks nicht nur maschinen- und werk-
stoffabhängig, sondern auch abhängig von der Werkstückgeometrie und
deren Orientierung im Bauraum.
(e) Pulver
Für die Untersuchung wurde, wie bereits in Kapitel 4.2 erläutert, ein Alu-
miniumpulver (Lieferant APWorks) der Legierung Scalmalloy©
AlMg4.5Sc0.7Zr0.3 herangezogen. Neben der Leichtbaustruktur des Refe-
renzbauteils spielte dabei die hohe Recyclingfähigkeit von Aluminium eine
wesentliche Rolle.
Die Produktion von Primäraluminium ist mit einem hohen Energieaufwand
und der Verwendung von toxischen Nebenaggregaten verbunden. Primäres
Aluminium hat eine Energiebilanz (GER-Wert,
Gross Energy Requirement
)
von 270 MJ/kg.52 Im Gegensatz dazu steht das Recycling von Aluminium,
welches sich durch eine bessere Energieeffizienz auszeichnet. So besitzt
Sekundäraluminium einen GER-Wert von nur 16 MJ/kg.53,54 Dies liegt in
der hohen Recyclingrate von Aluminium begründet, da es nahezu im ge-
schlossenen Kreislauf gefahren werden kann (Möglichkeit des Recyclings
ohne Qualitätseinbußen).55 Für das Recycling werden keine mit Aluminium
reaktionsfreudige Chemikalien benötigt. Dadurch bauen sich keine
Fremdatome in das Kristallgitter ein und es kommt zur keiner lokalen
Veränderung der physikalischen und chemischen Eigenschaften. Alumini-
52 Vgl. Frees (2008).
53 Vgl. Leroy (2008).
54 Vgl. Norgate (2001).
55 Vgl. Jacob (2014).
Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz 61
um wird somit während des Recyclings nicht chemisch überführt. Es wer-
den bis zu 95 % der Energie bei Erzeugung von Sekundäraluminium im
Vergleich zu Primäraluminium eingespart.
(f) Nachbehandlung
Ein notwendiger Schritt in der Nachbearbeitung ist das Lösen der gedruck-
ten Werkstücke von der Bauplattform sowie das Entfernen der Stützstruk-
turen. Zuvor kann die gesamte Bauplattform einer Wärmebehandlung (vier
Stunden bei 325 °C) unterzogen werden, um Eigenspannungen abzubauen,
bevor die Stützstrukturen von Hand gelöst werden.
Je nach Einsatz, Fertigungsparameter und Werkstoff kann eine zusätzliche
Nachbearbeitung des Werkstücks erforderlich sein. Schnittstellen werden
teilweise spanend nachbearbeitet. Per Sandstrahl kann eine glattere, glän-
zende Oberfläche erzeugt werden. Der mikro-maschinelle Bearbeitungspro-
zess (micro-machining process) kann zusätzlich bei metallischen Bauteilen
genutzt werden. Dieser kombiniert eine chemische Reaktion auf der Mate-
rialoberfläche mit einen Lösungsprozess durch einen konstanten Fluid-
fluss. So kann eine spiegelnde Oberfläche erzeugt werden 56.
Überprüfung der Kosten (3)
Eine Überprüfung der Kosten ist mangels Datenlage für die einzelnen Fer-
tigungsverfahren momentan nicht möglich.
4.3.2 Auswahl des konventionellen Fertigungsverfahrens
Die gewählte konventionelle Fertigung der Dämpfergabel lehnt sich an den
tatsächlich durchgeführten industriellen Herstellungsprozess des Herstel-
lers der Dämpfergabel an und unterteilt sich in vier unterschiedliche Teil-
prozesse.
(1) Gießen: Für das Gießen werden zunächst Negativformen hergestellt,
welche dann mit der Schmelze befüllt werden. Nach dem Abkühlpro-
zess wird das Werkstück dem nächsten Prozessschritt übergeben.
56 Vgl. Kianian (2016).
62 Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz
(2) Gesenkschmieden: Für den Schmiedeprozess werden ebenfalls Um-
formwerkzeuge hergestellt. Bei entsprechender Temperatur wird das
gegossene Werkstück dann umgeformt.
(3) Entgraten und Wärmebehandlung: Um die Grate am Werkstück zu
entfernen, werden Methoden wie Schleifen oder Bürsten eingesetzt.
(4) Fräsen: Abschließend wird das Werkstück durch Fräsen in die finale
Form gebracht. Damit ist die Dämpfergabel fertig für den Einsatz.
In der Produktion wird hierbei eine Aluminium-Gusslegierung verwendet.
4.4 Festlegung der funktionellen Einheit und der Sys-
temgrenze
4.4.1 Festlegung der funktionellen Einheit
Ein Vergleich der Umweltbelastungen sowie der ökonomischen Kosten
zweier Produktionssysteme (konventionelle und additive Fertigung) und
der damit hergestellten Produkte erfordert die Festlegung einer einheitli-
chen Bezugsgröße. In der Ökobilanzierung wird diese Vergleichsbasis als
„funktionelle Einheit“ bezeichnet. Der genormte Begriff beschreibt einen
quantifizierten Nutzen, der für die zu vergleichenden Produktsysteme
möglichst äquivalente Eigenschaften aufweisen sollte.57 Für den Zweck der
Vergleichbarkeit unterschiedlich hergestellter Bauteile betrachtet diese
Studie funktional äquivalente Referenzbauteile. Als Referenzbauteile wer-
den Dämpfergabeln für Pkw gewählt (Abbildung 9). Diese Dämpfergabeln
leisten in ihrer Nutzungsphase die gleiche Funktion, können sich aber je
nach Fertigungsverfahren in ihren Eigenschaften (Werkstoff, Geometrie,
Gewicht) unterscheiden. Demzufolge repräsentiert die funktionelle Einheit
den kleinsten gemeinsamen Nenner der Funktion der hier betrachteten
Referenzbauteile.
Auf Basis von Kapitel 4.2 und unter Berücksichtigung der in Kapitel 4.1
skizzierten Annahmen für den Anwendungsfall wurde die funktionelle
57 Vgl. DIN EN ISO 14044:2006 (2006), S. 11.
Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz 63
Einheit wie folgt definiert. Diese gilt sowohl für die ökologische als auch die
ökonomische Bewertung:
Definition der funktionellen Einheit
„Eine Dämpfergabel für Pkw, ausgelegt für eine Standzeit über die
angenommene Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs von 150.000 km.“
Die narrative Beschreibung der Funktion enthält die folgenden Elemente:
Einsatzzweck: Aufhängung der Schwingungsdämpfung an einem Rad.
Das Bauteil ist so dimensioniert, dass es während der durchschnittli-
chen Fahrzeuglebensdauer im Normalbetrieb reparaturfrei betrieben
werden kann.
Vereinfachungen: Z
ur Reduktion der Komplexität dieser Studie bleibt
hinsichtlich der Funktion unberücksichtigt, dass:
ein Kfz
normalerweise mehrere Dämpfergabeln mit verschiedenen
Geometrien (links/rechts) enthält. Es wird nur eine Geometrie be-
trachtet.
Automobilkomponenten branchentypischen Meta-
Anforderungen an
die Funktion unterliegen (z. B. Bautypenzulassungen, Zertifikate für
Sicherheitstests etc.). Die dafür nötigen Prozeduren werden vernach-
lässigt.
Die hier betrachtete Strukturoptimierung dient dem Zweck der Analyse
und muss deshalb nicht in jedweder Hinsicht die Erfordernisse im Au-
tomobilsektor repräsentieren.
Für die in dieser Studie analysierten konventionell sowie additiv gefertig-
ten Referenzbauteile gilt der zu erbringende Nutzen, also die funktionelle
Einheit, unter Berücksichtigung bestimmter Randbedingungen (die Zeit-
dauer der Nutzung). Die Funktion des Referenzbauteils (Dämpfergabel)
leitet sich dabei aus dem Einsatzzweck in der Nutzungsphase ab und ent-
hält keine Aussagen zu den verwendeten Materialien, den Modalitäten der
Herstellung und der Lieferketten. Die unterschiedlichen Eigenschaften der
Fertigungsverfahren und der Referenzbauteile resultieren demnach in
unterschiedlichen Stoff- und Energieströmen sowie Kosten. Diese Aspekte
fließen in die Aufstellung der Sachbilanz (Kapitel 4.6) ein und werden dann
64 Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz
mittels Vergleichsrechnung mit der funktionellen Einheit in Bezug gesetzt.
Nur auf Basis dieser funktionell einheitlichen Bezugsgröße lassen sich die
unterschiedlichen Herstellungstechnologien während deren gesamten
Lebenszyklus sinnvoll vergleichen. Die Charakterisierung der für die Erfül-
lung der Funktion notwendigen technischen Voraussetzungen sowie die
Zuordnung der dafür benötigten Material- und Energiemengen (die soge-
nannten Referenzflüsse) erfolgt in den nachfolgenden Kapiteln 4.5 und 4.6.
Zusätzlich sei erwähnt, dass der Vergleichszeitraum von einem Jahr für die
Fertigungsanlagen gewählt wurde und eine in der Ökobilanz analysierte
Periode zum Zweck des Vergleiches unterschiedlicher Technologien mit
verschiedenen Lebensdauern beschreibt. Der tatsächliche Einsatzzeitraum
der Fertigungsanlagen im KMU umfasst eine längere Zeitdauer. Eine even-
tuelle parallele Nutzung der Fertigungsanlagen für andere Produktlinien
wird mittels Allokation berücksichtigt: Bei der konventionellen Fertigung
wird nur der Anteil der Anlagen ökonomisch und ökologisch betrachtet, der
für die Fertigung des Bauteils notwendig ist. In der additiven Fertigung
wird nur ein Jahr des Anlagenbetriebs betrachtet. Die übrigen neun Jahre
der Lebensdauer steht der Drucker anderen Produktionen zur Verfügung,
weshalb diese nicht betrachtet werden. In dem betrachteten Zeitraum von
einem Jahr wird nicht von einem Stillstand der Anlagen ausgegangen, d. h.,
die Anlagen stehen nicht für andere Produktionen zur Verfügung.
4.4.2 Festlegung der Systemgrenze
Die Systemgrenze bezeichnet den Betrachtungsrahmen der vergleichenden
Bewertung. Bei lebenszyklusorientierten Bewertungen wie in dieser Studie
(Ökobilanz und Lebenszykluskostenrechnung) umfasst die Systemgrenze
den gesamten Lebensweg der betrachteten Bauteile (Abbildung 18): die
Rohstoffgewinnung, die eigentlichen Fertigungsprozesse, die Transporte,
die Nutzungsphase und die Entsorgung der Bauteile. Dazu gehören auch
die unmittelbaren Vorketten der verwendeten Hilfsstoffe und Energieträ-
ger. Die Ökobilanz bezieht alle relevanten Stoff- und Energieströme aus der
Umwelt und in die Umwelt (Emissionen) mit ein, soweit sie mit dem in der
funktionellen Einheit definierten Betrachtungsgegenstand in Zusammen-
hang stehen. Die ökonomische Bewertung bilanziert die monetären Kosten
Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz 65
des Betrachtungsgegenstands sowie den ökonomischen Nutzen (z. B. Ein-
sparpotenziale).
Im hier betrachteten Fall wird die Systemgrenze für den Anwendungsfall
„Fertigung strukturoptimierter Fahrzeugbauteile in Losgrößen von 10.000
Stück pro Jahr" so definiert, dass die wesentlichen Herstellungsprozesse
und die Nutzungsphase der Leichtbauteile im Fokus der Bewertung liegen.
Außerdem wird die Rohstoffgewinnung mit einbezogen, weil die Material-
und Energieeinsparungen durch Leichtbauweise vor allem hier zur Geltung
kommen (dies gilt besonders für die Werkstoffeinsparung im Produktions-
prozess sowie für die mögliche Einsparung von Treibstoffen in der Nut-
zungsphase).
Inventarisierung der Referenzflüsse
für die Fertigungstechnologien
konventionelle Fertigung
Rohstoffgewinnung
Werkstoffproduktion
Herstellung: 10.000 Stück
(Gießen > Gesenkschmieden >
Trimmen > Tempern > Fräsen)
Nutzung als
Fahrzeugkomponente
Entsorgung Entsorgung
additive Fertigung
Sachbilanz (ΣInput, ΣOutput)
Ecoinvent 3.5
Datenbank
Literaturangaben zu
Kosten, Werkstoffen
Sekundär-
daten zu
Vorketten
Abschätzung der
Wirkungen auf die
Umwelt (Ökobilanz)
Abschätzung der
ökonomischen
Auswirkungen
Gesamtbeurteilung
Rohstoffe, Primärenergie,
Flächen, Wasser
Abfall, Abwasser, Emissionen, Luft
Rohstoffgewinnung
Werkstoffproduktion
Herstellung: 10.000 Stück
(Strukturoptimierung > LBM
Prozess > Wärmebehandlung >
Supportentfernung >
Nachbearbeitung)
Nutzung als
Fahrzeugkomponente
Lebenszyklus der Referenzbauteile
Abbildung 18: Systemgrenze der Studie
In dieser Studie wird eine orientierende Ökobilanz eingesetzt, die nicht
alle, typischerweise in LCA-Studien betrachteten Wirkungskategorien be-
66 Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz
rücksichtigt. Insbesondere werden die mit den Umweltauswirkungen kor-
respondierenden Kennwerte „kumulierter Energieaufwand“ (KEA)58, „ku-
mulierter Rohstoffaufwand“ (KRA)59, Versorgungskritikalität sowie Flä-
chenbedarf und Wasserverbrauch ermittelt. Diese inputbasierten Indikato-
ren gründen ebenfalls auf dem Lebenszyklusansatz und erlauben eine
ökologische Bewertung von Produkten anhand ihrer technisch erfassbaren
Einflussgrößen. Recyclinggutschriften werden nicht berücksichtigt, da die
zugrunde liegende methodische Grundlage für die Ökobilanzierung gemäß
VDI-Richtlinien VDI 4600:2012 und VDI 4800, Blatt 160 keine Gutschriften
für Ressourceneinspareffekte durch Recycling vorsieht. Stattdessen werden
marktübliche Anteile an rezyklierten Materialien für die in der Bauteilefer-
tigung verwendeten Werkstoffe (v. a. Metalle) berücksichtigt. Dadurch wird
eine richtungssichere Aussage über die Ressourceneffizienz ermöglicht,
welche für die Zielgruppe der KMU als besonders relevant erachtet wird.
