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DIW Wochenbericht 27
2019
Zwei Drittel aller älteren Mieterhaushalte in Deutschland geben mindestens 30 Prozent ihres Einkommens für
Wohnen aus
7 %9 %
21 %
25 %3 8 % gaben 30 bis 39,9 Prozent aus
gaben 20 bis 29,9 Prozent aus
gaben 10 bis 19,9 Prozent aus
gaben unter 10 Prozent aus
gaben 2016 40 Prozent und mehr des
Haushaltseinkommens fürs Wohnen aus ältere Mieterhaushalte
©
DIW Berlin 2019Quelle: SOEPv33.1, DOI: 10.5684/soep.v33.1. Privathaushalte mit Referenzperson im Alter ab 65 Jahren.
MEDIATHEK
Audio-Interview mit Laura Romeu Gordo und Markus M. Grabka
www.diw.de/mediathek
ZITAT
„Immer mehr Ältere leben in der eigenen Immobilie, gerade bei den Haushalten mit
hohen Einkommen. Im unteren Einkommenssegment überwiegen weiterhin die Mieter-
innen und Mieter, und sie sehen sich mit steigenden Wohnkosten konfrontiert – viel
mehr, als das bei Eigentümerhaushalten der Fall ist.“
— Laura Romeu Gordo, Studienautorin —
AUF EINEN BLICK
Immer mehr ältere Haushalte sind von
steigenden Wohnkosten schwer belastet
Von Laura Romeu Gordo, Markus M. Grabka, Alberto Lozano Alcántara, Heribert Engstler und Claudia Vogel
• Immer mehr Ältere leben in Wohneigentum
• Die Wohnkosten haben bei MieterInnen einen weitaus größeren Anteil am Einkommen als
bei EigentümerInnen
• Die Wohnbelastung ist in den vergangenen 20 Jahren bei allen deutlich angestiegen, bei
Mieterhaushalten aber erheblich stärker
• Bei zwei Drittel aller älteren Mieterhaushalte liegt die Wohnkostenbelastung über 30 Prozent
• Notwendig ist eine Ausweitung des Sozialwohnungsbaus orientiert an den Bedürfnissen
älterer Menschen
468 DIW Wochenbericht Nr. 27/2019 DOI: https://doi.org/10.18723/diw_wb:2019-27-1
ABSTRACT
In diesem Wochenbericht wird die Entwicklung der Wohn-
kostenbelastung von Haushalten mit einer Referenzperson
ab 65 Jahren in Deutschland seit 1996 untersucht. Vor allem
Mieterhaushalte sind von der starken Zunahme dieser Kosten
betroffen. Im Ergebnis hat sich in dieser Altersgruppe der
Anteil der Mieterhaushalte, die eine Mietbelastungsquote
(einschließlich aller Nebenkosten) von mehr als 30 Prozent
aufweisen, von 38 Prozent auf 63 Prozent im Jahr 2016 stark
erhöht. Je niedriger das Haushaltsnettoeinkommen ist, desto
höher ist die Mietbelastungsquote. Auch Alleinlebende weisen
eine überdurchschnittliche Mietbelastung auf. Gleichzeitig ist
die Zahl der Eigentümerhaushalte unter den älteren Personen
mit höheren Einkommen gestiegen, wobei deren Wohnkosten
relativ gering im Vergleich zu denen von MieterInnen ausfal-
len. In Deutschland ist es damit zu einer doppelten Polarisie-
rung bei älteren Menschen gekommen: Einerseits findet eine
Ausdifferenzierung nach Eigentumsform (Miete vs. Eigentum)
statt und gleichzeitig ist die Wohnkostenbelastung gerade
bei Mieterhaushalten stark gestiegen. Die Politik ist daher
gefordert, neben Verbesserungen beim Wohngeld auch die
Förderung des sozialen Wohnungsbaus im Hinblick auf die
Bedürfnisse insbesondere einkommensschwacher älterer
MieterInnen anzupassen.
Längst sind von einem Anstieg der Wohnkosten potenziell
nicht mehr nur Mieterhaushalte
1
betroen, die eine neue
Wohnung beziehen, sondern auch BestandsmieterInnen,
deren Wohnkosten etwa aufgrund von Modernisierungs-
maßnahmen oder von regelmäßigen Mieterhöhungen (zum
Beispiel Staelmieten) steigen. Ältere wechseln zwar selte-
ner die Wohnung als jüngere Mieterhaushalte; sie sind aber
vermutlich nicht seltener von einem Anstieg der Wohnkos-
ten betroen, denn sie leben überdurchschnittlich häufig in
Objekten, bei denen Sanierungs- und Modernisierungsmaß-
nahmen durchgeführt werden. Zudem sind ältere Mieter-
haus halte ebenso wie jüngere von den überdurchschnitt-
lichen Anstiegen der Nebenkosten, die zum Beispiel für
Heizung anfallen, der letzten 15Jahre betroen. In diesem
Wochenbericht wird die Wohnkostenbelastung bei Älteren
und ihre Entwicklung seit Mitte der Neunziger Jahre unter-
sucht. Empirische Grundlage sind die vom DIW Berlin in
Zusammenarbeit mit Kantar Public erhobenen Daten des
Sozio-oekonomischen Panels (SOEP)2 sowie die Daten des
Deutschen Alterssurveys (DEAS), einer Langzeitstudie des
Deutschen Zentrums für Altersfragen (DZA) (Kasten).
3
Betrachtet werden im Folgenden Privathaushalte mit einer
Referenzperson im Alter ab 65Jahren.4
Wohnkosten sind um einiges schneller gestiegen
als Renteneinkommen
Sowohl die Immobilienpreise als auch die Mieten in Deutsch-
land sind in den letzten Jahren stark gestiegen. So haben sich
1 Die Bezeichnung Mieterhaushalte und Eigentümerhaushalte wird aus Gründen der sprachlichen
Vereinfachung unabhängig von der Anzahl und dem Geschlecht der Haushaltsmitglieder verwendet.
2 Das SOEP ist eine repräsentative jährliche Wiederholungsbefragung privater Haushalte, die seit
1984 in Westdeutschland und seit 1990 auch in Ostdeutschland durchgeführt wird; vgl. Jan Goebel et al.
(2019): The German Socio-Economic Panel (SOEP). Journal of Economics and Statistics, 239(2), 345–360,
DOI: https://doi.org/10.1515/jbnst-2018-0022.
3 Der Deutsche Alterssurvey (DEAS) ist eine repräsentative Quer- und Längsschnittbefragung von Per-
sonen ab 40 Jahren, die seit 1996 im dreijährigen (vor 2008 im sechsjährigen) Abstand durchgeführt wird.
