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Evidenz der Wirksamkeit und Sicherheit von Cannabispräparaten bei chronischen SchmerzenEvidence of the efficacy and safety of cannabis medicines for chronic pain management: Ein methodisches MinenfeldA methodological minefield

Authors:

Abstract

Aktuelle systematische Übersichtsarbeiten (SRs) kommen zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen zur Wirksamkeit und Sicherheit von Cannabispräparaten bei chronischen Schmerzen. Dieser Artikel stellt eine methodenkritische Übersicht aktueller SRs von randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) mit Cannabispräparaten bei chronischen Schmerzen dar.
Leitthema
Bundesgesundheitsbl
https://doi.org/10.1007/s00103-019-02966-2
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil
von Springer Nature 2019
Winfried Häuser1,2,3 · Frank Petzke4
1Medizinisches Versorgungszentrum für Schmerzmedizin und seelische GesundheitSaarbrücken,
Saarbrücken, Deutschland
2Innere Medizin 1, Klinikum Saarbrücken, Saarbrücken, Deutschland
3Klinik für Psychosomatische Me dizin und Psychotherapie, Technische Universität München, München,
Deutschland
4Schmerzmedizin, Klinik für Anästhesiologie, Universitätsmedizin Göttingen,Göttingen, Deutschland
Evidenz der Wirksamkeit
und Sicherheit von
Cannabispräparaten bei
chronischen Schmerzen
Ein methodisches Minenfeld
Hintergrund
Seit März 2017 ist die Kostenübernahme
von medizinischem Cannabis im Sozi-
algesetzbuch V geregelt. Mit dem Ge-
setz wurde das in Deutschland norma-
lerweise für Arzneimittelgeltende System
aus Zulassungsverfahren, früher Nutzen-
bewertung und Preisverhandlung kom-
plett umgangen. Der Gesetzgeber hat be-
schlossen, keine Begrenzungen bezüg-
lich der Indikationen bei der Anwendung
von Cannabisarzneimitteln festzulegen.
Lediglich für die Erstattung der Kosten
besteht ein Genehmigungsvorbehalt bei
den Krankenkassen.
Die Bundesärztekammer hatte sich im
Vorfeld des Gesetzes aufgrund der un-
zureichenden Datenlage zu Wirksamkeit
und Risiken gegen die Verschreibungs-
fähigkeit von Cannabisblüten ausgespro-
chen [1]. Die Umgehung der Standards
der Arzneimittelzulassung für Cannabis-
blüten geschah auch in anderen Ländern
und hat kritische Äußerungen der wis-
senschalichen Fachgesellschaen her-
vorgerufen [24].
Im Cannabisreport der Barmer Er-
satzkasse BEK [5] wird festgestellt,
dass chronische Schmerzen im Jahr
2017 die häufigste Indikation für die
Verschreibung von Cannabispräpara-
ten (Dronabinol; Nabilon; Cannabis-
blüten = Medizinalhanf = medizinisches
Cannabis; Cannabisextrakte) waren. Mit
randomisierten kontrollierten Studien
(RCTs) sowie narrativen und systemati-
schen Übersichtsarbeiten mit und ohne
Metaanalysen zu Wirksamkeit, Verträg-
lichkeit und Sicherheit von Cannabisprä-
paraten bei chronischen Schmerzen ließe
sich überprüfen, ob die Bedingungen der
Arzneimittelbehörden für die Zulassung
von Arzneimitteln und die Kriterien
einer evidenzbasierten Medizin, z.B. die
der Cochrane Collaboration, bezüglich
des Nutzens von Cannabispräparaten er-
füllt sind. Diese Anforderung liegt aber
über den Anforderungen, die das Gesetz
für eine Verordnung von Cannabisarz-
neimitteln festgelegt hat. Dabei betritt
der Leser von RCTs und Übersichtsar-
beiten ein methodisches Minenfeld: Die
beschriebenen (statistischen) Effekte der
Cannabispräparate zur Schmerzredukti-
on reichten von nichtvorhanden bis stark
und die Qualität der festgestellten Evi-
denz von gering bis mäßig. Befürworter
einer erapie mit Cannabispräpara-
ten zitieren die Übersichtsarbeiten mit
positiven Schlussfolgerungen, Skepti-
ker die mit vorsichtigen bzw. negativen
Schlussfolgerungen [6].
Die vorliegende Übersichtsarbeit will
Gründe für die unterschiedlichen Er-
gebnisse und Schlussfolgerungen von
systematischen Übersichtsarbeiten dar-
stellen. Sie will den Leser sensibilisieren,
Original- und Übersichtsarbeiten kri-
tisch zu lesen. Auch Publikationen in
einer hochrangigen Zeitschri können
methodische Fehler und ungerechtfer-
tigte Schlussfolgerungen enthalten.
Die Grundlage dieser Übersichtsar-
beit sind systematische Literatursuchen
der Autoren für eigene systematische
Übersichtsarbeiten mit Metaanalysen
bzw. systematische Übersichten von
Übersichtsarbeiten zu Medizinalhanf
und cannabisbasierten Arzneimitteln
bei chronischen Schmerzen im Allge-
meinenundneuropathischenSchmerzen
im Besonderen [710], die für diesen
Beitrag aktualisiert wurden.
Vorbemerkungen
Cannabis als Arznei:
Unterschiedliche Präparate
Der Begriff „Cannabis“ wird in Me-
dien und Politik o für alle auf der
Cannabispflanze beruhenden oder von
ihr abgeleiteten Arzneimittel gebraucht,
so für die Cannabisblüten mit Hun-
derten von variablen Inhaltsstoffen, für
Rezeptur- und Fertigarzneimittel mit
Tetrahydrocannabinol (THC) und/oder
Cannabidiol (CBD), die aus der Hanf-
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz
Leitthema
Tab. 1 Charakteristika der randomi sierten kontrollierten Studien mit Cannabispräparaten, die in aktuelle systematische Übersichtsarbeiten zu chro-
nischen Schmerzen eingeschlossen wurden
Referenz Art der Schmerzsyndro-
me
Anzahl Studien/
Patienten in
Metaanalyse
Dauer der
randomisier-
ten Phase
(Minimum;
Maximum)
Art der Cannabispräpa-
rate (Anzahl der Studi-
en)
Methodische Qualität der
eingeschlossenen Studien
Aviram et al. [16]Neuropathisch (18)
Krebs (2)
Postoperativ (2)
Fibromyalgie (1)
Kopfschmerz (1)
24/1337 1Tagbis
24 Wochen
THC (6)
Nabilon und andere syn-
thetische THC-Analo-
ga (10)
THC/CBD (5)
Medizinalhanf (3)
CBD (1)a
Zwei Studien mit Jadad-
Score 2, sechs Studien mit
Jadad-Score 3, 10 Studien
mit Jadad-Score 4 und sechs
Studien mit Jadad-Score 5
Stockings et al. [26]Neuropathische Sc hmer-
zen (26)
Schmerz bei neurologi-
schen Erkrankungen (ALS,
MS,Parkinson;12)
Fibromyalgie (3)
Gemischt (2)
Bauchschmerzen (2)
Kopfschmerzen (1)
Rheumatoide Arthritis (1)
47/4271 1Tagbis3Jah-
re
THC/CBD (20)a
Dronabinol/THC (12)
Medizinalhanf (8)
Nabilon (7)
CBD (1)
Synthetisches THC-Analo-
gon CT3 (1)
Meiste Studien mit unklarem
oder hohem Verzerrungsrisi-
ko
Whiting et al. [13]Krebs (1)
Neuropathischer
Schmerz (7)
8/868 5Tagebis
16 Wochen
THC/CBD (7)
Medizinalhanf (1)
Mäßige Qualität der Evidenz
nach GRADE
ALS Amyotrophe Lateralsklerose, CBD Cannabidiol, CT3 1Dimethylheptyl-Δ8-tetrahydrocannabinol-11-oic Acid (synthetisches THC-Analogon),
GRADE Grading of Recommendations Assessment, Development and Evaluation, MS multiple Sklerose, THC Tetrahydrocannabinol
aStudien mit mehreren Armen von cannabisbasierten Arzneimitteln
pflanze extrahiert werden, sowie für
synthetische THC-Analoga. Einige sys-
tematische Übersichtsarbeiten schlossen
experimentelle Arbeiten zu syntheti-
schen Modulatoren des Endocannabino-
idsystems, welche nicht als Arzneimittel
erhältlich sind, in ihre Auswertungen
ein (.Tab. 1).
