[59] Innerhalb jeder bedeutenden Epoche in Kunst und Literatur pflegen wir drei immer wiederkehrende Personen-Gruppen wahrzunehmen, die man etwas schwergewichtig, doch zutreffend als Bahnbrecher, Kämpfer und Sieger unterschieden, oder, an die Vorstellung einer Pyramide anknüpfend, mit Basis, Körper und Spitze verglichen hat. Auch in der künstlerischen Entwicklung unserer heutigen Zeit und ihres,
... [Show full abstract] nach allen Seiten hin, ausgesprochen realistischen Charakters vermochten wir seit geraumer Zeit eine solche Zuspitzung wahrzunehmen, und nur die Frage noch blieb unentschieden, welcher Kunst es vorbehalten sein möge, zuerst das Ziel zu erreichen, oder — um im Bilde zu bleiben — die Pyramide abzuschließen. Wir unsererseits waren freilich, seit den Zeiten des alten Schadow her, daran gewöhnt, von der Skulptur diesen Sieg beinahe zu fordern, aber, im Widerspruch damit, konnten wir uns gegen die Wahrnehmung nicht ganz verschließen, daß es jenseits des Rheines die Malerei und jenseits des Kanales die Dichtkunst war, die jeden Augenblick, an Stelle unserer Skulptur, ihren Triumph proklamiren konnten. So wurde die Regatta der drei Künste zugleich ein Wettkampf dreier Nationalitäten. Ein glücklicher Zufall hat es gewollt, daß wir als die Sieger aus diesem Kampfe hervorgegangen sind, aber nicht auf dem Gebiet, das wir mit Hülfe Rauchs und seiner Schule eine Art Recht hatten, als das unsrige anzusehen, sondern vielmehr auf jenem, das nach einer gewissen äußerlichen Gerechtigkeit einen englischen Sieger hätte hervorbringen müssen. Wir sagen »nach äußerlicher Gerechtigkeit«, denn in Wahrheit sind unsere Rechtsansprüche so groß, daß wir unseren obigen Ausdruck, »ein glücklicher Zufall habe es gewollt«, beinahe beschämt zurückziehen, und vielmehr auf allen Gebieten den Sieg für uns vorweg in Anspruch nehmen möchten. Wessen der Realismus unserer Zeit bedarf, das ist die ideelle Durchdringung. Die Deutschen aber sind unbestritten das Volk der Idee.