Vgl. Daniela Klaus et al. (2017): Cohort Profile: The German Ageing Survey (DEAS). International Journal
of Epidemiology, 46(4), 1105–1105, DOI: 10.1093/ije/dyw326. Die Studie wird gefördert vom Bundes-
ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Die Datenerhebung erfolgt durch das
infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft, Bonn.
4 Die Referenzperson ist die Person, die Antworten zum Haushaltsfragebogen gemacht hat. Analog
dazu werden aus dem Deutschen Alterssurvey (DEAS) nur Personen im Alter ab 65 Jahren einbezogen.
Immer mehr ältere Haushalte sind von
steigenden Wohnkosten schwer belastet
Von Laura Romeu Gordo, Markus M. Grabka, Alberto Lozano Alcántara, Heribert Engstler und Claudia Vogel
WOHNKOSTEN VON ÄLTEREN
469DIW Wochenbericht Nr. 27/2019
WOHNKOSTEN VON ÄLTEREN
von 2005 bis 2017 die Angebotsmieten
5
im Durchschnitt um
knapp 29Prozent erhöht.6 Die Alterseinkommen entwickel-
ten sich wesentlich schwächer (Abbildung1). Der durch-
schnittliche Zahlbetrag der Gesetzlichen Rentenversiche-
rung (GRV), die quantitativ wichtigste Einkommensquelle
im Alter, betrug im Jahr 2005 im Rentenbestand 666Euro
und im Jahr 2017 802Euro.
7
Das bedeutet einen Anstieg
von nur 20Prozent, der erheblich unter der Entwicklung
der Immobilien- und Mietpreise liegt. Parallel dazu wächst
die Armutsrisikoquote8 von Personen ab 65. In der Alters-
gruppe der 65- bis 74-Jährigen lag die Quote im Jahr 2006
noch bei elf Prozent, im Jahr 2016 betrug sie 13,4Prozent.9
Die unterschiedliche Entwicklung der Renten und der Ange-
botspreise von Immobilien führt dazu, dass es für einen
wachsenden Anteil der Bevölkerung ab 65Jahren schwieriger
wird, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Allerdings sind
nicht alle Personengruppen in gleicher Weise von dieser Ent-
wicklung betroen. Erstens ist die Entwicklung der Immo-
bilienpreise und Mieten nicht in allen Regionen gleich. Die
Preise steigen in Großstädten im Vergleich zu ländlichen
Regionen besonders stark.10 Zweitens wirkt sich die Wohn-
kostenentwicklung unterschiedlich nach Eigen tümer status
aus. Während EigentümerInnen von steigenden Immobilien-
preisen profitieren können, müssen Mieter Innen entspre-
chend mehr für das Wohnen zahlen. Zwar sind die jenigen
mit älteren Mietverträgen, die nicht umziehen müssen, von
dieser Entwicklung nicht zwingend betroen. Hauptsächlich
MieterInnen, die durch einen Umzug oder eine Anpassung
ihrer Mietverträge mit höheren Kosten konfrontiert sind,
werden höhere Wohnkostenbelastungen haben.11
Zunehmend viele ältere Haushalte mit höheren
Einkommen sind Eigentümer
In den letzten 20Jahren ist der Anteil von Mieterhaushalten
unter den untersuchten Haushalten stark zurückgegangen:
von 56Prozent (1996) auf 45Prozent (2016) (Abbildung2).12
Sortiert man alle Haushalte nach der Höhe des aktuellen
5 Die Angebotsmieten sind vor allem für ältere MieterInnen relevant, denn sie ziehen deutlich häufiger
um als ältere EigentümerInnen. Darüber hinaus ist die Wohnmobilität bei den unter 70-Jährigen höher als
bei Personen im Alter von 70 und mehr Jahren (Vgl. Martin Kohli, Harald Künemund und Claudia Vogel
(2008): Staying or moving? Housing and residential mobility. In Axel Börsch-Supan et al. (Hrsg.): Health,
ageing and retirement in Europe (2004-2007). Starting the longitudinal dimension. Mannheim Research
Institute for the Economics of Aging (MEA), Mannheim, 108–113).
6 Vgl. Empirica Preisdatenbank (2019) (online verfügbar, abgerufen am 13. Juni 2019. Dies gilt soweit
nicht anders vermerkt auch für alle anderen Onlinequellen in diesem Bericht).
7 Deutsche Rentenversicherung Bund (2018): Rentenversicherung in Zeitreihen. DRV-Schriften,
Band 22, Oktober 2018 (online verfügbar).
8 Vgl. Definition von Armut im DIW Glossar (online verfügbar).
9 Vgl. Markus M. Grabka, Jan Goebel und Stefan Liebig (2019): Wiederanstieg der Einkommensungleichheit –
aber auch deutlich steigende Realeinkommen. DIW Wochenbericht Nr. 19, 343–353 (online verfügbar).
10 Vgl. Christian Westermeier und Markus M. Grabka (2017): Zunehmende Polarisierung der Immobilien-
preise in Deutschland bis 2030. DIW Wochenbericht Nr. 23, 451–459 (online verfügbar).
11 Laut eigenen Berechnungen mit dem SOEP (v33.1) leben 33 Prozent der Mieterhaushalte mit einer
Referenz person ab 65 Jahren im Jahr 201 6 seit maximal zehn Jahren in der aktuellen Wohnung.
12 Entsprechend hat der Anteil der EigentümerInnen einer selbst genutzten Immobilie zugenommen.
Befunde des Deutschen Alterssurveys (DEAS) belegen zudem, dass der Anstieg der Wohneigentums-
quote in Ostdeutschland deutlich stärker ausgefallen ist (zwischen 1996 und 2014) als in Westdeutsch-
land; vgl. Sonja Nowossadeck und Heribert Engstler (2017): Wohnung und Wohnkosten im Alter. In:
Katharina Mahne et al. (Hrsg.): Altern im Wandel. Zwei Jahrzehnte Deutscher Alterssurvey. Wiesbaden:
Springer VS, 287–300.
Abbildung 2
Anteil von Mieterhaushalten mit einer Referenzperson ab 65
Jahren nach Einkommensquintilen
In Prozent
0
10
20
30
40
50
60
70
1. Quintil 2. Quintil 3. Quintil 4. Quintil 5. Quintil Haushalte
ab 65 Jahren
1996 2006 2016
66
50
40
35
27
45
Mieterhaushalte 65+
Quelle: SOEPv33.1, DOI: 10.5684/soep.v33.1. Privathaushalte mit Referenzperson im Alter ab 65 Jahren. Einkommensquintile
gebildet auf Basis aktueller Haushaltsnettoeinkommen, bedarfsgewichtet mit der modifizierten OECD-Skala.
Haushalte mit Miete=0 eingeschlossen (elf Prozent aller Mieterhaushalte).
© DIW Berlin 2019
Je geringer die Einkommensposition, desto höher der Mieteranteil.
