Content uploaded by Dieter Dr. Hasselmann
Author content
All content in this area was uploaded by Dieter Dr. Hasselmann on Sep 12, 2019
Content may be subject to copyright.
INTERVIEW
STANDARDS
STANDARDS ZUR ENTWICKLUNG UND NUTZUNG
EIGNUNGSDIAGNOSTISCHER INTERVIEWS
2. vollständig überarbeitete Fassung 2020
Draft vom 05.05.2019
FORUM ASSESSMENT
. ASSESSMENT
. LEARNING
. DEVELOPMENT
INTERVIEW STANDARDS
www.forum-assessment.de 2
EINFÜHRUNG
Das Forum Assessment Center e.V. ist ein Zusammen-
schluss von Personal-Expertinnen und -Experten aus
Unternehmen, Wissenschaft, Beratung sowie der öffent-
lichen Verwaltung und anderen Organisationen. Gegrün-
det wurde der Verein im Jahr 1977 unter dem Namen
„Arbeitskreis Assessment Center e.V.“ und beschäftigte
sich zunächst mit der Professionalisierung und Weiter-
entwicklung der AC-Methode. In den Folgejahren wurde
das Themenfeld der Arbeit deutlich verbreitert. Heute
bietet der Verein ein Forum, um wissenschaftliche Er-
gebnisse sowie praktische Erfahrungen in den Berei-
chen
Eignungsbeurteilung
und Personalentwicklung aus-
zutauschen, zu nutzen und zu optimieren.
ZIELE DES FORUM ASSESSMENT E.V.
Im Themenspektrum von «Assessment, Learn-
ing & Development» bietet der gemeinnützige
Verein ein Forum zum Erfahrungsaustausch und
kollegialen Lernen.
In Projektgruppen analysieren die Mitglieder ak-
tuelle Ansätze und Vorgehensweisen, verfolgen
neue Trends bzw. Ansätze und entwickeln bzw.
optimieren Methoden sowie Lösungsansätze.
Der Verein erarbeitet praxisnahe Qualitätsstan-
dards und Fachbeiträge, um die Qualität der
Personalarbeit zu verbessern.
Zudem fördert das Forum Assessment den Nach-
wuchs aus Wissenschaft und Praxis und nimmt
dessen Impulse auf.
INTERVIEW STANDARDS
Eine erste Version der Interview-Standards des Forum
Assessment wurde im Jahr 2008 veröffentlicht und war
damit wohl die erste systematische Aufstellung von Quali-
tätskriterien für eignungsdiagnostische Interviews. Die For-
mulierung der Interview-Standards hat folgende Ziele:
Eine praxisbezogene Grundlage für die sachge-
mäße Durchführung eignungsdiagnostischer Inter-
views zu schaffen.
Die Güte von Angeboten für die betriebliche Pra-
xis zu prüfen und damit unqualifizierte Angebote
erkennen zu können.
Transparenz und Klarheit für Entscheider sowie An-
wender bzgl. Qualitätsanforderungen zu schaffen.
Ansatzpunkte zur praxisbezogenen Optimierung
der Anwendung der Interview-Methode zu geben.
Die hiermit vorliegende, zweite aktualisierte und vollstän-
dig überarbeitete Fassung ist das Ergebnis einer Arbeits-
gruppe des Forum Assessment, die im Jahr 2020 offiziell
veröffentlicht werden soll.
WESENTLICHE VERÄNDERUNGEN
DER ZWEITEN FASSUNG
Erweitertes Verständnis des eignungsdiagnos-
tischen Interviews als ein multimodales sowie
auch multimethodales Verfahren.
Rollen, Verantwortlichkeiten und Qualifikations-
anforderungen der wesentlichen Beteiligten (i.E.
verantwortlicher Eignungsdiagnostiker, Interviewer,
Co-Interviewer, Beobachter) werden differenziert
betrachtet.
Forderung nach einem ausgeglichenen Bemühen
um einerseits eignungsdiagnostische Relevanz
bzw. Bedeutsamkeit der erhobenen Ergebnisse
sowie andererseits um messtechnische Qualität
und Genauigkeit bei deren Erhebung.
Differenzierte, praxisbezogene Empfehlungen für
eine leistbare Verfahrensevaluation bei der Ent-
wicklung und Anwendung von Interviewkonzepten.
Die erweiterten gesetzlichen Anforderungen
und Pflichten (z. B. im Hinblick auf den Datenschutz
und die Gleichstellung) werden berücksichtigt.
Mehr Praxisnutzen durch erheblich erweiterte
Methodenhinweise mit konkreten Beispielen und
Erläuterungen zu verbreiteten qualitätsmindernden
Vorgehensweisen (u.a. im ergänzten Anhang).
Berücksichtigung neuerer Entwicklungen durch
technologische Einflüsse sowie Anforderungen im
Bereich von Diversity und Internationalisierung.
Das Copyright für diese Standards liegt beim Forum
Assessment e.V..
MITGLIEDER DER ARBEITSGRUPPE
Jürgen Böhme, Oliver Brust, Annett Dreßler, Anne-Marie Gallrein,
Dr. Dieter Hasselmann
, Dennis Hellweg, Maren Hiltmann, Dr. Claudia
Marggraf-Micheel, Kersten Petermann, Dr. Susanne Schulte
______________________________________________
Anmerkung: Zur sprachlichen Vereinfachung sowie zur besseren Les-
barkeit werden im Text bei personenbezogenen Bezeichnungen nicht
immer geschlechtsneutrale Formulierungen oder mehrere Geschlech-
terformen genutzt. Wir weisen deshalb ausdrücklich darauf hin, dass
stets in gleicher Weise Personen jedweden Geschlechts gemeint sind.
INTERVIEW STANDARDS
www.forum-assessment.de 3
DIE STANDARDS
DEFINITION
EIGNUNGSDIAGNOSTISCHES INTERVIEW
Unter einem eignungsdiagnostischen Interview verste-
hen wir ein auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse so-
wie praktischer Bewährung gestaltetes, strukturiertes ge-
sprächsbasiertes (interaktives) Verfahren zur Potenzial-
und Eignungsdiagnostik im Rahmen von Personalauswahl-
oder Entwicklungsfragestellungen.
In Abhängigkeit von der Breite des betrachteten eignungs-
diagnostischen Fokus, der Zielgruppe, Fragestellung und
organisatorischer Rahmenbedingungen gibt es zahlreiche
Durchführungsvarianten, die z.T. spezifische methodische
Herausforderungen sowie Vor- und Nachteile aufweisen.
So variiert z. B. die Zahl der Interviewer (eine oder mehrere
Personen als Einzel- oder Panelinterview, in einem Gespräch
oder als mehrstufiges Interview). Interviews können „face-to-
face“ im persönlichen Gespräch oder „remote“ unter Nutzung
von Medien (Videotelefonie, Telefon(-konferenz), Chat u.a.)
durchgeführt werden. Dabei kann die Wahrnehmung bzw.
Beobachtung im Interview zeitlich synchron oder auch
asynchron (unabhängig) zur Durchführung (z. B. bei au-
tomatisierten oder aufgezeichneten Videointerviews) erfol-
gen. Die hier formulierten Standards beanspruchen Gültig-
keit für sämtliche dieser Durchführungsvarianten.
In der Regel besteht ein eignungsdiagnostisches Interview
aus einer Kombination verschiedener Methoden (wie z. B.
Fragetechniken, Selbstbeschreibungen und Verhaltensbeob-
achtung). Kennzeichnend für das Interview ist zudem, dass
dieses sich bzgl. der Beantwortung der jeweiligen Fragestel-
lung (idealerweise) auf mehrere eignungsdiagnostische
Erkenntnisquellen (Modalitäten) stützen kann. Als rele-
vante Modalitäten lassen sich drei Gruppen unterscheiden:
persönlichkeitsnahe Merkmale (Verhaltenspräferenzen, Fä-
higkeiten sowie Aspekte der berufsbezogenen Motivation
und Interessen), berufliche Leistungen und Ergebnisse sowie
Verhaltensstichproben. In diesem Sinne handelt es sich bei
einem eignungsdiagnostischen Interview unserem Verständnis
nach um ein multimodales sowie auch multimethodales
Verfahren. Gerade die methodische Vielfalt sichert eine
hohe Verlässlichkeit und Gültigkeit der diagnostischen Aus-
sagen, zudem ermöglicht sie eine hohe Flexibilität und Vari-
abilität in der Nutzung von Interviews.
Die hohe Variabilität der Ausgestaltung erlaubt es, Aussa-
gen zu sehr unterschiedlichen Anforderungsmerkmalen
zu treffen, wodurch es in vielen Fällen möglich wird, die Be-
antwortung der jeweiligen Fragestellung nur auf ein eignungs-
diagnostisches Interview zu stützen. Dies trägt sicher zur
großen Beliebtheit dieses Verfahrens bei. Gleichwohl ist in
vielen Fällen der ergänzende Einsatz anderer Instrumente
(insb. von Testverfahren oder simulationsbasierten Verfahren
und der Auswertung von Bewerbungsunterlagen) zu empfeh-
len. Hierbei wird das eignungsdiagnostische Interview als
ein Verfahrensschritt in einem mehrstufigen diagnostischen
Prozess eingesetzt.
AUFBAU DER STANDARDS
Insgesamt berücksichtigt die aktuelle Fassung acht Einzel-
Standards, die sich an den typischen Schritten der Entwick-
lung und Durchführung eignungsdiagnostischer Prozesse
orientieren. Der Kerngehalt jedes Einzel-Standards wird zu-
nächst mit einem markanten Satz formuliert. Die Kernelemen-
te des Standards werden anschließend unter der Überschrift
„Worum es geht“ näher ausgeführt. Hieran schließen sich
praktische „Umsetzungsempfehlungen“ für den Standard
an. Schließlich werden unter der Überschrift „Verbreitete
Qualitätsminderungen“ solche Vorgehensweisen beschrie-
ben, die in der Praxis häufig zu beobachten sind und die
Aussagekraft des Interviews beeinträchtigen können bzw.
gegen den jeweiligen Standard verstoßen.
DIE STANDARDS
Standard 1 Auftragsklärung
Standard 2
Arbeits- und Anforderungsanalyse
Standard 3 Interviewkonzeption
Standard 4 Qualifikation der Verfahrensbeteiligten
Standard 5 Durchführung
Standard 6
Protokollierung, Auswertung und Ergebnisfindung
Standard 7 Ergebnisdokumentation und -kommunikation
Standard 8 Evaluation
Anhang
Ergänzende Materialien und Erläuterungen
Glossar Zentrale Begriffe
Literatur Genutzte und empfohlene Literatur
INTERVIEW STANDARDS
www.forum-assessment.de 4
STANDARD 1
AUFTRAGSKLÄRUNG
Vor der Entwicklung und Durchführung eines eignungs-
diagnostischen Interviews sind die Ziele und die Rah-
menbedingungen des Auftrages sowie die Konsequen-
zen für die Teilnehmer und andere Stakeholder verbind-
lich zu klären, zu vereinbaren und zu kommunizieren.