Die Ansatzpunkte verschiedener can-
nabisähnlicher Präparate am Endocan-
nabinoidsystem können unterschiedlich
sein,z.B.vonMonopräparatenmit
Tetrahydrocannabinol (THC) versus
Kombinationspräparate mit Cannabi-
diol (CBD). Es ist daher methodisch
nicht korrekt, von der Wirksamkeit ei-
ner Gruppe von Cannabispräparaten
(z.B. pflanzlich basiertem THC) auf
eine andere (z.B. Cannabisblüten) zu
schließen.
Chronische Schmerzsyndrome
unterscheidensichinihrer
Symptomatik und patho-
physiologischen Mechanismen
In einigen Übersichtsarbeiten wurden
sämtliche verfügbare kontrollierte Stu-
dien zu sämtlichen Formen von chro-
nischen Schmerzen in quantitativen
Analysen zusammengefasst. Dieses Vor-
gehen ist aus mehreren Gründen proble-
matisch: Chronische Schmerzsyndrome
(nozizeptiv, neuropathisch, funktionell
und Mischformen) können sich in ih-
ren pathophysiologischen Mechanismen
als auch in ihrer Symptomatik (z.B.
Schmerzcharakteristika) erheblich un-
terscheiden. So lassen sich bei neuropa-
thischen Schmerzen durch quantitative
sensorische Testung unterschiedliche
sensorische Profile unterscheiden [11].
Beispielsweise fand ein RCT mit Bo-
tulinumtoxin bei peripheren neuropa-
thischen Schmerzsyndromen eine sta-
tistisch signifikante Überlegenheit von
Botulinumtoxin zu Placebo bezüglich
einschießender Schmerzen und Allody-
nie, nicht jedoch für Parästhesien, bren-
nenden und tiefen Schmerz [12]. Eine
gepoolteAnalyse allerSchmerzsyndrome
ohne Subgruppenanalyse nach einzelnen
Schmerzsyndromen/-mechanismen gibt
dem Kliniker daher wenig Orientierung,
mit welchem Präparat er einen Patienten
mit einem klinisch definierten Schmerz-
syndrom (z.B. Fibromyalgie), mit einem
definierten Schmerzphänotyp (z.B. no-
zizeptiver Schmerzcharakter) und einem
definierten sensorischen Phänotyp (z. B.
bei neuropathischen Schmerzen) behan-
deln soll. Von einer gepoolten Analyse
von sieben Studien mit neuropathischen
Schmerzen und einer Studie mit Tu-
morschmerzen auf die Wirksamkeit bei
allen chronischen Schmerzen zu schlie-
ßen, wie von Whiting und Co-Autoren
erfolgt [13], ist daher methodisch nicht
korrekt. Andererseits wird durch ge pool-
te Analysen, die potenzielle Wirksamkeit
in Subgruppen womöglich unterschätzt.
Die methodischen Minenfelder
systematischer Übersichts-
arbeiten
Selektive Literatursuche
Reporting Bias, d.h. die selektive Publi-
kation positiver und die partielle bzw.
fehlende Publikation negativer Studien-
ergebnisse, ist eines der Hautprobleme in
der Beurteilung von Behandlungen [14].
Das PRISMA-Statement (bevorzugte Be-
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz
richtselemente für systematische Über-
sichten und Metaanalysen; [15]) schreibt
daher die Suche nach sogenannter grau-
er Literatur vor, d. h. nach Studien, die
z. B. in Datenbanken, aber nicht in Zeit-
schrien mit Begutachtungsverfahren
veröffentlicht wurden. Die systemati-
sche Übersichtsarbeit von Aviram et al.
beanspruchte dem PRISMA-Statement
zu folgen, führte jedoch keine Suche nach
grauer Literatur durch ([16]; .Tab. 1).
Die Autoren schlossen drei Studien, die
nur in einer medizinischen Datenbank
verfügbar waren, nicht in ihre quanti-
tative und qualitative Analyse ein. In
den drei nichteingeschlossenen Studien
waren Cannabispräparate dem Placebo
in der Schmerzreduktion nicht über-
legen [17]. Die Autoren überschätzten
daher die (statistische) Effektstärke von
Cannabispräparaten, die in ihrer gepool-
ten Analyse aller Schmerzsyndrome als
mäßig beschrieben wurde (.Tab. 2).
In einer von einem pharmazeutischen
Unternehmen bezahlten Beilage des
Deutschen Ärzteblatts vom 19.11.2018
zu einem Cannabisvollextrakt wurde
u.a. dieser SR als Beweis für die breite
Wirksamkeit des Präparates angeführt.
Selektive Analysen
Die von Protagonisten einer generellen
Wirksamkeit von Cannabispräparaten
in der Schmerztherapie vielzitierte, in
der renommierten Zeitschri JAMA
publizierte systematische Übersichtsar-
beit mit Metaanalyse von Whiting und
Co-Autoren [13]schloss–ohneAn-
gabe von Gründen – nur acht der 28
im Flussdiagramm aufgeführten Stu-
dien zu chronischem Schmerz in die
Metaanalyse bezüglich einer 30%igen
und größeren Schmerzreduktion ein
(.Tab. 2). Finnerup und Kollegen [18]
schlossen nur zwei von neun Studien in
die quantitative Analyse ei ner 30 %igen
und größeren Schmerzreduktion ein. Im
Gegensatz zu beiden Übersichtsarbeiten
benutzten Petzke und Co-Autoren [19]
sowie Mücke und Co-Autoren [10]eine
validierte Imputationsmethode [20], um
bei möglichst vielen der durch die Litera-
tursuche gefundenen Studien 30%ige
Schmerzreduktion berechnen zu können
(.Tab. 3und 4).
Zusammenfassung · Abstract
Bundesgesundheitsbl https://doi.org/10.1007/s00103-019-02966-2
© Springer-VerlagGmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019
W.Häuser·F.Petzke
Evidenz der Wirksamkeit und Sicherheit von Cannabispräparaten
bei chronischen Schmerzen. Ein methodisches Minenfeld
Zusammenfassung
Aktuelle systematische Übersichtsarbeiten
(SRs) kommen zu unterschiedlichen
Schlussfolgerungen zur Wirksamkeit und
Sicherheit von Cannabispräparaten bei
chronischen Schmerzen. Dieser Artikel stellt
eine methodenkritische Übersicht aktueller
SRs von randomisierten kontrollierten
Studien (RCTs) mit Cannabispräparatenbei
chronischen Schmerzen dar.
Selektive Literatursuche sowie verzerrte
Datenanalysen und Ergebnisdarstellungen
zugunsten der Wirksamkeit von Can-
nabispräparaten lassen sich sowohl bei
einzelnen RCTs als auch bei SRs nachweisen.
Je umfangreicher die Literatursuche und
je höher die Kriterien für den Einschluss
von Studien und die klinische Relevanz der
Studienergebnisse, umso ernüchternder
sind die Schlussfolgerungen der SRs
bezüglich Wirksamkeit und Sicherheit. Es
besteht eine mäßige Qualität der Evidenz
für eine moderate Schmerzreduktion bei
chronischen neuropathischen Schmerzen. Für
diese könne n Cannabispräparate daher als
Drittlinientherapie gelten. Für alle übrigen
chronischen Schmerzsyndrome liegen
Hinweise auf eine unzureichende Wirksamkeit
vor.
Um den Stellenwert von Cannabispräparaten
in der Therapie chronischer Schmerzen
besser zu definieren, sind neue methodisch
hochwertige RCTs notwendig, die den
Fokus auf Ergebnisparameter jenseits von
Schmerzlinderung legen sow ie auf innovative
Ansätze wie Netzwerkmetaanalysen mit
verschiedenen Therapien und Kombination
von kontrollierten und B eobachtungsstudien.