Abbildung 1
Entwicklung der Rentenzahlbeträge und der Angebots-
Mietpreise in Deutschland
2005 bis 2017 (2005=100)
95
100
105
110
115
120
125
130
135
2005 2006 20 07 2008 2009 2010 20 11 2012 2013 2014 20 15 2016 2017
Zahlbeträge GRV- Renten
Mieten
Quelle: Empirica-Preisdatenbank 2019, Deutsche Rentenversicherung Bund 2018, alle Rentenarten.
© DIW Berlin 2019
Die Angebotsmieten sind deutlich stärker gestiegen als die gesetzlichen Renten.
470 DIW Wochenbericht Nr. 27/2019
WOHNKOSTEN VON ÄLTEREN
bedarfsgewichteten Haushaltsnettoeinkommens und teilt
diese in fünf gleich große Gruppen ein (Quintile), zeigt sich
folgendes: Während 1996 der Anteil der Mieterhaushalte in
den ersten vier Quintilen zwischen 55 und 66Prozent vari-
ierte, lag die entsprechende Quote im obersten Quintil –mit
dem höchsten Einkommen– damals bei 43Prozent.
20Jahre später sticht der Zusammenhang klarer heraus: Je
höher das Einkommen, desto geringer der Mieteranteil. Bei
den 20Prozent der Haushalte mit dem höchsten Einkom-
men hat sich der Mieteranteil auf rund ein Viertel (27Pro-
zent) verringert.13 Das bedeutet, dass heute fast drei Viertel
der Haushalte mit den höchsten Einkommen im Alter in
selbstgenutztem Wohneigentum leben. Unverändert leben
etwa zwei Drittel der älteren Haushalte des niedrigsten Ein-
kommensquintils zur Miete.
Der weitaus größte Anteil (85Prozent) der älteren Eigen-
tümerhaushalte ist frei von Hypothekenschulden. Solch voll
entschuldetes selbstgenutztes Wohneigentum hat einen ent-
scheidenden Vorteil: Die Wohnkostenbelastung ist besonders
13 Bei dem steigenden Eigentümeranteil ist zu bedenken, dass diejenigen, die im Jahre 201 6 älter als
65 Jahre alt waren, in ihrem Erwerbsleben im früheren Bundesgebiet von dem Wirtschaftsaufschwung
nach dem Zweiten Weltkrieg profitiert haben und dadurch Vermögen in Form von Immobilienbesitz
akkumulieren konnten.
gering, denn einmal abgesehen von turnusmäßigen Instand-
haltungsmaßnahmen fallen lediglich Nebenkosten etwa für
Strom, Heizung und Wasser etc. an. Im Vergleich zu Mieter-
haushalten haben die meisten Eigentümerhaushalte somit
einen erheblichen finanziellen Vorteil.
Somit ist es zu einer Polarisierung von Haushalten mit Per-
sonen ab 65Jahren beim Wohnstatus gekommen. Je höher
das Einkommen der älteren Haushalte, desto häufiger leben
diese heute im selbst genutzten, oft entschuldeten Wohnei-
gentum und haben dadurch relativ niedrige Wohnkosten.
Niedrigeinkommenshaushalte leben dagegen häufiger zur
Miete und sind mit steigenden Mieten konfrontiert.
Die Polarisierung ist auch eine regionale. So ist die Eigen-
tümerquote in Westdeutschland deutlich höher als in Ost-
deutschland. Im Jahr 2016 besaßen im Westteil des Lan-
des 59Prozent der älteren Haushalte ihre Wohnung oder
ihr Haus, während der Anteil im Ostteil des Landes nur bei
37Prozent lag.14
14 Differenziert nach Einkommensquintilen verlief die Entwicklung nach Regionen anders. Während die
Eigentümerquote in Westdeutschland im ersten Quintil nahezu unverändert blieb, stieg sie in Ostdeutsch-
land von einem niedrigen Niveau von zehn Prozent in 1996 auf 31 Prozent in 2016. Auch im obersten Quin-
til hat die Eigentümerquote in Ostdeutschland stark zugenommen, von zwölf auf 59 Prozent. Sie liegt aber
auch bei dieser Einkommensgruppe unter dem entsprechenden Wert in Westdeutschland (73 Prozent).
Abbildung 3
Entwicklung des Haushaltsnettoeinkommens und der
Wohnkosten von Älteren nach Wohnstatus
Nominalwerte in Euro
0
500
1000
1500
2000
2500
3000
1997 1999 200 1 2003 2 005 2007 2009 2011 2013 2016
Haushaltsnettoeinkommen EigentümerInnen
Haushaltsnettoeinkommen MieterInnen
Wohnkosten (Eigentümerhaushalte 65+)
Wohnkosten (Mieterhaushalte 65+)
Quelle: SOEPv33.1, DOI: 10.5684/soep.v33.1. Privathaushalte mit Referenzperson im Alter ab 65 Jahren. Aktuelle Haushaltsnetto-
einkommen. Haushalte mit Miete=0 eingeschlossen (elf Prozent aller Mieterhaushalte). Stromkosten ab 2010 berücksichtigt.
© DIW Berlin 2019
Die Einkommen der Mieterhaushalte haben sich weitaus schwächer entwickelt als
die der Eigentümerhaushalte.
Abbildung 4
Entwicklung der Wohnkostenbelastung von Älteren
nach Wohnstatus
Wohnkosten in Prozent des Haushaltsnettoeinkommens
0
5
10
15
20
25
30
35
40
1997 1999 2001 20 03 2005 2007 2009 2011 2013 2016
Wohnkostenbelastung Eige ntümerhaushalte 65+
Wohnkostenbelastung Mieter haushalte 65+
Quelle: SOEPv33.1, DOI: 10.5684/soep.v33.1. Privathaushalte mit Referenzperson im Alter ab 65 Jahren.
Aktuelle Haushaltsnettoeinkommen. Haushalte mit Miete=0 eingeschlossen (elf Prozent aller Mieterhaus-
halte). Stromkosten ab 2010 berücksichtigt.
© DIW Berlin 2019
Die Wohnkostenbelastungsquote ist bei älteren MieterInnen höher und
zudem stärker gestiegen als bei EigentümerInnen.
471DIW Wochenbericht Nr. 27/2019
WOHNKOSTEN VON ÄLTEREN
Alleinlebende wohnen im Alter öfter zur Miete
als Paarhaushalte
Alleinlebende wohnen öfter zur Miete als Paare (Tabelle1).
15
Am höchsten ist der Anteil der Mieterhaushalte bei allein-
wohnenden Frauen im Alter ab 65Jahren. Im Jahr 2016
wohnen 57Prozent von ihnen zur Miete, und 51Prozent
der alleinwohnenden Männer. Von allen Paarhaushalten
sind nur ein knappes Drittel Mieter. Auch vor 20Jahren leb-
ten Paare seltener zur Miete als alleinwohnende Personen.
