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42 www.avronline.de
avr – Allgemeiner Vliesstoff-Report 6/2015
Research & Development
Prof. Jehle (links) und Jan Freudenberg, Hochschule Reutlingen,
im Bereich der Faseraufbereitung.
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Prof. Jehle (left) and Jan Freudenberg, University of Reutlingen,
Germany, in the fi ber preparation segment.
Und er meinte damit die jüngst in-
stallierte Nassvliespilotanlage NVLA
53 der Firma Pill Nassvliestechnik (NVT),
sein „Forschungsleuchtturm“, mit dem
man spannende Zukunftsthemen meistern
könne.
Im Gespräch mit avr erklären Prof. Jehle
und Helmuth Pill, was die Anlage so drauf
hat, die Einzige übrigens, die europaweit
an einer Hochschule/Universität läuft.
Mit welchen Forschungsprojekten kann
sich das Zentrum dank der Installation
im Einzelnen beschäftigen und welche
Bedeutung haben Partner wie die Firma
Pill für Ihre Forschungsvorhaben?
Volker Jehle: Die Hochschule Reutlingen
beschäftigt sich seit 25 Jahren mit der
Nassvliestechnologie in Lehre und For-
schung. Dank der Unterstützung der Pill
NVT konnte eine neue hochfl exible Schräg-
siebanlage für das Lehr- und Forschungs-
zentrum errichtet werden. Mit dieser sind
wir nun in der Lage, technische und funk-
tionale Vliese aus jeglichen Faserstoffen
in ein- und zweilagiger Ausführung in einer
Breite von 30 cm herzustellen. Hiermit kön-
nen wir heute Nassvliese und deren Pro-
dukte von den ersten Machbarkeitstests
bis zur Serienreife untersuchen und reali-
sieren.
Das Forschungsspektrum ist riesig, vom
einlagigen Filter über Faserverbundbau-
teile aus Hochleistungsfasern bis zum hy-
briden zweilagigen Vlies mit sensorisch
aktiven Eigenschaften ist nahezu alles
machbar. Momentan beschäftigen wir uns
vor allem mit Faserverbundstoffen aus re-
cycelten und neuen Hochleistungsfasern
wie Karbon, Keramik und Mikroglas. Als
Beispiel sei hier das Projekt CARE ge-
nannt, das sich mit der Entwicklung von
Faserverbundprofi len mit recyclierten Kar-
bonfasern aus Nassvliesen beschäftigt, die
für den Einsatz im Bereich thermostabiler
Maschinen- bzw. Konstruktionselementen
gedacht sind. Jedoch gibt es auch schon
grundlegende Ideen für sensorische
Vliese. Allgemein sind Aufbau und Betrieb
eines solchen Zentrums ohne die Partner-
schaft mit der Industrie nicht denkbar.
Dank der langjährigen Expertise von
Helmuth Pill sind wir in der Lage, in der
Lehre und Forschung die Potenziale der
Nassvliestechnik besser zu nutzen. Durch
die gemeinsame Kooperation können wir
hier an der Hochschule zum einen eine
schlagkräftige Forschungsexpertise und
-ressource der Industrie in Deutschland
bzw. Europa anbieten und zum anderen
Absolventen ausbilden, die die nahezu
unbegrenzten Möglichkeiten der Nass-
vliestechnik kennenlernen und damit der
Industrie zur Verfügung stehen.
Die Nassvliestechnik ermöglicht den
Einsatz von fast allen vorkommenden
Fasersorten: von in der Papierindustrie
üblichen und exotischen Cellulosefa-
sern bis zu Hightech- und Edelstahlfa-
sern. Mit ihr lassen sich technische In-
novationen in funktionale Produkte um-
setzen. Wie weit ist das Feld der Nass-
vliestechnik? Wie sieht ihre Zukunft aus?
Helmuth Pill: Wie Professor Jehle bereits
ausgeführt hat, ist das Feld der Nassvlies-
technik heute bereits sehr umfangreich. In
naher Zukunft wird der Bereich der Hoch-
leistungsfasern wie Keramik, Karbon und
Mikroglas für neue Batteriegenerationen
ein Thema werden. So kann diese Technik
durch ihre einzigartige schonende, gleich-
mäßige und staubfreie Vliesbildung bei der
Verarbeitung von recycelten Fasern eine
wichtige Rolle spielen.
Für diese Fasern muss jetzt begonnen
werden, auch Elemente der Nassvliestech-
nologie weiter voranzubringen sowie die
Leuchtturm NVLA
„Wir etablieren die Nassvliestechnik in Reutlingen“, verkündete Prof. Dr. Volker Jehle, Leiter des Lehr-
und Forschungszentrums für Interaktive Materialien an der Hochschule Reutlingen gegenüber avr.
damit mögliche Produktentwicklung vor-
anzutreiben, um den steigenden Verbrauch
dieser Fasern und damit die Wiederver-
wertung in Zukunft zu gewährleisten. Eine
zweite Richtung für interaktive Materialien
wird die Entfaltung solcher Materialien
aus mehrlagigen Vliesen sein. Funktionelle
Schichten für sensorische oder energie-
gewinnende Eigenschaften sind das Ziel.
Die dritte Stufe ist die Verbindung von ver-
schiedenen Techniken in einer Linie für
mehrlagige Vliesstoffe in Sandwiches für
neue Materialkombinationen, die in einem
Arbeitsgang hergestellt werden.
Wissen weitergeben
Helmuth Pill steht als Anlagenbauer, mit
einer großen Portion Know-how und For-
schergeist für Maschinenbau und Anwen-
dungsvielfalt, hinter einer Technologie mit
hohem Innovationspotenzial. Weil das auf
nassem Wege hergestellte Vlies Zukunft
hat, möchte er all sein Wissen weitergeben
und ist jetzt auch Gastdozent an der Fach-
hochschule Reutlingen. Sie ist die erste
Hochschule in Europa, bei der auch Nass-
vliestechnik an einer Anlage gelehrt wird.
Das gemeinsame Ziel „Wir etablieren die
Nassvliestechnik in Reutlingen“ ist also
umgesetzt worden. |