WORUM ES GEHT
Ein hoher Nutzen für interne und externe Auftraggeber und
Teilnehmer wird durch das Klären der Motive, Ziele, Rahmen-
bedingungen und Konsequenzen im Rahmen der Entwicklung
eines Interviews erreicht. Hierbei ist es unabdingbar, die rele-
vanten Stakeholder zu identifizieren und in die Klärung der
Ziele und Rahmenbedingungen sowie die Gestaltung des Pro-
zesses einzubinden. Hierdurch und durch die umfassende
Analyse und Berücksichtigung des Kontextes des Interviews
(z. B. Nachbesetzung einer Position, Besetzung einer neuge-
schaffenen Position, etc.) wird die Akzeptanz der Maßnahme
gesteigert und eine der Situation angemessene Durchführung
erreicht. Durch das Berücksichtigen von Zusammenhängen
mit bereits existierenden Instrumenten (z. B. bereits vorhan-
dene Kompetenzmodelle, Stellenbeschreibungen) wird ferner
gewährleistet, dass das Interview in die bestehenden Prozes-
se und die Personalarbeit integriert wird. Die transparente Kom-
munikation der getroffenen Vereinbarungen fördert einen kon-
struktiven Umgang aller Beteiligten mit den Ergebnissen sowie
eine hohe Akzeptanz der Ergebnisse des Interviews.
UMSETZUNGSEMPFEHLUNGEN
Die Auftragsklärung erfolgt mit den relevanten Stake-
holdern (im Unternehmen) und unter frühzeitiger Einbin-
dung von Mitbestimmungsgremien (z. B. Betriebsrat).
Der Kontext des Interviews (z. B. eine Umstrukturierung)
wird offengelegt und in die Überlegungen einbezogen.
Das unternehmerische Umfeld (z.B. Wachstum, enger
Arbeitsmarkt) wird zwischen den Stakeholdern und exter-
nen oder internen Auftragnehmern (Interviewern) geklärt.
Der unternehmerische Auftrag bzw. angestrebte Nutzen
wird im Vorfeld geklärt (wie z. B. eine konkrete Stellenbe-
setzung, der Aufbau eines Pools von Potenzialkandida-
ten, die Auswahl von Teilnehmern für ein Personalentwick-
lungsprogramm, die Bindung von wichtigen Mitarbeitern).
Für die Planung, Umsetzung und die weitergehende Betreu-
ung wird ein „Verfahrensverantwortlicher Eignungsdiag-
nostiker“ benannt, der alle relevanten Prozesse steuert.
Die Rollen und Verantwortlichkeiten der Beteiligten
(u. a. Auftraggeber, interne oder externe Auftragnehmer,
Beobachter, Vorgesetzte, Mitarbeiter des Personalbe-
reichs) im Gesamtprozess und im Interview selbst wer-
den klar definiert.
Die notwendigen Rahmendaten wie Ziele, Ressourcen,
Budget sowie die Ausgestaltung des Interviews (face-to-
face, Videointerview, etc.) und der Zeithorizont (Meilen-
steine) der Umsetzung werden vereinbart.
Vorgeschaltete Instrumente zur Nominierung werden
definiert (z. B. Personalkonferenzen, Selbstnominierung,
Bewerbungsunterlagen) und im Anschluss an die Arbeits-
und Anforderungsanalyse konkretisiert. Die Auswahl der
zu Interviewenden orientiert sich dabei an den Ergebnis-
sen der Arbeits- und Anforderungsanalyse sowie daraus
abgeleiteter Instrumente für eine objektive Vorauswahl.
Onboardingmaßnahmen oder Entwicklungsbausteine,
die sich an das Interview anschließen, werden vorab ge-
plant und sind im Idealfall Bestandteile eines ganzheitli-
chen Auswahl- und Personalentwicklungsprozesses. Da-
bei wird eine Verzahnung mit anderen Bausteinen ge-
prüft und in die Überlegungen einbezogen (z. B. Einbin-
dung der Maßnahmen in ein schon vorhandenes Kom-
petenzmanagement- und Laufbahnplanungssystem).
Der Prozess, in den das Interview eingebettet ist, wird
allen Stakeholdern im Vorfeld offen kommuniziert. Dazu
gehören insb. der Umgang mit den Ergebnissen und das
Aufzeigen der Folgen für die Teilnehmer.
Der gesamte Prozess der Auftragsklärung wird in an-
gemessener Detailtiefe dokumentiert und damit einer
Evaluation zugänglich gemacht. Die Dokumentation wird
den beteiligten Personen ausgehändigt und schafft so-
mit die notwendige Verbindlichkeit und Nachhaltigkeit.
Der Einsatz standardisierter Checklisten in diesem
Prozess stellt die Qualität, notwendige Tiefe und Ver-
bindlichkeit der Auftragsklärung sicher.
VERBREITETE QUALITÄTSMINDERUNGEN
Ein Interview wird spontan entwickelt bzw. durchgeführt.
Eine Auftragsklärung findet nicht oder nur rudimentär statt.
Die Rolle einzelner Beteiligter im Gesamtprozess bleibt
unklar oder relevante Stakeholder werden nicht in den
Prozess eingebunden (z. B. wird die Rolle des Linien-
vorgesetzten nicht geklärt).
Ziele, Ausgestaltung oder Verzahnung eines Interviews
werden nicht klar definiert bzw. nicht transparent an die
zu Interviewenden oder andere Beteiligte (z. B. Betriebs-
rat) kommuniziert. Das Auswahlinterview wird als Mitar-
beiter- oder Leistungsbeurteilungsgespräch angekündigt.
Ein Interview wird durchgeführt, obwohl es nicht das
optimale Instrument ist (z. B. wenn schwerpunktmäßig
Verhalten überprüft werden soll). Der vermeintlich geringe-
re organisatorische Aufwand gegenüber einem Assess-
ment Center gibt den Ausschlag für die Entscheidung
zugunsten eines Interviews. Qualitative Aspekte treten im
Vergleich zu Kostenaspekten in den Hintergrund.
Ziele und Rahmenbedingungen der Gestaltung des
Interviews werden vorab zwischen Auftragnehmer so-
wie Auftraggeber und Stakeholdern nicht ausreichend
aufgearbeitet oder kommuniziert bzw. nicht klar verein-
bart. Hieraus resultierende Verzögerungen gefährden
den Erfolg des (Rekrutierungs-)Prozesses und verur-
sachen zusätzliche Kosten.
Alle Prozessschritte werden an einen internen oder ex-
ternen Berater ohne Commitment der Organisation für
die Umsetzung der Ergebnisse delegiert.
INTERVIEW STANDARDS
www.forum-assessment.de 5
STANDARD 2
ARBEITS- UND ANFORDERUNGSANALYSE
Eine gültige Eignungsbeurteilung lässt sich nur mit einer
exakten Analyse der konkreten Anforderungen sinnvoll
gestalten.
WORUM ES GEHT
Im Interview wird die Passung zwischen einer Person auf
der einen Seite und einer angestrebten bzw. verschiedenen
möglichen beruflichen Tätigkeit(en) auf der anderen Seite
überprüft. Vor einer personenbezogenen Diagnostik ist des-
halb eine Arbeits- und Anforderungsanalyse, bezogen auf
die Zielfunktion(en), notwendig. Ergebnis ist die Definition
eines Anforderungsprofils, in dem die erfolgskritischen
Aspekte der Tätigkeit(en) zusammengefasst werden. Die
gesammelten Detailinformationen beschreiben die Zielfunk-
tion(en) und sind unabdingbare Arbeitsgrundlage für die
nachfolgenden Schritte im Interview-Konstruktionsprozess.
UMSETZUNGSEMPFEHLUNGEN
Bezugspunkt für die Analyse sind eine oder mehrere vor-
ab festgelegte Zielfunktion(en) in einer Organisation.
Die Arbeitsanalyse ist der notwendige erste Schritt zur
Erfassung eignungsrelevanter Arbeitssituationen. Sie ist
somit die Basis für den zweiten Schritt, die Anforderungs-
analyse. Diese dient zur Identifikation der für eine erfolg-
reiche Tätigkeit erforderlichen Personenmerkmale (Wis-
sen, fachliche Kompetenzen, Fertigkeiten, Fähigkeiten
und sonstigen Charakteristika).
In der Arbeitsanalyse werden zunächst alle Tätigkeiten
aufgeführt, die eine Zielposition charakterisieren. Hier
fließen die Erwartungen der Personen (Vorgesetzten,
Kunden, Mitarbeiter, etc.) ein, die mit dem Inhaber der
Zielposition in einem beruflichen Kontext stehen. Hier
werden die zu erfüllenden Aufgaben und Tätigkeiten
der Zielposition definiert.
Um in der anschließenden Anforderungsanalyse mög-
lichst alle relevanten Aspekte zu erfassen, stützt sich die
Erhebung auf eine gezielte Kombination von Analyseme-
thoden (z. B. Workshops, Interviews oder standardisierte
Befragungen) mit unterschiedlichen konzeptionellen Zu-
gängen und Perspektiven. Üblich sind die erfahrungsge-
leitet-intuitive Methode (Anforderungen werden u.a. aus
der Expertenbeurteilung der Tätigkeit, der erforderlichen
Arbeitsmittel, der Arbeitsgegenstände sowie den Umwelt-
bedingungen und aus Qualifikations- bzw. Weiterbildungs-
erfordernissen abgeleitet), die arbeitsanalytisch-empiri-
sche Methode (Anforderungen werden mithilfe teil- oder
vollstandardisierter Methoden ermittelt) und die personen-
bezogen-empirische Methode (Anforderungen werden
über die Auswertung statistischer Zusammenhänge zwi-
schen Personenmerkmalen und Tätigkeitsfolgen bestimmt).
Beteiligt sind Personen, die das bestehende Anforde-
rungsniveau bestimmen können (z. B. Stelleninhaber)
oder das erforderliche Zielniveau normativ definieren
(Vorgesetzte, Personalentscheider etc.). Die Erhebung
der relevanten Informationen erfolgt durch in der Anwen-
dung der Analysemethoden geschulte und erfahrene Per-
sonen (z. B. den verantwortlichen Eignungsdiagnostiker).
Je nach Zielsetzung des Interviews und der damit ver-
bundenen Zukunftsorientierung (Auswahl, Potenzial-
analyse, Personalentwicklung) erfolgt die Definition der
Anforderungen spezifischer tätigkeits- und organisations-
bezogen (Auswahl) oder globaler und stärker personen-
bezogen (Potenzialanalyse und Entwicklung).
Es werden aktuelle sowie antizipierbare zukünftige An-
forderungen der Zielfunktion(en) berücksichtigt.
Bestehende organisationsweit definierte Kompetenzmo-
delle werden hinsichtlich ihrer Gültigkeit für die Zielfunk-
tion überprüft und tätigkeitsbezogen konkretisiert.
Allgemeine stellenübergreifend relevante Potenzialindi-
katoren (z. B. kognitive Fähigkeiten, Persönlichkeits-
merkmale) werden standardmäßig berücksichtigt.
Die zusammengestellten Anforderungen werden mit
spezifischen Operationalisierungen und passenden Ver-
haltensbeispielen beschrieben.
Die abgeleiteten Anforderungsmerkmale sind möglichst
in sich homogen und eindimensional. Sie weisen nur ge-
ringe Überlappungen auf der Verhaltensebene auf. Sie
werden konkret beschrieben.
VERBREITETE QUALITÄTSMINDERUNGEN
Es erfolgt keine spezifische Arbeits- und Anforderungs-
analyse. Bestehende Anforderungen werden ungeprüft
von anderen Zielpositionen übernommen oder es wird auf
bestehende Anforderungskataloge bzw. allgemeine Fähig-
keitslisten von anderen Organisationen oder Beratungsge-
sellschaften ohne Gültigkeitsprüfung zurückgegriffen.