Die Wohnkostenbelastung steigt im Alter stärker
für Mieterhaushalte als für Eigentümerhaushalte
Das monatliche Nettohaushaltseinkommen der Eigen tümer-
haushalte stieg im Durchschnitt zwischen 1996 und 2016 um
ca. 836Euro nominal (51Prozent) (Abbildung3). Das Ein-
kommen der Mieterhaushalte stieg ebenfalls, aber nur um
ca. 518Euro (41Prozent). Sowohl für Eigentümer- als auch
für Mieterhaushalte stiegen in dieser Periode die Wohn-
kosten relativ stark: um 165Euro (101Prozent) für Erstere
und 241Euro (77Prozent) für Letztere. Gleichzeitig sind die
Wohnkosten der Mieterhaushalte im Durchschnitt deut
-
lich höher als die Wohnkosten der Eigentümerhaushalte.16
Die Wohnkostenbelastung17 stieg also für beide Gruppen
(Abbildung4), bei Mieter- allerdings deutlich stärker als bei
Eigentümerhaushalten. So ist die Wohnkostenbelastung für
die älteren Mieterhaushalte seit 1996 um ca. sieben Prozent-
punkte auf rund 34Prozent gestiegen und für die älteren
Eigentümerhaushalte lediglich um vier Prozentpunkte auf
rund 15Prozent. Damit önet sich die Schere: Der Unter-
schied zwischen beiden Wohnformen betrug im Jahr 1996
16Prozentpunkte und im Jahr 2016 19Prozentpunkte.
15 Andere Konstellationen, zum Beispiel Mehrgenerationenhaushalte, sind statistisch vernachlässigbar.
16 Drei Viertel des Anstiegs der Wohnkosten von Mieterhaushalten sind auf den Anstieg der Mieten zu-
rückzuführen. Verantwortlich sind auch höhere Heizkosten (13 Prozent) und andere Nebenkosten (zwölf
Prozent). Bei EigentümerInnen ist der Anstieg zum überwiegenden Teil auf höhere Heizkosten zurückzu-
führen (68 Prozent). In diesen Berechnungen wurden nicht die Stromkosten berücksichtigt, da diese Infor-
mationen erst ab 2010 vorliegen.
17 Quotient aus Wohnkosten und Haushaltsnettoeinkommen.
Immer mehr Haushalte sind von
Mietkosten überbelastet
Werden mehr als 40Prozent des Haushaltseinkommens für
Wohnkosten ausgegeben, liegt eine Überbelastung durch
Wohnkosten vor. 18 Der Anteil der älteren Mieterhaushalte
mit einer Wohnkostenüberbelastung ist seit 1996 stark gestie-
gen und lag im Jahr 2016 bei 38Prozent (Abbildung5). In
anderen Worten: Beinahe zwei Fünftel aller älteren Mieter-
haushalte leben in nicht angemessen bezahlbarem Wohn-
raum und müssen – wenn nicht ausreichend Vermögen vor-
handen ist – ihren privaten Konsum einschränken, um für
Miete und Nebenkosten aufzukommen. Vor zwanzig Jah-
ren lag der Anteil mit rund einem Fünftel noch deutlich
niedriger. Berücksichtigt man zusätzlich diejenigen Haus-
halte, deren Wohnkostenbelastung zwischen 30 und 40Pro-
zent liegt, was schon als hoch bezeichnet werden kann, sind
es im Jahr 2016 fast zwei Drittel der Mieterhaushalte, die
30Prozent und mehr ihres Einkommens allein für Wohn-
kosten aufwenden. Im Jahr 1996 traf dies nur auf etwas mehr
als ein Drittel zu. Hier kommt es also zu einer doppelten
18 Eurostat (2018): Quote der Überbelastung durch Wohnkosten nach Verstädterungsgrad (EU-SILC)
(online verfügbar).
Tabelle 1
Anteil von Mieterhaushalten mit einer
Referenzperson ab 65 Jahren nach Haushaltstyp
In Prozent
Alleinlebender
Mann
Alleinlebende
Frau Paar Alle Haushalte
1996 59 69 40 56
2006 58 63 39 51
2016 51 57 32 45
Quelle: SOEPv33.1, DOI: 10.5684/soep.v33.1. Privathaushalte mit Referenzperson im Alter ab 65 Jahren.
© DIW Berlin 2019
Abbildung 5
Wohnkostenbelastung von Älteren nach Wohnstatus
Wohnkosten in Prozent des Haushaltsnettoeinkommens
40
40
10
24
8
31
53
5
27
5
3 3 5
<10 10–19,99 20–29,99 30–39,99 ≥40
10 11 7
20
11
9
31
27
21
16
24
25
22 27 38
62
1996 2006 2016
1996 2006 2016
Mieterhaushalte 65+
Eigentümerhaushalte 65+
Quelle: SOEPv33.1, DOI: 10.5684/soep.v33.1. Privathaushalte mit Referenzperson im Alter ab 65 Jahren. Aktuelle Haushaltsnet-
toeinkommen. Haushalte mit Miete=0 eingeschlossen (elf Prozent aller Mieterhaushalte). Stromkosten ab 2010 berücksichtigt.
© DIW Berlin 2019
Im Jahr 2016 gaben beinahe zwei Drittel der Mieterhaushalte mehr als 30 Prozent
ihres Einkommens für Wohnen aus.
472 DIW Wochenbericht Nr. 27/2019
WOHNKOSTEN VON ÄLTEREN
Diesen Menschen bleiben kaum Möglichkeiten, ihr Alter-
seinkommen zu verbessern, so dass auch geringe Miet- und
Neben kosten erhöhungen zu einer finanziellen Überforde-
rung und im schlimmsten Fall zum Verlust der Wohnung
führen können.
… und für Mieterhaushalte mit niedrigen
Einkommen ebenso
Je niedriger das Haushaltseinkommen, desto höher die
Wohnkostenbelastung (Abbildung7). Diese lag beim nied-
rigsten Einkommensquintil unter den Mieterhaushalten
im Jahr 2016 bei über 40Prozent, im fünften Quintil war
sie dagegen nur halb so hoch. Das gleiche Muster ist auch
bei Eigentümerhaushalten zu beobachten, wenngleich auf
einem deutlich niedrigeren Niveau.