Schlüsselwörter
Chronische Schmerzen · Medizinalhanf ·
Cannabisbasierte Arzneimittel · Systematische
Übersichtsarbeit · Randomisierte kontrollierte
Studien
Evidence of theefficacy and safety of cannabismedicines for
chronic pain management. A methodological minefield
Abstract
Recent systematic reviews (SRs) came
to divergent conclusions on the efficacy
and safety of medical marijuana and
cannabis-based medicines for chronic pain
management. This paper gives an over view
and critical appraisalof the methods of recent
SRsofrandomizedcontrolledtrials(RCTs)
with cannabis medicines for chronic pain.
Selective search of the literature, incorrect
data analyses and presentation in favor of
cannabis medicines can be detected in both
RCTs and SRs. The more detailed the search
of literature (e.g. inclusionof so-called grey
literature) and the higher the criteria of the
inclusion of studies (such as study duration)
and of the clinical relevance of the study
findings, the more disappointing are the
conclusions of SRs on the efficacy and safety
of cannabis medicines. There is moderate
quality evidence of a moderate relief of
neuropathic pain. Cannabis m edicines can be
regarde d to be third-line therapy for chronic
neuropathic pain. There are signals of a lack of
efficacy for all other chronic pain syndromes.
New high-quality RCTs and approaches,
such as network meta-analyses combining
different treatments and controlled and
observational i ncluding additional outcomes
than pain relief, are necessary to better define
the importance of cannabis medicines for
chronic pain management.
Keywords
Chronic pain · Medical marijuana · Cannabis-
based medicines · Systematic review ·
Randomized controlled tria l
Die Bedeutung der Studiendauer
Die negativen Schlussfolgerungen von
Finnerup und Kollegen [18]bezüglich
der Wirksamkeit von Cannabis bei neu-
ropathischen Schmerzen lässt sich auch
durch ihr Einschlusskriterium, einer
Mindestdauer der randomisierten Phase
von drei Wochen, erklären. Auf Grund-
lage dieses Kriteriums schlossen sie die
fünf verfügbaren Studien (mit positiven
Ergebnissen) mit Medizinalhanf aus.
Die Übersichtsarbeit von Andreae et al.,
die einen klinisch relevanten Nutzen
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz
Leitthema
Tab. 2 Ergebnisse von aktuellen Metaanalysen randomisier terk ontrollierter Studien von Cannabisarzneimitteln bei Patienten mit chronischen
Schmerzen
Referenz Datenbanken und Zeit-
raum Literatursuche
Wirksa mkeit ( 95 % KI)
Anzahl der Studien/
Patienten in quantitativer
Analyse
Verträglichkeit und Si-
cherheit (95 % KI)
Anzahl der Studien/
Patienten in quantita-
tiver Analyse
Schlussfolgerungen der Autoren
Aviram et al.
[16]
MEDLINE und Google
Scholar bis Juli 2015
Keine Responderanalysen
SMD –0,61 (–0,78; –0,43)
24/1334
Keine Analyse der Abbruch-
raten wegen Nebenwirkun-
gen sowie der Häufigkeit
von schwerwiegenden Ne-
benwirkungen; Analyse von
zentralnervösen, psychia-
trischen, gastrointestinalen
und kardialen Nebenwir-
kungen
Cannabisarzneimittelsind mögli-
cherweise wirksam in der Behand-
lung chronischer Schmerzen, vor
allem neuropathischer Schmerzen.
Die Evidenz ist begrenzt
Stockings et al.
[26]
MEDLINE, Embase,
PsycINFO und CENTRAL
bis Juli 2017
OR ≥30 % Schmerzreduktion
1,46 (1,16–1,84)
NNTB 24 (15–61)
9/1734
Abbruch wegen Nebenwir-
kungen OR 3,47 (2,64–4,56)
NNTH 40 (35–49)
19/3265
Schwere Nebenwirkungen
OR 1,82 (0,93–3,59);
11/1974
Die Evidenz für die Wirksamke it von
Cannabisarzneimitteln für chronische
nichttumorbedingteSchmerzen ist
begrenzt. Die Zahl der Patienten, um
einen zusätzlichen Nutzen zu erzie-
len, ist hoch und für einen zusätz-
lichen Schaden zu erzielen niedrig.
Die Wirkung auf andere Bereiche
ist begrenzt. Es erscheint unwahr-
scheinlich, dass Cannabisarzneim ittel
hoch effektive Medikamente zur Be -
handlung chronischer Schmerzen
sind
Whiting et al.
[13]
28 Datenbasen bis April
2015
OR ≥30 % Schmerzreduktion
1,41 (0,99–2,00)
8/868
Keine Analyse Es besteht eine Evidenz mäßiger
Qualität, die den Einsatz von Canna-
binoiden bei chronischen Schmerzen
stützt
KI Kondenzintervall, NNTB Number Needed to Treat for Additional Benet, NNTH Number Needed to Treat for Additional Harm, OR Odds Ratio,
SMD Standardisierte Mittelwertdierenz
von Cannabisblüten für eine 30%ige
und größere Schmerzreduktion von 6
(Number Needed to Benefit) beschrieb,
schloss zwei jeweils eintägige Studien
und eine fünägige Studie ein. Sol-
che sehr kurzen Studien werden als
experimentelle Studien bezeichnet, die
keineAussagberdieWirksamkeitbei
chronischen Schmerzen erlauben ([21];
.Tab. 3und 4).
Selektive Ergebnisdarstellung
EinRCTmitNabilonvonSkrabeketal.
zum Fibromyalgiesyndrom suggerierte
eine Überlegenheit von Nabilon gegen-
über Placebo: „ere were significant
decreases in the VAS [Ergänzung Au-
toren: visuelle Analogskala Schmerz]
(–2,04, P< 0,02), FIQ [Ergänzung der
Autoren: Fibromyalgia Impact Ques-
tionnaire] (–12,07, P< 0,02), and anxiety
(–1,67, P< 0,02) in the nabilone trea-
ted group at 4 weeks. ere were no
significant improvements in the place-
bo group“ [22]. Die Praxisleitlinien der
Deutschen Gesellscha für Schmerzme-
dizin beziehen ihre Grad C-Empfehlung
für Cannabispräparate auch auf diese
Studie [23]. Standard in systematischen
Übersichtsarbeiten ist jedoch der Ver-
gleich von Verum und Placebo am
erapieende. Dieser Vergleich wurde
von Skrabek in der Publikation nicht
berichtet. Anhand der in der Publikati-
on in Abbildungen verfügbaren Daten
verglichen die Cochrane-Autoren Walitt
et al. die Schmerz-, Angst- und Lebens-
qualitätsscores von Nabilon und Placebo
am erapieende und fanden keine sta-
tistisch signifikanten Unterschiede [24].
Das in der Übersichtsarbeit von Whi-
ting und Mitarbeitern berichtete 95%
Konfidenzintervall der Odds Ratio (OR)
für eine 30 %ige und größere Schmerz-
reduktion schloss die 1 mit ein und war
daher nicht statistisch signifikant. Die
gewichtete mittlere Differenz (WMD)
der durchschnittlichen Schmerzreduk-
tion dagegen war statistisch signifikant.
Somit sind die Ergebnisse zur Bewertung
der Schmerzreduktion nicht konsistent
und die Schlussfolgerung der Autoren,
dass eine mäßige Qualität der Evidenz
besteht [13], nicht nachvollziehbar.
