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KonferenzbeitragzumHTGKongress2019inLübeck
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Ufersicherung durch natürlichen Pflanzenbewuchs –
Erkenntnisse von der Tideelbe
Dr. rer. nat. M. Heuner, Bundesanstalt für Gewässerkunde, Koblenz
M. Sc. K. Schoutens, Universität, Antwerpen
Dr. rer. nat. J. Carus, Technische Universität, Braunschweig
Prof. Dr. rer. nat. B. Schröder, Technische Universität, Braunschweig
Prof. Dr. rer. nat. S. Temmerman, Universität, Antwerpen
Welchen Beitrag können Röhrichte und andere Pflanzen in tidebeeinflussten Flüssen
leisten, um Watt und Ufer vor Erosion durch hydrodynamische Belastung (z. B. wind- und
schiffinduzierte Wellen) zu schützen? Was sind ihre Belastungsgrenzwerte? Welche
Vorteile und welche Grenzen hat der Uferschutz durch natürlichen Bewuchs? Die
Antworten auf diese Fragen werden immer dringlicher vor dem Hintergrund der EG-
Wasserrahmenrichtlinie und des Bundeswasserstraßengesetzes und der daraus
resultierenden Zielerreichung der Bewirtschaftungspläne, Maßnahmenprogramme und
Uferunterhaltung.
Seit 2010 laufen verschiedene von der BfG initiierte Projekte in Kooperation z. B. mit der
Technischen Universität Braunschweig und der Universität Antwerpen auf den Watt- und
Uferflächen der Tideelbe, die sich mit diesen Fragestellungen befassen.
Durch die Projekte und damit verknüpfte Doktorarbeiten wissen wir nun, welche
hydrodynamischen Belastungsgrößen nicht nur im Sommer, sondern auch über das Jahr
hinweg auf naturnahe Ufer wirken. Wir konnten die Strömungs- und
Wellenreduktionsleistung der Vegetation über das Jahr quantifizieren und konnten
nachweisen, dass Röhrichte die Fähigkeit besitzen, sich in ihrer Morphologie auf den
Wattflächen den hydrodynamischen Belastungen anzupassen. Wo ihre
wachstumsbedingten Grenzen zur Anpassung an hydrodynamische Belastungen liegen,
wird mit einem ingenieurbiologischen In-situ-Experiment momentan untersucht. Hier wird
der direkte Vergleich hergestellt zwischen wellenexponierten Pflanzenhabitaten und
Habitaten, die durch Faschinen geschützt sind.
1. Einleitung
Die Ufer der Bundeswasserstraßen bilden nicht nur die Grenze der Wasserfläche zum
Land (Abb. 1). Sie schützen auch das Landesinnere vor Extremereignissen wie
Hochwasser oder Sturmfluten durch Dissipation der Strömungs- und Wellenenergie. Diese
für den Menschen nützliche Schutzleistung ist vor allem abhängig von der Ufer- bzw.
Vorlandbreite (Auen- oder Marschbreite), dem hydrodynamischen Angriff und der
Ufertopographie. Die Auen und Marschen besitzen nährstoffreiche Böden. Durch die
Eindeichung der letzten Jahrhunderte konnten diese vom Menschen, ohne Einschränkung
durch die oben genannten Extremereignisse, landwirtschaftlich intensiv genutzt und
besiedelt werden. Dadurch wurden die Vorländer deutlich in ihrer Breite reduziert. Die
Flüsse und Ästuare bieten als Ökosystemleistung eine Verkehrsinfrastruktur der
Schifffahrt, von der die Wirtschaft immer mehr profitierte. Durch Flussbegradigungen und
-vertiefungen wurde die Effizienz der Infrastruktur gesteigert. Durch diese Baumaßnahmen
und infolge durch die häufigen Schiffswellen sind die Ufer bis heute höheren
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mechanischen Belastungen ausgesetzt. Um größere Erosion zu vermeiden und die
Vorländer und Deiche zu schützen, wurden viele Uferabschnitte entlang von
Bundeswasserstraßen kostenaufwändig mit hartem Uferverbau wie z.B. Steinschüttungen
gesichert (Abb. 1).