Zusätzlich wird als wesentliche Kategorie für Umweltauswirkungen das
Treibhausgaspotenzial ermittelt.
Die Analyse der Lebenszykluskosten berücksichtigt die gleiche System-
grenze. Dabei werden die folgenden Kostenarten berücksichtigt: die Inves-
titionskosten (anteilig), die Material- und Energiekosten, die Betriebs- und
Personalkosten sowie die Entsorgungskosten.
Eine Monetarisierung der Wettbewerbsvorteile durch Verkürzung der Pro-
duktionsvorlaufzeit erfolgt nicht, da dieser Aspekt von sehr einzelfallab-
hängigen Faktoren bestimmt wird, die sich kaum verallgemeinern lassen.
Ebenfalls werden die Kosten des konventionellen Produktentwicklungs-
und Konstruktionsprozesses vernachlässigt.
58 Vgl. VDI 4600:2012-01.
59 Vgl. VDI 4800 Blatt 2:2018-03.
60 Vgl. VDI 4800 Blatt 1:2016-02, S. 15.
Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz 67
4.5 Datenerhebung für die additive Fertigung des
strukturoptimierten Bauteils
4.5.1 Experimentell ermittelter Ressourcenbedarf
Aufgrund der Komplexität des Fertigungsprinzips sind eine Vielzahl von
Energie- und Massenströmen bei der additiven Fertigung zu berücksichti-
gen. Die Sub-Prozesse einer LBM-basierten Bauteilherstellung und deren
In- und Outputströme finden sich in Abbildung 19.
Im Zuge dieser Arbeit wird lediglich der LBM-Prozess vermessen. Ver-
brauchsmaterialien wie Reinigungsmittel, persönliche Schutzausrüstung
oder Kleinwerkzeuge wurden vernachlässigt. Es ist zu erwähnen, dass eine
Vielzahl von additiven Anlagensystemen eine externe Inertgaszufuhr benö-
tigt. Dies ist für die verwendete Anlage nicht der Fall. Im vorliegenden Fall
wird Stickstoff als Inertgas verwendet, welches mithilfe von in der Anlage
verbauten Stickstoffgeneratoren gewonnen wird. Dies verursacht einen
deutlich höheren Druckluftbedarf als bei anderen Anlagentypen (teilweise
druckluftfrei). Der Strombedarf wurde für die gesamte Anlage gemessen.
Eine direkte Unterteilung des Strombedarfs für die Lasereinheit, für die
Heizung oder Sonstiges liegt nicht vor.
Die Prozesskette wurde sowohl für den Werkstoff Scalmalloy© als auch für
AlSi10Mg betrachtet. Die Werte für Scalmalloy© sind direkt im Versuch
ermittelt und die Werte bezüglich AlSi10Mg teilweise aus vorangegange-
nen Studien generiert worden. Da der Werkstoffbedarf bei LBM-Verfahren
jedoch bauteilabhängig ist, kann es hierbei zu geringfügigen Ungenauig-
keiten kommen.
68 Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz
CNC-Fräsen der
Schnittstellen
(optional)
Strahlen bspw.
mit Nussschalen
(optional)
Entfernung
Support (Sägen
und manuelle
Handarbeit)
Wärmebehandlung
(optional)
LBM-Prozess
Energie
Energie
Energie
Energie
Strahlgut
(bspw. Nussschalen)
Thermische Energie
Inertgas (optional,
hier aus Druckluft)
Pulver
Kühlwasser
(optional)
Heizung
Bauplattform
Laser
Verbrauchsmaterial
Druckluft
Peripherie:
Staubsauger,
Siebeinheit,
Hubeinrichtung
Strom
Druckluft
Supportstrukturen
Thermische Energie
Strahlgut (bspw.
Nussschalen)
Strahlgut (bspw.
Nussschalen)
Thermische Energie
Späne
Thermische Energie
Schmiermittel
Produkt
Thermische Energie
Pulver (gesiebt)
Schweißneben-
produkte abgesiebt
Verbrauchsmaterial
(Filtereinheiten,
Aufbereitung
Grundplatte, etc.)
Abluft
Abwasser
(optional)
Schweißneben-
produkte Filter
Recycling
Gemessen
Für Anlagentyp nicht relevant
Masse/Volumen verloren
Masse/Volumen
Energie
therm. Energie
Masse/Volumen theor. recycelbar
Abbildung 19: Teilschritte einer LBM-basierten Bauteilfertigung und deren Energie- und
Massenströme
Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz 69
Zur Auf- und Abrüstung der LBM-Anlage werden Peripherieeinheiten wie
ein Staubsauger/Nassabscheider, ein Pulverfördermodul, eine Siebeinheit
sowie eine Hubeinrichtung (bspw. Kran oder Flurförderfahrzeug) benötigt.
Zum Betrieb der Einheiten kommen Druckluft und Strom zum Einsatz. Der
Verbrauch der Peripherie wurde über zwölf Durchläufe gemittelt. Folgende
Arbeitsschritte sind in den Messdaten Vorbereitungenthalten (Tabelle 2):
Maschine kalibrieren, Beschichterklingen einrichten, Schutzglas reinigen,
auflegen erster Pulverschicht, Maschine mit Inertgas fluten, Bauplattform
aufheizen, Pulverbett abkühlen, reinigen der Prozesskammer, Pulver ab-
saugen, sieben und rückfüllen sowie der Austausch der Bauplattform.
Tabelle 2: Ermittelter Material- und Energiebedarf des LBM-Prozesses
Losgröße:
Einzelteil
Charge (gesamt)
Charge (pro Teil)
Werkstoff: Scalmalloy©
AlSi10Mg Scalmalloy©
AlSi10Mg Scalmalloy
©
Vorbereitung
Anzahl Bauteile
1
18
18
1
1
Strom
6,51 kWh
12,26 kWh
6,51 kWh
0,68 kWh
0,36 kWh
Maschinenzeit
4,85 h
7,00 h
4,85 h
0,39 h
0,27 h
Arbeitszeit
4,60 h
4,60 h
4,60 h
0,26 h
0,26 h
Druckluft
24,90 m3
29,09 m3
24,90 m3
1,62 m3
1,38 m3
Arbeitszeit
Stützstruktur
0,12 h 1,80 h 2,16 h 0,10 h 0,12 h
Fertigung
Strom Fertigung
105,40 kWh
711,02 kWh
890,94 kWh
39,50 kWh
49,50
Schichtanteil
59,19 kWh
45,99 kWh
59,19 kWh
2,56 kWh
3,29 kWh
Belichtungsanteil
46,21 kWh
665,03 kWh
831,75 kWh
36,95 kWh
46,21 kWh
Bauzeit
22,15 h
118,70 h
166,95 h
6,59 h
9,27 h
Beschichtungsdauer
13,63 h
9,09 h
13,63 h
0,50 h
0,76 h
Belichtungsdauer
8,52 h
109,61 h
153,32 h
6,09 h
8,52 h
Druckluft
617,99 m3
3311,73 m3
4657,87 m3
183,99 m3
258,77 m3
Stützstrukturmasse
0,03 kg
0,35 kg
0,43 kg
0,02 kg
0,02 kg
Pulververlust
0,15 kg
1,72 kg
1,59 kg
0,10 kg
0,09 kg
Gesamt
Maschinenzeit
27,00 h
133,94 h
171,80 h
7,44 h
9,54 h
Arbeitszeit
4,72 h
6,40 h
6,76 h
0,36 h
0,38 h
Energiebedarf
11,91 kWh
723,29 kWh
897,45 kWh
40,18 kWh
49,86 kWh
Pulverbedarf
1,28 kg
23,95 kg
21,89 kg
1,33 kg
1,22 kg
Pulverkosten
457,73 €
838,11 €
7815,62 €
46,56 €
434,20 €
Druckluftbedarf
642,89 m3
3379,08 m3
4682,77 m3
187,73 m3
260,15 m3
Kühlwasserbedarf
0,06 m3
19,66 m3
27,35 m3
1,09 m3
1,52 m3
Grau: Messwerte; Gelb: Theoretisch ermittelte Werte (digital berechnet oder aus Voruntersuchungen für
ähnliche Komponente); Weiß: Berechnete Werte (aus theoretischen Werten oder Messwerten).
Der Strombedarf und Volumenstrom wurden dabei mit folgenden Senso-
ren/Methoden erfasst:
70 Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz
Strom:
16-Ampere-Versorgung: Voltcraft Logger 4000
32-Ampere-Versorgung: TIP 43201
Festanschluss (LBM-Anlage): Eltako DSZ15D-3x80A
Druckluft: Festo SFAB-1000U-WQ10-2SV-M12
Pulvermasse: Kern DS 36K0.2
Kühlwasser: Volumetrische Stichprobenentnahme
Um den Werkstoffbedarf für das vorliegende Referenzbauteil (Dämpferga-
bel) zu bestimmen, wurde dieses in einem einzigen Durchlauf als einzelnes
Exemplar gefertigt und die Fertigungsdauer, der Strombedarf sowie der
Pulverbedarf ermittelt (graue Felder in Tabelle 2). Der Pulverbedarf wurde
anhand einer Massebilanz berechnet. Hierzu wurde die Masse der Bau-
plattform vor Prozessstart und nach Prozessstart (Bauplattform mit Bauteil
und Stützstruktur), die Masse des Partikelauffangbehälters der Filtereinheit
vor und nach Prozessende sowie die im Sieb verbleibende Masse bestimmt.
Hieraus ergibt sich der Pulververlust in Tabelle 2. 92 % des Pulververlusts
finden sich in der Siebeinheit und wären theoretisch recycelbar, während
sich 8 % in der Filtereinheit befinden und somit als Sondermüll behandelt
werden müssen. Kühlwasser- und Druckluftbedarf wurden in mehr als 17
Stichprobenmessungen während des Betriebs bestimmt und für den totalen
Bedarf mit der Fertigungsdauer multipliziert:
Kühlwasser: 0,00273 m³/h (σ = 0,00018)
Druckluft: 0,465 m³/h (σ = 0,002)
Aus Voruntersuchungen ist bekannt, dass sich aus der Fertigung einer
einzelnen Komponente auf die Fertigung einer maximalen Fertigungschar-
ge schließen lässt.61 Hierzu ist es nötig, den Leistungsbedarf der Anlage im
61 Vgl. Norgate (2001).
Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz 71
stationären Zustand zu ermitteln, also den Strombedarf zum Erhalt des
Betriebszustands (Heizung, Inertgasgeneratoren, Steuerungstechnik etc.)
ohne Einsatz des Lasers. Hierzu wurde der Betriebszustand der Anlage für
24 Stunden gehalten und der Leistungsbedarf gemittelt (Ergebnis siehe
Tabelle 3 Leistung stationär). Der erhöhte Bedarf für AlSi10Mg ergibt
sich aus der Beheizung der Bauplattform auf 160 °C statt 45 °C. Weitere
allgemeine Kennzahlen, Maschinenparameter und Komponenten finden
sich in Bezug auf den verwendeten Werkstoff in Tabelle 3.
Tabelle 3: Allgemeine Kennwerte bezüglich Referenzbauteil, Maschinenparameter und
Maschinenkennwerte
Scalmalloy©
AlSi10Mg
Einheit
Abmaße
73 x 144 x 284
73 x 144 x 284
mm3
Bauhöhe
286,44
286,47
mm
Schichtdicke
60
90
µm
Bauteil- & Stützstrukturvolu-
men
425,72 457,28 cm3
Charge
18
18
Teile
Pulverpreis (Brutto)
357
35
€/kg
Leistung stationär
4,34
5,06
kW
Energiedichte
0,021
0,012
kWh/cm3
Grau: Messwerte. Gelb: Theoretisch ermittelte Werte (digital berechnet oder aus Voruntersuchungen für
ähnliche Komponente). Weiß: Berechnete Werte (aus theoretischen Werten oder Messwerten).
Berücksichtigt man die nötige Zeit zum Aufbringen einer Schicht, die An-
zahl der Schichten und die stationäre Leistung, so lässt sich der Gesamtbe-
darf zum Aufbringen der Schichten ermitteln. Die benötigte Zeit zum Auf-
bringen einer Schicht wurde mithilfe von dreißig Messungen ermittelt
(10,28 Sekunden). Voruntersuchungen zeigen, dass die Multiplikation der
Chargengröße mit dem verbleibenden Belichtungsanteil (Gesamtanteil
minus Beschichtungsanteil) auf den Gesamtbedarf einer maximalen Charge
schließen lässt.
Der Pulververlust lässt sich jedoch nicht direkt skalieren, da Schweiß-
nebenprodukte bei einem mit Bauteilen maximal gefüllten Bauraum auf
benachbarten Teilen landen und wieder aufgeschmolzen werden, statt im
Pulverbett zu verbleiben. Darum wurde aus einem vergleichbaren Ferti-
gungssetup ein Faktor von 57 % abgeleitet, um den Pulververlust der Char-
genfertigung zu prognostizieren.
Mithilfe des Bauteilvolumens und des Strombedarfs der Bauteilbelichtung
lässt sich eine benötigte Energiedichte ableiten (Tabelle 3). Dieser Wert ist
72 Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz
vor allem fertigungsparameterabhängig, aber auch abhängig von der her-
gestellten Komponente und deren Orientierung im Bauraum. Der Wert für
AlSi10Mg ist aus Voruntersuchungen für ein vergleichbares Bauteil be-
kannt. Die Bauzeit für dieses Bauteil aus AlSi10Mg wurde anhand der
Laserbahnen und den zugeordneten Belichtungsgeschwindigkeiten ermit-
telt. In Kombination mit der Energiedichte lässt sich so auf den Strombe-
darf schließen.
Ein weiterer Einflussfaktor sind Wartungsarbeiten. Grundsätzlich sind
LBM-Anlagen weitgehend imstande, ohne personelle Betreuung zu arbei-
ten, sodass ein ununterbrochener Betrieb denkbar ist. Jedoch ist es von Zeit
zu Zeit nötig, Wartungsarbeiten an der Anlage durchzuführen. Diese in den
Ergebnissen berücksichtigten Wartungsarbeiten finden sich in Tabelle 4.