Die Autoren des von verschiedenen
öffentlichen US-amerikanischen Institu-
tionen in Aurag gegebenen Reports der
National Academies of Sciences, Engi-
neering and Medicine kommen zu dem
Schluss, es bestehe eine „substanzielle“
Evidenz, dass Cannabis oder Cannabi-
noide wirksam bei der Behandlung von
chronischen Schmerzen bei Erwachse-
nen sind [25]. Grundlage dieser Feststel-
lung waren lediglich die systematischen
Übersichtsarbeiten von Andreae [21]so-
wie Whiting und Mitarbeitern [13], de-
ren Probleme in dieser Übersichtsarbeit
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz
Tab. 3 Charakteristika der randomisiertenkontrollierten Studien, die in aktuelle systematische Übersichtsarbeiten zu chronischen neuropathischen
Schmerzen eingeschlossen wurden
Referenz Anzahl Studien/
Teilnehmer
Dauer der randomisier-
ten Phase (Minimum;
Maximum)
Art der Cannabispräparate
(Anzahl der Studien)
Methodische Qualität der einge-
schlossenen Studien
Andreae et al. [21]5/178 5hbis zweiWochen Medizinalhanf (5) Cochrane Risk of Bias Tool: 1 Studie mit
niedrigem, 2 Studien mit mäßigem und
2 Studien mit hohem Verzerrungsrisiko
Finnerup et al. [18]9/1110 3bis14Wochen THC/CBD (Nabiximols) (8)
Nabilon (1)
Jadad-Score für 5 vollständige publizier-
te Studien: Eine Studie mit Score 3 und
jeweils 2 Studien mit Score 4 und 5
Petzke et a l. [19]15/1619 2bis15Wochen Dronabinol (1)
Nabilon (2)
Medizinalhanf (2)
THC/CBD (10)
Cochrane Risk of Bias Tool: 2 Studien
hatten ein niedriges und 13 Studien ein
mäßiges Verzerrungsrisiko
Mücke et al. [10]16/1750 2bis15Wochen Dronabinol (1)
Nabilon (3)
Medizinalhanf (2)
THC/CBD (10)
Qualität der Evidenz der einzelnen Er-
gebnisvariablen nach GRADE: niedrig
bis mäßig
CBD Cannabidiol, GRADE Grading of Recommendations Assessment, Development and Evaluation, THC Tetrahydrocannabinol
bereits dargestellt wurden. Bezüglich der
Festlegung der Qualität der Evidenz liest
manindemReport:„eweightofthe
evidence was determined during private
deliberations of subgroups of the com-
mittee“ [25]. Die Festlegungdes Evidenz-
gradeserfolgtealso nichtnachetablierten
Kriterien wie denen des Oxford Center
for Evidence Based Medicine, sondern
„eminenzbasiert“.
Informationsbroschüren von phar-
mazeutischen Unternehmen werben mit
einer „guten“ bzw. mäßigen“ Evidenz
ihrer Cannabispräparate bei chronischen
Schmerzen mit Verweis auf diesen Re-
port [25] bzw. die Übersicht von Whiting
[13].
Statistische versus klinische
Signifikanz
Nur wenige systematische Übersichten
haben sich zur klinischen Relevanz von
statistisch signifikanten Ergebnissen ge-
äußert. In der bislang umfangreichsten
Übersicht zu chronischen nichttumor-
bedingten Schmerzen (CNCP = Chronic
Noncancer Pain) kalkulierten Stockings
und Co-Autoren aus 34 RCTs mit
3896 Patienten eine durchschnittliche
Schmerzreduktion von 2,9mm auf einer
100mm Schmerzskala für alle chroni-
schen Schmerzsyndrome gepoolt und
schlossen daraus, es sei unwahrschein-
lich, dass Cannabispräparate generell
effektive Schmerzmittel beim CNCP
sind [26].
In dem Cochrane-Review zu neuro-
pathischen Schmerzen wurde mit einer
Number Needed to Treat for Additional
Benefit (NNTB) von 11 für eine 30 %ige
und größere Schmerzreduktion das Kri-
terium der Pain Palliative and Supporti-
ve Care Group der Cochrane Collabora-
tion für einen klinisch relevanten Nutzen
(NNTB 10) knapp verfehlt [10].
Industriesponsoring und
teil- bzw. unveröffentlichte
Forschungsergebnisse
Die von den Arzneimittelbehörden für
Zulassungsstudien von Arzneimitteln
zur Schmerzbehandlung geforderte not-
wendige Patientenzahl und Studiendauer
verlangt ein Millionenbudget, das meist
nur von pharmazeutischen Unterneh-
men bereitgestellt werden kann [27].
Daher ist es nicht verwunderlich, dass
die Mehrzahl der Studien, vor allem
bei Tumorschmerzen und multiple-skle-
rose-assoziierten Schmerzen, von dem
Hersteller eines Präparates finanziert
wurden [7,10,19].
Die in wissenschalichen Zeitschrif-
ten fehlende Veröffentlichung von Studi-
en mit negativen Ergebnissenfür das Prä-
parat des Sponsors ist noch immer gängi-
ge Praxis [28]. Da Studien mittlerweile in
Datenbankenwie Clinicaltrials.govregis-
triert werden müssen, können systema-
tische Übersichtsarbeiten auch auf nicht
in medizinischen Fachzeitschrien ver-
öffentlichte Daten (graue Literatur) zu-
greifen. Der Cochrane-Review zu neuro-
pathischen Schmerzen konnte drei nicht
in wissenschalichen Zeitschrien ver-
öffentlichte Studien, welche von einem
pharmazeutischen Unternehmen finan-
ziert wurden, einschließen, da die (nega-
tiven) Ergebnisse in Clinicaltrials.gov be-
richtet wurden. Trotz Nachfragenste llten
die Verantwortlichen von drei weiteren
in Clinicaltrials.gov registrierten und mit
öffentlichen Mitteln geförderten Studien
ihre Ergebnisse nicht zur Verfügung. Der
Einschluss von Studien mit negativen Er-
gebnissen würde möglicherweise zu ei-
nem negativen Ergebnis der gepoolten
Analyse aller Cannabispräparate führen
[10].
Eine systematische Übersichtsarbeit
zu Cannabispräparaten in der Palliativ-
medizin, mit einer Literatursuche bis
April 2015, schloss auch zwei RCTs mit
537 Patienten mit oromukosaler Anwen-
dung von THC/CBD (Nabiximols) als
Add-on-erapie bei Tumorschmerzen
ein, die auf etablierte Analgetika nicht
ausreichend ansprachen. Das statisti-
sche Signifikanzniveau der 30 %igen
Schmerzreduktion wurde knapp verfehlt
(p= 0,07; [19]). Mittlerweile wurden
drei weitere RCTs mit Nabiximols in
komprimierter Form publiziert. Auch
in diesen Studien wurde das Signi-
fikanzniveau für eine Überlegenheit
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz
Leitthema
Tab. 4 Ergebnisse von Metaanalysenvon randomisierten kontrollierten Studienvon Cannabisarzneimitteln beiPatienten mit chronischenneuropa-
thischen Schmerzen
Referenz Datenbanken und Zeitraum
Literatursuche
Wirksa mkeit ( 95 % KI)
Anzahl der Studien/
Patienten in quantita-
tiver Analyse
Verträglichkeit und Sicher-
heit (95 % KI)
Anzahl der Studien/Patienten
in quantitativer Analyse
Schlussfolgerungen der Au-
toren
Andreae et al. [21]Cochrane Central, PubMed,
Embase und AMED; kein
Datum berichtet
Handsuche in Abstracts der
Conference on Retroviruses
and Opportunistic
Infections 2011, International
AIDS Conference und World
Congress of Pain 2010
OR ≥30 % Schmerzre-
duktion
3,2 (1,6–7,2)
NNT 6 (3–14)
5/178
Keine quantitative Analyse Inhaliertes Cannabis führ t zu
einer kurzfristigen Schmerzre-
duktion bei einem von sechs
behandelten Patienten
Finnerup et al. [18]PubMed/Medline
Cochrane Central
Embase
FDA Website
EMEA Website
Clinicaltrials.gov
Additional Studies
Datum des Endes der Suche
nicht berichtet
RD ≥30 % Schmerzre-
duktion 0,03 (–0,03,
0,09)
NNTB nicht berechnet,
da kein signifikantes
Ergebnis
2/149