Abb. 1 Beispiele von Ufern an der Tideelbe. Oben links: versteintes Ufer, rechts oben : erosives
versteintes Ufer, unten links: naturnahes Ufer mit sichtbarer MThw-Linie (niederliegende Vegetation),
rechts unten: naturnahes Ufer mit Abbruchkante. Fotos: A. Sundermeier (oben), G. Grenzdörffer
(unten links), E. Fuchs (unten rechts)
Die EG-Wasserrahmenrichtlinie (2000/60/EG) fordert auch für die Wasserkörper der
Ästuare bis spätestens 2027 (d.h. zum Ende des dritten Bewirtschaftungszeitraums),
mindestens ein gutes ökologisches Potenzial erreicht zu haben. Im Rahmen dieser
Zielumsetzung trat am 01. März 2010 das novellierte Wasserhaushaltsgesetz (WHG) in
Kraft. Neben ihrer hoheitlichen Aufgabe der verkehrlichen Unterhaltung (nach § 11
Wasserstraßengesetz) erlangte dadurch die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung
(WSV) als Eigentümerin der Bundeswasserstraßen auch die Aufgabe und Verantwortung
der wasserwirtschaftlichen Unterhaltung (BÄRTHEL et al. 2010). Hierzu zählt u.a. auch die
Förderung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers sowie die
Berücksichtigung des Landschaftsbildes und des Erholungswertes (§ 39 WHG). Die
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wasserwirtschaftlichen Unterhaltungsmaßnahmen der WSV obliegen somit den definierten
Bewirtschaftungszielen (§ 27 ff WHG) und müssen den Maßnahmenprogrammen der
Länder entsprechen (§ 39 WHG Abs. 2). Des Weiteren liegen von den Ländern Integrierte
Bewirtschaftungspläne zur Umsetzung der Natura 2000-Erhaltungsziele vor.
(ARBEITSGRUPPE ELBEÄSTUAR 2011; NLWKN & SUBV 2012; NLWKN & MINISTERIE VAN
ECONOMISCHE ZAKEN 2016). Der Lebensraumtyp „Ästuarien“ besitzt nach FFH-Richtlinie
wesentliche ökologische Bedeutung (92/43/EEC).
Um den Wasserkörper nach WRRL zu bewerten, werden verschiedene biologische und
unterstützend zu diesen auch hydromorphologische, chemische und physikalisch-
chemische Qualitätskomponenten für die Übergangsgewässer, zu den die Ästuare
gehören, herangezogen. Die Anforderungen an die Bewertung sind in der
Oberflächenwasserverordnung (OGewV) konkretisiert. Die Bewertung der Ufer, die einen
Teil des Wasserkörpers darstellen, erfolgt v.a. über die Komponenten der
naturraumtypischen Makrophyten bzw. Angiospermen (STILLER 2010; STILLER 2011). Die
Bewertung dieser biologischen Komponente wird ergänzt durch die Komponenten der
Seegangsbelastung sowie der Menge, Struktur und des Substrat des Gewässerbodens
(OGewV, Anlage 3, vgl. WRRL 2000/60/EC, Anhang V). Die Struktur der Ufer ist Teil der
unterstützenden Qualitätskomponente „Menge, Struktur und des Substrats des
Gewässerbodens“ zuzuordnen. Die Qualitätskomponenten der Ufer besitzen an den
wenigsten Uferabschnitten ein gutes oder besseres Potenzial.
Das Bewirtschaftungsziel „gutes ökologisches Potenzial“ des erheblich veränderten
Wasserkörpers kann nur durch wesentliche hydromorphologische Veränderungen im
Sinne einer Verbesserung erreicht werden. An Ufern könnte dieses erreicht werden, indem
Abschnitte entsteint würden. So bekämen sie die Möglichkeit, sich auf einer zur Verfügung
gestellten Fläche morphologisch und ökologisch natürlich oder naturnah zu entwickeln.
Die regulierenden Ökosystemleistungen, z.B. die Energiedissipation der Hydrodynamik,
der Erosionsschutz durch ober- und unterirdische Biomasse (vgl. MÖLLER et al. 2014)
sowie das Auskämmen des Sediments und der Schwebstoffe aus der Wassersäule durch
Stängel und Blätter, würden gestärkt und, bei genügender Sedimentverfügbarkeit, ein
Mitwachsen der Watten in Zeiten des Meeresspiegelanstiegs ermöglicht (TEMMERMAN et
al. 2013). Diese Leistung als Anpassung auf Folgen des Klimawandels kann ein harter
Uferverbau an steilen Ufern nicht oder als dessen Ersatz ingenieurbiologische Bauweisen
nur bedingt erfüllen.
Auch wenn viele wertvolle Erfahrungen aus Zeiten der Landgewinnung und des
biologischen Wasserbaus vorliegen (SCHOEN 1983), bleibt bis heute unklar, welche
ökosystembasierten Schutzleistungen die schmalen Ufer weiterhin besitzen und welche
genauen Rahmenbedingungen für sie vorliegen müssen. Unter welchen Bedingungen sind
die Grenzen der ökosystembasierten Schutzleistung erreicht? Welche Möglichkeiten und
innovativen Maßnahmen existieren, um durch indirekten Uferschutz die ökosystembasierte
Schutzleistung vor Erosion wieder herzustellen?