Tabelle 4: Materialaufwand für Wartungsarbeiten
Arbeitsschritt Inter-
vall
Kosten
Material
(Brutto)
Kosten
Entsorgung
(Brutto)
Arbeits-
Zeit
Zeit
Maschinen-
stillstand
h
h
H
h
Filterwechsel
2500
534
149
4
4
Wechsel Partikelauffangbehälter
150
23
30
0,17
0,2
Filterreinigung (automatisiert)
48
n/a
n/a
n/a
0,1
Jährliche Wartung
n/a
n/a
n/a
3
72
Abschließend zu diesem Kapitel lässt sich noch anmerken, dass der hohe
Strombedarf der Anlage im stationären Zustand schwer nachzuvollziehen
ist. Eine Änderung der Bauplattformheizung von 45 °C auf 160 °C bewirkt
eine Differenz von ca. 0,7 kWh. Ca. 0,3 kWh entfallen auf die Stickstoffge-
neratoren. Somit verblieben ca. 4 kWh für die Beheizung der Bauplattform
auf 45 °C und Sonstiges wie Rechner, Sensorik, Steuerung und Laser (nur
betriebsbereit; keine emittierte Leistung). Den korrekten Einbau der Sen-
soreinheit vom Typ Eltako DSZ15D-3x80A kontrollierten zwei staatlich
geprüfte Elektriker. Auch ließen sich die Messungen an zwei unterschiedli-
chen Standorten mit jeweils verschiedenen Sensoreinheiten des gleichen
Typs reproduzieren. Laut Ausstellbedingungen des Herstellers ist ein An-
schluss von 20 kW nötig. Die Messung kann somit trotz des hohen, nicht
nachvollziehbaren Bedarfs als korrekt angenommen werden. Es scheint,
dass die Anlage zum momentanen Entwicklungszeitpunkt noch ineffizient
aufgebaut ist. Dies zeigt sich auch bei der Bauzeit (22,15 h), der stationären
Leistung der Anlage (4,34 kW) sowie beim gemessenen Gesamtstrombe-
darf für die Fertigung (105,4 kWh). Für den Erhalt des stationären Zu-
Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz 73
stands der Anlage werden also ca. 96,13 kWh benötigt. Somit bleiben für
die Belichtung des Bauteils, also für das Aufschmelzen des Metallpulvers,
gerade einmal 8,8 % (9,27 kWh) des gesamten Strombedarfs.
Ähnliches gilt für die Kühleinheit. Diese arbeitet momentan mit dem tech-
nisch vorgegebenen Minimum an Kühlwasser (gemessener Verbrauch ca.
0,00273 m3/h). Die Aufstellbedingungen geben sogar einen Verbrauch von
20 m³/h an. Das Wasser wird lediglich um ca. 7 °C erwärmt. Es ist zu ver-
muten, dass der Kühler überdimensioniert ist und deutlich mehr Leistung
abführen könnte. Des Weiteren wäre ein geschlossener Kreislauf für das
Kühlwasser möglich. Es ist somit festzuhalten, dass es sich bei den für die
Berechnungen zugrunde liegenden Messwerten um den nach Stand der
Technik tatsächlich vorliegenden Bedarf handelt, dieser aber technologisch
nicht nötig wäre.
4.5.2 Material- und Energiebedarf für ein optimiertes Anla-
gensetup
Es zeigt sich, dass der Material- und Energiebedarf einer LBM-Anlage von
einer Vielzahl an Faktoren abhängt. Bei der vorliegenden Anlage handelt es
sich um ein flexibles Setup, welches zur Fertigung verschiedener Bauteile
herangezogen werden kann. Für die Betrachtung eines auf Produktivität
eines einzelnen Bauteils optimierten Setups für eine Sensitivitätsanalyse
(Kapitel 5.4) sind somit einige Annahmen nötig. Folgende Annahmen wur-
den zur Betrachtung für ein optimiertes Anlagensetup getroffen:
Schichtdicke wird für Scalmalloy© von 60 µm auf 90 µm erhöht ,
Größter kommerziell erhältlicher Bauraum (800 x 400 x 500 mm) ver-
doppelt Chargengröße von 18 auf 36 Teile,
Einsatz einer 4-Laser-Anlage reduziert Belichtungsdauer um Faktor vier,
Kühlerwassermenge erhöht sich aufgrund der vier Laser um Faktor vier,
Zusätzliche Arbeitszeit für größeren Bauraum und Zusatzlaser nötig
(hier zwei Stunden),
74 Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz
Reduktion der vorhandenen Totzeiten beim Beschichten, sodass Be-
schichtung auf sieben Sekunden pro Schicht reduziert wird,
Automatisierte Entnahme und Zuführung einer Bauplattform und Pulver
in die Prozesskammer ermöglicht einen 24-h-Betrieb. Die nötige manuel-
le Arbeit (Stützstruktur entfernen, Pulver entfernen und Aufbereiten
etc.) kann jederzeit nachgeholt werden (kein Schichtbetrieb nötig).
Der aus diesen Annahmen resultierende Material- und Energiebedarf für
ein optimiertes Setup findet sich in Tabelle 5.
Tabelle 5: Ermittelter Material- und Energiebedarf des LBM-Prozesses für optimiertes
Anlagensetup
Losgröße:
Charge (gesamt)
Charge (pro Teil)
Werkstoff:
AlSi
10
Mg Scalmalloy
©
AlSi
10
Mg Scalmalloy
©
Vorbereitung
Anzahl Bauteile
36
36
1
1
Strom
12,26 kWh
6,51 kWh
0,34 kWh
0,18 kWh
Maschinenzeit
1,00 h
0,85 h
0,03 h
0,02 h
Arbeitszeit
6,60 h
6,60 h
0,18 h
0,18 h
Druckluft
29,09 m3
24,90 m3
0,81 m3
0,69 m3
Arbeitszeit Stütz-
struktur
3,6 h 4,32 h 0,10 h 0,12 h
Fertigung
Strom Fertigung
530,25 kWh
697,62 kWh
14,73 kWh
19,38
Schichtanteil
45,99 kWh
39,46 kWh
13,45 kWh
1,10 kWh
Belichtungsanteil
484,26 kWh
658,16 kWh
36,95 kWh
18,28 kWh
Bauzeit
60,99 h
82,85 h
1,69 h
2,30 h
Beschichtungsdauer
6,19 h
6,19 h
0,17 h
0,17 h
Belichtungsdauer
54,81 h
76,66 h
1,25 h
2,13 h
Druckluft
1701,75m3
2311,42 m3
183,99 m3
258,77 m3
Stützstrukturmasse
0,70 kg
0,85 kg
0,02 kg
0,02 kg
Pulververlust
3,44 kg
3,17 kg
0,10 kg
0,09 kg
Gesamt
Maschinenzeit
61,99 h
83,70 h
1,72 h
2,32 h
Arbeitszeit
10,20 h
10,92 h
0,28 h
0,30 h
Energiebedarf
542,51 kWh
704,13 kWh
15,07 kWh
19,56 kWh
Pulverbedarf
47,89 kg
43,78 kg
1,33 kg
1,22 kg
Pulverkosten
1676,21 €
15631,24 €
46,56 €
434,20 €
Druckluftbedarf
1754,79 m3
2336,32 m3
48,74 m3
64,90 m3
Kühlwasserbedarf
40,47 m3
54,28 m3
1,12 m3
1,51 m3
Grau: Messwerte. Gelb: Theoretisch ermittelte Werte (digital berechnet oder aus Voruntersuchungen für
ähnliche Komponente). Weiß: Berechnete Werte (aus theoretischen Werten oder Messwerten).
Folgende potenzielle Annahmen würden die Produktivität weiter steigern.
Diese wurden jedoch nicht betrachtet, da die Faktoren schwer zu prognos-
tizieren sind oder der Stand der Technik noch nicht weit genug fortge-
schritten ist:
Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz 75
produktivere Fertigungsparameter,
optimierte Stützstrukturen,
reduzierte Pulverpreise aufgrund großer Bestellmengen oder Marktent-
wicklung,
reduzierte Maschinenpreise aufgrund von Marktentwicklung oder ver-
einfachter Anlagentechnologie,
automatisierte Stützstrukturentfernung,
automatisierte Supportentfernung,
reduzierte stationäre Leistung, Druckluftbedarf oder Kühlwasserbedarf
aufgrund ausgereifterer Anlagentechnologie,
geringerer Sicherheitsfaktor bezüglich Konstruktion und somit eine
Reduktion des Bauteilvolumens,
Kombination verschiedener Bauteilorientierungen, um die die Chargen-
größe zu erhöhen.
4.6 Quantifizierung der Sachbilanz
Die Sachbilanz enthält eine quantitative Inventarisierung der ökologisch
und ökonomisch relevanten Parameter als Grundlage für die Vergleichs-
rechnung. In Vorbereitung der Lebenszyklusbewertung wurden Inventarin-
formationen zur konventionellen und additiven Fertigung zusammen-
gestellt. Die Daten für die konventionelle Fertigung stammen von den An-
gaben des Automobilherstellers der Dämpfergabel, also des Referenzbau-
teils. Für die additive Fertigung resultieren die Daten aus direkten Versu-
chen in der LBM-Anlage des Fraunhofer EMI (Kapitel 4.5).
Die Hintergrunddaten zur Bilanzierung stammen aus der Datenbank
„ecoinvent V3.5“62. Die Daten zur Herstellung von Scandium, welches nicht
62 Vgl. Ecoinvent (2014).
76 Festlegung von Technologien, funktioneller Einheit und Sachbilanz
in der Datenbank verfügbar ist, sind der Publikation von Nuss entnom-
men.63 In Tabelle 6 sind die Daten für die Herstellung der verwendeten
Metallpulver dargestellt.
Tabelle 6: Inputparameter für die Modellierung der Herstellung der beiden Pulver für
die additive Fertigung (bezogen auf die Herstellung von 1 kg Metallpulver)
Input
Scalmalloy©
AlSi10Mg
Aluminium (g)
1143,0
1087,3
Silicium (g)
2,1
121,2
Magnesium (g)
54,5
3,6
Zirconium (g)
4,5
-
Scandium (g)
8,0
-
Argon (m³)
1,3
1,3
Energie (MJ)
9,8
9,8
Der Tabelle 7 können die Parameter für die notwendigen Inputs der kon-
ventionellen und der additiven Fertigung (mit Scalmalloy© bzw. AlSi10Mg)
für die ökologische und ökonomische Bewertung entnommen werden.
Tabelle 7: Inputparameter pro Stück für die ökologische und ökonomische Bewertung
Inputparameter Konventionelle
Fertigung
Additive
Fertigung
(Scalmalloy©)
Additive
Fertigung
(AlSi10Mg)
Strommenge (kWh)
0,28
49,86
40,64
Wärmemenge (kWh Gas)
2,83
0,07
0,08
Rohstoffmenge (kg)
1,36
1,22
1,33
Druckluftmenge (m³)
-
260,15
187,73
Kühlwassermenge (m³)
-
1,52
1,09
Maschinenzeit (h)
Keine Daten verfügbar
9,54
7,09
Arbeitszeit (h)
Keine Daten verfügbar
0,38
0,38
Zur Bewertung der Gewichtseinsparung in der Nutzungsphase des Bauteils
werden der Treibstoffverbrauch und die Emissionen bei dessen Verbren-
nung bilanziert. Die Einsparung für etwa 100 kg Gewichtsreduktion auf
100 km beträgt etwa 0,2 l64. Umgerechnet entspricht das 1,94 kWh. Bei
einer angenommenen Laufleistung von 150.000 km ergibt sich eine Ein-
sparung von 2.910 kWh. Bezogen auf 100 g, sind dies 2,91 kWh. Die addi-
tive Fertigung mit Scalmalloy© realisiert eine Gewichtseinsparung von
156 g und damit von 4,54 kWh pro Bauteil über die gesamte Lebensdauer
des Fahrzeugs.
63 Vgl. Nuss und Eckelman (2014).
64 Vgl. Helms und Kräck (2016).
Ergebnisse der ökologischen und ökonomischen Bewertung 77
5 ERGEBNISSE DER ÖKOLOGISCHEN UND ÖKONOMISCHEN
BEWERTUNG
5.1 Ergebnisse der ökologischen Bewertung
5.1.1 Kumulierter Energieaufwand
Für die Betrachtung des kumulierten Energieaufwands für die additive und
konventionelle Fertigung des Referenzbauteils wird die Methodik aus der
VDI-Richtlinie 4600 „Kumulierter Energieaufwand (KEA); Begriffe, Berech-
nungsmethoden“65 angewandt (Abbildung 20). Es werden aus Gründen der
Übersichtlichkeit nur die beiden Kategorien erneuerbar/regenerativund
nicht erneuerbar/erschöpflichdargestellt.
217
2.042
953
30
192
127
0
500
1.000
1.500
2.000
2.500
konventionelle
Fertigung
additive Fertigung
(Scalmalloy©)
additive Fertigung
(AlSi10Mg)
MJ-eq/FE
KEA, regenerativ
KEA, erschöpflich
Abbildung 20: Kumulierter Energieaufwand je funktioneller Einheit
Die Ergebnisse zeigen, dass die konventionelle Fertigung einen neunfach
bzw. vierfach geringeren Energieaufwand (rund 250 MJ-eq./FE) als das
additive LBM-Verfahren mit Scalmalloy© (rund 2.230 MJ-eq./FE) bzw. Al-
Si10Mg (rund 1.080 MJ-eq./FE) verursacht. Zudem benötigt das additive
Verfahren mit AlSi10Mg rund halb so viel Energie je funktioneller Einheit
65 Vgl. VDI 4600:2012-01.
78 Ergebnisse der ökologischen und ökonomischen Bewertung
als das additive Verfahren mit dem Metallpulver Scalmalloy©. Die wegen
der geringeren Masse des strukturoptimierten Bauteils mögliche Kraftstof-
feinsparung in der Nutzungsphase eines Fahrzeugs ist im Vergleich zum
gesamten Energieaufwand vernachlässigbar gering (60 MJ-eq./FE).
Der große Unterschied zwischen den Fertigungsverfahren ist zum einen
auf den direkten Energiebedarf der Verfahren in Form von Strom und Gas
(Unterschied zwischen konventioneller Fertigung und additiver Fertigung
mit AlSi10Mg) zurückzuführen. Zum anderen benötigt die Herstellung von
1 kg Scandium (Bestandteil von Scalmalloy©) fast 100.000 MJ-eq. Dies trägt
unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Rohmaterialverbrauchs
(additive Fertigung mit Scalmalloy© und mit AlSi10Mg) ebenfalls zum
höheren Energieaufwand bei. Dieses Muster wiederholt sich auch in den
folgenden Wirkungskategorien.