NNH für einen zusätzlichen Ab-
bruch wegen Nebenwirkungen
12 (9–20); 4/672
Schwache Empfehlung gegen
den Einsatz von Cannabinoi den
bei chronischen neuropathi-
schen Schmerzen
Mücke et al. [10]Central, Medli ne, Embase, Cli-
nicaltrials.gov bis November
2017
RD ≥30 % Schmerzre-
duktion 0,09 (0,03–0,15)
NNTB 11 (7–33)
10/1586
NNH für einen zusätzlichen Ab-
bruch wegen Nebenwirkungen
RD 0,04 (0,02–0,07)
NNTH 25 (16–50)
13/1848
Keine statistisch signifikanten
Unterschiede bei schwerwie-
genden Nebenwirkungen zwi-
schen Cannabispräp araten und
Placebo
Der potenzielle Nutzen von can-
nabisbasierten Arzneimitteln
wird möglicherweise durch den
durch sie veru rsachten Schaden
aufgehoben
Petzke et a l. [19]Medline, Central und Clini-
caltrials.gov bis November
2015
RD ≥30 % Schmerzre-
duktion 0,10 (95 % KI
0,03, 0,16)
NNTB 14 (8,45)
9/1346
NNTH für einen zusätzlichen
Abbruch wegen Nebenwirkun-
gen 0,04 (0,01–0,07); NNTH 19
(13–37)
11/1572
Keine statistisch signifikanten
Unterschiede zwischen Canna-
bispräparaten und Placebo bei
schwerwiegenden Nebenwir-
kungen
Eine kurz- und mittelfristige
Therapie mit Cannabispräpa-
raten kann bei ausgewählten
Patienten mit neuropathischen
Schmerzen nach dem Versagen
von Erst- und Zweitlinienthera-
pien erwogen werden
FDA Food and Drug Administration, KI Kondenzintervall, NNTB Number Needed to Treat for Additional Benet, NNTH Number Needed to Treat for
Additional Harm, OR Odds Ratio, RD Risk Dierence
des Präparates gegenüber Placebo für
eine durchschnittliche Schmerzredukti-
on knapp verpasst. Wie bei negativen
Studienergebnissen häufig praktiziert,
werden in der Publikation Post-hoc-
Analysen mit Subgruppen bzw. statis-
tisch signifikante Ergebnisse mit den
primären und sekundären Endpunkten
zu einzelnen Untersuchungszeitpunkten
berichtet [29]. Die für eine Metaanalyse
notwendigen Daten derStudien sind nur
in der Datenbank der US National Libra-
ry of Medicine zufinden. Diequantitative
Analyse aller fünf Studien zeigte keine
Unterschiede zwischen Nabiximols und
Placebo, weder zur Schmerzreduktion
noch zur Reduktion von Schlafproble-
men und psychischer Symptombelas-
tung. Für Nabiximols wurden jedoch
mehr zentralnervöse und gastrointesti-
nale Nebenwirkungen und eine höhere
Abbruchrate berichtet [30]. Aktuelle
Studien zu anderen Präparaten als Nabi-
ximols liegen beim Tumorschmerz nicht
vor.
Abwägen von Nutzen und Risiken
DasAbwägenvonNutzenundRisiken
einer Behandlung ist in systematischen
Übersichtsarbeiten als auch in der kli-
nischen Praxis essenziell [31]. Whiting
und Co-Autoren führten keine getrenn-
te Analyse der Nebenwirkungen und
Abbruchraten für die Studien mit chro-
nischen Schmerzen durch und berück-
sichtigten daher bei ihrer Empfehlung
nicht die möglichen Risiken von Canna-
bispräparaten [13]. Im Gegensatz dazu
kontrastierten Stockings und Mitarbei-
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz
Tab. 5 Empfehlung und Nichtempfehlung von cannabisbasierten Arzneimitteln bei chroni-
schenSchmerzen. (Nach deraktuellen kanadischenHausarztleitlinie [32]und dem Positionspapier
der EuropeanPain Federation [33])
Indikation Kanadische Hausarztleitli-
nie
Positionspapier der Euro-
pean Pain Federation
Neuropathische Schmerzen Drittlinientherapie (schwache
Empfehlung)
Drittlinientherapie
Krebsschmerzen Drittlinientherapie (Add-on)
(schwache Empfehlung)
Individueller Therapieversuch
Schmerz bei rheumatischen
Erkrankungen (Arthrose, Fi-
bromyalgiesyndrom, rheu-
matoide Arthritis, Rücken-
schmerz)
Stark negative Empfehlung Individueller Therapieversuch
Kopfschmerz Stark negative Empfehlung Individueller Therapieversuch
ter die NNTB und die Number Needed
to Treat for Additional Harm (NNTH)
und schlussfolgerten, dass die Zahl der
Patienten, um einen zusätzlichen Nutzen
zu erzielen, hoch und, um einen zusätz-
lichen Schaden zu erzielen, niedrig ist
([26]; .Tab. 2).
Auch wenn die Abbruchrate wegen
Nebenwirkungen bei neuropathischen
Schmerzen das Kriterium der Pain Pal-
liative and Supportive Care Group der
Cochrane Collaboration für einen kli-
nisch relevanten Schaden (NNTH 10)
nicht erreichte und keine statistisch si-
gnifikanten Unterschiede zu Placebo
bezüglich schwerer Nebenwirkungen
feststellbar waren, fand sich eine Häu-
fung von Nebenwirkungen bei Can-
nabispräparaten mit einer NNTH für
zentralnerse Nebenwirkungen von 3
und psychiatrische Störungen von 10
[10].
Repräsentativität der Studien-
population
Die optimistische Schlussfolgerung von
Andreae und Co-Autoren zu Cannabis-
blüten bei neuropathischen Schmerzen
(insgesamt 178 Patienten in fünf Stu-
dien) muss nicht nur bezüglich der
Studiendauer, sondern auch bezüglich
der externen Validität ihrer Studien-
populationen kritisch gesehen werden.
Zwei Studien wurden mit 89 Patienten
mit einer HIV-assoziierten Polyneu-
ropathie vor der Ära der hochaktiven
antiretroviralen erapie durchgeführt
[20]. Bis zu 100% der eingeschlossenen
Patienten mit HIV-Neuropathie hatten
Vorerfahrung mit dem Freizeitkonsum
von Cannabis. Ein relevanter Teil der
Studienpopulation der Metaanalyse war
daher nichtrepräsentativ für aktuelle Pa-
tienten mit neuropathischen Schmerzen
in Deutschland.
Leitlinienempfehlungen
Aktuell ist den Autoren keine interdiszi-
plinäre evidenz- und konsensusbasierte
Leitlinie bekannt, welche den Einsatz
von cannabisbasierten Arzneimitteln im
Allgemeinen und von Medizinalhanf
im Besonderen als Erstlinientherapie
bei chronischen Schmerzen empfiehlt.
Sowohl die aktualisierte kanadische
Praxisleitlinie [32]alsauchdasPositi-
onspapier der European Pain Federation
(EFIC; [33]) empfiehlt einen Einsatz von
Cannabispräparaten bei chronischen
neuropathischen Schmerzen als Drittli-
nientherapie (.Tab. 5). Die kanadische
Leitlinie sieht eine Drittlinienindikation
bei Krebsschmerzen nach Ausschöp-
fung etablierter erapieoptionen und
sprichteinenegativeEmpfehlungzur
Schmerztherapie bei rheumatischen und
Kopfschmerzerkrankungen aus [32].
Nach dem EFIC-Positionspapier kann
sowohl bei Tumorschmerzen als auch
bei allen nichtneuropathischen Nichttu-
morschmerzsyndromen ein individuel-
ler Heilversuch nach Ausschöpfen eta-
blierter erapieoptionen erwogen wer-
den. Wenn Cannabispräparate eingesetzt
werden, sollen primär cannabisbasierte
Rezeptur- und Fertigarzneimittel ver-
wendet werden. Beide Leitlinien begrün-
den diese Empfehlung mit der besseren
Datenlage und besseren Dosierbarkeit
von Rezeptur- und Fertigarzneimitteln.
Laut EFIC kann Medizinalhanf bei Un-
verträglichkeit oder Wirkungslosigkeit
von Rezeptur- und Fertigarzneimitteln
erwogen werden [32]. Beide Leitlinien
ratenvomRauchenvonMedizinalhanf
(mit und ohne Tabak) wegen der mit
dem Rauchen verbundenen Gesund-
heitsschäden ab und empfehlen den
Gebrauch eines Vaporisators [32,33].