Alleiniger Einsatz von Methoden, die einseitig bestimmte
eignungsdiagnostische Verfahrensansätze bevorzugen
(z. B. nur verhaltensbezogene Analysen, die als Grund-
lage für Simulationen dienen, oder nur eigenschaftsori-
entierte Analysen, die zur Auswahl von Testverfahren
verwendet werden).
Einseitige Sammlung von nur vergangenheitsbezoge-
nen Anforderungen, ohne die Auswirkung zukünftiger
Veränderungen abzubilden.
Einseitige Sammlung nur zukunftsorientierter Anforde-
rungen („Visionen der obersten Entscheidungsträger“)
mit nur unzureichender Berücksichtigung der alltägli-
chen Erfordernisse der Zielfunktion.
Sammlung allgemeiner Merkmalsnamen („Überschrif-
ten“) ohne hinreichende Konkretisierung der Inhalte.
Bei der Gestaltung der Anforderungsprofile werden we-
nig trennscharfe Anforderungen gewählt (z. B. „Koope-
ration“ neben „Empathie“) oder unterschiedliche Verhal-
tensaspekte werden unter einem Titel zusammenge-
fasst (z. B. „Kundenorientierung und verkäuferische Fä-
higkeiten“).
Die Stichprobe der befragten Personen ist zu gering oder
nicht ausreichend qualifiziert und lässt somit keinen aus-
gewogenen Blick auf die Zielposition zu.
Fachliche Kompetenzen werden zu wenig („das kann
er/sie noch lernen“) oder zu stark („der Abteilungsleiter
muss der beste Fachmann sein“) berücksichtigt.
INTERVIEW STANDARDS
www.forum-assessment.de 6
STANDARD 3
INTERVIEWKONZEPTION
Die Interviewkonzeption zielt auf eine für den spezifi-
schen Zweck optimierte Gesprächsstrategie und Kombi-
nation methodischer Zugänge, die aussagekräftige bzw.
relevante Informationen ermöglichen. Die Ausgestaltung
ist dabei so vorzunehmen, dass möglichst objektive und
reproduzierbare Ergebnisse sichergestellt werden.
WORUM ES GEHT
Primäres Ziel der Konzeption eines eignungsdiagnostischen
Interviews ist es, den Aussagewert für die in der Auftragsklä-
rung ermittelte Fragestellung zu optimieren.
Erster Ansatzpunkt, um dieses Ziel zu erreichen, ist, Inhalte
und Gesprächsführung des Interviews so zu gestalten, dass
Antworten und Verhaltensbeobachtungen von möglichst gro-
ßem Nutzen bzw. Wert (also relevant) im Hinblick auf die Fra-
gestellung sind. Hierzu ist zunächst sicherzustellen, dass die
Merkmale, die in der Aufgaben- und Anforderungsanalyse als
bedeutsam ermittelt wurden, im Interview auch erfasst wer-
den. Dabei ist zu überlegen, welche Kombination methodi-
scher Zugänge (z. B. Fragetechniken, Verhaltensbeobachtun-
gen oder realistische Tätigkeitsinformation) sowie welcher Ab-
lauf, welche Grundhaltung und Strategie für ein Erfassen der
relevanten Merkmale besonders geeignet sind.
Zweiter Ansatzpunkt ist, in der Konzeption des Interviews
sicherzustellen, dass die (messtechnische) Qualität des
Erfassens der Merkmale hoch ist, das Verfahren also zuver-
lässige und objektive (verzerrungsarme) Ergebnisse liefert
sowie einer Evaluation zugänglich ist.
Neben dem Aussagewert des Interviews sind bei der Kon-
zeption des Interviews des Weiteren auch Nebenziele (i.S.
der sozialen Validität), wie dessen Personalmarketingwir-
kung und Akzeptanz, zu berücksichtigen.
UMSETZUNGSEMPFEHLUNGEN
Anforderungsbezogene Gestaltung - auf Basis der
spezifischen Fragestellung sowie der hierzu ermittelten
relevanten Anforderungen und Aufgabeninhalte ist fest-
zulegen, welche Informationen zu erheben bzw. welche
Merkmale (aus welchen Modalitäten) zu erfassen sind
(z. B. Informationen zu Qualifikationen, Kenntnisse, Er-
fahrungen oder Leistungen, motivationale Faktoren, Po-
tenzialindikatoren, Verhaltensmerkmale und Kompeten-
zen, kulturelle Prägung und Präferenzen).
Eignungsdiagnostischer Fokus - bei der Festlegung
der im Interview zu erhebenden Informationen und Merk-
male ist kritisch abzuwägen, wie breit die Fragestellung
bzw. wie groß die Zahl der zu behandelnden Aspekte
sein kann, um diese mit hinreichender Genauigkeit er-
fassen zu können, ggf. sind Schwerpunkte zu setzen.
Ggf. Kombination mit anderen Instrumenten - für
Anforderungsaspekte, die auf andere Weise zuverlässiger
oder ökonomischer erhoben werden können (z. B. mit In-
telligenz- und Leistungstests oder Persönlichkeitsfrage-
bögen), sollte das Interview durch die jeweils geeignets-
ten Instrumente ergänzt werden, um einen optimierten
eignungsdiagnostischen Prozess zu erreichen.
Multimethodale Interviewgestaltung - für die zu erfas-
senden Informationen und Merkmale ist zu prüfen und
festzulegen, mit welchem methodischen Zugang diese
i.R. des Interviews am besten erfasst werden können (z.
B. Werdeganganalyse, situative oder biografische Fra-
gen, Verhaltensbeobachtung, gezielte Verhaltensstimuli
- wie kritisches Nachfragen oder Kurzfeedbacks -, situa-
tive Übungselemente oder eine Tätigkeitsinformation).
Nutzenoptimierte Gesprächsstrategie - zum Erreichen
eines möglichst hohen eignungsdiagnostischen Erkennt-
niswertes sowie der relevanten Nebenziele der Interview-
durchführung sind eine geeignete Grundhaltung (z. B.
wertschätzendes Gespräch auf Augenhöhe vs. Prüfungs-
gespräch) und eine (erkenntnisfördernde) Strategie der
Gesprächsführung zu entwickeln (z. B. Herstellen von Ego-
Involvement, Einbindung von Teammitgliedern).
Interviewleitfaden - für das Interview ist ein Plan mit
einer sinnvollen Aufeinanderfolge von Gesprächsab-
schnitten und deren methodischen Zugängen sowie ggf.
Themen- bzw. Fragenkatalogen oder Checklisten und
einer zeitlichen Struktur zu erstellen (vgl. auch Standard
5), dabei sind sachlogische Erfordernisse sowie die ver-
folgte Gesprächsstrategie zu berücksichtigen.
Regeln zur Interviewführung - festzulegen ist, welche
die (messtechnische) Qualität sichernde Maßnahmen
objektive und zuverlässige Ergebnisse gewährleisten
sollen (z. B. mehrere Interviewer, Trennen von Informati-
onssammlung und Bewertung, ausreichende Explorati-
onszeit je Einzelaspekt, Nutzen von Checklisten oder
Fragenkatalogen, Protokollierung, vgl. Anhang 5).
Definierter strukturierter Auswertungsprozess - für
die Protokollierung, Auswertung sowie Ergebnisfindung
und -dokumentation ist ein verbindlicher, strukturierter
Prozess festzulegen, der sämtliche (vorab definierten)
Aspekte des Interviews abdeckt und in der Gestaltung
geeignete Maßnahmen zur Sicherung verzerrungsfreier
Ergebnisse berücksichtigt (vgl. Standard 6 und 7).
Geplanter Evaluationsprozess - in der Konzeption sollte
für die anschließende Evaluation festgelegt werden, wel-
che Punkte bzw. Daten hierfür zu dokumentieren sind.
VERBREITETE QUALITÄTSMINDERUNGEN
eine unreflektierte Interviewführung (ohne explizite Konzep-
tion), die lediglich ein gebräuchliches Vorgehen repliziert
einseitige Konzentration auf die messtechnische Opti-
mierung in der Interviewkonzeption (z. B. die Strukturie-
rung) und Vernachlässigen des Bemühens um die Be-
deutsamkeit der Antworten und Beobachtungen
Nutzung gebräuchlicher Fragenkataloge, die ritualisierte
bzw. angelernte akzeptierte Antworten provozieren
unrealistische Zeitvorgaben für die Breite des eignungs-
diagnostischen Fokus (z. B. umfassende Eignungsbeur-
teilung für berufserfahrene Kandidaten in 30 Min.)
bei der Konzeption wird die Perspektive der Kandidaten
nicht berücksichtigt und nicht gezielt überlegt, welche Sig-
nale das Unternehmen in der Durchführung „senden“ will
INTERVIEW STANDARDS
www.forum-assessment.de 7
STANDARD 4
QUALIFIKATION DER VERFAHRENSBETEILIGTEN
Hinreichend qualifizierte, trainierte und gut vorberei-
tete Verfahrensbeteiligte (insb. Interviewer, Co-Inter-
viewer und Beobachter) stellen fundierte und treffsi-
chere Eignungsbeurteilungen sicher und können das
Interview (sozial) angemessen führen sowie die Orga-
nisation positiv repräsentieren.
WORUM ES GEHT
Eine qualitativ hochwertige und zielorientierte Interviewfüh-
rung stellt sehr hohe und spezifische Anforderungen an die
Handlungskompetenz der Interviewer sowie der möglicher-
weise sonstigen Mitwirkenden. Die Beteiligten müssen des-
halb Anforderungen an ihre theoretische und praktische
Qualifikation erfüllen und auf die Interviewführung, Beobach-
tung, Auswertung sowie ggf. das Führen von Feedbackge-
sprächen durch geeignete Maßnahmen vorbereitet werden.
Die Qualität der Durchführung eignungsdiagnostischer Inter-
views durch die verschiedenen Beteiligten ist anschließend
regelmäßig zu evaluieren. Hierbei festgestellte Mängel in der
Interviewdurchführung sind durch geeignete Maßnahmen
abzustellen.
UMSETZUNGSEMPFEHLUNGEN
Die an der Durchführung von eignungsdiagnostischen Inter-
views beteiligten Personen (insb. jedoch Interviewer, Co-
Interviewer und Beobachter) müssen folgende (grundlegende)
Qualifikationsanforderungen erfüllen:
Kenntnisse der wichtigsten Interviewformen und deren
Durchführungsbedingungen
Wissen bzgl. der professionellen Ausgestaltung der Rol-
len als Interviewbeteiligter (i.E. z. B. als (Co-)Interviewer,
verantwortlicher Eignungsdiagnostiker, Beobachter, Pro-
tokollant, Entscheider oder Interessenvertreter)
Wissen über qualitätssichernde Regeln bei der Nutzung
von Interviewleitfäden sowie Beobachtungs-, Protokollie-
rungs- und Auswertungsprozeduren
Kenntnis der relevanten Gesprächs- und Fragetechniken so-
wie Frageformen (z. B. biographische und situative Fragen)
Kenntnisse über die zu beachtenden rechtlichen Rah-
menbedingungen sowie die Zulässigkeit von Fragen
Wissen über häufige Selbstdarstellungsstrategien von
Kandidaten sowie den Einfluss von Stereotypen und
anderen Urteils- bzw. Wahrnehmungsverzerrungen auf
die Urteilsbildung in einem Interview und bzgl. Strate-
gien zur Vermeidung von hierdurch bedingten Fehlern
Wissen über sinnvolle Strategien, Gesprächstechniken
und Strukturierungsvarianten für Feedbackgespräche
Jeder verantwortlicher Eignungsdiagnostiker bzw. Inter-
viewer, der an der Entwicklung und Durchführung beteiligt
ist, muss zusätzlich über folgende Kenntnisse und Qualifi-
kationen verfügen:
Kenntnisse der wichtigsten Interviewformen, deren Kon-
struktionsgrundlagen, Ziele, Möglichkeiten, Grenzen,
Durchführungsbedingungen und Ausgestaltungsvarianten
sowie alternativer eignungsdiagnostischer Instrumente
Wissen über den Einfluss von Diversity-Aspekten (z.