Bei der konventionellen Fertigung ergeben sich rund 80 % des Energieauf-
wands aus der Bereitstellung des Aluminiums. Während der additiven
Fertigung resultieren bei Nutzung von Scalmalloy© rund 60 % des Energie-
aufwands aus der Pulverherstellung (die genannten Prozessschritte sind
stets inkl. Rohstoffbereitstellung), bei AlSi10Mg dominieren die Bereitstel-
lung von Strom für den Fertigungsprozess mit über 40 % und die Pulver-
produktion mit knapp 40 %.
5.1.2 Kumulierter Rohstoffaufwand
Für die Betrachtung des kumulierten Rohstoffaufwandes für die additive
und konventionelle Fertigung des Referenzbauteils wird die Methodik aus
der VDI-Richtlinie 4800 Blatt 2 „Ressourceneffizienz - Bewertung des Roh-
stoffaufwands“66 verwendet.
Die Richtlinie unterscheidet zwischen vier verschiedenen Arten des kumu-
lierten Rohstoffaufwandes: dem energetischen, dem metallischen, dem
biotischen Rohstoffaufwand sowie dem Rohstoffaufwand für Bau- und In-
dustriemineralien. Die Ergebnisse der betrachteten Fertigungsverfahren für
den kumulierten Rohstoffaufwand sind in Abbildung 21 dargestellt.
66 Vgl. VDI 4800 Blatt 2:2018-03.
Ergebnisse der ökologischen und ökonomischen Bewertung 79
422 13
6
24
17
0,5
3
3
9
77
39
0
20
40
60
80
100
120
140
konventionelle
Fertigung
additive Fertigung
(Scalmalloy©)
additive Fertigung
(AlSi10Mg)
kg/FE
KRA, energetisch
KRA, biotisch
KRA, metallisch
KRA, Bau- und
Industriematerialien
Abbildung 21: Kumulierter Rohstoffaufwand je funktioneller Einheit
Die Ergebnisse zeigen, dass die konventionelle Fertigung einen ca. 6,5-fach
bzw. 3,5-fach geringeren Rohstoffaufwand (rund 20 kg/FE) benötigt als das
additive Verfahren mit Scalmalloy© (rund 125 kg/FE) bzw. AlSi10Mg (rund
70 kg/FE). Der geringere Kraftstoffverbrauch in der Nutzungsphase eines
Fahrzeugs mit dem strukturoptimierten Leichtbauteil ist im Vergleich zum
gesamten kumulierten Rohstoffaufwand vernachlässigbar (1,5 kg/FE).
Der Großteil des gesamten Rohstoffaufwands entfällt insbesondere bei den
additiven Fertigungsverfahren auf den energetischen KRA. Dieser beinhal-
tet die Energieträger, die notwendig sind, um Rohmaterialien und Elektrizi-
tät für die Fertigung bereitzustellen. Der metallische KRA und der KRA für
Bau- und Industriemineralien spielen auch eine große Rolle: Im metalli-
schen KRA werden alle Aufwände summiert, welche auf die Bewegung von
Erzgestein zurückzuführen sind, also hier beispielsweise auf Bauxit. Im
KRA für Bau- und Industriemineralien sind die Bedarfe von z. B. Sand oder
auch Salzen aufgeführt. Der biotische KRA spielt eine untergeordnete Rolle.
Er subsummiert stoffliche (z. B. Holzbalken im Minenbau) und energeti-
sche Nutzungen (z. B. Holzhackschnitzel für die Stromproduktion) von
Biomasse.
80 Ergebnisse der ökologischen und ökonomischen Bewertung
In der konventionellen Fertigung ergeben sich über 60 % des Rohstoffauf-
wands im metallischen KRA aus der Herstellung der Werkzeuge aus legier-
tem Stahl. Nur 35 % entfallen auf das im Bauteil enthaltene Aluminium. Im
Falle der Bau- und Industriemineralien entstehen rund 80 % des Rohstoff-
aufwands in der Aluminiumherstellung. Im energetischen KRA sind über
80 % des Bedarfs Folge der Aluminiumproduktion. Beim biotischen KRA
gehen rund 60 % des Bedarfs bei der Aluminiumherstellung hervor, wäh-
rend weitere 35 % auf die Siliziumproduktion entfallen.
In der additiven Fertigung67 entstehen mehr als 50 % des Aufwands im
metallischen KRA bei der Herstellung der benötigten LBM-Drucker. Der
Grund dafür liegt im dort eingesetzten Stahl mit den darin enthaltenen
Legierungsmetallen. Nur rund 20 % bei Scalmalloy© bzw. rund 17 % bei
AlSi10Mg des metallischen KRA entfallen auf die Pulverherstellung. Im
Falle des Aufwands an Bau- und Industriemineralien entstehen beim Ein-
satz von Scalmalloy© rund 55 % des Aufwands bei der Pulverherstellung.
Wird AlSi10Mg eingesetzt, dominiert diese ebenfalls mit einem Anteil von
mehr als 45 %, während mehr als 35 % auf die Bereitstellung der Elektrizi-
tät entfallen. Im energetischen KRA entstehen beim Einsatz von Scalmal-
loy© knapp 55 % des Bedarfs in der Pulverproduktion, während gut 35 %
auf die Bereitstellung der Elektrizität entfallen. Wird AlSi10Mg eingesetzt,
dominiert der Elektrizitätsbedarf mit einem Anteil von rund 55 %, während
auf die Pulverherstellung mehr als 30 % entfallen. Beim biotischen KRA
entstehen rund 45 % des Bedarfs bei der Bereitstellung der Elektrizität,
während weitere 30 % auf die Pulverherstellung entfallen. Wird auch hier
AlSi10Mg eingesetzt, dominiert die Strombereitstellung mit einem Anteil
von über 40 %, während knapp 35 % auf die Pulverherstellung entfallen.
5.1.3 Wasserverbrauch
Für die Betrachtung des Wasserverbrauchs für die additive und konventio-
nelle Fertigung des Referenzbauteils wird auf die aktuelle Bewertungsme-
thode ILCD 2011, Midpoint (v1.0.10, August 2016) für openLCA68 zurück-
67 Dies gilt für den Einsatz von AlSi10Mg ebenso wie für Scalmalloy©.
68 Vgl. openLCA (2018).
Ergebnisse der ökologischen und ökonomischen Bewertung 81
gegriffen. Der gesamte Wasserverbrauch für die betrachteten Fertigungs-
verfahren ist in Abbildung 22 dargestellt.
22
145
69
0
20
40
60
80
100
120
140
160
konventionelle
Fertigung
additive Fertigung
(Scalmalloy©)
additive Fertigung
(AlSi10Mg)
m³/FE
Wasserverbrauch
Abbildung 22: Wasserverbrauch je funktioneller Einheit
Die Ergebnisse zeigen, dass die konventionelle Fertigung einen knapp
siebenfach bzw. gut dreifach geringeren Wasserverbrauch (rund 22 m3/FE)
benötigt als das additive Verfahren mit Scalmalloy© (rund 145 m3/FE) bzw.
mit AlSi10Mg (rund 69 m3/FE). Auch beim Wasserbedarf ist die Kraftstoff-
einsparung in der Nutzungsphase des strukturoptimierten Bauteils im
Vergleich zum Gesamtbedarf vernachlässigbar gering (1,5 m3/FE).
In der konventionellen Fertigung entfallen über 80 % des Wasserver-
brauchs auf die Herstellung des benötigten Aluminiums.
In der additiven Fertigung entfallen bei der Nutzung von Scalmalloy©
knapp 65 % des Wasserverbrauchs auf die Pulverherstellung, bei AlSi10Mg
dominiert die Pulverherstellung ebenfalls, jedoch nur mit rund 45 %.
5.1.4 Flächeninanspruchnahme
Für die Betrachtung der Flächeninanspruchnahme für die Bereitstellung
der Rohstoffe für die additive und konventionelle Fertigung des Referenz-
82 Ergebnisse der ökologischen und ökonomischen Bewertung
bauteils wird ebenfalls auf die Bewertungsmethode ReCiPe Midpoint (H) V
1.13 Dezember 201669 für openLCA70 zurückgegriffen. Hier wird die Kate-
gorie „urban land occupation“ zur Quantifizierung herangezogen. Die ge-
samte Flächeninanspruchnahme für die betrachteten Fertigungsverfahren
ist in Abbildung 23 dargestellt.
0,18
1,33
0,46
0,00
0,20
0,40
0,60
0,80
1,00
1,20
1,40
konventionelle
Fertigung
additive Fertigung
(Scalmalloy©)
additive Fertigung
(AlSi10Mg)
m²a/FE
Siedlungsflächen
Abbildung 23: Flächennutzung je funktioneller Einheit
Auch hier zeigen die Ergebnisse, das die konventionelle Fertigung einen
rund 7,5-fach bzw. 2,5-fach geringeren Flächenbedarf (rund 0,18 m2a Sied-
lungsfläche) beansprucht als das additive Verfahren mit Scalmalloy© (rund
1,33 m2a Siedlungsfläche) bzw. AlSi10Mg (rund 0,46 m2a Siedlungsfläche).
In der konventionellen Fertigung entstehen auch in der Kategorie Flächen-
inanspruchnahme über 80 % des Bedarfs in der Aluminiumproduktion.
In der additiven Fertigung entfallen bei der Nutzung von Scalmalloy©
knapp 65 % des Wasserverbrauchs auf die Pulverherstellung. Wird Al-
Si10Mg verwendet, dominiert die Pulverherstellung ebenfalls, jedoch nur
69 Vgl. ReCiPe (2016).
70 Vgl. openLCA (2018).
Ergebnisse der ökologischen und ökonomischen Bewertung 83
mit rund 45 %. Der Rest verteilt sich auf die Strom- und Druckluftbereitstel-
lung.
5.1.5 Treibhausgaspotenzial
Für die Betrachtung des Treibhausgaspotenzials wird auf die aktuelle Be-
wertungsmethode ReCiPe Midpoint (H) V 1.13 Dezember 201671 für o-
penLCA72 zurückgegriffen. Diese Methode verwendet die aktuellen Werte
der IPCC zur Umrechnung aller relevanten Emissionen in CO2-Äquivalente.
Das summierte Treibhausgaspotenzial für die betrachteten Fertigungsver-
fahren sind in Abbildung 24 dargestellt.
19
163
61
0
20
40
60
80
100
120
140
160
180
konventionelle
Fertigung
additive Fertigung
(Scalmalloy©)
additive Fertigung
(AlSi10Mg)
kgCO
2
-eq/FE
Treihausgaspotenzial GWP 100
Abbildung 24: Treibhausgaspotenzial je funktioneller Einheit
Die Kategorie Treibhausgaspotenzial ist analog zum kumulierten Energie-
aufwand zu betrachten. Da die KEA-Werte zum Großteil aus den Energie-
bedarfen der Rohstoffherstellung resultieren, gelten im Hinblick auf das
Treibhauspotenzial die Bedingungen der jeweiligen Rohstoffherkunftslän-
der. International wird der Energiebedarf der Rohstoffindustrie heute vor-
wiegend über fossile Energieträger bereitgestellt. Die spezifischen Treib-
hauspotenziale werden hier entsprechend berücksichtigt.
71 Vgl. ReCiPe (2016).
72 Vgl. openLCA (2018).
84 Ergebnisse der ökologischen und ökonomischen Bewertung
Aus Abbildung 24 ist ersichtlich, dass die konventionelle Fertigung fast 9-
fach bzw. gut 3-fach geringere CO2-Emissionen (rund 19 kg CO2-eq/FE)
verursacht als das additive Verfahren mit Scalmalloy© (rund 160 kg CO2-
eq/FE) bzw. AlSi10Mg (rund 60 kg CO2-eq/FE). Die Kraftstoffeinsparung in
der Nutzungsphase über die geringere Masse des strukturoptimierten
Fahrzeugbauteils ist im Vergleich mit dem Gesamtbedarf vernachlässigbar
(4 kg CO2-eq/FE).
In der konventionellen Fertigung entstehen fast 85 % der Treibhaus-
gasemission während der Aluminiumproduktion.
In der additiven Fertigung mit Scalmalloy© entstehen mehr als 60 % der
Treibhausgasemission bereits bei der Pulverherstellung73. Bei AlSi10Mg
dominiert die Bereitstellung von Elektrizität zum eigentlichen LBM-
Fertigungsprozess mit fast 45 %, während die Pulverherstellung rund 40 %
zum Treibhausgaspotenzial beiträgt.
5.2 Bewertung der Rohstoffkritikalität
Für die Bewertung der Kritikalität der eingesetzten Rohstoffe wird die
Methodik aus der VDI-Richtlinie 4800 Blatt 2 „Ressourceneffizienz - Bewer-
tung des Rohstoffaufwands“74 genutzt. Die Richtlinie basiert auf einem
System von 13 Indikatoren, die in drei Gruppen eingeteilt sind (Tabelle 8).
Tabelle 8: Indikatoren der VDI-Richtlinie 4800, Blatt 2
Geologische, techni-
sche und strukturelle
Indikatoren
Geopolitische und
regulatorische
Indikatoren
Ökonomische
Indikatoren
Verhältnis von Reserven zu
globaler Jahresproduktion
Herfindahl-Hirschman-Index
der Reserven
Herfindahl-Hirschman-Index der
Unternehmen
Grad der Koppelproduktion /
Nebenproduktion
Herfindahl-Hirschman-Index
der Länderproduktion
Grad der Nachfragesteigerung
Verbreitungsgrad
funktionaler End-of-Life -
Recyclingtechnologien
Politisches Länderrisiko
Technische Machbarkeit und
Wirtschaftlichkeit von Substituti-
onen in Hauptanwendungen
Wirtschaftlichkeit von Lage-
rung und Transport
Regulatorisches
Länderrisiko
Annualisierte Preisvolatilität
Verbreitungsgrad natürlicher
Vorkommen/Anbaugebiete
73 Dieser Prozess wird auch als "Atomisierung" bezeichnet.
74 Vgl. VDI 4800 Blatt 2:2018-03.
Ergebnisse der ökologischen und ökonomischen Bewertung 85
Jeder Rohstoff erhält für jeden Indikator eine Bewertung, wobei die Bewer-
tungsskala von 0 bis 1 reicht und die Zwischenschritte 0,3 und 0,7 beinhal-
tet. Eine Bewertung einzelner Rohstoffe wird über eine Zahl vorgenommen.
