ArticlePDF Available

Agency und Vulnerabilität. Ein relationaler Zugang zu Lebenswelten geflüchteter Menschen

Authors:

Abstract

Der Beitrag führt die Debatten um Agency und Vulnerabilität zusammen. Eine relationale Perspektive auf Agency und Vulnerabilität reflektiert, wie Handeln in sozialen Prozessen und Beziehungen ermöglicht oder verhindert wird, und betrachtet Handlungsfähigkeit sowie Vulnerabilität als zwei Seiten derselben Medaille. Für die Fluchtmigrationsforschung sowie Praxis entfaltet ein „Agency- Vulnerabilitäts-Nexus“ das Potenzial, stereotype Sichtweisen auf Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrung zu durchbrechen und den Blick auf Prozesse sozialer Ungleichheit in Verzahnung mit Ressourcen von Akteurinnen und Akteuren zu richten.
Soziale Arbeit 8.2019
282
Zusammenfassung | Der Beitrag führt die
Debatten um Agency und Vulnerabilität zusam-
men. Eine relationale Perspektive auf Agency
und Vulnerabilität reflektiert, wie Handeln in
sozialen Prozessen und Beziehungen ermöglicht
oder verhindert wird, und betrachtet Handlungs-
fähigkeit sowie Vulnerabilität als zwei Seiten
derselben Medaille. Für die Fluchtmigrations-
forschung sowie Praxis entfaltet ein „Agency-
Vulnerabilitäts-Nexus“ das Potenzial, stereotype
Sichtweisen auf Menschen mit Migrations- und
Fluchterfahrung zu durchbrechen und den Blick
auf Prozesse sozialer Ungleichheit in Verzahnung
mit Ressourcen von Akteurinnen und Akteuren
zu richten.
Abstract | The paper combines the debates
on agency and vulnerability. A relational perspec-
tive on agency and vulnerability reflects how
action becomes possible or impossible in social
processes and relationships. It considers agency
and vulnerability as two sides of the same coin.
An “agency-vulnerability-nexus” has the poten-
tial to break stereotyped views on people with
migration and refugee experience and to focus
on processes of social inequalities as well as on
people’s resources in their interconnectedness.
Schlüsselwörter
Flucht Migration
Handlungskompetenz Vulnerabilität
soziale Ungleichheit
Einleitung | Geflüchtete Menschen werden in
medialen und politischen Debatten entweder pater-
nalistisch als „Opfer“, „arm“ und „hilflosoder als
Bedrohung für „westlich“ gedeutete Werte, Sicherheit
und Wohlstand in Ländern des globalen Nordens
repräsentiert (
Rajaram
2002,
Tošic´
u.a. 2009,
Friese
2014). Die Pauschalisierung als „geflüchtete Men-
schen“ überlappt sich dabei mit geschlechterstereo-
typen Prozessen der Differenzierung: So sind es
besonders Frauen, die diskursiv als Personen ohne
Akteurinnenstatus, und geflüchtete Männer, die als
AGENCY UND VULNERABILI-
TÄT | Ein relationaler Zugang
zu Lebenswelten geflüchteter
Menschen
Caroline Schmitt
„Tätermänner“ gezeichnet werden (
Krause
2017).
Diese Bilder konstruieren Menschen auf der Flucht
als homogene Masse. Sie schüren Angst, sind verkürzt
und sprechen geflüchteten Menschen entweder jeg-
liche Handlungsfähigkeit ab oder schreiben ihnen
Eigenschaften zu, die sie von einer als homogen
imaginierten einheimischen Bevölkerung abgrenzen.
Der Beitrag hat zum Ziel, stereotype Sichtweisen
auf geflüchtete Menschen zu durchbrechen. Er wirft
die These auf, dass eine Verbindung relationaler
Agency-Ansätze mit relationalen Konzipierungen von
Vulnerabilität Lebenswelten
1
differenziert in den Blick
nehmen kann. Relationale Agency- und Vulnerabili-
tätskonzepte etikettieren geflüchtete Menschen
weder einseitig als handlungsfähige noch einseitig
als vulnerable „Wesen“. Stattdessen verstehen sie
Handlungsfähigkeit wie Vulnerabilität als situative
Momente innerhalb sozialer Prozesse und Beziehun-
gen. In ihrer Verzahnung gedacht sind Agency und
Vulnerabilität zwei Seiten derselben Medaille. Sie
werden in politischen, ökonomischen, ökologischen
sowie zwischenmenschlichen Relationen sozial her-
gestellt. Der Beitrag führt im ersten Abschnitt in die
heterogene Debatte um Agency ein. Der zweite Ab-
schnitt gibt Einblick in das interdisziplinär diskutierte
Konzept „Vulnerabilität“, um im Anschluss Potenziale
einer Zusammenführung beider Perspektiven unter
einem relationalen Dach zu erkunden. Dem folgen
Überlegungen zur Relevanz des vorgestellten Blick-
winkels in der Migrations- und Fluchtforschung sowie
-praxis im dritten Abschnitt. Den Schluss bilden Dis-
kussion und Ausblick.
Agency relational denken | Agency ist in den
letzten Jahren zu einem zentralen Konzept der Sozial-,
Kultur-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften avan-
ciert (
Bethmann
u.a. 2012,
Löwenstein; Emirbayer
2017). Der englische Terminus wird im deutschspra-
chigen Diskurs mit Handlungsmächtigkeit, Handlungs-
fähigkeit oder Handlungsermächtigung übersetzt
(
Raithelhuber; Schröer
2018, S. 49). Er dient heteroge-
nen Theoriediskursen über Disziplingrenzen hinweg
1 Mit dem Begriff der Lebenswelt soll betont
werden, den Lebensbedingungen von Akteurinnen
und Akteuren in der Analyse genauso Rechnung zu
tragen wie ihrer subjektiven Wirklichkeitskonstruk-
tion. Der Begriff verweist auf eine sozialwissenschaft-
liche Tradition und geht zurück auf
Edmund Husserls
Phänomenologie, die Sozialphänomenologie von
Alfred Schütz
sowie
Hans Thierschs
Perspektive der
Lebensweltorientierung in der Sozialen Arbeit (aus-
führlich
Kraus
2006).
https://doi.org/10.5771/0490-1606-2019-8-282
Generiert durch IP '172.22.53.54', am 22.02.2023, 12:25:28.
Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
Soziale Arbeit 8.2019
DZI KOLUMNE
283
als „Sammelbegriff“ (
Homfeldt
u.a. 2006, S. 21-22).
Aus sozialwissenschaftlicher Perspektive ist mensch-
liches
Handeln nicht nur Routinehandeln. Sie geht
vielmehr davon aus, dass „sich Akteure durch soziale
Herausforderungen und Konflikte hiervon distanzie-
ren können, um sich neuen sozialen Konstellationen
zu stellen und im Rahmen sich verändernder Lebens-
und Umweltbedingungen handelnd zu reagieren“
(
ebd
., S. 23).
Relationale
Agency-Theorien fokussieren
hierbei auf die Ermöglichung und/oder Verhinderung
von Handlungsfähigkeit als Resultat sozialer Prozesse
(
Raithelhuber
2018). Sie sehen Menschen weder in
einer sozialdeterministischen Art und Weise als Pro-
dukt gesellschaftlicher und sozialisatorischer Einwir-
kungen noch als unbegrenzt autonom gegenüber
strukturellen Zwängen an. Agency ist in diesem Ver-
ständnis keine inhärente Eigenschaft von Menschen,
sondern „Folge von Positionierungen“ innerhalb von
Netzwerken (
Altissimo
u.a. 2018). Diese Sichtweise löst
die „klassischen Dichotomien Individuum/Gesell-
schaft, Struktur/Handlung, Determination/ Freiheit“
(
Scherr
2012, S. 103) zugunsten einer mehrdimensio-
nalen Perspektive auf.
Emirbayer
und
Mische
(1998) haben mit ihrem
Aufsatz „What is Agency?“ ein temporal reflektiertes
Verständnis von Agency vorgelegt, das sie selbst als
konsequent relational bezeichnen (
ebd
., S. 973). Sie
entfalten die These, dass es keine individuellen
Agents
gebe, sondern ausschließlich Akteurinnen und Akteure,
die sich agentativ in und mit ihren kontextuellen
Umwelten verhalten können (oder nicht): „there are
no conrete agents, but only actors who engage agen-
tically with their structuring environments“ (
ebd
.,
S. 1004). Agency sei immer „agency
toward
some-
thing” (
ebd
., S. 973, Hervorhebung im Original) und
im Zusammenspiel von Vergangenheit, Gegenwart
und Zukunft zu denken. Handeln konstituiere sich –
so die These – in Konstruktion und Aushandlung von
Routinen (
Iteration
), Imaginationen (
Projektivität
) und
Bewertungen (
praktische Evaluation
), wodurch Akteu-
rinnen und Akteure Umwelten nicht nur reproduzie-
ren, sondern auch transformieren. Wenngleich diese
drei Dimensionen von
Agency
zusammenspielen, sind
Handlungsformen mal stärker an der Vergangenheit,
der Gegenwart oder der Zukunft orientiert.