B. Kulturhintergrund, Geschlecht) auf Verhalten und ih-
ren Bezug zu den Anforderungen (vgl. Anhang)
Kenntnisse und Erfahrung bzgl. der Erstellung sowie
Handhabung von Interviewleitfäden, Protokollierungs-,
Auswertungs- und Bewertungsprozeduren
Kenntnisse der für eignungsdiagnostische Verfahren
relevanten rechtlichen Regelungen (z. B. Datenschutz,
Gleichstellung, Mitbestimmung, Persönlichkeitsrechte)
Kenntnisse statistisch-methodischer Verfahren zur Be-
urteilung, Auswahl, Nutzenschätzung und Evaluation
eignungsdiagnostischer Verfahren
Vor der Durchführung eines konkreten Interviews sind
alle beteiligten Personen mit dem spezifischen Verfahren
vertraut zu machen (bzw. hierin umfassend einzuweisen)
und durch geeignete Trainingsmaßnahmen auf ihre Auf-
gaben vorzubereiten, im Einzelnen sollen sie:
über die Zielposition, deren Anforderungen sowie die
Fragestellung und Ziele des Verfahrens informiert
sein
durch den verantwortlichen Eignungsdiagnostiker mit
dem eingesetzten Interviewkonzept, ihrer Rolle, ihren
Aufgaben, dem System zur Protokollierung und Aus-
wertung sowie den bei der Durchführung zu beachten-
den Spielregeln vertraut gemacht werden
in geeigneten Trainings- bzw. Schulungsmaßnahmen
die Umsetzung des Interviewleitfadens (oder vergleich-
barer Leitfäden) bzw. das Beobachten, Protokollieren
und Auswerten bei einem Interview praktisch geübt
haben
durch eine regelmäßige Evaluation der Interviewdurch-
führung und Feedback zur Erledigung der Aufgaben
im Prozess eine Qualitätssicherung des eigenen Vor-
gehens erfahren und bei Bedarf Auffrischungstrainings
absolvieren
VERBREITETE QUALITÄTSMINDERUNGEN
Verzicht auf jegliche Art von Qualifizierung, Interviewer-
vorbereitung und/oder -trainings, „ich habe schon oft Ein-
stellungsgespräche geführt“
Schulungen bzw. Interviewertrainings ohne praktische
Übungssequenzen und Simulationen mit anschließen-
der Rückmeldung
Unterlassen einer Einweisung in das konkret anzuwen-
dende Interviewkonzept und stattdessen nur eine Vorbe-
reitung durch ein generelles Interviewertrainings für sämt-
liche Interviewsituationen
Missachten oder uneinheitliches Anwenden des vorhan-
denen Interviewkonzeptes
fehlende Kenntnisse bzw. Einblicke in die Anforderun-
gen der zu konkreten Zielposition(en)
fehlendes Feedback zum diagnostischen Erfolg, keine
Evaluation oder Reflexion der individuellen Durchführung
INTERVIEW STANDARDS
www.forum-assessment.de 8
STANDARD 5
DURCHFÜHRUNG
In der Durchführung werden die Vorgaben aus der In-
terviewkonzeption mit Hilfe geeigneter Techniken der
Gesprächsführung konsequent umgesetzt, um einen
zielführenden Ablauf sicherzustellen.
WORUM ES GEHT
Die professionelle Durchführung entsprechend der Verfahrens-
konzeption ermöglicht aussagekräftige Ergebnisse sowie ein
Erreichen der mit dem Interview verfolgten Ziele. Sie stellt zu-
dem sicher, dass die Ergebnisse möglichst objektiv sind und
die Interviewten fair behandelt werden. Außerdem bringt sie
Respekt gegenüber der Person des Interviewten und dessen
aufgebrachter Zeit zum Ausdruck. Ein für beide Seiten trans-
parenter Ablauf, eine störungsfreie Umgebung und eine qualifi-
zierte Gesprächsführung mit geeigneten Fragen ermöglichen
die Erhebung des für die Entscheidung bedeutsamen Verhal-
tens sowie der für die Position relevanten Eigenschaften, Kennt-
nisse, Motivation und Einstellungen des Interviewten. Einer ein-
heitlichen Umsetzung der Interviewkonzeption kommt in Hin-
blick auf Objektivität und Vergleichbarkeit der Ergebnisse be-
sondere Bedeutung zu.
UMSETZUNGSEMPFEHLUNGEN
Unmittelbare Vorbereitung eines (konkreten) Interviews
Mindestens zwei Personen auf Interviewerseite sollten das
Gespräch führen (Mehraugenprinzip, Entlastung z. B. bei
der Protokollierung und Evaluation des jeweiligen Verlaufs).
Die Interviewer gleichen vorab ihren Informationsstand ab
und klären offene Fragen bzgl. des Vorgehens sowie der
Rollenverteilung (Gesprächsleitung und Protokollierung, Ver-
antwortung für Gesprächsteile und Verlaufsentscheidungen,
Vorgehen bei Unklarheiten, Möglichkeit zu Zwischenfragen).
Die Interviewer bereiten sich inhaltlich auf das Gespräch
vor und sind mit der/den Zielposition(en) sowie den rele-
vanten Informationen zum Interviewten (z. B. den Bewer-
bungsunterlagen) vertraut.
Anschließend wird auch abgestimmt, welche teilnehmer-
spezifischen Fragen bzw. Nachfragen wichtig sind und
welche Verhaltensstimuli erfolgen sollen.
Es sollte auch festgelegt sein/werden, wie mit besonde-
ren Interviewsituationen umzugehen ist (vgl. Anhang:
Prozessentscheidungen).
Ausreichende Zeit für das Interview sowie ein störungs-
freier Ablauf werden sichergestellt.
Gesprächsbeginn
Die Interviewer schaffen ein geeignetes Setting (z. B. Dialog
in einer wertschätzenden Atmosphäre), beachten dabei kul-
turelle Aspekte und stellen alle Beteiligten mit ihrer Funk-
tion im Unternehmen sowie der Rolle im Interview vor.
Der Interviewte muss einen Überblick zu Zielen und Inhal-
ten des Gesprächs, zum Ablauf, dem zeitlichen Rahmen
sowie zur Protokollierung bzw. ggf. geplanten Aufzeich-
nungen erhalten. Außerdem sollten Informationen zu vor-
gesehenen Themenbereichen sowie zum (weiteren) Ge-
samtauswahlprozess gegeben werden.
Es sollte auch verdeutlicht werden, wie die Entscheidung
getroffen wird und dass dies erst sinnvoll nach Abschluss
der Auswertung geschehen kann.
Informationssammlung
Die Interviewer setzen den Fragenkatalog gemäß der zu-
vor festgelegten Vorgehensweise ein (vgl. Anhang: Im di-
agnostischen Prozess zu treffende Entscheidungen) und
nehmen eine Protokollierung entsprechend der definierten
Standards vor.
Die Interviewer sollten in jedem Gesprächsabschnitt den
jeweiligen Themenbereich benennen.
Entsprechend dem Interviewleitfaden werden Fragen zu
Motiven und Hintergründen, Qualifikationen und inhaltli-
chen Erfahrungen oder Fragen zu Unklarheiten bezüglich
Informationen aus den Bewerbungsunterlagen gestellt.
Relevante Situationen werden im Sinne vollständiger Verhal-
tensbeispiele vertieft, bis ein schlüssiges Bild (von Situation,
Vorgehen und Ergebnissen) entsteht (biografische Fragen).
Anhand von detaillierten vorgegebenen Situationsschilde-
rungen kann das mögliche Vorgehen in relevanten Situati-
onen erfragt werden (situative Fragen).
Die Fragen beziehen sich insbesondere auf erlebtes Ver-
halten im beruflichen Kontext.
Fragen zu privaten Inhalten werden nur gestellt, wenn ein
klarer Anforderungsbezug besteht.
Information des Interviewten
Die Interviewer berichten im Sinne einer realistischen Tätig-
keitsinformation konkret und ausführlich über Aufgaben und
Anforderungen der Zielfunktion.
Sie animieren den Interviewten, Fragen zu stellen, und ge-
ben ihm hierfür genügend Raum.
Gesprächsabschluss
Die Gesprächspartner treffen eine Verabredung hinsichtlich
der Form und des Zeitpunktes der Ergebniskommunikation
sowie zum weiteren Vorgehen. Hierbei sollten mögliche Re-
striktionen erfragt werden, wie z. B. Zeitdruck beim Interview-
ten, weil dieser bereits anderswo eine Zusage erhalten hat.
Die Interviewer sorgen für einen positiven Gesprächsausklang
und erfragen vom Teilnehmer ein Feedback zum Erleben
des Interviews.
Nach Gesprächsende
Die Interviewer tauschen sich nicht über das Gehörte oder
Erlebte aus, bevor die Dokumentation und Einzelauswer-
tung abgeschlossen ist (vgl. Standard 6).
VERBREITETE QUALITÄTSMINDERUNGEN
Die Interviewer lesen die Unterlagen während des Ge-
sprächs (womöglich zum ersten Mal).
Die Interviewer bleiben beim Nachfassen lediglich an der
Oberfläche oder verlieren sich im Detail.
Der Redeanteil der Interviewer (während der Informations-
sammlung) ist zu hoch.
Der Interviewer verwendet ungeeignete Frageformen (z. B.
zu komplexe oder suggestive und rhetorische Fragen).
Die Interviewer machen vor der Auswertung Andeutun-
gen zum Ergebnis oder Versprechungen („Ich denke, ich
gehe nicht zu weit, wenn ich jetzt schon sage, dass…“).
Große Phasen des Interviews haben den Charakter von
assoziativen Spontanreaktionen des Interviewers oder
einer „Plauderstunde“.
INTERVIEW STANDARDS
www.forum-assessment.de 9
STANDARD 6
PROTOKOLLIERUNG, AUSWERTUNG UND ERGEBNISFINDUNG
Auf der Grundlage einer sorgfältigen Protokollierung
des Interviews werden die erhobenen Informationen
systematisch und anforderungsorientiert ausgewertet
und zu einem Ergebnis verdichtet.
WORUM ES GEHT
Das Gewinnen und Auswerten der eignungsdiagnostisch
relevanten Daten im Rahmen eines Interviews sind poten-
ziell fehleranfällig. Um möglichst zuverlässige und aussage-
kräftige Ergebnisse zu erzielen, ist es unerlässlich, ein inei-
nandergreifendes (dokumentiertes und anforderungsbezoge-
nes) System zur regelgeleiteten Protokollierung, Beobach-
tung und Auswertung zu nutzen. Dieses System ist ein inte-
graler Teil der Interviewkonzeption.
In diesem System bildet eine umfassende Protokollierung
der Gesprächsinhalte, des Interviewverlaufs und der hierbei
gemachten Verhaltensbeobachtungen die Datenbasis für das
Ableiten von Ergebnissen sowie eine mögliche Evaluation. In
der Auswertung werden die protokollierten Daten systema-
tisch den Anforderungen zugeordnet und nach definierten
Regeln zu einem Ergebnis verdichtet.