In eine kleinere Wohnung ziehen hilft nicht
Es stellt sich die Frage, ob ein Umzug in eine kleinere Woh-
nung die Wohnkosten reduzieren kann. Im Jahr 2016 lag
die Wohnkostenbelastung von Mieterhaushalten mit einer
Wohnfläche von weniger als 40Quadratmetern pro Per-
son bei ca. 33Prozent; bei einer Wohnfläche von 60 und
mehr Quadratmetern pro Person betrug sie etwa 39Pro-
zent (Abbildung8). Allerdings hat sich die Wohnkostenbe-
lastung seit 1996 für Mieter Innen in kleineren Wohnungen
stärker erhöht als in größeren Wohnungen. Anzunehmen
ist somit, dass es deutlich schwieriger geworden ist, durch
einen Umzug in eine kleinere Wohnung auch die Wohnkos-
tenbelastung deutlich zu reduzieren, zumal sie bei einem
Umzug den im Vergleich zu Bestandsmieten höheren Ange-
botsmieten ausgesetzt sind.
Höhere Wohnkostenbelastung für MieterInnen
in Mehrparteienwohn- und Hochhäusern
in Großstädten
Im Folgenden werden Ergebnisse einer Regressions analyse
für Mieterhaushalte präsentiert, in der für verschiedene
Faktoren der Wohnkostenbelastung gleichzeitig kontrol-
liert wird (Tabelle2). Alleinwohnende und Haushalte mit
niedrigem Einkommen haben eine höhere Wohnkosten-
belastung. Eine größere Wohnfläche führt zu einer höhe-
ren Kostenbelastung. Haushalte, die in Mehrparteienwohn-
oder Hochhäusern wohnen, haben eine höhere Belastung
als Haushalte, die in Ein- oder Zweifamilienhäusern woh-
nen. Das liegt vermutlich auch an der Konzentration von
Hochhäusern in Großstädten, wo die Mieten höher sind. Die
Gemeinde größe ist ebenfalls signifikant: Die Wohnkosten-
belastung der Mieterhaushalte ist in Städten mit mindestens
500 000Einwohner Innen höher als in kleineren Gemein-
den (<20 000). Je länger die Wohndauer, desto niedriger die
Wohnkostenbelastung, da bei lang laufenden Mietverträgen
die Miet steigerungen im Regelfall niedriger ausfallen als bei
einer Neuvermietung.20
20 67 Prozent der älteren Mieterhaushalte wohnten im Jahr 2016 seit mindestens elf Jahren in der
aktuellen Wohnung.
Polarisierung: Unter den Älteren mit niedrigen Einkommen
leben einerseits deutlich mehr zur Miete als bei den höhe-
ren Einkommen, andererseits nimmt die Wohnkostenbelas-
tung für sie spürbar zu.
Der Anteil der Eigentümerhaushalte im Alter, deren Wohn-
kosten 40Prozent des Haushaltseinkommens übersteigen,
hat seit 1996 auch zugenommen, liegt aber lediglich bei fünf
Prozent im Jahr 2016.
Für alleinlebende MieterInnen ist die
Wohnkostenbelastung besonders hoch …
Egal, ob sie zur Miete oder in der eigenen Immobilie woh-
nen, die Wohnkostenbelastung ist im Durchschnitt höher für
Einpersonenhaushalte als für Paarhaushalte (Abbildung6).
Besonders stark belastet sind alleinlebende Mieter Innen:
Ihre durchschnittliche Wohnkostenbelastung beträgt im Jahr
2016 rund 35Prozent (unabhängig vom Geschlecht), das ist
deutlich über dem Wert für Paarhaushalte (30Prozent).19
Die Situation von Personen ab 65Jahren, die alleine leben
und mehr als ein Drittel ihres Einkommens für das Woh-
nen aufwenden müssen, ist sozialpolitisch problematisch.
19 Im gleichen Zeitraum hat sich die Struktur der untersuchten Haushalte verändert. So ist der Anteil
von Männern in Einpersonenhaushalten um zehn Prozentpunkte gestiegen (von acht auf 18 Prozent), wäh-
rend der Anteil der Einpersonenhaushalte von Frauen um 15 Prozentpunkte (von 53 Prozent auf 38 Pro-
zent) gesunken ist.
Abbildung 6
Wohnkostenbelastung von Älteren nach Wohnstatus
und Haushaltstyp
Wohnkosten in Prozent des Haushaltsnettoeinkommens
0
5
10
15
20
25
30
35
40
alleinlebender
Mann
alleinlebende
Frau
alleinlebender
Mann
alleinlebende
Frau
Paar Paar
Mieterhaushalte 65+ Eigentümerhaushalte 65+
1996 2006 2016
35 36
30
16 17
13
Quelle: SOEPv33.1, DOI: 10.5684/soep.v33.1. Privathaushalte mit Referenzperson im Alter ab 65 Jahren. Aktuelle Haushaltsnetto-
einkommen. Personen mit Miete=0 eingeschlossen (elf Prozent aller Mieterhaushalte). Stromkosten ab 2010 berücksichtigt.
© DIW Berlin 2019
Die Wohnkostenbelastung ist bei alleinlebenden MieterInnen besonders hoch.
473DIW Wochenbericht Nr. 27/2019
WOHNKOSTEN VON ÄLTEREN
Ähnliche Ergebnisse zeigen sich bezüglich der Wohnkosten-
überlastung (über 40Prozent). Mieterhaushalte, die in Wohn-
häusern mit neuen Mietverträgen und in Großstädten woh-
nen, haben eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit, durch
ihre Miete finanziell überlastet zu werden. Darüber hinaus
gilt, wie oben beschrieben, sowohl Einpersonenhaushalte als
auch insbesondere die Haushalte mit geringen Einkommen
sind eher durch Wohnkosten überbelastet.
Höhere Wohnkostenbelastung kaum mit
Vorteilen in der Wohnungsausstattung und dem
Wohnumfeld verbunden
Je älter Menschen werden, desto mehr Zeit verbringen sie
in ihrer eigenen Wohnung und ihrem unmittelbaren Wohn-
um feld. Wenn im Alter die körperlichen Einschränkungen
zunehmen, werden Faktoren wie die Barrierefreiheit, die
Beziehungen zu den Nachbarn, die Versorgungsmöglich-
keiten und die Verkehrsanbindung wichtiger. Es könnte also
sein, dass ältere Menschen freiwillig eine höhere Wohnkos-
tenbelastung in Kauf nehmen, um in einer Wohnung zu
leben, die dem gerecht wird. Problematisch ist, wenn die hohe
Wohnkostenbelastung gepaart ist mit einer eher schlechten,
nicht-seniorengerechten Ausstattung der Wohnung und des
Wohnumfelds und wenig nachbarschaftlichem Austausch.
Grundlage für die folgende Analyse sind die für Deutschland
repräsentativen Daten des Deutschen Alterssurveys aus dem
Jahr 2017. Die Mieterhaushalte werden entsprechend ihrer
Wohnkostenbelastung in drei Gruppen eingeteilt (Tabelle3).