Iteration
meint eine Orientierung an gewohnten Denk- und
Handlungsmustern. Hierdurch stellen Akteurinnen
und Akteure Stabilität und Verlässlichkeit in ihren
Lebenswelten her. Im Modus der
Projektivität
imagi-
Teilen
Ist es nicht wunderbar? Das Teilen“ erfreut sich
immer größerer Beliebtheit! In den Großstädten tei-
len wir uns Autos, Elektroroller und Fahrräder. Wäh-
rend des Urlaubs überlassen wir unsere Wohnungen
fremden Besuchern und üben uns selbst andernorts
im Couchsurfing. Portale wie nebenan.de helfen
uns, die Nachbarn besser kennenzulernen, Bohr-
maschinen, Leitern und anderes Nützliches auszu-
leihen. Egoismus war gestern – Nachhaltigkeit und
Gemeinsinn prägen das Heute!
Schön wär’s – tatsächlich aber sind die Wider-
sprüche und neuen Egoismen der „Sharing Econo-
my“
in den Großstädten inzwischen unübersehbar:
Wohnhäuser in den Innenstädten, die nur noch aus
öden Ferienwohnungen bestehen, gordische Knoten
herumliegender Leihfahrräder, auf Fuß- und Rad-
wegen oder Straßen marodierende E-Roller. Wäh-
rend jedes Café seine Tische auf den Gehwegen
genehmigen lassen und mit kommunalen Gebühren
bezahlen muss, dürfen die Sharing-Dienste unseren
öffentlichen Raum bedenken- und kostenlos für ihre
kommerziellen Angebote in Beschlag nehmen.
Diese negativen Auswüchse, die wirksamer
staatlich reguliert werden müssen, verstellen den
Blick darauf, dass ein Teil des neuen Teilens tatsäch-
lich nachhaltig und im besten Sinne gemeinnützig
ist. Angebote wie nebenan.de brechen Isolationen
auf, bringen Nachbarn zusammen und Gemeinsam-
keiten ans Licht. Es ist spannend, in der neuen
Lebenshaltung des Teilens die Spreu vom Weizen
zu trennen und die „Perlen“ zu entdecken, die
unserem Zusammenleben wirklich dienlich sind.
Burkhard Wilke
wilke@dzi.de
https://doi.org/10.5771/0490-1606-2019-8-282
Generiert durch IP '172.22.53.54', am 22.02.2023, 12:25:28.
Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
284
Soziale Arbeit 8.2019
nieren sie alternative Handlungs- und Denkmuster in
einem kreativen Akt. Diese sozial eingebetteten Ent-
würfe richten sich auf eine Zukunft, wie sie potenziell
ausgestaltet sein
könnte
. Die grundlegende These ist,
dass Akteurinnen und Akteure in der Lage sind, über
erworbene Routinen hinauszudenken und sie mit sich
stellenden Handlungsproblemen und Anforderungen
zu konfrontieren. Die
praktische
Evaluation meint das
Beurteilen möglicher Handlungsabläufe und die Fähig-
keit, eine Entscheidung zu treffen, welche über Tradier-
tes hinausreichen kann.
Lucius-Hoene
(2012) hat die theoretischen Über-
legungen zu Agency in einen Analyserahmen zur
Rekonstruktion von Handlungsfähigkeit in Erzählun-
gen übersetzt (siehe für eine exemplarische Analyse
Motzek-Öz
in diesem Heft sowie
Armbrüster
u.a.
2016). Sie fragt nach dem „subjektiven Erleben von
Handlungsfähigkeit und Wirkmächtigkeit aus der
Perspektive von Teilnehmern an einem Geschehen“
(
ebd
., S. 41). Auf einer ersten Analyseebene untersucht
sie die Agentivierungen der Erzählperson, das heißt
wem oder was Wirkmacht in einer bestimmten Situa-
tion zugeschrieben wird. Die zweite Ebene befragt
die Interaktion zwischen Erzählendem und Zuhören-
dem vor dem Hintergrund, wie die Erzählperson
„gegenüber der zuhörenden Person Handlungsmäch-
tigkeit zum Ausdruck bringt“ (
ebd
.
, S. 57) und verstan-
den werden möchte. Der dritte Schritt rekonstruiert
die Wahl der erzählten Geschichte als „Möglichkeit
der Ermächtigung“ (
ebd
., S. 63).
Emirbayer
und
Mische
(1998) sowie
Lucius-Hoene
(2012) entwickeln in ihren Aufsätzen entscheidende
Grundpfeiler einer relationalen Perspektive auf Agency,
die vielfach rezipiert und weitergedacht werden. So
konstatiert etwa
Löwenstein
(2017), dass das Agency-
Verständnis von
Emirbayer
und
Mische
primär kogni-
tivistisch ausgerichtet sei und Emotionen von Akteu-
rinnen und Akteuren potenziell noch stärker berück-
sichtigen könne. Eine entsprechende Perspektive
fokussiert
Lucius-Hoene
(2012, S. 60) in ihrer Agency-
Analyse. Sie rekonstruiert sowohl
kognitive
als auch
emotionale
Strategien der Agentivierung und legt mit
ihrer narrativen Analyse ein Konzept vor, das explizit
herauszustellen sucht, welche Emotionen Interviewte
gegenüber der Interviewperson zum Ausdruck bringen.
Im gegenwärtigen Fachdiskurs zeichnet sich eine
Tendenz ab, neben relationalen Agency-Perspektiven
Vulnerabilitätskonzepte stärker in den Mittelpunkt
zu stellen. So äußern etwa
Andresen
u.a. (2015, S. 9)
die Sorge, ein relationales Agency-Verständnis könne
verkürzt adaptiert werden, menschliche Eigenständig-
keit überbetonen und Verletzlichkeiten von Akteurin-
nen und Akteuren ebenso „überspielen wie ihre physi-
sche wie psychische Angewiesenheit auf bestimmte
Ermöglichungsbedingungen“ (
ebd
.). Diese Sorge
richtet sich vor allem auf solche Konzipierungen von
Agency, die Handlungsfähigkeit als menschlich gege-
bene Eigenschaft universell voraussetzen und deshalb
grundlegend von einer relationalen Perspektive
abweichen.
Agency und Vulnerabilität – Zwei Seiten
einer Medaille | Die Childhood Studies, aber auch
Disability Studies, Humanökologie, Medizin, Natur-
risikoforschung und Psychologie weisen auf die
Vulnerabilität von Menschen als „anthropologische
Grundkonstante“ (
Streich
2009, S. 303) hin. Nach
Lehmeyer
(2018, S. 76) gehe „Menschseinmit einer
potenziellen Verletzbarkeit im physischen, psychischen,
aber auch im politischen, ökonomischen und ökologi-
schen Sinn einher etwa aufgrund von institutioneller
Diskriminierung, Ausgrenzung oder der Übereilung
durch Naturkatastrophen. Vulnerabilität ist interdis-
ziplinäres Forschungsthema und sensibilisierendes
Konzept in der Analyse von Klimawandel, Hungers-
nöten, Armut oder der Untersuchung von Pflege-
beziehungen und psychischer Gesundheit (
Adger
2006). Vulnerabilität in einem solchen Sinne zu ver-
stehen, fordert eine relationale Perspektive geradezu
ein: Vulnerabilität ist Resultat komplexer Beziehungs-
geflechte, vulnerabler Lebenslagen und Lebensab-
schnitte.
Mackenzie
et al. (2013) legen eine Systematisierung
von Vulnerabilität vor und unterscheiden zwischen
inhärenter Vulnerabilität, situativer Vulnerabilität und
pathogener Vulnerabilität.
Inhärente Vulnerabilität
bezieht sich auf die Verletzung menschlicher Grund-
bedürfnisse wie Nahrungsaufnahme, Schlaf oder
Anerkennung.
Situative Vulnerabilität
resultiert aus
Umwelt- und Kontexteinflüssen wie politischen
Umbrüchen, institutioneller Ausgrenzung oder öko-
nomischer Schlechterstellung.
Pathogene Vulnerabilität
umschreibt eine spezifische Form situativer Vulnerabi-
lität. Sie entsteht in moralisch dysfunktionalen Bezie-
hungen, die durch Missbrauch oder Ungleichheit
gekennzeichnet sind. Unabhängig von der genauen
https://doi.org/10.5771/0490-1606-2019-8-282
Generiert durch IP '172.22.53.54', am 22.02.2023, 12:25:28.
Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
285
Soziale Arbeit 8.2019
Dechiffrierung verschiedener Formen von Vulnerabili-
tät weist das Konzept explizit auf „limits of individua
-
lism“ (
Hoffmaster
2006, S. 43) hin und stellt in beson-
derer Art und Weise die
Abhängigkeit menschlichen
Wohlergehens
von anderen Menschen, förderlichen
Netzwerken, Organisationsstrukturen und politischen
sowie ökologischen Kontextbedingungen heraus.
Analog zum Agency-Verständnis von
Lucius-Hoene
(2012) wird Vulnerabilität dezidiert mit Fragen von
Emotionalität
zusammengedacht: „vulnerability enga-
ges our feelings“ (
ebd
., S. 44). Gleichwohl finden sich
auch in der Konzeptionalisierung von Vulnerabilität
verkürzte Vorstellungen einer „individual vulnerability“.