UMSETZUNGSEMPFEHLUNGEN
Protokollierung (im Gesprächsverlauf)
Ein in der Interviewkonzeption dokumentiertes System
regelt für die an der Interviewführung beteiligten Perso-
nen Art und Umfang der Protokollierung der Antworten,
des Interviewverlaufs sowie der im Rahmen des Inter-
views gemachten Verhaltensbeobachtungen.
Das definierte System unterstützt die Protokollierung
sinnvollerweise durch entsprechende Arbeitshilfen wie
Beobachtungs- und Protokollbögen (mit Gesprächsab-
schnitten, Themenbereichen, Checklisten, Interviewfra-
gen). Hierbei sollte jedoch nicht bereits während des Inter-
viewverlaufs eine Bewertung bzw. Interpretation erfolgen
(Trennung von Beobachtung und Bewertung).
Im Gesprächsverlauf werden alle relevanten Informa-
tionen im Sinne eines Verlaufsprotokolls (Fragen, Ant-
worten bzw. zentrale Aussagen sowie relevante Ver-
haltensbeobachtungen) sorgfältig schriftlich festgehal-
ten (ggf. erfolgt ersatzweise eine Ton- bzw. Video-Auf-
zeichnung).
Alle an der Ergebnisfindung beteiligten Personen (Beur-
teiler) sollten eine Protokollierung der Gesprächsinhalte,
des Interviewverlaufs und der Verhaltensbeobachtun-
gen vornehmen, um diese für die eigene Auswertung
nutzen zu können; ggf. ist aber auch eine gewisse Ar-
beitsteilung sinnvoll, um den Interviewer zu entlasten.
Auswertung (nach Gesprächsende)
Nach der Durchführung des Interviews ordnet jeder Beur-
teiler zeitnah die gesammelten Informationen den vorab
definierten Beurteilungskriterien zu, wobei ähnliche Infor-
mationen zu einem Kriterium zusammengefasst werden.
Zunächst nicht eindeutig zuzuordnende Informationen
werden auf ihren direkten Anforderungsbezug geprüft
und - sofern nicht relevant - verworfen. Zudem werden
die Informationen auf mögliche Widersprüche geprüft.
Jeder Beurteiler ordnet zunächst für sich die gesammel-
ten Informationen und Beobachtungen den verschiedenen
Beurteilungskriterien zu. Bei widersprüchlichen Daten wird
geprüft, welche Befunde verlässlicher sind bzw. welche
Schlüsse hieraus zu ziehen sind. Soweit genügend be-
lastbare Befunde vorliegen, wird die Ausprägung für die
verschiedenen Kriterien eingeschätzt sowie anschließend
ggf. das persönliche Gesamtergebnis (gemäß den im Aus-
wertungssystem definierten Regeln) ermittelt.
Vorab definierte Skalierungshilfen (wie verhaltensveran-
kerte Skalen oder Beschreibungen der Ausprägungen)
können die Beurteilung unterstützen.
Ergebnisfindung
Anschließend erfolgt ein Abgleich der Bewertungen der
Beurteiler für die einzelnen Kriterien (unter Einbeziehung
ggf. ergänzend erhobener Ergebnisse, z. B. von Tests) so-
wie ggf. der einzelnen Gesamtergebnisse.
Bei (relevanten) Unterschieden zwischen den verschiede-
nen Einschätzungen bzw. Ergebnissen sollten zunächst
jeweils die erhobenen Informationen und deren Zuord-
nung zu den Kriterien abgeglichen sowie die Belastbarkeit
der einzelnen Daten überprüft werden.
Anschließend sollten, falls noch notwendig, unterschiedli-
che Interpretationen und Bewertungsunterschiede diskutiert
und das Beachten der Auswertungsregeln geprüft werden.
Als Ergebnis dieses Auswertungsprozesses verständigen
sich die Beurteiler auf Einschätzungen der einzelnen Kri-
terien sowie auf ein Gesamtergebnis (entsprechend der
Regeln zur Ergebnisbildung) und formulieren ggf. ergän-
zende Maßnahmen bzw. Entscheidungsempfehlungen.
Die Ergebnisfindung für die einzelnen Kriterien und das Ge-
samtergebnis sollte im Auswertungssystems möglichst klar
geregelt sein; insbesondere sollte definiert sein, welche In-
formationen in welcher Weise in die Bewertungen einge-
hen (ob z. B. Mindestausprägungen für einzelne Merkmale
gefordert sind, sich Einzelergebnisse kompensieren kön-
nen oder Einzelaspekte unterschiedlich gewichtet werden).
VERBREITETE QUALITÄTSMINDERUNGEN
Eine Protokollierung unterbleibt oder ist zu knapp, so dass
Auswertungen lediglich anhand von Erinnerungen an Ge-
sprächsinhalte erfolgen.
Protokollierungen enthalten bereits Bewertungen.
Körpersprachliche Signale des Interviewten werden igno-
riert bzw. fehl- oder überinterpretiert.
Ein Abgleich der Bewertungen durch die Beobachter er-
folgt nur bzgl. der Ratings der Anforderungsmerkmale
und/oder des Gesamtergebnisses, ohne die zugrundelie-
genden Aussagen und Beobachtungen zu besprechen.
Die Gesamtbewertung eines Kandidaten ist schon vollzo-
gen, bevor (bzw. ohne dass) eine systematische Auswer-
tung der Einzelaspekte erfolgt („der Eindruck ist doch klar“).
Die Auswertung erfolgt nicht regelgeleitet oder Auswer-
tungsregeln werden spontan geändert bzw. es werden
ad hoc neue Kriterien entscheidungsrelevant.
Auswertungsregeln werden „blind“ übernommen oder
über „Jahre hinweg“ genutzt, ohne die Anwendbarkeit im
aktuellen Verfahren zu prüfen.
INTERVIEW STANDARDS
www.forum-assessment.de 10
STANDARD 7
ERGEBNISDOKUMENTATION UND -KOMMUNIKATION
Die Ergebnisse des Interviews sind entsprechend den
betrieblichen Erfordernissen sowie den rechtlichen An-
forderungen bzw. Informationspflichten zu dokumen-
tieren und den verschiedenen Beteiligten in adäquater
Weise zu kommunizieren. Insbesondere die Interviewten
haben dabei Anspruch auf eine wertschätzende und
respektvolle Rückmeldung.
WORUM ES GEHT
Um die Ergebnisse eines eignungsdiagnostischen Interviews
nutzbar zu machen sowie den verschiedenen bestehenden
rechtlichen Anforderungen (z. B. AGG, EU-DSGVO) und Infor-
mationspflichten (z. B. BetrVG) zu entsprechen, sind diese in
geeigneter Weise zu dokumentieren, aufzubewahren und den
verschiedenen Beteiligten, entsprechend dem Informations-
bedarf ihrer jeweiligen Rolle, zu kommunizieren. Art und Um-
fang der Ergebnisdokumentation und -kommunikation sind ab-
hängig von Anlass und Zweck des Verfahrens (z. B. Personal-
auswahl oder -entwicklung), der Zielgruppe des Verfahrens
(z. B. Mitarbeiter der Organisation oder externe Kandidaten)
und den Adressaten (Interviewte, Auftraggeber, Interessen-
vertreter bzw. weitere betroffene Personalfunktionen). Zu
beachten ist, dass gerade auch die Ergebniskommunikation
von großer Bedeutung für die Akzeptanz des Verfahrens ist.
UMSETZUNGSEMPFEHLUNGEN
Ergebnisdokumentation
Die Ergebnisdokumentation erfolgt entsprechend dem in
der Auftragsklärung erhobenen organisationsspezifischen
Bedarf, den hieraus abgeleiteten, in der Interviewkonzep-
tion festgelegten Standards und Inhalten (vgl. Standard
3 und 6) sowie den Regelungen für die Aufbewahrung
(z. B. Personalakte), Zugänglichkeit und Weitergabe.
Typische Inhalte der Ergebnisdokumentation sind zent-
rale Daten der Interviewten, Fragestellung des Inter-
views, Verfahrensbeteiligte, Datum der Durchführung,
Verfahrenselemente, Ausprägung zentraler Anforde-
rungsmerkmale sowie ein Gesamtergebnis und ggf.
Maßnahmenempfehlungen.
Inhaltliche Anforderungen werden bestimmt durch be-
triebliche Erfordernisse (z. B. Dokumentation von Qualifi-
zierungsbedarf), rechtliche Grenzen (z. B. Datenschutz
im Hinblick auf betriebliche Relevanz und sparsame
Datennutzung) sowie Informationspflichten (z. B. Einbin-
dung der Mitarbeitervertretung nach BetrVG) und das
Bemühen um Nachvollziehbarkeit und Transparenz.
Der Interviewer bzw. verantwortliche Eignungsdiagnosti-
ker trägt die Verantwortung für das Beachten der an die
Ergebnisdokumentation zu stellenden Anforderungen so-
wie den Schutz der vertraulichen Daten (insb. Zugriffs-
rechte, definierte Aufbewahrungsfristen sowie Vernich-
tung bzw. Löschung der Aufzeichnungen und Ergebnisse
entsprechend datenschutzrechtlicher Erfordernisse).
Ergebniskommunikation
Der Interviewer bzw. verantwortliche Eignungsdiag-
nostiker stellt sicher, dass die Ergebnisse des Inter-
views den verschiedenen Beteiligten, entsprechend
dem Informationsbedarf ihrer Rolle, kommuniziert
werden und macht ihnen, soweit sie hierauf Anspruch
haben, die Dokumentation zugänglich.
Im Rahmen der Ergebniskommunikation stellt der Inter-
viewer bzw. verantwortliche Eignungsdiagnostiker sicher,
dass die mit der Durchführung verbundenen Ziele er-
reicht werden und sichert die Akzeptanz durch Trans-
parenz im Vorgehen und Serviceorientierung.
Die Kommunikation der Ergebnisse bzw. die Zugriffs-
möglichkeiten hierauf beachtet definierte Prozessab-
läufe und Vereinbarungen zu Service-Standards.
Der Interviewer bzw. verfahrensverantwortliche Eignungs-
diagnostiker stellt bei allen Beteiligten ein Bewusstsein
für die Notwendigkeit zum vertraulichen Umgang mit
den Daten der Kandidaten sowie den Ergebnissen des
Verfahrens sicher und schreitet bei Verstößen ein.
Kandidatenfeedback
Die Interviewten erhalten zeitnah wenigstens eine Rück-
meldung zum Ergebnis des Verfahrens, diese kann
mündlich oder in schriftlicher Form erfolgen und sollte
akzeptanzförderlich (klar, wertschätzend) formuliert sein.
Wenn die Interviewten Mitarbeiter der Organisation sind
und besonders wenn die Ergebnisse auch für Personal-
entwicklungszwecke genutzt werden, sollte neben der Er-
gebnismitteilung eine inhaltliche Rückmeldung erfolgen.
Gegenstand der inhaltlichen Rückmeldung bilden Stär-
ken und Schwächen i.S. der Anforderungskriterien so-
wie ggf. Entwicklungsempfehlungen und Maßnahmen;
hierbei ist die Sicht der Teilnehmer einzubeziehen.
Inhaltliche Rückmeldungen stützen sich ausschließlich
auf Informationen, die im Interview und ggf. über ergän-
zende diagnostische Verfahren (z. B. Tests) erhoben
wurden und für die Fragestellung relevant sind.