MieterInnen mit einer hohen Wohnkostenbelastung leben
häufiger in einer barrierereduzierten Wohnung. 21Prozent
der Mieterhaushalte, deren Wohnkosten 40 und mehr Pro-
zent ihres Einkommens ausmachen, leben in Wohnungen,
die über alle vier barrierereduzierende Ausstattungsmerk-
male verfügen. Bei einer Wohnkostenbelastung von unter
30Prozent trit dies nur auf rund 13Prozent der Wohnun-
gen zu. Damit haben ältere MieterInnen mit hoher Miet-
kosten belastung tatsächlich etwas bessere Chancen, in einer
für sie bei zunehmend eingeschränkter körperlicher Mobi-
lität passenden Wohnung zu leben. Der Zusammenhang
zwischen Wohnkostenbelastung und barrierereduzierter
Ausstattung ergibt sich vor allem aus der Wohndauer: Lang-
jährige Mieter Innen zahlen einerseits weniger Miete, haben
andererseits aber seltener eine barrierereduzierte Wohnung.
Die Wohnumfeldmerkmale variieren weniger mit der
Wohnkosten belastung. Aber es gibt einzelne Besonderhei-
ten. Wohnungen mit hoher Mietkostenbelastung sind bes-
ser an den ÖPNV angebunden und haben tendenziell mehr
Arztpraxen im Umfeld. Eine niedrige Mietkostenbelastung
geht mit engeren Nachbarschaftskontakten und einem als
sicherer empfundenen Umfeld einher. Auch unter Kontrolle
des Regional faktors (eine hohe Wohnkostenbelastung findet
sich eher in mittleren und großen Städten, die grundsätzlich
ein dichteres ÖPNV-Netz haben) liegt bei höherer Wohnkos-
tenbelastung eine signifikant bessere ÖPNV-Anbindung vor.
Tabelle 2
Determinanten der Wohnkostenbelastung und der Überbelastung
bei älteren Mieterhaushalten im Jahr 2016
Wohnkostenbelastung Wohnkostenüberbelastung
Altersgruppe 1 (65–70 Jahre) 2,524*** 0,0416
Altersgruppe 2 (71–80 Jahre) 1,819** 0,00989
Altersgruppe 3 (80 u. m. Jahre) 0 0
Kein Migrationshintergrund 0 0
Indirekter und direkter Migrationshintergrund 2,860*** 0,135***
1-Personen-Haushalt (Mann) 5,714*** 0,265***
1-Personen-Haushalt (Frau) 6,446*** 0,279***
Paarhaushalt 0 0
Sonstige Kombination −0,390 −0,0319
Niedriges Bildungsniveau 0 0
Mittleres Bildungsniveau 1,042 0,0582+
Hohes Bildungsniveau 0,608 0,00900
Erwerbstätige Person im Haushalt (0) 0 0
Erwerbstätige Person im Haushalt (1) −2,100* −0,0676
Haushaltsnettoeinkommen
1. Quintil 21,24*** 0,659***
2. Quintil 15,43*** 0,279***
3. Quintil 11,37*** 0,106***
4. Quintil 8,496*** 0,0577***
5. Quintil 0 0
Gemeindegröße nach Einwohnerzahl
>500 000 4,613+ 0,201*
100 000–500 000 1,233 0,0639
50 000–100 000 1,931 0,0295
20 000–50 000 0,772 0,0698
5 000–20 000 1,141 0,159+
2 000–5 000 0,625 0,0298
<2 000 0 0
Wohnfläche in Quadratmeter 0,104*** 0,00507***
Landwirtschaftliche Wohngebäude & sonstige Gebäude −8,213*** −0,0310
Freistehendes Ein- bzw. Zweifamilienhaus 0,342 0,0728+
Ein- oder Zweifamilien-Reihenhaus 0 0
Mehrparteien-Wohnhaus 3 bis 4 Wohnungen 8,704*** 0,184***
Mehrparteien-Wohnhaus 5 bis 8 Wohnungen 8,296*** 0,171***
Mehrparteien-Wohnhaus 9 u. m. Wohnungen 7,724*** 0,133**
Hochhaus 6,882*** 0,0645
Baujahr 0,0326** 0,000657
Wohndauer (<=15 Jahre) 5,486*** 0,151***
Wohndauer (16–35 Jahre) 3,286*** 0,0772*
Wohndauer (>35 Jahre) 0 0
Beobachtungen 1 405 1 405
R2 0,472 Pseudo R2 0,350
Quelle: SOEPv33.1, DOI: 10.5684/soep.v33.1.
Anmerkung: erstes Modell: OLS-Schätzung, zweites Modell: Probit-Schätzung. Kontrolliert für Ausstattungsmerkmale. Signifikanz-
niveaus: + p <0.10, * p < 0.05, ** p < 0.01, *** p < 0.001.
Lesebeispiel: Die erste Zahl in der ersten Spalte gibt an, dass Haushalte mit einer Referenzperson im Alter von 65 bis 70 Jahren
– unter Kontrolle aller anderen im Modell enthaltenen Einflussfaktoren – eine um 2,524 Prozentpunkte höhere Wohnkostenbelastung
haben als Haushalte mit einer Referenzperson der Altersgruppe ab 80 Jahren.
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474 DIW Wochenbericht Nr. 27/2019
WOHNKOSTEN VON ÄLTEREN
Der starke Zusammenhang zwischen der Höhe der Wohn-
kostenbelastung und der Enge der Nachbarschaftsbeziehun-
gen beruht teilweise auf der unterschiedlich langen Wohn-
dauer. Je niedriger die Wohnkostenbelastung, desto län-
ger wohnen die Menschen bereits in ihrer Wohnung und
desto enger sind ihre nachbarschaftlichen Kontakte. Aller-
dings korrespondiert eine hohe Wohnkostenbelastung auch
unter Kontrolle der Wohndauer mit weniger engen Nach-
barschaftsbeziehungen. Das Einkommen spielt auch eine
Rolle. Aus Untersuchungen ist bekannt,21 dass geringe finan-
zielle Ressourcen zu reduzierten sozialen Kontakte führen.
Wenn hohe Wohnkosten den finanziellen Spielraum zusätz-
lich ein engen, verstärkt dies das Risiko des sozialen Rück-
zugs und der Isolation. Schwache oder fehlende nachbar-
schaftliche Beziehungen treen ältere Menschen besonders
hart, da die nachbarschaftlichen Hilfen und Konversatio-
nen für die Bewältigung des Alltags im Alter eine große
Bedeutung haben.22
Fazit: Wohnraum für Ältere immer häufiger
unbezahlbar – Gegenmaßnahmen notwendig
Die Zahl der älteren Menschen nimmt in Deutschland zu.
Dabei steigen die Wohnkosten seit einigen Jahren schnel-
ler als die Alterseinkommen. Damit nimmt auch die
21 Petra Böhnke und Sebastian Link (2017): Poverty and the Dynamics of Social Networks: An Analysis of
German Panel Data. In: European Sociological Review, 33(4), 615–632.
