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6ERLAG7+OHLHAMMER
*AHRGANG (EFT 3EITEN $/)
9+10 402-408 10.17433/9.2019.50153733.402-408
Flächenpotenziale und Entwicklungskonzepte zur Realisierung
des 2 %-Wildnisziels in Naturparken in Deutschland
Sebastian Brackhane, Jörg Liesen, Maike Bieber, Jochen Godt, Nicolas Schoof, Gert Rosenthal und Albert Reif
Die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) der
Bundesrepublik Deutschland hat das Ziel, bis zum Jahr
2020 auf 2% der terrestrischen Bundesfläche
Wildnisgebiete auszuweisen. Naturparke können mit ihrer
Infrastruktur und ihren lokalen Netzwerken eine wichtige
Rolle bei der Realisierung und dem Management von
Wildnis spielen. In der vorliegenden Studie wurden im
Rahmen eines Forschungs- und Entwicklungsvorhabens die
Naturparkpotenziale für Wildnisgebiete im Sinne der NBS
(Flächen ≥ 1000ha) identifiziert und um eine Suchkulisse für
große Prozessschutzflächen in Wäldern (≥ 100 ha) ergänzt.
Insgesamt wurde in den Naturparken ein Potenzial für
Wildnisgebiete von 463076 ha ermittelt, was rund 1,3% der
terrestrischen Bundesfläche entspricht. Potenzielle
Wildnisgebiete sind in den 13 Bundesländern, die
Potenzialflächen enthalten, regional heterogen verteilt.
Allerdings reduzieren die vorherrschenden
Eigentumsverhältnisse den tatsächlich realisierbaren
Flächenpool. In dieser schwierigen sozioökonomischen und
politischen Gemengelage können Naturparkträger eine
Schlüsselrolle als Ideengeber und Vermittler bei der
nachhaltigen Entwicklung von Wildnis einnehmen.
Germany's National Biodiversity Strategy (NBS) aims to
implement wilderness areas on 2% of its terrestrial territory
by 2020. Nature park administrations can play a crucial role
in realising this goal thanks to their extensive infrastructure
and local stakeholder networks. In our study, we identified
potential wilderness areas (area size ≥ 1000 ha) in nature
parks and elaborated another scenario for strictly protected
forest reserves (≥ 100ha). Overall, potential wilderness
areas in nature parks were found to total 463,076 ha, which
equals 1.3% of Germany's terrestrial territory. The potential
for wilderness, however, is distributed heterogeneously
among 13 federal states and landscapes, and may be
limited by land ownership. Hence, integrating all the
relevant stakeholders into an implementation regime will be
crucial to attain the German wilderness goals. Nature park
administrations, serving as
'regional managers', can play a key role in this context.
The 2% wilderness target in Germany: Potential areas and
development concepts for implementation in nature parks
© 2019 W. Kohlhammer, Stuttgart
402 — 94. Jahrgang (2019) — Heft 9/10
1 Einleitung
Die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) der Bundes-
republik Deutschland hat das Ziel, bis zum Jahr2020 auf 2 % der
terrestrischen Bundesfläche Wildnisgebiete zu realisieren (2 %-Ziel,
BMU 2007). Wildnisgebiete im Sinne der NBS sind mindestens
1 000 ha große, „(weitgehend) unzerschnittene, nutzungsfreie Ge-
biete, die dazu dienen, einen vom Menschen unbeeinflussten Ab-
lauf natürlicher Prozesse dauerhaft zu gewährleisten“ (Finck et al.
2013). Bei Wildnisgebietstypen mit erheblichen Anteilen azonaler
Vegetationseinheiten wie Mooren oder Auen sowie beim Vorhan-
densein besonderer naturräumlicher, eigentumsrechtlicher oder
schutzgebietsspezifischer Gründe in Wäldern, ehemaligen Militär-
gebieten oder Bergbaufolgelandschaften können auch Flächen mit
einer Größe von 500 – 1 000 ha als Wildnisgebiete im Sinne der NBS
eingestuft werden (BMU, BfN 2018). Da eine ursprüngliche, vom
Menschen weitestgehend unberührte Natur in Deutschland– wenn
überhaupt– nur noch in den Alpen zu finden ist (Rosenthal et al.
2015), zielt die NBS auch auf die Entwicklung sekundärer Wildnis-
gebiete in vormalig genutzten Wäldern, Bergbaufolgelandschaften
und auf ehemaligen Truppenübungsplätzen ab (Schumacher et al.
2018).