Der Ablauf eines Rückmeldegesprächs wird durch ge-
eignete Materialien (z. B. Leitfaden, Anforderungsprofil
etc.) unterstützt. Er orientiert sich am konkreten Einzelfall.
VERBREITETE QUALITÄTSMINDERUNGEN
Eine Ergebnismitteilung erfolgt mit großem Zeitabstand
oder zugesagte Termine hierfür werden nicht eingehalten.
Interviewte werden mit Aussagen in Form von Allgemein-
plätzen oder unzutreffend vorteilhaften Formulierungen
bewusst getäuscht oder vertröstet.
Die Rückmeldung des Ergebnisses erfolgt durch Perso-
nen, die nicht am Interview beteiligt waren und die In-
terviewer stehen nicht für Rückfragen zur Verfügung.
Interviewte werden (willkürlich) sehr unterschiedlich be-
handelt bzw. erhalten Ergebnisrückmeldungen in sehr un-
terschiedlicher Qualität.
Inhaltliche Rückmeldungen sind nicht beschreibend
oder bestehen aus Pauschalaussagen („Ihnen mangelt
es an sozialer Kompetenz“) bzw. zweifelhaften Inter-
pretationen, die nicht belegt werden können.
Während der Ergebnisrückmeldung werden vertrauli-
che Informationen über das Abschneiden anderer In-
terviewter (z. B. im Vergleich zur anwesenden Person)
weitergegeben.
INTERVIEW STANDARDS
www.forum-assessment.de 11
STANDARD 8
EVALUATION
Die regelmäßige Evaluation ist ein selbstverständli-
cher, integraler Bestandteil der Nutzung eignungsdi-
agnostischer Interviews.
WORUM ES GEHT
Aussagekraft und Qualität eignungsdiagnostischer Prozesse
sind keine statischen Merkmale. Zudem lassen sich diese
Faktoren im Rahmen einer Verfahrensentwicklung kaum
aus dem Stand in bestmöglicher Weise erreichen. Nur eine
kontinuierliche Prüfung und Optimierung im Rahmen eines
permanenten Verbesserungsprozesses während der Nut-
zung des Verfahrens können diese sicherstellen. Die Evalua-
tion richtet sich dabei auf Funktionalität und empirische Be-
währung der Verfahrenskonzeption sowie in jedem Einzel-
fall der Anwendung auf die Qualität der Durchführung.
UMSETZUNGSEMPFEHLUNGEN
Evaluation der Interviewkonzeption
Bei der Anpassung bestehender Interviewkonzepte bzw.
einer Neuentwicklung zur Nutzung im Einzelfall sollten
zentrale Strukturmerkmale des Verfahrens, auf Basis
entsprechender Kenntnisse und Erfahrung mit der Ent-
wicklung und Anwendung von Interviewkonzepten, theo-
retisch plausibilisiert und praktisch erprobt werden.
Im Einzelnen zu prüfen sind z. B. das Abdecken der zent-
ralen Anforderungsmerkmale, die Eignung der genutz-
ten methodischen Zugänge, die Gesprächsstrategie,
Qualität und Nutzbarkeit von Fragenkatalogen und
Checklisten, Wirksamkeit von Verhaltensstimuli zur Verhal-
tensaktivierung, das Auswertungsprocedere, der Zeitrah-
men insgesamt und auch für einzelne Blöcke.
Zudem sollte auch geprüft werden, ob einzelne Anforde-
rungsmerkmale sinnvoller (zuverlässiger oder ökonomi-
scher) mit anderen ergänzenden Instrumenten, wie z. B.
Tests, erhoben werden können.
Bei der grundlegenden Neuentwicklung eines eignungs-
diagnostischen Interviews für eine Zielposition bzw.
-positionsgruppe, insbesondere wenn ein wiederholter
Einsatz vorgesehen ist, sollte stets (zusätzlich) eine theo-
retische wie praktische Expertenprüfung der Konzeption
durch einen erfahrenen Eignungsdiagnostiker erfolgen.
Wenn eine Nutzung des Interviewkonzeptes für größere
Zielgruppen und/oder durch verschiedene Interviewer er-
folgen soll, ist die Funktionalität (s.o.) des Interviewkon-
zeptes im Rahmen von Probeläufen zu überprüfen.
Evaluation der Interviewdurchführung
Nach jedem Interview (und damit der Anwendung einer
Interviewkonzeption) sollte eine kurze Evaluation der Quali-
tät der jeweiligen Durchführung im Interviewteam erfolgen.
Dabei sind die Einhaltung der definierten Regeln, das Ab-
decken aller relevanten Anforderungsmerkmale im
Gespräch, die Wirksamkeit der Strategie der Gesprächs-
führung sowie der genutzten Fragen und das Zusam-
menspiel im Interviewerteam zu betrachten.
Zur Sicherung der Qualität bzw. Weiterentwicklung der
Gesprächsführung sollten sich die beteiligten Intervie-
wer eine Rückmeldung zu besonders wirksamen Vorge-
hensweisen und Verbesserungsansätzen in der Inter-
viewführung geben.
Empfehlenswert ist es auch, von den Interviewten eine
Rückmeldung zum Erleben des Verfahrens zu erbitten.
Empirisches (internes/externes) Benchmarking
Insbesondere für längerfristig oder bei größeren Zielgrup-
pen eingesetzten Interviewkonzepten ist eine empirische
Prüfung der eignungsdiagnostischen Aussagekraft sowie
der Wirksamkeit des Interviews bzgl. verfolgter Nebenziele
(z. B. im Personalmarketing) im Sinne eines Benchmar-
kings anzustreben.
Gegenstand der empirischen Evaluation der Aussage-
kraft des Verfahrens sind hierbei insbesondere die Prog-
nosegüte bzw. die Überprüfung der Vorhersagequalität
der Potenzial- und Eignungsaussagen des Verfahrens
sowie möglichst auch die inhaltlich korrekte Einschätzung
einzelner Eignungsaspekte.
Zusätzlich können auch die Fairness und Akzeptanz so-
wie der inhaltliche und wirtschaftliche Nutzen des Inter-
views Gegenstand der Evaluation sein.
Im Hinblick auf weitere Nebenziele der Verfahrensnut-
zung können die Funktionalität der Interviewnutzung im
Auswahlprozess, die Einbindung bzw. Zufriedenheit von
Fachabteilungen bzw. Leistungsabnehmern und die vom
Interviewsetting ausgehenden Signale (z. B. zur Unterneh-
menskultur) bzw. der Personalmarketingeffekt mögliche
Inhalte der Evaluation sein.
VERBREITETE QUALITÄTSMINDERUNGEN
Ein verengtes Verständnis von Evaluation, das sich nur
auf aufwendige, umfangreiche empirische Untersuchun-
gen bezieht, für die dann oft keine Zeit ist, so dass eine
Qualitätsprüfung vollständig unterbleibt.
Ein schleichender Verlust von Lernbereitschaft und Enga-
gement (i.S. eines permanenten Verbesserungs- und Inno-
vationsprozesses) als Folge zunehmender Routine und Er-
fahrung führt zu einer Minderung der Qualität der Ausfüh-
rung und eignungsdiagnostischen Beurteilung.
Die mangelnde Beachtung von Nebenzielen der Interview-
durchführung, z. B. mit der Folge einer fehlenden Kunden-
orientierung ggü. Kandidaten und Leistungsabnehmern.
Zentrale Gütekriterien, wie die Prognosegüte, die Fair-
ness und der Nutzen des Verfahrens, werden auch bei
längerer Anwendung des Instruments und dem Ein-
satz mit größeren Teilnehmerzahlen nicht geprüft.
INTERVIEW STANDARDS
www.forum-assessment.de 12
ANHANG
INTERVIEW STANDARDS
www.forum-assessment.de 26
GLOSSAR
Anforderungsanalyse - Untersuchung eines Arbeitsplat-
zes mit dem Blickwinkel auf die dort tätigen Personen
zur Ermittlung der erfolgsrelevanten Eignungsmerkmale;
Für die Analyse sollte eine Kombination unterschiedli-
cher methodischer Zugänge genutzt werden, wobei
drei unterschiedliche Wege genutzt werden können:
die erfahrungsgeleitet-intuitive-, die arbeitsplatzanaly-
tisch-empirische- und die personenbezogen-empirische
Methode unterschieden werden
Anforderungsmerkmal (syn. Beobachtungsmerkmale
oder Beurteilungskriterien) - Zur Beantwortung der eignungs-
diagnostischen Fragestellung genutzte anforderungs- bzw.
persönlichkeits- bzw. kompetenzbeschreibende Begriffe.
Anforderungsprofil - Auflistung und Beschreibung derje-
nigen Merkmale (Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kompeten-
zen), die für ein erfolgreiches Wahrnehmen einer Tätigkeit
erforderlich sind.
Arbeitsanalyse – Im Rahmen einer Arbeitsanalyse wer-
den in systematischer Form Aufgaben (Aufgabenanalyse),
Tätigkeiten sowie Arbeitsmittel und -bedingungen erfasst.
Ein typisches Anwendungsfeld ist auch die Ermittlung von
Qualifikationsanforderungen (Anforderungsanalyse) für die
Personalauswahl und Personalentwicklung.
Assessment Center (AC) - Ein AC ist ein multimethoda-
les eignungsdiagnostisches Verfahren zur Potenzial- und
Eignungsbeurteilung im Rahmen von Personalauswahl-
oder Entwicklungsfragestellungen. Ein zentrales konstitu-
ierendes Element jedes ACs ist die Nutzung von Simulati-
onen (z. B. Gruppenaufgaben, Präsentationen oder Rol-
lenspiele), bei denen die eignungsdiagnostische Beurtei-
lung durch Verhaltensbeobachtungen mehrerer Beobach-
ter erfolgt. Ergänzt werden diese Verhaltenssimulationen
durch geeignete berufsbezogene Test- und Fragebogen-
verfahren sowie eignungsdiagnostische Interviews.
Aufgabenanalyse - Untersuchung und Beschreibung der
Aufgaben eines Arbeitsplatzes bis zu spezifischen Tätig-
keiten mit dem Ziel hieraus Hinweise z. B. für die Entwick-
lung von simulationsorientierter eignungsdiagnostischen
Verfahrenselemente oder für notwendige Erfahrungs-
schwerpunkte bzw. Kompetenzen zu erlangen
Beobachter (syn. Beurteiler) - An der Durchführung eines
eignungsdiagnostischen Verfahrens Beteiligten, deren Auf-
gabe es ist, die Kandidaten zu beobachten und zu bewer-
ten, ohne selbst aktiv in die Durchführung einzugreifen.
Beurteiler – Beteiligter an der Durchführung eines eig-
nungsdiagnostischen Verfahrens (z. B. eines Interviews),
der auch an der Bewertung der Teilnehmer sowie an der
Ergebnisfindung mitwirkt.
Beurteilungs- oder Bewertungsskala – Maßstab der
speziell für die numerische Bewertung von Merkmalen bzw.
Kriterien genutzt wird. Um in der Anwendung möglichst zu-
verlässige und genaue Beurteilungen zu erreichen, sollten
die Stufen bzw. Skalenwerte durch verhaltensbezogene
Definitionen beschriebenen werden.
Cutt-off-Wert - Mindestausprägung für einzelne Kompe-
tenzen oder Kriterien, die Kandidaten von eignungsdiag-
nostischen erfüllen müssen.