Zur Beantwortung dieser allgemeinen Fragen, liefern Doktorarbeiten aus dem KLIWAS-
Projekt „Ästuarvegetation“ (CARUS 2017) und dem Projekt „tidal bank science and
services“ (tibass) (vgl. SCHMIDT-WYGASCH & HEUNER 2018) eine an fünf Ufern der Tideelbe
erhobene Datengrundlage (Abb. 2). Im Folgenden beschreiben wir die topographischen
Beschaffenheit der untersuchten Ufer, die dort wirkenden hydrodynamischen
Belastungsgrößen über das Jahr hinweg, die Strömungs- und Wellenreduktionsleistung
der Vegetation sowie die Fähigkeit der Röhrichte, sich in ihrer Morphologie den
hydrodynamischen Belastungen auf den Wattflächen anzupassen. Wo hier die Grenzen
ihres Wachstum sind, wird zurzeit mit einem Transplantationsexperiment untersucht.
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2. Die topographische Beschaffenheit der untersuchten Ufer
Abb. 2 zeigt die Lage der untersuchten Ufer und deren Uferformen. Die Standorte Balje
und Hollerwettern sind konvexe Ufer, an denen die Vegetationsgrenze deutlich unter
MThw liegt. Das Ufer in Krautsand hat in der oberen Watthälfte eine eher konkave Form,
d.h. die Wattfläche ist im Querschnitt nach innen gewölbt. Die Vegetationskante schließt
hier mit der MThw-Linie ab.
Abb. 2: Lage der untersuchten Ufer und deren Uferformen im Querschnitt sowie die Lage der
Vegetationskante zur MThw-Linie (mittlere Tidehochwasserlinie) und MTnw-Linie (mittlere
Tideniedrigwasserlinie)
3. Hydrodynamische Belastungsgrößen über das Jahr
Im Projekt tibass wurden Wellenhöhen (Abb. 3) an drei Uferstandorten über die Jahre
2016 und 2017 kontinuierlich gemessen. In Hollerwettern wurden zusätzlich die
Strömungsgeschwindigkeiten aufgenommen.
Im Durchschnitt erfahren diese naturnahen Ufer eine Wellenbelastung von 10 cm Wellen
und Strömungsgeschwindigkeiten von 0,01 bis 0,06 m/s (Tab 1).
Abb. 3: Die im Feld installierten P-Log3021-MMC Drucksensoren von Driesen & Kern im
Frühjahr/Herbst (rechts), Sommer (Mitte) und Winter (links) zur kontinuierlich Messung der
Wellenhöhen, Fotos: K. Schoutens
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In den Wintermonaten können jedoch an diesen Ufern auch maximale Belastungen von
über 60 cm Wellenhöhe und Strömungsgeschwindigkeiten von über 0,2 m/s auftreten, wie
z. B. in Krautsand gemessen. Messungen der relativen Geländehöhe über das Jahr
zeigen bei solchen Extrembedingungen in Krautsand Erosion auf der freien Wattfläche,
während in der Vegetation das Sediment von den Wurzeln noch gehalten werden kann
(SCHOUTENS et al. 2019).
Tab. 1: Hydrodynamische Belastungsgrößen an der Vegetationskante der drei untersuchten Ufer im
Projekt tibass über die Jahre 2016 und 2017. Kontinuierlich gemessene Wellenhöhen (P-Log3021-
MMC Drucksensoren von Driesen & Kern, 8 Hz Messfrequenz) und Strömungsgeschwindigkeiten
(Nortek Vektor, 4 Hz Messfrequenz, 2 min. lang, Burst Interval 5 min.) am Ufer von Hollerwettern
4. Die Leistung der Vegetation, hydrodynamische Belastung zu reduzieren
Die Vegetation auf den Wattflächen leistet einen deutlichen Beitrag zur Reduktion von
sowohl Strömung (Abb. 4) als auch Wellenhöhen (Abb. 5). Abb. 4 zeigt, dass der Prozess
der Strömungsreduktion v.a. in den ersten 10 bis 15 m des wasserseitigen Bewuchses der
Vegetation stattfindet. Die Längsströmung erfährt auch außerhalb der Vegetationsperiode
(Februar, April) eine deutlichere Reduktion als die Querströmung, obwohl diese meist
geringere Geschwindigkeiten aufweist als die Längsströmung (Tab. 1). Das könnte daran
liegen, dass die Längsströmung an der Messstelle einem viel längeren
Vegetationsbestand ausgesetzt ist als die Querströmung (CARUS et al. 2016).