Die von der Europäischen Kommission empfohlenen Min-
destgrößen für Wildnisgebiete von 3 000 ha, vorzugsweise sogar
10 000 ha (Aykroyd, Stanciu 2013), gehen über die oben genann-
ten Mindestgrößen hinaus. Dabei ist die Ausweisung von Groß-
schutzgebieten wie z. B. von Nationalparken in dicht besiedelten
Ländern wie der Bundesrepublik Deutschland oft schwierig und
der zur Verfügung stehende Flächenpool durch eine Vielzahl von
Faktoren limitiert. Zwar wurde von Rosenthal et al. (2015) ein
ausreichend großes Flächenpotenzial für Wildnis(entwicklungs)-
gebiete von 3,5 % der terrestrischen Bundesfläche identifiziert, al-
lerdings sind hier einschränkende Faktoren wie Besitzverhältnisse
und dem Prozessschutz widersprechende Naturschutzziele noch
nicht berücksichtigt. Wildnisgebiete sollen v. a. auf Flächen in
Staats- und Stiftungsbesitz bzw. auf Nationalen Naturerbe-Flächen
realisiert werden (BMU, BfN 2018). Auch sind bereits bestehende
Schutzgebiete, in denen Lebensräume durch Pflegemaßnahmen er-
Flächenpotenziale und Entwicklungskonzepte
zur Realisierung des 2 %-Wildnisziels
in Naturparken in Deutschland
The 2 % wilderness target in Germany:
Potential areas and development concepts for implementation in nature parks
Sebastian Brackhane, Jörg Liesen, Maike Bieber, Jochen Godt,
Nicolas Schoof, Gert Rosenthal und Albert Reif
Zusammenfassung
Die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) der Bundesrepublik Deutschland hat das Ziel, bis zum Jahr2020 auf 2 % der terre-
strischen Bundesfläche Wildnisgebiete auszuweisen. Naturparke können mit ihrer Infrastruktur und ihren lokalen Netzwerken eine wichtige
Rolle bei der Realisierung und dem Management von Wildnis spielen. In der vorliegenden Studie wurden im Rahmen eines Forschungs- und
Entwicklungsvorhabens die Naturparkpotenziale für Wildnisgebiete im Sinne der NBS (Flächen ≥ 1 000 ha) identifiziert und um eine Suchkulisse für
große Prozessschutzflächen in Wäldern (≥ 100 ha) ergänzt. Insgesamt wurde in den Naturparken ein Potenzial für Wildnisgebiete von 463 076 ha
ermittelt, was rund 1,3 % der terrestrischen Bundesfläche entspricht. Potenzielle Wildnisgebiete sind in den 13Bundesländern, die Potenzial -
flächen enthalten, regional heterogen verteilt. Allerdings reduzieren die vorherrschenden Eigentumsverhältnisse den tatsächlich realisierbaren
Flächenpool. In dieser schwierigen sozioökonomischen und politischen Gemengelage können Naturparkträger eine Schlüsselrolle als Ideengeber
und Vermittler bei der nachhaltigen Entwicklung von Wildnis einnehmen.
2 %-Wildnisziel – Wildnisgebiet – Wildnispotenzial – Naturpark– Prozessschutzfläche
Abstract
Germany's National Biodiversity Strategy (NBS) aims to implement wilderness areas on 2 % of its terrestrial territory by 2020. Nature park
administrations can play a crucial role in realising this goal thanks to their extensive infrastructure and local stakeholder networks. In our study,
we identified potential wilderness areas (area size ≥ 1 000 ha) in nature parks and elaborated another scenario for strictly protected forest reserves
(≥ 100 ha). Overall, potential wilderness areas in nature parks were found to total 463,076 ha, which equals 1.3 % of Germany’s terrestrial territory.
The potential for wilderness, however, is distributed heterogeneously among 13federal states and landscapes, and may be limited by land
ownership. Hence, integrating all the relevant stakeholders into an implementation regime will be crucial to attain the German wilderness goals.
Nature park administrations, serving as ‘regional managers’, can play a key role in this context.
2 % wilderness target – Wilderness area – Wilderness potential – Nature park – Process protection area
Manuskripteinreichung: 18. 2. 2019, Annahme: 5. 6. 2019 DOI: 10.17433/9.2019.50153733.402-408
Aufsatz • Original manuscript
© 2019 W. Kohlhammer, Stuttgart
— 94. Jahrgang (2019) — Heft 9/10 403
Flächenpotenziale und Entwicklungskonzepte zur Realisierung des 2 %-Wildnisziels in Naturparken
halten werden sollen oder aufgrund gesetzlicher Vorgaben erhalten
werden müssen (z. B. nutzungsabhängige FFH-Lebensraumtypen),
in der Regel nicht wildnistauglich. Des Weiteren sinkt die Akzep-
tanz bei der Entwicklung von Großschutzgebieten und speziell von
großflächigen Prozessschutzflächen oft mit zunehmender Nähe
zum Gebiet (Job et al. 2013; von Ruschkowski, Nienaber 2016). Die
Umsetzung des 2 %-Wildnisziels erfordert daher, neben einem Pool
an geeigneten Potenzialflächen, auch eine institutionelle Beglei-
tung, um durch die Einbindung aller relevanten Akteurinnen und
Akteure Konflikten möglichst vorzugreifen und die lang fristige
Betreuung der Wildnisgebiete gewährleisten zu können.
In einem durch das BfN und das Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) von 2016 bis 2018 ge-
förderten Forschungs- und Entwicklungsvorhaben (F + E-Vorhaben)
„Naturparkpotenziale zur Entwicklung von Wildnisgebieten und
großen Prozessschutzflächen“ wurde der Frage nachgegangen, wel-
che Flächenpotenziale in Naturparken zum Erreichen des 2 %-Ziels
vorhanden sind und welche Rolle Naturparke, die häufig über lang-
jährig gewachsene Netzwerke und Fachwissen in der Region ver-
fügen, bei der Etablierung und beim späteren Management dieser
Gebiete einnehmen können (Weber, Weber 2014). Der vorliegende
Beitrag stellt Ergebnisse dieses F +E- Vorhabens vor, das von den
Universitäten Freiburg i. Br. (Professur für Standorts- und Vegeta-
tionskunde), der Universität Kassel (Fachgebiet Landschafts- und
Vegetationsökologie) und dem Verband Deutscher Naturparke e. V.
(VDN) bearbeitet wurde. Der Beitrag gibt auf nationaler Ebene
einen Überblick über vorhandene Flächenpotenziale in Natur-
parken und skizziert die mögliche Rolle von Naturparken bei der
Entwicklung von Wildnisgebieten. Konkrete Empfehlungen zur
Realisierung von Wildnis auf lokaler und regionaler Ebene wurden
in einem Handlungsleitfaden bereits veröffentlicht (vgl. VDN et al.
2018).