Hierbei werden die einzelnen Indikatorwerte der Größe nach geordnet. Es
werden Gewichtungsfaktoren Gi nach der folgenden Formel:
=()
berechnet. Diese werden mit den Indikatorwerten multipliziert und nach
der folgenden Formel:
=

zu einer Gesamtkritikalität addiert. In der VDI 4800 finden sich für viele
der zu betrachtenden Rohstoffe Bewertungen aufgrund von Berechnungen,
Schätzungen und Expertenmeinungen. Die Richtlinie beinhaltet die voll-
ständige Tabelle. Zirconium und Scandium sind jedoch nicht vermerkt.
Diese fehlenden Werte wurden über Analogieschlüsse ausgeglichen. Für
Zirconium wurde auf die Daten von Hafnium zurückgegriffen, da diese
Metalle meist vergesellschaftet sind und die Rohstoffe gemeinsam gewon-
nen werden. Für Scandium wurde die Bewertung von Terbium angesetzt,
da diese Metalle hinsichtlich ihrer Kritikalität, Förderart (als Nebenpro-
dukt) und Gesamtjahresproduktion miteinander vergleichbar sind.
Die für die verschiedenen Fertigungsprozesse relevanten Metalle, welche
in die jeweiligen Legierungen einfließen und deren aggregierter Kritikali-
tätswert, sind in Tabelle 9 dargestellt.
Tabelle 9: Aggregierte und gerundete Kritikalitätswerte
Metall
Kritikalitätswert
Anwendung in
Produktionstechnologie
Aggregiert
Gerundet
Aluminium
0,71
0,7
Alle
Silicium
0,76
0,7
Alle
Magnesium
0,76
0,7
Alle
Zirconium
0,92
1
Additive Fertigung
Scandium
0,93
1
Additive Fertigung
86 Ergebnisse der ökologischen und ökonomischen Bewertung
Für die Metalle Zirconium und Scandium, welche in der Legierung Scalmal-
loy© eingesetzt werden, resultiert der Kritikalitätswert 1, also ein sehr
hohes Versorgungsrisiko. Sie sind nur für die additive Fertigung notwen-
dig.
Für die übrigen Metalle errechnet sich ein gerundeter Kritikalitätswert von
0,7. Silicium und Magnesium finden sich in allen betrachteten Technolo-
gien, da sie üblicherweise in Aluminiumlegierungen für die betrachtete
Anwendung eingesetzt werden.
Die Kritikalitätswerte der in der additiven Fertigung verwendeten Metalle
lassen den Schluss zu, dass die Versorgungssicherung aktuell mit einem
hohen Risiko behaftet ist, wenn Scalmalloy© eingesetzt wird. Bei üblichen
Aluminiumlegierungen ist dieses, auch aufgrund der geschlossenen Kreis-
laufführung von Aluminium, deutlich geringer.
5.3 Ergebnisse der ökonomischen Bewertung
Die Analyse der Lebenszykluskosten umfasst die wesentlichen Kostenfak-
toren, welche im gesamten Lebenszyklus des hier betrachteten Fahrzeug-
bauteils (Dämpfergabel) in Erscheinung treten. Das Hauptaugenmerk liegt
dabei auf dem Kostenvergleich in der Herstellungsphase. Um einen Kos-
tenvergleich der konventionellen und der additiven Fertigungsverfahren zu
ermöglichen, werden die Kosten der verschiedenen Prozessabschnitte
aufgeschlüsselt. Dem Vergleich liegt der in Kapitel 4.1 für den Zweck die-
ser Studie festgelegte Anwendungsfall und die in Abbildung 18 skizzierte
Systemgrenze zugrunde. Demzufolge beziehen sich die der Analyse zu-
grunde gelegten Kostendaten auf die Fertigung von 10.000 Dämpfergabeln
pro Jahr.
Der Kostenvergleich für konventionell und additiv gefertigte Bauteile er-
folgt anhand der in Kapitel 4.4.1 erläuterten Definition der funktionellen
Einheit. Es werden also die Kosten, bezogen auf eine Dämpfergabel, mit
den in Kapitel 4.4.1 angegebenen Randbedingungen dargestellt.
5.3.1 Investitionskosten der Herstellung
Die Investitionskosten umfassen die Kosten für die Bereitstellung der Fer-
tigungsanlagen und der für die Werkstückbearbeitung erforderlichen
Ergebnisse der ökologischen und ökonomischen Bewertung 87
Werkzeuge. Bei der konventionellen Fertigung gehören dazu Schmelz- und
Tunnelöfen, eine Gussanlage, eine hydraulische Gesenkschmiedepresse
und weitere Metallbearbeitungsmaschinen. Außerdem zählen dazu die
Kosten für die Werkzeugfertigung, insbesondere der Gussform und der
Gesenkschmiedeform. Die Investitionskosten für diese Betriebsmittel flie-
ßen (mittels Allokation) entsprechend der hier betrachteten Losgröße von
10.000 Stück anteilig zur gesamten Fertigungsleistung eines beispielhaften
Industriebetriebs in die Analyse ein.
Bei der additiven Fertigung werden die Investitionskosten der LBM-
Anlagen in die Analysen einbezogen. Relevante, speziell angefertigte For-
mungswerkzeuge sind hier im Gegensatz zur konventionellen Fertigung
nicht erforderlich. Es werden lediglich Hilfseinrichtungen75 mit ver-
gleichsweise geringen Investitionskosten eingesetzt. Eine spanende Nach-
bearbeitung von Funktionsflächen der Werkstücke ist bei konventioneller
als auch additiver Fertigung notwendig. Diese sind im gegebenen Fall je-
doch minimal und werden daher bei der vergleichenden Betrachtung nicht
berücksichtigt.
Die Anzahl der für die Fertigung von 10.000 Bauteilen pro Jahr notwendi-
gen LBM-Anlagen leitet sich aus den experimentell ermittelten Maschinen-
und Wartungszeiten bei der Herstellung des Referenzbauteils ab. Diese
unterscheiden sich je nach verwendetem Werkstoff (Legierungen). Daraus
resultiert auf der gleichen LBM-Anlage des Typs EOS M 400 eine unter-
schiedliche jährliche Fertigungsleistung. Es werden deshalb je nach Pul-
vermaterial (Legierung) unterschiedliche Maschinenzeiten pro Werkstück
veranschlagt. Für die Fertigung von 10.000 Bauteilen pro Jahr leitet sich
daraus aufgerundet die folgende Anzahl von erforderlichen LBM-Anlagen
des Typs EOS M 400 ab:
Fertigungsprozess mit Scalmalloy© Legierung: 14 LBM-Anlagen
Fertigungsprozess mit AlSi10Mg Legierung: 11 LBM-Anlagen
75 Eine Säge zur Trennung der Bauteile von den Supportstrukturen und ein Ofen für die
Wärmenachbehandlung der Werkstücke.
88 Ergebnisse der ökologischen und ökonomischen Bewertung
Zusätzlich erforderliche Nebenanlagen wie Drucklufterzeugung, Bauteil-
nachbehandlung und Pulveraufbereitung sind in den experimentell ermit-
telten Daten zu Investitionskosten bereits enthalten und wurden hier auf
die im Produktionsszenario erforderliche Gesamtausstattung der additiven
Fertigungsanlage hochgerechnet. Tabelle 10 zeigt die Zusammenfassung
der anteiligen Investitionskosten pro Stück des Referenzbauteils.
Tabelle 10: Investitionskosten der konventionellen und additiven Fertigung pro
Referenzbauteil
Prozess
Investitionskosten je RB
zugrunde liegende
Allokationsfaktoren
Einzelpositionen
gesamt
konventionelle
Fertigung
2,94 €
Fertigungsanlagen
inkl. Flächenbedarf
(gesamt)
2,05 €
1/20 der Anlagenlebensdauer;
3 % Zinssatz (Diskontierung);
2,4 % des jährlichen
Produktionsvolumens
Spritzgusswerkzeug 0,23 € 1/10 der Werkzeugstandzeit;
3 % Zinssatz (Diskontierung);
Gesenkschmiede-
werkzeug 0,66 € 1/5 der Werkzeugstandzeit;
3 % Zinssatz (Diskontierung);
additive Fertigung
-
LBM-Anlage mit
Scalmalloy© 213,36 € 213,36 € 1/10 der Anlagenlebensdauer;
3 % Zinssatz (Diskontierung);
LBM-Anlage mit
AlSi10Mg 167,64 167,64 € 1/10 der Anlagenlebensdauer;
3 % Zinssatz (Diskontierung);
RB Referenzbauteil
Ergebnisse der ökologischen und ökonomischen Bewertung 89
5.3.2 Betriebskosten der Herstellung
Die Datengrundlage der konventionellen Fertigung resultiert aus Angaben
des Automobilherstellers der Dämpfergabel. Dieser industrielle Ferti-
gungsprozess repräsentiert einen nach aktuellem Stand der Technik opti-
mierten Kostenrahmen einschließlich der Skaleneffekte einer Massenpro-
duktion.
Die Datengrundlage der additiven Fertigung basiert auf experimentell
ermittelten Werten, also den Messwerten der Einzelanlage. Diese wurden
verwendet, um auf die im Produktionsszenario anzunehmende Betriebs-
weise mit 14 bzw. elf LBM-Anlagen hochzurechnen. Dabei wurden die
möglichen Optimierungspotenziale einer aus Serienproduktion getrimmten
Betriebsweise eher konservativ abgeschätzt. Die ermittelten Betriebskosten
stellen daher die obere Grenze des anzunehmenden Kostenrahmens dar.
Der Betriebsmodus der LBM-Anlagen ermöglicht mit Maschinenbelegungs-
zeiten pro Charge (Kapitel 4.6) von 171,80 Stunden (Scalmalloy©) bzw.
133,94 Stunden (AlSi10Mg) einen unbeaufsichtigten Betrieb an Wochen-
end- und Feiertagen. Daraus wird einschließlich der notwendigen Richt-
und Wartungszeiten ein Betrieb der LBM-Anlagen an gerundet 360 Tagen
pro Jahr angenommen (Beschickung und Betrieb der 14 bzw. elf LBM-
Anlagen erfolgt dabei in zeitversetzten Intervallen).
Die Produktivität der Anlagen ist in erster Linie bedingt durch die Maschi-
nenbelegungszeiten, welche sich aus den Messwerten für die Beschich-
tungsdauer und die Belichtungsdauer der Werkstücke zuzüglich der Ar-
beitszeit zur Vorbereitung je Charge zusammensetzt. Hingegen kann die
Nachbearbeitung der Werkstücke (Wärmebehandlung, Stützstrukturent-
fernung, Entgraten) parallel zu den Maschinenbelegungszeiten erfolgen.
Letztere Zeiten fließen deshalb in die Arbeitskosten mit ein, nicht aber in
den Kostenfaktor Maschinenzeit. Wartungskosten setzen sich aus einem
hochgerechneten Anteil an Arbeits-, Material- und Entsorgungskosten
zusammen (Tabelle 11).
90 Ergebnisse der ökologischen und ökonomischen Bewertung
Tabelle 11: Betriebskosten der konventionellen und additiven Fertigung pro
Referenzbauteil
Prozess
Betriebskosten der Fertigung pro Stück
Einzelpositionen
Summe
konventionelle Fertigung
6,83 €
- Rohmaterialkosten
5,50 €
- Energiekosten
0,15 €
- Arbeitskosten
1,10 €
- Kosten Abfallentsorgung
0,08 €
additive Fertigung mit Scalmal-
loy
©
560,54 €
- Rohmaterialkosten
402,75 €
- Energiekosten
11,99 €
- Kosten für Kühlwasser
5,95 €
- Arbeitskosten
6,38 €
- Kosten für Wartung
98,74 €
- Kosten für Platzbedarf
3,28 €
- Kosten Abfallentsorgung
31,45 €
additive Fertigung mit AlSi10Mg
134,90 €
- Rohmaterialkosten
43,21 €
- Energiekosten
9,25 €
- Kosten für Kühlwasser
4,52 €
- Arbeitskosten
6,04 €
- Kosten für Wartung
70,53 €
- Kosten für Platzbedarf
2,57 €
- Kosten Abfallentsorgung
3,35 €
5.3.3 Kosten in der Nutzungsphase
Die Dämpfergabel ist für die wartungsfreie Nutzung als Bestandteil eines
Kraftfahrzeugs ausgelegt. Während der Nutzungsphase entstehen deshalb
keine unmittelbaren Kosten. Ein indirekter Einspareffekt wäre theoretisch
durch die additive Fertigung des Referenzbauteils in strukturoptimierter
Leichtbauweise möglich, da die Gewichtsreduktion des Referenzbauteils zu
einem verminderten Treibstoffverbrauch des Fahrzeugs beiträgt. Der anzu-
nehmende Einspareffekt beträgt in dieser Studie je Referenzbauteil etwa
0,5 l Treibstoff über die gesamte Nutzungsdauer des Fahrzeugs. Der Effekt
kann somit vernachlässigt werden.
5.3.4 Entsorgungskosten
Nach der Nutzung der Dämpfergabel als Bestandteil eines Kraftfahrzeugs
wird dieses zusammen mit dem Altauto entsorgt. Als Entsorgungsweg wird
eine ordentliche Altautoentsorgung einschließlich Recycling der metalli-
schen Bestandteile angenommen. Die hier betrachteten Referenzbauteile
werden dabei ungeachtet ihrer spezifischen Legierung als Aluminium-
schrott behandelt. Dieser recycelbare Wertstoff erzielt einen Marktpreis,
Ergebnisse der ökologischen und ökonomischen Bewertung 91
welcher in der Lebenszykluskostenrechnung als einmalige Gutschrift be-
rücksichtigt wird. Da diese Recyclinggutschrift erst mit einer Verzögerung
von etwa 15 Jahren wirksam wird, stellen die in Tabelle 12 genannten
Werte die diskontierten Werte (NPV) dieser Gutschrift dar.