DIN 33430 - Norm des deutschen Instituts für Normung e.V.,
die Qualitätsanforderungen und -standards für Verfahren
zur berufsbezogenen Eignungsdiagnostik und deren Ein-
satz beschreibt. DIN 33430 ist als Prozessnorm ausgeführt,
die sich nicht nur auf Anforderungen bzw. Merkmale einzel-
ner Verfahren bezieht, sondern den gesamten eignungsdiag-
nostischen) Prozess von Bedarf bis zur Dokumentation und
Evaluation des Vorgehens betrachtet. Methoden- bzw. Ver-
fahren werden unterschiedlich intensiv betrachtet, ausführ-
lich z. B. messtheoretisch fundierte Fragebogen und Tests.
Eignungsdiagnostik - Erfassen und Einschätzen der
Eignung eines Kandidaten mit dem Ziel, die Wahrschein-
lichkeit des erfolgreichen Wahrnehmens einer spezifischen
Tätigkeit bzw. Aufgabe erfolgreich vorherzusagen.
Eindimensionale Anforderungsmerkmale - um zuver-
lässige Ergebnisse zu erhalten, ist es anzustreben, dass
die betrachteten Anforderungsmerkmale unabhängig von-
einander sind, sich also in ihrer Definition möglichst auf
einen (unabhängigen) Aspekt beschränken (z. B. nicht
„Überzeugungs- und Durchsetzungsvermögen“)
Evaluation - Überprüfung und Bewertung der Qualität
und Nutzbarkeit eines eignungsdiagnostischen Verfah-
rens unter unterschiedlichen Perspektiven, z. B. normativ-
i.S. der Einhaltung von Vorgaben, intraindividuell - i.S.
eine Überprüfung der Funktionalität und Wirksamkeit der
Verfahrensgestaltung, benchmarkorientiert i.S. eines Er-
mittelns und Vergleichens von Qualitätskennwerten.
Fairness - Ein eignungsdiagnostischen Interview kann
dann als fair angesehen werden, wenn alle Kandidaten
unabhängig von Alter, Geschlecht, Nationalität oder Reli-
gion vergleichbare Bedingungen vorfinden und insofern
gleiche Chancen auf ein entsprechendes Ergebnis haben,
soweit nicht objektive Anforderungsaspekte (wie notwen-
dige Berufserfahrung) dies verhindern (s.a. Objektivität).
Fragebogenverfahren - Standardisiertes, psychometri-
sches Verfahrenselement, welches zumeist Selbstaussa-
gen zu Persönlichkeitsaspekten erfasst und den Anforde-
rungen der DIN 33430 an „messtheoretisch fundierte Fra-
gebogen und Tests“ entspricht.
INTERVIEW STANDARDS
www.forum-assessment.de 27
Gütekriterien - Die Qualität eignungsdiagnostischer Ver-
fahren wird mit Hilfe inzwischen breit akzeptierter Kriterien
beurteilt. Die Gütekriterien werden unterschieden nach
Hauptgütekriterien (Objektivität, Reliabilität und Validität)
sowie Nebengütekriterien (insbesondere Nutzen bzw.
Ökonomie, Fairness und Akzeptanz).
Interviewer - Im Bereich der Eignungsdiagnostik theore-
tisch ausgebildete und für die praktische Interviewführung
geschulte Person, die mit der Durchführung von Interviews
betraut ist.
Interviewleitfaden - Eine Strukturierungshilfe, die dazu
dient, die Vergleichbarkeit der Interviewführung zu gewähr-
leisten. Interviewleitfäden enthalten typischerweise eine
sinnvolle Aufeinanderfolge der Gesprächsabschnitte und
deren methodischen Zugängen sowie Themen- bzw. Fra-
genkatalogen oder Checklisten und eine zeitliche Struktur.
Hierbei werden sachlogische Erfordernisse sowie die ver-
folgte Gesprächsstrategie berücksichtigt
Multimethodal - Multimethodale Verfahren nutzen meh-
rere unterschiedliche methodische Ansätze (z. B. Befra-
gung, Verhaltensbeobachtung, Selbstbeschreibung, Test-
verfahren), um einen möglichst großen eignungsdiagnosti-
schen Aussagewert zu erreichen.
Multimodal - Der Trimodale Ansatz der Eignungsdiagnos-
tischer unterscheidet drei unterschiedliche Merkmalsbe-
reiche (Modalitäten), die geeignete Datenquellen sind,
um eignungsrelevanten Erkenntnisse zu gewinnen. Diese
Merkmalsbereiche sind „Eigenschaften“, „Verhalten“ sowie
„Ergebnisse“. Zur Beurteilung dieser Modalitäten sind je-
weils spezielle Methoden geeignet (z. B. Test, Simulatio-
nen und biographische Fragen).
Objektivität - Die Ergebnisse eines eignungsdiagnosti-
schen Interviews sind objektiv, wenn sie unabhängig von
Einflüssen der Interviewer und der Durchführung sind – da-
mit alle Kandidaten vergleichbare Bedingungen haben
und es nicht zu Benachteiligungen oder Bevorzugungen
kommt. Zu unterscheiden sind Durchführungs-, Auswer-
tung- und Interpretationsobjektivität (siehe auch Fairness).
Operationalisierung - legt fest, auf welche Weise ein
(Anforderungs-)Merkmal (z. B. Konfliktfähigkeit) beob-
achtbar und messbar gemacht werden soll. Neben der in-
haltlichen Definition des Merkmals ist auch eine Beschrei-
bung der Ausprägung der verschiedenen Ausprägungs-
stufen von Bedeutung.
Potenzialanalyse – Gegenstand ist hier die Prognose
der Möglichkeit von Personen (Kandidaten), in einem zu-
meist mittelfristigen Zeitraum von 1-3 Jahren, die für das
erfolgreiche Wahrnehmen einer Funktion oder Tätigkeit
notwendigen Kompetenzen zu erwerben.
Prognosegüte - Maß der Aussagekraft eines eignungs-
diagnostischen Verfahrens (z. B. eignungsdiagnostischen
Interviews) zur Vorhersage beruflicher Eignung und Er-
folgskriterien.
Quantitativ Urteilsfindung (syn. statistische Urteilsfin-
dung) - Die Ergebnisse zu einzelnen Beurteilungsmerk-
malen und auch das Gesamtergebnis des eignungsdiag-
nostischen Interviews werden auf Basis von Ratings so-
wie quantitativer Einzelergebnisse mit Hilfe vorab definier-
ter Regeln mathematisch in Form von (gewichteten)
Durchschnittswerten bzw. Cut-off-Werten ermittelt.
Qualitative Urteilsfindung (syn. klinische Urteilsfindung)
- Die Ergebnisse zu einzelnen Beurteilungskriterien und
das Gesamtergebnis eines eignungsdiagnostischen Ver-
fahrens/Interviews werden auf Basis qualitativer Einzeler-
gebnisse (z. B. Beobachtungsnotizen) im Rahmen eines
erfahrungsbasierten Beurteilungsprozesses sowie eines
inhaltlichen Diskurses der Beobachter ermittelt.
Reliabilität – Maß für die Zuverlässigkeit bzw. Genauig-
keit mit der in einem eignungsdiagnostischen Verfahren die
beurteilten Eignungs- bzw. Anforderungsmerkmale erfasst
werden. Zu hinterfragen wäre z. B., inwieweit unterschiedli-
cher Interviewer die Ergebnisse zu gleichen Ergebnissen
kommen oder ob Kandidaten bei wiederholter Teilnahme
gleich beurteilt würden.
Stakeholder - Personen, deren Anforderungen und Be-
wertungen bzgl. der Durchführung eines eignungsdiag-
nostischen Interviews als Auftraggeber, Entscheider, Mul-
tiplikator bzw. Meinungsbildner oder als Vertreter von In-
teressengruppen innerhalb oder außerhalb der Organisa-
tion relevant sind.
Teilnehmer (Abkürzung TN, je nach Ziel des eignungs-
diagnostsichen Verfahrens auch syn. Kandidat, Bewerber
oder Interviewter) - Die in einem eignungsdiagnostischen
Verfahren, also z. B. einem Interview, beurteilte Person.
Testverfahren - Standardisiertes, psychometrisches Ver-
fahrenselement, welches z. B. bestimmte Leistungs- oder
Persönlichkeitsaspekte erfasst und den Anforderungen der
DIN 33430 an „messtheoretisch fundierte Fragebogen und
Tests“ entspricht.
Trait-Aktivierung - Gezielter Einsatz von Verhaltensstimuli,
um den Umgang mit bestimmten relevanten Anforderungen
beobachtbar zu machen, z. B. ein hartnäckiges kritisches
Nachfragen, um die Belastbarkeit von Kandidaten zu prüfen.
INTERVIEW STANDARDS
www.forum-assessment.de 28
Validität - Aussagefähigkeit der Ergebnisse von eignungs-
diagnostischen Verfahren, z. B. bzgl. der Vorhersage be-
ruflicher Eignung und Entwicklungspotenziale sowie der
Beurteilung der mit dem jeweiligen Verfahren zu erfassen-
den Merkmale bzw. Kriterien (z. B. das erfolgreiche Wahr-
nehmung einer Führungsaufgabe).
Verantwortlicher Eignungsdiagnostiker - Für die Aus-
gestaltung und Nutzung von eignungsdiagnostischen In-
strumenten und Prozessen verantwortliche Person, die
über eine entsprechende theoretische Qualifikation und
praktische Erfahrung zur Wahrnehmung dieser Aufgaben
verfügt.
Verfahrensbeteiligte – An der Durchführung eignungs-
diagnostischer Interviews können Personen in verschie-
denen Rollen bzw. Funktionen und Verantwortlichkeiten
beteiligt sein. Wichtige Beteiligte sind (Co-)Interviewer,
verantwortliche Eignungsdiagnostiker, Beobachter, Proto-
kollant, Entscheider, Berater oder Interessenvertreter.
Verfahrenselemente (syn. Übungen, Aufgaben, Module)
– Einzelbestandteile bzw. Elemente eines eignungsdiag-
nostischen Verfahren (z. B. Interviews), z. B. Biografie-
analyse, Mini-Rollenspiel, situative Fragen, realistische
Tätigkeitsbeschreibung.
Verhaltenssimulation (syn. Arbeitssimulation, Übung) -
Verfahrenselement, in dem Verhalten von mindestens
zwei Beobachtern bewertet wird (z. B. Rollenspiel, Präsen-
tation, Gruppendiskussion, Fallstudie, Postkorb). Das Äu-
ßern von Verhaltensabsichten würde nicht als Verhaltens-
simulation angesehen. Durchführung und Auswertung von
Verhaltenssimulationen können jedoch durch IT-Unterstüt-
zung an einem anderen Ort („remote“) oder zu einem an-
deren Zeitpunkt stattfinden („asynchron“).
Verhaltensstimuli (syn. Verhaltensprovokation) – geplan-
tes, in Qualität und Intensität vorab definiertes Verhalten ei-
nes Interviewers oder Rollenspielers in situativen Übun-
gen, um eine aufgabentypische Anforderungssituation (wie
z. B. Kritik oder inhaltlich kritisches Nachfragen) zu simulie-
ren und die Reaktionen darauf beobachtbar zu machen,
Verhaltensverankerte Operationalisierungen - Die An-
forderungsmerkmale sowie die verschiedenen Stufen des
für ein bestimmtes Merkmal eines eignungsdiagnosti-
schen Verfahrens genutzten Beurteilungsmaßstabes wer-
den in Form konkreter Verhaltensbeschreibungen und/o-
der -beispiele definiert.