Fazit
Je umfangreicher die Literatursuche, je
höher der Anspruch an die Methodik der
Metaanalyse(z. B. Einschlusskriterienfür
eine Metaanalyse wie Studiendauer und
Anzahl der Patienten) und je stringenter
dieKriterienfür einen klinischen Nutzen,
umso ernüchternder sind die Ergebnis-
se von systematischen Übersichtsarbei-
ten zu Cannabisarzneimitteln [9]. Ledig-
lich bei der erapie mit Cannabisprä-
parate n von neuropathis chen Sc hmerzen
bzw. Schmerzen bei multipler Sklerose
werden die Kriterien der Cochrane Col-
laboration für den Nutzen erfüllt. Bei
neuropathischen Schmerzen ist weiter-
hin zu berücksichtigen, dass einige chro-
nische neuropathische Schmerzsyndro-
me (z. B. zentraler Schmerz nach Schlag-
anfall) nicht in die Studien eingeschlos-
sen wurden und die Aussage zur Wirk-
samkeit daher nicht für alle chronischen
neuropathischenSchmerzen gilt. Weitere
Einschränkungen der Validität der sys-
tematischen Übersichtsarbeiten zu neu-
ropathischen Schmerzen wurden oben
dargestellt.
Zu keinem Schmerzsyndrom liegt ei-
ne ausreichende Evidenz für Cannabis-
blüten vor.
Wir müssen daher die Ergebnisse
der laufenden kontrollierten Studien
abwarten, um den Stellenwert von Can-
nabispräparaten in der Schmerzmedizin
besser definieren zu können. Wich-
tig dabei ist die Prüfung zusätzlicher
Ergebnisparameter, die nicht auf den
Schmerz, sondern andere Aspekte einer
chronischen Schmerzstörung abzielen
(z.B. Schlaf, psychische Symptombelas-
tung, Fun ktion, Analgeti kabedarf ). Dazu
können auch die Ergebnisse von Pati-
entenregistern und Fallserien beitragen.
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz
Leitthema
Innovative Ansätze in der Bewertung
der bestehenden Literatur sind die Kom-
bination von Daten aus kontrollierten
und Beobachtungsstudien.
Bis zur Klärung der offenen Fragen
zur Wirksamkeit und Sicherhe it empfeh-
len wir Ärzten, die Patienten mit chro-
nischen Schmerzen behandeln, dem Po-
sitionspapier der European Pain Feder-
ation [33] zu folgen: Cannabispräpara-
te sollen nur nach Versagen etablierter
erapieoptionen und innerhalb eines
multimodalen erapiekonzeptes als in-
dividueller Heilversuch angewendet wer-
den. Die eher ernüchternden Ergebnis-
se der qualitativ hochwertigen systemati-
schen Übersichtsarbeiten sollten zu rea-
listischenErwartungenbeiPatientenund
Behandlern bezüglich eines möglichen
erapieerfolges führen. Dieser indivi-
duelle Heilversuch ist in Deutschland nur
aufgrund des besonderen Verständnisses
von Wirksamkeit in der aktuellen Rege-
lung des SGB V zur Verschreibung von
Cannabisarzneimitteln möglich. Mit der
Formulierung: „eine nicht ganz entfernt
liegende Aussichtauf eine spürbare posi-
tive Einwirkung auf den Krankheitsver-
lauf...“,alsKriteriumfürdieErstattungs-
fähigkeit wurde ein nicht überprüfbarer
Begriff von Wirksamkeit geschaffen. Die-
se juristisch bzw. politisch festgelegten
Wirksamkeitskriterienentsprechennicht
den üblichen medizinischen Standards
bei der Zulassung von Arzneimitteln in
Deutschland.
Befürworter der Ausweitung der In-
dikation von Cannabispräparaten sollten
dieBesonderheitdieser„Ausnahme“-Re-
gelung als solche anerkennen und dabei
die Risiken einer breiten Anwendung auf
Basis von Expertenmeinungen und Fall-
serien und ohne hochwertige RCTs nicht
unterschätzen [34]. Auch die Opioid-
epidemie in den USA begann mit Ex-
pertenmeinungen und Fallserien, wel-
che die Wirksamkeit und Sicherheit von
Opioiden bei allen Formen von Schmerz
suggerierten [6].
Korrespondenzadresse
Winfried Häuser
Innere Medizin 1, Klinikum Saarbrücken
Winterberg 1, 66119 Saarbrücken, Deutschland
whaeuser@klinikum-saarbruecken.de
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. W.Häuser und F.Petzke erklä-
ren, keine finanziellen Interessenkonflikte zu haben.
W.Häuser und F. Petzkesind Autoren systematischer
Übersichtsarbeiten z u Cannabispräparaten beim
chronischenSchmerz. W. Häuser ist der Vorsitzen-
de der Arbeitsgruppe zu Cannabis präparaten zur
Schmerzbehandlung der EuropeanPain Federation.
W.Häuser erhielt in 2018 und 2019 Erstattung von
Reise- und Übernachtungskostenvon Bioevents für
die Organisation einer Tagung zu „Controversieson
cannabis-based med icines“.
Für diesen Beitrag wurdenvon den Autoren keine
StudienanMenschenoderTierendurchgeführt.
Für die aufgeführtenStudien gelten die jeweils dort
angegebenen ethischen Richtlinien.
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... Eine Verordnung zulasten der GKV muss zwar ebenfalls zunächst von der Krankenkasse genehmigt werden. Die Datenlage zu den meisten Indikationen ist jedoch nach wie vor dürftig[14,15]. Welche Auswirkungen die Verordnungsfähigkeit von Cannabis auf diese Vorgaben haben wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar. Nach § 31 Abs. ...
Article
Palliative care serves to improve the quality of life in patients suffering from incurable diseases. Pharmacotherapy of distressing symptoms plays an important role. Off-label use refers to the use of drugs outside the marketing authorization. In addition to the indications off-label use may also be due to duration of treatment, route of administration and the admixture of substances. Off-label use is common in palliative and hospice care and is probably unavoidable in many cases. For treatment planning and realization of off-label therapy in clinical practice, patient-related aspects, information, therapy monitoring and documentation of therapy effects should be considered in addition to drug-related information. Only in this way it is possible to offer a scientifically adequate, appropriate and economic therapy that is linked to an appropriate risk-benefit ratio for the individual patient. Due to the lack of authorization studies, reporting is of particular importance.
... Eine Verordnung zulasten der GKV muss zwar ebenfalls zunächst von der Krankenkasse genehmigt werden. Die Datenlage zu den meisten Indikationen ist jedoch nach wie vor dürftig [14,15]. Welche Auswirkungen die Verordnungsfähigkeit von Cannabis auf diese Vorgaben haben wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar. ...
Article
Palliative care serves to improve the quality of life in patients suffering from incurable diseases. Pharmacotherapy of distressing symptoms plays an important role. Off-label use refers to the use of drugs outside the marketing authorization. In addition to the indications off-label use may also be due to duration of treatment, route of administration and the admixture of substances. Off-label use is common in palliative and hospice care and is probably unavoidable in many cases. For treatment planning and realization of off-label therapy in clinical practice, patient-related aspects, information, therapy monitoring and documentation of therapy effects should be considered in addition to drug-related information. Only in this way it is possible to offer a scientifically adequate, appropriate and economic therapy that is linked to an appropriate risk-benefit ratio for the individual patient. Due to the lack of authorization studies, reporting is of particular importance.
... . Mit dem Gesetz wurden Cannabisarzneimittel ohne Anwendung des in Deutschland geltenden Systems aus Zu-lassung, früher Nutzenbewertung und Preisverhandlung, wie es normalerweise für neue Arzneimittel gilt, verfügbar. Einzig begrenzend wurde ein Genehmigungsvorbehalt der Krankenkassen bezüglich der Erstattung der Kosten für eine Therapie mit Cannabisarzneimitteln gesetzlich festgeschrieben [2]. ...