Tabelle 12: Recyclinggutschriften für konventionell und additiv gefertigte
Referenzbauteile
Referenzbauteil
Masse
Gutschrift
Bauteil aus konventioneller Fertigung
1,32 kg
1,41 €
Bauteil aus Scalmalloy©
1,1 kg
1,17 €
Bauteil aus AlSi10Mg
1,2 kg
1,28 €
5.3.5 Gesamtbewertung der Lebenszykluskosten
Tabelle 13 zeigt die Gesamtkosten pro Stück bei einer Fertigung von
10.000 Dämpfergabeln. Betrachtet wird sowohl die konventionelle Ferti-
gung als auch die additive Fertigung mit Scalmalloy© und AlSi10Mg.
Tabelle 13: Zusammenstellung Lebenszykluskosten der konventionellen und additiven
Fertigung pro Referenzbauteil
Prozess
Lebenszykluskosten der
Fertigung pro Stück
Einzelpositionen
Summe
konventionelle Fertigung
8,36 €
- Investition
2,94 €
- Betriebskosten
6,83 €
- Kosten in der Nutzungsphase
vernachlässigt
- Entsorgungsphase
1,41 €
additive Fertigung mit Scalmalloy
©
837,70 €
- Investition
213,36 €
- Betriebskosten
625,52 €
- Kosten in der Nutzungsphase
vernachlässigt
- Entsorgungsphase
1,17 €
additive Fertigung mit AlSi10Mg
363,94 €
- Investition
167,64 €
- Betriebskosten
197,58 €
- Kosten in der Nutzungsphase
vernachlässigt
- Entsorgungsphase
1,28 €
Der Unterschied in den Investitionskosten für die zwei Szenarien der Addi-
tivfertigung hat in erster Linie mit der Anzahl an benötigten LBM-
Maschinen (elf Stück für AlSi10Mg und 14 Stück für Scalmalloy©) zu tun.
Zudem besteht ein großer Unterschied zwischen der konventionellen und
der additiven Fertigung hinsichtlich der pro Werkstück benötigten Herstel-
lungszeit. Dies wirkt sich stark auf die Stückkosten aus.
92 Ergebnisse der ökologischen und ökonomischen Bewertung
Bei der konventionellen Fertigung ist die existierende Fertigungsanlage bei
einer Losgröße von 10.000 Stück nur für sieben Tage pro Jahr ausgelastet.
Bei angenommenen 300 Betriebstagen pro Jahr bedeutet das, dass eine
Allokation von 2,4 % der jährlichen Abschreibung von anlagenbezogenen
Investitionskosten erfolgt (hinzukommen noch die anteiligen Investitions-
kosten für die Werkzeuge). Bei der AM hingegen sind in beiden Szenarien
alle LBM-Maschinen an rund 360 Tagen pro Jahr mit der Verarbeitung der
betrachteten Losgröße ausgelastet. Daher werden 100 % der jährlichen
Abschreibung von anlagenbezogenen Investitionskosten (Werkzeuge ent-
fallen) in Rechnung gestellt. Als Konsequenz fällt die anteilige Allokation
der jährlichen Investitionskosten bei der konventionellen Fertigung relativ
gering aus, während diese der additiven Fertigung der Dämpfergabeln
insgesamt zugeschrieben wird. Dies betrifft ebenso die Wartungskosten,
welche sich bei den ohnehin relativ wartungsintensiven LBM-Anlagen voll
auf die Fertigungsstückkosten auswirken. Im Gegensatz dazu findet bei der
konventionellen Herstellung eine Allokation von nur 2,4 % der jährlichen
Wartungskosten statt.
Des Weiteren bewirken die verschieden hohen Pulverpreise einen starken
Unterschied der Betriebskosten zwischen der additiven Fertigung mit
Scalmalloy© und AlSi10Mg (Faktor 10). Dies beeinflusst sowohl die Rohma-
terial- als auch die Abfallentsorgungskosten (Pulververluste).
5.4 Sensitivitätsanalyse
5.4.1 Geänderte Parameter für die Sensitivitätsanalyse
Der heutige Stand der Technik für die additive Fertigung befindet sich an
der Schwelle von der Einzelteilfertigung zur Fertigung von Klein- und Mit-
telserien von Werkstücken. Die in dieser Studie betrachtete Fertigung einer
mittleren Losgröße von 10.000 Stück pro Jahr mittels LBM-Technologie
wäre zwar technisch machbar, aber im Sinne der industriellen Praxis der
Zeit noch etwas voraus. Jedoch ist absehbar, dass die additive Fertigung in
Zukunft durch technologische Innovationen weiter optimiert werden kann.
Dadurch könnte eine Klein- und Mittelserienfertigung in der betrachteten
Losgröße in einen industriell sinnvollen Anwendungsbereich rücken.
Ergebnisse der ökologischen und ökonomischen Bewertung 93
Die im Folgenden dargelegte Sensitivitätsanalyse testet die ökonomischen
und ökologischen Auswirkungen technologischer Innovationen für die
Herstellung von größeren Stückzahlen mittels LBM. Aus der Vielzahl der
zukünftigen technologischen Optimierungsmöglichkeiten bei additiven
Fertigungsverfahren werden in dieser Studie die folgenden vier Aspekte in
Betracht gezogen (alle anderen Aspekte bleiben unverändert, Kapitel
4.5.2):
Anzahl der Laser je LBM-Anlage steigt von eins auf vier. Dies bewirkt
eine Reduktion der Bauzeit je Charge und damit eine Reduktion der für
die Produktion von 10.000 Stück benötigten Anlagen von 14 auf drei
Anlagen für Scalmalloy© bzw. von elf auf zwei Anlagen für AlSi10Mg.
Die mit Scalmalloy© herstellbare Schichtdicke steigt von 60 µm auf 90
µm, dadurch verringert sich die Bauzeit.
Die Größe des Pulverbetts steigt auf 400 mm x 400 mm x 800 mm,
dadurch können pro Charge 36 statt 18 Werkstücke auf einmal herge-
stellt werden.
Reduzierte Stillstandszeiten der LBM-Anlagen durch unbeaufsichtigten
oder fernüberwachten Betrieb (Betriebsdauer = 360 Tage pro Jahr).
Die ökonomischen und ökologischen Auswirkungen dieser zukünftigen
Optimierungsmöglichkeiten werden auf Basis der heutigen Kosten und
aktuell gültigen Impactfaktoren berechnet. Daher testet die Sensitivitäts-
analyse Veränderungen, die sich ergeben würden, wenn die erst zukünftig
möglichen Optimierungen jetzt schon umsetzbar wären.
In Tabelle 14 werden die heutigen und die optimierten Parameter der addi-
tiven Fertigung für die beiden Legierungen Scalmalloy© und AlSi10Mg
dargestellt. Diese bilden die Grundlage für die in den nächsten beiden
Kapiteln dargestellten Ergebnisse.
94 Ergebnisse der ökologischen und ökonomischen Bewertung
Tabelle 14: Änderungen der Inputparameter der additiven Fertigung pro Stück für die
ökologische und ökonomische Bewertung
Inputparameter
Basis
(Scalmalloy
©
)
optimiert
(Scalmalloy
©
)
Basis
(AlSi10Mg)
optimiert
(AlSi10Mg)
Anzahl Teile pro Charge
18
36
18
36
Strommenge (kWh)
49,86
19,56
40,18
15,25
Wärmemenge (kWh Gas)
0,07
0,07
0,07
0,08
Rohstoffmenge (kg)
1,22
1,22
1,33
1,33
Druckluftmenge (m³)
260,15
64,90
187,73
48,74
Kühlwassermenge (m³)
1,52
1,51
1,09
1,12
Maschinenzeit (h)
9,54
2,32
6,98
1,75
Arbeitszeit (h)
0,38
0,3
0,36
0,31
5.4.2 Ergebnisse der ökologischen Sensitivitätsanalyse
In Abbildung 25 sind die Ergebnisse des Szenarios für die additive Ferti-
gung mit einer optimierten LBM-Anlage im Vergleich zur unveränderten
konventionellen Fertigung in der Kategorie kumulierter Energieaufwand
dargestellt.
217
2.042
1.499
953
557
30
192
121
127
76
0
500
1.000
1.500
2.000
2.500
konventionelle
Fertigung
additive
Fertigung
(Scalmalloy©)
optimierte
add. Fertigung
(Scalmalloy©)
additive
Fertigung
(AlSi10Mg)
optimierte
add. Fertigung
(AlSi10Mg)
MJ-eq/FE
KEA, regenerativ
KEA, erschöpflich
Abbildung 25: Sensitivität kumulierter Energieaufwand je funktioneller Einheit
Es wird deutlich, dass mit einer optimierten LBM-Anlage sowohl im Falle
von Scalmalloy© als auch im Falle von AlSi10Mg eine deutliche Einsparung
von fast 30 % bzw. über 40 % des kumulierten Energieaufwands erzielt
werden könnte. In diesem Optimierungsfall benötigt die additive Fertigung
Ergebnisse der ökologischen und ökonomischen Bewertung 95
mit AlSi10Mg beispielsweise statt viermal nur noch 2,5-mal so viel Energie
wie die konventionelle Fertigung.
In Abbildung 26 sind die Ergebnisse des Szenarios für die additive Ferti-
gung mit einer optimierten LBM-Anlage im Vergleich zur unveränderten
konventionellen Fertigung in der Kategorie kumulierter Rohstoffaufwand
dargestellt.
4
22 16 13 8
6
24
10 17
7
0,5
3,2
1,7 2,6
1,5
9
77
54 39
22
0
20
40
60
80
100
120
140
konventionelle
Fertigung
additive
Fertigung
(Scalmalloy©)
optimierte
add. Fertigung
(Scalmalloy©)
additive
Fertigung
(AlSi10Mg)
optimierte
add. Fertigung
(AlSi10Mg)
kg/FE
KRA, energetisch
KRA, biotisch
KRA, metallisch
KRA, Bau- und
Industriematerialien
Abbildung 26: Sensitivität kumulierter Rohstoffaufwand je funktioneller Einheit
Auch beim KRA zeigt sich, dass sowohl im Falle von Scalmalloy© als auch
im Falle von AlSi10Mg eine deutliche Einsparung durch eine optimierte
LBM-Anlage von fast 35 % bzw. rund 45 % des kumulierten Rohstoffauf-
wands erzielt werden könnte. Durch die Optimierung würde die additive
Fertigung mit AlSi10Mg nur noch rund doppelt so viele Rohstoffe benöti-
gen wie die konventionelle Fertigung.
In Abbildung 27 sind abschließend die Ergebnisse der Sensitivitätsanalyse
für eine additive Fertigung mit einer optimierten LBM-Anlage gegenüber
der unveränderten konventionellen Fertigung in der Kategorie Treibhaus-
gaspotenzial dargestellt.
96 Ergebnisse der ökologischen und ökonomischen Bewertung
19
163
95
61
39
0
20
40
60
80
100
120
140
160
180
konventionelle
Fertigung
additive
Fertigung
(Scalmalloy©)
optimierte
add. Fertigung
(Scalmalloy©)
additive
Fertigung
(AlSi10Mg)
optimierte
add. Fertigung
(AlSi10Mg)
kgCO
2
-eq/FE
Treihausgaspotenzial
GWP 100
Abbildung 27: Sensitivität Treibhausgaspotenzial je funktioneller Einheit
Sowohl bei der additiven Fertigung mit Scalmalloy© als auch mit AlSi10Mg
können die CO2-Emissionen um mehr als 40 % bzw. um mehr als 35 %
gesenkt werden. In diesem Optimierungsfall emittiert die additive Ferti-
gung mit AlSi10Mg nur noch rund doppelt so viele Treibhausgasemissio-
nen wie die konventionelle Fertigung.
5.4.3 Ergebnisse der ökonomischen Sensitivitätsanalyse
Die für optimierte additive LBM-Fertigungsanlagen errechneten Investiti-
onskosten und Betriebskosten sind in Tabelle 15 angegeben (Vergleichs-
werte Tabelle 10 und Tabelle 11). Für die Kosten der Nutzungsphase und
die Recyclinggutschrift ergeben sich hierbei keine Änderungen.
Die Ergebnisse der ökonomischen Sensitivitätsanalyse zeigen ein deutli-
ches Kosteneinsparpotenzial bei den Investitionen (Tabelle 15). Dieser
Kostenanteil sinkt durch technische Optimierungen um etwa 80 %. Die
Ursache dafür ist die geringere Anzahl der für die Fertigung von 10.000
Stück pro Jahr erforderlichen LBM-Anlagen. Mit AlSi10Mg werden nur
noch zwei optimierte Anlagen (statt elf) benötigt, mit Scalmalloy© sind es
drei (statt vierzehn). Aufgrund des zunehmenden internationalen Wettbe-
werbs ist eine Reduktion der Investitionskosten für LBM-Anlagen in den
kommenden Jahren zu erwarten. Eine genaue Prognose lässt sich jedoch
nicht stellen. Darum wird dieser Faktor nicht berücksichtigt.
Ergebnisse der ökologischen und ökonomischen Bewertung 97
Tabelle 15: Investitions- und Betriebskosten der optimierten additiven Fertigung pro
Referenzbauteil
Prozess
Investitionskosten
pro Stück zugrunde liegende
Allokationsfaktoren
Optimierte LBM-Anlage mit Scalmalloy© 45,72 €
1/10 der Anlagen-
lebensdauer;
3% Zinssatz (Diskontierung);
Optimierte LBM-Anlage mit AlSi10Mg 30,48 €
1/10 der Anlagen-
lebensdauer;
3% Zinssatz (Diskontierung);
Prozess
Jährliche Betriebskosten der
Fertigung pro Stück
Einzelpositionen
Summe
Optimierte additive Fertigung mit
Scalmalloy
©
482,61 €
- Rohmaterialkosten
402,75 €
- Energiekosten
4,06 €
- Kosten für Kühlwasser
5,90 €
- Arbeitskosten
5,16 €
- Kosten für Wartung
32,59 €
- Kosten für Platzbedarf
0,70 €
- Kosten Abfallentsorgung
31,45 €
Optimierte additive Fertigung mit
AlSi10Mg
81,01 €
- Rohmaterialkosten
43,21 €
- Energiekosten
3,09 €
- Kosten für Kühlwasser
4,35 €
- Arbeitskosten
4,82 €
- Kosten für Wartung
21,73 €
- Kosten für Platzbedarf
0,47 €
- Kosten Abfallentsorgung
3,35 €
Die Auswirkung der anlagentechnischen Optimierung auf die Betriebskos-
ten ist deutlich geringer. Weiterhin bleiben die Materialkosten der wesent-
lichste Kostenfaktor, insbesondere bei Scalmalloy©. In diesem Fall reduzie-
ren sich die Betriebskosten um etwa 14 %. Bei AlSi10Mg sind immerhin bis
zu 40 % Kosteneinsparpotenzial zu erwarten. Der deutlichste Einspareffekt
resultiert aus reduzierten Wartungskosten.