Signifikante
Wellenhöhe[m]
99.Quantil
(Maximum)
75.Quantil50.Quantil
(Median)
Arithmetisches
Mittel
Standard‐
abweichung
Hollerwettern
Frühjahr2016 0.25 0.13 0.09 0.10 0. 05
Sommer2016 0. 23 0.12 0.09 0.10 0.05
Herb st2016 0.28 0.12 0.08 0.09 0. 05
Winter2016/2017 0.46 0.19 0.13 0.15 0.10
Krautsand
Frühjahr2016 0.18 0.12 0.09 0.10 0. 04
Sommer2016 0. 17 0.11 0.09 0.09 0.03
Herb st2016 0.15 0.11 0.08 0.09 0. 03
Winter2016/2017 0.62 0.18 0.10 0.15 0.13
Balje
Frühjahr2016 0.30 0.13 0.08 0.10 0. 06
Sommer2016 0. 29 0.14 0.10 0.11 0.06
Herb st2016 0.24 0.11 0.07 0.09 0. 05
Winter2016/2017 0.38 0.17 0.12 0.14 0.08
Längströmung[m/s]
Hollerwettern
Sommer2016 0. 07 0.01 0.01 0.01 0.01
Winter2016/2017 0.23 0.08 0.04 0.06 0.05
Frühjahr2017 0.18 0.09 0.05 0.06 0. 04
Querströmung[m/s]
Hollerwettern
Sommer2016 0. 06 0.02 0.01 0.01 0.01
Winter2016/2017 0.07 0.02 0.01 0.02 0.02
Frühjahr2017 0.10 0.02 0.01 0.02 0. 02
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Abb. 4: Normalisierte mittlere Strömungsgeschwindigkeiten (links: Längsströmung, rechts:
Querströmung), oben: die gemessene Strömungsreduktion im Projekt KLIWAS 3.09 (C
ARUS
et al.
2016) im April (weiß) und August 2013 (schwarz). Unten: die gemessene Strömungsreduktion im
Projekt tibass (S
CHOUTENS
et al. 2019) im Februar und August 2016
Die Reduktion der Wellenhöhe in den ersten 10 m der Vegetation ist in der Pionierzone im
Winter jedoch deutlich geringer als im Sommer (Abb. 5 und S
CHOUTENS
et al. 2018). Das
Schilf hingegen, welches häufig höher (im Bereich der MThw-Linie) wächst, behält seine
Wellenreduktionsleistung im Winter, da seine oberirdische Biomasse größtenteils
bestehen bleibt.
Abb. 5: Vergleich der Wellenreduktion durch
Röhrichte im Sommer und Winter. Die Distanz
der Messsensoren beträgt 10 m. Messzeitraum:
Pionierzone aus Strandsimse: Sommer 2016 und
2017, Winter 2015/2016, Schilfröhricht: Winter
2017/2018
5. Anpassung der Pflanzenmorphologie an die hydrodynamische Belastung
Die Meer-Strandsimse, eine der Röhrichtarten, die direkt an der Vegetationskante an
naturnahen Ufern der Tideelbe wächst, zeigt zwei verschiedene Wuchsformen auf (C
ARUS
et al. 2016): dicke Stängel direkt an der Vegetationskante und dünnere 15 m weiter im
Vegetationsbestand (Abb. 5). Biomechanische Untersuchungen zeigten, dass die Pflanzen
an der Vegetationskante stabiler sind als die innerhalb des Vegetationsbestandes. Hier
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besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Strömungsgeschwindigkeit und der
Stabilität der Meer-Strandsimsen am Rand der Vegetation (CARUS & SCHRÖDER 2013).
Ein ähnlicher Zusammenhang konnte auch auf Grundlage von Wellenhöhen für die
Strandsimse an der Schelde nachgewiesen werden (SILINSKI et al. 2017).
Abb. 5: Unterschiedliche Stängeldurchmesser der Meer-Strandsimse (links: direkt an der
Vegetationskante, rechts: im Vegetationsbestand. Mitte: Messungen des Stängeldurchmessers und
der Maximalkraft vor Bruchversagen, n= 96, Fotos: J. Carus
6. Ingenieurbiologisches In-situ-Experiment auf der freien Wattfläche
Mit dem zweijährigen ingenieurbiologischen In-situ-Experiment möchte das Projektteam
die Frage beantworten, welchen Einfluss die Wellen auf das Wachstum und die
Etablierung der Röhrichte nehmen. Bei dem Experiment werden auf drei
unterschiedlichen Geländehöhen wellenexponierte Röhrichte mit durch Faschinen
wellengeschützten Röhrichten in ihrem Wachstum und in ihrer Entwicklung verglichen
(siehe Abb. 6).