Article
Full-text available
Background There are uncertainties among physicians with respect to the indications, selection of drugs, effectiveness and safety of cannabis-based medicines for chronic pain. Methods All statutory health insurance pain physicians in Saarland were asked to complete a self-developed questionnaire assessing their experiences with cannabis-based medicines, which they prescribed between 10 March 2017 and 30 November 2018 for adult patients with chronic cancer and non-cancer pain. Results All statutory health insurance pain physicians participated in the survey and 13 out of 20 reported having prescribed cannabis-based medicines. The most frequent reasons for prescriptions in 136 patients (1.9% of the patients of the institutions) were failure of established treatment (73%) and desire of the patient (63%). In 35% of patients the type of pain was nociceptive, in 34% neuropathic, in 29% nociceptive and neuropathic and in 13% nociplastic. Dronabinol was prescribed for 95% of the patients and 71% were responders (clinically relevant reduction of pain or of other symptoms). In 29% of patients treatment was terminated due to either a lack of efficacy or adverse events. Conclusion Statutory health insurance pain physicians in Saarland were reluctant to prescribe cannabis-based medicines. Dronabinol was effective and well-tolerated in the majority of the highly selected patients.
Article
Ob es zu medizinischen Cannabionoiden derzeit mehr Hype als Evidenz gibt, wird weiterhin heftig diskutiert. Denn die Datenlage ist in den meisten Indikationen dünn. Bei neuropathischen Schmerzen haben es die Cannabinoide nun aber in die S2k-Leitlinie der DGN geschafft.
Article
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Since March 2017, the prescription of medical cannabis at the expense of the statutory health insurance is possible after approval by the respective medical services. Chronic pain is the most common indication, as health claims data and the accompanying survey show. From the point of view of the law, a prescription is indicated in cases of serious illness, missing or not indicated established therapeutic approaches and a not entirely remote prospect of improvement of the illness or its symptoms. This describes a broader indication spectrum than can currently be based on randomised controlled clinical trials. There is weak evidence of low efficacy for neuropathic pain. For pain related to spasticity and cancer-related pain there is evidence of improvements in quality of life, but effects on pain are of little relevance. For all other indications, only an individual therapeutic trial can be justified based on the available external evidence. However, this usually corresponds to the demand of "a not entirely remote prospect" of a noticeably positive effect of medical cannabis. It is also problematic that almost no long-term studies for the application and efficacy of flowers and extracts are available.Current knowledge on the use of cannabis-based drugs and, more clearly, medical cannabis for chronic pain is insufficient. The increase in the number of countries with marketing authorisations or exemptions for medicinal cannabis or cannabis-based drugs for chronic pain will also pave the way for larger empirical and population-based studies that will further improve the evidence base of research and clinical use.
Article
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Cannabis‐based medicines are being approved for pain management in an increasing number of European countries. There are uncertainties and controversies on the role and appropriate use of cannabis‐based medicines for the management of chronic pain. EFIC convened a European group of experts, drawn from a diverse range of basic science and relevant clinical disciplines, to prepare a position paper to empower and inform specialist and non‐specialist prescribers on appropriate use of cannabis‐based medicines for chronic pain. The expert panel reviewed the available literature and harnessed the clinical experience to produce these series of recommendations. Therapy with cannabis‐based medicines should only be considered by experienced clinicians as part of a multidisciplinary treatment and preferably as adjunctive medication if guideline‐recommended first and second line therapies have not provided sufficient efficacy or tolerability. The quantity and quality of evidence are such that cannabis‐based medicines may be reasonably considered for chronic neuropathic pain. For all other chronic pain conditions (cancer,non‐neuropathic non‐cancer pain), the use of cannabis‐based medicines should be regarded as an individual therapeutic trial. Realistic goals of therapy have to be defined. All patients must be kept under close clinical surveillance. As with any other medical therapy, if the treatment fails to reach the predefined goals and/or the patient is additionally burdened by an unacceptable level of adverse effects and/or there are signs of abuse and misuse of the drug by the patient, therapy with cannabis‐based medicines should be terminated. This article is protected by copyright. All rights reserved.
Article
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This review examines evidence cannabinoids in chronic non-cancer pain (CNCP), and addresses gaps in the literature by: considering differences in outcomes based on cannabinoid type and specific CNCP condition; including all study designs; and following IMMPACT guidelines. MEDLINE, Embase, PsycINFO, CENTRAL and clinicaltrials.gov were searched in July 2017. Analyses were conducted using Revman 5.3 and Stata 15.0. A total of 91 publications containing 104 studies were eligible (n = 9958 participants), including 47 RCTs and 57 observational studies. Forty-eight studies examined neuropathic pain, seven studies examined fibromyalgia, one rheumatoid arthritis, and 48 other CNCP (13 MS-related pain, 6 visceral pain, and 29 samples with mixed or undefined CNCP). Across RCTs, PERs for 30% reduction in pain were 29.0% (cannabinoids) vs 25.9% (placebo), significant effect for cannabinoids, number needed to treat to benefit (NNTB): 24 (95%CI 15-61); for 50% reduction in pain, PERs were 18.2% vs. 14.4%; no significant difference. Pooled change in pain intensity (standardised mean difference: -0.14, 95%CI -0.20, -0.08) was equivalent to 3mm on a 100mm visual analogue scale greater than placebo. In RCTs, PERs for all-cause AEs were 81.2% vs. 66.2%; number needed to treat to harm (NNTH): 6 (95%CI 5-8). There were no significant impacts upon physical or emotional functioning, and low-quality evidence of improved sleep and patient global impression of change. Evidence for effectiveness of cannabinoids in CNCP is limited. Effects suggest NNTB are high, and NNTH low, with limited impact on other domains. It appears unlikely that cannabinoids are highly effective medicines for CNCP.
Article
Full-text available
BACKGROUND: This review is one of a series on drugs used to treat chronic neuropathic pain. Estimates of the population prevalence of chronic pain with neuropathic components range between 6% and 10%. Current pharmacological treatment options for neuropathic pain afford substantial benefit for only a few people, often with adverse effects that outweigh the benefits. There is a need to explore other treatment options, with different mechanisms of action for treatment of conditions with chronic neuropathic pain. Cannabis has been used for millennia to reduce pain. Herbal cannabis is currently strongly promoted by some patients and their advocates to treat any type of chronic pain. OBJECTIVES: To assess the efficacy, tolerability, and safety of cannabis-based medicines (herbal, plant-derived, synthetic) compared to placebo or conventional drugs for conditions with chronic neuropathic pain in adults. SEARCH METHODS: In November 2017 we searched CENTRAL, MEDLINE, Embase, and two trials registries for published and ongoing trials, and examined the reference lists of reviewed articles. SELECTION CRITERIA: We selected randomised, double-blind controlled trials of medical cannabis, plant-derived and synthetic cannabis-based medicines against placebo or any other active treatment of conditions with chronic neuropathic pain in adults, with a treatment duration of at least two weeks and at least 10 participants per treatment arm. DATA COLLECTION AND ANALYSIS: Three review authors independently extracted data of study characteristics and outcomes of efficacy, tolerability and safety, examined issues of study quality, and assessed risk of bias. We resolved discrepancies by discussion. For efficacy, we calculated the number needed to treat for an additional beneficial outcome (NNTB) for pain relief of 30% and 50% or greater, patient's global impression to be much or very much improved, dropout rates due to lack of efficacy, and the standardised mean differences for pain intensity, sleep problems, health-related quality of life (HRQoL), and psychological distress. For tolerability, we calculated number needed to treat for an additional harmful outcome (NNTH) for withdrawal due to adverse events and specific adverse events, nervous system disorders and psychiatric disorders. For safety, we calculated NNTH for serious adverse events. Meta-analysis was undertaken using a random-effects model. We assessed the quality of evidence using GRADE and created a 'Summary of findings' table. MAIN RESULTS: We included 16 studies with 1750 participants. The studies were 2 to 26 weeks long and compared an oromucosal spray with a plant-derived combination of tetrahydrocannabinol (THC) and cannabidiol (CBD) (10 studies), a synthetic cannabinoid mimicking THC (nabilone) (two studies), inhaled