Eine pauschale Attributierung von Menschen und
Personengruppen als vulnerabel birgt die Gefahr,
diese nicht in ihren Ressourcen, sondern einseitig
unter einem „Problemaspekt“ (
Bauer; Wiezorek
2016,
S. 20) zu stigmatisieren und von sozialer Ungleichheit
und sich aufspannenden Machtrelationen vielmehr
abzulenken als diese kritisch zu diskutieren und auf-
zubrechen.
Letztlich lässt sich festhalten, dass sowohl Agency-
als auch Vulnerabilitätsperspektiven Gefahr laufen,
in einseitigen Blickrichtungen verhaftet zu bleiben,
wenn sie verkürzt verstanden werden und von einer
relationalen Perspektive abweichen. Dies ist der Fall,
wenn Handlungsfähigkeit wie auch Verletzlichkeit von
ihrer sozialen Herstellung in Umwelten entkoppelt und
essentialistisch als Wesensarten von Menschen ge-
dacht und missverstanden werden. In einem solchen
Verständnis würden sie gar eine defizitäre Blickrich-
tung auf Menschen konstruieren und befördern.
Eine Verbindung von Agency und Vulnerabilität
unter einem relationalen Blickwinkel offeriert hinge-
gen ein bereicherndes Potenzial, um diese Gefahren
zu minimieren und Handeln, Denken, Fühlen sowie
Transformieren in, mit und durch kontextuelle Rahmun-
gen als dynamische Relation von Handlungsfähigkeit
und Verletzlichkeit zu verstehen („Agency-Vulnerabi-
litäts-Nexus“). Handlungsfähigkeit konstituiert sich
genauso wie Vulnerabilität situativ in sozialen Prozes-
sen. Sie ist weder absolut noch Wesensmerkmal. Beide
Dimensionen stehen sich nicht konträr gegenüber,
sondern sind miteinander verwoben: Handlungsfähig-
keit kann auf Vulnerabilität verweisen, welche zu
bewältigen versucht wird. Und Vulnerabilität ist im-
mer die Möglichkeit ihrer (situativen) Überwindung
und die Entwicklung von Widerständigkeit aufgrund
von Betroffenheit – etwa von Ausgrenzung – inhärent
(
Hooks
1996, siehe auch
Hill
in diesem Heft). Gleich-
sam können sich Vulnerabilität und Handlungsfähig-
keit je nach Bezugsrahmen überlappen und gemein-
sam wirken.
Perspektiven für die Fluchtmigrations-
forschung und -praxis | Eine Zusammenführung
relationaler Agency- und Vulnerabilitätsperspektiven
eröffnet der Fluchtmigrationsforschung und -praxis
einen differenzierteren Blick auf Menschen mit Flucht
-
erfahrung, der essentialistische Sichtweisen zu ver-
meiden sucht und die betroffenen Personen in ihrer
sozialen Positioniertheit und Positionierung reflektiert.
In den letzten Jahren hat sich in der Fluchtmigrations-
forschung ein Diskurs gefestigt, Menschen mit Mobi-
litätserfahrungen stärker mit ihren Ressourcen und
Fähigkeiten in den Blick zu nehmen. Agency stellt
hierfür einen bedeutsamen methodologischen Bezugs-
rahmen dar (
Cyrus
2017, S. 114-115). Geflüchtete
Menschen befinden sich aufgrund der Fluchterfah-
rung, neuen Lebenssituationen in den Zielländern
und rechtlich-restriktiver Rahmenbedingungen in
komplexen und Handlungsmöglichkeiten begrenzen-
den Lebenslagen. Eine Orientierung an Tradiertem
(
Iteration
) kann nicht immer erfolgen – gewohnte
Routinen sind durchbrochen, Bezugspersonen mit-
unter verstreut in mehreren Länderkontexten oder
vor beziehungsweise während der Flucht verstorben.
Dennoch entfalten sie sehr wohl Handlungsfähigkeit
(
Geiger
2016).
Studien zeigen, wie geflüchtete Menschen Bildung
selbst unter schwierigen Bedingungen gestalten
(
Fürstenau; Niedrig
2007), Informationen zu Flucht-
routen und Zielländern generieren und austauschen
(
Fiedler
2016), durch Protestaktionen auf ihre Lebens-
situation aufmerksam machen (
Rygiel
2011), als poli-
tische Subjekte sichtbar werden (
Hess
u.a. 2016) und
(transnationale) soziale Unterstützungsnetzwerke zur
Bewältigung ihres Lebensalltags über Ländergrenzen
hinweg konstituieren (
Bender
et al. 2012).
Seukwa
(2006) beschreibt diese Praktiken in seiner Analyse
zu jungen Geflüchteten in Hamburg als „Habitus der
Überlebenskunst“. Und Praxen, die gemeinhin einsei-
tig als Problem gedeutet werden, erscheinen aus einer
Agency-Perspektive in ihrer Komplexität:
Kohli
(2006)
hält beispielsweise fest, dass das Schweigen von jun
-
gen Geflüchteten gegenüber Sozialarbeiterinnen und
Sozialarbeitern eine auf der Flucht erworbene Strate-
https://doi.org/10.5771/0490-1606-2019-8-282
Generiert durch IP '172.22.53.54', am 22.02.2023, 12:25:28.
Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
286
Soziale Arbeit 8.2019
gie ist, die eine wichtige biografische Funktion erfüllt:
die Flucht zu bewältigen und bei Anhörungen nichts
zu sagen, was das Asylverfahren gefährden könnte.
Die Beispiele illustrieren, wie eng sich Handlungs-
fähigkeit und Vulnerabilität verschränken: Die Notwen-
digkeit zu fliehen, der erschwerte Zugang zu Bildung
und anderen gesellschaftlichen Systemen, die Trennung
von Familienmitgliedern, der Zwang zur Anhörung
oder das Angewiesen sein auf professionelle Unter-
stützung erzeugen Vulnerabilität in Form von Abhän-
gigkeit. Geflüchtete Menschen sind auf Akzeptanz
durch andere angewiesen, die für sich beanspruchen,
zur Mehrheitsgesellschaft zu gehören; sie sind darauf
angewiesen, als legitime Geflüchtete politisch aner-
kannt zu werden.
Projektivität
– als Imagination alter-
nativer Handlungs- und Deutungsmöglichkeiten – und
eine
Evaluation
dieser Möglichkeiten wird damit zu
einem komplexen Unterfangen. Restriktive Umwelten,
so zum Beispiel Bedingungen aufenthaltsrechtlicher
Unsicherheit, erzeugen eine hohe und mitunter poli-
tisch gewollte oder in Kauf genommene Verletzlich-
keit und fordern Akteurinnen und Akteure geradezu
auf, Tradiertes durch projektive Dimensionen zu ver-
ändern.
Emirbayer
und
Mische
(1998, S. 984) pointie-
ren dezidiert, dass insbesondere in problematischen
Situationen der Begrenzung von Handlungsfähigkeit
Projektionen evoziert werden. Momente der Begren-
zung, welche wir als Vulnerabilitätsmomente“ fassen
können, sind somit unmittelbar mit der Entstehung
von biografisch Neuem verzahnt.
An dieser Stelle zeigt sich das Potenzial, verwehr-
te Handlungsfähigkeit aus einer Vulnerabilitätspers-
pektive tiefergehend zu reflektieren: Welches sind
Bedingungen, die zu Vulnerabilität führen und welche
Spuren hinterlassen sie auf emotionaler, physischer,
sozialer Ebene? Wer kann innerhalb welcher Rahmun-
gen (trotz restriktiver und/oder auch angestoßen durch
restriktive Umstände) Handlungsfähigkeit entfalten
und auf welche Ressourcen verweisen diese Agenti-
vierungen? Oder, anders gefragt: Welche Lebenswelten
werden als vulnerabel hergestellt und wie sind Agen-
tivierungen hier überhaupt möglich? Wie müssen sich
kontextuelle Umwelten verändern, damit sich Hand-
lungsfähigkeit nachhaltig konstituieren kann?
In der Fluchtforschung findet sich eine explizite
Verzahnung der Perspektiven von Agency
und
Vulne-
rabilität in der Anthologie „Independent Child Migra-
tion – Insights into Agency, Vulnerability and Struc-
ture“ von
Orgocka
und
Clark-Kazak
(2012).
O’Higgins
(2012, S. 85) rekonstruiert in besagtem Band die Ver-
wobenheit von Vulnerabilität und Handlungsfähigkeit
zum Beispiel dann, wenn junge Geflüchtete sich selbst
als vulnerabel etikettieren müssen, um überhaupt
professionelle Unterstützung in Anspruch nehmen zu
können. Die Etikettierung ist notwendig, um Hand-
lungsfähigkeit herzustellen, während die Hervorhe-
bung eigener Ressourcen zu einem strukturellen Aus-
schluss von Hilfe führen würde. Im deutschsprachigen
Kontext stellen
Gerarts
u.a. (2016)
im Rahmen einer
Interviewstudie mit geflüchteten Kindern im Alter von
zehn und 13 Jahren die Vulnerabilität im Generationen-
verhältnis sowie die Verletzlichkeit geflohener Kinder
in der Folge von Beziehungsabbrüchen und Verlust-
erfahrungen durch die Flucht heraus. Zugleich seien
für die Kinder Schule und Spracherwerb zentral und
hätten – je nach Ausgestaltung – einen Handlungs-
fähigkeit stärkenden Einfluss.