2 Ausgangslage:
Naturparke und Wildnis in Deutschland
Bei den derzeit 105Naturparken in Deutschland, die rund 28 %
der Bundesfläche einnehmen und durch historisch gewachsene
Kulturlandschaften geprägt sind, stand der Wildnisaspekt bisher
nicht im Fokus, wird aber zunehmend diskutiert (Krämer, Deckert
2016; Heiland et al. 2016; Jedicke, Liesen 2017). Das vorangegan-
gene F + E-Vorhaben „Umsetzung des 2 %-Ziels für Wildnisgebiete
aus der nationalen Biodiversitätsstrategie“ (2012 – 2014) offenbarte
bundesweit– abseits realpolitischer Beschränkungen– ein hohes
Flächenpotenzial für Wildnisgebiete in Naturparken (Rosenthal
et al. 2015). Im folgenden Vorhaben von 2016 bis 2018 wurden die
Potenziale für mögliche Wildnisgebiete (≥ 1 000 ha bzw. ≥ 500 ha)
und sogenannte „große Prozessschutzflächen“ (≥ 100 ha – 1 000 ha)
mit Hilfe einer Flächenanalyse und Umfrage bei den Naturpark-
verwaltungen erfasst und diese in 10Fallbeispielregionen nach na-
turschutzfachlichen Kriterien und Realisierungsaspekten beurteilt.
Ebenso wurden die Möglichkeiten und Potenziale der Förderung
von Wildnispädagogik untersucht und dargestellt sowie in einem
Handlungsleitfaden veröffentlicht (VDN et al. 2018).
Die im Projekt zusätzlich evaluierten „großen Prozessschutz-
flächen“ (≥ 100 ha – 1 000 ha) stellen dabei keine neue Gebiets-
kategorie dar. Die Hinzunahme kleinerer Flächen war sinnvoll,
weil die Naturparke zumindest während der Projektphase nicht
immer über kurzfristig (bis 2020) realisierbare, ausreichend gro-
ße Potenzialflächen von mindestens 1 000 ha im Wald bzw. 500 ha
z. B. in Moorgebieten verfügten, aber dennoch gerne an dem Pro-
jekt teilnehmen wollten. Große Prozessschutzflächen sind als nut-
zungsfreie Waldflächen dem weiteren NBS-Ziel einer natürlichen
Wald entwicklung auf 5 % der Waldfläche („NWE5-Ziel“) zuzuord-
nen (vgl. Wildmann et al. 2014), welches kleinere Mindestgrößen
ab 0,3 ha umfasst. Diese Flächen könnten in Zukunft durch die
Arrondierung über benachbarte Flächen zu einem Wildnisgebiet
im Sinne der NBS entwickelt werden. Im Folgenden wird schwer-
punktmäßig auf die Identifikation und Realisierung von Flächen-
potenzialen in Naturparken eingegangen.
3 Methodik zur Analyse von Flächenpotenzialen
Zur Analyse des Wildnispotenzials in Naturparken wurde der
Geodatensatz der nationalen Potenzialkulisse für Wildnisgebie-
te (s. Rosenthal et al. 2015) unter Bezugnahme auf die räumliche
Ausdehnung der Naturparke ausgewertet. Die Suchkulisse für
große Prozessschutzflächen (≥ 100 ha) in Waldgebieten wurde auf
Grundlage des Digitalen Landschaftsmodells 1 : 250 000 (DLM 250)
erstellt (Bundesamt für Kartographie und Geodäsie 2016), wobei
die Methodik der Landschaftsanalyse– unter Anpassung an die ge-
ringere Mindestgröße großer Prozessschutzflächen– an Rosenthal
et al. (2015) angelehnt wurde. Auf ein Kriterium „Naturnähe“ wie
bei Rosenthal et al. (2015) wurde in der Suchkulisse für große
Prozessschutzflächen verzichtet, da auch Flächen mit einer natur-
fernen Vegetationsbedeckung (z. B. standortsfremde Fichten- oder
Kiefernforste) prinzipiell Wildnisgebiet im Sinne der NBS werden
können. Sollten einer für die Realisierung potenzieller Wildnis-
gebiete verantwortlichen Institution mehrere Flächen als Optionen
zur Verfügung stehen, ist eine naturschutzfachliche Analyse, z. B.
zur Ermittlung der Naturnähe, auf lokaler Ebene mit verbesserter
Datengrundlage sinnvoll (VDN et al. 2018), da die effektiven Poten-
ziale für Wildnisgebiete auf nationaler Ebene nicht flächenscharf
ermittelt werden können.
Um die Potenziale für die Vernetzung potenzieller Wildnis-
gebiete zu identifizieren, wurde der Geodatensatz der „National
bedeutsamen Achsen/Korridore der Waldlebensräume“ des Bun-
deskonzepts der Grünen Infrastruktur (BKGI) als Indikator genutzt
(Hänel 2007; Hänel, Reck 2011; Heiland et al. 2018). Auch wenn
die Konnektivität zwischen zwei oder mehreren potenziellen Wild-
nisgebieten zunächst nicht zwingend notwendig für deren Imple-
mentierung ist, sind Konzepte für die zukünftige Vernetzung von
Wildnisgebieten durchaus sinnvoll, u. a. zur Gewährleistung des
genetischen Austauschs von auf natürliche Prozesse angewiesenen
oder von natürlichen Prozessen profitierenden, seltenen Arten. Um
des Weiteren abschätzen zu können, inwiefern dem Prozessschutz
dienliche oder entgegenstehende Ziele anderer Schutzgebiets-
kategorien (Nationalpark, Biosphärenreservat, FFH-Gebiet, Natur-
schutzgebiet) oder sich aus unterschiedlichen Besitzverhältnissen
ergebende Ziele das Potenzial für Wildnisgebiete einschränken,
wurden die Flächenkulissen entsprechend abgeglichen. Informa-
tionen über Waldbesitzstrukturen standen nur in den Naturparken
Schwarzwald Mitte/Nord und Südschwarzwald zur Verfügung.