herbal cannabis (two studies) and plant-derived THC (dronabinol) (two studies) against placebo (15 studies) and an analgesic (dihydrocodeine) (one study). We used the Cochrane 'Risk of bias' tool to assess study quality. We defined studies with zero to two unclear or high risks of bias judgements to be high-quality studies, with three to five unclear or high risks of bias to be moderate-quality studies, and with six to eight unclear or high risks of bias to be low-quality studies. Study quality was low in two studies, moderate in 12 studies and high in two studies. Nine studies were at high risk of bias for study size. We rated the quality of the evidence according to GRADE as very low to moderate.Primary outcomesCannabis-based medicines may increase the number of people achieving 50% or greater pain relief compared with placebo (21% versus 17%; risk difference (RD) 0.05 (95% confidence interval (CI) 0.00 to 0.09); NNTB 20 (95% CI 11 to 100); 1001 participants, eight studies, low-quality evidence). We rated the evidence for improvement in Patient Global Impression of Change (PGIC) with cannabis to be of very low quality (26% versus 21%;RD 0.09 (95% CI 0.01 to 0.17); NNTB 11 (95% CI 6 to 100); 1092 participants, six studies). More participants withdrew from the studies due to adverse events with cannabis-based medicines (10% of participants) than with placebo (5% of participants) (RD 0.04 (95% CI 0.02 to 0.07); NNTH 25 (95% CI 16 to 50); 1848 participants, 13 studies, moderate-quality evidence). We did not have enough evidence to determine if cannabis-based medicines increase the frequency of serious adverse events compared with placebo (RD 0.01 (95% CI -0.01 to 0.03); 1876 participants, 13 studies, low-quality evidence).Secondary outcomesCannabis-based medicines probably increase the number of people achieving pain relief of 30% or greater compared with placebo (39% versus 33%; RD 0.09 (95% CI 0.03 to 0.15); NNTB 11 (95% CI 7 to 33); 1586 participants, 10 studies, moderate quality evidence). Cannabis-based medicines may increase nervous system adverse events compared with placebo (61% versus 29%; RD 0.38 (95% CI 0.18 to 0.58); NNTH 3 (95% CI 2 to 6); 1304 participants, nine studies, low-quality evidence). Psychiatric disorders occurred in 17% of participants using cannabis-based medicines and in 5% using placebo (RD 0.10 (95% CI 0.06 to 0.15); NNTH 10 (95% CI 7 to 16); 1314 participants, nine studies, low-quality evidence).We found no information about long-term risks in the studies analysed.Subgroup analysesWe are uncertain whether herbal cannabis reduces mean pain intensity (very low-quality evidence). Herbal cannabis and placebo did not differ in tolerability (very low-quality evidence). AUTHORS' CONCLUSIONS: The potential benefits of cannabis-based medicine (herbal cannabis, plant-derived or synthetic THC, THC/CBD oromucosal spray) in chronic neuropathic pain might be outweighed by their potential harms. The quality of evidence for pain relief outcomes reflects the exclusion of participants with a history of substance abuse and other significant comorbidities from the studies, together with their small sample sizes.
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Objective: To develop a clinical practice guideline for a simplified approach to medical cannabinoid use in primary care; the focus was on primary care application, with a strong emphasis on best available evidence and a promotion of shared, informed decision making. Methods: The Evidence Review Group performed a detailed systematic review of 4 clinical areas with the best evidence around cannabinoids: pain, nausea and vomiting, spasticity, and adverse events. Nine health professionals (2 generalist family physicians, 2 pain management-focused family physicians, 1 inner-city family physician, 1 neurologist, 1 oncologist, 1 nurse practitioner, and 1 pharmacist) and a patient representative comprised the Prescribing Guideline Committee (PGC), along with 2 nonvoting members (pharmacist project managers). Member selection was based on profession, practice setting, location, and lack of financial conflicts of interest. The guideline process was iterative through content distribution, evidence review, and telephone and online meetings. The PGC directed the Evidence Review Group to address and provide evidence for additional questions as needed. The key recommendations were derived through consensus of the PGC. The guideline was drafted, refined, and distributed to a group of clinicians and patients for feedback, then refined again and finalized by the PGC. Recommendations: Recommendations include limiting medical cannabinoid use in general, but also outline potential restricted use in a small subset of medical conditions for which there is some evidence (neuropathic pain, palliative and end-of-life pain, chemotherapy-induced nausea and vomiting, and spasticity due to multiple sclerosis or spinal cord injury). Other important considerations regarding prescribing are reviewed in detail, and content is offered to support shared, informed decision making. Conclusion: This simplified medical cannabinoid prescribing guideline provides practical recommendations for the use of medical cannabinoids in primary care. All recommendations are intended to assist with, not dictate, decision making in conjunction with patients.
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Seit Anfang 2017 Änderungen betäubungsmittelrechtlicher Regelungen den Weg zu ihrer Verordnung ermöglichten, finden Cannabinoide immer mehr Anwendung in der Schmerztherapie. Jedoch spricht sich die derzeitige Fibromyalgie-Leitlinie gegen deren Einsatz aus — woraufhin Krankenkassen die Kostenübernahme verweigern.
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Medical cannabis has entered mainstream medicine and is here to stay. Propelled by public advocacy, the media and mostly anecdote rather than sound scientific study, patients worldwide are exploring marijuana use for a vast array of medical conditions including management of chronic pain. Contrary to the usual path of drug approval, medical cannabis has bypassed traditional evidence-based study and has been legalized as a therapeutic product by legislative bodies in various countries. While there is a wealth of basic science and preclinical studies demonstrating effects of cannabinoids in neurobiological systems, especially those pertaining to pain and inflammation, clinical study remains limited. Cannabinoids may hold promise for relief of symptoms in a vast array of conditions, but with many questions as yet unanswered. Rigorous study is needed to examine the true evidence for benefits and risks for various conditions and in various patient populations, the specific molecular effects, ideal methods of administration, and interaction with other medications and substances. In the context of prevalent use, there is an urgency to gather pertinent clinical information about the therapeutic effects as well as risks. Even with considerable uncertainties, the health care community must adhere to the guiding principle of clinical care 'primum non nocere' and continue to provide empathetic patient care while exercising prudence and caution. The health care community must strongly advocate for sound scientific evidence regarding cannabis as a therapy. Significance: Legalization of medical cannabis has bypassed usual drug regulatory procedures in jurisdictions worldwide. Pending sound evidence for effect in many conditions, physicians must continue to provide competent empathetic care with attention to harm reduction. A vision to navigate the current challenges of medical cannabis is outlined.
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Objectives: Randomised clinical trials (RCTs) are costly. We aimed to provide a systematic overview of the available evidence on resource use and costs for RCTs to support budget planning. Study design and setting: We systematically searched MEDLINE, EMBASE and HealthSTAR from inception until November 30, 2016 without language restrictions. We included any publication reporting empirical data on resource use and costs of RCTs and categorised them depending on whether they reported (i) resource and costs of all aspects at all study stages of an RCT (including conception, planning, preparation, conduct, and all tasks after the last patient has completed the RCT); (ii) on several aspects, (iii) on a single aspect (e.g. recruitment); or (iv) on overall costs for RCTs. Median costs of different recruitment strategies were calculated. Other results (e.g. overall costs) were listed descriptively. All cost data were converted into USD 2017. Results: A total of 56 articles that reported on cost or resource use of RCTs were included. None of the articles provided empirical resource use and cost data for all aspects of an entire RCT. Eight articles presented resource use and cost data on several aspects (e.g. aggregated cost data of different drug development phases, site specific costs, selected cost components). Thirty-five articles assessed costs of one specific aspect of an RCT (i.e. 30 on recruitment; 5 others). The median costs per recruited patient were USD 409 (range: USD 41-6,990). Overall costs of an RCT, as provided in 16 articles, ranged from USD 43-103,254 per patient, and USD 0.2-611.5 Mio per RCT but the methodology of gathering these overall estimates remained unclear in 12 out of 16 articles (75%). Conclusion: The usefulness of the available empirical evidence on resource use and costs of RCTs is limited. Transparent and comprehensive resource use and cost data are urgently needed to support budget planning for RCTs and help improve sustainability.