INTERVIEW STANDARDS
www.forum-assessment.de 29
LITERATUR
Ackerschott, H., Ganter, N.S. & Schmitt, G. (2016) Eignungs-
diagnostik. Qualifizierte Personalentscheidungen nach DIN
33430 – Mit Checklisten, Planungshilfen, Anwendungsbei-
spielen. (1. Auflage). In: DIN Deutsches Institut für Normung
e.V. (Hrsg.). Berlin: Beuth.
Böhme, J., Bolte, E.-A., Derksen, K., Glodek, R. Lamerskitten,
E., Schöning, H., Strobel, A. Thiemann, T. & Ebeling, N.
(2008). Interview-Standards des Arbeitskreis Assess-
ment Center e.V.. Download am 29.12.2018 von https://
www.arbeitskreis-ac.de/index.php/uebersicht.
Convay, J., Jako, R. & Goodman, D. (1995). A Meta-Anal-
ysis of Interrater and Internal Consistency Reliability
of Selection Interviews. Journal of Applied Psychology,
5/80, 565-579.
Diagnostik- und Testkuratorium (Hrsg.) (2018). Personal-
auswahl kompetent gestalten. Grundlagen und Praxis der
Eignungsdiagnostik nach DIN 33430. Berlin: Springer.
Graves, L. (1993). Sources of individual differences in in-
terviewer effectiveness: A model and implications for future
research. Journal of Organizational Behavior, 14, 349-370.
Graves, L. & Karren, R. (1992).Interviewer decision pro-
cesses and effectiveness: An experimental policy captur-
ing investigation. Personnel Psychology, 45, 313-340.
Huffcutt, A.I., Culbertson, S.S. & Weyhrauch, W.S. (2014).
Moving Forward Indirectly: Reanalyzing the validity of
employment interviews with indirect range restriction
methodology. International Journal of Selection and As-
sessment, 22, 297-309.
Huffcutt, A.I., Culbertson, S.S. & Weyhrauch, W.S. (2013).
Employment Interview Reliability: New meta‐analytic
estimates by structure and format. International Journal
of Selection and Assessment, 21, 264-276.
Kanning, U. (2015). Personalauswahl zwischen Anspruch
und Wirklichkeit. Eine wirtschaftspsychologische Analyse.
Wiesbaden: Springer Gabler.
Kanning, U. (2015). Strategisches Verhalten in der Per-
sonalauswahl. Wie Bewerber versuchen, ein gutes Er-
gebnis zu erzielen. Zeitschrift für Arbeits- und Organisati-
onspsychologie, 1/61, 3–17.
Kersting, M. (2018). Ein Angriff auf das Fundament der
Interviewtechnik. Personalmagazin, 7/2018, 82-87.
Kersting, M. (2006). „DIN SCREEN“, Leitfaden zur Kontrolle
und Optimierung der Qualität von Verfahren und deren Einsatz
bei beruflichen Eignungsbeurteilungen. Lengerich: Pabst.
Kersting, M. & Birk, M. (2011). Zur zweifelhaften Validität
und Nützlichkeit von Anforderungsanalysen für die In-
terpretation eignungsdiagnostischer Daten. In: P. Gelléri
u. C. Winter (Hrsg.). Potentiale der Personalpsychologie:
Einfluss personaldiagnostischer Maßnahmen auf den Be-
rufs- u. Unternehmenserfolg (S. 83-95). Göttingen: Hogrefe.
Kici, G. (2007). Entwicklung und empirische Prüfung ei-
nes Anforderungsprofils für psychologisch-diagnosti-
sche Interviews (APDI). Unveröffentlichte Dissertation,
Technische Universität, Dresden.
Koppers, N. (2013). Zu den Determinanten von analyti-
schen und intuitiven Urteils- und Entscheidungspro-
zessen von Recruitern in Einstellungsinterviews. Un-
veröffentlichte Dissertation, Ruhr Universität, Bochum.
Krause, D. (2017). Personalauswahl. Die wichtigsten di-
agnostischen Verfahren für das Human Resources Ma-
nagement. Wiesbaden: Springer Gabler.
Langer, M. König, C.J. & Krause, K. (2017). Examining
digital interviews for personnel selection: Applicant re-
actions and interviewer ratings. . International Journal of
Selection and Assessment, 25, 371-382.
Levashina, J., Hartwell, Ch., Morgeson, F. & Campion, M.
(2014). The Structured Employment Interview: Narra-
tive and Quantitative Review of the Research Literature,
Personnel Psychology, 67, 241-293.
Macan, Th. (2009). The employment interview: A review
of current studies and directions for future research.
In: Human Resource Management Review 19, 203–218.
McDaniel, M., Whetzel, D., Schmidt, F. Maurer St.(1994)
The Validity of Employment Interviews: A Comprehen-
sive Review and Meta-Analysis. Journal of Applied Psycho-
logy, 79, 04/1994, 599-616.
Melchers, K., Kleinmann, M., Richter, G. König, C.J. & Klehe, U.
(2004).Messen Einstellungsinterviews das, was sie messen
sollen? Zur Bedeutung der Bewerberkognitionen über bewerte-
tes Verhalten. Zeitschrift für Personalpsychologie, 3, 159-169.
Obermann, Ch. & Solga, M. (2018). Jobinterviews pro-
fessionell führen. Über 400 Interviewfragen für die erfolg-
reiche Personalauswahl. Wiesbaden: Springer Gabler.
Oh, I-S., Postlethwaite, B.E. & Schmidt, F.L. (2014). Rethinking
the Validity of Interviews for Employment Decision Making:
Implications of Recent Developments in Meta-Analysis. In D.
J. Svyantek & K. Mahoney (Hrsg.), Received wisdom, kernels of
truth, and boundary conditions in organizational studies. (S. 297-
329). Charlotte, N.C.: Information Age Publishing.
INTERVIEW STANDARDS
www.forum-assessment.de 30
Reinhard, M., Scharmach, M. & Müller, P.(2013). It’s not
what you are, it’s what you know: experience, beliefs,
and the detection of deception in employment inter-
views. Journal of Applied Social Psychology, 43, 467–479.
Richter, G. (2003). Was misst das strukturierte Einstel-
lungsinterview? Studien zur Konstruktvalidität des Mult-
modalen Interviews. Unveröffentlichte Dissertation, Fach-
bereich Psychologie der Philipps Universität, Marburg.
Riedel, T. (2017). Agile Personalauswahl. Erfolgreiche
Vorstellungsgespräche im Kontext von Innovation und
Vielfalt. Freiburg: Haufe.
Riedel, T. (2015). Internationale Personalauswahl, Göt-
tingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Sarges, W. (2013). Interviews. In Sarges, W. (Hrsg.), Ma-
nagement-Diagnostik (4. vollständig überarbeitete und er-
weiterte Auflage). (S. 575–591). Göttingen: Hogrefe.
Sarges, W. (2008). Ego-Involvement. in: Sarges, W. &
Scheffer, D. (Hrsg.) Innovative Ansätze für die Eignungsdi-
agnostik (S. 17-30). Göttingen: Hogrefe.
Sarges, W. (2000). Interviews. In Sarges, W. (Hrsg.), Ma-
nagement-Diagnostik (4. vollständig überarbeitete und er-
weiterte Auflage). (S. 475–489). Göttingen: Hogrefe.
Schmidt, F.L. & Hunter, J.E. (1998). The validity and Utility
oft selection methods in Personnel Psychology: Practi-
cal and Theoretical Implications of 85 Years Research Find-
ings. Psychological Bulletin, 2/124, 262-274.
Schmidt, F.L., Oh, I. & Shaeffer, J. (2016). The Validity and
Utility of Selection Methods. In: Personnel Psychology:
Practical and Theoretical Implications of 100 Years of Re-
search Findings (October 17, 2016). Fox School of Busi-
ness Research Paper. Available at SSRN: https://ssrn.com/
abstract=2853669
Schmitt, N. (2014). Personality and Cognitive Ability as
Predictors of Effective Performance at Work. Annual Re-
view of Organizational Psychology, 01/2014, 45-65.
Schuler, H. (2018). Das Einstellungsinterview. (2. überar-
beitete Auflage).Göttingen: Hogrefe.
Schuler, H. & Mussel, P. (2016). Einstellungsinterviews
vorbereiten und Durchführen. Praxis der Personalpsy-
chologie Human Ressource Management kompakt Band
32. Göttingen: Hogrefe.
Schuler, H. & Fintrup, A. (2006). Wie das Einstellungsin-
terview zur überlegenen Auswahlmethode wird. Ver-
fahren der Personalauswahl. Personalführung, 5, 63-70.
Schulte, S, & Dillmann, F. (2017). Erste Hürden auf der
Langstrecke beruflicher Teilhabe: Interdisziplinäre Be-
trachtung von Eignungstests und Auswahlverfahren für
Menschen mit Behinderungen - Teil 1. ZTR Zeitschrift für
Tarif-, Arbeits- und Sozialrecht des öffentlichen Diens-
tes;9/2017, S.524-528.
Schulte, S, & Dillmann, F. (2017). Erste Hürden auf der
Langstrecke beruflicher Teilhabe: Interdisziplinäre Be-
trachtung von Eignungstests und Auswahlverfahren für
Menschen mit Behinderungen - Teil 2. ZTR Zeitschrift für
Tarif-, Arbeits- und Sozialrecht des öffentlichen Diens-
tes;9/2017, S.577-585.
Strobel, A., Plath,S.-C. & Westhoff, K. (2003). Interviewer-
kompetenz in Personalauswahl und -entwicklung: Ein
Materialvergleich zur Erstellung von Trainings- und Ausbil-
dungsunterlagen. Wirtschaftspsychologie, 1/2003, 198-201.
Strobel, A., (2004). Das Diagnoseinstrument zur Erfas-
sung der Interviewerkompetenz in der Personalaus-
wahl (DIPA) – Entwicklung, empirische Prüfungen und
Akzeptanz in der Praxis. Unveröffentlichte Dissertation,
Technische Universität, Dresden.
K. Westhoff, K., Hellfritsch, L.J., Hornke, L.F., Kubinger,
K.D., Lang, F, Moosbrugger,H., Püschel, A. & Reimann, G.
(Hrsg.), (2010). Testkuratorium der Föderation Deutscher
Psychologenvereinigungen. Grundwissen für die berufsbe-
zogene Eignungsbeurteilung nach DIN 33430. (3. überar-
beitete Auflage). Lengerich: Pabst.
Weuster, A. (2012). Personalauswahl I. Internationale
Forschungsergebnisse zu Anforderungsprofil , Bewerber-
suche, Vorauswahl, Vorstellungsgespräch und Referen-
zen. (3. aktualisierte und überarbeitete Auflage). Wiesba-
den: Springer Gabler.
Weuster, A. (2012). Personalauswahl II. Internationale
Forschungsergebnisse zum Verhalten und zu Merkmalen
von Interviewern und Bewerbern. (3. aktualisierte und
überarbeitete Auflage).Wiesbaden: Springer Gabler.
Arbeitskreis Assessment Center e.V.
Forum für Personalauswahl und -entwicklung
Postfach 1116 21601 Buxtehude
Voicebox und Fax: 03212/1189826
akac-kontaktstelle@arbeitskreis-ac.de
www.arbeitskreis-ac.de
IMPRESSUM
ASSESSMENT. LEARNING. DEVELOPMENT.