4 Flächenpotenziale
für Wildnisgebiete in Naturparken
Die identifizierte Fläche potenzieller Wildnisgebiete in Naturparken
Deutschlands beträgt insgesamt 463 076 ha und verteilt sich auf
302Einzelflächen in 79Naturparken in 13Bundesländern (Abb. 1,
S. 404; Tab., S. 405). Sie nimmt einen Anteil von 1,3 % der terrest-
rischen Bundesfläche ein. Die Potenzialfläche für Wildnisgebiete
in Naturparken kommt somit auf einen Anteil von 37 % an der
nationalen Gebietskulisse potenzieller Wildnisgebiete (1 256 196 ha
nach Rosenthal et al. 2015). Den größten Anteil an der Gebietskulisse
der Wildnisgebiete in den Naturparken haben bewaldete Gebiete
(81,7 %), gefolgt von ehemaligen Militärflächen (9,0 %), Auen (4,9 %),
Mooren (3,8 %) und Bergbaufolgelandschaften (0,6 %), die– obwohl
zum Teil bewaldet– im Sinne der NBS getrennt bilanziert wurden.
Relativ zur Landesfläche hat Thüringen den höchsten Anteil po-
tenzieller Wildnisgebiete (2,6 %) in Naturparken. Die Naturparke
Schleswig-Holsteins verfügen über keine terrestrischen, ausreichend
großen potenziellen Wildnisgebiete (Tab., S. 405).
© 2019 W. Kohlhammer, Stuttgart
404 — 94. Jahrgang (2019) — Heft 9/10
Flächenpotenziale und Entwicklungskonzepte zur Realisierung des 2 %-Wildnisziels in Naturparken
0100 20050 km
Dänemark
Niederlande
Belgien
Luxemburg
Frankreich
Schweiz
Österreich
Tschechien
Polen
Potenziale für Wildnisgebiete und große Prozessschutzflächen in Naturparken
Wald
Ehemaliger Truppenübungsplatz
Moor
Aue
Bergbaufolgelandschaft
Große Prozessschutzfläche
National bedeutsame Achsen/Korridore der Waldlebensräume
Naturpark
±
Abb. 1: Karte potenzieller Wildnisgebiete (nach Wildnisgebietstyp) und großer Prozessschutzflächen in den Naturparken Deutschlands.
Die Suchkulisse für potenzielle Wildnisgebiete und große Prozessschutzflächen berücksichtigt explizit nicht die Eigentums-
verhältnisse und wurde nicht mit den Bundesländern abgestimmt. Sie erlaubt daher keine konkreten Rückschlüsse auf die
tatsächliche Umsetzbarkeit bzw. spätere Umsetzung einzelner Gebiete.
Fig. 1: Map of potential wilderness areas (according to wilderness type) and large process protection areas in German nature parks. The search
for potential wilderness areas and large process protection areas explicitly did not take ownership into account and was not coordinated
with the German federal states. Therefore, it does not allow any concrete conclusions to be drawn about the actual feasibility or subsequent
implementation of individual areas.
© 2019 W. Kohlhammer, Stuttgart
— 94. Jahrgang (2019) — Heft 9/10 405
Flächenpotenziale und Entwicklungskonzepte zur Realisierung des 2 %-Wildnisziels in Naturparken Flächenpotenziale und Entwicklungskonzepte zur Realisierung des 2 %-Wildnisziels in Naturparken
Potenzielle große Prozessschutzflächen (≥ 100 ha) in Naturparken
nehmen– ohne Überlappungen mit den potenziellen Wildnisgebie-
ten– eine Fläche von 2 741 121 ha ein, verteilen sich auf 5 242Ein-
zelflächen und kommen in allen 105Naturparken vor. Der Anteil
der Gebietskulisse großer Prozessschutzflächen in Naturparken an
der terrestrischen Bundesfläche beträgt 7,7 % und der Anteil an
der Waldfläche Deutschlands 24 %. Insgesamt liegen 87(84 %) der
105Naturparke auf den Achsen des Netzes der naturnahen Wald-
lebensräume (Abb. 1). Innerhalb dieser Naturparke liegen 202po-
tenzielle Wildnisgebiete (66 % der potenziellen Wildnisgebiete in
der Naturparkkulisse) auf den Achsen des Netzes der naturnahen
Waldlebensräume. Potenzielle Wildnisgebiete in Naturparken über-
lagern sich zu 33,9 % mit Fauna-Flora-Habitat-Gebieten, zu 17,5 %
mit Naturschutzgebieten (NSG), zu 6,3 % mit Nationalparken und
zu 4,9 % mit Biosphärenreservaten. Sollen Wildnisgebiete nur auf
Flächen in Staatsbesitz realisiert werden, würde sich die effektiv zur
Verfügung stehende Fläche stark verringern,
beispielsweise im Fall der beiden Natur parke
des Schwarzwalds um 64 %.
5 Die mögliche Rolle
der Naturparke
bei der Umsetzung
Naturparke verfügen relativ zu ihrer Ge-
samtfläche über überproportional viele
Potenzialflächen für Wildnisgebiete nach
Rosenthal et al. (2015). Der dort tatsächlich
realisierbare Flächenpool reicht alleine aber
oft nicht aus, um das 2 %-Wildnisziel der
NBS zu erreichen, denn ungünstige Eigen-
tumsverhältnisse (z. B. Privatbesitz) und mit
Wildnis nicht kompatible Landnutzungen
(z. B. Windkraftanlagen) reduzieren den
umsetzbaren Flächenpool (nicht nur) in
den Naturparken deutlich. Um dem 2 %-
Wildnisziel näher zu kommen, müsste die
Suchkulisse der großen Prozessschutzflä-
chen (≥ 100 ha) mitberücksichtigt werden,
auch wenn diese aufgrund ihrer zu geringen
Größe definitionsgemäß aktuell nicht zum
2 %-Wildnisziel beitragen können. Hier kommt der Raum-Zeit-
Faktor zum Tragen, der bei der Entwicklung von Wildnisgebieten
in Deutschland eine zentrale Rolle spielt. Ein Pool mehrerer klei-
nerer Teilflächen eines Potenzialgebiets kann in Zukunft durch
Flächentausch oder Zukauf von Flurstücken zu einem Wildnisge-
biet arrondiert werden. Um entsprechende Vorhaben finanziell zu
unterstützen, wurde von der Bundesregierung ein Wildnisfonds
eingerichtet (CDU, CSU, SPD 2018).