98 Diskussion und Schlussfolgerungen
6 DISKUSSION UND SCHLUSSFOLGERUNGEN
6.1 Einordnung der Ergebnisse in den Gesamtkontext
Die in Kapitel 5.1 dargestellten Ergebnisse der ökologischen Bewertung
zeigen, dass die additive Fertigung über alle umweltbezogenen Wirkungs-
kategorien hinweg deutlich stärkere Auswirkungen verursacht als die
konventionelle Fertigung. Dies ist vor allem auf den elektrischen Grund-
verbrauch der LBM-Anlagen zurückzuführen. Insbesondere hat sich die
konstant messbare elektrische Grundlast der eingesetzten EOS-M-400-
Anlage mit etwa 5 kW als überraschend hoch erwiesen. Der gemessene
Grundstrombedarf deutet in erster Linie auf eine noch nicht voll ausgereifte
Anlagentechnologie hin. Demgegenüber ist der Strombedarf für den eigent-
lichen, laserbasierten Schmelzvorgang des Pulvers vergleichsweise mode-
rat (8,8 % des gesamten Strombedarfs; Herleitung siehe Kapitel 4.5.1). Hier
besteht also bei der Anlagentechnik ein signifikantes Potenzial zur Opti-
mierung der Energieeffizienz.
Die Sensitivitätsanalyse verdeutlicht, dass technische Verbesserungen bei
LBM-Anlagen bei den ökologischen Wirkungskategorien ein deutliches
Verbesserungspotenzial bewirken könnten. Allein die höhere Anzahl der
parallel arbeitenden Laser sowie ein größeres Bauraumvolumen führen zu
einer deutlichen Reduktion der für die Fertigung von 10.000 Bauteilen
benötigten Anzahl an LBM-Anlagen. Diese Produktivitätssteigerung hätte
auch einen geringeren Energiebedarf zur Folge. Beispielsweise kann im
Falle von Scalmalloy© bzw. von AlSi10Mg eine Einsparung von fast 30 %
bzw. über 40 % des kumulierten Energieaufwands erzielt werden. In die-
sem Optimierungsfall benötigt die additive Fertigung mit AlSi10Mg-Pulver
nur noch 2,5-mal so viel Energie pro Werkstück wie die konventionelle
Fertigung. Weitergehende technische Verbesserungen, insbesondere die
Reduktion der elektrischen Grundlast der LBM-Anlagen, könnten dazu
beitragen, den Abstand der additiven zur konventionellen Fertigung in
Hinblick auf deren Umweltauswirkungen zu verringern. Die hier berück-
sichtigten Optimierungen innerhalb einer einzigen LBM-Anlagengeneration
verdeutlichen das Potenzial weiterer Folgegenerationen zur weiteren Re-
duktion der Umweltwirkungen.
Diskussion und Schlussfolgerungen 99
Zudem zeigen die Ergebnisse deutlich den Einfluss der verwendeten Pul-
verlegierung auf den Ressourcenaufwand und das Treibhausgaspotenzial.
Im Falle der Anwendung von Scalmalloy© wirkt sich der Aufwand für die
Bereitstellung der Rohstoffe erheblich auf das Gesamtergebnis aus. Dies
betrifft insbesondere den Legierungsbestandteil Scandium, welches die EU-
Kommission (2017) zudem als einen für die EU kritischen Rohstoff identi-
fiziert hat.76 Scalmalloy© eignet sich als Hightech-Werkstoff vorrangig für
die Fertigung hoch optimierter Bauteile mit überdurchschnittlichem
Marktwert, jedoch weniger für generische Fahrzeugkomponenten. Für
solche Produkte ist AlSi10Mg wesentlich günstiger und auch weniger res-
sourcenrelevant.
Darüber hinaus lässt sich die Erkenntnis ableiten, dass der Einsatz einer
hochfesten Stahllegierung, beispielsweise eines für LBM-Prozesse häufig
verwendeten Maraging-Stahlpulvers (Festigkeit ca. 2200 MPa), ein ebenso
erhebliches Einsparpotenzial birgt. Bei gleicher Festigkeit lässt sich hier
ein geringeres Bauteilvolumen als mit Aluminiumlegierungen realisieren.
Die LBM-Fertigung von Werkstücken mit geringem Volumen benötigt we-
niger Energie für den Schmelzvorgang. Hieraus würde nicht nur ein deut-
lich geringerer Pulverbedarf resultieren, sondern auch eine deutlich ge-
minderte Fertigungsdauer. Hingegen hat der höhere Schmelzpunkt von
Stahl nur geringen Einfluss auf den Energiebedarf des laserbasierten selek-
tiven Schmelzprozesses. Je nach Anwendungsfall sollten somit die Ent-
scheidungsfaktoren spezifische Werkstoffeigenschaften und Werkstück-
geometrieunterschiedlich bewertet werden.
Die mittels numerischer Strukturoptimierung erzielte Massenreduktion der
additiv gefertigten Referenzbauteile war im gegebenen Anwendungskon-
text der Referenzbauteile zu gering, um den Treibstoffverbrauch eines
Fahrzeugs im Gebrauch deutlich zu reduzieren. Bei anderen Anwendungs-
gebieten, wie z. B. in der Luft- und Raumfahrt, würde die Leichtbauweise
wesentlich stärkeren Einfluss auf die Verringerung der für Hubarbeit und
Beschleunigung benötigten Treibstoffmengen haben. Gleichwohl ist die
Strukturoptimierung eine notwendige Voraussetzung zur Nutzung der
76 Vgl. EU-Kommission (2017).
100 Diskussion und Schlussfolgerungen
LBM-Technologie. Ohne Strukturoptimierung würden die in dieser Studie
ermittelten ökonomischen und ökologischen Kennwerte der additiven Fer-
tigung ungünstiger ausfallen.
Die Ergebnisse der ökonomischen Bewertung in Kapitel 5.3 zeigen, dass
die Anwendung der additiven Fertigung für den gewählten Anwendungs-
fall, also der Herstellung von 10.000 Dämpfergabeln, wirtschaftlich nicht
sinnvoll ist. Sie ist bei Anwendung von AlSi10Mg, dem günstigeren Werk-
stoff, immer noch um den Faktor 40 teurer als die konventionelle Ferti-
gung.
Neben den Investitionskosten sind bei der additiven Fertigung auch die
Material- und Betriebskosten wesentlich höher als bei einer konventionell
industriellen Fertigung. Insbesondere zu nennen sind hier die Kosten für
das Pulver (v. a. bei Verwendung von Scalmalloy©) sowie die Wartungskos-
ten der LBM-Anlagen. Die Herstellung von Bauteilen mit relativ einfacher
Geometrie und geringem Marktpreis erreicht nicht die Höhe der Wert-
schöpfung, die erforderlich wäre, um die Nutzung der gegenwärtig noch
sehr teuren LBM-Technologie zu amortisieren. Für die hier betrachtete
Losgröße (10.000 Stück) ist die konventionelle Fertigung zum gegenwärti-
gen Zeitpunkt deutlich günstiger. Gleichzeitig ist jedoch hervorzuheben,
dass die wirtschaftliche Bewertung stark vom jeweilig betrachteten An-
wendungsfall abhängt. Generelle Aussagen über die Wirtschaftlichkeit der
additiven Fertigung sind deswegen nicht möglich. Vielmehr bietet diese
Studie einen detaillierten Einblick in die Bewertungsmechanismen und
Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt, um solide Entscheidungen
bezüglich der Investition in additive Fertigungsverfahren zu tätigen.
In der Sensitivitätsanalyse zeigt sich, dass technologische Innovationen bei
additiven Fertigungsanlagen deren Wirtschaftlichkeit in Zukunft deutlich
verbessern könnten. Allein die in Kapitel 5.4.1 genannten technischen
Optimierungen bewirken eine deutliche Steigerung der Produktivität von
LBM-Anlagen. Dies bewirkt eine Reduktion der Maschinenzeit pro Werk-
stück und würde bei gleicher Losgröße eine geringere Anzahl von LBM-
Anlagen erforderlich machen. Der Stückpreis konnte so, beispielsweise bei
der Verwendung von AlSi10Mg, um fast 80 % reduziert werden.
Diskussion und Schlussfolgerungen 101
Allerdings ist anzunehmen, dass die Materialkosten für das Pulver weiter-
hin deutlich über den Materialkosten der konventionellen Fertigung liegen.
Die Pulverherstellung wird weiterhin einen zusätzlichen Kostenfaktor in
der gesamten Wertschöpfungskette darstellen. Deshalb bleibt die LBM-
basierte Fertigung in absehbarer Zukunft noch mindestens um den Faktor
10 teurer als die konventionelle Fertigung (zumindest im hier betrachteten
Anwendungskontext).
6.2 Einschätzung der Relevanz und des Geltungsbe-
reichs unter Berücksichtigung der getroffenen An-
nahmen
Unter den in dieser Studie angenommenen Rahmenbedingungen könnte
die additive Fertigung ihre technologischen Vorteile nur bei sehr kleiner
Losgröße ausspielen. Hier wären die Stückkosten der konventionellen Fer-
tigungsverfahren ebenfalls hoch. Allerdings würde im Fall der konventio-
nellen Fertigung bei kleinerer Losgröße als 10.000 Stück pro Jahr nicht das
in dieser Studie betrachtete Gießverfahren eingesetzt werden.77 Dieses ist
auf wesentlich größere Stückzahlen ausgelegt. Stattdessen würden für
konventionell herzustellende Kleinserien andere Fertigungsverfahren, wie
beispielsweise CNC-Fräsen oder Gießen mit verlorener Form, genutzt wer-
den. Diese alternativen Fertigungsverfahren weisen andere ökonomische
und ökologische Kennwerte auf, die im Rahmen dieser Studie zwar nicht
betrachtet wurden, jedoch weitere interessante Erkenntnisse bezüglich
eines Vergleichs von additiven und konventionellen Fertigungsverfahren
erzeugen würden.
Ein wesentlicher Vorteil der additiven Fertigung liegt in der Möglichkeit
zur topologischen Strukturoptimierung von Leichtbauteilen. Diese konnten
mit dem in dieser Studie betrachteten Referenzbauteil nicht vollends aus-
gereizt werden, da die (aus Gründen der Vergleichbarkeit gewählte) An-
lehnung an das konventionelle Automobildesign nur eine geringe Gestal-
tungsfreiheit gestattete. Durch ein explizit auf additive Fertigung optimier-
tes Gesamtdesign von komplexen Produktsystemen, wie beispielsweise
77 Das Verfahren wurde dennoch gewählt, da über den Automobilhersteller Praxisdaten für den
Produktionsprozess für die ökologische und ökonomische Bewertung zur Vergung standen.
102 Diskussion und Schlussfolgerungen
Automobilen oder Flugzeugen, lässt sich das Leichtbaupotenzial von Ein-
zelkomponenten umfassender erschließen. Dadurch würde sich die Wirt-
schaftlichkeit der additiven Verfahren verbessern und auch deutlichere
Energiespareffekte in der Nutzungsphase mobiler Produkte erzielen. Eine
umfangreiche Strukturoptimierung in Verbindung mit der Wahl kosten-
günstigerer Werkstoffe (z. B. Stahlpulver statt Aluminiumlegierung) könnte
die Fertigung mittels LBM gegenüber der konventionellen Fertigung im
Einzelfall konkurrenzfähig machen. Dabei kommt es jedoch sehr stark auf
die zugrunde liegenden Geschäftsmodelle an. Beispielsweise bleibt die
Serienfertigung von Bauteilen mit identischem Design in absehbarer Zeit
den konventionellen Fertigungsverfahren vorbehalten. Hingegen lohnt sich
die additive Fertigung für die Serienfertigung individualisierter Bauteile,
wie z. B. digital modifizierbare Unikate mit bionischen Strukturen, welche
Funktions- und Integralbauweisen ermöglichen. Trotz des hohen Potenzials
der numerischen Strukturoptimierung ist festzuhalten, dass die Materialef-
fizienz stark von der Werkstoffwahl abhängt.
In Anbetracht der hohen Investitionskosten der LBM-Anlagen ist eine dau-
erhaft hohe Auslastung der Fertigungskapazität von LBM-Anlagen anzu-
streben. Dies lässt sich nur durch rationalisierte Geschäftsmodelle errei-
chen, etwa Fertigung durch Dienstleister, die eine optimierte Bauraumaus-
lastung und weitgehend unterbrechungsfreie Betriebsweise der LBM-
Anlagen erreichen können. In Zukunft könnte die Anwendungsbreite der
additiven Fertigung ausgeweitet werden. Dazu erscheint allerdings eine
verbesserte verfahrenstechnische Toleranz der LBM-Technologie notwen-
dig, um die Nutzung von kostengünstigen Pulverwerkstoffen zu ermögli-
chen. Geringere Anforderungen an Legierungsbestandteile, Körnungsquali-
tät und Homogenität der Pulverwerkstoffe könnten helfen, Kostennachteile
und höhere Umweltwirkungen gegenüber dem in der konventionellen
Fertigung eingesetzten Werkstoffen abzumildern. Bei Titanlegierungen
beispielsweise, wo die konventionelle Fertigung einen subtraktiven Fräs-
vorgang mit erheblichem Materialverlust umfasst, könnte die additive
Fertigung bereits in naher Zukunft ökonomisch wie ökologisch besser
abschneiden. Dies liegt u. a. darin begründet, dass sich nicht aufgeschmol-
zenes Pulver direkt wiederverwerten lässt, während sich Titanspäne aus
der spanenden Verarbeitung aufgrund der Verunreinigung mit Kühl-
Diskussion und Schlussfolgerungen 103
schmierstoffen nicht in einen geschlossenen Recyclingkreislauf rückführen
lassen.