22 Frank Oswald et al. (2011): Is Aging in Place a Resource for or Risk to Life Satisfaction? The Gerontologist,
51(2), 238–250, DOI:10.1093/geront/gnq096.
Abbildung 8
Wohnkostenbelastung von älteren MieterInnen
nach Wohnungsgröße
Wohnkosten in Prozent des Haushaltsnettoeinkommens
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
0–39,9 m
2
/Bewohner 40–59,9 m
2
/Bewohner ab 60 m
2
/Bewohner
1996 2006 2016
Quelle: SOEPv33.1, DOI: 10.5684/soep.v33.1. Mieterhaushalte mit Referenzperson im Alter ab 65 Jahren. Personen mit Miete=0
ausgeschlossen (elf Prozent aller Mieterhaushalte). Stromkosten ab 2010 berücksichtigt.
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Die Differenz der Wohnkostenbelastung zwischen großen und kleinen Wohnungen
hat sich reduziert.
Abbildung 7
Wohnkostenbelastung von Älteren nach Wohnstatus und Einkommensquintilen
Wohnkosten in Prozent des Haushaltsnettoeinkommens
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
1. Quintil 2. Quintil 3. Quintil 4. Quintil 5. Quintil 1. Quintil 2. Quintil 3. Quintil 4. Quintil 5. Quintil
1996 2006 2016
Mieterhaushalte 65+ Eigentümerhaushalte 65+
41
35
31
29
20
23
17
13 14
10
Quelle: SOEPv33.1, DOI: 10.5684/soep.v33.1. Privathaushalte mit Referenzperson im Alter ab 65 Jahren. Einkommensquintile gebildet auf Basis aktueller Haushaltsnettoeinkommen, bedarfsgewichtet mit der modifizierten OECD-Skala.
Haushalte mit Miete=0 eingeschlossen (elf Prozent aller Mieterhaushalte). Stromkosten ab 2010 berücksichtigt.
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Für Mieterhaushalte mit niedrigen Einkommen ist die Wohnkostenbelastung besonders hoch.
475DIW Wochenbericht Nr. 27/2019
WOHNKOSTEN VON ÄLTEREN
Wohn kosten belastung im Alter zu, allerdings nicht für alle
Gruppen gleichförmig. Eine doppelte Polarisierung nach
Wohn form und Einkommenshöhe setzt ein. Zunächst ist
der Anteil der Mieterhaushalte unter den Älteren gesunken.
Aber die Schere der Kostenbelastung zwischen Mieter Innen
und Eigentümer Innen einerseits und über die Einkommens-
verteilung andererseits geht auseinander. Diese Eekte ver-
stärken sich gegenseitig, da in den höheren Einkommens-
quintilen der Anteil der (vollentschuldeten) Eigentümer-
Innen zugenommen hat. Sozialpolitisch brisant ist die
Situation von immer mehr älteren Mieterhaushalten, von
denen fast zwei Drittel mehr als 30Prozent ihres Einkom-
mens für das Wohnen aufwenden müssen.
Die Wohnkostenbelastung wird nicht nur durch die Entwick-
lung auf dem Wohnungsmarkt (Mieterhöhungen, steigende
Kaufpreise, steigende Nebenkosten), sondern auch durch
die Entwicklung der Alterseinkommen bestimmt. Mehr
und mehr Personen verfügen über geringe Alterseinkom-
men. Das macht es noch schwieriger, bezahlbaren Wohn-
raum zu finden.23
Aus gesellschaftlicher Sicht sollte sichergestellt werden, dass
die Wohnkosten im Alter für den Einzelnen tragbar sind. Es
muss verhindert werden, dass steigende Mietkosten und
sich schwach entwickelnde Alterseinkommen bei Teilen der
23 Auch bei den nachfolgenden Rentnerjahrgängen dürften sich die Alterseinkommen relativ schwach
entwickeln, bzw. relativ gering ausfallen vgl. Markus M. Grabka et al. (2018): Rentennahe Jahrgänge haben
große Lücke in der Sicherung des Lebensstandards. DIW Wochenbericht Nr. 37, 809–818 (online verfügbar).
Tabelle 3
Ausgewählte Merkmale der Wohnung und des Wohnumfelds
von 65- bis 90-jährigen MieterInnen nach Höhe der
Wohnkostenbelastung, 2017 (in Prozent)
Wohnkostenbelastung1
Chi2-Test
< 30 Prozent 30–39 Prozent ab 40 Prozent
Wohnungsmerkmale:
Wohnung/Haus stufenlos erreichbar 25,4 18,6 26,8 p<.05
Alle Zimmer in Wohnung stufenlos erreichbar 71,9 79,3 83,8 p<.05
Keine oder nur niedrige Türschwellen in Wohnung 82,1 78,8 85,4 n.s.
Zugang zu Bad/WC mind. 80 cm breit 60,8 69,7 67,5 n.s.
Barrierereduzierte Wohnung (alle vier Kriterien erfüllt) 12,6 14,5 21,4 p<.001
Wohnumfeldmerkmale:
Genug Einkaufsmöglichkeiten284,4 86,6 86,4 n.s.
Gute ÖPNV-Anbindung280,1 90,3 90,2 p<.001
Genug Ärzte und Apotheken vorhanden282,1 81,6 88,6 n.s.
Geringe Lärmbelastung274,1 73,1 72,3 n.s.
Sich im Dunkeln auf Straße sicher fühlend268,5 59,0 63,4 n.s.
Enge oder sehr enge Nachbarschaftskontakte 53,5 43,3 33,2 p<.001
Nachrichtlich:
Großstadtbewohner 30,2 44,3 47,3 p<.001
Wohnen im dünn besiedelten ländlichen Raum 18,1 15,9 9,7 p<.05
Wohndauer in dieser Wohnung (in Jahren) 29,6 19,5 16,3 p<.001
Quelle: DEAS 2017, n = 1084 – 1124 , gewichtete Ergebnisse (Signifikanzprüfung mit ungewichteten Daten).
1 Monatliche Wohnkosten (Miete plus Nebenkosten) in Prozent des Nettoeinkommens des Haushalts.
2 Anteil der Personen, die „trifft genau zu“ oder „trifft eher zu“ angeben.
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Kasten
Datengrundlage
Die Analysen basieren sowohl auf Daten des Sozio-oekonomi-
schen Panels (SOEP) als auch auf Daten des Deutschen Alters-
surveys (DEAS). Die Daten des SOEP beziehen sich auf den Zeit-
raum 1996 bis 20161, die des DEAS auf das Jahr 2017.
Aus dem SOEP werden nur die Privathaushalte berücksichtigt,
deren Referenz person 65 Jahre oder älter ist. Die Referenzperson
ist die Person, die Antworten zum Haushaltsfragebogen gemacht
hat. Analog dazu werden aus dem Deutschen Alterssurvey nur
Personen ab 65 Jahren einbezogen.