Im F + E-Vorhaben wurde eine Methode zur Raumanalyse ent-
wickelt, mit der die Umsetzung eines Projekts zur Entwicklung
eines Wildnisgebiets im Sinne der NBS geplant werden kann
(VDN et al. 2018). In drei Analyseschritten soll der Raumwider-
stand von Flächenarealen gegenüber den Wildniszielen ermittelt
werden (Abb. 2). Prüfkriterien sind hierbei Raumordnungsbelan-
ge (Prüfschritt1), Eigentumsverhältnisse (Prüfschritt2) und das
Vorhandensein von Schutzgebieten (Prüfschritt3), da diese dem
Tab.: Anzahl von Naturparken und Flächenpotenzial für Wildnisgebiete (insgesamt und nach Wildnisgebietstyp) sowie für große
Prozessschutzflächen in 14 Bundesländern.
Table: Number of nature parks and extent of potential wilderness areas (total and by wilderness type) and of large process protection areas in
14federal states of Germany.
Bundesland
Naturparke
(Anzahl)
Fläche potenzieller
Wildnisgebiete in ha
(% terrestrische Landesfläche)
Wildnisgebietstyp (ha)
Wald
Ehemalige
Militärflächen Moor Aue
Bergbau-
folgelandschaft
Potenzielle große
Prozessschutzflächen
in ha (% terrestrische
Landesfläche)
Baden-Württemberg 864 319 (1,8) 64 319 0 0 0 0 409 443 (11,5)
Bayern 19 82 169 (1,2) 81 821 0 0 348 0 653 596 (9,3)
Brandenburg/Berlin 11 60 753 (2,0) 19 684 29 181 1 546 7 498 2 844 214 391 (7,0)
Hessen 11 36 612 (1,7) 29 354 2 859 04 399 0264 650 (12,5)
Mecklenburg-Vorpommern 725 066 (1,1) 10 349 5 182 8 950 585 0 58 208 (2,5)
Niedersachsen 14 58 323 (1,2) 46 213 56 12 054 0 0 219 338 (4,6)
Nordrhein-Westfalen 12 45 780 (1,3) 43 794 1 986 0 0 0 320 959 (9,4)
Rheinland-Pfalz 821 420 (1,1) 21 416 0 0 4 0 229 863 (11,6)
Saarland 11 359 (0,5) 1 359 0 0 0 0 19 043 (7,4)
Sachsen 34 989 (0,3) 4 988 0 0 1 0 72 394 (3,9)
Sachsen-Anhalt 620 866 (1,0) 15 649 367 0 4 850 0 114 964 (5,6)
Schleswig-Holstein 6 — (0,0) 0 0 0 0 0 21 733 (1,4)
Thüringen 541 420 (2,6) 39 158 2 262 0 0 0 142 539 (8,8)
Deutschland 105 463 076 (1,3) 378 104 41 893 22 550
17 685
2 844 2 741 121 (7,7)
Prüfschritt 1 Prüfschritt 2 Prüfschritt 3
Auswertung der
Regionalen
Raumordnungs-
programme/
-pläne
Liegen-
schaften
Flächen
ohne
Schutz-
status
Rechtlicher Schutzstatus vorhanden
Geeignet
für
Prozess-
schutz
Im Einzelfall
zu prüfen
Ungeeignet
für Prozess-
schutz
Konfliktfrei
Öffentlich + I I (II) III
Privat - (III) (II) (III) IV
Abzuwägen
Öffentlich + (II) (II) (II) IV
Privat - (III) (II) (III) IV
Konfliktär
Öffentlich + III III IV IV
Privat - IV (III) IV IV
Erläuterung: I – keine; II – geringe; III – mittlere; IV – hohe Konfliktintensität; ( ) – Einstufung
unter Vorbehalt der Abwägung/Einzelfallprüfung
Abb. 2: Beispiel einer schrittweisen Ermittlung der Konfliktintensität (I – IV) für Teilflächen
eines potenziellen Wildnisgebiets.
Fig. 2: Example of stepwise evaluation of conflict intensity (I – IV) in subareas of a potential
wilderness area.
© 2019 W. Kohlhammer, Stuttgart
406 — 94. Jahrgang (2019) — Heft 9/10
Flächenpotenziale und Entwicklungskonzepte zur Realisierung des 2 %-Wildnisziels in Naturparken
Raumverträglichkeit: Konfliktintensität NSG Lutter
im Naturpark Südheide
Abgrenzung NSG Lutter
Konfliktintensität
I – keine
II – gering (Einzelfall)
II – gering (privat)
III – mittel
III – mittel (privat)
IV – hoch (privat)
Nicht bewertet – Landkreis Celle, ohne Biotopdaten
Nicht bewertet – befestigte Flächen
±
0 1 2 3 40,5 km
Abb. 3: Flächenhafte Darstellung der Konfliktintensität von Teilflächen im potenziellen Wildnisgebiet „NSG Lutter“ im Naturpark Süd-
heide.
Fig. 3: Spatial visualisation of conflict intensity in subareas of the ‘NSG Lutter’ potential wilderness area in the Südheide nature park.