Diskussion und Ausblick | Der Beitrag hat
vorgeschlagen, relationale Verständnisse von Agency
und Vulnerabilität miteinander zu verbinden, um
Lebenswelten geflüchteter Menschen in ihrer Kom-
plexität zu erfassen. Ein differenzierter Blick auf das
Wechselverhältnis von Handlungsfähigkeit und Vulne-
rabilität verhindert eine neoliberale Instrumentalisie-
rung von Agency-Perspektiven, welche die Verant-
wortlichkeit für ein „gutes Leben“ einseitig in den
Kapazitäten von Individuen verortet (
Ziegler
2008).
Genauso verhindert dieser Blick die pauschale Etiket-
tierung geflüchteter Menschen als vulnerabel und
versteht Vulnerabilität als soziale Herstellungspraxis.
Vor dem Hintergrund politischer Debatten erfüllt
die Auseinandersetzung mit Agency und Vulnerabili-
tät eine bedeutsame Funktion, denn die Unterschei-
dung in freiwillige und erzwungene Migration des
internationalen Flüchtlingsregimes beruht auf eben
jener Zuschreibung von Agency
oder
Verletzlichkeit
an Menschen auf der Flucht (
Zwick
2015, S. 277).
Der hier vorgeschlagene Agency-Vulnerabilitäts-
Nexus reflektiert stattdessen das Spannungsfeld, wie
und wann Akteurinnen und Akteure Ressourcen her-
stellen und entfalten können sowie wie und wann
ihre Bedürfnisse verletzt werden, Teilhabe verwehrt
und Vulnerabilität produziert wird. Diese multikontex-
tuale Perspektive kann Kritik an sozialer Ungleichheit
üben und Verantwortungsübernahme von gesellschaft-
https://doi.org/10.5771/0490-1606-2019-8-282
Generiert durch IP '172.22.53.54', am 22.02.2023, 12:25:28.
Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
287
Soziale Arbeit 8.2019
lichen Instanzen einfordern, wenn Handlungsfähig-
keit strukturell bedroht und eingeschränkt wird. Sie
verortet Handlungsfähigkeit und Vulnerabilität als
Konsequenz von Beziehungskonstellationen
zwischen
Akteurinnen und Akteuren („social agency“ und
„social vulnerability“). Der Herstellungscharakter
betont die Temporalität und Veränderbarkeit von
Agency und Vulnerabilität und verweist auf Heraus-
forderungen und Spielräume Sozialer Arbeit (siehe
auch
Wienforth
in diesem Heft).
Der dominante politische Diskurs ist – genauso wie
Teile der (pädagogischen) Organisationslandschaft
und professionellen Handelns – von einem assimila-
torischen Integrationsverständnis bestimmt. Die Ver-
antwortlichkeit zur Lebensbewältigung wird unter
Zuschreibung einer „individual agency“ und in der
Logik eines „aktivierenden Sozialstaats“ einseitig in
die Hände geflüchteter Menschen gelegt. Ein solcher
Duktus verhält sich konträr zu einer relationalen Sicht-
weise und trägt vielmehr dazu bei, Vulnerabilität
statt Handlungsfähigkeit herzustellen, insofern er die
Gewährung von Teilhabe an individuelle Kapazitäten
und Anstrengungen bei gleichzeitiger struktureller
Schlechterstellung von Menschen koppelt (
Schmitt
2018). Diese Forderung läuft einem menschenrecht-
lichen Inklusionsverständnis zuwider und verdeut-
licht die Notwendigkeit, Vulnerabilitäts- und Agency-
Perspektiven zu verzahnen und die politische sowie
orga nisationale Herstellung von Handlungsfähigkeit
und Verhinderung von Vulnerabilität als Thema auf
die Agenda zu setzen. Eine
Verknüpfung relationaler
Agency- und Vulnerabilitätsverständnisse
könnte vor
dem Hintergrund gegenwärtiger Entwicklungen als
„politiksensibilisierende Metapher“ (
Streich
2009)
fungieren. Für die Soziale Arbeit eröffnet sich hierdurch
die Möglichkeit zur Kritik an verletzenden, ausschlie-
ßenden und einschränkenden Beziehungsmustern,
Diskursen, Organisationen und Politiken, ohne dabei
die Ressourcen und gestalterischen Praktiken ge-
flüchteter Menschen aus dem Blick zu verlieren.
Dieser Beitrag wurde in einer Double-Blind Peer
Review begutachtet und am 23.4.2019 zur Veröf-
fentlichung angenommen.
Literatur
Adger, Neil W.: Vulnerability. In: Global Environmental
Change 16/2006, pp. 268-281
Altissimo, Alice; Eßer, Florian; Herz, Andreas; Köngeter,
Stefan; Altissimo, A.: Was bedeutet relational? Relationale
Zugänge in angewandten Sozialwissenschaften (34 Absät-
ze). In: https://relapp.org/was-bedeutet-relational/ (https://
relapp.org/was-bedeutet-relational/) (veröffentlicht 2018,
abgerufen am 1.2.2019)
Andresen, Sabine; Koch, Claus; König, Julia: Kinder in
vulnerablen Konstellationen. Zur Einleitung. In: Andresen,
Sabine; Koch, Claus; König, Julia (Hrsg.): Vulnerable Kinder.
Interdisziplinäre Annäherungen. Wiesbaden 2015
Armbrüster, Christian; Niekrenz, Yvonne; Schmitt, Caroline;
Witte, Matthias D.: Zwischen Krise und Agency – Streben
nach Handlungsfähigkeit in der Biografie eines „DDR-Kindes
aus Namibia“. In: Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und
Sozialisation (ZSE) 4/2016, S. 402-420
Bauer, Petra; Wiezorek, Christine: Vulnerable Familien. In:
Sozial Extra 6/2016, S. 20-23
Bender, Desirée; Hollstein, Tina; Huber, Lena; Schweppe,
Cornelia: Migration Biographies and Transnational Social
Support: Transnational Family Care and the Search for
“Homelandmen”. In: Chambon, Adrienne; Schröer, Wolfgang;
Schweppe, Cornelia (eds.): Transnational Social Support.
New York 2012
Bethmann, Stephanie; Helfferich, Cornelia; Hoffmann,
Heiko; Niermann, Debora (Hrsg.): Agency. Qualitative Re-
konstruktionen und gesellschaftstheoretische Bezüge von
Handlungsmächtigkeit. Weinheim 2012
Cyrus, Norbert: Die Flüchtlinge und ihr Status. Praktische
Implikationen einer defizitären Rechtsstellung. In: Ghaderi,
Cinur; Eppenstein, Thomas (Hrsg.): Flüchtlinge. Multipers-
pektivische Zugänge. Wiesbaden 2017
Emirbayer, Mustafa; Mische, Ann: What is Agency? In:
American Journal of Sociology 4/1998, pp. 962-1023
Fiedler, Anke: Information to go: Kommunikation im Pro-
zess der Migration am Beispiel syrischer und irakischer
Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Deutschland. In: Global
Media Journal 1/2016 (https://www.db-thueringen.de/serv
lets/MCRFileNodeServlet/dbt_derivate_00035504/GMJ11_
Fiedler.pdf; abgerufen am 31.1.2019)
Friese, Heidrun: Grenzen der Gastfreundschaft. Die Boots-
flüchtlinge von Lampedusa und die europäische Frage.
Bielefeld 2014
Fürstenau, Sara; Niedrig, Heike: Jugend in transnationalen
Räumen. Bildungslaufbahnen von Migrantenjugendlichen
mit unterschiedlichem Rechtsstatus. In: Geisen, Thomas;
Riegel, Christine (Hrsg.): Jugend, Partizipation und Migration.
Wiesbaden 2007
Geiger, Dorothee: Handlungsfähigkeit von geduldeten
Flüchtlingen. Eine empirische Studie auf der Grundlage des
Agency-Konzepts. Wiesbaden 2016
Dr. Caroline Schmitt, Dipl.-Päd., forscht und
lehrt als Vertretungsprofessorin in der Abteilung
Sozialpädagogik I im Fach Erziehungs- und
Bildungswissenschaften der Universität Trier.
E-Mail: schmittc@uni-trier.de
https://doi.org/10.5771/0490-1606-2019-8-282
Generiert durch IP '172.22.53.54', am 22.02.2023, 12:25:28.
Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
288
Soziale Arbeit 8.2019
Gerarts, Katharina; Andresen, Sabine; Ravens-Sieberer,
Ulrike; Klasen, Fionna: Geflüchtete Kinder in Deutschland:
Was sie über ihre Hoffnungen, Ängste und Bedürfnisse
erzählen. In: Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsy-
chiatrie 10/2016, S. 744-762
Hess, Sabine; Kasparek, Bernd; Kron, Stefanie; Rodatz,
Matthias; Schwertl, Maria; Sontowski, Simon: Der lange
Sommer der Migration. Krise, Rekonstitution und ungewisse
Zukunft des europäischen Grenzregimes. Berlin 2016
Hoffmaster, Barry: What Does Vulnerability Mean? In: Has-
tings Center Report March/April 2006, pp. 38-45
Homfeldt, Hans Günther; Schröer, Wolfgang; Schweppe,
Cornelia: Transnationalität, soziale Unterstützung, agency.
Nordhausen 2006
Hooks, Bell: Radikale Perspektive. Sich am Rand ansiedeln.
In: Hooks, Bell (Hrsg.): Sehnsucht und Widerstand. Kultur.
Ethnie. Geschlecht. Berlin 1996
Kohli, Ravi: The Sound of Silence: Listening to What Unac-
companied Asylum-seeking Children Say and Do Not Say.
In: British Journal of Social Work 36/2006, pp. 707-721
Kraus, Björn: Lebenswelt und Lebensweltorientierung. Eine
begriffliche Revision als Angebot an eine systemisch-kons-
truktivistische Sozialarbeitswissenschaft. In: Kontext. Zeit-
schrift für Systemische Therapie und Familientherapie
2/2006, S. 116-129
Krause, Ulrike: Die Flüchtling − der Flüchtling als Frau.
Genderreflexiver Zugang. In: Ghaderi, Cinur; Eppenstein,
Thomas (Hrsg.): Flüchtlinge. Multiperspektivische Zugänge.
Wiesbaden 2017
Lehmeyer, Sonja: Vulnerabilität. In: Riedel, Annette; Linde,
Anne-Christin (Hrsg.): Ethische Reflexion in der Pflege. Wies-
baden 2018
Löwenstein, Heiko: Identität als Scharnier zwischen
Bewusstsein und Agency. Oder: Meads Sprachlosigkeit
gegenüber geteilter Emotionalität. In: Löwenstein, Heiko;
Emirbayer, Mustafa (Hrsg.): Netzwerke, Kultur und Agency.
Problemlösungen in relationaler Methodologie und Sozial-
theorie. Weinheim und Basel 2017
Löwenstein, Heiko; Emirbayer, Mustafa (Hrsg.): Netzwerke,
Kultur und Agency. Problemlösungen in relationaler Metho-
dologie und Sozialtheorie. Weinheim und Basel 2017
Lucius-Hoene, Gabriele: „Und dann haben wir’s operiert“.
Ebenen der Textanalyse narrativer Agency-Konstruktionen.
In: Bethmann, Stephanie; Helfferich, Cornelia; Hoffmann,
Heiko; Niermann, Debora (Hrsg.): Agency. Qualitative Re-
konstruktionen und gesellschaftstheoretische Bezüge von
Handlungsmächtigkeit. Weinheim 2012
Mackenzie, Catriona; Rogers, Wendy; Dodds, Susan (eds.):
Vulnerability: New Essays in Ethics and Feminist Philosophy.
Oxford and New York 2013
O’Higgins, Aoife: Vulnerability and Agency: Beyond an
Irreconcilable Dichotomy for Social Service Providers Working
with Young Refugees in the UK. In: Orgocka, Aida; Clark-
Kazak, Christina (eds.): Independent Child Migration −
Insights into Agency, Vulnerability, and Structure. New
Directions for Child and Adolescent Development. San
Francisco 2012
Orgocka, Aida; Clark-Kazak, Christina (eds.): Independent
Child Migration − Insights into Agency, Vulnerability, and
Structure. New Directions for Child and Adolescent Develop-
ment. San Francisco 2012
Raithelhuber, Eberhard: Agency. In: Graßhoff, Gunther;
Renker, Anna; Schröer, Wolfgang (Hrsg.): Soziale Arbeit. Eine
elementare Einführung. Wiesbaden 2018
Raithelhuber, Eberhard; Schröer, Wolfgang: Agency. In:
Otto, Hans-Uwe; Thiersch, Hans (Hrsg.): Handbuch Soziale
Arbeit. 6. Auflage. München 2018
Rajaram, Prem Kumar: Humanitarism and representations
of the refugee. In: Journal of Refugee Studies 3/2002, pp.
247-264
Rygiel, Kim: Bordering solidarities. Migrant activism and
the politics of movement and camps at Calais. In: Citizen-
ship Studies 1/2011, pp. 1-19
Scherr, Albert: Soziale Bedingungen von Agency. In: Beth-
mann, Stephanie; Helfferich, Cornelia; Hoffmann, Heiko;
Niermann, Debora (Hrsg.): Agency. Qualitative Rekonstruk-
tionen und gesellschaftstheoretische Bezüge von Handlungs-
mächtigkeit. Weinheim und Basel 2012
Schmitt, Caroline: Inklusion als Analyseperspektive in der
Fluchtforschung. In: Zeitschrift für Sozialpädagogik 2/2018,
S. 118-137
Seukwa, Henri: Der Habitus der Überlebenskunst. Zum Ver-
hältnis von Kompetenz und Migration im Spiegel von Flücht-
lingsbiographien. Münster und New York 2006
Streich, Waldemar: Vulnerable Gruppen: „Verwundbarkeit”
als politiksensibilisierende Metapher in der Beschreibung
gesundheitlicher Ungleichheit. In: Richter, Matthias; Hurrel-
mann Klaus (Hrsg.): Gesundheitliche Ungleichheit. Wiesba-
den 2009
Tošic´, Jelena; Kroner, Gudrun; Binder, Susanne: Anthropo-
logische Flüchtlingsforschung. In: Six-Hohenbalken, Maria;
Tošic´, Jelena (Hrsg.): Anthropologie der Migration. Theore-
tische Grundlagen und interdisziplinäre Ansätze. Wien
2009
Ziegler, Holger: Soziales Kapital und agency. In: Homfeldt,
Hans Günther; Schröer, Wolfgang; Schweppe, Cornelia
(Hrsg.): Vom Adressaten zum Akteur. Soziale Arbeit und
Agency. Opladen und Farmington Hills 2008
Zwick, Maja: Transnationale Migration – eine dauerhafte
Perspektive? Sahaurische Flüchtlinge zwischen agency und
vulnerability. In: PERIPHERIE 2/2015, S. 260-280
https://doi.org/10.5771/0490-1606-2019-8-282
Generiert durch IP '172.22.53.54', am 22.02.2023, 12:25:28.
Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
... 2022; Korntheuer et al., 2021). In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass Forschen über Vulnerabilität von gesellschaftlich marginalisierten Gruppen in einem konstitutiven Spannungsverhältnis zwischen Rekonstruktion von Agency und Reproduktion von Vulnerabilitätszuschreibungen im Sinne von Viktimisierung verstrickt bleibt (mehr zu dieser komplexen Debatte siehe insbesondere: Butler, 2016;Butler et al., 2016;Mackenzie et al., 2014;Mehring, 2022;Mik-Meyer & Silverman, 2019;Schmitt, 2019;Utas, 2005;Yeo & Afeworki Abay, 2023). Vor dem Hintergrund dieser epistemologischen Erkenntnisse entwickelte Mats Utas (2005) das Konzept ›Victimcy‹, um die bestehende Dichotomie zwischen Vulnerabilität und Agency zu überwinden und auf ihre wechselseitigen Beziehungen hinzuweisen: ...
Chapter
Full-text available
Dieses Unterkapitel beinhaltet eine breite und zugleich tiefgehende Auseinandersetzung mit dem theoretischen und methodologischen Konzept der Intersektionalität. Dabei wird die kategoriale Zuordnung innerhalb der intersektionalen Perspektive kritisch hinterfragt und die Reduzierung des Konzeptes auf Prozesse mehrfacher Diskriminierungen abgelehnt sowie differenziertes und dekolonialisiertes Wissen der theoretischen Grundlagen von Ungleichheits- und Diskriminierungsprozessen an der Schnittstelle Behinderung und Migration/Flucht in der deutschsprachigen Intersektionalitätsforschung verdeutlicht. Außerdem werden die beiden zentralen Differenzkategorien der vorliegenden Arbeit anhand einer intersektionaltätstheoretischen Perspektive besonders in den Fokus genommen, um die Teilhabemöglichkeiten und Diskriminierungsrisiken von BIPoC mit Behinderungserfahrungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Kontext eines 'weiten' Inklusionsverständnisses (u.a.: Budde et al., 2020; Werning, 2014) theoretisch auszuloten.
... 2022; Korntheuer et al., 2021). In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass Forschen über Vulnerabilität von gesellschaftlich marginalisierten Gruppen in einem konstitutiven Spannungsverhältnis zwischen Rekonstruktion von Agency und Reproduktion von Vulnerabilitätszuschreibungen im Sinne von Viktimisierung verstrickt bleibt (mehr zu dieser komplexen Debatte siehe insbesondere: Butler, 2016;Butler et al., 2016;Mackenzie et al., 2014;Mehring, 2022;Mik-Meyer & Silverman, 2019;Schmitt, 2019;Utas, 2005;Yeo & Afeworki Abay, 2023). Vor dem Hintergrund dieser epistemologischen Erkenntnisse entwickelte Mats Utas (2005) das Konzept ›Victimcy‹, um die bestehende Dichotomie zwischen Vulnerabilität und Agency zu überwinden und auf ihre wechselseitigen Beziehungen hinzuweisen: ...