Die monatliche Wohnkostenbelastung wird berechnet, indem die
monatlichen Wohnkosten durch das monatliche Haushaltsnet-
toeinkommen geteilt werden. Daraus ergibt sich der Anteil des
Haushaltsnettoeinkommens, der für die Wohnkosten aufgebracht
wird. Um potentielle Messfehler zu reduzieren, wird der maximale
Wert der Wohnkostenbelastung auf 50 Prozent gedeckelt.
Die Wohnkosten werden für Mieterhaushalte und Eigentümer-
haushalte unterschiedlich berechnet: Für die Wohnkosten der
1 Die Informationen zum Jahr 2015 wurden aufgrund eines abweichenden Erhebungs-
konzeptes ausgeschlossen.
Mieterhaushalte werden die Angaben zur monatlichen Kaltmiete,
Heiz- und Warmwasserkosten, Umlagen und Stromkosten (ab
2010) aufsummiert. Bei Mieterhaushalten, die keine Miete zahlen
(ca. elf Prozent der Mieterhaushalte), werden nur die Nebenkosten
als Wohnkosten berücksichtigt.
Die Wohnkosten der Eigentümerhaushalte umfassen die Summe
der monatlichen Heizungs-, Umlagen- und Stromkosten (ab 2010)
und gegebenenfalls noch offene Zins- und Tilgungszahlungen.
Da Informationen über die Höhe der Hypothek, der Zinsbindung,
der Restlaufzeit oder ähnlichem in den Datengrundlagen nicht
erhoben werden, kann keine Trennung von Zins und Tilgung vor-
genommen werden.
Im SOEP werden auch Ausgaben für Instandhaltungsmaßnah-
men erfragt. Es kann aber nicht nach der Art der Instandhaltung
und auch nicht nach Instandhaltung und Modernisierung un-
terschieden werden. Zudem fallen Instandhaltungsmaßnah-
men erratisch an, so dass eine einfache Umrechnung in einen
monatlichen Betrag mit Annahmen verbunden ist. Aus diesen
Gründen wurde hier auf eine Instandhaltungspauschale bei
EigentümerInnen verzichtet.
476 DIW Wochenbericht Nr. 27/2019
WOHNKOSTEN VON ÄLTEREN
weitere Maßnahmen flankiert werden, die den Anstieg der
Mieten begrenzen.
Drittens sollte mittelfristig der soziale Wohnungsbau stär-
ker gefördert werden, da BezieherInnen niedriger Erwerbs-
einkommen in der Regel auch im Alter nur über geringe
Einkommen verfügen. Die Ausweitung des Angebots sollte
dabei den besonderen Bedarf von älteren MieterInnen
(kleine, barrierefreie Wohnungen) berücksichtigen.
Die Politik sollte die speziellen Anforderungen der Älteren
verstärkt berücksichtigen. Ältere Menschen verbringen viel
Zeit in ihrer Wohnung und sind in stärkerem Maße auf
nachbarschaftliche Kontakte und Unterstützung angewie-
sen. Aus dem gewohnten Umfeld wegzuziehen, zum Bei-
spiel weil man sich die Wohnung nicht mehr leisten kann,
kann für sie besonders negative Folgen mit sich bringen,
wie den Verlust der Selbstständigkeit, von Unterstützungs-
netzwerken und sozialen Kontakten. Deswegen ist der Ver-
bleib in der Umgebung für viele ältere Menschen eine Prio-
rität. Um dies zu ermöglichen, sollte der Bestand an Sozial-
wohnungen substantiell ausgeweitet werden– entgegen dem
langjährigen Trend. Diese Ausweitung sollte innerhalb von
Städten gut verteilt sein. Da mit dem Auszug aus der bishe-
rigen Wohnung oft Wohnraum für jüngere Familien freige-
macht wird, wäre die Schaung von altersgerechten, bezahl-
baren kleineren Mietwohnungen zugleich eine Maßnahme
zur Förderung des Wohnens für alle Generationen.
älteren Bevölkerung zu einer weiteren Zunahme der sozia-
len Ungleichheit der Wohnbedingungen und der finanziel-
len Lage im Alter führen.
Maßnahmen in drei Richtungen können hier helfen.
Zunächst kann die Förderung des Wohneigentums lang-
fristig auch die Wohnkostenbelastung bei Älteren insge-
samt reduzieren, da diese bei EigentümerInnen niedriger
ist als bei MieterInnen.
Es sollte auch, zweitens, für ausreichende Alterseinkom-
men (auch aus der gesetzlichen Rente) gesorgt sein. Wenn
das Einkommen nicht reicht, ist es Aufgabe der Politik u. a.
durch das Wohngeld, die Haushalte zu unterstützen, die
durch ihre Wohnkosten überbelastet sind. Das Wohngeld
steht häufig in der Kritik, weil es nicht oft genug an die Ent-
wicklung der Einkommen und der Warmmieten angepasst
wird. Eine dynamisierte Anpassung des Wohngeldes, wie
sie die Bundesregierung beabsichtigt,24 würde die finanzi-
elle Unterstützung mit der Entwicklung der Mieten besser
verbinden. Eine vereinfachte Antragstellung des Wohngel-
des würde vermutlich auch die Zahl der geförderten Per-
sonen erhöhen. Um Mitnahmeeekte bei einer Anhebung
des Wohngelds zu vermeiden, sollte diese Reform durch
24 Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2019): Wohngeldreform beschlossen. Presse-
mitteilung vom 8. Mai 2019 (online verfügbar).
JEL: R21, I31, D31
Keywords: housing costs, elderly, SOEP, DEAS
Laura Romeu Gordo ist Stellvertretende Forschungsleiterin am Deutschen
Zentrum für Altersfragen (DZA), Berlin | laura.romeu-gordo@dza.de
Markus M. Grabka ist Senior Researcher der Infrastruktur ein richtung
Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) am DIW Berlin | mgrabka@diw.de
Alberto Lozano Alcántara ist studentischer Mitarbeiter am Deutschen
Zentrum für Altersfragen (DZA), Berlin | alberto.lozano@dza.de
Heribert Engstler ist Leiter des Forschungsdatenzentrums am Deutschen
Zentrum für Altersfragen (DZA), Berlin | heribert.engstler@dza.de
Claudia Vogel ist Leiterin des Deutschen Alterssurveys (DEAS) am Deutschen
Zentrum für Altersfragen (DZA), Berlin | claudia.vogel@dza.de
IMPRESSUM
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Mohrenstraße 58, 10117 Berlin
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86. Jahrgang 3. Juli 2019
Herausgeberinnen und Herausgeber
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Prof. Dr. Peter Haan; Prof. Dr. Claudia Kemfert; Prof. Dr. Alexander S. Kritikos;
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