© 2019 W. Kohlhammer, Stuttgart
— 94. Jahrgang (2019) — Heft 9/10 407
Flächenpotenziale und Entwicklungskonzepte zur Realisierung des 2 %-Wildnisziels in Naturparken Flächenpotenziale und Entwicklungskonzepte zur Realisierung des 2 %-Wildnisziels in Naturparken
Wildnisziel entgegenstehen könnten (s. Tab. A im
Online-Zusatzmaterial unter https://www.online.
natur-und-landschaft.de/zusatz/9_2019_A_Brack
hane). Konfliktäre Teilflächen eines Potenzialge-
biets sind z. B. solche, die landwirtschaftlich oder
durch Windkraftanlagen genutzt werden, sich in Privateigentum
befinden oder einen mit dem Prozessschutz inkompatiblen Schutz-
status haben, der die langfristige Pflege des Gebiets voraussetzt.
Der ermittelte flächenbezogene Raumwiderstand kann in Karten-
darstellungen sichtbar gemacht werden und stellt die planerische
Basis für eine sukzessive Entwicklung großer Prozessschutzflächen
bis zur Erreichung der Mindestflächengröße von Wildnisgebieten
im Sinne der NBS dar (Abb. 3). Auf diese Weise erhält man wich-
tige Hinweise darauf, wo sich Flächen befinden, die sich für eine
Arrondierung eignen (z. B. durch Ankauf), und welche Flächen
auch im zeitlichen Kontext kaum Chancen auf Realisierung von
Wildnis haben bzw. keinen sinnvollen Beitrag leisten können. Da
die Methode nicht auf Naturparke beschränkt ist, kann die Such-
kulisse für Wildnisgebiete inner- und außerhalb der Naturparke
erweitert werden.
Zur eigentlichen Rolle der Naturparke wurden sechs Naturpark-
verwaltungen der zehn Fallbeispielregionen zu den Themen Akzep-
tanz und Leistungsfähigkeit der Naturparkverwaltung befragt. Die
Antworten zeigten die potenzielle Stärke der Naturparke bei der
Akzeptanzherstellung durch gute Vernetzung in der Region und
Kenntnis der wichtigsten regionalen Akteurinnen und Akteure.
Die Schwächen zeigten sich in der oft geringen finanziellen und
personellen Ausstattung, die in den einzelnen Naturparken große
Unterschiede aufweist. Vor allem in diesem Punkt besteht Hand-
lungsbedarf. Letztlich hat die geringe Personaldecke Auswirkungen
auf die Möglichkeiten einer intensiveren Befassung mit dem Thema
„Wildnis“.
Insgesamt wurde deutlich, dass Naturparke eine Schlüssel-
funktion bei der Realisierung von Wildnisgebieten in ihrer
Region einnehmen können. Dabei sind folgende Faktoren von
großer Bedeutung, die bei der z. T. komplexen Umsetzung von
Wildnisstrategien genutzt werden können: Die Naturparkkulisse
in Deutschland deckt zwar einerseits touristisch attraktive Regio-
nen ab, umfasst aber auch Gebiete mit einer hohen naturschutz-
fachlichen Wertigkeit, darunter auch potenzielle Wildnisgebiete
in peripheren, wenig zerschnittenen Landschaften. Damit gren-
zen sich Naturparke zum Beispiel gegenüber städtischen Bal-
lungsräumen ab, die diese Potenziale in der Regel nicht haben.
Ein großer Vorteil in der Beteiligung von Naturparken ist, dass
die dort tätigen Personen häufig sehr gut mit den relevanten Ak-
teurinnen und Akteuren vernetzt sind: Es bestehen in der Regel
bewährte Kontakte etwa zu Naturschutzverwaltungen, Touris-
musverbänden und zur Land- und Forstwirtschaft, sowie zu Ak-
teurinnen und Akteuren der Regionalvermarktung. Im Bereich
der Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung/Bildung für nach-
haltige Entwicklung (BNE) sind sie selbst schon wichtige Ak-
teure. Da die Etablierung neuer Wildnisgebiete aber meist nicht
konfliktfrei mit anderen Nutzungsansprüchen abzuwickeln ist,
ist die genaue Kenntnis der relevanten Akteurinnen und Akteure
und ihrer Interessen unabdingbar. Naturparke können also eine
Vorreiterrolle einnehmen, indem sie nicht nur naturschutzfach-
liches Know-how bereitstellen, sondern auch Ideengeber und
Vermittler bei schwierigen sozioökonomischen und politischen
Gemengelagen sind. Naturparke genießen oft ein großes Ver-
trauen sowohl bei betroffenen Land- und Forstwirtinnen und
-wirten als auch bei den örtlichen Naturschutzverbänden. Schon
bei der Naturparkplanung könnten Wildnisziele durch partizi-
pative Prozesse in die Planwerke integriert und so die Akzeptanz
gefördert werden. Dies könnte u. a. auch dadurch gelingen, dass
die mit Wildnis verbundenen sektoralen Naturschutzziele mit
anderen Zielen, wie zum Beispiel Tourismus, Umweltbildung/
BNE und regionaler Wertschöpfung, integriert werden (VDN
et al. 2018).
6 Fazit und Ausblick
Naturparke eignen sich als weitgehend „neutrale“, gut vernetzte
Akteure für die nachhaltige Realisierung von Wildnisgebieten,
wenn grundlegende Voraussetzungen wie Flächenverfügbarkeit,
ausreichendes Personal und ausreichende Finanzmittel erfüllt sind.
Denn sie erstrecken sich über einen beträchtlichen Anteil der ter-
restrischen, ländlich geprägten Bundesfläche (28 %) und stellen da-
mit flächenmäßig die am weitesten verbreitete Großschutzgebiets-
kategorie dar. Sie verfügen oft über Strukturen, die für die nach-
haltige Entwicklung von Wildnisgebieten nötig sind (Weber 2013).