Chapter
Full-text available
Gegenstand dieses Unterkapitel bilden die grundlegenden Perspektiven postkolonialer Theorien. Dabei werden in einem ersten Schritt die wichtigsten Impulse und Positionen aus den Forschungsfeldern postkolonialer Studien diskutiert. Erstens wird dabei angestrebt, einige Implikationen postkolonialer Perspektiven gegenüber den vielfältigen Normalisierungs- und Marginalisierungsmechanismen entlang der Differenzkategorien 'Behinderung' und 'Migration/Flucht' abzuleiten. Zweitens werden dabei die bestehenden Prozesse der Unsichtbarmachung von BIPoC mit Behinderungserfahrungen mittels einer intersektionalitätstheoretischen Perspektive kritisch herausgearbeitet. Daran anknüpfend wird anhand des Konzepts Decolonial Intersectionality erläutert, inwiefern sich die Zusammenführung der beiden Ansätze als besonders fruchtbar zeigt, um die voranschreitenden kolonialen Strukturen und die daraus resultierenden, intersektional verwobenen Ungleichheits- und Diskriminierungsverhältnisse theoretisch und empirisch auszuloten.
... 2022; Korntheuer et al., 2021). In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass Forschen über Vulnerabilität von gesellschaftlich marginalisierten Gruppen in einem konstitutiven Spannungsverhältnis zwischen Rekonstruktion von Agency und Reproduktion von Vulnerabilitätszuschreibungen im Sinne von Viktimisierung verstrickt bleibt (mehr zu dieser komplexen Debatte siehe insbesondere: Butler, 2016;Butler et al., 2016;Mackenzie et al., 2014;Mehring, 2022;Mik-Meyer & Silverman, 2019;Schmitt, 2019;Utas, 2005;Yeo & Afeworki Abay, 2023). Vor dem Hintergrund dieser epistemologischen Erkenntnisse entwickelte Mats Utas (2005) das Konzept ›Victimcy‹, um die bestehende Dichotomie zwischen Vulnerabilität und Agency zu überwinden und auf ihre wechselseitigen Beziehungen hinzuweisen: ...
Chapter
Full-text available
Dieses Unterkapitel widmet sich ethischen Fragen und methodisch-methodologischen Überlegungen partizipativer Forschung mit gesellschaftlich marginalisierten Gruppen wie z.B. BIPoC mit Behinderungserfahrungen, die zumeist als 'Hard-to-Reach' Gruppe markiert werden. Innerhalb des Forschungsprozesses wurden die betroffenen Personen und Communities aktiv und gleichberechtigt beteiligt. Hiermit verbunden ist die Grundüberzeugung, dass die betroffenen Personen und Communities nicht nur als Expert*innen der eigenen Orientierungen und Handlungen, sondern auch als Subjekte des Forschungsprozesses anerkannt werden müssen und sie an der Wissensproduktion aktiv zu beteiligen sind, damit lebensweltliches Wissen zur Stärkung ihrer vielfältigen Ressourcen und selbstbestimmten Teilhabe generiert werden kann. Ausgehend von einem machtkritischen und dekolonialen Partizipationsverständnis werden die in der empirischen Studie beteiligten Personen im Rahmen der vorliegenden Arbeit als Forschungspartner*innen bezeichnet, um ihre kontinuierliche und aktive Mitwirkung im gesamten Forschungsprozess anzuerkennen. Mit der Anpassung des Begriffs lassen sich jedoch die existierenden Machthierarchien zwischen den akademisch Forschenden und beteiligten Forschungspartner*innen weder negieren noch vollständig auflösen. Entsprechend werden diese im gesamten Verlauf des partizipativen Forschungsprozesses explizit in den Blick genommen, kritisch reflektiert und je nach Möglichkeit abgebaut. Einen Schwerpunkt bildet dabei der dekoloniale Aufruf zur Reflexion der eigenen Standortgebundenheit und Positionalität der Forschenden, um die damit verbundenen Verstrickungen in die Reproduktion geopolitischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Machtverhältnisse in den Fokus des kritisch-reflexiven Forschungsprozesses zu stellen. Vor dem Hintergrund der Forschungserfahrungen der vorliegenden Arbeit lässt sich die Notwendigkeit methodischer, methodologischer und forschungsethischer Weiterentwicklung partizipativer Forschung mit BIPoC mit Behinderungserfahrungen konstatieren.
... 2022; Korntheuer et al., 2021). In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass Forschen über Vulnerabilität von gesellschaftlich marginalisierten Gruppen in einem konstitutiven Spannungsverhältnis zwischen Rekonstruktion von Agency und Reproduktion von Vulnerabilitätszuschreibungen im Sinne von Viktimisierung verstrickt bleibt (mehr zu dieser komplexen Debatte siehe insbesondere: Butler, 2016;Butler et al., 2016;Mackenzie et al., 2014;Mehring, 2022;Mik-Meyer & Silverman, 2019;Schmitt, 2019;Utas, 2005;Yeo & Afeworki Abay, 2023). Vor dem Hintergrund dieser epistemologischen Erkenntnisse entwickelte Mats Utas (2005) das Konzept ›Victimcy‹, um die bestehende Dichotomie zwischen Vulnerabilität und Agency zu überwinden und auf ihre wechselseitigen Beziehungen hinzuweisen: ...
Chapter
Full-text available
Im Hinblick auf die politischen und wissenschaftlichen Diversity-Diskurse lässt sich am Beispiel der Schnittstelle Behinderung und Migration/Flucht eine Art Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen der Problematisierung und Anerkennung gesellschaftlicher Heterogenität feststellen. Ein zusammenfassender Blick auf diese widersprüchlichen Diskurse über gesellschaftliche Diversität macht deutlich, dass die Kernaspekte, grundlegende Fragen und Herausforderungen diversitätstheoretischer Ansätze und antidiskriminierungspolitischer Maßnahmen zwischen neoliberaler Opferkonkurrenz und communityübergreifender Solidarität eingebettet sind. Um der Komplexität der Analyse von intersektionalen Ungleichheits- und Diskriminierungsverhältnissen Rechnung zu tragen und entsprechende politische Forderungen zu stellen, braucht es daher eine communityübergreifende Solidarität und kollektive Widerstandspraxis gegen die 'Olympiade der Unterdrückung', die als eine der gewaltvollen Formen des Spaltungsmechanismus der Dominanzgesellschaft zu enttarnen ist. In diesem Abschnitt soll es daher darum gehen, dekoloniale Möglichkeiten communityübergreifender, solidarischer Allianzen zwischen den verschiedenen diskriminierenden Gruppen aufzuzeigen.
... 2022; Korntheuer et al., 2021). In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass Forschen über Vulnerabilität von gesellschaftlich marginalisierten Gruppen in einem konstitutiven Spannungsverhältnis zwischen Rekonstruktion von Agency und Reproduktion von Vulnerabilitätszuschreibungen im Sinne von Viktimisierung verstrickt bleibt (mehr zu dieser komplexen Debatte siehe insbesondere: Butler, 2016;Butler et al., 2016;Mackenzie et al., 2014;Mehring, 2022;Mik-Meyer & Silverman, 2019;Schmitt, 2019;Utas, 2005;Yeo & Afeworki Abay, 2023). Vor dem Hintergrund dieser epistemologischen Erkenntnisse entwickelte Mats Utas (2005) das Konzept ›Victimcy‹, um die bestehende Dichotomie zwischen Vulnerabilität und Agency zu überwinden und auf ihre wechselseitigen Beziehungen hinzuweisen: ...
Chapter
Full-text available
Gegenstand dieses Unterkapitels bildet die postkoloniale Kritik an der herrschenden Geopolitik, die u.a. mit der epistemischen Dominanz eurozentristischer Wissensproduktion einhergeht. Die Kolonialität des Wissens zeigt sich bspw. in der Weitertradierung komplexitätsreduzierender eurozentristischer Wissensproduktion und paternalistischer Invisibilisierung von Betroffenenperspektiven sowohl in der Teilhabeforschung als auch in der Fluchtmigrationsforschung zu Behinderung und Migration/Flucht: Es wird wiederholt über BIPoC aber insbesondere über geflüchtete Menschen, statt mit ihnen gesprochen (u.a.: Aden et al., 2019; Afeworki Abay & Engin, 2019; Afeworki Abay et al., 2021; Amirpur, 2016; Kaufmann et al., 2019; von Unger, 2018b). Solche diskursiven und wissenschaftlichen Praktiken sind in vielerlei Hinsicht hochproblematisch, gleichzeitig lässt sich bei näherer Betrachtung dieser Thematik feststellen, dass die theoretische Annährung und empirische Bearbeitung des Themenfeldes der Vulnerabilität von gesellschaftlich marginalisierten Gruppen wie z.B. BIPoC mit Behinderungserfahrungen sich als ein vielschichtiges und widersprüchliches Forschungsfeld darstellt. Dabei zeigt sich die epistemische Gewalt als konstitutiver Bestandteil der Kolonialität des Wissens (zusammenfassend dazu siehe: Afeworki Abay & Soldatic, 2023b). Der Fokus der intersektionale Analyse liegt daher auf die vielfältigen Mechanismen epistemischer Gewalt der eurozentristischen Wissensproduktion an der Schnittstelle Behinderung und Migration/Flucht sowie damit zusammenhängenden kulturalisierenden Zuschreibungsprozesse.