Zusammenfassend kann die additive Fertigung als Ergänzung zur konven-
tionellen Fertigung verstanden werden. Es ist zu vermuten, dass Innovati-
onen die Prozessabläufe von additiven Fertigungsverfahren optimieren und
damit weitere bzw. neue Anwendungsfelder erschlossen werden. Dadurch
können konventionelle Fertigungsverfahren im Schnittmengenbereich
beider Technologien (Losgröße) ressourceneffizient ersetzt werden. Hierzu
bietet die vorliegende Studie einen beispielhaften Einblick in Bewertungs-
mechanismen, die eine Entscheidungsfindung bezüglich Investitionen in
additive Fertigungsverfahren unterstützen können.
104 Literaturverzeichnis
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108 Anhang A
ANHANG A
Ausführungen zu Strukturoptimierungen
Ein moderner Designansatz ist die Nutzung von Strukturoptimierungsme-
thoden und -Algorithmen im Designprozess. Durch diese können Konstruk-
teure auch bei komplexen technischen Problemstellungen im Designpro-
zess unterstützt und Arbeitsschritte automatisiert werden. Zudem verein-
fachen automatisierte Designentwürfe und Formanpassung die Nutzung
von komplexen Geometrien in der Designlösung, was ein Konstrukteur
manuell nicht leisten könnte.78
Durch das geeignete Setzen von Optimierungszielen und Randbedingungen
für die Strukturoptimierung ist es möglich, dass Bauteile eine verbesserte
Leistung (beispielsweise Steifigkeit, Vibrations- oder Thermalverhalten) bei
geringem Bauteilgewicht aufweisen. Dieser Leichtbau im Design ist bei der
additiven Fertigung von besonderem Interesse. Im Gegensatz zu den kon-
ventionellen (beispielsweise abtragenden) Fertigungsverfahren wird bei
der additiven Fertigung nur dort Material aufgebaut, wo es auch wirklich
benötigt wird. Je weniger Masse ein Bauteil hat, desto schneller und res-
sourcenschonender kann es additiv gefertigt werden. Leichtbau wird bei
der additiven Fertigung somit zum ökonomischen Imperativ, um unter-
nehmerische Anforderungen wie das Senken von Material- und Betriebs-
kosten zu realisieren79.
Die Anforderungen an CAD-Programme verändern sich ebenfalls. Traditio-
nell werden die CAD-Programme für das parametrische Gestalten von Bau-
teilen benutzt. Hierbei werden Parameter, wie die Wandstärke einer Rippe,
in der Konstruktion exakt eingegeben. In Bezug auf die additive Fertigung
stellt die parametrische Beschreibung allerdings eine Restriktion in der
möglichen Komplexität der Formgebung dar. Denn die Designfreiheit bei
der additiven Fertigung erlaubt völlig neue Formen, die sich parameterba-
siert nur sehr schwer oder oftmals auch gar nicht beschreiben lassen. So
zeigt die Entwicklung der vergangenen Jahre, dass immer mehr Anbieter
78 Vgl. Sigmund, O.; Maute, K. (2013), S. 10311055.
79 Vgl. Bierdel, M und Pfaff, A. (2017).
Anhang A 109
von CAD-Programmen Freiform-Designmöglichkeiten in ihre Software
integrieren und es dem Konstrukteur so ermöglichen, beliebige Strukturen
in der CAD-Umgebung zu entwickeln und zu konstruieren. Ein weiterer zu
beobachtender Trend ist die Integration von Strukturoptimierungsmetho-
den wie der Topologieoptimierung in die CAD-Programme. Der Konstruk-
teur wird somit in die Lage versetzt, optimierte Designkonzepte für defi-
nierte Belastungsszenarien zu berechnen und direkt in der CAD-Umgebung
umzusetzen. Einige der gängigsten Hersteller für solche Lösungen sind
beispielsweise Altair Engineering, Siemens PLM, Ansys, LSTC oder
Dassault Systémes. Der Vorteil des Einsatzes von Strukturoptimierungsal-
gorithmen wie der Topologieoptimierung liegt dabei im hohen Automatisie-
rungspotenzial. So ist die entstehende Konstruktion nicht länger von den
Erfahrungen des Konstrukteurs abhängig, sondern einzig von den definier-
ten Randbedingungen, welche zu einem optimierten Bauteil führen.
VDI Zentrum Ressourceneffizienz GmbH (VDI ZRE)
Bertolt-Brecht-Platz 3
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Tel. +49 30-2759506–0
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The emergence of advanced manufacturing technologies, coupled with consumer demands for more customised products and services, are causing shifts in the scale and distribution of manufacturing. In this paper, consideration is given to the role of one such advanced manufacturing process technology: additive manufacturing. The consequences of adopting this novel production technology on industrial sustainability are not well understood and this exploratory study draws on publically available data to provide insights into the impacts of additive manufacturing on sustainability. Benefits are found to exist across the product and material life cycles through product and process redesign, improvements to material input processing, make-to-order component and product manufacturing, and closing the loop. As an immature technology, there are substantial challenges to these benefits being realised at each stage of the life cycle. This paper summarises these advantages and challenges, and discusses the implications of additive manufacturing on sustainability in terms of the sources of innovation, business models, and the configuration of value chains.
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The term additive manufacturing (AM) describes a collection of production techniques enabling the layer-by-layer manufacture of components using digital data and raw material as inputs. The AM technology variant most frequently used in the production of end use parts is laser sintering (LS). It has been suggested that efficient usage of the energy inputs is one of the advantages of the technology. This paper presents a comparative assessment of the electricity consumptions of two major polymeric LS platforms: the Sinterstation HiQ + HS from 3D Systems and the EOSINT P 390 from EOS GmbH. The energy inputs to a build consisting of two prosthetic parts were recorded during power-monitoring experiments conducted on both platforms. This paper injects clarity into the ongoing research on the AM energy consumption by applying a novel classification system; it is argued that the AM energy usage can be divided into the job-dependent, time-dependent, geometry-dependent, and Z-height-dependent energy consumption values. The recorded mean real power consumption conforms to the values that have been reported for similar platforms. The measured energy consumption rates are higher than reported elsewhere. It is also shown that the purely time-dependent energy consumption is the main energy drain. Furthermore, the presentation of results in the context of previous literature highlights the caveats attached to summary metrics of the AM input usage.
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Purpose – The purpose of this study is to compare the environmental impacts of two additive manufacturing machines to a traditional computer numerical control (CNC) milling machine to determine which method is the most sustainable. Design/methodology/approach – A life-cycle assessment (LCA) was performed, comparing a Haas VF0 CNC mill to two methods of additive manufacturing: a Dimension 1200BST FDM and an Objet Connex 350 “inkjet”/“polyjet”. The LCA’s functional unit was the manufacturing of two specific parts in acrylonitrile butadiene styrene (ABS) plastic or similar polymer, as required by the machines. The scope was cradle to grave, including embodied impacts, transportation, energy used during manufacturing, energy used while idling and in standby, material used in final parts, waste material generated, cutting fluid for CNC, and disposal. Several scenarios were considered, all scored using the ReCiPe Endpoint H and IMPACT 2002+ methodologies. Findings – Results showed that the sustainability of additive manufacturing vs CNC machining depends primarily on the per cent utilization of each machine. Higher utilization both reduces idling energy use and amortizes the embodied impacts of each machine. For both three-dimensional (3D) printers, electricity use is always the dominant impact, but for CNC at maximum utilization, material waste became dominant, and cutting fluid was roughly on par with electricity use. At both high and low utilization, the fused deposition modeling (FDM) machine had the lowest ecological impacts per part. The inkjet machine sometimes performed better and sometimes worse than CNC, depending on idle time/energy and on process parameters. Research limitations/implications – The study only compared additive manufacturing in plastic, and did not include other additive manufacturing technologies, such as selective laser sintering or stereolithography. It also does not include post-processing that might bring the surface finish of FDM parts up to the quality of inkjet or CNC parts. Practical implications – Designers and engineers seeking to minimize the environmental impacts of their prototypes should share high-utilization machines, and are advised to use FDM machines over CNC mills or polyjet machines if they provide sufficient quality of surface finish. Originality/value – This is the first paper quantitatively comparing the environmental impacts of additive manufacturing with traditional machining. It also provides a more comprehensive measurement of environmental impacts than most studies of either milling or additive manufacturing alone – it includes not merely CO 2 emissions or waste but also acidification, eutrophication, human toxicity, ecotoxicity and other impact categories. Designers, engineers and job shop managers may use the results to guide sourcing or purchasing decisions related to rapid prototyping.
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Thirty years into its development, additive manufacturing has become a mainstream manufacturing process. Additive manufacturing build up parts by adding materials one layer at a time based on a computerized 3D solid model. It does not require the use of fixtures, cutting tools, coolants, and other auxiliary resources. It allows design optimization and the producing of customized parts on-demand. Its advantages over conventional manufacturing have captivated the imagination of the public, reflected in recent mainstream publications that call additive manufacturing “the third industrial revolution.” This paper reviews the societal impact of additive manufacturing from a technical perspective. Abundance of evidences were found to support the promises of additive manufacturing in the following areas: (1) customized healthcare products to improve population health and quality of life, (2) reduced environmental impact for manufacturing sustainability, and (3) simplified supply chain to increase efficiency and responsiveness in demand fulfillment. In the mean time, the review also identified the need for further research in the areas of life-cycle energy consumption evaluation and potential occupation hazard assessment for additive manufacturing.
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Purpose The purpose of this paper is to evaluate the energy consumed to fabricate nylon parts using selective laser sintering (SLS) and to compare it with the energy consumed for injection molding (IM) the same parts. Design/methodology/approach Estimates of energy consumption include the energy consumed for nylon material refinement, adjusted for SLS and IM process yields. Estimates also include the energy consumed by the SLS and IM equipment for part fabrication and the energy consumed to machine the injection mold and refine the metal feedstock required to fabricate it. A representative part is used to size the injection mold and to quantify throughput for the SLS machine per build. Findings Although SLS uses significantly more energy than IM during part fabrication, this energy consumption is partially offset by the energy consumption associated with production of the injection mold. As a result, the energy consumed per part for IM decreases with the number of parts fabricated while the energy consumed per part for SLS remains relatively constant as long as builds are packed efficiently. The crossover production volume, at which IM and SLS consume equivalent amounts of energy per part, ranges from 50 to 300 representative parts, depending on the choice of mold plate material. Research limitations/implications The research is limited to material refinement and part fabrication and does not consider other aspects of the life cycle, such as waste disposal, distributed 2 manufacturing, transportation, recycling or use. Also, the crossover volumes are specific to the representative part and are expected to vary with part geometry. Originality/value The results of this comparative study of SLS and IM energy consumption indicate that manufacturers can save energy using SLS for parts with small production volumes. The comparatively large amounts of nylon material waste and energy consumption during fabrication make it inefficient, from an energy perspective, to use SLS for higher production volumes. The crossover production volume depends on the geometry of the part and the choice of material for the mold.
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Background, Aim and ScopeBy using recycled aluminium or by disposing used aluminium products for recycling, it is normal LCA practice to give a credit for the avoided production of primary or recycled aluminium. Lately, consequential approaches have been suggested to qualify and quantify this credit in terms of market mechanisms. Depending on supply, demand and price elasticity of primary products and scrap products, a mixed share of primary and recycled material may be credited. Aluminium, having high energy consumption for its primary production and low energy consumption for recycling, is very sensitive concerning whether production of primary or recycled aluminium is avoided. This paper includes presentations of aluminium products which are typically made from primary and from recycled aluminium. This is essential concerning which production may be avoided. Examples of market mechanism parameters of aluminium for consequential LCA are given. MethodsA survey of aluminium products manufacturing is made to determine which products are made from primary and which from recycled aluminium. To estimate the price elasticity, statistics of supply and prices of primary aluminium and aluminium scrap are compiled and papers concerning supply, demand and price elasticity of aluminium are summarised. The parameters are suggested for performing consequential LCA. ResultsThe available amount of aluminium scrap covers only approx. 30–40% of the demand for aluminium, and hence approx. 60–70% of the demand is inevitably made from primary aluminium. Open loop recycled aluminium is primarily used for casting alloys, but closed loop recycling exists, for example, for aluminium cans. The open loop market for low-alloyed aluminium sheets and profiles is primarily covered by primary aluminium. It is therefore of no use to demand recycled aluminium of these qualities, but if the products are recycled after use, they should be credited for the avoided production. DiscussionThe supply price elasticity of aluminium scrap is estimated to be rather inelastic, and the avoided production will hence primarily be of primary aluminium. This is in contradiction to a default recommendation for consequential LCA saying that a 50/50 share of primary and recycled material is avoided by recycling most materials. Conclusions An important conclusion of the paper is that, given the inelastic price elasticity of aluminium scrap, it is production of primary aluminium which is avoided by recycling. This conclusion is actually in agreement with the traditional systems expansion, which has been put under question by consequential LCA. Because primary aluminium is avoided by recycling, a credit of avoided production of primary aluminium should be given when a used product is recycled. Hence, a credit should not be given when demanding recycled aluminium, or aluminium with a certain recycled content. Recommendations and PerspectivesIt is recommended that aluminium is considered price inelastic in consequential LCA, and that avoided production of primary aluminium is credited when recycling a used aluminium product. Avoiding primary material by recycling has great perspectives for aluminium with its high energy consumption for primary production and low energy consumption for recycling.
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Topology optimization has undergone a tremendous development since its introduction in the seminal paper by Bendsøe and Kikuchi in 1988. By now, the concept is developing in many different directions, including “density”, “level set”, “topological derivative”, “phase field”, “evolutionary” and several others. The paper gives an overview, comparison and critical review of the different approaches, their strengths, weaknesses, similarities and dissimilarities and suggests guidelines for future research.
Article
Solid Freeform Fabrication (SFF) technologies such as Direct Metal Deposition (DMD) have made it possible to eliminate environmentally polluting supply chain activities in the tooling industry and to repair and remanufacture valuable tools and dies. In this article, we investigate three case studies to reveal the extent to which DMD-based manufacturing of molds and dies can currently achieve reduced environmental emissions and energy consumption relative to conventional manufacturing pathways. It is shown that DMD's greatest opportunity to reduce the environmental impact of tool and die manufacturing will come from its ability to enable remanufacturing. Laser-based remanufacturing of tooling is shown to reduce cost and environmental impact simultaneously, especially as the scale of the tool increases.