Abb. 6: Die zwei niedrigsten Einheiten des Experiments bei 0.4 normalisierter Geländehöhe
(0=MTnw, 1=MThw). Wellenexponierte Röhrichte sind im Vordergrund und durch Faschinen
wellengeschützte Röhrichte im Hintergrund zu sehen. Foto: K. Schoutens
Neben der Pflanzenhöhe werden die eingehenden Wellen (kontinuierlich, 8 Hz), die
Strömungen (kontinuierlich, 4 Hz) und die Sedimentdynamik (täglich) gemessen. Das
Experiment läuft bis Ende der Vegetationsperiode 2019. Zwischenergebnisse werden
zurzeit ausgewertet.
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7. Zusammenfassung und Ausblick
Für naturnahe, von Sedimentation geprägte, Ufer wissen wir nun, welche
hydrodynamischen Belastungsgrößen über das Jahr hinweg wirken (vgl. PETERS et al.
2016 für schiffsinduzierte Belastungen im Sommer). Wir können für diese Ufer die
Strömungs- und Wellenreduktionsleistung der Vegetation über das Jahr quantifizieren und
konnten nachweisen, dass Röhrichte die Fähigkeit besitzen, sich in ihrer Morphologie auf
den Wattflächen den hydrodynamischen Belastungen anzupassen. Wo hier die Grenzen
ihres Wachstum sind, wird derzeit mit einem Transplantationsexperiment untersucht.
Die Betrachtung der topographischen Uferbeschaffenheit ist wichtig, um die
unterschiedlichen hydrodynamischen Belastungen und die damit einhergehenden
Sedimentations- und Erosionsprozesse am Ufer zu verstehen (SCHRÖDER et al. 2018).
Zum Beispiel scheint zunächst die maximale Wellenhöhe im Winter an der hoch
gelegenen Vegetationskante von Krautsand im Vergleich zu den anderen tibass-
Standorten verwunderlich (Tab. 1). Wird die Ufertopographie in der Interpretation
miteinbezogen, ist die konkave Uferform häufig ein Beleg und Resultat einer höheren
Wellenenergie (vgl. BEARMAN et al. 2010). Auch können Sedimentations- und
Erosionsprozesse am Ufer im Gleichgewicht stehen, wo sich ein Pionierröhricht vor einer
alten Abbruchkante ausgebreitet hat (siehe Abb. 7).
Offen bleibt, welche hydrodynamischen Belastungen an kontinuierlich erodierten Ufern
über das Jahr wirken und welche ingenieurbiologischen Maßnahmen sich eignen bzw.
welche Bedingungen die Standortfaktoren aufweisen müssen, um eine fortschreitende
Erosion an schiffsbelasteten Ufern zu stoppen.
Die dynamischen Lebensräume der
Ästuare versucht der Mensch mit Millionen
Euro zu beherrschen und doch scheitert er
häufig. Das aufwendige Sediment-
management der Ästuare und der
Klimawandel machen dem Menschen
dieses bewusst. Das angestrebte Ziel für
2027 ein gutes ökologisches Potenzial für
die Ästuare zu erreichen, kann nicht nur als
ein weiteres lästiges Regulativ, sondern
auch als Chance für die Gesellschaft und
ihren legitimen Nutzungen, also auch für
die Schifffahrt gesehen werden. Durch die
grenz- und behördenübergreifende Um-
setzung der WRRL können wir unter
Hinzunahme des lokalen Wissens neue
Wege beschreiten und Methoden
entwickeln, die für Mensch und Natur eine
nachhaltige kosteneffiziente Win-win-
Situation herbeiführen.
Abb. 7: Resilienz eines Ufers. Die Meer-
Strandsimse hat sich vor einer alten
Abbruchkante angesiedelt. Foto: M. Heuner
8. Danksagung
Wir danken dem WSA Hamburg und seinen Außenbezirken bei der Unterstützung der
Projekte und besonders für den Bau der Faschinen für das ingenieurbiologische
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Experiment. Des Weiteren danken wir von der Uni Oldenburg Tilla Schulte-Ostermann und
Vanessa Minden sowie Elmar Fuchs, BfG, für die inspirierende Zusammenarbeit im tibass-
Team und Volker Hüsing für die anregende Diskussion zur Umsetzung der WRRL.
9. Literatur
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