... 2022; Korntheuer et al., 2021). In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass Forschen über Vulnerabilität von gesellschaftlich marginalisierten Gruppen in einem konstitutiven Spannungsverhältnis zwischen Rekonstruktion von Agency und Reproduktion von Vulnerabilitätszuschreibungen im Sinne von Viktimisierung verstrickt bleibt (mehr zu dieser komplexen Debatte siehe insbesondere: Butler, 2016;Butler et al., 2016;Mackenzie et al., 2014;Mehring, 2022;Mik-Meyer & Silverman, 2019;Schmitt, 2019;Utas, 2005;Yeo & Afeworki Abay, 2023). Vor dem Hintergrund dieser epistemologischen Erkenntnisse entwickelte Mats Utas (2005) das Konzept ›Victimcy‹, um die bestehende Dichotomie zwischen Vulnerabilität und Agency zu überwinden und auf ihre wechselseitigen Beziehungen hinzuweisen: ...
Chapter
Full-text available
Intersektionalität als einer der grundlegenden emanzipatorischen, politischen und wissenschaftlichen Zugänge des Black Feminism und der Critical Race Theory (Crenshaw, 1989, 1995; Eggers & Mohamed, 2014; Hill Collins, 1990; Nash, 2019) steht zunehmend im diversitätspolitischen Kontext vor der Herausforderung, ihre emanzipatorischen Projekte vor neoliberalen Vereinnahmungen durch die zunehmend hegemonial und performativ werdende Gleichstellungspolitik zu bewahren. Dabei stellen sich auch die Fragen nach der Repräsentation politischer Kämpfe marginalisierter Communities sowie der Relevanz von Diversifizierungs- und Dekolonisierungsprozessen im Sinne transformativer intersektionaler Gerechtigkeit. Ausgehend von dieser postkolonialen Kritik an der eurozentristischen Rezeption von Intersektionalität wird in diesem Unterkapitel das theoretisch-analytische Konzept Decolonial Intersectionality vorgestellt, welches viele wichtigen Möglichkeiten bietet, um postkoloniale und intersektionale Forschungszugänge zusammenzuführen. Dabei wird die Relevanz des Konzepts herausgearbeitet, um den bereits beschriebenen Problemstellungen und methodologischen Herausforderungen theoretischer und empirischer Intersektionalitätsforschung Rechnung zu tragen und die Forschungsfragen der vorliegenden Arbeit zu bearbeiten.
... 2022; Korntheuer et al., 2021). In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass Forschen über Vulnerabilität von gesellschaftlich marginalisierten Gruppen in einem konstitutiven Spannungsverhältnis zwischen Rekonstruktion von Agency und Reproduktion von Vulnerabilitätszuschreibungen im Sinne von Viktimisierung verstrickt bleibt (mehr zu dieser komplexen Debatte siehe insbesondere: Butler, 2016;Butler et al., 2016;Mackenzie et al., 2014;Mehring, 2022;Mik-Meyer & Silverman, 2019;Schmitt, 2019;Utas, 2005;Yeo & Afeworki Abay, 2023). Vor dem Hintergrund dieser epistemologischen Erkenntnisse entwickelte Mats Utas (2005) das Konzept ›Victimcy‹, um die bestehende Dichotomie zwischen Vulnerabilität und Agency zu überwinden und auf ihre wechselseitigen Beziehungen hinzuweisen: ...
Chapter
Full-text available
Wenngleich Ableism und Rassismus im Hinblick gesellschaftliche Strukturen fortbestehender Segregation und institutionalisierter Diskriminierung ähnliche Mechanismen der Exklusion darstellen, Parallelen und Wechselwirkungen zwischen den beiden Herrschaftsverhältnissen wurden im deutschsprachigen Raum bislang nur selten als Ausdruck einer machvollen, gesellschaftlichen Praxis der Differenzierung, Hierarchisierung und Diskriminierung intersektional begriffen. Vor diesem Hintergrund wird in diesem Abschnitt diskutiert, weshalb die kritische Analyse sozialer Ungleichheitsverhältnisse an der Schnittstelle Behinderung und Migration/Flucht einer kategorienübergreifenden, intersektionalen Betrachtung des wechselwirkenden Verhältnisses zwischen Rassismus und Ableism erfordert. Dabei wird die bestehende Praxis theoretischer und analytischer Trennung der vielfältigen Verwobenheiten der beiden Herrschaftsverhältnisse überschritten und die Wirkmächtigkeit institutioneller Diskriminierungen von BIPoC mit Behinderungserfahrungen in den Vordergrund gerückt. Trotz der vielen Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten zwischen Ableism und Rassismus, ist es allerdings wichtig zu betonen, dass die beiden Herrschaftsverhältnisse sich weder aufeinander reduzieren noch gleichsetzen lassen. Vielmehr geht es hierbei darum, die entfernten Verwandtschaften zwischen Ableism und Rassismus sowie die damit einhergehenden, verwobenen strukturellen Ausgrenzungs- und Exklusionsmechanismen in einem intersektionalen Kontext herauszuarbeiten.
... 2022; Korntheuer et al., 2021). In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass Forschen über Vulnerabilität von gesellschaftlich marginalisierten Gruppen in einem konstitutiven Spannungsverhältnis zwischen Rekonstruktion von Agency und Reproduktion von Vulnerabilitätszuschreibungen im Sinne von Viktimisierung verstrickt bleibt (mehr zu dieser komplexen Debatte siehe insbesondere: Butler, 2016;Butler et al., 2016;Mackenzie et al., 2014;Mehring, 2022;Mik-Meyer & Silverman, 2019;Schmitt, 2019;Utas, 2005;Yeo & Afeworki Abay, 2023). Vor dem Hintergrund dieser epistemologischen Erkenntnisse entwickelte Mats Utas (2005) das Konzept ›Victimcy‹, um die bestehende Dichotomie zwischen Vulnerabilität und Agency zu überwinden und auf ihre wechselseitigen Beziehungen hinzuweisen: ...
Chapter
Full-text available
Die voranschreitende Geopolitik geht mit komplexen Formen epistemischer Gewalt eurozentristischer Wissensordnungen einher. Diese zeigt sich auch in der Weitertradierung komplexitätsreduzierender Wissensproduktion sowohl über Behinderung als auch über Migration/Flucht: Es wird wiederholt über die Betroffenen, statt mit ihnen gesprochen. Robel Afeworki Abay widmet sich der Diskriminierung und Teilhabe an Erwerbsarbeit von BIPoC mit Behinderungserfahrungen und beleuchtet aus postkolonialen und intersektionalen Perspektiven die Zugangsbarrieren und Bewältigungsressourcen der Betroffenen. In seiner partizipativen Studie legt er dar, dass epistemische Gewalt hierbei als konstitutiver Bestandteil der Kolonialität des Wissens fungiert.
... 2022; Korntheuer et al., 2021). In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass Forschen über Vulnerabilität von gesellschaftlich marginalisierten Gruppen in einem konstitutiven Spannungsverhältnis zwischen Rekonstruktion von Agency und Reproduktion von Vulnerabilitätszuschreibungen im Sinne von Viktimisierung verstrickt bleibt (mehr zu dieser komplexen Debatte siehe insbesondere: Butler, 2016;Butler et al., 2016;Mackenzie et al., 2014;Mehring, 2022;Mik-Meyer & Silverman, 2019;Schmitt, 2019;Utas, 2005;Yeo & Afeworki Abay, 2023). Vor dem Hintergrund dieser epistemologischen Erkenntnisse entwickelte Mats Utas (2005) das Konzept ›Victimcy‹, um die bestehende Dichotomie zwischen Vulnerabilität und Agency zu überwinden und auf ihre wechselseitigen Beziehungen hinzuweisen: ...