Dazu zählt nicht nur, Akzeptanz zu schaffen bei einer Konkreti-
sierung von Wildnisgebieten, sondern auch die Erarbeitung und
Begleitung von Strategien zur Öffentlichkeitsarbeit und Umwelt-
bildung (Mehnen et al. 2018).
Die Diskussionen der letzten Jahre haben gezeigt, dass das
Thema Wildnis in unserer Gesellschaft an Attraktivität gewonnen
hat, zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und lo-
kalen Stakeholdern aber weiterhin umstritten ist. Darauf müssen
sich Naturparke mit ihrer Aufgabenvielfalt und ihrem Fokus auf
Kulturlandschaften viel stärker einstellen als z. B. Nationalparke, die
Wildnisentwicklung per Definition zum Kern ihrer Aufgaben zäh-
len, staatlich getragen sind und i. d. R. über Flächenhoheit verfügen
(VDN et al. 2018; Jedicke, Liesen 2017).
Aufgrund ihrer Aufgaben, Strukturen und ihres Selbstverständ-
nisses wählen Naturparke daher einen kooperativen und kon-
sensorientierten Ansatz, wenn sie mit Flächeneigentümern wie
Landesforstverwaltungen, Bundesforsten, Bundesstiftungen, Na-
turschutzverbänden und anderen Stakeholdern im Hinblick auf
die Realisierung von Wildnis zusammenarbeiten. Die Naturparke
können dabei in Verbindung mit entsprechenden Partnern und
Akteurinnen und Akteuren vor Ort Aufgaben zur Etablierung von
großen Prozessschutzflächen und Wildnisgebieten übernehmen.
Dazu können die Sondierung von Flächenpotenzialen, naturschutz-
fachliche Analysen, Förderung von Wildnispädagogik und Öffent-
lichkeitsarbeit sowie auch das spätere Management von großen
Prozessschutzflächen und Wildnisgebieten gehören. Voraussetzung
für die Übernahme dieser und weiterer Aufgaben ist, dass die betref-
fenden Naturparke von Ländern und Regionen und ggf. auch vom
Bund finanziell (Stichwort: Wildnisfonds) und personell hierzu in
die Lage versetzt werden. Um zu erreichen, dass Naturparke stärker
als bisher zur Umsetzung der Wildnisziele der NBS beitragen, ist es
wichtig, die Naturparke in den Aktionsplan Schutzgebiete, den das
BMU zusammen mit den Bundesländern für deutsche Schutzgebie-
te entwickelt, adäquat zu integrieren (VDN et al. 2018).
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408 — 94. Jahrgang (2019) — Heft 9/10
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Sebastian Brackhane
Korrespondierender Autor
Albert Ludwigs-Universität Freiburg
Professur für Standorts- und Vegetationskunde
Tennenbacherstraße 4
79106 Freiburg i. Br.
E-Mail: sebastian.brackhane@felis.uni-freiburg.de
Der Autor hat das F + E-Vorhaben „Naturparkpotenziale
zur Entwicklung von Wildnisgebieten und großen Prozess-
schutzflächen“ koordiniert. Er hat Forstwissenschaften an
den Universitäten Freiburgi. Br., Toronto sowie Santiago
de Compostela studiert und promoviert derzeit zum The-
ma „Wildnisgebiete“ in Freiburgi. Br. Seit 2019 betreut er
die Naturerbeflächen der Deutschen Wildtier Stiftung.
Jörg Liesen
Verband Deutscher Naturparke e. V. (VDN)
Holbeinstraße 12
53175 Bonn
E-Mail: liesen@naturparke.de
Maike Bieber
Universität Kassel
FG Landschafts- und Vegetationsökologie
Gottschalkstraße 26 a
34127 Kassel
E-Mail: maike.bieber@gmx.de
Dr. Jochen Godt
Universität Kassel
FG Landschafts- und Vegetationsökologie
Gottschalkstraße 26 a
34127 Kassel
E-Mail: jogodt@uni-kassel.de
Nicolas Schoof
Albert Ludwigs-Universität Freiburg
Professur für Standorts- und Vegetationskunde
Tennenbacherstraße 4
79106 Freiburg i. Br.
E-Mail: nicolas.schoof@waldbau.uni-freiburg.de
Prof. Dr. Gert Rosenthal
Universität Kassel
FG Landschafts- und Vegetationsökologie
Gottschalkstraße 26 a
34127 Kassel
E-Mail: rosenthal@asl.uni-kassel.de
Prof. Dr. Dr. hc. Albert Reif
Albert Ludwigs-Universität Freiburg
Professur für Standorts- und Vegetationskunde
Tennenbacherstraße 4
79106 Freiburg i. Br.
E-Mail: albert.reif@waldbau.uni-freiburg.de
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© 2019 W. Kohlhammer, Stuttgart
1
— 94. Jahrgang (2019) — Heft 9/10 — Zusatzmaterial
Zusatzmaterial zu:
Flächenpotenziale und Entwicklungskonzepte
zur Realisierung des 2 %-Wildnisziels
in Naturparken in Deutschland
Supplement to:
The 2 % wilderness target in Germany:
Potential areas and development concepts for implementation in nature parks
Sebastian Brackhane, Jörg Liesen, Maike Bieber, Jochen Godt,
Nicolas Schoof, Gert Rosenthal und Albert Reif
Natur und Landschaft — 94. Jahrgang (2019) — Ausgabe9/10: 402 – 408
Aufsatz • Original manuscript
Dieses Zusatzmaterial ist nicht im Hauptartikel enthalten und online abrufbar unter
https://www.online.natur-und-landschaft.de/zusatz/9_2019_A_Brackhane
Zusammenfassung
Die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) der Bundesrepublik Deutschland hat das Ziel, bis zum Jahr2020 auf 2 % der terre-
strischen Bundesfläche Wildnisgebiete auszuweisen. Naturparke können mit ihrer Infrastruktur und ihren lokalen Netzwerken eine wichtige
Rolle bei der Realisierung und dem Management von Wildnis spielen. In der vorliegenden Studie wurden im Rahmen eines Forschungs- und
Entwicklungsvorhabens die Naturparkpotenziale für Wildnisgebiete im Sinne der NBS (Flächen ≥ 1 000 ha) identifiziert und um eine Suchkulisse für
große Prozessschutzflächen in Wäldern (≥ 100 ha) ergänzt. Insgesamt wurde in den Naturparken ein Potenzial für Wildnisgebiete von 463 076 ha
ermittelt, was rund 1,3 % der terrestrischen Bundesfläche entspricht. Potenzielle Wildnisgebiete sind in den 13Bundesländern, die Potenzial -
flächen enthalten, regional heterogen verteilt. Allerdings reduzieren die vorherrschenden Eigentumsverhältnisse den tatsächlich realisierbaren
Flächenpool. In dieser schwierigen sozioökonomischen und politischen Gemengelage können Naturparkträger eine Schlüsselrolle als Ideengeber
und Vermittler bei der nachhaltigen Entwicklung von Wildnis einnehmen.