Chapter
Full-text available
Dieses Unterkapitel befasst sich mit diskursiven Konstruktions- und Repräsentationsweisen von BIPoC mit Behinderungserfahrungen auseinander und zeigt Möglichkeiten der Sichtbarkeit ihrer subjektiven Perspektiven mittels partizipativer Forschung auf. Dabei werden die hegemoniale Wissensproduktion über Behinderung und Migration/Flucht in der Fluchtmigrationsforschung und in den Disability Studies sowie damit einhergehenden kulturalisierenden Zuschreibungspraktiken gegenüber BIPoC mit Behinderungserfahrungen in den Blick genommen und Potenziale der daraus resultierenden, dekolonialen Interventionen emanzipatorisch-partizipativer Forschungszugänge aufgezeigt. Hierbei sind die betroffenen Personen und Communities innerhalb des Forschungsprozesses aktiv und gleichberechtigt zu beteiligen. Hiermit verbunden ist die Grundüberzeugung, dass die betroffenen Personen und Communities nicht nur als Expert*innen der eigenen Orientierungen und Handlungen, sondern auch als Subjekte des Forschungsprozesses anerkannt werden müssen, damit lebensweltliches Wissen zur Stärkung ihrer vielfältigen Ressourcen und selbstbestimmten Teilhabe generiert werden kann. Ausgehend von einem machtkritischen und dekolonialen Partizipationsverständnis werden die in der empirischen Studie beteiligten Personen im Rahmen der vorliegenden Arbeit als Forschungspartner*innen bezeichnet, um ihre kontinuierliche und aktive Mitwirkung im gesamten Forschungsprozess anzuerkennen. Mit der Anpassung des Begriffs lassen sich jedoch die existierenden Machthierarchien zwischen den akademisch Forschenden und beteiligten Forschungspartner*innen weder negieren noch vollständig auflösen. Entsprechend werden diese im gesamten Verlauf des partizipativen Forschungsprozesses explizit in den Blick genommen, kritisch reflektiert und je nach Möglichkeit abgebaut. Einen Schwerpunkt bildet dabei der dekoloniale Aufruf zur Reflexion der eigenen Standortgebundenheit und Positionalität der Forschenden, um die damit verbundenen Verstrickungen in die Reproduktion geopolitischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Machtverhältnisse in einem kritisch-reflexiven Forschungsprozess besonders in den Fokus zu stellen.
Chapter
Full-text available
Die voranschreitende Geopolitik geht mit komplexen Formen epistemischer Gewalt eurozentristischer Wissensordnungen einher. Diese zeigt sich auch in der Weitertradierung komplexitätsreduzierender Wissensproduktion sowohl über Behinderung als auch über Migration/Flucht: Es wird wiederholt über die Betroffenen, statt mit ihnen gesprochen. Robel Afeworki Abay widmet sich der Diskriminierung und Teilhabe an Erwerbsarbeit von BIPoC mit Behinderungserfahrungen und beleuchtet aus postkolonialen und intersektionalen Perspektiven die Zugangsbarrieren und Bewältigungsressourcen der Betroffenen. In seiner partizipativen Studie legt er dar, dass epistemische Gewalt hierbei als konstitutiver Bestandteil der Kolonialität des Wissens fungiert.
Article
Full-text available
Der Beitrag übersetzt die Anliegen des menschenrechtlichen Verständnisses von Inklusion in einen Analyserahmen für die Fluchtforschung. Anhand eines Forschungsprojekts zum Thema „Flucht und Inklusion – Historische und zeitgenössische Analysen zur Teilhabe von Geflüchteten“ verdeutlicht er die Perspektive junger Geflüchteter in Deutschland auf ihre Schul- und Bildungssituation. Zentrales Ergebnis ist, dass die Beschulung der Logik von Integration, nicht von Inklusion folgt. Die Ergebnisse knüpfen an Erkenntnisse zur Beschulung der Kinder von Migrant_innen in der Vergangenheit an und rekonstruieren Formen der Separierung als pfadabhängige Umgangsweise mit Migration in Deutschland. Der Beitrag plädiert für eine Zusammenführung der Diskussionen zu Inklusion in den pädagogischen Teildisziplinen und eine Inklusionspädagogik, welche Teilhabeprozesse aus Akteur_innensicht beforscht und Räume der Teilhabe gestaltet.
Article
Full-text available
Unaccompanied asylum-seeking children are noted at times to be silent or circumspect about their origins and circumstances when faced with authority figures, including social workers. Using some key ideas from ethnography and narrative therapy, this article examines existing literature on silence in the lives of unaccompanied minors, and on how the choices they make about talking and not talking can hinder or facilitate resettlement. It then describes a small research study within which interviews were undertaken with local authority social workers to elicit their responses to unaccompanied minors in such circumstances. These revealed that practitioners understood the children’s silence in varied ways, and that they could be practically helpful, therapeutically minded and reliable companions, accompanying the young people towards resettlement, with or without knowing the detailed ‘truth’ about their past
Article
Full-text available
Many young refugees face significant difficulties in securing support from social services providers. This study invited 21 young refugees aged 16 to 21 to take part in focus groups and follow-up interviews about their experiences of accessing this support. The findings reveal that young refugees may deliberately conform to expectations about their vulnerability in order to benefit from greater support from service providers. Social workers may fail to consider young refugees' abilities and understand the ways in which each individual is vulnerable. The study suggests that group work may be an effective way to engage young refugees to overcome this.
Book
Lampedusa ist zum zentralen Symbol undokumentierter Mobilität im Mittelmeer und der europäischen Grenzen der Gastfreundschaft geworden. Heidrun Friese gibt Einblick in historische Semantiken der Gastfreundschaft und Perspektiven der Kulturwissenschaft sowie der Philosophie und konfrontiert diese mit den Praktiken der Aufnahme von Bootsflüchtlingen. Deutlich wird, dass Mobilität, die Deklaration des permanenten Ausnahmezustands und die Migrationsindustrie einen transnationalen politischen Raum schaffen, in dem sich Interessen, Dissens und Partizipation artikulieren. An der Schnittstelle zwischen Anthropologie und Kulturwissenschaft verbindet die Studie langjährige Feldforschung und dichte Beschreibung mit jüngsten Diskussionen um Gastfreundschaft und plädiert für einen lokalisierten Kosmopolitismus.
Article
Transnational migration – a durable solution? Saharawi refugees between agency and vulnerability. Abstract Recently, scholars have advocated transnationalism as a viable and durable solution to displacement, stating that transnational mobility and networks have become an important means of sustaining refugees and, thus, increasing their agency. Drawing on the case of the Saharawi refugee camps, one of the most protracted refugee situations worldwide, this paper takes a critical approach to these assumptions. First, it shows that while transnational migration may strengthen refugees’ agency it is also accompanied by new vulnerabilities. Second, it is argued that favouring transnational migration as a “durable” solution risks normalising the status quo of the Saharawi’s protracted displacement, instead of engaging with solutions for the Western Sahara conflict itself; that is, ending the Moroccan occupation and decolonising Western Sahara. Keywords: agency, durable solutions, impeded decolonisation, refugees’ transnational migration, Saharawi refugee camps, Western Sahara confl ict, vulnerability ----- Schlagwörter: dauerhafte Lösungen, Handlungsfähigkeit, saharauische Flüchtlingslager, transnationale Migration von Flüchtlingen, verhinderte Dekolonisierung, Vulnerabilität, Westsahara-Konflikt
Article
The proliferation of more restrictive border controls governing global mobility provides important sites of crystallization through which differentiated and stratified rights to movement are produced, negotiated, and reimagined. One such form, the detention of migrants, is often understood through a logic of exception as the exclusion of unwanted migrants from the borders of the political community. Critical scholarship on detention informed by an autonomous migration perspective suggests a more nuanced reading of detention as the differential inclusion of migrants through positions of precariousness, transformations of legal statuses and subjectivities, and control over the direction and temporality of migratory flows. Building on this trajectory, this paper argues that the very meaning of the camp also needs to be brought into the analysis of a politics of migration and of control. For spaces of detention are sites of contestation that can be used by migrants (and those in solidarity with them) as resources to navigate border controls, reimagine political community and subjectivities and through which migrants engage in practices of citizenship. Reflecting on the destruction of the migrant camps in and around Calais, the paper examines three different images of the camp space known as ‘the jungle’ and draws attention to camp spaces as social and political spaces, in which the struggles to define them are an integral part of what is at stake in the struggle between a politics of control and a politics of migration.
Information to go: Kommunikation im Prozess der Migration am Beispiel syrischer und irakischer Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Deutschland
  • Anke Fiedler
Fiedler, Anke: Information to go: Kommunikation im Prozess der Migration am Beispiel syrischer und irakischer Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Deutschland, Global Media Journal 1/2016 (https://www.dbthueringen.de/servlets/MCRFileNodeServlet/dbt_derivate_00035504/GMJ11_Fiedler.pdf; abgerufen am 31.01.2019)
Eine empirische Studie auf der Grundlage des Agency-Konzepts
  • Dorothee Geiger
Geiger, Dorothee: Handlungsfähigkeit von geduldeten Flüchtlingen. Eine empirische Studie auf der Grundlage des Agency-Konzepts. Wiesbaden 2016
Ebenen der Textanalyse narrativer Agency-Konstruktionen. In: Bethmann, Stephanie; Helfferich, Cornelia; Hoffmann, Heiko; Niermann, Debora (Hrsg.): Agency. Qualitative Rekonstruktionen und gesellschaftstheoretische Bezüge von Handlungsmächtigkeit
  • Lucius-Hoene
Lucius-Hoene, Gabriele: ‚Und dann haben wir's operiert'. Ebenen der Textanalyse narrativer Agency-Konstruktionen. In: Bethmann, Stephanie; Helfferich, Cornelia; Hoffmann, Heiko; Niermann, Debora (Hrsg.): Agency. Qualitative Rekonstruktionen und gesellschaftstheoretische Bezüge von Handlungsmächtigkeit. Weinheim 2012