2 %-Wildnisziel – Wildnisgebiet – Wildnispotenzial – Naturpark– Prozessschutzfläche
Abstract
Germany's National Biodiversity Strategy (NBS) aims to implement wilderness areas on 2 % of its terrestrial territory by 2020. Nature park
administrations can play a crucial role in realising this goal thanks to their extensive infrastructure and local stakeholder networks. In our study,
we identified potential wilderness areas (area size ≥ 1 000 ha) in nature parks and elaborated another scenario for strictly protected forest reserves
(≥ 100 ha). Overall, potential wilderness areas in nature parks were found to total 463,076 ha, which equals 1.3 % of Germany’s terrestrial territory.
The potential for wilderness, however, is distributed heterogeneously among 13federal states and landscapes, and may be limited by land
ownership. Hence, integrating all the relevant stakeholders into an implementation regime will be crucial to attain the German wilderness goals.
Nature park administrations, serving as ‘regional managers’, can play a key role in this context.
2 % wilderness target – Wilderness area – Wilderness potential – Nature park – Process protection area
Manuskripteinreichung: 18. 2. 2019, Annahme: 5. 6. 2019 DOI: 10.17433/9.2019.50153733.402-408
2
Flächenpotenziale und Entwicklungskonzepte zur Realisierung des 2 %-Wildnisziels in Naturparken
— 94. Jahrgang (2019) — Heft 9/10 — Zusatzmaterial
Tab. A: Einschätzung der Kompatibilität von Raumordnungsprogrammen mit den Zielen des Prozessschutzes.
Table A: Evaluation of the compatibility of regional development programmes with the goals of wilderness areas.
Mögliche Festsetzungen in den Raumordnungsprogrammen und -plänen
Kompatibilität der Festsetzungen mit Wildnis/Prozessschutz
Schließen sich aus Einzelfallprüfung Sind kompatibel
Vorranggebiete
Windenergie x
Forstwirtschaft x
Landwirtschaft x
Natur- und Landschaftsschutz x
Trinkwasser x
Vorbeugender Hochwasserschutz x
Vorbehaltsgebiete
Forstwirtschaft x
Landwirtschaft x
Natur- und Landschaftsschutz x
Klimaschutz x
Freiraumfunktionen
Schutz der Natur x
Schutz von landschaftsgebundener Erholung x
Schutz des Grundwassers x
Klimaschutz x
Erholung/Tourismus x
Infrastrukturentwicklung (geplant)
Verkehrsinfrastrukturachsen x
Regionale Versorgungsinfrastrukturen (Abfall, Hochwasserrückhaltung, Energie) x
3
Flächenpotenziale und Entwicklungskonzepte zur Realisierung des 2 %-Wildnisziels in Naturparken Flächenpotenziale und Entwicklungskonzepte zur Realisierung des 2 %-Wildnisziels in Naturparken
— 94. Jahrgang (2019) — Heft 9/10 — Zusatzmaterial
Sebastian Brackhane
Korrespondierender Autor
Albert Ludwigs-Universität Freiburg
Professur für Standorts- und Vegetationskunde
Tennenbacherstraße 4
79106 Freiburg i. Br.
E-Mail: sebastian.brackhane@felis.uni-freiburg.de
Der Autor hat das F + E-Vorhaben „Naturparkpotenziale
zur Entwicklung von Wildnisgebieten und großen Prozess-
schutzflächen“ koordiniert. Er hat Forstwissenschaften an
den Universitäten Freiburgi. Br., Toronto sowie Santiago
de Compostela studiert und promoviert derzeit zum The-
ma „Wildnisgebiete“ in Freiburgi. Br. Seit 2019 betreut er
die Naturerbeflächen der Deutschen Wildtier Stiftung.
Jörg Liesen
Verband Deutscher Naturparke e. V. (VDN)
Holbeinstraße 12
53175 Bonn
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Maike Bieber
Universität Kassel
FG Landschafts- und Vegetationsökologie
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34127 Kassel
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Dr. Jochen Godt
Universität Kassel
FG Landschafts- und Vegetationsökologie
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34127 Kassel
E-Mail: jogodt@uni-kassel.de
Nicolas Schoof
Albert Ludwigs-Universität Freiburg
Professur für Standorts- und Vegetationskunde
Tennenbacherstraße 4
79106 Freiburg i. Br.
E-Mail: nicolas.schoof@waldbau.uni-freiburg.de
Prof. Dr. Gert Rosenthal
Universität Kassel
FG Landschafts- und Vegetationsökologie
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34127 Kassel
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Prof. Dr. Dr. hc. Albert Reif
Albert Ludwigs-Universität Freiburg
Professur für Standorts- und Vegetationskunde
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